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German Pages 745 [747] Year 2014
J US PR I VAT UM Beiträge zum Privatrecht Band 183
Christoph Kumpan
Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht Eine Untersuchung zur Fremdinteressenwahrung und Unabhängigkeit
Mohr Siebeck
Christoph Kumpan, geb. 1974; Studium der Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre in Berlin (Humboldt-Universität) und der Rechtswissenschaft in Heidelberg; 2000 Erste Juristische Staatsprüfung; 2002 LL.M. (University of Chicago); 2004 Zweite Juristische Staatsprüfung; Wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg; 2005 Promotion; 2005 Attorney at Law (New York); 2006 und 2008 Visiting Fellow an der University of Cambridge (Wolfson College); 2013 Habilitation; Sommersemester 2013 Vertretung einer Professur an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster; seit Oktober 2013 Gastprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin.
e-ISBN PDF 978-3-16-153055-5 ISBN 978-3-16-153052-4 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen aus der Sabon gesetzt, auf alterungs beständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Für Ana, Christina und Philipp
Vorwort Die vorliegende Arbeit analysiert die privatrechtlichen Regelungen für Interessenkonflikte sog. Fremdinteressenwahrer, deren Entwicklung gegenwärtig zunehmend auseinanderdriftet. Derartige Interessenkonflikte können immer dann auftreten, wenn es jemand unternimmt, für einen anderen Geschäfte zu besorgen oder dessen Interessen zu vertreten. Obwohl die Interessenkonflikte in den verschiedenen Rechtsgebieten vielfach vergleichbar sind, hat sich mit der Zeit ein disparates Regelungsregime im deutschen Privatrecht entwickelt. Während in einigen Rechtsgebieten, wie etwa dem Kapitalmarktrecht, aufgrund nationaler und internationaler Entwicklungen die Regelungen immer stärker ausziseliert werden, sind Regelungen in anderen Bereichen, wie etwa dem Maklerrecht, seit Jahren nahezu unverändert geblieben. Diese disparate Entwicklung ist höchst unbefriedigend und birgt die Gefahr in sich, dass mit vergleichbaren Interessenkonflikten unterschiedlich umgegangen wird. Hier gilt es Verbindungen herzustellen, die Regelungen zu systematisieren und auf der Basis des geltenden Rechts – angeregt durch Entwicklungen in anderen Rechtsgebieten – teleologische Anpassungen vorzunehmen. Dies unternimmt die vorliegende Arbeit, der meine Habilitationsschrift zugrundeliegt Die Habilitationsschrift wurde im März 2013 von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg unter dem Titel „Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht – Eine Untersuchung des Bürgerlichen Rechts sowie des Handels-, Gesellschafts-, Kapitalmarkt-, Berufs-, und Insolvenzrechts“ angenommen. Rechtsprechung und Schrifttum sind bis zum Dezember 2013 berücksichtigt worden, an einigen Stellen auch noch die Rechtsentwicklung darüber hinaus. Mein besonderer Dank gilt meinem hochverehrten akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Dr. Klaus J. Hopt, der mir die Bearbeitung dieses Themas ermöglicht hat. Er hat mich auf vielfältige Weise wissenschaftlich gefördert, war immer gesprächsbereit und hat mir gleichzeitig großen Freiraum für meine Forschungen gewährt. Zudem hat er mich als wissenschaftlichen Referenten am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg, beschäftigt. Mein weiterer Dank gilt Herrn Professor Dr. Heribert Hirte für die Erstellung des Zweitgutachtens. Danken möchte ich auch den Herren Professor Dr. Jürgen Basedow, Professor Dr. Holger Fleischer und Professor Dr. Reinhard
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Vorwort
Zimmermann, Direktoren des Max-Planck-Instituts in Hamburg, die meine Anstellung am Max-Planck-Institut befürwortet haben. Ihnen und meinen Kollegen, Dr. Andreas Fleckner, Dr. Patrick Leyens und Dr. Felix Steffek, sowie Herrn Professor John Armour, University of Oxford, und Herrn Professor Dr. Georg Ringe, Copenhagen Business School, sowie den Teilnehmern der Law and Finance Senior Practitioner Lectures der University of Oxford danke ich für wertvolle Anregungen und Diskussionen. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft danke ich für die Finanzierung meiner Stelle am Max-Planck-Institut in Hamburg sowie den Herren Professor Dr. Matthias Casper und Professor Dr. Gerald Spindler für ihre Gutachten im Rahmen meiner Bewerbung bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Herrn Dr. Franz-Peter Gillig danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe Jus Privatum des Mohr Siebeck Verlages. Meiner Mutter, Gertraud Kumpan, meiner Frau, Ana Kumpan, sowie Frau Angela Huhn, Frau Julia Redler und den übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Lehrstuhls von Herrn Professor Dr. Dr. Grundmann an der Humboldt-Universität zu Berlin danke ich für das Korrekturlesen und den Herren Cüneyd Erbay und Sebastian Naturski für ihre Unterstützung bei der Erstellung des Registers. Berlin, im Januar 2014
Christoph Kumpan
Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXV Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Teil 1: Interessenkonflikte – Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 9 § 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung . . . . . . 11 § 2 Ökonomische Erwägungen zu Notwendigkeit und Grenzen der Regelung von Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . . . . 58 Teil 2: Allgemeine Regeln zu Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . 87 § 3 Interessenwahrungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 § 4 Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 § 5 Unabhängigkeit in den einzelnen Privatrechtsgebieten . . . . . . 158 Teil 3: Besondere Regeln zu Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . 227 § 6 Systematisierung der besonderen Regelungen . . . . . . . . . . 229 Abschnitt 1: Konfliktoffenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 § 7 Anzeige- und Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . 245 Abschnitt 2: Konfliktvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 § 8 Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 § 9 Beschränkung des Handlungsspielraums . . . . . . . . . . . . . 324 § 10 Vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers . . . . . . . . 346 § 11 Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 § 12 Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen im Berufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 § 13 Inhabilitätsvorschriften und Eignungsprüfungen . . . . . . . . 416 Abschnitt 3: Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 § 14 Formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen . . 459 § 15 Geschäftschancenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 § 16 Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen . . . 508
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Inhaltsübersicht
§ 17 Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses . . . . . . . . 558 Abschnitt 4: Sanktionen und Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . 579 § 18 Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 § 19 Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588 Teil 4: Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 § 20 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . 613
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 691
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXV Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 II. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . 4 III. Methoden der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . 4 IV. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Teil 1: Interessenkonflikte – Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 9 § 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung . . . . . . 11 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 II. Begriff des Interessenkonflikts und dogmatische Verortung 11 1.) Fehlen eines einheitlichen rechtlichen Begriffs des Interessenkonflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.) Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 a.) Der Begriff des Interesses im allgemeinen und rechtlichen Sprachgebrauch . . . . . . . . . . 15 b.) Interesse und Recht: Interessenjurisprudenz . . . . 15 c.) Subjektives und objektives Interesse . . . . . . . . 17 d.) Interessenträger und Unternehmensinteresse . . . . 17 3.) Interessenkonflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 a.) Der Begriff des Interessenkonflikts im Sinne der Interessenjurisprudenz . . . . . . . . . . . . . 22 b.) Abgrenzung anhand der Einteilung der Rechtsverhältnisse nach ihrer Interessenstruktur . 22 c.) Die dogmatische Einteilung von Rechtsverhältnissen nach ihrer Interessenstruktur . . . . . . . . . . . . 23 (i) Verträge des Interessengegensatzes . . . . . . 24 (ii) Verträge der Interessengemeinschaft . . . . . 25 (iii) Verträge der Fremdinteressenwahrung . . . . 25 d.) Die asymmetrische Interessengewichtung bei Verträgen mit Fremdinteressenwahrungscharakter 26 e.) Nicht erfasste Interessenkonflikte . . . . . . . . . 26
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f.) Der Interessenkonflikt im engeren Sinne . . . . . . 27 g.) Interessenkonflikt und Befangenheit . . . . . . . . 28 4.) Interessenwiderstreit im Berufsrecht . . . . . . . . . . 29 a.) Subjektive Bestimmung der Interessen . . . . . . . 29 b.) Berücksichtigung auch „bloß“ wirtschaftlicher Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 c.) Berücksichtigung eigener Interessen des Berufsträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 d.) „Widerstreit“ der Interessen . . . . . . . . . . . . 35 III. Systematisierung der Interessenkonflikte . . . . . . . . . . 37 1.) Unterscheidung nach den Interessen . . . . . . . . . . 38 a.) Eigen- vs. Fremdinteresse: Interessenkollision i.e.S. 38 b.) Fremd- vs. Fremdinteresse: Pflichtenkollision . . . 38 c.) Fremdinteressen auf derselben und auf verschiedenen Marktseiten . . . . . . . . . . . . . 39 d.) Durch die Rechtsordnung inhärent angelegte Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 e.) Interessen früherer Geschäftsherren . . . . . . . . 40 2.) Unterscheidung nach der Konfliktdauer: dauerhafte und punktuelle Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3.) Abstrakte und konkrete Konflikte . . . . . . . . . . . 41 4.) Unterscheidung nach Konfliktursachen . . . . . . . . . 42 5.) Irrelevante Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 IV. Rechtliche Anknüpfung von Interessenkonflikten . . . . . 45 1.) Interessenwahrungsverhältnis und Treuhand . . . . . . 45 a.) Die Treuhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 b.) Treuhand und Geschäftsbesorgungsverhältnisse mit „treuhänderischem Charakter“ . . . . . . . . 48 c.) Interessenwahrungsverhältnis als übergreifende Kategorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2.) Rechtliche Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 V. Beschränkung auf (materielle) Geschäftsbesorger . . . . . 51 1.) Abgrenzung zu Richtern und Notaren . . . . . . . . . 51 a.) Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 b.) Eingeschränkte Übertragbarkeit auf Geschäftsbesorger . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 c.) Schiedsrichter und Sachverständige . . . . . . . . 53 d.) Notar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2.) Abgrenzung zu Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
Inhaltsverzeichnis
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§ 2 Ökonomische Erwägungen zu Notwendigkeit und Grenzen der Regelung von Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . . . . 58 I. Wirtschaftliche Auswirkungen von Interessenkonflikten . . 58 II. Agency-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1.) Grundlegende Annahmen der Agency-Theorie . . . . . 60 2.) Principal-Agent-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a.) Entscheidungsspielraum des agent . . . . . . . . . 61 b.) Informationsasymmetrie . . . . . . . . . . . . . . 61 (i) Adverse Selektion (adverse selection) . . . . . 62 (ii) Moralisches Risiko (moral hazard) . . . . . . 62 3.) Die Verringerung von Agencykosten . . . . . . . . . . 63 4.) Folgerungen für die Regelung von Interessenkonflikten 64 III. Strategien zur Überwindung von Informationsasymmetrien 66 1.) Signalisieren (signaling) . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2.) Screening und Selbstselektion . . . . . . . . . . . . . . 67 3.) Garantien (bonding) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4.) Folgerungen für die Regelung von Interessenkonflikten 68 IV. Unvollständige Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 V. Verhaltensökonomik (behavioral economics) . . . . . . . . 70 1.) Verhaltensanomalien bei der Informationsaufnahme . . 71 a.) Rahmungseffekt (framing) . . . . . . . . . . . . . 72 b.) Selektive Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . 73 c.) Verfügbarkeitsheuristik (availability bias) . . . . . 73 2.) Verhaltensanomalien bei der Informationsverarbeitung 74 a.) Ankereffekt (anchoring) . . . . . . . . . . . . . . 74 b.) Besitzeffekt (endowment effect) . . . . . . . . . . 74 c.) Verlustaversion (loss aversion) . . . . . . . . . . . 75 d.) Präferenz für den Status Quo (status quo bias) . . . 76 3.) Verhaltensanomalien bei der Entscheidung . . . . . . . 76 a.) Aversion gegen Extreme (extremeness aversion) . . 76 b.) Ähnlichkeitsheuristik (representativeness heuristic) 77 c.) Übermäßiges Selbstbewusstsein (overconfidence bias, overoptimism) . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 d.) Bedürfnis nach Dissonanzfreiheit (conservatism bias und confirmatory bias) . . . . . . . . . . . . 78 e.) Dynamische Inkonsistenz (dynamic inconsistency) 78 4.) Prospect theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 5.) Folgerungen aus der Verhaltensökonomik für die Regelung von Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . 80 a.) Verhaltensanomalien auf Seiten des Interessenwahrers . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
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Inhaltsverzeichnis
(i) Interessenkonflikte und übermäßiges Selbstvertrauen sowie Überoptimismus . . . . 80 (ii) Interessenkonflikte und das Bedürfnis nach Dissonanzfreiheit sowie die Verfügbarkeitsheuristik . . . . . . . . . . . . 82 (iii) Interessenkonflikte und Verlustaversion sowie Besitzeffekt . . . . . . . . . . . . . . . 83 b.) Verhaltensanomalien auf Seiten des Geschäftsherrn 84 (i) Interessenkonflikte und die Präferenz für den Status Quo . . . . . . . . . . . . . . 84 (ii) Interessenkonflikte und Rahmungseffekt sowie selektive Wahrnehmung . . . . . . . . 85 (iii) Interessenkonflikte und Verlustaversion sowie dynamische Inkonsistenz . . . . . . . . 85 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Teil 2: Allgemeine Regeln zu Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . 87 § 3
Interessenwahrungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 II. Ökonomische Rechtfertigung von Interessenwahrungspflichten . . . . . . . . . . . . . . 90 III. Rechtlich Begründung der Interessenwahrungspflicht . . . 91 1.) Bisherige Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 a.) Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 b.) Einwirkungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 c.) Fehlende Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . 93 d.) Weitere Erklärungsansätze . . . . . . . . . . . . . 94 2.) Die Öffnung der Interessensphäre durch den Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a.) Anknüpfung an die Interessen des Geschäftsherrn . 95 b.) Die Verletzbarkeit der Interessen des Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 c.) Die Öffnung der Interessensphäre als objektives Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 d.) Unterschiedliche Intensität von Interessenwahrungspflichten und -regelungen . . . . . . . . . . . . . . 97 IV. Rechtsgrundlage der Interessenwahrungspflichten . . . . . 98 1.) Ablehnung von § 242 BGB als Rechtsgrundlage . . . . 98 2.) Vertragliche Interessenwahrungspflicht . . . . . . . . . 100 a.) Allgemeine vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
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V.
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(i) Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (ii) Geschäftsbesorgungsvertrag . . . . . . . . . 103 b.) Vertypte vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (i) Dogmatische Einordnung der vertypten Interessenwahrungsverhältnisse . . . . . . . . 104 (ii) Beispiele für auf lediglich ein Geschäft bezogene Interessenwahrungsverhältnisse . . . 105 (1) Makler . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (2) Kommissionär . . . . . . . . . . . . . . . 106 (3) Anlageberater . . . . . . . . . . . . . . . 107 (iii) Beispiele für auf Dauer eingegangene Interessenwahrungsverhältnisse . . . . . . . . 108 (1) Handelsvertreter . . . . . . . . . . . . . 108 (2) Vertragshändler . . . . . . . . . . . . . . 110 (3) Treuhänder . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3.) Organschaftliche Interessenwahrungspflicht/ Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a.) Abgrenzung zur mitgliedschaftlichen Treuepflicht . 113 b.) Die organschaftliche Treuepflicht . . . . . . . . . 114 c.) Umfang der organschaftlichen Treuepflicht . . . . 117 4.) Berufs- und aufsichtsrechtliche Interessenwahrungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a.) Die Einwirkung berufsrechtlicher Pflichten auf Vertragspflichten am Beispiel des Rechtsanwalts 119 b.) Die Einwirkung aufsichtsrechtlicher Pflichten auf Vertragspflichten am Beispiel der §§ 31 ff. WpHG . 119 5.) Interessenwahrungspflicht gesetzlicher Interessenwahrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Inhalt und Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht . 122 1.) Inhalt und Umfang im Allgemeinen . . . . . . . . . . 122 2.) Die Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht . . 125 a.) Notwendigkeit einer Konkretisierung aus ökonomischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . 125 b.) Systematisierung der konkretisierenden Regelungen und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (i) Konfliktoffenlegung, Konfliktvermeidung, Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (ii) Dauerhafte und punktuelle Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (iii) Abstrakte und konkrete Konflikte . . . . . . 128 3.) Nachwirkung der Interessenwahrungspflicht . . . . . . 129
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VI. Abdingbarkeit und Intensivierung der Interessenwahrungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 129 1.) Intensivierung der Interessenwahrungspflicht . . . . . 129 2.) Keine gänzliche Abdingbarkeit der Interessenwahrungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 a.) Rechtsökonomische Erwägungen . . . . . . . . . 131 b.) Rechtliche Erwägungen hinsichtlich der vertraglichen Interessenwahrungspflicht . . . . . . 132 c.) Rechtliche Erwägungen hinsichtlich der organschaftlichen Interessenwahrungspflicht . . . 133 3.) Abdingbarkeit einzelner Ausprägungen der Interessenwahrungspflicht . . . . . . . . . . . . . 135 VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 § 4
Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 II. Begriff, Zweck und rechtliche Verankerung . . . . . . . . 139 1.) Begriff der Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 139 2.) Rechtsgrund von Unabhängigkeitserfordernissen . . . 141 3.) Zweck von Unabhängigkeitserfordernissen . . . . . . . 144 4.) Notwendigkeit einer gesetzlichen Verankerung von Unabhängigkeitserfordernissen . . . . . . . . . . . 145 a.) Grundsätzliche Möglichkeit privatvertraglicher Vereinbarung von Unabhängigkeitsregelungen . . . 145 b.) Grenzen privater Vereinbarungen von Unabhängigkeitsregelungen unter Berücksichtigung rechtsökonomischer Erwägungen . . . . . . . . . 146 5.) Gesetzliche Verankerungen . . . . . . . . . . . . . . . 148 III. Grundzüge eines allgemeinen Tatbestands von Unabhängigkeitserfordernissen für Geschäftsbesorger . 148 1.) Anknüpfung an die äußere Unabhängigkeit . . . . . . 149 2.) Verobjektivierte Indikatoren für fehlende Unabhängigkeit bzw. Befangenheit . . . . . . . . . . . 149 3.) Vermutungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 4.) Anknüpfung an die abstrakte Gefährdung von Drittinteressen – das Verhältnis zu Interessenkonflikten . . . 151 5.) Vorteile einer Anknüpfung an die abstrakte Interessengefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 6.) Unterschiedliche Intensität von Unabhängigkeitserfordernissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 IV. Grenzen von Unabhängigkeitserfordernissen . . . . . . . . 153 1.) Nichterfassung rein „mentaler“ Abhängigkeiten . . . . 153
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2.) Unabhängigkeit und Sachkunde . . . . . . . 3.) Unabhängigkeit und Kosten . . . . . . . . . V. Das Unabhängigkeitserfordernis konkretisierende Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . .
XVII . . . . . 154 . . . . . 155 . . . . . 156 . . . . . 157
§ 5 Unabhängigkeit in den einzelnen Privatrechtsgebieten . . . . . . 158 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II. Rechtsanwalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . 159 3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses . . 159 a.) Begriff der „Bindung“ in § 43a Abs. 1 BRAO . . . 159 (i) Nicht lediglich als „rechtliche Bindung“ zu verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (ii) Erfassung auch von wirtschaftlichen und anderen Abhängigkeiten . . . . . . . . . 160 b.) „Gefahr“ im Sinne von § 43a Abs. 1 BRAO . . . . 161 c.) Verständnis des anwaltlichen Unabhängigkeitserfordernisses vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG . . . . . . . . . . . . 163 4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit . . . . . . . . . 165 a.) Verhältnis zum Mandanten . . . . . . . . . . . . 165 (i) Keine Gefährdung allein durch Aufnahme und Beendigung des Mandates . . . . . . . . 165 (ii) Weisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (iii) Honorarvereinbarung . . . . . . . . . . . . . 166 (iv) Wirtschaftliche Beziehungen außerhalb des Mandantenvertrages . . . . . . . . . . . 168 (1) Beteiligung an einem Mandantenunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . 168 (2) Tätigkeit in einem Leitungs- oder Aufsichtsorgan eines Mandantenunternehmens, Zweitberufe . . . . . . . . 169 (3) Übernahme von Mandantenrisiken . . . . 171 b.) Verhältnis zum Arbeitgeber bei Syndikusanwälten, angestellten Anwälten und freien Mitarbeitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 c.) Verhältnis zu Kanzleiangestellten . . . . . . . . . 174 III. Steuerberater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
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1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . 175 3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses . . 175 4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit . . . . . . . . . 176 IV. Wirtschaftsprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . 177 3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses . . 178 a.) Besondere unabhängigkeitsbezogene Regelungen der WiPrO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b.) Die Unabhängigkeitsregelungen der Berufssatzung 179 4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit . . . . . . . . . 180 V. Ratingagenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . 181 3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses . . 183 4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit . . . . . . . . . 185 VI. Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . 186 3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses . . 187 a.) Keine Konkretisierung mit Hilfe der anwaltlichen Unabhängigkeitsvorschriften . . . . . . . . . . . . 187 b.) Unabhängigkeit und Interessenausgleich . . . . . . 188 4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit . . . . . . . . . 189 a.) Gläubiger und Schuldner . . . . . . . . . . . . . . 190 b.) Insbesondere: Geschäftliche Beziehungen von erheblicher Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . 191 c.) Nahestehende Personen im Sinne von § 138 InsO . 192 d.) Eigene Vermögensinteressen . . . . . . . . . . . . 193 e.) Ausgenommene Fälle gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 5.) Das Unabhängigkeitsgebot im Eröffnungsverfahren . . 194 VII. Nachlass- und Zwangsverwalter, Testamentsvollstrecker . . 194 VIII. Compliance-Stelle bzw. Compliance-Beauftragter . . . . . 196 1.) Rechtliche Verankerung und Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . . . . . . . . 196 2.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses . . 197
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a.) Unabhängigkeit von der Geschäftsführung . . . . 197 b.) Unabhängigkeit von anderen Abteilungen . . . . . 199 c.) Finanzielle Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . 199 d.) Weitere mögliche Konkretisierungen . . . . . . . . 200 IX. Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 2.) Einordnung des Unabhängigkeitserfordernisses für Aufsichtsräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 a.) Das besondere Spannungsverhältnis zwischen Unabhängigkeit und Sachkunde im Fall des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 b.) Einfluss des angloamerikanischen Rechts: Der „independent director“ . . . . . . . . . . . . 202 3.) Schutzzweck der Unabhängigkeitserfordernisse . . . . 204 4.) Konkretisierung der Unabhängigkeitserfordernisse . . . 205 a.) Vorschriften des Aktiengesetzes . . . . . . . . . . 205 b.) Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) . 207 c.) Kommissionsempfehlung . . . . . . . . . . . . . . 209 5.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit . . . . . . . . . 212 a.) (Ehemalige) Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . 213 b.) Arbeitnehmer im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . 213 c.) Vertreter des Mehrheitsaktionärs im Aufsichtsrat . 216 d.) Familienmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 e.) Besonderheiten bei externen Kapitalverwaltungsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 6.) Exkurs: Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen § 100 Abs. 5 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . 220 X. Mitglieder des Gläubigerausschusses . . . . . . . . . . . . 223 1.) Der Gläubigerausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 2.) Das Unabhängigkeitserfordernis . . . . . . . . . . . . 224 3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses . . 224 4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit . . . . . . . . . 226 Teil 3: Besondere Regeln zu Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . 227 § 6 Systematisierung der besonderen Regelungen . . . . . . . . . . . 229 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 II. Konfliktoffenlegung - Anzeige- und Offenlegungspflichten . 230 III. Konfliktvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1.) Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 2.) Begrenzung des Handlungsspielraums . . . . . . . . . 234
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3.) Vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers . . . 234 4.) Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 5.) Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen . 236 6.) Inhabilitätsvorschriften und Eignungsprüfungen . . . . 237 7.) Außerdem: Selbstablehnungsrecht wegen Interessenkonflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 8.) Grenzen von Konfliktvermeidungspflichten . . . . . . 239 IV. Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 1.) Formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 2.) Geschäftschancenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 3.) Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 4.) Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses . . . 242 V. Sanktionen und Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . . 243 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Abschnitt 1: Konfliktoffenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 § 7 Anzeige- und Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . 245 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 II. Grundsatz und Zweck von Anzeigeund Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 III. Rechtsgrundlage der Offenlegungspflicht . . . . . . . . . . 247 1.) Offenlegungspflicht vertraglicher Interessenwahrer . . 247 a.) § 666 Fall 1 BGB als allgemeine Rechtsgrundlage . 247 b.) Im vorvertraglichen Verhältnis, §§ 311, 241 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 248 c.) Besondere Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . 249 (i) Offenlegung bei punktuellen Interessenwahrungsverhältnissen am Beispiel des Kommissionärs . . . . . . . . . . . . . . 249 (ii) Offenlegung bei dauerhaften Interessenwahrungsverhältnissen am Beispiel des Handelsvertreters . . . . . . . . . . . . . 250 (iii) Herleitung der Offenlegungspflicht bei fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Regelung am Beispiel des Maklers . . . . . . 250 (iv) Herleitung der Offenlegungspflicht bei fehlenden besonderen gesetzlichen Regelungen am Beispiel des Anlageberaters . . . . . . . . 252
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(v) Exkurs: Zur Rechtsprechung des BGH über die Offenlegung von Rückvergütungen . 252 (vi) Offenlegung bei Unabhängigkeitserfordernissen am Beispiel des Abschlussprüfers . . . . . . . . . . . . . . . 256 2.) Offenlegungspflichten organschaftlicher Interessenwahrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 3.) Offenlegungspflichten gesetzlicher Interessenwahrer . . 259 a.) Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 b.) Testamentsvollstrecker . . . . . . . . . . . . . . . 262 c.) Allgemeine Folgerungen für gesetzliche Interessenwahrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 4.) Offenlegungspflichten aufgrund von Aufsichtsoder Berufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 a.) Allgemeine Offenlegungspflicht nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . . 263 b.) Aufklärungspflicht im Fall von Zuwendungen Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 c.) Offenlegung von Zuwendungen an Kapitalverwaltungsgesellschaften . . . . . . . . . 265 d.) Offenlegungspflicht für Finanzanalysten . . . . . . 266 e.) Offenlegungspflicht für Ratingagenturen . . . . . 267 f.) Schutzmaßnahmen nach § 22 Abs. 1 Berufssatzung WP/vBP . . . . . . . . . . . . . . . 268 g.) Anzeigepflicht nach § 7 und § 4 Abs. 3 der VID-Berufsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . 268 IV. Inhalt und Grenzen der Offenlegungspflicht . . . . . . . . 269 1.) Offenlegung ex ante . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 a.) Besonderheiten bei Gremienmitgliedern am Beispiel des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . 270 b.) Besonderheiten bei gesetzlichen Interessenwahrern am Beispiel des Insolvenzverwalters . . . . . . . . 271 2.) Nachträgliche Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . 271 3.) Inhalt und Umfang der Offenlegungspflicht . . . . . . 272 a.) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 b.) Art und Herkunft des Konflikts . . . . . . . . . . 274 c.) Offenzulegende Beziehungen und Umstände . . . . 275 d.) Eindeutigkeit der Darlegung . . . . . . . . . . . . 277 e.) Offensichtlichkeit oder Erkennbarkeit des Interessenkonflikts . . . . . . . . . . . . . . . 278 f.) Verallgemeinerung der vorangegangenen Befunde . 280 4.) Grenzen von Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . 281
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a.) Offenlegungspflicht und Verschwiegenheitspflicht . 281 b.) Offenlegungspflicht und gesetzliche Verbote . . . . 283 c.) Beschränkung der Offenlegungspflicht bei angemessener Organisation . . . . . . . . . . . . 284 5.) Abdingbarkeit der Offenlegungspflicht . . . . . . . . . 285 V. Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch . . . . . . . . . . 287 1.) Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 2.) Rechenschaftsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Abschnitt 2: Konfliktvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 § 8
Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 II. Grundsatz und rechtliche Verankerung . . . . . . . . . . . 293 III. Vertraulichkeitsbereiche (Informationsbarrieren) . . . . . . 295 1.) Funktion von Informationsbarrieren . . . . . . . . . . 295 2.) Aufbau und Elemente von Vertraulichkeitsbereichen . . 296 3.) Keine Informationsbarrieren auf der Ebene der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 4.) Wall crossing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 a.) Informationsaustausch . . . . . . . . . . . . . . . 302 b.) Personalwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 5.) Zivilrechtliche Bedeutung von Informationsbarrieren . 304 a.) Wissenszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 (i) Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . 305 (ii) Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 (iii) Gesellschafter von Personengesellschaften . . 307 b.) Folgerungen für die Wirksamkeit von Informationsbarrieren . . . . . . . . . . . . . . . 307 (i) Äußere Grenzen für die Wissenszurechnung – Umsetzung von Weitergabeverboten . . . . . 307 (ii) Anerkennung von Informationsbarrieren in Bezug auf Interessenkonflikte im Rahmen des kapitalmarktrechtlichen Aufsichtsrechts . 308 (iii) Übertragung auf andere Fälle des Berufsund Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 310 (iv) Absicherung mit Hilfe des Schweizer Ansatzes: Das bei Dritten geweckte Vertrauen 310 (v) Verallgemeinerung über das Aufsichts- und Berufsrecht hinaus: Informationsbarrieren und Wissensorganisationspflicht . . . . . . . 311
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6.) Auswirkung auf Offenlegungs- und Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 IV. Beobachtungsliste, Verbots- oder Sperrliste und Konfliktliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 1.) Beobachtungsliste (watch list) . . . . . . . . . . . . . 314 2.) Verbots- bzw. Sperrliste (restricted list) . . . . . . . . . 316 3.) Konfliktliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 V. Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 VI. Ausschüsse als Organisationsmaßnahme gegen Interessenkonflikte im Gesellschaftsrecht . . . . . . 320 VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 § 9 Beschränkung des Handlungsspielraums . . . . . . . . . . . . . 324 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 II. Verbot des Insichgeschäfts nach § 181 BGB . . . . . . . . . 324 1.) Grundsatz und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 2.) § 181 BGB als vertretungsbezogene Interessenkonfliktregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 a.) Keine allgemeine Interessenkonfliktregelung . . . . 326 b.) § 181 BGB als vertretungsspezifische Ausprägung allgemeiner Rechtsgedanken zur Interessenwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 3.) Anwendungsbereich von § 181 BGB . . . . . . . . . . 327 4.) Ausnahmen von § 181 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 330 a.) Gestattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 b.) Erfüllung einer Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . 334 5.) Teleologische Korrektur von § 181 BGB . . . . . . . . 335 a.) Normrestriktion, Ausweitung der Ausnahmen . . . 336 b.) Ausweitung von § 181 BGB . . . . . . . . . . . . . 337 6.) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 III. Mit § 181 BGB vergleichbare Beschränkungen . . . . . . . 339 1.) Selbsteintritt des Kommissionärs . . . . . . . . . . . . 339 2.) Beschränkungen der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 IV. Zeitpunktbezogene Verbote bestimmter Geschäfte . . . . . 341 1.) Verbotenes Vorlaufen (front running) . . . . . . . . . 341 2.) Abgrenzung zum erlaubten Eigenhandel und Eigengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 V. Exkurs: Vorgaben für die Art und Weise der Ausführung eines Geschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
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§ 10 Vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers . . . . . . . . 346 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 II. Gesetzliche Interessenwahrer . . . . . . . . . . . . . . . . 346 1.) Ergänzungspfleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 2.) Sonderinsolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . 347 III. Organschaftliche Interessenwahrer . . . . . . . . . . . . . 349 1.) Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 2.) Zuständigkeitsverlagerung auch bei Geschäften mit Aufsichtsratsmitgliedern de lege ferenda . . . . . . . . 352 3.) Wahl und Bestellung des Abschlussprüfers . . . . . . . 353 a.) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 b.) Grenzen abweichender Satzungsbestimmungen bei der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 § 11 Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 II. Grundsatz, Schutzzwecke und dogmatische Verankerung . 357 1.) Grundsatz und rechtliche Verankerung . . . . . . . . . 357 2.) Schutzzwecke des Wettbewerbsverbots . . . . . . . . . 358 3.) Der präventive Charakter von Wettbewerbsverboten . . 359 4.) Das Wettbewerbsverbot als „verdichtete“ Interessenwahrungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 III. Gesetzlich normierte Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . 361 1.) Das Wettbewerbsverbot für Vorstände im Aktienrecht . 361 2.) Das Wettbewerbsverbot für den Handlungsgehilfen . . 364 IV. Analoge Anwendung der Wettbewerbsverbote . . . . . . . 365 1.) Keine Analogie im Fall des Kommissionärs . . . . . . . 366 2.) GmbH-Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . 367 3.) Handelsvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 V. Beschränkungen und Abdingbarkeit von Wettbewerbsverboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 1.) Enge Auslegung und zeitliche Grenzen . . . . . . . . . 370 2.) Befreiung von Wettbewerbsverboten . . . . . . . . . . 372 a.) Einwilligung des Aufsichtsrats bzw. des Prinzipals . 372 b.) Verschärfung oder Abbedingen von Wettbewerbsverboten . . . . . . . . . . . . . . . 374 VI. Wettbewerbsverbote und Konzern . . . . . . . . . . . . . 376 1.) Kein unmittelbares Wettbewerbsverbot gegenüber den beherrschten Unternehmen . . . . . . . . . . . . . 376
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2.) Ausweitung des Wettbewerbsverbots gegenüber der herrschenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . 377 VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 § 12 Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen im Berufsrecht 379 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 II. Vertretungsverbot für den Rechtsanwalt nach § 43a Abs. 4 BRAO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 1.) Zweck der Regelung in § 43a Abs. 4 BRAO . . . . . . 380 2.) „Vertreten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 a.) Weites Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . 382 b.) Keine Erstreckung auf die Anbahnung von Mandatsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . 383 c.) Durch den Rechtsanwalt . . . . . . . . . . . . . . 384 d.) Unabdingbarkeit des Vertretungsverbots . . . . . . 384 3.) „Dieselbe Rechtssache“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 4.) Nichtanwaltliche Vorbefassung . . . . . . . . . . . . 388 III. Steuerberater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 1.) Beschränkung auf „dieselbe Steuerrechtssache“ . . . . 391 2.) Unabdingbarkeit des Vertretungsverbots . . . . . . . . 392 3.) Bedeutung für Tätigkeiten außerhalb des Vorbehaltsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 4.) Interessenkonfliktregelung in § 6 BOStB . . . . . . . . 393 IV. Wirtschaftsprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 1.) Unabdingbarkeit des Vertretungsverbots vor dem Hintergrund des Wortlauts von § 53 WiPrO . . . 395 2.) Vertretung mehrerer Mandanten, deren Interessen nicht widerstreiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 V. Erstreckung auf Mitglieder einer Berufsausübungsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . 399 1.) Rechtsanwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 a.) Teleologische Extension von § 43a Abs. 4 BRAO . 400 b.) Ausnahme bei Beauftragung eines bestimmten Sozietätsmitglieds durch den Mandanten . . . . . 402 c.) Übertragung auf andere Rechtsformen der beruflichen Zusammenarbeit . . . . . . . . . . 404 d.) Wechsel der Berufsausübungsgemeinschaft – „Sozietätswechsel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 (i) Wechsel des vorbefassten Anwalts . . . . . . 406 (ii) Wechsel des nicht vorbefassten Anwalts . . . . 408 e.) Regelung in § 3 Abs. 2 und Abs. 3 BORA . . . . . 409 2.) Steuerberater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411
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3.) Wirtschaftsprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 § 13 Inhabilitätsvorschriften und Eignungsprüfungen . . . . . . . . . 416 I. Inhabilitätsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 1.) Abschlussprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 a.) Rechtliche Verankerung und Schutzzweck . . . . . 416 (i) Die Regelbeispiele in § 319 Abs. 3 HGB . . . . 417 (ii) Die Regelbeispiele in § 319a Abs. 1 HGB . . . 421 b.) Der Interessenkonflikt des „Richtens in eigener Sache“ – Abgrenzung von „Mitwirkung“ und „Beratung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 c.) Das Spannungsverhältnis zwischen Interessenkonflikt und Sachkunde . . . . . . . . . . . . . . 426 (i) Verhaltensökonomische Befunde . . . . . . . 427 (ii) Parallele Beratung . . . . . . . . . . . . . . . 428 (1) Gefahren der Beratung für die Abschlussprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 (2) Ablehnung eines Beratungsverbots . . . . 429 (3) Offenlegungspflicht und Beschränkung der möglichen Einnahmen . . . . . . . . 431 (4) Keine Übertragung der Zuständigkeit auf den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . 432 (iii) Prüferrotation . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 d.) Wiederkehrende Bestellung, Honorar und sog. low balling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 2.) Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 a.) Der Interessenkonflikt wegen Richtens in eigener Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 (i) Keine Selbstüberwachung . . . . . . . . . . . 438 (ii) Keine Überwachung des übergeordneten eigenen Überwachers . . . . . . . . . . . . . 440 (iii) Keine Überkreuzüberwachung . . . . . . . . 441 b.) Interessenkonflikt versus Sachkunde: Der Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat . . 442 c.) Inhabilität bei der KGaA . . . . . . . . . . . . . . 446 d.) Keine ungeschriebene Inhabilität am Beispiel der Aufsichtsratsmandate in Konkurrenzunternehmen 446 3.) Mitglieder des WEG-Verwaltungsbeirats . . . . . . . . 448 4.) Allgemeine Folgerungen für Inhabilitätsvorschriften . . 449 II. Gerichtliche Eignungsprüfungen . . . . . . . . . . . . . . 451 1.) Vormund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451
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2.) Betreuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 3.) Pfleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 4.) Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 III. Aufsichtsbehördliche Eignungsprüfungen . . . . . . . . . . 455 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 Abschnitt 3: Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 § 14 Formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen . . . 459 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 II. Regelung von Verteilungskonflikten . . . . . . . . . . . . 459 1.) Konflikte zwischen Interessen verschiedener Geschäftsherren auf derselben „Marktseite“ . . . . . . 459 2.) Überblick über die Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . 460 III. Prioritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 1.) Ökonomische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . 463 2.) Rechtliche Verankerung . . . . . . . . . . . . . . . . 463 a.) Rechtliche Verankerung im Fall der Kommission . 464 b.) Übertragung auf andere vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 465 c.) Der Prioritätsgrundsatz im WpHG . . . . . . . . 466 3.) Geltungsgrund im Fall gesetzlicher Interessenwahrungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 4.) Bestimmung des für das Prioritätsprinzip relevanten Zeitpunkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 5.) Pflicht zur „ranggerechten“ Erfüllung und ihre Grenzen 469 6.) Das Prioritätsprinzip und Eigeninteressen des Interessenwahrers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 7.) Erlaubte Abweichungen vom Prioritätsprinzip . . . . . 473 IV. Gleichbehandlungsgrundsatz und Pro rata Verteilung . . . 475 1.) Beschränkte Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 2.) Gleichbehandlungspflicht des Interessenwahrers . . . . 476 a.) Keine Rechtfertigung mittels Vergleichs mit beschränkten Gattungsschulden . . . . . . . . 476 b.) Im selben Zeitpunkt entstandene gleichgerichtete Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 c.) Vertraglich übernommene Verpflichtung zur Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . 478 d.) Auswirkung von organisatorischen Trennungen auf den Gleichbehandlungsgrundsatz . . . . . . . 479 e.) Quotenmäßige Verteilung, Losentscheid . . . . . . 479
XXVIII
Inhaltsverzeichnis
V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 § 15 Geschäftschancenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 II. Grundsatz und rechtliche Verankerung . . . . . . . . . . . 484 III. Schutzzweck im Vergleich zu Wettbewerbsverboten . . . . 484 1.) Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Geschäftschancenlehre und Wettbewerbsverbot . . . . 485 2.) Geschäftschancenlehre und Wettbewerbsverbote als unterschiedliche Verbote von geschäftsbezogenen Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 IV. Zuordnung der Geschäftschance zur Gesellschaft . . . . . 487 1.) Zuordnung im US-amerikanischen Recht . . . . . . . 487 2.) Zuordnung im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . 490 a.) Abgrenzung anhand konkreter Geschäftsaussichten 490 b.) Keine Abgrenzung anhand des Tätigkeitsbereichs . 492 c.) Keine Abgrenzung anhand der „Wesentlichkeit“ für die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 d.) Geschäftschancen und Konzern . . . . . . . . . . 494 e.) Abgrenzung zu anderen Interessenwahrungspflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 3.) Differenzierte Anwendung der Geschäftschancenlehre . 495 a.) Nicht nach Gesellschaftsformen . . . . . . . . . . 495 b.) Nach der Stellung des Interessenwahrers . . . . . . 496 c.) Nach der Öffnung der Interessensphäre . . . . . . 497 d.) Geschäftschancenlehre und Kollision mehrerer Interessenwahrungsverhältnisse am Beispiel kollidierender Aufsichtsratsmandate . . . . . . . . 497 V. Zuordnung von Geschäftschancen zum Interessenwahrer . 499 1.) Unvermögen der Chancennutzung, insbesondere nicht ausreichende Finanzmittel . . . . . . . . . . . . 499 2.) Private Kenntniserlangung . . . . . . . . . . . . . . . 500 3.) Wahrnehmung nach Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 4.) Freigabe durch den Geschäftsherrn bzw. die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 5.) Abdingbarkeit des Verbots, Geschäftschancen wahrzunehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506
Inhaltsverzeichnis
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§ 16 Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen . . . 508 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 II. Allgemeines zu Stimmverboten . . . . . . . . . . . . . . . 508 1.) Willensbildung bei Gremien – Beschluss und Stimmrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 2.) Zweck von Stimmverboten . . . . . . . . . . . . . . . 509 3.) Stimmverbot als Maßnahme bei punktuellen Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 III. Rechtsgrundlage für Stimmverbote . . . . . . . . . . . . . 511 1.) Stimmverbot für den Vereinsvorstand . . . . . . . . . 511 2.) Stimmverbote für Aufsichtsratsmitglieder und ihre Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . 512 a.) Stimmverbote nach § 142 Abs. 1 AktG und § 285 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . 513 b.) Grundsatz von Treu und Glauben sowie § 181 BGB 514 c.) Gesetzesanalogie zu § 34 BGB . . . . . . . . . . . 515 d.) Rechtsanalogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 e.) Vergleich Gesetzes- und Rechtsanalogie . . . . . . 517 3.) Kein allgemeines Stimmverbot bei Interessenkonflikten für Aufsichtsräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 4.) Stimmverbote für Vorstandsmitglieder der AG . . . . . 520 5.) Stimmverbote für Mitglieder des Gläubigerausschusses 521 a.) Besonderheiten bei Interessenkonflikten von Gläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 b.) Bedürfnis und Rechtsgrundlage für Stimmverbote . 521 IV. Zum Anwendungsbereich von Stimmverboten . . . . . . . 523 1.) Anknüpfung an abstrakte Interessenkonflikte . . . . . 523 a.) Insichgeschäfte bzw. Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 b.) Richten in eigener Sache und Rechtsstreit mit der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 524 2.) Stimmverbote erfordernde Näheverhältnisse bei Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . 526 a.) Erfordernis der Berücksichtigung von Näheverhältnissen für Stimmverbote . . . . . . . . . . 526 b.) Dritter als Vertreter des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 c.) Vertrag zugunsten Dritter und Bürgschaft . . . . . 527 d.) Aufsichtsratsmitglied als gleichzeitiger Vertreter einer Drittgesellschaft oder eines sonstigen Dritten mit kollidierenden Interessen . . . . . . . . . . . . 528 e.) Beherrschung der Drittgesellschaft . . . . . . . . . 530
XXX
Inhaltsverzeichnis
f.) Die in § 115 AktG genannten Personen . . . . . . 531 g.) Entsender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 h.) Befreiung vom Wettbewerbsverbot nach § 88 AktG und Rückwirkungen auf daran interessierte Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . 533 i.) Näheverhältnisse, die keine Stimmverbote begründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 3.) Stimmverbote erfordernde Näheverhältnisse bei Gläubigerausschussmitgliedern . . . . . . . . . . . 535 V. Besonderheiten bei Organakten . . . . . . . . . . . . . . . 537 1.) Grundsätzliche Herangehensweise bei Organakten . . 537 2.) Ausnahme im Fall der Abberufung aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 VI. Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds in den Vorstand . . . . . 540 VII. Recht zur Stimmenthaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 1.) Pflicht zur Abstimmung versus Möglichkeit der Stimmenthaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 2.) Orientierung an den Interessen der Gesellschaft . . . . 544 VIII. Teilnahmeverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 1.) Kein automatischer Teilnahmeausschluss im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 2.) Teilnahmeausschluss im Aufsichtsrat bei konkreter Gefahr für die zu schützenden Interessen . . . . . . . . 548 3.) Ermöglichung einer unbefangenen Diskussion . . . . . 549 4.) Teilnahmeausschluß im Gläubigerausschuss . . . . . . 550 IX. Verfahrensfragen und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . 550 1.) Zuständigkeit für die Feststellung von Stimmverboten . 550 a.) Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 b.) Gläubigerausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 2.) Drohende Beschlussunfähigkeit des Gremiums . . . . . 552 3.) Auswirkungen auf den Beschluss bei Abstimmung trotz Stimmverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 a.) Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 b.) Gläubigerausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 4.) Entfallen der business judgment rule . . . . . . . . . . 554 X. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 § 17 Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses . . . . . . . . 558 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558 II. Beendigung durch den Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . 558 1.) Vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse . . . . . . 558 a.) Widerruf oder Kündigung . . . . . . . . . . . . . 558
Inhaltsverzeichnis
XXXI
b.) Teilbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 2.) Das Ersetzungsverfahren im Fall des Abschlussprüfers . 561 3.) Organschaftliche bzw. gremienbezogene Interessenwahrungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 a.) Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . 563 b.) Entlassung eines Mitglieds des Gläubigerausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564 4.) Gesetzliche Interessenwahrungsverhältnisse . . . . . . 565 a.) Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 b.) Vormund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 c.) Betreuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 d.) Pfleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568 e.) Testamentsvollstrecker . . . . . . . . . . . . . . . 568 III. Beendigung durch den Interessenwahrer . . . . . . . . . . 569 1.) Beendigungsrecht des Interessenwahrers . . . . . . . . 570 a.) Kündigung bei vertraglichen Interessenwahrungsverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 b.) Amtsniederlegung bei organschaftlichen Interessenwahrungsverhältnissen . . . . . . . . . . 570 c.) Beendigung bei gesetzlichen Interessenwahrungsverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 d.) Der besondere Fall der Kündigung durch den Abschlussprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . 572 e.) Der wichtige Grund bei der Beendigung durch den Interessenwahrer . . . . . . . . . . . . . . . . 573 2.) Beendigungspflicht des Interessenwahrers . . . . . . . 574 a.) Rechtsanwalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 b.) Wirtschaftsprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 c.) Aufsichtsratsmitglied . . . . . . . . . . . . . . . . 575 d.) Einordnung der Beendigungspflicht . . . . . . . . 576 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 Abschnitt 4: Sanktionen und Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . 579 § 18 Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 II. Schadensersatzhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 1.) Spezielle gesetzliche Schadensersatzregelungen . . . . . 579 2.) Allgemeine Schadensersatzregelungen . . . . . . . . . 580 a.) Nicht nachholbare Interessenwahrnehmung . . . . 580 b.) Nachholbare Interessenwahrnehmung . . . . . . . 581 c.) Vertretenmüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582
XXXII
Inhaltsverzeichnis
III. Verwirkung der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 IV. Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses als Sanktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584 V. Öffentlichrechtliche und strafrechtliche Sanktionen . . . . 585 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 § 19 Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588 II. Grundsatz und gesetzliche Verankerung der Gewinnherausgabepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 588 1.) Grundnorm in § 667 Fall 2 BGB . . . . . . . . . . . . 588 2.) § 687 Abs. 2 BGB als ungeeignete Rechtsgrundlage für die Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . . . . 590 III. Zweck der Gewinnherausgabepflicht . . . . . . . . . . . . 590 IV. Voraussetzungen, Umfang, analoge Anwendung . . . . . . 591 1.) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591 a.) Bestehen eines Interessenwahrungsverhältnisses . . 591 b.) „Aus der Geschäftsbesorgung erlangt“ . . . . . . . 592 (i) „Innerer Zusammenhang“ mit der Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592 (ii) Gefahr eines Interessenkonflikts als Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 c.) Kein Verschulden erforderlich . . . . . . . . . . . 594 2.) Umfang der Herausgabepflicht . . . . . . . . . . . . . 596 3.) Analoge Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 a.) Grundsätzliche Möglichkeit einer Rechtsanalogie . 597 b.) Gewinnherausgabe beim Handelsvertreter . . . . . 598 V. Einzelheiten am Beispiel der Herausgabe von durch Dritte geleisteten Provisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 1.) Keine Verdrängung durch privatrechtliche Pflichten . . 601 a.) Keine Verdrängung durch Schadensersatzpflicht . . 601 b.) Keine Beschränkung durch Vertriebsvereinbarung . 602 c.) Keine Verdrängung durch Aufklärungspflicht . . . 603 (i) Aufklärungspflicht bei Zuwendungen . . . . . 604 (ii) Auswirkungen der Aufklärung auf die Herausgabepflicht . . . . . . . . . . . . . . . 605 (iii) Verhaltensökonomische Erwägungen . . . . . 606 2.) Keine Einschränkung durch Aufsichtsund Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607 a.) Keine Beschränkung von § 384 HGB durch § 31d WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607
Inhaltsverzeichnis
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b.) Keine Beschränkung durch europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 610 Teil 4: Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 § 20 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . 613 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613 II. Allgemeine Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614 1.) Interessenwahrungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 614 2.) Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614 III. Systematisierung der besonderen Regelungen für Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 IV. Konfliktoffenlegung: Anzeige- und Offenlegungspflichten . 616 V. Konfliktvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617 1.) Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 617 2.) Beschränkungen des Handlungsspielraums . . . . . . . 618 3.) Vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers . . . 619 4.) Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . 620 5.) Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen im Berufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621 6.) Inhabilitätsregeln und Eignungsprüfungen . . . . . . . 622 VI. Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 1.) Formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 2.) Geschäftschancenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 3.) Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 625 4.) Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses . . . 626 VII. Sanktionen und Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . . 627
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 691
Abkürzungsverzeichnis . . .G . . .gesetz A. A. / a. A. anderer Ansicht a.a.O. am angegebenen Ort a. E. am Ende alte Fassung a. F. a. M. am Main ABl. Amtsblatt ABlEG Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ABlEU Amtsblatt der Europäischen Union Abs. Absatz / Absätze Abschn. Abschnitt(e) Acct. Accounting Acct. & Fin. Accounting & Finance Acct. Rev. The Accounting Review Archiv für die civilistische Praxis AcP AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AG Aktiengesellschaft / Die Aktiengesellschaft / Amtsgericht AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen ähnl. ähnlich AJP/PJA Aktuelle Juristische Praxis AktG Aktiengesetz Ala. Alabama/Alabama Reports ALR Allgemeines Landrecht A. L. R. (3rd,4th) The American Law Reports (Third, Forth Series) The American Economic Review Am. Econ. Rev. Am. Law & Econ. Rev. American Law and Economics Review Am. Psych. American Psychologist amtl. amtlich Anh. Anhang Anm. Anmerkung Ann. Rev. Psychol. Annual Review of Psychology AnwBl Anwaltsblatt AnwG Anwaltsgericht(shof) Apr. April AR Aufsichtsrat ArbAR Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder Art. Artikel Aufl. Auflage BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
XXXVI
Abkürzungsverzeichnis
BankR Bankrecht Bankrechts-Hdb Bankrechts-Handbuch BAWe Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel Bayerisches Oberlandesgericht in Zivilsachen BayObLGZ BB Betriebs-Berater Bd. Band Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. BDI BDSG Bundesdatenschutzgesetz BeckBilKomm Beck’scher Bilanz-Kommentar Beck’sches Handbuch der AG BeckHdbAG Begr. Begründung / Begründer BegrRegE Begründung zum Regierungsentwurf Beil. Beilage Beitr. Beiträge BeurkG Beurkundungsgesetz BFHE Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs BFuP Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis BG Bundesgericht BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHSt Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen BGHZ Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts BilMoG BilReG Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und AchBiRiLiG ten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts BKR Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht BNotO Bundesnotarordnung BO StB Berufsordnung der Bundes-Steuerberaterkammer BORA Berufsordnung für Rechtsanwälte börsennot. börsennotiert/e BR-Drs. Bundesratsdrucksache BR-Drucks. Drucksachen des Bundesrats BRAK Bundesrechtsanwaltskammer BRAK-Mitt. BRAK-Mitteilungen (Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer) BRAO Bundesrechtsanwaltsordnung BReg Bundesregierung Brook. J. Int’l L. Brooklyn Journal of International Law Brook. L. Rev. Brooklyn Law Review BS WP Berufssatzung der Wirtschaftsprüferkammer
Abkürzungsverzeichnis
BS WP/vBP
XXXVII
Satzung der Wirtschaftsprüferkammer über die Rechte und Pflichten bei der Ausübung der Berufe des Wirtschaftsprüfers und des vereidigten Buchprüfers bspw. beispielsweise BT-Drs. Bundestagsdrucksache BuB Bankrecht und Bankpraxis The Business Lawyer Bus. Law. BVerfG Bundesverfassungsgericht BvR Aktenzeichen einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise C. F. R. Code of Federal Regulations Cal. L. Rev. California Law Review Cas. Cases CCA Circuit Court of Appeals CCH Fed. Sec. L. Rep. Federal Securities Law Reporter (Commerce Clearing House) Corporate Compliance Zeitschrift CCZ Committee of European Securities Regulators CESR ch. chapter(s) c.i.c. culpa in contrahendo Cir. Circuit Co. Company Colum. Bus. L. Rev. Columbia Business Law Review Colum. J. Eur. L. Columbia Journal of European Law Colum. L. Rev. Columbia Law Review Cornell International Law Journal Cornell Int. L. J. Cornell L. Rev. Cornell Law Review Corp. Corporation CPO Civilprozeßordnung Ct. Court Court of Appeals Ct.App. D. C. Cir. District of Columbia Circuit d. h. das heißt DAI Deutsches Aktieninstitut e.V. DAV Deutscher Anwaltsverein DB Der Betrieb DBW Die Betriebswirtschaft DCGK Deutscher Corporate Governance Kodex Dec. December Del. Delaware Delaware Chancery Court Del. Ch. Del. J. Corp. L. Delaware Journal of Corporate Law ders. derselbe DG Directorate General dies. dieselbe(n) diesbzgl. diesbezüglich
XXXVIII
Abkürzungsverzeichnis
DIHK Deutscher Industrie- und Handelskammertag Diss. Dissertation DJT Deutscher Juristentag Deutsche Notar-Zeitschrift DNotZ Doc. Document DrittelbG Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat DRiZ Deutsche Richterzeitung DStR Deutsches Steuerrecht Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift DtZ DZWIR Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht EBOR European Business Organization Law Review Ed. / Eds. Edition / Editor(s) EEC European Economic Community EG Europäische Gemeinschaft(en) EGH Ehrengerichtshof Einl. Einleitung endg. endgültig ERCL European Review of Contract Law Erwägung (Nummerierung in Urteilen des Schweizer BunErw. desgerichts) EStG Einkommenssteuergesetz ESUG Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen et alii et al. et seq. et sequens / et sequentia etc. et cetera Europäische Union EU EUV Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EuZW EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWiR Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht folgende f. / ff. FF Forum Familienrecht F. Supp. Federal Supplement F.2d Federal Reporter, Second Series F.3d Federal Reporter, Third Series FamFG Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit FamRZ Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Feb. Februar / February Fed. Reg. No. Federal Register Number Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen GerichtsFGG barkeit Fin. Finance/Financial FinAnV Verordnung über die Analyse von Finanzinstrumenten Fla. Florida Fla. L. Rev. Florida Law Review
Abkürzungsverzeichnis
XXXIX
Fn. Fußnote(n) FR Federal Register FRUG Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission FS Festschrift Georgia/Georgia Reports Ga. GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts GDV Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. GenG Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Geo. Georgia Geo. J. Legal Ethics Georgetown Journal of Legal Ethics GesR Gesellschaftsrecht GesRZ Der Gesellschafter – Zeitschrift für Gesellschafts- und Unternehmensrecht ggf. gegebenenfalls GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter HafGmbHG tung GmbHR GmbH-Rundschau grds. grundsätzlich Großkomm. Großkommentar GroßkommAktG Großkommentar Aktiengesetz (hrsg. v. Hopt/Wiedemann) GroßkommGmbHG Großkommentar GmbH-Gesetz (hrsg. v. Ulmer/Habersack/ Löbbe) GroßkommHGB Großkommentar Handelsgesetzbuch GS Gedächtnisschrift GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen GWR Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht GWU George Washington University HandelsR Handelsrecht Harv. L. Rev. Harvard Law Review Harv. Bus. Rev. Harvard Business Review Hdb Handbuch HdbAG Handbuch der Aktiengesellschaft HdR Handbuch der Rechnungslegung HGB Handelsgesetzbuch hins. hinsichtlich HK Heidelberger Kommentar HK-InsO Handkommentar Insolvenzordnung Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz HWB Handwörterbuch der Betriebswirtschaft im Sinn des/der i. S. d. i. S. v. im Sinne von i. V. m. in Verbindung mit
XL
Abkürzungsverzeichnis
IA Insolvency Act Ia. Iowa ICCLJ International and Comparative Corporate Law Journal Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. IDW IDW PS IDW Prüfungsstandard IFAC International Federation of Accountants Illinois Business Journal Ill. B. J. insb. insbesondere InsO Insolvenzordnung InsR Insolvenzrecht InsVV Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung Int.’l Rev. L. & Econ. International Review of Law & Economics InvG Investmentgesetz IOSCO International Organization of Securities Commissions Iowa L. Rev. Iowa Law Review IR Insolvency Rules JZ JuristenZeitung J. Journal J. Acct. Lit. The International Journal of Accounting Journal of Accounting Research J. Acct. Res. J. Behav. Dec. Making Journal of Behavioral Decision Making J. Bus. Journal of Business J. Corp. L. Journal of Corporation Law J. of Consumer Research Journal of Consumer Research J. Econ. Behav. Organ. Journal of Economic Behavior & Organization J. Econ. Lit. Journal of Economic Literature J. Econ. Persp. Journal of Economic Perspectives Journal of Experimental Psychology J. Exper. Psychol. J. Fin. The Journal of Finance Journal of Financial Economics J. Fin. Econ. J. Fin. Lit. Journal of Finacial Literature J. L. & Econ. Journal of Law and Economics Journal of Law, Economics, and Organization J. L. Econ. & Org J. L. Med. & Ethics Journal of Law, Medicine & Ethics J. Leg. Stud. Journal of Legal Studies J. Personality & Journal of Personality & Social Psychology Social Psychology J. Pol. Econ. Journal of Political Economy J. Risk & Uncertainty Journal of Risk & Uncertainty JAE Journal of Accounting and Economics Jan. Januar / January Jb. f. Jahrbuch für Journal of Corporate Law Studies JCLS JfB Journal für Betriebswirtschaft Jg. Jahrgang JhJb Jherings Jahrbücher JuS Juristische Schulung JW Juristische Wochenschrift
Abkürzungsverzeichnis
XLI
JZ Juristenzeitung KAGB Kapitalanlagegesetzbuch Kap. Kapitel KapitalanlageR Kapitalanlagerecht KG Kammergericht, Kommanditgesellschaft KGaA Kommanditgesellschaft auf Aktien KMRK Kapitalmarktrechts-Kommentar KO Konkursordnung KölnKommAktG Kölner Kommentar zum Aktiengesetz Kölner Kommentar zum Wertpapierhandelsgesetz KölnKommWpHG KOM Europäische Kommission KostO Gesetz über die Kosten in Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (Kostenordnung) krit. kritisch(e) KTS Zeitschrift für Insolvenzrecht Konkurs Treuhand Sanierung KWG Kreditwesengesetz Law Commission LAW COM Law & Contemp. Probs. Law & Contemporary Problems Lieferung L fg lit. litera Losebl. Loseblatt LPartG Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft Ltd. / ltd. Limited / limited m. w. N. mit weiteren Nachweisen MaComp Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen Allgemeine Organisatorische Anforderungen für WertpaMaComp AT pierdienstleistungsunternehmen nach § 33 Abs. 1 WpHG MaKonV Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation Mass. Massachussetts MDR Monatsschrift für Deutsches Recht Mgmt. Management Mich. Michigan Michigan YBI Legal Stud. Michigan Yearbook of Legal Studies MiFID Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente Minn. Minnesota Mio. Million(en) Miss. Mississippi Mitbest. Mitbestimmung MitbestG Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer MitbestR Mitbestimmungsrecht Mot. Motive Mrd. Milliarde(n) Münch. Hdb. Münchener Handbuch
XLII
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MünchHdb GesR Münchener Handbuch zum Gesellschaftsrecht MünchKommAktG Münchener Kommentar zum Aktiengesetz MünchKommBGB Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch MünchKommHGB MünchKommInsO Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung n. number North Eastern Reporter (second series) N. E.(2d) n. F. neue Fassung N. H. New Hampshire North Western Reporter (second series) N. W.(2d) N. Y. New York N. Y. S. (2d) New York Supplement (second series) N. Y. U. J. L.&Bus. NYU Journal of Law and Business N. Y. U. L. Rev. New York University Law Review NYSE New York Stock Exchange NASDAQ National Association of Securities Dealers Automated Quotation System Neb. Nebraska NJW Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report NJW-RR No. / No Number Nov. November Nr(n). Nummer(n) NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht Nw. U. L. Rev. Northwestern University Law Review NYSE New York Stock Exchange NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung NZI NZM Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht oder anderem o. a. o. ä. oder ähnliches/n o. V. ohne Verfasser Österreichisches Bankarchiv – Zeitschrift für das gesamte ÖBA Bank- und Börsenwesen OECD Organisation for Economic Co-operation and Development (dt.: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) OHG Offene Handelsgesellschaft Ohio St. L. J. Ohio State Law Journal OLG Oberlandesgericht OLGE Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiet des Zivilrechts Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen einOLGZ schließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit Org. Behav. Hum. Organizational Behavior and Human Decision Processes Decision Processes Oxford J. Leg. Studies Oxford Journal of Legal Studies p. page
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P. L. Public Law Pa. Pennsylvania / Pennsylvania Reports Pacific-Basin Fin. J. Pacific-Basin Finance Journal Para(s) Paragraph(s) PartGG Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe PLI Practising Law Institute PLI/Corp. Practising Law Institute – Corporate Law and Practice Course Handbook Series Preuß. Preußisches Prot. Protokolle Psych. Rev. Psychological Review Psychol. Bull. Psychological Bulletin Psychol. Sci.Pub. Int. Psychological Science in the Public Interest Pub. Fin. Public Finance Pub. L. Public Law PublG Publizitätsgesetz The Quarterly Journal of Economics Q. J. Econ. Q. J. Exp. Psychol. Quarterly Journal of Experimental Psychology r. rule RabelsZ Rabels Zeitschrift Rdnr. Randnummer RdW Das Recht der Wirtschaft RechtsA Rechtsausschuss RegE Regierungsentwurf REMM Resourceful, Evaluating, Maximizing Man Rev. Review Review of Financial Studies Rev. Fin. Stud. RGRK Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes RGSt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RGZ RIW Recht der Internationalen Wirtschaft RPfleger Der Deutsche Rechtspfleger RVG Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte S. Seite(n) / Satz (Sätze) s. siehe / section S. Cal. L. Rev. Southern California Law Review S. D. N. Y. District Court for the Southern District of New York S. E.(2d) South Eastern Reporter (Second Series) siehe oben s. o. Sch. Schedule SEA Securites and Exchange Act Sec. Section SEC/S. E. C. Securities and Exchange Commision Sect. Section
XLIV
Abkürzungsverzeichnis
Sep. September SJZ Schweizerische Juristen-Zeitung S. M. U. L.Rev. Southern Methodist University Law Review Sloan Management Review Sloan Mgmt. Rev. So. Southern Reporter sog. so genannt(e/en/er/es) Sonderbeil. Sonderbeilage Sp. Spalte Stanford L. Rev. Stanford Law Review United States Statutes at large Stat. StB Der Steuerberater StBerG Steuerberatungsgesetz Stbg Steuerberatung StGB Strafgesetzbuch stv. stellvertretend Sup. Ct. Supreme Court / Supreme Court Reporter Sup. Jud. Ct. Supreme Judicial Court of Massachusetts Tz. Textziffer u. a. und andere / unter anderem und ähnliches u. ä. UCLA L. Rev. University of California Los Angeles Law Review U. Chi. L. Rev. University of Chicago Law Review U. Ill. L. Rev. University of Illinois Law Review U. K. United Kingdom U.Pa.L.Rev. University of Pennsylvania Law Review U. S. United States u. U. unter Umständen Uabs. Unterabsatz Urt. Urteil United States of America USA v. versus / vom / von Vand. L. Rev. Vanderbilt Law Review vor der Höhe v.d.H. VersR Versicherungsrecht – Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht VerwArch Verwaltungsarchiv – Zeitschrift für Verwaltungslehre, Verwaltungsrecht und Verwaltungspolitik vgl. vergleiche VID Verband Insolvenzverwalter Deutschland e.v. Vol. Volume Vorbem. Vorbemerkung(en) VorstandsR Vorstandsrecht(s) The Wake Forest Law Review Wake Forest L. Rev. Wash. & Lee L. Rev. Washington and Lee Law Review Wash. U. L. Q. Washington University Law Quarterly WEG Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht Williamette L. Rev. Williamette Law Review
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WiPrO WM
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Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer Wertpapier-Mitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht WP Wirtschaftsprüfer WP-Hdb WP-Handbuch WP/vBP Wirtschaftsprüfer / vereidigte Buchprüfer Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln WpDVerOV und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen Die Wirtschaftsprüfung WPg. WpHG Wertpapierhandelsgesetz WPK Wirtschaftsprüferkammer WPK-Mitt. Mitteilungen der Wirtschaftsprüferkammer WPO Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer WuB Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Yale L. J. Yale Law Journal z. zu(m) zum Beispiel z. B. z. T. zum Teil Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft ZBB ZCG Zeitschrift für Corporate Governance ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZEV Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zfbf Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziff. Ziffer ZInsO Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZIP zit. zitiert ZKA Zentraler Kreditausschuss Zeitschrift für die Notarpraxis ZNotP ZPO Zivilprozessordnung ZR Zivilrecht ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik zust. zustimmend ZVG Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung ZVglRWiss Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft ZZP Zeitschrift für Zivilprozess
Einleitung Interessenkonflikte, wie sie beim Insichgeschäft eines Vertreters, bei der gleichzeitigen Betreuung gegenläufig interessierter Kunden durch dieselbe Bank oder der Vertretung miteinander im Streit stehender Mandanten durch denselben Rechtsanwalt auftreten können, gehören zu den fundamentalen Problemstellungen der heutigen modernen Dienstleistungsgesellschaft. Angelegt sind sie in der wachsenden Komplexität der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorgänge, die zu einer immer stärkeren Spezialisierung und Arbeitsteilung führt. Immer mehr Aufgaben werden auf Dritte übertragen, und es wird immer schwieriger, diese Personen zu kontrollieren. Oft fehlt es dem Einzelnen an Wissen, Zeit und/oder finanziellen Mitteln, um die für ihn tätigen Experten und spezialisierten Dienstleister angemessen zu überwachen. So ist er darauf angewiesen, sich auf diese Spezialisten zu verlassen. Diese nehmen regelmäßig von Berufs wegen fremde Interessen wahr und versprechen, ihre Dienstleistungen unter Zurückstellung eigener Interessen und unter Vermeidung einer unsachlichen Bevorzugung anderer fremder Interessen zu erbringen. Zu ihnen gehören z. B. Banken, Kommissionäre, Rechtsanwälte, Makler sowie Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder.1 Aber auch gesetzlich vorgesehene Interessenwahrer, wie der Vormund, Betreuer, Pfleger, Testamentsvollstrecker oder Insolvenzverwalter, können in Interessenkonflikte geraten. Dementsprechend gibt es in vielen Bereichen des Privatrechts2 Regelungen zu Interessenkonflikten, die mal mehr, mal weniger detailliert ausgeformt worden sind.
1 Vgl. dazu Hopt, ZGR 2004, 1, 2 (für eine etwas kürzere englische Version dieses Beitrags siehe ders., in: Ferrarini et al., Reforming Company and Takeover Law in Europe, S. 51). 2 Der Begriff des „deutschen Privatrechts“, wie er im Titel verwendet wird, dient nicht der Bezugnahme auf die Unterscheidung zwischen deutschem und römischem Privatrecht, die vor allem im rechtshistorischen Diskurs Bedeutung hat. Dazu statt aller Luig, Deutsches Privatrecht, in: Cordes et al., Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Sp. 993 ff. Vielmehr soll der Titel verdeutlichen, dass die vorliegende Untersuchung des international breit diskutierten Themas der Interessenkonflikte primär das deutsche Recht im Blick hat und nicht die gesamte internationale Diskussion umfassend aufarbeiten soll.
2
Einleitung
I. Problemstellung Zu den schon länger existierenden Vorschriften, wie etwa § 181 BGB, sind in Deutschland nicht zuletzt aufgrund der Umsetzung der von der EU erlassenen Richtlinien in zahlreichen Rechtsgebieten neue Interessenkonfliktregelungen hinzugekommen. So hat die Europäische Union etwa im Kapitalmarktrecht eine ganze Reihe von Vorschriften zur Regelung von Interessenkonflikten erlassen.3 Auch internationale Organisationen, wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 4 und die International Organization of Securities Commissions (IOSCO) 5, haben sich in verschiedenen Bereichen mit Interessenkonflikten und ihren Auswirkungen auseinandergesetzt und Vorschläge für deren Regelung unterbreitet. 6 Im Gesellschaftsrecht sind neben die aktiengesetzlichen Bestimmungen Empfehlungen im Corporate Governance Kodex und im Insolvenzrecht neben die Regelungen der Insolvenz ordnung Bestimmungen in den Berufsgrundsätzen für Insolvenzverwalter getreten, die sich recht detailliert mit Interessenkonflikten befassen. Die über die verschiedenen Gesetze und Rechtsgebiete verstreuten Regelungen zu Interessenkonflikten stehen dabei weitgehend für sich. Sie haben sich meist unabhängig voneinander entwickelt7 und beruhen auf keinem einheitlichen Regelungskonzept. Während in einigen Bereichen, wie dem Kapitalmarktrecht oder auch im Berufsrecht der Rechtsanwälte und Wirtschaftsprü3 Siehe z. B. Art. 13 und 18 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABlEU Nr. L 145 vom 30.04.2004, S. 1 (im Folgenden MiFID) und die zugehörigen Implementierungsvorschriften in der Richtlinie 2006/73/EG der Kommission zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie bestimmte Begriffsdefinitionen für die Zwecke der genannten Richtlinie vom 10. Aug. 2006, ABlEU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 26 (im Folgenden Durchführungsrichtlinie). Siehe dazu auch CESR, CESR’s Technical Advice on Possible Implementing Measures of the Directive 2004/39/EC on Markets in Financial Instruments 1st Set of Mandates, CESR/05–024c, Jan. 2005, S. 42. 4 Organisation for Economic Cooperation and Development. 5 International Organization of Securities Commissions. 6 Siehe z. B. Thompson, Conflicts of Interest and the Post-2000 Market Downturn, Fifth Roundtable of the OECD on Capital Market Reform in Asia, Tokio, 19–20 Nov. 2003, abrufbar unter http://www.oecd.org/finance/financialmarkets/19237291.pdf (Stand 28.07. 2014); OECD, Recommendation of the Council on Guidelines for Managing Conflicts of Interest in the Public Service, Juni 2003; IOSCO, Market Intermediary Management of Conflicts that Arise in Securities Offerings, Consultation Report, Feb. 2007; IOSCO, Statement of Principles for Addressing Sell-Side Securities Analyst Conflicts of Interest, Sep. 2003; IOSCO, Conflicts of Interests of CIS Operators, Report of the Technical Committee, Mai 2000. 7 Siehe dazu nur Hopt, ZGR 2004, 1, 2, Fn. 1.
I. Problemstellung
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fer, sehr detaillierte Regelungen zu Interessenkonflikten zu finden sind, 8 sind die Regelungen in anderen Rechtsgebieten, etwa im Maklerrecht, nicht oder kaum verändert worden. Die zunehmende konzeptionelle Ausrichtung hin zu einer materiellen Anknüpfung der Regelungen zu Interessenkonflikten wird somit nur in einzelnen Rechtsgebieten vollzogen. Dies führt zu Uneinheitlichkeit und Brüchen bei den Regelungen und damit zu Rechtsunsicherheit in Kern bereichen der wirtschaftlichen Tätigkeit. Daraus ergibt sich ein erheblicher Bedarf an vertiefter Auseinandersetzung mit der rechtlichen Erfassung und den Möglichkeiten der Regulierung von Interessenkonflikten sowie an der Entwicklung eines funktional kohärenten Systems der Regelung von Interessenkonflikten. In der rechtswissenschaftlichen Forschung werden Interessenkonflikte von Fremdinteressenwahrern bisher noch kaum als einheitliches, rechtsgebietsübergreifendes Regelungsproblem wahrgenommen.9 Vielmehr werden sie jeweils für sich gesondert und ohne Rückbezug auf den Gesamtzusammenhang untersucht und gesetzlich geregelt. Das Fehlen eines einheitlichen Regelungsansatzes hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass Interessenkonflikte vielfältiger Art sind und sich in verschiedenen Rechtsgebieten in unterschiedlicher Ausprägung zeigen (etwa Eigen- versus Fremdinteressen, Fremd- versus Fremdinteressen, dauerhafte versus punktuelle Interessenkonflikte). Hinzu kommt, dass unterschiedliche Sachzusammenhänge und unterschiedliche (dogmatische) Strukturen der jeweiligen Rechtsgebiete unterschiedliche Regelungsansätze hervorgebracht haben. So sind etwa andere Lösungsansätze geeignet, wenn es um einen einzelnen Rechtsanwalt geht, der die Interessen seines Mandanten zu wahren hat, als wenn es um die Abstimmung von Aufsichtsratsmitgliedern bei der Beschlussfassung geht. Mit Ausnahme einiger spezifischer Besonderheiten in einzelnen Rechtsgebieten stellen sich aber grundsätzlich ähnliche übergreifende Fragen, die zum Teil zu ähnlichen, zum Teil aber auch zu unterschiedlichen Lösungen geführt haben. Hier lässt sich eine gewisse rechtsgebietsspezifische dogmatische Verfestigung von Rechtsstrukturen beobachten, die in einzelnen Rechtsgebieten zu gewissen „Pfadabhängigkeiten“ der Regelungsansätze geführt hat.
8 Vgl. nur §§ 31 ff. WpHG idF. des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (RiL 2004/39/EG), MiFID) und der Durchführungsrichtlinie (RiL 2006/73/EG) der Kommission (Finanzmarktrichtlinieumsetzungsgesetz) vom 16.07.2007, BGBl. 2007 I, S. 1330 v. 19.07.2007. 9 Siehe aber Hopt, ZGR 2004, 1; ders., FS Doralt, 2004, S. 213; außerdem Löhnig, Treuhand, passim.; auch Carrara, Interessenkonflikte, passim.
4
Einleitung
II. Gegenstand der Untersuchung Vor diesem Hintergrund hat die vorliegende Untersuchung zum Ziel, die zahlreichen privatrechtlichen Regelungen zur Erkennung, Vermeidung und Lösung von Interessenkonflikten sog. Fremdinteressenwahrer (z. B. Banken, Finanzdienstleistungsinstitute, Organmitglieder von Gesellschaften, Rechtsanwälte, aber auch Vormünder, Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter und ganz allgemein Vertreter) zu analysieren und systematisch und funktional kohärent aufzuarbeiten. Zu den wesentlichen Regelungen, die im Folgenden untersucht werden, gehören neben den allgemeinen Bestimmungen, wie insbesondere § 181 BGB, die Vorschriften über den Maklervertrag (§§ 652 ff. BGB), den Auftrag (§§ 662 ff. BGB) und den Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 675 ff. BGB), das Kommissionsgeschäft (§§ 383 ff. HGB), die Vorschriften über den Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft (§§ 76 ff. und 95 ff. AktG), über Geschäftsführer einer GmbH (§§ 35 ff. GmbHG) sowie über Insolvenzverwalter (§§ 56 ff. InsO), aber auch die berufsrechtlichen Bestimmungen für Rechtsanwälte (z. B. §§ 43a Abs. 4, 45, 46 BRAO), Wirtschaftsprüfer (§§ 43, 49, 55 WiPrO, außerdem §§ 319 f. HGB) und die aufsichtsrechtlichen Vorschriften für Finanzunternehmen (vor allem §§ 31 ff. WpHG).
III. Methoden der Untersuchung Der Untersuchung liegt ein funktional vergleichender Ansatz zugrunde: Die Regelungen in den verschiedenen Rechtsgebieten werden anhand ihrer jeweiligen Funktionen untersucht und miteinander verglichen. Dabei werden grundlegende allgemeine Regelungen für den Umgang mit Interessenkonflikten herausgearbeitet, die in den verschiedenen Rechtsgebieten durch besondere Regelungen konkretisiert werden. Diese Regelungen wurden im Hinblick auf die Struktur des Interessenkonflikts und in Bezug auf die ihnen zugrunde liegende Regelungsstrategie (Konfliktoffenlegung, Konfliktprävention, Konfliktlösung) untersucht. Hinsichtlich der Struktur der Interessenkonflikte wurden dabei deren Art (konkret, abstrakt), die jeweils in Konflikt tretenden Interessen (Eigengegen Fremdinteressen, Fremd- gegen Fremdinteressen), die Konfliktintensität und die Dauer des Konflikts (dauerhaft, punktuell) in den Blick genommen. Die funktionale Betrachtung und die daran orientierte Systematisierung der privatrechtlichen Regelungen für den Umgang mit Interessenkonflikten bildet die Grundlage, um mit Hilfe des juristischen Instrumentariums (etwa der Analogie oder der teleologischen Reduktion von Normen) Regelungen in einzelnen Rechtsbereichen für andere Rechtsgebiete fruchtbar zu machen. So kann etwa die sog. Geschäftschancenlehre, die Organmitgliedern von Gesellschaften ver-
III. Methoden der Untersuchung
5
bietet, Erwerbschancen der Gesellschaft dieser vorzuenthalten und für sich oder Dritte zu nutzen, auf andere Interessenwahrer übertragen werden, sofern sie ähnlich umfassend die Interessenwahrung für andere übernommen haben. Des Weiteren erlaubt es etwa die Gegenüberstellung von Regelungen für dauerhafte und punktuelle Interessenkonflikte, funktionale Parallelen zwischen verschiedenen Regelungen zu ziehen. So zeigt etwa der funktionale Vergleich von Wettbewerbsverboten (dauerhafte Interessenkonflikte) und der Geschäftschancenlehre (punktuelle Interessenkonflikte), dass die Geschäftschancenlehre als eine Art „punktuelles Wettbewerbsverbot“ eingeordnet werden kann. In der Untersuchung werden des Weiteren auch Regelungen zu Interessenkonflikten in anderen Ländern in den Blick genommen. Diese werden vor allem dort berücksichtigt, wo ausländisches Recht das deutsche Recht maßgeblich beeinflusst hat. Beispielhaft hierfür seien die Regelungen und Empfehlungen zur Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern genannt, die letztlich auf den Einfluss des angloamerikanischen Rechts zurückgehen. Die „independent directors“ haben etwa in den USA – nicht zuletzt wegen der dort vorherrschenden monistischen Struktur der Gesellschaften (board), im Gegensatz zur sog. dualistischen Struktur der Gesellschaften in Deutschland (Vorstand, Aufsichtsrat) – große Bedeutung erlangt. Sie sollen vor allem eine unabhängige Überwachung der Geschäftsleitung sicherstellen. Aufgrund des andersartigen rechtlichen Umfelds in Deutschland lassen sich Zweck und Inhalt der angloamerikanischen Unabhängigkeitsregelungen nur zum Teil auf das deutsche Recht übertragen, denn die Gewährleistung einer Überwachung durch nicht mit der Geschäftsführung betraute Personen wird in Deutschland bereits durch die Trennung der Organe in Vorstand und Aufsichtsrat gewährleistet. Um die Problematik der Interessenkonflikte adäquat einordnen und daran anknüpfende sachgerechte normative Erwägungen treffen zu können, werden außerdem ökonomische Erkenntnisse berücksichtigt. Aufgrund der spezifischen Natur von Interessenkonflikten, bei denen es sich um individual-psy chische Phänomene handelt, kommt dabei vor allem verhaltensökonomischen Befunden besonderes Gewicht zu. Grundlage der Verhaltensökonomik (Behavioral Economics) sind zahlreiche, von Psychologen und Wirtschaftswissenschaftlern durchgeführte Untersuchungen über menschliches Verhalten in wirtschaftlichen Entscheidungssituationen, die eine Reihe systematischer Abweichungen vom Idealbild eines rational handelnden Individuums (sog. Anomalien oder auch „bias“) zutage gefördert haben. Hierzu gehören z. B. die selektive Wahrnehmung von Informationen oder die Neigung, die eigenen Fähigkeiten zu überschätzen. Diese Vorgänge spielen bei Interessenkonflikten eine nicht zu unterschätzende Rolle, wie sich etwa im Rahmen der Finanzkrise gezeigt hat.
6
Einleitung
IV. Gang der Untersuchung Voraussetzung für die Untersuchung der Regelungen zu Interessenkonflikten ist zunächst die Entwicklung einer rechtlich handhabbaren Begriffsbestimmung und eine Typologisierung der verschiedenen Interessenkonflikte. Zudem ist die dogmatische Verankerung von Interessenkonflikten in den Blick zu nehmen (§ 1). Dem folgt eine rechts- und verhaltensökonomische Untersuchung von Interessenkonflikten sowie eine Übersicht über das rechts- und verhaltens ökonomische Instrumentarium (§ 2), das im Folgenden immer wieder zur Analyse der Regelungen zu Interessenkonflikten herangezogen wird. Nach diesen Grundlagen folgen im zweiten Teil die allgemeinen Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten, die sich in die generellen Regelungskonzepte „Pflicht“ und „Status“ einteilen lassen. Dies sind die Interessenwahrungs- oder Treuepflicht (§ 3) und die Unabhängigkeit (§ 4 und § 5). Untersucht werden diese wie auch die anschließenden besonderen Regelungen rechtsgebietsübergreifend. Die untersuchten Interessenwahrer – als allgemeiner Begriff für die zahlreichen Funktionsträger, die Interessen anderer wahrnehmen – lassen sich einteilen in vertragliche, organschaftliche und – in Anlehnung an die gesetzlichen Vertreter – gesetzliche Interessenwahrer. Im Hinblick auf vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse werden unter anderem Auftrag, Abschlussprüfung, Geschäftsbesorgung, Handelsvertretung, Kommission, Makelei und das Vertragshändlerverhältnis in den Blick genommen. Bei den organschaftlichen Interessenwahrern stehen der Vorstand und der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft sowie der Geschäftsführer der GmbH im Mittelpunkt. Bei den gesetzlichen Interessenwahrern geht es vor allem um den Vormund, den Betreuer, den Pfleger, den Testamentsvollstrecker und den Insolvenz verwalter sowie die Mitglieder des Gläubigerausschusses im Insolvenzverfahren. An letzteren sowie den Aufsichtsratsmitgliedern lassen sich zudem die besonderen Regelungen für Interessenwahrer untersuchen, die in Gremien zusammenwirken. Im anschließenden dritten Teil werden in vier Abschnitten die besonderen privatrechtlichen Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten mit Blick auf ihre Funktionen näher untersucht und die Lösungsmechanismen systematisiert (zur Systematisierung insbesondere § 6). Diese unterteilen sich in die Konfliktoffenlegung, die Konfliktvermeidung und die Konfliktlösung. Im ersten Abschnitt zur Konfliktoffenlegung werden die Anzeige- und Offenlegungspflichten zahlreicher Interessenwahrer untersucht (§ 7). Daran anschließend folgen im zweiten Abschnitt die besonderen Regelungen zur Konfliktvermeidung, die unterschiedliche Konkretisierungen und Verdichtungen der Interessenwahrungspflicht – in ihrer Ausprägung als Pflicht zur Konfliktvermeidung – darstellen. Dazu gehören – geordnet nach der steigenden Intensität des Eingriffs – Organisationspflichten (§ 8), Beschränkungen des Handlungsspiel-
IV. Gang der Untersuchung
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raums (§ 9), die vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers (§ 10), Wettbewerbsverbote (§ 11), das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 12) und Inhabilitätsvorschriften (§ 13). Im dritten Abschnitt folgen die Konfliktlösungsregelungen. Dazu gehören – weitgehend korrespondierend mit den besonderen Regelungen zur Konfliktvermeidung: formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen (§ 14), die Geschäftschancenlehre (§ 15), Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen (§ 16) und die Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses (§ 17). Im anschließenden vierten Teil werden die Rechtsfolgen und Sanktionen untersucht, wobei neben den Sanktionen, wie Schadensersatzpflichten oder der Verwirkung von Lohnansprüchen (§ 18), ein besonderes Augenmerk auf die Gewinnabschöpfung gelegt wird (§ 19). Eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse (§ 20) beschließt die Untersuchung.
Teil 1: Interessenkonflikte – Grundlagen
§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung I. Einleitung Die wesentliche Bedeutung von Interessenkonflikten insbesondere für das Wirtschaftsleben spiegelt sich in den immer zahlreicher werdenden Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten wieder. Eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs „Interessenkonflikt“, der diesen Regelungen zugrunde liegt, fehlt jedoch noch. Um die Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten sachgerecht untersuchen zu können, ist dieser Begriff daher zunächst zu bestimmen (I.) eine Systematisierung der verschiedenen Arten von Konflikten vorzunehmen (II.). Im Anschluss werden die rechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten und die rechtliche Verankerung der Regelung zum Umgang mit Interessenkonflikten näher in den Blick genommen (III.).
II. Begriff des Interessenkonflikts und dogmatische Verortung 1.) Fehlen eines einheitlichen rechtlichen Begriffs des Interessenkonflikts Der Begriff „Interessenkonflikt“ (lat. confligere = zusammentreffen, kämpfen) wird regelmäßig als bekannt vorausgesetzt. Sowohl die Gesetzgebung als auch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen beschränken sich weitgehend darauf, an den Interessenkonflikt anknüpfende Regelungen zu schaffen bzw. zu untersuchen.1 Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich bisher noch kein einheitliches Verständnis des Begriffs „Interessenkonflikt“ entwickelt hat.2 Dies gilt insbesondere auch für die zahlreichen neueren europäischen Richtlinien und Verordnungen zum Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht. Diese enthalten zum Teil sehr umfangreiche Regelungen für den Umgang mit Interessenkonflikten, jedoch keine allgemeine Definition des Begriffs „Interessenkonflikt“.3 1 Ein Definitionsversuch unternimmt allerdings Lutter, FS Priester, 2007, S. 417, 423; außerdem Kumpan/Leyens, ECFR 2008, 72, 82 ff. 2 Vgl. dazu z. B. Hollander/Salzedo, Conflicts of Interest, Rdnr. 1–002. 3 Bspw. Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), ABlEG Nr. L 375 v. 31.12.1985, S. 3 ; ABlEU Nr. L 096
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
So enthält beispielsweise die Finanzmarktrichtlinie (MiFID) von 20044 mit ihrer Umsetzungsrichtlinie von 20065 eine sehr weitgehende Regelung von Interessenkonflikten. Über eine in der Umsetzungsrichtlinie vorgenommene Auflistung von fünf Situationen hinaus, in denen die Gefahr von Interessenkonflikten besteht, 6 lässt sich diesen beiden Richtlinien jedoch nur ein Kriterium entnehmen, das sich für eine generelle Begriffsbestimmung eignet: Es muss für den Kunden einer Wertpapierfirma, die von einem Interessenkonflikt betroffen ist, ein potenzieller Nachteil entstehen.7 Auch die besonders umfangreiche Regelung von Interessenkonflikten in der Verordnung über Ratingagenturen8 enthält keine Begriffsbestimmung. Im deutschen Recht findet sich der Begriff des Interessenkonflikts zwar an verschiedenen Stellen,9 ein einheitliches Begriffsverständnis hat sich aber auch hier bislang nicht herausgebildet,10 ebensowenig eine einheitliche Dogmatik.11 Denn Interessenkonflikte werden in der Regel ausschließlich in einem bestimmten Kontext untersucht und die Ergebnisse auf das jeweilige betrachtete Problem zugeschnitten.12 vom 12.04.2003, S. 16; Richtlinie 2003/125/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die sachgerechte Darbietung von Anlageempfehlungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten, ABlEU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 73. 4 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/ EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABlEU Nr. L 145 v. 30.04.2004, S. 1. 5 Richtlinie 2006/73/EG der Kommission vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABlEU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 26. Siehe außerdem CESR, CESR’s Technical Advice on Possible Implementing Measures of the Directive 2004/39/EC on Markets in Financial Instruments 1st Set of Mandates, CESR/05–024c, Jan. 2005, S. 42. 6 Art. 21 der Richtlinie 2006/73/EG (Fn. 5). 7 Erwägungsgrund 24 der Richtlinie 2006/73/EG (Fn. 5). 8 Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen, ABlEU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S.1 (im Folgenden Rating-Verordnung). 9 Vgl. etwa § 1897 Abs. 5 BGB, §§ 27, 70, 85 KAGB, § 8a Abs. 4 Satz 2 VAG, § § 31 Abs. 1 Nr. 2, 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 34b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 34c Satz 4 WpHG. 10 Ebensowenig im angloamerikanischen Rechtsraum. Vgl. Justice Brennan in Cuyler v. Sullivan, 446 U.S. 335, 351, 100 S. Ct. 1708: “Conflict of interests’ is a term that is often used and seldom defined.” Bzgl. einer öffentlich rechtlich orientierten Definition des Interessenkonflikts siehe etwa OECD, Recommendation of the Council on Guidelines for Managing Conflict of Interest in the Public Service, Juni 2003, Absatz 10. 11 Vgl. bereits Reimer, Interessenkonflikte, unveröffentlichtes Manuskript, S. 32 f. [Einleitung]. 12 Walker, Conflicts of Interest, § 1:1.
II. Begriff des Interessenkonflikts und dogmatische Verortung
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Ein Blick in andere Forschungsgebiete, insbesondere die Wirtschaftswissenschaften,13 zeigt, dass sich auch dort noch kein einheitliches Verständnis des Interessenkonflikts gebildet hat. Zudem sind die dort erörterten Definitionsversuche für rechtliche Regelungen ungeeignet. Entweder sind sie zu eng auf bestimmte Situationen zugeschnitten oder aber zu breit gewählt. Beispiel für eine zu enge Begriffsbildung ist eine von Wirtschaftswissenschaftlern formulierte Definition folgenden Wortlauts: „conflicts of interest arise when a financial service provider, or an agent within such a service provider, has multiple interests which create incentives to act in such a way as to misuse or conceal information needed for the effective functioning of financial markets.”14 Diese Definition beschränkt sich zum einen auf den Kapitalmarkt und zum anderen auf solche Konflikte, die zu einem Missbrauch (misuse) oder einer Unterschlagung (concealing) von Informationen führen können, die für die Funktionsfähigkeit des Marktes bedeutsam sind. Damit stellt sie einseitig auf das effektive Funktionieren von Finanzmärkten ab und vernachlässigt den Schutz des einzelnen, der von einem Interessenkonflikt seines Intermediärs unmittelbar betroffen ist. Für eine allgemeine Definition ist sie daher zu eng. Andere Definitionsversuche sind zu breit, wie beispielsweise die Definition, dass ein “conflict of interest exists when a party to a transaction could potentially make a direct gain by taking actions that affect the other party adversely”.15 Eine solche Definition erfasst auch gewöhnliche Kaufverträge, denen der Interessengegensatz von Käufern und Verkäufern inhärent ist (so genannte Verträge des Interessengegensatzes16). Solche Interessengegensätze bedürfen aber anderer Lösungen als Interessenkonflikte so genannter (Fremd-)Interessenwahrer, bei denen sich der Interessenkonflikt „im Kopf“17 der einzelnen Person abspielt. Aus dem gleichen Grund ist auch der Definitionsversuch der IOSCO zu breit, die einen Interessenkonflikt definiert als „situation where the interests of a market intermediary may be inconsistent with, or diverge from, 13 Siehe bspw. Crockett/Harris/Mishkin/White, Conflicts of Interest in the Financial Services Industry: What should We Do About Them?, Geneva Reports on the World Economy, No. 5, 2004; Orts, in: Davis/Stark, Conflicts of Interest in the Professions, S. 129, 132; Boatright, in: Davis/Stark, Conflicts of Interest in the Professions, S. 217, 219; Mehran/Stulz, The Economics of Conflicts of Interest in Financial Institutions, Fisher College of Business Working Paper 2006–03–005, Nov. 2006, im Internet unter http://ssrn.com/abstract= 943447 (Stand: 28.07.2014). 14 Crockett/Harris/Mishkin/White, Conflicts of Interest in the Financial Services Industry: What should We Do About Them?, Geneva Reports on the World Economy, No. 5, 2004, S. 5. 15 Mehran/Stulz, The Economics of Conflicts of Interest in Financial Institutions, Fisher College of Business Working Paper 2006–03–005, Nov. 2006, im Internet unter http://ssrn. com/abstract=943447 (Stand: 28.07.2014). 16 Dazu unten § 1 II.3.)c.) (i). 17 Vgl. dazu Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 234 („Interessenkonflikt innerhalb eines Subjekts“).
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
those of its clients, investors, or others, or where the interests of one group of clients conflict with those of another group“.18 Andere Forschungsdisziplinen bieten wenig Unterstützung bei der Entwicklung eines rechtlichen Begriffes des Interessenkonflikts. Versuche, Interessenkonflikte zu definieren, sind insbesondere in der sozialwissenschaftlichen Forschung unternommen worden. So findet sich dort z. B. der Gedanke, dass eine Person einem Interessenkonflikt unterliegt, „if, and only if, [the person] is in a relationship with another requiring that person to exercise judgment on the other’s behalf and [the person] has a (special) interest tending to interfere with the proper exercise of judgment in that relationship.“19 Interesse wird in diesem Zusammenhang definiert als „any influence, loyalty, concern, emotion, or other feature of a situation tending to make [the person’s] judgment less reliable than it would normally be, without rendering [the person] incompetent“.20 Dieser Ansatz ist für eine rechtliche Handhabung ebenfalls zu weit. Er erfasst auch Situationen, in denen es unangemessen erscheint, die spezifischen Regelungen für Interessenkonflikte anzuwenden. So können Emotionen, wie z. B. Wut oder Enttäuschung hinsichtlich einer ganz anderen Angelegenheit, einen Entscheidungsträger, der fremde Interessen zu wahren hat, erheblich beeinflussen. Hat er eine Ermessensentscheidung zu treffen, dürfte seine Entscheidung weniger zuverlässig sein, als wenn er zum Zeitpunkt der Entscheidung solchen Emotionen nicht unterliegt.21 Ein Interesse an der von ihm zu treffenden Entscheidung in dem Sinne, dass er mit dieser Entscheidung etwas für sich (oder für Dritte) bewirken möchte (dazu sogleich), muss er in dieser Situation nicht haben. Das liefe darauf hinaus, dass auch bloße Gemütsschwankungen erfasst werden würden. Solche lassen sich aber rechtlich kaum sachgerecht regeln.
2.) Interesse Da kein allgemein anerkannter Begriff des Interessenkonflikts existiert, ist dieser im Folgenden zu ermitteln. Ausgangspunkt für eine Definition des Interessenkonflikts muss dabei der Begriff des Interesses sein. IOSCO, Market Intermediary Management of Conflicts that Arise in Securities Offerings, Consultation Report, Feb. 2007, S. 6. 19 Davis, in: Davis/Stark, Conflict of Interest in the Professions, S. 3, 8. Siehe außerdem Coleman, When conflicts of interest are an unavoidable problem, Proceedings of the 12th Annual Conference of the Australian Association for Professional and Applied Ethics, Adelaide, Australia, 28–30 Sep., 2005 20 Jeglicher Einfluss, Besorgnis, Emotion oder auch Loyalitätsgedanke, der bzw. die im Fall, dass sie bei einer Entscheidung eine Rolle spielen, diese weniger verlässlich werden lassen, als sie in Abwesenheit dieser Entscheidung wäre, ohne dass der Entscheidende unfähig zu entscheiden würde. Siehe Davis, in: Davis/Stark, Conflict of Interest in the Professions, S. 3, 9; außerdem Coleman, When conflicts of interest are an unavoidable problem, S. 2 . 21 Coleman, When conflicts of interest are an unavoidable problem, S. 2 . 18
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a.) Der Begriff des Interesses im allgemeinen und rechtlichen Sprachgebrauch Im gewöhnlichen Sprachgebrauch wird der Begriff „Interesse“ vor allem im Sinne von Anteilnahme eines Menschen an etwas oder jemandem 22 verstanden (von lat.: interesse = dabei sein, dazwischen sein, teilnehmen, von Wichtigkeit sein 23 ) oder auch als „Begehrensdisposition“ bzw. Begehrensvorstellung in Bezug auf Güter24. Mit Interesse wird beschrieben, dass ein bestimmtes geistiges oder materielles Objekt für ein Subjekt von Bedeutung ist und von ihm oder einem Dritten als erstrebenswert für das Sein des Subjekts gehalten oder erkannt wird.25 Interesse ist somit ein individualpsychisches Phänomen.26 Im rechtlichen Sprachgebrauch hat sich darüber hinaus ein stärker objektives Verständnis des Begriffs Interesse herausgebildet. Beispiel dafür ist das „rechtliche Interesse“. In diesem Fall kann „Interesse“ unabhängig von einem subjektiven Bewusstsein verstanden werden (auch ein Bewusstloser hat „rechtliche Interessen“ im Sinne des Zivilrechts).27 Schließlich wird der Begriff des Interesses in einigen Fällen in der Rechtssprache auch verdinglicht verstanden. In diesen Fällen bezeichnet „Interesse“ den Wert dessen, was ein Subjekt begehrt.28 Beispiel dafür ist der Begriff des „positiven Interesses“ („Erfüllungsinteresse“) und des „negativen Interesses“. Zu beobachten ist sogar – wie z. B. bei „interest“ in der angelsächsischen Rechtssprache – eine noch stärkere Verengung der Bedeutung von „Interesse“ als „Zins“ bzw. „Zinsen“.29 b.) Interesse und Recht: Interessenjurisprudenz Die Bedeutung von Interessen für das Recht ist vor allem durch die Interessenjurisprudenz in das Bewusstsein der Rechtswissenschaft gerückt worden.30 Im Unterschied zum formallogischen, begriffsorientierten Vorgehen der „Begriffs22 W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 173; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 29 Rdnr. 3 (S. 295); außerdem Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 136; Raiser, FS R. Schmidt, 1979, S. 101, 116. 23 Duden, Herkunftswörterbuch, S. 366. 24 Raiser, FS R. Schmidt, 1979, S. 101, 116; Westerann, Interessenkollisionen, S. 4 ; Zöllner, Schranken, S. 18 mit Fn 3. So etwa auch die Interessenjurisprudenz (dazu sogleich ausführlicher). Siehe Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 37; ders., Das Problem der Rechtsgewinnung, S. 27; ders., AcP 112 (1914), 1, 11; Stoll, Begriff und Konstruk tion in der Lehre der Interessenjurisprudenz, wiederabgedr. in: Ellscheid/Hassemer, Interessenjurisprudenz, 1974, S. 153, 160 Fn. 13 (=Beih. zu AcP 133 (1931), 60). 25 Wolff/Bachoff/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 29 Rdnr. 3 (S. 295). 26 W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 173; ihm folgend Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 136. 27 Reimer, Interessenkonflikte, unveröffentlichtes Manuskript, S. 34. 28 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 29 I b (S. 482). 29 Reimer, Interessenkonflikte, unveröffentlichtes Manuskript, S. 36. 30 Siehe statt aller Heck, AcP 112 (1914), 1 ff., ders., Begriffsbildung und Interessenjuris prudenz, insb. S. 36 ff; ders., Das Problem der Rechtsgewinnung, S. 26 ff. Vgl. dazu auch
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
jurisprudenz“ kam es nach der „Interessenjurisprudenz“ auf die wertende Beurteilung des Sachverhalts und die Abwägung der dabei in Betracht kommenden Interessen unter Bindung an die Konfliktentscheidung des Gesetzgebers an.31 Der Begriff des „Interesses“ wurde dabei von den Vertretern der Interessenjurisprudenz im weitesten Sinne verstanden – sowohl hinsichtlich der möglichen Subjekte (z. B. Interessen der Rechtsgemeinschaft) als auch hinsichtlich der möglichen Objekte.32 Bezeichnet wird damit nicht nur das Begehren von materiellen Gütern, sondern auch das Streben nach ideellen Gütern.33 Dabei spielt es keine Rolle, ob sich ein Interessenträger seiner Interessen bewusst ist und diese willentlich verfolgt oder ob es sich lediglich um latente, unterbewusst vorhandene Wünsche geht.34 Auch das unbewusste Interesse, die sog. Begehrensdisposition, wird erfasst, also „latente Wünsche oder Neigungen, die nicht fortdauernd in unserem Bewusstsein gegenwärtig sind, aber durch irgendwelche Reizvorgänge wachgerufen, ein aktuelles Begehren erzeugen“35. Andernfalls, wenn nur bewusst verfolgte Interessen berücksichtigt werden würden, würden zahlreiche berechtigte Interessen von der Würdigung und Abwägung gegenüber anderen Interessen ausgenommen, nur weil sie dem jeweiligen Interessenträger noch nicht bewusst sind. Das Begehren ist dabei „ein psychischer Vorgang, der jedem bekannt ist und dessen weitere Zurückführung auf noch genauer bekannte Vorstellungen weder möglich noch notwendig ist. Die Begehrensdispositionen können wir nicht unmittelbar beobachten. Wir erschließen sie nur aus den verursachten Handlungen oder daraus, dass soziale Grundlagen vorhanden sind, die nach der Erfahrung des Lebens solche Dispositionen zu erzeugen pflegen.“36 Nach Jhering erfasst der Interessenbegriff weiterhin auch die Werteigenschaft eines Gutes in besonderer Beziehung auf die Zwecke und Verhältnisse Edelmann, Die Entwicklung der Interessenjurisprudenz, 1967; Kallfass, Die Tübinger Schule der Interessenjurisprudenz, 1972; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 313 ff. 31 Vgl. Stoll, Begriff und Konstruktion in der Lehre der Interessenjurisprudenz, wiederabgedr. in: Ellscheid/Hassemer, Interessenjurisprudenz, 1974, S. 153, 160 Fn. 13(=Beih. zu AcP 133 (1931), 60). 32 Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 37; Stoll, Begriff und Konstruktion in der Lehre der Interessenjurisprudenz, wiederabgedr. in: Ellscheid/Hassemer, Interessenjurisprudenz, 1974, S. 153, 160 Fn. 13. Siehe auch die Darstellung bei Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 314 f. 33 Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 37; ders., Das Problem der Rechtsgewinnung, S. 27 un S. 29; ders., AcP 112 (1914), 1, 11; ders., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 28, 37, 40; außerdem Stoll, Begriff und Konstruktion in der Lehre der Interessenjurisprudenz, wiederabgedr. in: Ellscheid/Hassemer, Interessenjurisprudenz, 1974, S. 153, 160 Fn. 13(=Beih. zu AcP 133 (1931), 60). 34 Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 37; ders., Das Problem der Rechtsgewinnung, S. 27; siehe auch ders., AcP 112 (1914), 1, 11. 35 Heck, Das Problem der Rechtsgewinnung, S.27; ders., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 37. 36 Heck, Das Problem der Rechtsgewinnung, S. 27.
II. Begriff des Interessenkonflikts und dogmatische Verortung
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des Subjekts.37 Der Wertbegriff wiederum enthält den Maßstab, um die Tauglichkeit eines Gutes zu bestimmen.38 c.) Subjektives und objektives Interesse Um die rechtlich relevanten Interessen näher zu konkretisieren, wird zwischen subjektiven, faktischen und objektiv bestimmbaren, „wahren“ Interessen unterschieden.39 Dabei wird als das subjektive Interesse dasjenige verstanden, das im gewöhnlichen Sprachgebrauch mit dem Begriff „Interesse“ gemeint ist. Dieses ist an das jeweilige Subjekt des Interesses gebunden und kann von anderen nur empirisch erkannt werden.40 Es ist die „positive Bezogenheit, die ein bestimmtes Subjekt zu bestimmten Gegenständen tatsächlich hat“41. Maßgeblich ist also die Bindung an das Subjekt, also den Interessenträger, von dessen subjektiven Wertungen es allein abhängt. Demgegenüber ist das objektiv bestimmbare, wahre Interesse „in seinem Bestand und in seiner Werthöhe unabhängig […] von der Existenz und der Stärke des subjektiven, tatsächlichen Interesses“.42 Es wird ermittelt, indem ein Objekt anhand eines objektiven Maßstabs und bezogen auf bestimmte Bedürfnisse, Zwecke und Ziele (z. B. der „freien Entfaltung und Bildung der Persönlichkeit“) eingeschätzt wird.43 Zwar können die Bedürfnisse, Zwecke und Ziele, die der Beurteilung nach einem objektiven Maßstab unterliegen sollen, nicht ohne (subjektiv geprägte) Wertungen festgestellt und dem Subjekt zugeordnet werden.44 Aber dies liegt darin begründet, dass eine Zuordnung und Betrachtung, die durch Menschen erfolgt, letztlich immer von der subjektiven Perspektive des jeweiligen Betrachters geprägt wird. Wollte man auch diesen subjektiven Einfluss ausschließen, wäre eine „objektive“ Bewertung unmöglich,45 weil es keinen völlig objektiven Bewertenden gibt. d.) Interessenträger und Unternehmensinteresse Ein Interesse setzt immer ein Subjekt voraus, das ein Interesse hat, und ein Objekt, auf das das Interesse gerichtet ist,46 sodass ihm immer eine Subjekt-Objekt-Beziehung zugrunde liegt. Da es sich beim Interesse um ein individual-psychisches Phänomen handelt, muss das Subjekt einer solchen Beziehung grund Jhering, Geist des römischen Rechts, 3. Teil, 1. Abt., § 60 (S. 341). Jhering, a.a.O. 39 Wolff/Bachoff/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 29 Rdnr. 4 (S. 295); dazu auch W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 174 f. 40 Jürgenmeyer, Das Unternehmensinteresse, S. 138. 41 Wolff/Bachoff/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 29 Rdnr. 4 (S. 295). 42 Wolff/Bachoff/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 29 Rdnr. 4 (S. 295). 43 Wolff/Bachoff/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 29 Rdnr. 4 (S. 295). 44 Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 138. 45 Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 138. 46 W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 173. 37
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sätzlich ein Mensch sein. Gegenstände können keine Interessen haben. Vor diesem Hintergrund ist auch in Bezug auf juristische Personen vereinzelt bestritten worden, dass diese eine unmittelbar eigene interessefähige Persönlichkeit47 haben können.48 Doch wird man ihnen zumindest insofern eine Interessensubjektivität zubilligen müssen, als diese auf die Interessen ihrer menschlichen Mitglieder zurückgeführt werden kann.49 Vielfach geht die Literatur über diese zurückhaltende Anerkennung von Interessensubjektivität noch hinaus, wie die Diskussion um das sog. – auch von der Rechtsprechung anerkannte50 – Unternehmensinteresse zeigt.51 Zu unterscheiden ist das Unternehmensinteresse vom Verbands- oder Gesellschaftsinteresse.52 Bei letzterem handelt es sich um „denjenigen Ausschnitt aus den Mitgliederinteressen, zu deren gemeinschaftlicher Verfolgung sich die Mitglieder verbunden haben“.53 Wie das Unternehmensinteresse zu definieren ist, ist demgegenüber immer noch nicht abschließend geklärt. In der darüber geführten wissenschaftlichen Diskussion sind zahlreiche Ansätze vertreten worden, die sich vereinfachend in fünf größere Gruppen unterteilen lassen.54 (1.) Nach einer ersten Auffassung sollte das Unternehmensinteresse aus den verschiedenen Interessen der Unternehmensbeteiligten resultieren und im Rahmen einer normativen Bewertung und Abwägung dieser Interessen ermittelt werden.55 Dabei handelte es sich um eine materielle Konzeption des Unternehmensinteresses.56 47 Eine solche Zuerkennung von Persönlichkeit unternimmt die „Theorie der realen Verbandspersönlichkeit“. Siehe dazu v. Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, insb. S. 13 f. 48 Denn sie sind nicht selbst Mensch und können daher nicht aus sich selbst heraus eigenen Gefühle oder Begehrensdispositionen haben. Siehe etwa Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 141. 49 Vgl. Wolff/Bachoff/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 29 Rdnr. 5 (S. 296). 50 Etwa BGHZ 62, 193, 197 und 199; 64, 325, 331; 83, 144, 149; außerdem BVerfGE 50, 290, 374. 51 Ausführlich Birke, Formalziel, insb. S. 155 ff.; Brinkmann, Unternehmensinteresse, passim; Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, passim; Koch, Unternehmensinteresse, passim; Großmann, Unternehmensziele, passim; Teubner, ZHR 149 (1985), 470 ff.; jüngst Kort, AG 2012, 605. Für einen Überblick über die Entwicklung der Diskussion Fleischer in Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 185, 189 f. Krit. gegenüber dem Konzept des Unternehmensinteresses z. B. MünchKommAktG/Spindler, § 76 Rdnr. 69 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 626 f.; ders., BB 1978, 5, 11; Großmann, Unternehmensziele, S. 105 ff.; Mülbert, ZGR 1997, 129, 156; Zöllner, AG 2003, 2, insb. 7; vorsichtiger Hopt, ZGR 2000, 779, 799. Rechtsvergleichend Gelter, 7 N.Y.U. J.L.&Bus. 641 (2011). 52 Zöllner, Schranken, S. 20 und S. 73. 53 Zöllner, Schranken, S. 73. 54 Siehe Mülbert, ZGR 1997, 129, 142 f.; siehe weiter auch die Darstellungen bspw. bei Großmann, Unternehmensziele, S. 98 ff.; Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 88 ff.; Schmidt-Leithoff, Die Verantwortung der Unternehmensleitung, 1989, S. 69 ff.; 55 So Immenga, ZGR 1977, 249, 276 f.; Raisch, FS Hefermehl, 1976, S. 347, 357. Vgl. auch BGHZ 106, 54, 65; 64, 325, 331. 56 Mülbert, ZGR 1997, 129, 142.
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(2) Ein zweiter Ansatz verstand das Unternehmensinteresse als ein selbständiges, von den Interessen der Unternehmensbeteiligten zu unterscheidendes Interesse.57 Dieses eigene Interesse des Unternehmens bestimme, in welchem Umfang die unter Umständen unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Beteiligten jeweils Beachtung finden könnten.58 (3) Eine dritte Ansicht definierte Unternehmensinteresse als „Selbsterhaltung und fortdauernde funktionsgerechte Erfüllung der Aufgaben des Unternehmens gegenüber Anteilseignern, Arbeitnehmern, Lieferanten, Abnehmern, Konsumenten, Staat und Gesellschaft“59. Das umfasse insbesondere das Interesse am Erfolg des Unternehmens, der gegenüber anderen Zielen nicht unangemessen zurücktreten dürfe – unter Erfolg wird hierbei ein Gewinn verstanden, der zur „substantiellen Erhaltung der Kapital- und Ertragskraft“ ausreicht.60 Auch Nichtanteilseignerinteressen seien angemessen zu berücksichtigen, wenn auch nicht zwingend gleichberechtigt neben den Anteilseignerinteressen.61 In gewisser Abwandlung dazu wurde außerdem vertreten, dass das Unternehmens interesse als Interesse an der Rentabilität des Unternehmens und damit seiner dauerhaften Erhaltung definiert werden müsste, wobei Rentabilität als langfristige Daueraufgabe zu verstehen wäre.62 (4) Eine vierte Ansicht verstand das Unternehmensinteresse „als Verpflichtung zur gelingenden prozeduralen Integration“ der verschiedenen in einem Unternehmen vertretenen Interessen.63 Dabei handelt es sich im Unterschied zu den vorgenannten Ansichten um einen prozeduralen Ansatz. (5) Nach einer besonders verbreiteten – mit Unterschieden im Detail inhaltliche und prozedurale Gesichtspunkte kombinierenden – Ansicht soll das Unternehmensinteresse schließlich jeweils im Einzelfall durch das jeweilige Organ (z. B. Vorstand, Aufsichtsrat) im Rahmen seines (weiten) Ermessens ausgeformt werden, wobei neben den Interessen der Anteilseigner auch die Interessen der 57 Raiser, FS R. Schmidt, 1979, S. 101, 105 (wohl nicht als aus den Interessen der einzelnen Gruppierungen abgeleitetes Interesse zu verstehen); ders., FS Potthoff, 1989, S. 31, 44 (hier außerdem als „prozedurale Größe“ bezeichnet). 58 Flume, BGB AT I/2, § 2 VII 3 (S. 58); Raiser, FS R. Schmidt, 1979, S. 101, 116. 59 Raiser, FS Potthoff, 1989, S. 31, 44 (bezogen auf das Unternehmen als System); Kuhner, ZGR 2004, 244, 250; ähnl. Raisch, FS Hefermehl, 1976, S. 347, 363; ähnl. auch Zöllner, Schranken, S. 20 f., 67 ff., insb. S. 78 (bezogen auf die Interessen von Verband, Gläubiger, Arbeitnehmer, künftiger Anteilserwerber und allgemeinwirtschaftlicher Belange). 60 Kuhner, ZGR 2004, 244, 250. 61 Kuhner, ZGR 2004, 244, 251; ähnl. Raisch, FS Hefermehl, 1976, S. 347, 359 f.; Schön, ZGR 1996, 429, 438. Vgl. dazu auch KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 76 Rdnr. 18. 62 Junge, FS v. Caemmerer, 1978, S. 547, 554. Vgl. dazu auch KölnKommAktG/Mertens/ Cahn, 3. Aufl. 2010, § 76 Rdnr. 18 und 21. 63 Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 232 ff.; ders., AG 1982, 122, 128; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 33 III 4, lit. a (S. 528 f.); ähnl. Laske, ZGR 1979, 173, 198 f.; Reuter, AcP 179 (1979), 509, 519; mit Betonung auf die Organisationsstrukturen Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 479 ff., insb. 484; ders., ZGR 1983, 34, 54.
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Arbeitnehmer und der Allgemeinheit zu berücksichtigen seien.64 Zum Teil wird dabei vertreten, dass das Ermessen insofern begrenzt sein soll, als die Verwaltung zur langfristigen Bestandserhaltung und/oder Rentabilität des Unternehmens verpflichtet sei, weil insoweit die Interessen aller Unternehmensbeteiligten übereinstimmten.65 Im Rahmen der Debatte um das Konzept des Shareholder value flammte die Diskussion um das Unternehmensinteresse später erneut auf.66 Dabei rückte insbesondere die Frage in den Vordergrund, ob den Aktionärsinteressen Vorrang vor den Interessen anderer am Unternehmen interessierter Gruppen gebühre. Vielfach wird ein solcher Vorrang abgelehnt. 67 Der Vorstand habe die Aufgabe, die verschiedenen Interessen abzuwägen und zu einem Ausgleich zu bringen und so in jedem Einzelfall immer wieder neu zu ermitteln. 68 Es gibt aber auch Befürworter für eine vorrangige Beachtung der Aktionärsinteressen.69 Von diesen wird vorgebracht, dass die Gesellschaft vor allem eine Veranstaltung der Gesellschafter bzw. der Aktionäre sei.70 Auch sei der Vorstand an den Gesellschaftszweck gebunden, was ihn zu einem renditeorientierten Verwaltungshandeln verpflichte, soweit sich aus der Satzung nichts anderes ergebe.71 Das soll jedoch nicht dazu führen, dass andere Belange völlig unberücksichtigt bleiben. Verwiesen wird darauf, dass eine ganze Reihe von Vor64 Ulmer/Habersack/Henssler/Ulmer/Habersack, MitbestG, § 25 Rdnr. 94; Wiesner, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 19 Rdnr. 20; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rdnr. 124; Kuhner, ZGR 2004, 244, 250; Raisch, FS Hefermehl, 1976, S. 347, 357, 363; Semler, Überwachungsaufgabe, S. 60 f. und 66 f.; Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 117, 119 ff.; Schilling, ZHR 144 (1980), 136, 144; wohl auch Hopt, ZGR 1993, 534, 538; Goette, FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 123, 127 sowie die Nachweise in der folgenden Fn. 65 Hüffer, AktG, § 76 Rdnr. 13, 15; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 28 II 1 a, S. 806; Wiesner, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 19 Rdnr. 21; Martens, ZGR 1979, 493, 515 f.; Raisch, FS Hefermehl, 1976, S. 347, 361; siehe auch Ulmer/ Habersack/Henssler/Ulmer/Habersack, MitbestG, § 25 Rdnr. 93a. Mit etwas anderer Betonung Kittner, ZHR 136 (1972), 208, 240 ff. 66 Siehe dazu z. B. Fleischer, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Gover nance, S. 185, 193 ff.; Mülbert, ZGR 1997, 129 ff. Krit. KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 76 Rdnr. 16 ff. 67 Hüffer, AktG§ 76 Rdnr. 12b; Goette, FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 123, 127; Hopt, ZGR 1993, 534, 536; Kort, AG 2012, 605 f.; siehe auch schon Kittner, ZHR 136 (1972), 208, 242. 68 Semler, Leitung und Überwachung, Rdnr. 51; vgl. auch Ulmer, AcP 202 (2002), S. 143, 159 („Offenheit […] für unterschiedliche, vom Vorstand […] verfolgte Zielsetzungen im breiten Spektrum zwischen Shareholder und Stakeholder Value“). 69 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 6 III 2 b aa, (S. 338 f.); Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S. 47 ff. (allein die Aktionärsinteressen); Fleischer, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 185, 195 ff.; Klöhn, ZGR 2008, 110, insb. 154 f. (im Verhältnis zu Gläubigern); Mülbert, ZGR 1997, 129, 138 f., 156. 70 Fleischer, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 185, 195 f.; vgl. auch Wiedemann, Organverantwortung, S. 33. 71 GroßkommAktG/Röhricht, § 23 Rdnr. 92; Fleischer, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 185, 196.
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schriften außerhalb des Aktienrechts dazu dient, dass die Interessen von Arbeitnehmern, Gläubigern, Verbrauchern und der Allgemeinheit gewahrt werden.72 Diese muss der Vorstand einhalten, wodurch sein Ermessen bei der Ausübung seines Amtes begrenzt wird. Auch wird er vielfach auf die Kooperation der Stakeholder angewiesen und dadurch gezwungen sein, deren Interessen zu berücksichtigen.73 In praktischer Hinsicht sind die Auswirkungen des Meinungsstreits um den Vorrang von Aktionärsinteressen allerdings gering.74 Diejenigen, die die Interessen aller am Unternehmen interessierten Gruppen (gleichrangig) berücksichtigt sehen möchten, betonen ein weites Handlungsermessen des Vorstands zum Ausgleich widerstreitender Belange.75 Diejenigen, die für einen Vorrang der Aktionärsinteressen eintreten, sehen ebenfalls die Notwendigkeit für ein Vorstandsermessen, das aufgrund rechtlicher Vorgaben und mit Blick auf die Umsetzung eigener Entscheidungen die Interessen auch anderer Stakeholdergruppen nicht unberücksichtigt lassen kann.76 Eine gewisse Verfestigung hat der Begriff des Unternehmensinteresses mittlerweile im Rahmen des Corporate Governance Kodex77 erfahren. Nach Ziff. 4.1.1 des Kodex leitet der Vorstand das Unternehmen „im Unternehmens interesse, also unter Berücksichtigung der Belange der Aktionäre, seiner Arbeitnehmer und der sonstigen dem Unternehmen verbundenen Gruppen (Stakeholder) mit dem Ziel nachhaltiger Wertschöpfung“. Außerdem enthält der Kodex in seiner Präambel eine Beschreibung des Unternehmensinteresses dahingehend, dass darunter die Sorge um den Bestand des Unternehmens und seine nachhaltige Wertschöpfung zu verstehen sei.78
3.) Interessenkonflikt Von dem Begriff des Interesses ausgehend, der nach dem oben Gesagten subjektiv anknüpfen muss, ist nun der Begriff des Interessenkonflikts näher in den Blick zu nehmen. 72 Fleischer, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 185, 196; Ulmer, AcP 202 (2002), S. 143, 158; siehe auch Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 3. 73 Fleischer, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 185, 196. 74 Hopt, ZGR 2000, 779, 799. 75 Z. B. G. Hueck, Gesellschaftsrecht, § 23 VII 1 (S. 212) („auch die Interessen der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit zu berücksichtigen hat“); Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 27 VI 1 Rdnr. 22 (S. 346) (zurückhaltender: „auch die Interessen der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit berücksichtigen darf“). 76 Siehe nur Fleischer, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 185, 196. 77 Regierungskommission, Deutscher Corporate Governance Kodex (in der Fassung vom 13.05.2013). 78 Weitere Erwähnung findet das Unternehmensinteresse in Ziff. 4.3.3 (Vorstand) und 5.5.1 (Aufsichtsrat).
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
a.) Der Begriff des Interessenkonflikts im Sinne der Interessenjurisprudenz Auch hier ist zunächst ein kurzer Blick auf die Interessenjurisprudenz angezeigt. Die Vertreter der Interessenjurisprudenz verstehen unter einem Konflikt von Interessen, „die jedem aus Erfahrung bekannte Lebenslage, in der es nicht möglich ist, alle bestehenden Wünsche zugleich zu befriedigen, sodass die Notwendigkeit eintritt, auf gewisse Wünsche zugunsten anderer zu verzichten“.79 Nach Ansicht der Interessenjurisprudenz liegen derartige Interessenkonflikte jedem80 einzelnen Rechtssatz bzw. jedem Rechtsgebot zugrunde. Denn nur ihretwegen entstehe das Bedürfnis für Regelungen, die die Interessen bestimmen und im Voraus erkennbar gegeneinander abgrenzen.81 Entsprechend ist der Interessenjurisprudenz zufolge das Gesetz „die Resultante, gleichsam die Kraftdiagonale ringender Faktoren, deren Wirkung wir nur als Interessenkonflikt erfassen können“.82 Rechtssätze, wie Gesetzesnormen, sind also Entscheidungen von Interessenkonflikten, die Werturteile über die ihnen zugrunde liegenden Interessengegensätze enthalten.83 b.) Abgrenzung anhand der Einteilung der Rechtsverhältnisse nach ihrer Interessenstruktur Ein solches sehr weites Verständnis des Interessenkonflikts, wie es die Vertreter der Interessenjurisprudenz zugrunde legen, geht jedoch über die Situationen weit hinaus, die in diesem Zusammenhang als besonders regelungsbedürftig erscheinen. Um zu ermitteln, welche Fälle besonderer Regelungen bedürfen, sind zunächst die unterschiedlichen Interessenstrukturen der verschiedenen Rechtsverhältnisse in den Blick zu nehmen. Dafür sollen an dieser Stelle die vertragsrechtlichen Regelungen herangezogen werden. Denn dort finden sich zahlreiche grundlegende Regelungen für Interessenkonflikte, die von der Rechtsprechung immer wieder herangezogen werden, um auch bei gesetzlichen Interessenwahrungsverhältnissen Regelungslücken zu schließen.
79 Heck, AcP 142 (1936), 129, 180. Siehe auch die Darstellung bei Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 315. 80 Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 41 Fn. 2; ders., Interessenjurisprudenz, Recht und Staat, Heft 97, S. 13; ders., AcP 142 (1936), 129, 185 Fn. 131. 81 Heck, AcP 143 (1937), 129, 155 („Die Notwendigkeit der Rechtsnorm entsteht durch den konkreten Interessenkonflikt.“). 82 Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 46. 83 Vgl. Stoll, Begriff und Konstruktion in der Lehre der Interessenjurisprudenz, wiederabgedr. in: Ellscheid/Hassemer, Interessenjurisprudenz, 1974, S. 153, 160 (= Beih. zu AcP 133 (1931), 60).
II. Begriff des Interessenkonflikts und dogmatische Verortung
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c.) Die dogmatische Einteilung von Rechtsverhältnissen nach ihrer Interessenstruktur So hat etwa schon Jhering für das Vertragsrecht zwischen Austauschverträgen, wie etwa Kauf oder Miete, und solchen Rechtsverhältnissen unterschieden, die die Führung fremder Geschäfte zum Gegenstand haben, wie etwa Auftrag oder Vormundschaft – zudem unterschied er als dritte Form der Interessenbeziehungen die Societas.84 Bei Austauschverträgen liege „für beide Theile das Motiv ihrer Eingehung in dem eigenen Interesse, und hier ist jeder Theil berechtigt, sich lediglich durch sein Interesse leiten zu lassen“.85 Dagegen liege in den Geschäftsbesorgungsverhältnissen „das Motiv zur Eingehung des Verhältnisses in dem Interesse des Geschäftsherrn, und dies Interesse bildet für den Geschäftsführer den maßgebenden Gesichtspunkt, durch den er sich bei seiner ganzen Thätigkeit leiten lassen soll“.86 Durch die Eingehung des Geschäftsbesorgungsverhältnisses verzichte der Auftraggeber darauf, „in diesem Verhältnis, von dem ihm etwa zugesicherten Lohn (Honorar, Provision) abgesehen, sein eigenes Interesse zu verfolgen“87. Vielmehr übernehme er „die Verpflichtung, sich lediglich durch das fremde Interesse leiten zu lassen, bei seiner ganzen Geschäftsführung in derselben Weise zu verfahren, als beträfe dieselbe seine eigenen Angelegenheiten“.88 Ohne eine solche gesteigerte Pflichtenbindung würden „jene Verhältnisse ihren Zweck völlig verfehlen, sie würden dem Geschäftsführer die Möglichkeit eröffnen, das Vertrauen, welches ihm geschenkt ist, in gröbster Weise zu missbrauchen; das Mandat, die Vormundschaft würde ein Freibrief für die Unredlichkeit, eine Schlinge für den Geschäftsherrn sein“89. Dieses „Ausgeliefertsein“ des Geschäftsherrn gegenüber dem Interessenwahrer macht es notwendig, besondere Sicherungen vorzusehen, um Interessenkonflikten des Interessenwahrers vorzubeugen bzw. ihnen abzuhelfen. Eine Weiterentwicklung der Gliederung von Vertragstypen nach der Struktur der ihnen zugrunde liegenden Parteiinteressen unternahm später Rumpf.90 Für die von ihm als „Interessenvertretung“ bezeichneten Verhältnisse sah er als charakteristisch an, dass der Verpflichtete weder gemeinsame noch eigene, sondern vor allem die Interessen des Geschäftsherrn („Vertrauenden“) wahrzunehmen hat.91 Dabei spielt dessen Vertrauen eine wesentliche Rolle.92 Ein in sich geschlossenes, an der Interessenstruktur orientiertes System der rechtsge84 Siehe dazu Jhering, Der Zweck im Recht, 1. Band, S. 214; ders., Archiv für practische Rechtswissenschaft, IV N.F. (1867), 225, 248 f. 85 Jhering, Archiv für practische Rechtswissenschaft, IV N.F. (1867), 225, 248. 86 Jhering, Archiv für practische Rechtswissenschaft, IV N.F. (1867), 225, 249. 87 Jhering, Archiv für practische Rechtswissenschaft, IV N.F. (1867), 225, 249. 88 Jhering, Archiv für practische Rechtswissenschaft, IV N.F. (1867), 225, 249. 89 Jhering, Archiv für practische Rechtswissenschaft, IV N.F. (1867), 225, 249. 90 Rumpf, AcP 119 (1921), 1, 53 ff. 91 Rumpf, AcP 119 (1921), 1, 55. 92 Rumpf, AcP 119 (1921), 1, 55 f.
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
schäftlichen Verbindungen entwickelten dann Beyerle und im Anschluss daran Würdinger: Zunächst unterschied Beyerle zwischen Synallagma, Gesamthand und Treuhand.93 Während in synallagmatischen Verhältnissen die Parteien allein ihren persönlichen Vorteil im Blick haben und in der Gesamthand ihre Kräfte und Güter für ein gemeinsames Ziel zusammenschließen, sei es der „Grundgedanke aller Treuhandfälle“, „fremde Belange an Personen, Sachen, an Vermögen, Rechtsbeziehungen wahrzunehmen“.94 Später unterteilte Würdinger dann die „Grundtatbestände des Rechtsverkehrs“ in Verträge des Interessengegensatzes, der Interessengemeinschaft und der (Fremd-)Interessenwahrung.95 (i) Verträge des Interessengegensatzes Zu den Verträgen des Interessengegensatzes gehören alle Leistungsaustauschgeschäfte (Kauf, Miete, Werkvertrag etc.), d. h. Verträge, bei denen sich Personen mit gegensätzlichen Interessen gegenüberstehen und jeweils ihre Interessen – im rechtlichen Rahmen – durchsetzen wollen. Jede Partei sucht dabei ihren Vorteil im Austausch für eine Leistung, in der wiederum die andere Partei einen Vorteil für sich sieht.96 Bei der Vereinbarung dieses Leistungstauschs werden die gegensätzlichen Interessen zum Ausgleich gebracht. Zu diesem Vertragstyp gehören gegenseitige Verträge, wie etwa Kaufverträge, bei denen der potentielle Verkäufer einen möglichst hohen Kaufpreis, der mögliche Käufer dagegen einen möglichst niedrigen Kaufpreis vereinbaren möchte. Bei diesen Verträgen verfolgt jede Partei ihre eigenen Interessen und trägt keine von ihnen eine besondere Verantwortung für die Interessen der jeweils anderen Partei, die über die allgemeinen für Verhandlungen geltenden Pflichten hinausgeht.97 Der Interessengegensatz bringt es vielmehr mit sich, dass jede Seite selbst einschätzen muss, welchen Nutzen der Vertragsgegenstand für sie hat.98 Es muss daher z. B. regelmäßig nicht darüber aufgeklärt werden, welche Eigenschaften oder welchen Wert der Vertragsgegenstand hat.99 Die Rechtsordnung übernimmt es lediglich, ein level playing field zwischen den Beteiligten herzustellen oder, wie im Fall des Widerrufsrechts, für einen nachgelagerten Ausgleich von als ungleich angesehenen Verhandlungspositionen zu sorgen. Die Interessen der Be Beyerle, Treuhand, S. 16 ff., 46 ff. Beyerle, Treuhand, S. 7. 95 Würdinger, Gesellschaften, Bd. I., S. 9 ff. Dazu Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. §§ 662 ff., Rdnr. 23 ff.; MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer, Vor § 705 Rdnr. 104; Ulmer, Der Vertragshändler, S. 265 ff.; Lutter, AcP 180 (1980) 84, 93; Weller, ZBB 2011, 191, 196 f. 96 Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. §§ 662 ff., Rdnr. 24; Weller, ZBB 2011, 191, 197. 97 Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. §§ 662 ff., Rdnr. 24. 98 Weller, ZBB 2011, 191, 197. 99 Staudinger/Singer/von Finckenstein, BGB, § 123 Rdnr. 10, 13. Eine äußerste Grenze zieht § 123 BGB für das arglistige Verschweigen von für die Gegenseite erkennbar bedeutsame Tatsachen, BGH NJW 1983, 2493, 2494; Weller, ZBB 2011, 191, 197. 93
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II. Begriff des Interessenkonflikts und dogmatische Verortung
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teiligten sind bei diesen Verträgen regelmäßig bloße Motive für den Vertragsabschluss, sie werden nicht Gegenstand des Vertrages.100 (ii) Verträge der Interessengemeinschaft Bei den Verträgen der Interessengemeinschaft, insbesondere den Gesellschaftsverträgen, sind die auf den Vertrag zielenden Interessen der Beteiligten dagegen gleichgerichtet101 und gleichrangig102 . Diese Interessen werden gemeinsamer Vertragsinhalt und sind nicht mehr nur rechtlich unbeachtliche Motive.103 Aufgrund der Gleichrichtung der Interessen ist die Pflicht zur Wahrung der Interessen der anderen, die (gesellschaftsrechtliche) Treuepflicht, stärker ausgeprägt als bei Verträgen des Interessengegensatzes die Pflicht, nach Treu und Glauben zu handeln: Um den vereinbarten gemeinsamen Zweck zu verfolgen, müssen die Gesellschafter gewisse Opfer bringen und sich „in eine überpersönliche Aufgabe“ einordnen.104 (iii) Verträge der Fremdinteressenwahrung Eine noch stärkere Bindung an die Interessen des Geschäftsherrn als bei bei den Treuepflichten der Verträge des Interessengegensatzes oder der Interessengemeinschaft erfolgt durch die Interessenwahrungs- bzw. Treuepflicht bei Fremdinteressenwahrungsverträgen; diese ist daher noch stärker ausgeprägt als jene.105 Im Fall der Fremdinteressenwahrungsverträge, wie etwa dem Auftrag oder der Geschäftsbesorgung, übernimmt es einer der beiden Vertragspartner die Interessen des anderen wahrzunehmen.106 Diese Verträge sind somit einseitig an den Interessen einer Partei ausgerichtet. Das führt dazu, dass die Interessen des Letzteren, des Geschäftsherrn, Vertragsinhalt werden, nicht aber die des Ersteren, des Interessenwahrers.107 Der Interessenwahrer ordnet seine Interessen somit denen des Geschäftsherrn unter.108 Vergleichbares gilt für organ Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. §§ 662 ff. Rdnr. 28; Ulmer, Vertragshändler, S. 267. 101 Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. §§ 662 ff. Rdnr. 25. 102 Weller, ZBB 2011, 191, 197. 103 Ulmer, Vertragshändler, S. 267; Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. §§ 662 ff. Rdnr. 28; Weller, ZBB 2011, 191, 196 Fn. 83. Vgl. dazu auch MünchKommBGB/Ulmer/ Schäfer, § 705 Rdnr. 142 ff. 104 Weller, ZBB 2011, 191, 196 Fn. 83. Die Gesellschafter müssen ihre Interessen aber nicht unbedingt hinter die der Gesellschaft zurückstellen, siehe etwa BGHZ 14, 25, 38. 105 Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. §§ 662 ff. Rdnr. 26. Siehe auch Ulmer, Vertragshändler, S. 267. 106 Z. B. BGHZ 96, 352, 354; BGH NJW 1989, 1216, 1217; vgl. auch MünchKommBGB/ Seiler, § 662 Rdnr. 33. 107 Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. §§ 662 ff. Rdnr. 28; Ulmer, Vertragshändler, S. 267; Weller, ZBB 2011, 191, 197. 108 Daher auch die Bezeichnung Subordinationsvertrag. Dazu Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. zu § 662 ff. Rdnr. 27 f.; siehe auch Erman/Berger, BGB, § 662 Rdnr. 3. 100
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
schaftliche und solche gesetzlichen Rechtsverhältnisse, die von ihrer Interessenstruktur her mit Fremdinteressenwahrungsverträgen vergleichbar sind. d.) Die asymmetrische Interessengewichtung bei Verträgen mit Fremdinteressenwahrungscharakter Bei den Verträgen mit Fremdinteressenwahrungscharakter besteht aufgrund der einseitigen Ausrichtung an den Interessen des Geschäftsherrn eine asymmetrische Interessengewichtung. Zwar bedeutet dies nicht unbedingt, dass zwischen den Beteiligten auch ein Informations- oder Machtungleichgewicht herrscht. Aber wenn ein solches besteht, führt dies dazu, dass der Ausgleich zwischen den Interessen der Parteien gefährdet ist und mithin die vertragsimmanente Richtigkeitsgewähr und die marktwirtschaftliche Ergebnisrichtigkeit eingeschränkt sind.109 Dies gilt sowohl für den Fall, dass das Marktungleichgewicht zugunsten des Geschäftsherrn, als auch, dass es zu seinen Lasten besteht. Im letzteren Fall liegt die Ursache meist darin, dass der Geschäftsherr vom Interessenwahrer abhängig ist, weil er auf dessen Sachkunde angewiesen ist, ihn kaum oder gar nicht kontrollieren und ihn nur schwer oder gar nicht gegen einen anderen austauschen kann.110 Wegen der fehlenden eigenen Sachkunde kann der Geschäftsherr die Leistung des Interessenwahrers nicht korrekt einschätzen und mit derjenigen anderer Interessenwahrer vergleichen, um notfalls auf diese auszuweichen. Dementsprechend befindet er sich in einer schlechteren Verhandlungsposition als der Interessenwahrer. Das hat Auswirkungen auf die vertraglichen Vereinbarungen. Daher kann bei den asymmetrisch strukturierten Interessenwahrungsverträgen, anders als bei synallagmatischen Austauschverhältnissen, bei denen die Gegensätzlichkeit der Interessen und die gegenläufige Belangwahrung typischerweise zu einem Interessenausgleich führen, nicht von einer vertragsimmanenten Richtigkeitsgewähr ausgegangen werden.111 Dementsprechend besteht bei Fremdinteressenwahrungsverträgen im Vergleich zu Austauschverträgen ein höherer rechtlicher Regelungsbedarf. e.) Nicht erfasste Interessenkonflikte Entsprechend besteht auch für Interessenkonflikte, die im Rahmen von Fremd interessenwahrungsverträgen auftreten, ein höherer Regelungsbedarf als bei solchen, die im Rahmen von Verträgen des Interessengegensatzes zu beobachten sind. Bei letzteren ist der Interessengegensatz der Transaktion notwendig inhärent. Die Interessen der beteiligten Parteien stehen sich offen gegenüber: Sie werden von ihren Interessenträgern unmittelbar repräsentiert und der Interessengegensatz ist offenkundig und den Beteiligten (von Anfang an) bekannt. Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. zu §§ 662 ff. Rdnr. 30. Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. zu §§ 662 ff. Rdnr. 31, auch zum Folgenden. 111 Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. zu §§ 662 ff. Rdnr. 30. 109 110
II. Begriff des Interessenkonflikts und dogmatische Verortung
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Die rechtlichen Regelungen sind darauf abgestimmt, den von den Parteien privatautonom zu vereinbarenden Ausgleich der gegensätzlichen Interessen sicherzustellen. Dieser erfolgt durch den einverständlichen Abschluss des jeweiligen (Austausch-)Vertrages.112 Entsprechend bedarf es keiner zusätzlichen gesteigerten Pflichtenbindung. Solche Interessenkonflikte im weiteren Sinne können daher ausgeklammert werden. Auch die Interessenkonflikte im Rahmen von Verträgen der Interessengemeinschaft, also insbesondere von Gesellschaftern, sollen im Folgenden nicht im Fokus stehen. Bei ihnen geht es nicht primär um die Wahrnehmung von Interessen Dritter, sondern um die Verfolgung gemeinsamer Interessen. Auch wenn dies dazu verpflichtet, auf die Interessen der anderen Beteiligten in besonderer Weise Rücksicht zu nehmen, so sind diese Interessen doch nicht allein ausschlaggebend. Vielmehr fließen an vielen Stellen auch eigene Interessen der Betroffenen ein und werden in einem größeren Maße berücksichtigt als bei Fremdinteressenwahrungsverträgen.113 Besonders regelungsbedürftig – und daher im Folgenden untersucht – sind nur solche Interessenkonflikte, die im Rahmen von Fremdinteressenwahrungsverträgen auftreten. Damit vergleichbar – und daher ebenfalls in den Blick genommen – sind Interessenkonflikte, die in Rechtsverhältnissen entstehen, die von ihrer Interessenstruktur her den Fremdinteressenwahrungsverträgen ähnlich sind. Hierzu gehören gesetzliche Rechtsverhältnisse, wie z. B. die Vormundschaft, die Betreuung oder auch die Insolvenzverwaltung, sowie organschaftliche Rechtsverhältnisse bei Vereinen und (Kapital-)Gesellschaften. f.) Der Interessenkonflikt im engeren Sinne Die im Rahmen von Rechtsverhältnissen mit Fremdinteressenwahrungscharakter entstehenden Interessenkonflikte zeichnen sich dadurch aus, dass in ein und derselben (natürlichen) Person divergierende Interessen im oben definierten Sinne aufeinander treffen, die ihren Ursprung in unterschiedlichen Positionen (Statusverhältnissen) dieser Person haben.114 Zum einen hat sie die Interessen eines anderen zu wahren, sei es, dass sie dies vertraglich übernommen hat, sei es, dass sie von Gesetzes wegen dazu verpflichtet oder gerichtlich dazu bestellt worden ist.115 Zum anderen ist sie zugleich Privatperson mit eigenen Inte Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. §§ 662 ff. Rdnr. 24. Vgl. dazu Zöllner, Schranken, S. 7. 114 Orts, in: Davis/Stark, Conflicts of Interest in the Professions, S. 129, 130; Reimer, Interessenkonflikte, unveröffentlichtes Manuskript, S. 37. Vgl. dazu auch Lutter, in: FS Coing, 1982, S. 565 ff. Zum Begriff des Interessenkonflikts siehe auch Assmann/Schneider/ Koller, WpHG, § 33 Rdnr. 38 f.; Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 WpHG Rdnr. 53 ff.; Göres, Interessenkonflikte, S. 33; Assmann, ÖBA 2007, 40, 43; Kumpan/Leyens, ECFR 2008, 72, 84; vgl. auch Kümpel/Wittig/Rothenhöfer, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 3.378. 115 Dazu Bahar/Thévenoz, in: Thévenoz/Bahar, Conflicts of Interest, S. 1, 2 f. 112 113
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
ressen oder befindet sich in einem weiteren Fremdinteressenwahrungsverhältnis, aufgrund dessen sie kollidierende Fremdinteressen wahrzunehmen hat. Weiteres Merkmal eines solchen Interessenkonflikts ist, dass der Interessenwahrer in dieser besonderen Rechtsbeziehung (mit Fremdinteressenwahrungscharakter) Entscheidungen für den Geschäftsherrn zu treffen hat.116 Denn ohne eine „Entscheidung“ gäbe es nichts, was beeinflusst werden könnte. Die besondere Stellung des Interessenwahrers als sachkundiger Entscheider führt regelmäßig dazu, dass der Geschäftsherr die Einwirkungsmöglichkeiten des Interessenwahrers schwer kontrollieren kann und daher beim Interessenwahrer Konfliktsituationen mit besonderem Gefährdungspotential für die Interessen des Geschäftsherrn entstehen können. Zu einem Konflikt kommt es jedoch nur, wenn der Interessenwahrer ein besonderes Interesse in Bezug auf den Gegenstand der Entscheidung hat, das eine ordnungsgemäße, an den Interessen des Geschäftsherrn ausgerichtete Entscheidung beeinträchtigt. Dabei kann es sich um ein eigenes Interesse handeln oder um ein Fremdinteresse, das der Interessenwahrer ebenfalls wahrzunehmen verpflichtet ist. Schließlich darf der Konflikt in Bezug auf die Ausübung der Entscheidung nicht lediglich zufällig auftreten.117 Das bedeutet, dass zwischen der Ausübung der Entscheidung für einen anderen und dem „störenden“ Interesse eine unmittelbare Beziehung bestehen muss.118 Bloße Emotionen, die aus anderen Situationen lediglich nachwirken und die die Entscheidung beeinflussen können, führen nicht zu einem regelungsbedürftigen Interessenkonflikt.119 g.) Interessenkonflikt und Befangenheit Vielfach werden die Begriffe Interessenkonflikt und Befangenheit im gleichen Sinne verwendet. Sie sind jedoch voneinander zu unterscheiden.120 Befangenheit ist die eigennützige Voreingenommenheit, die dem Entscheidenden die Offenheit für das Recht oder die Distanz zum Entscheidungsgegenstand nimmt.121 Der Interessenkonflikt stellt dagegen lediglich eine Tendenz zur Befangenheit dar. Er muss eine Entscheidung nicht zwangsnotwendig beeinflussen. Auch wenn jemand einem Interessenkonflikt ausgesetzt ist, kann er in der Lage sein, Coleman, When conflicts of interest are an unavoidable problem, S. 2 . Coleman, When conflicts of interest are an unavoidable problem, S. 3. 118 Coleman, When conflicts of interest are an unavoidable problem, S. 2 . 119 Z. B. wenn sich ein Prüfer während seiner Autofahrt über andere Fahrer ärgert und sich nach seiner Ankunft an die Bewertung von Prüfungsaufgaben setzt, also Entscheidungen vornimmt. Wenn er sich in dieser Situation noch wegen der Autofahrt ärgert, dürfte dies seine Bewertungen beeinflussen. Dies allerdings als Interessenkonflikt anzusehen, würde diesen Begriff überdehnen. Siehe Coleman, When conflicts of interest are an unavoidable problem, S. 2 . 120 Barnes/Florencio, 30 J.L. Med.& Ethics 390, 392 (2002); Walker, Conflicts of Interest, § 1:1. 121 Reimer, Interessenkonflikte, unveröffentlichtes Manuskript, S. 279. 116 117
II. Begriff des Interessenkonflikts und dogmatische Verortung
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das Interesse des Geschäftsherrn zu wahren und angemessen zu entscheiden.122 Wer dagegen befangen ist, ist dazu nicht mehr in der Lage. Damit aber sind die Auswirkungen von Interessenkonflikten schwerer vorherzusagen und damit schwerer zu kompensieren als die der Befangenheit.123
4.) Interessenwiderstreit im Berufsrecht Eine andere Terminologie verwenden die berufsrechtlichen Regelungen, etwa in § 43a Abs. 4 BRAO oder § 53 1. Hs. WiPrO. Dort ist nicht von „Interessenkonflikt“ die Rede, sondern von „widerstreitenden Interessen“. Grundsätzlich ließe sich vertreten, dass die beiden Begriffe den gleichen Sachverhalt umschreiben. Der Sprachgebrauch und die anknüpfenden Rechtsfolgen sprechen jedoch dafür, den Begriff der „widerstreitenden Interessen“ enger zu verstehen als denjenigen des „Interessenkonflikts“. a.) Subjektive Bestimmung der Interessen Für eine nähere Bestimmung des Begriffs der „widerstreitenden Interessen“ ist zunächst zu untersuchen, wie der Begriff der „Interessen“ im Berufsrecht zu bestimmen ist. Diese können einerseits subjektiv aus der Sicht des Mandanten124 oder andererseits objektiv als dessen „wohlverstandene Interessen“125 begriffen werden.126 Für eine objektive Bestimmung lässt sich ins Feld führen, dass das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nicht nur den jeweiligen Mandanten schützen soll, sondern auch allgemein der Wahrung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und der im Interesse der Rechtspflege gebotenen Geradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung dient; das spricht dage-
Coleman, When conflicts of interest are an unavoidable problem, S. 1. Coleman, When conflicts of interest are an unavoidable problem, S. 1. 124 Etwa BVerfGE 108, 150, 162; BVerfG NJW 2006, 2469, 2470; zur parallelen Prob lematik bei § 356 StGB; BGHSt 5, 301, 307; 7, 17, 20 f.; 15, 332, 334; BGH NJW 1981, 1211, 1212; Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 64; Henssler/Prütting/ Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 172; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 109; ders., AnwBl 2005, 338 f.; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 164; Knöfel, Grundfragen, S. 765 f.; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 88; dies., DStR 2003, 1316, 1318; Henssler, NJW 2001, 1521, 1522; Kempf, FS Busse, 2005, S. 191, 201; Kilian, WM 2000, 1366, 1368. 125 BGHSt 4, 80, 82; 5, 284, 287 ff. (zu § 356 StGB); BGH NJW 2012, 3039, 3040; von Lewinski, Grundriss, S. 72; Passarge, Aktiengesellschaft, S. 131; Westerwelle, Rechtsanwaltssozietäten, S. 94 f.; Sahan, AnwBl 2008, 698, 700. Eher zu einer objektiven Bestimmung neigend, aber letztlich auf den Einzelfall abstellend Kütemann, Interessenkollision des Anwalts, S. 19 ff., insb. S. 21. 126 Zum Ganzen (hinsichtlich der parallelen Problematik bei § 356 StGB) ausführlich etwa Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 99 ff.; siehe auch Henssler/Deckenbrock, NJW 2012, 3265, 3267 m.w.N. 122 123
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
gen, die Bestimmung der Interessen – und damit indirekt die Disposition über das Verbot – den Parteien zu überlassen.127 Vorzugswürdig ist jedoch auch im Berufsrecht eine subjektive Bestimmung der Interessen.128 Denn grundsätzlich kann jeder selbst bestimmen, was für ihn wichtig ist. Dementsprechend muss er auch festlegen können, in welchem Umfang ein Anwalt für ihn tätig werden soll.129 Außerdem hat ein Mandant das mit der Durchführung des Mandats verbundene Erfolgs- und Kostenrisiko zu tragen, sodass er auch dessen Ausführung im Wesentlichen steuern können muss.130 Da es sich beim Anwaltsvertrag um einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag handelt, ergibt sich dies nicht zuletzt aus §§ 675 Abs. 1, 665 BGB. Danach hat der Anwalt – als Geschäftsbesorger – grundsätzlich den Weisungen seines Mandanten zu folgen und darf nur unter besonderen Umständen von ihnen abweichen.131 Der Anwalt darf daher auch nicht das tun, was er für im besten Interesse des Mandanten hält, wenn dies gegen den ausdrücklichen Wunsch des Mandanten verstoßen würde.132 Vielmehr hat er als Interessenvertreter seines Mandanten dessen Interessen anzuerkennen und wahrzunehmen, solange er dadurch seine Rechtspflichten nicht verletzt.133 Dies wird dadurch unterstrichen, dass er sich gegenüber dem Mandanten schadensersatzpflichtig machen kann, wenn er seine Pflicht verletzt, Weisungen seines Mandanten zu beachten.134 Hat der Anwalt also den Weisungen des Mandanten, d. h. dessen geäußerten (subjektiven) Interessen, grundsätzlich Folge zu leisten, muss dies
127 Vgl. dazu Passarge, Aktiengesellschaft, S. 131 (Praktikabilitätsgründe); Westerwelle, Rechtsanwaltssozietäten, S. 94 f.; Sahan, AnwBl 2008, 698, 700 (klare Anhaltspunkte für den Rechtsanwalt); einschränkend von Lewinski, Grundriss, S. 72 (gewisse Disponibilität); Siehe außerdem die umfangreichen Nachweise bei Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 99 Fn. 368 zur entsprechenden Argumentation bei § 356 StGB, der die gleichen Schutzzwecke verfolgt wie § 43a BRAO (Deckenbrock, a.a.O. S. 147). 128 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 164 (sowie S. 100 zur entsprechenden Ansicht in Bezug auf § 356 StGB m.w.N. in Fn. 369); Knöfel, Grundfragen, S. 765 f.; Henssler, NJW 2001, 1521, 1522; Henssler/Deckenbrock, NJW 2012, 3265, 3267; Schramm, DStR 2003, 1316, 1318; Schütte, FS zum 25jährigen Bestehen der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im DAV, S. 1339, 1344. Vorsichtiger Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 637 (subjektive Bestimmung in den Bereichen, in denen der Streitstoff der Parteidisposition unterliegt); ders., WM 2000, 1366, 1368. 129 Henssler, NJW 2001, 1521, 1522; Kleine-Cosack, AnwBl 2005, 338 f.; Schramm, DStR 2003, 1316, 1318. 130 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 101; Henssler/Deckenbrock, NJW 2012, 3265, 3267. 131 BGH NJW 1985, 42, 43; 1997, 2168, 2169; BGH VersR 1985, 83, 84; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 100; Henssler/Deckenbrock, NJW 2012, 3265, 3267. 132 Schramm, DStR 2003, 1316, 1318. Siehe auch Knöfel, Grundfragen, S. 765. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings § 665 Satz 2 BGB. 133 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 172. 134 BGHZ 96, 352, 354.
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auch bei der Bestimmung der „Interessen“ im Rahmen von § 43a Abs. 4 BRAO berücksichtigt werden.135 b.) Berücksichtigung auch „bloß“ wirtschaftlicher Interessen Weiterhin wird vertreten, dass ausschließlich rechtliche Interessen von § 43a Abs. 4 BRAO erfasst werden würden.136 Bloße wirtschaftliche Interessen einer (zuvor) vertretenen Partei reichten für das in § 43a Abs. 4 BRAO geregelte Verbot nicht aus, auch wenn sie sich auf denselben Lebenssachverhalt bezögen. Geschützt seien solche Interessen nur, wenn sie zu widerstreitenden Rechtspositionen führen würden.137 Ein Mandat, das erst und nur der Willensbildung über wirtschaftliche Motive diene, schließe eine spätere Vertretung einer anderen Partei mit entgegengesetzten Interessen nicht aus. So soll etwa die Durchführung einer Due Diligence für einen Mandanten die Vertretung eines anderen, am Erwerb desselben Unternehmens interessierten Mandanten beim später durchgeführten Unternehmenskauf nicht hindern.138 Wer nur in der Vorphase eines Unternehmenskaufs teilnimmt und sich dabei anwaltlich vertreten lässt, soll demnach keinen Anspruch auf die Loyalität seines Anwalts haben, wenn er nicht auch an der eigentlichen Verhandlungsphase teilnimmt. Eine solche Unterscheidung zwischen rechtlichen und „bloß“ wirtschaftlichen Interessen lässt sich dem Wortlaut von § 43a Abs. 4 BRAO jedoch nicht entnehmen. Dort wird allgemein von „Interessen“ gesprochen. Auch lässt sich zwischen rechtlichen und „bloß“ wirtschaftlichen Interessen oft kaum sinnvoll unterscheiden.139 Selbst wenn man in manchen Fällen zwischen wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen unterscheiden können sollte, wird der Mandant nur in den wenigsten Fällen der Vertretung „bloß“ wirtschaftlicher Inter135 Henssler/Deckenbrock, NJW 2012, 3265, 3267. Herangezogen wird außerdem die begriffliche Korrespondenz zwischen der gesetzlichen Berufsfunktion des Rechtsanwalts als „Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten“, vgl. § 3 Abs. 1 BRAO, und der in § 43a Abs. 4 BRAO für die Berufshandlung verwendeten Begriff des „Vertretens“. Siehe Knöfel, Grundfragen, S. 765. 136 Für eine Beschränkung auf rechtliche Interessen etwa Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 163; Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 636; Henssler, NJW 2001, 1521, 1523. „Bloß“ wirtschaftliche Interessen sollen nach dieser Ansicht über die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht in § 43a Abs. 2 BRAO geschützt werden. Vorsichtiger aber Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 170; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 105. Dies mag von § 356 StGB (vgl. dazu RGSt 66, 316, 321) abgeleitet werden, doch steht dies einer weiteren Auslegung nicht entgegen. Denn nach der Regierungsbegründung zur Berufsrechtsnovelle von 1994 soll die Berufspflicht über § 356 StGB hinausgehen, vgl. BT-Drs. 12/4993, S. 27. 137 Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 636; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 163. 138 Henssler, NJW 2001, 1521, 1523; vgl. dazu auch ders., ZZP 115 (2002) 321, 329. 139 Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 105; Knöfel, Grundfragen, S. 766 f.; für ein weites Begriffsverständnis auch von Lewinski, Grundriss, S. 71 („Interessen i.S.d. § 43a IV BRAO können jeder Art sein“).
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essen nachvollziehen können, warum „sein“ Anwalt plötzlich „die Seite wechselt“. Denn er geht davon aus, dass der Anwalt sein Interessenvertreter ist und dabei voll und ganz an seiner Seite steht. Sein Vertrauen in den Rechtsanwalt als „seinen Interessenvertreter“ würde in diesen Fällen und damit dann auch generell untergraben werden und somit der Schutzzweck von § 43a Abs. 4 BRAO, dieses Vertrauen zu schützen, verfehlt. Eine Beschränkung auf lediglich rechtliche Interessen im Rahmen von § 43a Abs. 4 BRAO würde – insbesondere für den Mandanten – auch deshalb schwer nachzuvollziehen sein, weil dies zu einem Auseinanderfallen von (anwalts-) vertraglicher und berufsrechtlicher Interessenwahrnehmungs- und Konfliktvermeidungspflicht führen würde. Denn vertraglich ist der Anwalt auch zur Wahrung wirtschaftlicher Interessen des Mandanten verpflichtet. Nach §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB hat er neben den „Rechten“ und „Rechtsgütern“ auch die „Interessen“ des Mandanten zu schützen. Unter „Interessen“ ist in diesem Kontext somit etwas anderes zu verstehen als „Rechte“ oder „Rechtsgüter“, was darauf hindeutet, dass sich die vertraglichen Schutzpflichten auch auf reine Vermögensbelange erstrecken.140 Zwar sind die (anwalts-) vertragliche und berufsrechtliche Interessenwahrungspflicht systematisch unabhängig voneinander. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Zwecks von § 43a Abs. 4 BRAO, das Vertrauen des Mandanten besonders zu schützen, muss jedoch ein Auseinanderlaufen vermieden werden. Indem § 43a Abs. 4 BRAO ebenfalls den Begriff der „Interessen“ verwendet, führt diese Norm dazu, dass der in § 241 Abs. 2 BGB und § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB zum Ausdruck kommende Gedanke der „Obhut kraft Vertragsschlusses“ auf berufsrechtlicher Ebene zusätzlich verankert wird.141 Damit bezieht sich das Vertretungsverbot gemäß § 43a Abs. 4 BRAO auf sämtliche Interessen, die die im Anwaltsvertrag zum Ausdruck kommende subjektive Sicht des Mandanten als solche definiert.142 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass eine Beschränkung im Rahmen von § 43a Abs. 4 BRAO auf ausschließlich rechtliche Interessen dazu führen würde, dass der Begriff der widerstreitenden Interessen in § 53 1. Hs. WiPrO und in § 43a Abs. 4 BRAO unterschiedlich definiert würde. Denn bei § 53 1. Hs. WiPrO kann es vor dem Hintergrund der Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers nicht, jedenfalls nicht primär, um rechtliche Interessenunterschiede gehen.143 Ein Auseinanderfallen des Verständnisses desselben Begriffs in diesen beiden Berufsrechten sollte vor dem Hintergrund der verfassungsgerichtlich ausge140 Dezidiert Knöfel, Grundfragen, S. 767 (Begriff der Interessen diene ausschließlich der Klarstellung, dass reine Vermögensbelange in die Reichweite der vertraglichen Schutzpflichten fielen). 141 Knöfel, Grundfragen, S. 767. 142 Knöfel, Grundfragen, S. 767. 143 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 194.
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sprochenen Wesensgleichheit der wirtschaftsnahen Beratungsberufe vermieden werden. Auch dies spricht für einen weiten Interessensbegriff bei § 43a Abs. 4 BRAO. c.) Berücksichtigung eigener Interessen des Berufsträgers Des Weiteren wird von einigen hinsichtlich des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen im (anwaltlichen) Berufsrecht vertreten, dass ausschließlich Konflikte zwischen den Interessen verschiedener Mandanten, nicht hingegen der Konflikt zwischen Mandanteninteressen und den eigenen Interessen des jeweiligen Berufsträgers erfasst werde.144 § 43a Abs. 4 BRAO sei als Dreieckstatbestand einzuordnen, der voraussetze, dass es sich beim Rechtsanwalt und den Parteien um verschiedene Personen handele. Andernfalls wäre es dem Anwalt nicht möglich, sich in einem Schadensersatzprozess des Mandanten wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages selbst zu vertreten.145 In dieser Allgemeinheit lässt sich diese Aussage nicht aufrechterhalten. Anders als etwa § 356 StGB legt § 43a Abs. 4 BRAO nicht fest, wessen Interessen nicht widerstreitend vertreten werden dürfen,146 und der Begriff der „widerstreitenden Interessen“ selbst sagt nichts über die Interessenträger aus.147 § 43a Abs. 4 BRAO ist seinem Wortlaut nach nicht personen- sondern interessenbezogen formuliert.148 Dann aber kann die Beteiligung mehrerer Mandanten keine zwingende Voraussetzung für das Vertretungsverbot in § 43a Abs. 4 BRAO sein.149 Hinzu kommt, dass Rechtsanwälte immer im ausschließlichen Interesse ihres Mandanten tätig sind, also immer parteilich handeln.150 Ein solches einseitig parteiliches Handeln ist einem Rechtsanwalt aber nicht nur dann unmöglich bzw. erschwert, wenn er entgegengesetzte Interessen verschiedener Mandanten vertreten muss, sondern auch, wenn er mit eigenen gegensätzlichen Interessen beteiligt ist. Denn auch im letzteren Fall kann er die Interessen des Mandanten nicht uneingeschränkt verfolgen.151 Demzufolge müssen auch die 144 Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 98 (mit Verweis auf BGH NJW 1999, 3568 zu § 356 StGB); Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 157 (mit Verweis auf § 356 StGB); Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 289; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 92; a.A. Passarge, Aktiengesellschaft, S. 131. 145 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 157 i.V.m. S. 84 f.; a.A. Knöfel, Grundfragen, S. 738 f. 146 Knöfel, Grundfragen, S. 738. 147 Anders dagegen etwa die Formulierung in § 3 Abs. 1 BS WP/vBP („anderen Auftraggeber“). 148 Knöfel, Grundfragen, S. 738. Vgl dazu auch OLG Stuttgart, NVwZ-RR 2001, 29, 31. 149 Knöfel, Grundfragen, S. 738; vgl. dazu auch Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 57; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 185; a.A. Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 157. Ein echtes Dreiecksverhältnis muss nach deutschem Recht nur beim Parteiverrat, § 356 StGB („beiden Parteien“), bestehen. 150 Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 663. 151 Passarge, Aktiengesellschaft, S. 131.
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Fälle unter § 43a Abs. 4 BRAO subsumiert werden, bei denen der Anwalt einen Mandanten vertritt und zugleich mit eigenen gegensätzlichen Interessen beteiligt ist oder bei denen er abgetretene Rechte des Gegners in derselben Rechtssache gegen seinen Mandanten geltend macht.152 Dies ist vergleichbar mit der Rechtslage in der Schweiz. Auch dort haben Anwälte „jeden Konflikt zwischen den Interessen ihrer Mandanten, den eigenen und den Interessen von anderen Personen, mit denen sie geschäftlich oder privat in Beziehung stehen“ zu vermeiden, vgl. Art. 11 der Schweizerischen Standesregeln.153 Kein Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BRAO liegt dagegen vor, wenn der Anwalt Honoraransprüche gegen seinen Mandanten geltend macht.154 In diesem Fall handelt es sich um einen anderen Lebenssachverhalt (nicht mehr der Sachverhalt, dessentwegen der Anwalt eingeschaltet wurde, sondern die daraufhin erfolgte Vertretung durch diesen) und damit um eine andere Rechtssache. Gegen dieses Verständnis spricht auch nicht § 3 Abs. 1 BORA. Diese Regelung beschränkt sich auf solche Fälle, in denen der Rechtsanwalt „eine andere Partei“ in derselben Rechtssache beraten oder vertreten hat. § 3 Abs. 1 BORA bezieht sich demnach nur auf Kollisionen von Fremdinteressen, nicht auch auf den Konflikt von eigenen Interessen des Rechtsanwalts mit denen seines Mandanten. Auf das Verständnis von § 43a Abs. 4 BRAO als der höherrangigen Norm hat dies jedoch keine Auswirkungen. Gleiches gilt für Wirtschaftsprüfer. Auch § 53 1. Hs. WiPrO enthält keine Beschränkung auf Konflikte von verschiedenen Fremdinteressen, sondern betrifft seinem Wortlaut nach auch Konflikte von Mandanten- mit Eigeninteressen. Demgegenüber begrenzt § 3 Abs. 1 BS WP/vBP seinen Anwendungsbereich auf Kollisionen von Fremdinteressen, indem dort ein Tätigwerden verboten wird, wenn Wirtschaftsprüfer bzw. vereidigte Buchprüfer einen „anderen Auftraggeber“ in derselben Sache im widerstreitenden Interesse beraten (haben) oder vertreten (haben). Aber auch hier gilt: Auf § 53 1. Hs. WiPrO als der in der Normenhierarchie höherstehenden Norm hat dies keine (beschränkende) Auswirkung.
152 Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 57; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 185; Passarge, Aktiengesellschaft,S. 131 153 Schweizerischer Anwaltsverband, Schweizerische Standesregeln, Luzern, 10. Juni 2005, abrufbar unter http://www.bgfa.ch/de/01_gesetze/03_standesregeln.htm?eintrag_ id=530 (Stand: 28.07.2014). 154 BGHSt 12, 96 (bzgl. des parallelen Problems bei § 356 StGB); Feuerich, in: Feuerich/ Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 57; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 185; Knöfel, Grundfragen, S. 738 f.; (missverständlich) Passarge, Aktiengesellschaft, 131 Fn. 438.
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d.) „Widerstreit“ der Interessen Die so bestimmten Interessen müssen „widerstreitend“ sein. Auch hinsichtlich der Bestimmung dieses Merkmals bestehen unterschiedliche Ansichten.155 So wird etwa angenommen, ein Widerstreit sei gegeben, „wenn die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des einen Interesses unmittelbar zu Lasten des anderen erfolgt“.156 Dem wird zu Recht entgegengehalten, dass eine bloße „Gefahr“ nicht genügen könne. Zum einen sei unklar, welchen Grad eine solche „Gefahr“ erreicht haben müsse, um beachtlich zu sein, zum anderen würde eine solche Bestimmung auf ein im Rahmen des Berufsrechts verfassungsrechtlich unzulässiges Anscheinsverbot hinauslaufen.157 Selbst die bestehende Möglichkeit eines eintretenden Widerstreits soll nicht ausreichen.158 Denn solange sich der Anwalt nicht zwischen zwei oder mehreren Interessen entscheiden und notwendig gegen mindestens ein Interesse handeln muss, ist es nicht von Bedeutung, ob diese Situation vielleicht irgendwann einmal eintreten könnte. Der Interessenwiderstreit muss somit immer konkret bestimmt werden, nicht lediglich abstrakt.159 Vom Sprachgebrauch her beschreibt „Widerstreit“ einen besonders qualifizierten Gegensatz von Interessen mindestens zweier Parteien. Er bringt zum Ausdruck, dass die inkongruenten Interessen in einer besonderen Intensität aufeinanderprallen: Die Parteien stehen in einer „kontradiktorisch angelegten Frontstellung“160 zueinander. Die von ihnen angestrebten Ziele müssen sich zwingend gegenseitig ausschließen. Das heißt, dem Interessenwahrer – bzw. in diesem Fall dem Berufsträger – muss es unmöglich sein, dem von einer Partei verfolgten Begehren zu entsprechen, ohne sich automatisch gegen dasjenige der anderen Partei zu richten. Er müsste gezwungen sein, denselben historischen 155 Zum verbreiteten Verzicht auf eine Begriffsfestlegung Knöfel, Grundfragen, S. 768. Zu verschiedenen Ansätzen zur Begriffsbestimmung Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 80 (mit Verweis auf S. 50). 156 Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S.89; dies., DStR 2003, 1316, 1318; siehe auch Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 171; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 111; Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 635. 157 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 111 m.w.N. auf S. 34 in Fn. 56; Henssler/Deckenbrock, NJW 2012, 3265, 3269; vgl. auch Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 108 (bloßer Anschein einer Interessenkollision reiche nicht aus); ebenso Henssler/Prütting/ Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 171 (Interessenkonflikt muss tatsächlich vorliegen, potentielle oder künftige Interessenkonflikte reichen nicht aus). Zur Unzulässigkeit des Abstellens auf den Anschein pflichtwidrigen Verhaltens BVerfGE 108, 150, 164. 158 BGH NJW 2012, 3039 (aus dem Leitsatz); OLG Karlsruhe, NJW 2002, 3561, 3563. 159 BGH NJW 2013, 1247; NJW 2012, 3039, 3041; Henssler/Deckenbrock, NJW 2012, 3265, 3269. 160 Knöfel, Grundfragen, S. 769. Ähnlich, aber weniger prononciert Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 635; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 88. Lediglich inkongruente Interessen reichen demgegenüber nicht aus, siehe Kempf, FS Busse, 2005, S. 191, 194.
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
Vorgang einmal aus der einen und einmal – für den anderen Mandanten – aus der anderen, entgegengesetzten Perspektive zu würdigen.161 Eine solchermaßen zugespitzte Unvereinbarkeit besteht nicht bereits bei beliebigen gegensätzlichen, sondern nur bei miteinander schlechterdings unversöhnlichen Interessen.162 Im Vergleich zum Begriff des Interessen-„konflikts“ ist der Begriff des Interessenwiderstreits daher enger, denn der Interessenkonflikt umfasst auch ein Zusammentreffen unvereinbarer Interessen, die nicht kontradiktorisch in Bezug auf denselben Lebenssachverhalt gegeneinander stehen.163 Der besondere Gegensatz der aufeinander bezogenen und sich gegenseitig ausschließenden Interessen beim „Widerstreit“ kommt insbesondere in dem Präfix „wider“ zum Ausdruck.164 Mit der Verwendung des Wortteils „Streit“ lehnt sich § 43a Abs. 4 BRAO an die in anderen Regelungen verwendeten Begriffe „Rechtsstreit“ (z. B. Art. 100 Abs. 2 GG, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO), „Rechtsstreitigkeit“ (z. B. §§ 23 1. Hs., 71 Abs. 1 GVG, § 2 Abs. 1 Nr. 1–10, Abs. 2–5 ArbGG), „Streitigkeit“ (z. B. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 GG, § 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 VwGO) oder „Streitsache“ (z. B. § 261 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 ZPO) an, die sich alle von dem Begriff der als solcher nicht streitigen „Angelegenheit“ (z. B. § 1 FamFG, § 1 KostO) unterscheiden.165 Dies ist bei der Auslegung zu berücksichtigen. Die Träger der entgegengesetzten Interessen müssen sich daher im Falle eines Rechtsstreits zwingend auf unterschiedlichen Seiten befinden – sie dürfen demnach auch nicht als Streitgenossen oder Streithelfer auf Seiten einer Partei agieren.166 Die besondere Bedeutung des Merkmals „Streit“ zeigt sich auch im Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer. Dort wird unterschieden zwischen „widerstreitenden“ Interessen und solchen, die nicht miteinander im „Widerstreit“ stehen. Während letztere nacheinander (§ 53 2. Hs. WiPrO) oder parallel (§ 3 Satz 2 BS WP/vBP) im Einverständnis aller Beteiligter zusammen vertreten werden dürfen, ist das Vertretungsverbot für erstere unabdingbar (§ 53 1. Hs. WiPrO, § 3 Abs. 1 Satz 1 BS WP/vBP). Diese Unterscheidung zwischen dem erlaubten Wechsel des Auftraggebers und der verbotenen Vertretung „widerstreitender Interessen“ findet sich auch in § 57 Abs. 4 Nr. 1 lit. c WiPrO.167
Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 635. Knöfel, Grundfragen, S. 771. 163 Der Unterschied liegt dabei weniger in den unterschiedlichen Interessen, als vielmehr in der Art und Intensität ihres Aufeinanderstoßens und der möglichen Folgen für den bzw. die Geschäftsherren. 164 Knöfel, Grundfragen, S. 771. 165 Knöfel, Grundfragen, S. 770. 166 Knöfel, Grundfragen, S. 770. Zu Einzelfällen des Interessenwiderstreits in der anwaltlichen Praxis z. B. a.a.O., S. 772 f. 167 Bei § 57 Abs. 4 Nr. 1 lit. c WiPrO handelt es sich um die Ermächtigungsgrundlage für § 3 BS WP/vBP. 161
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III. Systematisierung der Interessenkonflikte
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In zeitlicher Hinsicht ist für die Bestimmung, ob Interessen widerstreitend sind, auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die (zweite) Interessenvertretung übernommen wird.168 Sie ist jedoch nicht auf die Zeit der Vertretung beschränkt, sodass auch nach dem Abschluss der Vertretung des (Erst-)Mandanten das Vertretungsverbot im Fall widerstreitender Interessen greift. Zugleich sind damit aber auch spätere Änderungen der Interessen durch die (früheren) Mandanten beachtlich und können zu einem Wegfall der Voraussetzungen des Vertretungsverbots führen.169 Neben der Wortwahl machen auch die daran anknüpfenden Rechtsfolgen deutlich, dass es sich beim „Widerstreit“ der Interessen um einen gegenüber dem Interessenkonflikt qualifizierten bzw. engeren Begriff handelt.170 Während ein Interessenwiderstreit immer und zwingend zu einem Verbot der Tätigkeit führt, ziehen (weiter zu verstehende) Interessenkonflikte ganz unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich. So sind etwa Wertpapierdienstleistungsunternehmen zwar verpflichtet, sich um die Vermeidung von Konflikten mit Interessen ihrer Kunden zu bemühen, § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, und dem Entstehen von Interessenkonflikten mit organisatorischen Mitteln entgegenzuwirken, § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG. Ein Tätigkeitsverbot zieht ein solcher Interessenkonflikt aber nicht nach sich. Vielmehr darf das Wertpapierdienstleistungsunternehmen den erteilten Kundenauftrag auch im Falle eines – unvermeidbaren – Interessenkonflikts gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG weiterhin ausführen, wenn das Kundeninteresse in gebotener Weise gewahrt wird. Die Loyalitätsgefährdung und ihre Auswirkungen auf den Geschäftsherrn werden demnach im Fall des § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG als geringer eingestuft als bei einer Doppelvertretung durch einen Rechtsanwalt.
III. Systematisierung der Interessenkonflikte Neben der Differenzierung nach der Intensität des Konflikts, die insbesondere in der Unterscheidung zwischen Interessenkonflikt und Interessenwiderstreit zum Ausdruck kommt, können Interessenkonflikte auch nach den kollidierenden Interessen, der Konfliktdauer, den Konfliktursachen oder auch danach unterschieden werden, ob sie abstrakt oder konkret vorliegen. 168 RGSt 71, 231, 236 („zur Zeit der Tat“); Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 113; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 93; Henssler/ Deckenbrock, NJW 2012, 3265, 3269. Vgl. auch OLG Karlsruhe NJW 2002, 3561, 3563. 169 Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 93. 170 Vgl. dazu Knöfel, Grundfragen, S. 769 f.; Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 628. Für eine recht weiten Ansatz, der zu einer Übereinstimmung der Begriffe „widerstreitende Interessen“ und „Interessenkonflikt“ führt Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 166; ders., NJW 2001, 1521, 1522 (latent vorhandene Interessenkonflikt bzw. theoretisches Zuwiderlaufen der Interessen soll genügen).
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
1.) Unterscheidung nach den Interessen a.) Eigen- vs. Fremdinteresse: Interessenkollision i.e.S. Im Hinblick auf die kollidierenden Interessen können Interessenkonflikte danach unterteilt werden, um wessen Interessen es sich handelt. Eine erste Gruppe bilden diejenigen Situationen, in denen eine Person, die verpflichtet ist, fremde Interessen wahrzunehmen (der Interessenwahrer), ein eigenes Interesse hat, das im Konflikt mit dem ihr anvertrauten Interesse steht.171 Da dem Interessenwahrer in der Regel die Pflicht obliegt, im Interesse seines Geschäftsherrn tätig zu werden, handelt es sich regelmäßig um einen Konflikt zwischen den Interessen und Pflichten des Interessenwahrers.172 b.) Fremd- vs. Fremdinteresse: Pflichtenkollision Eine zweite Gruppe bilden diejenigen Interessenkonflikte, bei denen der Interessenwahrer zur gleichen Zeit für zwei oder mehr Geschäftsherren agiert.173 Kollidieren die Interessen der Geschäftsherren, d. h. erfordern sie vom Interessenwahrer gegenläufige Handlungen, führt dies zu einer Situation, in der sich der Interessenwahrer gezwungen sieht, zumindest hinsichtlich eines Geschäftsherrn gleichzeitig für und gegen dessen Interessen handeln zu müssen.174 Anders als bei der ersten Gruppe von Interessenkonflikten handelt es sich in diesem Fall bei beiden Interessen um für den Interessenwahrer fremde Interessen. Vielfach wird daher auch von einer Pflichtenkollision gesprochen.175 Die Unterscheidung in der Benennung verdeutlicht, dass ein Konflikt nicht nur auf kollidierende Eigeninteressen zurückgeführt werden kann, sondern auch auf andere Fremdinteressen, die der vom Konflikt Betroffene neben den wahrzunehmenden Drittinteressen ebenfalls zu vertreten hat. Intuitiv leuchtet es eher ein, dass zu wahrende Fremdinteressen bei einer Kollision mit Eigeninteressen zu bevorzugen sind als bei einer Kollision mit anderen ebenfalls zu wahrenden Fremdinteressen, wenn die Rechtsordnung für 171 Hollander/Salzedo, Conflicts of Interest, Rdnr. 1–004; Griffiths-Baker, Serving Two Masters, S. 17; Hopt, ZGR 2004, 1, 9 ff. 172 Vgl. Hollander/Salzedo, Conflicts of Interest, Rdnr. 1–004; Coleman, When conflicts of interest are an unavoidable problem S. 1. 173 Dazu Hopt, ZGR 2004, 1, 14 ff; ders., in: Ferrarini et al., Reforming Company and Takeover Law in Europe, S. 51, 53. Auch als „impersonal conflicts of interest“ (Boatright, in: Davis/Stark, Conflicts of Interest in the Professions, S. 217, 220) oder „existing client conflict“ (Hollander/Salzedo, Conflicts of Interest, Rdnr. 1–002) bezeichnet. 174 Hollander/Salzedo, Conflicts of Interest, Rdnr. 1–002; außerdem Griffiths-Baker, Serving Two Masters, S. 17. 175 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 133; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rdnr. 896; Marsch-Barner, in: v. Schenk, ArbAR, § 13 Rdnr. 99; Krebs, Interessenkonflikte, S 67; Steinbeck, Überwachungspflicht, S 67 f.; Deckert, DZWIR 1996, 406, 408; Dreher, JZ 1990, 896, 900; Singhof AG 1998, 318, 323; Werner, ZHR 145 (1981) 252, 257. Vgl. dazu auch Poelzig/Thole, ZGR 2010, 836, insb. 840 ff.
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die beiden Fremdinteressen keine Rangfolge vorsieht. Aber auch in diesem zweiten Fall wird mindestens ein Interesse zwangsläufig nicht vollumfänglich befriedigt werden können. Darüber hinaus kann es auch schon vorab schwierig werden, zwischen einer Pflichtenkollision und einem Interessenkonflikt zu unterscheiden.176 Denn ob eine Pflichtenkollision vorliegt, hängt maßgeblich davon ab, wie die Pflichten bestimmt werden und diese wiederum gehen letztlich auf die Interessen der Parteien an dem jeweiligen Interessenwahrungsverhältnis zurück. Dementsprechend liegt einer Kollision von Pflichten gegenüber mehreren Geschäftsherren letztlich immer ein Interessenkonflikt zugrunde. Dies lässt sich an der Übernahme zweier kollidierender Aufträge zeigen. Vor dem Zeitpunkt der Übernahme der beiden Aufträge durch den Interessenwahrer stehen sich zunächst einmal (nur) zwei kollidierende Interessen zweier verschiedener möglicher Vertragspartner gegenüber. Mit Eingehung der beiden Verträge entstehen die jeweiligen Pflichten, d. h. die unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Geschäftsherren gestalten sich in unterschiedliche Pflichten aus, sodass aus den zunächst kollidierenden Interessen nunmehr kollidierende Pflichten werden. Der Interessenkonflikt ist somit das Übergreifende, Generellere, die Pflichtenkollision das Speziellere. Für eine ganze Reihe von Regelungen spielt diese Unterscheidung keine Rolle, weil es bei ihnen nicht darauf ankommt, ob es sich bei den kollidierenden Interessen um Kollisionen eigener mit fremden oder fremder mit fremden Interessen handelt, d. h., ob eine Pflichtenkollision oder eine Interessenkollision im engeren Sinne vorliegt. Die verschiedenen Konflikttypen (Eigen- gegen Fremdinteressen, Fremd- gegen Fremdinteressen) können daher in den meisten Fällen gleich behandelt werden. Nur wenn es im Einzelfall zu Wertungsabweichungen kommen sollte, ist eine Unterscheidung angebracht. Im Folgenden wird daher der Begriff Interessenkonflikt als übergeordneter Begriff verwendet, der beide Konflikttypen umfasst. c.) Fremdinteressen auf derselben und auf verschiedenen Marktseiten Interessenkonflikte können weiter danach unterteilt werden, ob sich die Interessen auf der gleichen „Marktseite“ befinden oder auf unterschiedlichen Marktseiten.177 Beispiel für Letzteres ist ein Makler, der sowohl für den Käufer als auch für den Verkäufer handelt, die beide offenkundig unterschiedliche Interessen haben. Im Fall der „gleichen Marktseiten“ sind die Interessen der beiden zu vertretenden Parteien in gleicher Weise auf das gleiche Objekt bzw. die gleichen Objekte gerichtet, von denen jedoch keine ausreichende Menge vor176 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 133. Kritisch auch Hanau/Wackerbarth Unternehmensmitbestimmung, S. 20 f. 177 Hopt, FS Heinsius, 1991, S. 289, 317; ders., ZGR 2004, 1, 14 f.; ders., in: Ferrarini et al., Reforming Company and Takeover Law in Europe, S. 51, 53.
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
handen ist, sodass die auf sie gerichteten Interessen nicht adäquat befriedigt werden können. Typischerweise handelt es sich bei diesen Fällen um Verteilungsprobleme, die der Interessenwahrer zu lösen hat. Beispiel hierfür ist etwa der Insolvenzverwalter, der eine regelmäßig nicht ausreichende Masse an die Gläubiger verteilen muss. Weitere Beispiele sind überzeichnete Emissionen von Börsengängen oder andere beschränkte Anlagemöglichkeiten auf den Finanzmärkten.178 Verteilungskonflikte können auch auf der „Verkäuferseite“ auftreten, z. B. wenn etwa mehrere Fondsgesellschaften vergleichbare und daher miteinander konkurrierende Investmentfonds von denselben Anlagevermittlern vertreiben lassen möchten.179 d.) Durch die Rechtsordnung inhärent angelegte Interessenkonflikte Einen besonderen Unterfall des Konflikts mehrerer wahrzunehmender Fremdinteressen stellt der Fall dar, dass der Interessenkonflikt durch die Rechtsordnung bereits inhärent angelegt ist und nicht, wie z. B. im Fall zweier kollidierender Aufträge unterschiedlicher und nicht miteinander in Beziehung stehender Dritter, von außen an das jeweils andere Interessenwahrungsverhältnis herantritt. Beispiele hierfür sind insbesondere das (einzelne) Insolvenzverfahren, die (einzelne) Testamentsvollstreckung und die Entscheidungen von Organmitgliedern im Gesellschaftsrecht. Auch wenn keine weiteren Eigen- oder aus anderen Lebenssachverhalten stammenden und zu wahrenden Fremdinteressen eine Rolle spielen, kommt es in diesen Fällen regelmäßig unvermeidbar zu Interessenkonflikten.180 Diese sind bereits strukturell angelegt und der Interessenwahrer hat hier gerade die Aufgabe, die Interessen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. e.) Interessen früherer Geschäftsherren Ein weiterer Unterfall kollidierender Fremdinteressen liegt vor, wenn es sich bei einem der betroffenen Geschäftsherren um einen ehemaligen Geschäftsherrn handelt, mit dem gegenwärtig keine Geschäftsbeziehung mehr besteht. Hier geht es in der Regel darum, die Vertraulichkeit von Informationen des ehemaligen Kunden zu gewährleisten, die im Rahmen des früheren Kundenverhältnisses erlangt wurden.181
Hopt, ZGR 2004, 1, 14. Hopt, ZGR 2004, 1, 14. 180 Z. B. im Fall der Insolvenzanfechtung gegenüber einem Gläubiger. 181 HRH Prince Jefri Bolkiah v. KPMG, [1999] 1 All E.R. 517, 527b; Hollander/Salzedo, Conflicts of Interest, Rdnr. 1–003. 178
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2.) Unterscheidung nach der Konfliktdauer: dauerhafte und punktuelle Konflikte Interessenkonflikte können weiter nach ihrer Dauer unterteilt werden in dauerhafte, generelle und in punktuelle Konflikte. Während erstere ab ihrem Auftreten, d. h. in der Regel ab Beginn des jeweiligen gemeinsamen Verhältnisses der Parteien, kontinuierlich vorhanden sind und bei (nahezu) jeder Entscheidung des Interessenwahrers eine Rolle spielen, treten letztere lediglich in Einzelfällen oder zeitlich begrenzt auf. Ein andauernder Konflikt mit den Interessen anderer Beteiligter kann z. B. entstehen, wenn der Insolvenzverwalter selbst Gläubiger in dem von ihm betreuten Insolvenzverfahren ist. Punktuelle Interessenkonflikte entstehen dagegen z. B. dann, wenn der Insolvenzverwalter einen einzelnen Gegenstand aus der Masse für sich erwerben will.182
3.) Abstrakte und konkrete Konflikte Weiterhin lassen sich Interessenkonflikte in abstrakte und konkrete Konflikte unterscheiden. Bei abstrakten Konflikten kommt es nicht darauf an, ob der jeweilige Interessenwahrer tatsächlich einem Konflikt ausgesetzt ist. In diesen Fällen reicht die abstrakte Möglichkeit eines Konfliktes – und damit einhergehend einer möglichen Verletzung der Interessen eines anderen – aus. Beispiel für eine abstrakte Konfliktlage ist die familiäre Bindung zu einem interessierten Dritten: Ob die familiäre Bindung tatsächlich zu einem konkreten Konflikt für den Betroffenen führt, ist hier ohne Bedeutung. Auch bei einander entfremdeten Familienmitgliedern liegt daher ein abstrakter Interessenkonflikt vor. Ab strakte Interessenkonflikte werden mit Hilfe formell-typisierter Anknüpfungspunkte bestimmt. Das heißt, die Zuordnung von Interessenpositionen erfolgt mit Hilfe starrer Regeln, ohne Rücksichtnahme auf den jeweiligen konkreten Einzelfall.183 Wird dieser Ansatz bei der Abfassng von Konfliktregeln gewählt, werden regelmäßig Argumente wie das Gebot der Rechtssicherheit und des Verkehrsschutzes ins Feld geführt.184 Bei konkreten Konflikten geht es demgegenüber um den individuellen Konflikt im Einzelfall. Hierbei handelt es sich um einen materiellen Ansatz, der regelmäßig eine Abwägung und die Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls erfordert.185 Es kommt darauf an, ob der Interessenwahrer tatsächlich einem Interessenkonflikt ausgesetzt ist, der konkret verhindert, dass er die von ihm zu wahrenden Interessen vertreten kann. 182 LG Halle ZIP 1994, 572, 576; vgl. auch MünchKommInsO/Graeber, § 56 Rdnr. 155; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56 Rdnr. 50: Graf/Wunsch, DZWIR 2002, 177. 183 Gantenberg, Interessenkonflikte, S. 174. 184 Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rn. 4; außerdem Flume, AT BGB II, § 48 Nr. 1 (S. 812). Siehe auch die Angaben bei MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rn. 5. 185 Gantenberg, Interessenkonflikte, S. 174.
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
4.) Unterscheidung nach Konfliktursachen Interessenkonflikte können schließlich auch auf ihre jeweilige Ursache zurückgeführt werden. Genannt werden vor allem: das Vorhandensein von Eigeninteressen, die Selbstprüfung, die Parteilichkeit, die „Vertrautheit“ sowie die Einschüchterung des Interessenwahrers.186 Eigeninteressen finanzieller Art bestehen etwa bei einer direkten oder indirekten finanziellen Beteiligung an dem Geschäftsherrn bzw. dessen Unternehmen oder bei Darlehensverträgen mit dem Geschäftsherrn.187 Auch die Honorarabhängigkeit – wenn der Interessenwahrer vom Geschäftsherrn bezahlt wird – begründet finanzielle Eigeninteressen, insbesondere bei wiederkehrenden Transaktionen, die immer wieder neue Vertragsabschlüsse erfordern. Hierbei hat der Geschäftsherr die Möglichkeit, Druck auf den Interessenwahrer auszuüben, sei es im Zuge der Ausschreibung neuer Aufträge, sei es durch Nachverhandlungen des Honorars. In solchen Fällen kann der Interessenwahrer aus Sorge, den Auftrag oder das Mandat zu verlieren, geneigt sein, den von ihm gesetzlich geforderten Pflichten nicht mehr vollumfänglich nachzukommen.188 Diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn Anbieter in einem Markt für die erstmalige Leistung ihrer Dienste besondere „Kampfpreise“ verlangen, die ihre Kosten nicht decken, um bei anschließenden Leistungen Wettbewerbsvorteile gegenüber ihren Konkurrenten zu erlangen. Wettbewerbsvorteile können sich insbesondere daraus ergeben, dass bei erneuter Leistung in der Folgezeit die Kosten für den Anbieter geringer sind, z. B. weil er sich nicht mehr einarbeiten muss, oder auch der Wechsel für den Geschäftsherrn mit hohen Transaktionskosten189 verbunden und daher für diesen unattraktiv ist. Hat der Interessenwahrer bei der erstmalig ausgeführten Leistung nicht kostendeckend gearbeitet, hat er ein besonderes Interesse an Folgeaufträgen, in deren Rahmen er Überschüsse erzielen und so seine Kosten wieder hereinholen und Gewinne erzielen kann.190 Dieses sog. low balling und seine Auswirkungen sind etwa für den Markt der Abschlussprüfer untersucht worden.191 Auch wenn der Interessenwahrer Anteile an einer als Geschäftsherr auftretenden Ge186 Z. B. Art. 22 Abs. 2 Satz 2 der Abschlussprüferrichtlinie; Empfehlung der Kommission vom 16. Mai 2002, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, ABlEG Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Anhang A, 3, 2. Absatz. 187 Empfehlung der Kommission vom 16. Mai 2002, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, ABlEG Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Anhang A, 3, 2. Absatz, 1. Spiegelstrich. 188 Müller, Unabhängigkeit, S. 117. 189 Etwa Suchkosten oder Kosten für die Umstellung auf einen anderen Anbieter. 190 Müller, Unabhängigkeit, S. 25 f. 191 Siehe insbesondere DeAngelo, 3(2) JAE 113 (1981); DeAngelo, 3(3) JAE 183 (1981); später Magee/Tseng, 65(2) Acct. Rev. 315 (1990); Gigler/Penno, 70 Acct. Rev. 317 (1995); Lee/Gu, 73 Acct. Rev. 533 (1998). Dazu Stefani, Abschlussprüfung, S. 110 ff. Für Erwägungen zum low balling siehe unter § 13 I.1.)d.).
III. Systematisierung der Interessenkonflikte
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sellschaft oder andere finanzielle Verbindungen zur ihr hat, kann es zu einem solchen Verhalten kommen. Denn in diesem Fall hat der Interessenwahrer ein Interesse an einer möglichst günstigen finanziellen Entwicklung des Geschäftsherrn bzw. von dessen Unternehmen. Die Gefahr einer „Selbstprüfung“ besteht dann, wenn der Interessenwahrer zur Prüfung eines Sachverhaltes verpflichtet ist, auf den er vor der Prüfung in anderer Weise Einfluss genommen hat.192 In einem solchen Fall ist der Betroffene regelmäßig nicht in der Lage, den Sachverhalt neutral und damit aus einer objektiven, d. h. unbeteiligten, Perspektive zu beurteilen. Denn entdeckt er eigene Fehler, so würde dies bedeuten, dass seine vorangegangene Beratung oder sonstige Einflussnahme nicht einwandfrei gewesen ist. Dann aber setzt er sich der Gefahr von Schadensersatzansprüchen aus, auf die er in einem solchen Fall auch noch hinweisen müsste.193 Die Gefahr einer „Selbstprüfung“ besteht etwa bei Abschlussprüfern oder bei Gesellschaftsorganen, insbesondere Aufsichtsräten – vor allem wenn letztere früher selbst im Vorstand der jeweiligen Gesellschaft waren. Eine besondere Gefahr stellt auch die Voreingenommenheit wegen Parteilichkeit dar. Diese spielt vor allem im Hinblick auf Unabhängigkeitserfordernisse eine Rolle und besteht dann, wenn der Betroffene für oder gegen den Geschäftsherrn Stellung beziehen muss,194 nachdem er zuvor als Interessenvertreter für ihn aufgetreten ist.195 Während es bei Interessenwahrern in bilateral ausgestalteten Interessenwahrungsverhältnissen für gewöhnlich positiv ist, wenn sie sich die Position ihres Geschäftsherrn zu eigen machen und sich mit dessen Interessen identifizieren, gilt dies im Fall von Prüfungsverhältnissen gerade nicht. Ebenfalls mit Blick auf Unabhängigkeitserfordernisse ist eine zu große persönliche Verbundenheit bzw. „Vertrautheit“ als Gefahr einzustufen.196 So können etwa verwandtschaftliche oder freundschaftliche Beziehungen zwischen Prüfer und Geprüftem zu einer zu laxen Prüfung führen. Auch eine frühere gemeinsame Tätigkeit oder eine langandauernde geschäftliche Beziehung kann diese Gefahr begründen, weil die Vertrautheit mit der Zeit wächst und so die Urteilsfreiheit des Geschäftsbesorgers einschränken kann.197 192 Dazu etwa Empfehlung der Kommission vom 16. Mai 2002, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, ABlEG Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Anhang A, 3, 2. Absatz, 2. Spiegelstrich. 193 Siehe Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2118. 194 Müller, Unabhängigkeit, S. 94. 195 Z. B. Empfehlung der Kommission vom 16. Mai 2002, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, ABl. Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Anhang A, 3, 2. Absatz, 3. Spiegelstrich. 196 Z. B. Empfehlung der Kommission vom 16. Mai 2002, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, ABl. Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Anhang A, 3, 2. Absatz, 4. Spiegelstrich. 197 Vgl. dazu Marx, Unabhängige Abschlussprüfung, S.86; Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2122 (Identifikation mit Mandanteninteressen).
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
Schließlich wird auch die Einschüchterung als Ursache für einen Interessenkonflikt angeführt.198 Wird etwa ein Prüfer von dem zu Prüfenden oder einem Dritten bedroht, damit er zu einem bestimmten Prüfungsurteil kommt, wird dies die Unvoreingenommenheit und Urteilsfähigkeit des Prüfers regelmäßig beeinträchtigen. Da es hierbei regelmäßig zu einer erzwungenen Fremdbestimmung der Willensbetätigung des Betroffenen kommt, lässt sich diese Ursache mit den anderen erwähnten Ursachen für Interessenkonflikte jedoch nicht vergleichen. Aufgrund des ausgeübten Zwanges ist der Betroffene nicht wirklich in der Lage, zwischen zwei Optionen zu wählen, wie dies bei den anderen Ursachen der Fall ist. Somit müssen hierfür andere rechtliche Maßnahmen getroffen werden als bei Interessenkonflikten ohne Zwangausübung. Solche erzwungenen „Interessenkonflikte“ werden daher in der folgenden Untersuchung ausgeklammert. Dieser Unterscheidung nach Konfliktursachen vergleichbar ist die etwas allgemeinere Differenzierung nach finanziellen und positionalen Interessenkonflikten. Ein finanzieller Interessenkonflikt liegt etwa vor, wenn eine Gesellschaft ein Grundstück kaufen möchte, das einem ihrer Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer gehört. Bei positionalen Interessenkonflikten konfligieren hingegen Interessen miteinander, die der Betroffene aufgrund unterschiedlicher von ihm eingenommener Positionen und damit einhergehender Interessenwahrungspflichten wahrzunehmen hat. Beispiel hierfür ist die gleichzeitige Tätigkeit als Vorstand eines Unternehmens, etwa einer Bank, und als Aufsichtsrat eines anderen (Kredit suchenden) Unternehmens.
5.) Irrelevante Merkmale Für die Einteilung der Interessenkonflikte nicht von Bedeutung ist, ob es sich bei dem Interessenwahrer um eine natürliche Person oder um eine Gesellschaft handelt. Auch bei Gesellschaften können Interessenkonflikte auftreten, wenn z. B. ein Gesellschafter im Interesse eines Kunden tätig werden möchte, während sein Partner gleichzeitig für einen anderen Kunden mit entgegengesetzten Interessen tätig wird.199 Allerdings kann es im Rahmen von Gesellschaften bzw. Organisationen aufgrund von deren Struktur zu besonderen Problemsituationen kommen, die so nicht bei natürlichen Personen zu beobachten sind.
198 Z. B. Empfehlung der Kommission vom 16. Mai 2002, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, ABlEG Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Anhang A, 3, 2. Absatz, 5. Spiegelstrich. 199 HRH Prince Jefri Bolkiah v. KPMG, [1999] 1 All E.R. 517, 526g; Hollander/Salzedo, Conflicts of Interest, Rdnr. 1–002.
IV. Rechtliche Anknüpfung von Interessenkonflikten
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IV. Rechtliche Anknüpfung von Interessenkonflikten Als Anknüpfungspunkt für Verhaltenspflichten und andere rechtliche Regelungen dienen (materielle) Interessenkonflikte im deutschen Recht in größerem Umfang erst seit jüngerer Zeit, was vor allem auf europarechtliche Einflüsse zurückzuführen ist. Ältere Gesetze, wie z. B. das BGB oder das HGB, regeln Interessenkonflikte entweder mittels formaler Regelungen – sie knüpfen also nicht an den materiellen Interessenkonflikt an – oder stellen auf die Interessenwahrungspflicht ab. Letzteres erlaubt es, eine genauere Ausformung der Pflichten zum Umgang mit Interessenkonflikten den Gerichten zu überlassen. Demgegenüber erleichtert die zunehmende Vorgabe spezifischer Verhaltenspflichten ex ante die meist aufsichtsrechtliche Kontrolle. Entsprechend nimmt die Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht mittels besonderer Verhaltens- und Organisationsvorgaben nicht zuletzt aufgrund europarechtlicher Einflüsse stetig zu. Andererseits knüpfen diese Regelungen zunehmend an den materiellen Interessenkonflikt an. Dieser rückt somit immer mehr in den Fokus rechtlicher Regelungen.
1.) Interessenwahrungsverhältnis und Treuhand Regelungsbedürftige Interessenkonflikte (im engeren Sinne) entstehen – wie hergeleitet200 – vor allem im Rahmen von Fremdinteressenwahrungsverhältnissen. Die vertraglichen Fremdinteressenwahrungsverhältnisse, die für die Regelbildung in Bezug auf Interessenkonflikte besondere Bedeutung haben, lassen sich in Treuhandverträge (Interessenwahrungshältnisse im engeren Sinne) und Interessenwahrungsverhältnisse im weiteren Sinne unterteilen. Anders als im angloamerikanischen Recht mit seinen fiduciary relationships und dem trust als deren Leitbild 201 hat sich im deutschen Recht allerdings kein einheitliches Interessenwahrungsrecht unter Rückgriff auf das Treuhandrecht entwickelt. Ähnlich wie bei den fiduciary relationships, die sowohl den trust als auch die weitere Gruppe der trust-ähnlichen Rechtsverhältnisse von „trust and confidence“ umfassen 202 und die über die ihnen gemeinsamen fiduciary obligations miteinander verbunden sind, hätte sich im deutschen Recht eine Verbindung über die Interessenwahrungs- bzw. Treuepflicht, also den schuldrechtlichen Teil der Treuhand, bilden können. Die dogmatische Entwicklung der Treuhand war jedoch lange Zeit vor allem auf das Sachenrecht fokussiert und so fanden die schuldrechtlichen Pflichten des Treuhänders lange Zeit wenig Siehe § 1 II.3.)d.). Dazu ausführlich Rusch, Gewinnhaftung, S. 15 ff.; siehe auch Knapp, Treuepflicht, S. 27 ff. (mit Blick auf die Entwicklung im angloamerikanischen Gesellschaftsrecht). 202 Rusch, Gewinnhaftung, S. 193. 200 201
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
Beachtung.203 Daher wurde auch kein allgemeiner Ansatz bzw. eine alle (Interessenwahrungs-)Verhältnisse einigende schuldrechtliche Pflicht aus der Treuhand entwickelt.204 Die Treuhand wurde nicht einmal im BGB kodifiziert. Erst in jüngerer Zeit gibt es ernstere Bestrebungen, die schuldrechtliche Seite der Treuhand als einigende Grundlage für die verschiedenen Interessenwahrungsverhältnisse in den Blick zu nehmen.205 a.) Die Treuhand Die Treuhand geht zurück auf verschiedene Phänomene und Institute, die aus heutiger Sicht als Frühformen von Treuhandverhältnissen angesehen werden können. Hierzu gehören etwa die mittelalterliche Lehnsträgerschaft, die Letztwillenstreuhand, die Testamentsvollstreckung, die Institution des römischen fideicommissum und die Legate piae causae (Zuwendungen für wohltätige Zwecke und Stiftungen).206 Im 19. Jahrhundert entwickelten sich schließlich in der Auseinandersetzung zwischen der Pandektistik 207 und der Germanistik 208 verschiedene Treuhandmodelle,209 die Grundlage für den Treuhandbegriff des modernen Rechts wurden. Mit der Unterscheidung zwischen der Ermächtigungstreuhand und der Vollrechtstreuhand bildete sich dann eine gewisse Typisierung heraus. Bei der Vollrechtstreuhand wird das Treugut – d. h. das Eigentum an einer Sache oder die Inhaberschaft an einer Forderung – auf einen Treuhänder übertragen, der darüber gegenüber Dritten frei verfügen kann und nur im Innenverhältnis zum Treugeber schuldrechtlichen Bindungen unterliegt.210 Der Treuhänder erhält also eine Position, bei der ihm hinsichtlich des Außenverhältnisses mehr Rechte eingeräumt werden, als er im Innenverhältnis ausüben darf.211 Weiter wird bei der Vollrechtstreuhand unterschieden zwischen der Treuhand „im eigentli-
Vgl. dazu Mestmäcker, Verwaltung, S. 209. Rusch, Gewinnhaftung, S. 194. 205 Grundmann, Treuhandvertrag; Löhnig, Treuhand. Für eine gesellschaftsrechtliche Qualifizierung des Treuhandvertrags siehe Geibel, Treuhandrecht. 206 Zu Einzelheiten siehe Coing, Treuhand, S. 13 f. (fideicommissum); Johnston, in: Helmholz/Zimmermann, Itinera Fiduciae, S. 45 ff. (fideicommissum); Rusch, Gewinnhaftung, S. 137 ff.; Scherner, in: Helmholz/Zimmermann, Itinera Fiduciae, S. 237, 239 ff. (Lehnsrecht), 250 (Letztwillenstreuhand); Siems, in: Helmholz/Zimmermann, Itinera Fiduciae, S. 57 ff. (piae causa). 207 Insb. Regelsberger, AcP 63 (1880), 157. 208 Insb. Schultze, Die langobardische Treuhand; ders., JhJb 43 (1901), 1. 209 Dazu ausführlich Hofer, in: Helmholz/Zimmermann, Itinera Fiduciae, S. 389, 390 ff.; siehe auch Coing, Treuhand, S. 28 ff.; Helmholz/Zimmermann, in: Helmholz/Zimmermann, Itinera Fiduciae, S. 27, 35. 210 Rusch, Gewinnhaftung, S. 154. 211 MünchKommBGB/Schramm, Vor§ 164 Rdnr. 28; Palandt/Bassenge, BGB, § 903 Rdnr. 33; Henssler, AcP 196 (1996), 37, 41 f. 203
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IV. Rechtliche Anknüpfung von Interessenkonflikten
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chen Sinne“212 oder auch „echten“ Treuhand 213 und der Treuhand „im weiteren Sinne“.214 Bei der Treuhand „im eigentlichen Sinne“ hat der Treugeber dem Treuhänder die Eigentümerstellung oder die sonstige Rechtsinhaberschaft unmittelbar eingeräumt (Unmittelbarkeitserfordernis) 215 oder ist die treuhänderische Bindung des Treuhänders offengelegt worden.216 In diesem Fall ist das Treugut bei Vollstreckungshandlungen gegen den Treuhänder oder dessen Insolvenz geschützt, d. h. der Treugeber kann Drittwiderspruchsklage gegen die 771 ZPO) oder Aussonderung verlangen Zwangsvollstreckung erheben (§ (§ 47 InsO). Fehlt es bei einer fiduziarischen Vollrechtsübertragung an der Unmittelbarkeit bzw. der Offenlegung, so liegt eine Treuhand „im weiteren Sinne“ vor, bei der es keine Abwehrrechte gegen Vollstreckungshandlungen in das Treugut oder im Fall der Insolvenz des Treuhänders gibt; ansonsten werden „echte“ Treuhand und Treuhand „im weiteren Sinne“ gleich behandelt.217 Bei der Ermächtigungstreuhand, wie etwa der Einziehungsermächtigung,218 wird ein Treuhandverhältnis durch Einräumung der Verfügungsbefugnis nach § 185 BGB begründet.219 Demgegenüber soll die bloße Bevollmächtigung zum Vertreterhandeln nach verbreiteter Ansicht keine Treuhand begründen.220 Zur Abgrenzung wird darauf abgestellt, dass der Treuhänder bei der Treuhand Rechtsinhaber hinsichtlich des Treugutes wird 221 – diese soll auch im Fall der Ermächtigungstreuhand noch vorliegen –, der Bevollmächtigte bei der Vollmachtserteilung dagegen nicht.
212 Siehe RGZ 121, 204, 296; 160, 52, 59; BGH WM 1964, 179 („im engeren Sinne“); Coing, Treuhand, S. 46 f.; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 79 f. 213 BGH NJW 1959, 1223, 1224. 214 RGZ 121, 294, 296 („uneigentliches Treuhandverhältnis“); 160, 52, 59; BGH WM 1964, 318 („unechte Treuhand“). 215 RGZ 84, 214, 217 f.; 91, 12, 14; BGH NJW 1959, 1223, 1224. Ausführlicher Grundmann, Treuhandvertrag, S. 80, S. 312 ff. Henssler, AcP 196 (1996), 37, 54 f. 216 Etwa bei Anderkonten von Rechtsanwälten und Notaren. Siehe BGH NJW 1959, 1223, 1225; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 81, 314 ff.; siehe aber Henssler, AcP 196 (1996), S. 37, 55 ff. 217 Coing, Treuhand, S. 47; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 82. 218 BGHZ 19, 69, 71; Soergel/Leptien, BGB, Vor§164 Rdnr. 72. Staudinger/Schilken, BGB, Vor§§164 ff. Rdnr. 66. 219 BGH NJW 1954, 190, 191; Coing, Treuhand, S. 96; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 83 f.; grundlegend Siebert, Treuhandverhältnis, S. 294 ff. 220 Soergel/Leptien, BGB, Vor§164 Rdnr. 73; Siebert, Treuhandverhältnis, S. 25, 209 ff.; vorsichtiger Coing, Treuhand, S. 90, 97 f. (jedenfalls treuhandähnliche Rechtsgestaltung); siehe andererseits aber einzelne Urteile in der Rechtsprechung, wie etwa BGH WM 1964, 318. 221 Siebert, Treuhandverhältnis, S. 25.
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
b.) Treuhand und Geschäftsbesorgungsverhältnisse mit „treuhänderischem Charakter“ Aufbauend auf dieser Abgrenzung lässt sich zwischen der Treuhand und einer weiter gefassten Kategorie von Geschäftsbesorgungsverhältnissen mit „treuhänderischem Charakter“ unterscheiden, bei der der Geschäftsbesorger zur Wahrung fremder Interessen verpflichtet ist.222 Zu solchen Geschäftsbesorgern mit „treuhänderischem Charakter“ zählen etwa der Kommissionär, der Rechtsanwalt oder die vermögensverwaltende Bank.223 Gegenüber diesen Geschäftsbesorgungsverhältnissen mit „treuhänderischem Charakter“ zeichnet sich die Treuhand dadurch aus, dass bei ihr der Fokus auf den vom Treuhänder für andere gehaltenen und verwalteten Vermögensrechten liegt, sodass bei ihm ein Sondervermögen entsteht.224 Diese Unterscheidung ähnelt derjenigen zwischen trust und sonstigen fiduciary relationships im angloamerikanischen Recht.225 Einen weiten Begriff der Treuhand legt demgegenüber Beyerle zugrunde, nach dessen Ansicht es bei der Treuhand um die „vertretungsweise uneigennützige Belangwahrung“ geht.226 „Grundgedanke aller Treuhandfälle“ sei es, „fremde Belange an Personen, Sachen, an Vermögen, Rechtsbeziehungen wahrzunehmen“.227 Mittels einer solchen am Innenverhältnis ausgerichteten Betrachtung fasst er sowohl die herkömmlich als Treuhand eingeordneten Rechtsbeziehungen als auch treuhandähnliche Geschäftsbeziehungen bis zu reinen Vertretungsfällen zusammen.228 Einen weiteren Ansatz verfolgt auch Grundmann, der gegen eine in seinen Augen untaugliche Abgrenzung anhand des Außenverhältnisses ausdrücklich Stellung bezieht und sich für eine Orientierung am Innenverhältnis ausspricht.229 Seiner Ansicht nach sind auch solche Fälle als Treuhand einzuordnen, bei denen der Fiduziar kein Eigentumsrecht und keine Verfügungsbefugnis eingeräumt bekommen hat, sondern lediglich eine Informations-, Entscheidungs- oder Kontrollposition.230 Ebenfalls für eine Ausweitung des Konzepts der Treuhand spricht sich Löhnig aus, dessen Ansatz sich von dem Grundmanns allerdings darin unterscheidet, dass er auf die Machtmittel abstellt, die der Treuhänder erhält und die ihm die Einwirkung auf Interessenpositionen des Treugebers ermöglichen.231 Wenn auch im Detail Coing, Treuhand, S. 2 , 85 f.; Siebert, Treuhandverhältnis, S. 25 (Treuverhältnis versus Treuhandverhältnis). 223 Coing, Treuhand, S. 2 ; Siebert, Treuhandverhältnis, S. 25. 224 Coing, Treuhand, S. 2 . 225 Coing, Treuhand, S. 3. 226 Beyerle, Treuhand, S. 19; gegen eine solche Ausweitung des Treuhandkonzepts etwa schon Siebert, Treuhandverhältnis, S. 209 f. 227 Beyerle, Treuhand, S. 7. 228 Beyerle, Treuhand, S. 20, 22. 229 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 87 ff., insb. S. 90. 230 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 102. 231 Löhnig, Treuhand, S. 159 ff. 222
IV. Rechtliche Anknüpfung von Interessenkonflikten
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Unterschiede bestehen, fassen doch alle drei Autoren die herkömmlich anerkannten Fälle der Treuhand mit den sonstigen Rechtsbeziehungen „mit treuhänderischem Charakter“ zusammen und schaffen so eine einheitliche Kategorie, die derjenigen der fiduciary relationships im angloamerikanischen Recht vergleichbar ist.232 Auch wenn man einer Gleichsetzung von Treuhand und sonstigen Rechtsverhältnissen „mit treuhänderischem Charakter“ hinsichtlich des Außenverhältnisses wegen der Besonderheiten hinsichtlich des Umgangs mit dem Treugut skeptisch gegenüberstehen sollte, so ist doch anzuerkennen, dass die herausgearbeitete Gleichartigkeit der treuhänderischen Bindungen jedenfalls in Bezug auf das Innenverhältnis eine gleiche und gemeinsame Behandlung von Treuhand und sonstigen Rechtsverhältnissen „mit treuhänderischem Charakter“ erlaubt – und im Hinblick auf die Untersuchung von Interessenkonflikten des Interessenwahrers sogar erforderlich macht. Denn bei Interessenkonflikten und der Frage, wie die Parteien sich im Falle ihres Vorliegens verhalten sollten, geht es zunächst einmal um das Innenverhältnis zwischen Interessenwahrer und Geschäftsherrn. c.) Interessenwahrungsverhältnis als übergreifende Kategorie Da sich die Treuhand und die sonstigen Rechtsverhältnisse „mit treuhänderischem Charakter“ im Hinblick auf das hier interessierende Innenverhältnis nicht unterscheiden, werden sie im Folgenden unter dem weiteren Begriff des „Interessenwahrungsverhältnisses“ zusammengefasst. Dies soll allerdings ausdrücklich nur im Hinblick auf das Innenverhältnis geschehen. Im Hinblick auf das Außenverhältnis bleibt demgegenüber mit Blick auf die Besonderheiten hinsichtlich des Umgangs mit dem Treugut eine Unterscheidung zwischen Interessenwahrungsverhältnissen im weiteren Sinne und der Treuhand sinnvoll. Zu den Interessenwahrungsverhältnissen im hier verstandenen Sinne gehören somit diejenigen, die funktional den im angloamerikanischen Recht als fiduciary relationships qualifizierten Rechtsverhältnissen entsprechen. Ähnlich der englischen „duty of loyalty“233 wird auch bei diesen im deutschen Recht vielfach von „Treuepflichten“ gesprochen. Um jedoch Missverständnisse – etwa eine zu starke Assoziierung mit dem Gesellschaftsrecht – zu vermeiden, soll im Folgenden der Begriff der „Interessenwahrungspflicht“ verwendet werden. Der Treunehmer, Auftragnehmer, Geschäftsbesorger etc. wird als Interessenwahrer, der Treugeber, Auftraggeber, Geschäftsherr einheitlich als Geschäftsherr bezeichnet. 232 Siehe dazu auch die Einschätzung bei Coing, Treuhand, S. 3 und S. 86 sowie die Bezugnahme bei Grundmann, Treuhandvertrag, S. 87, 123 f. 233 Dazu monograpisch etwa Conaglen, Fiduciary Loyalty, passim; Kasolowsky, Fiduciary Duties, passim.
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
2.) Rechtliche Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten Die Regelungen für den Umgang mit Interessenkonflikten sind im Falle vertraglicher Interessenwahrer zunächst einmal in den jeweiligen Verträgen zu suchen. Denn grundsätzlich ist es Aufgabe der Vertragspartner, Regelungen hinsichtlich der Interessenwahrung und damit ihrer Begründung und Reichweite zu treffen.234 In vielen Fällen sind diese Regelungen als dispositive Bestimmungen bereits gesetzlich verankert. Dazu gehören insbesondere § 181 BGB (Insichgeschäft des Vertreters) oder § 315 BGB (wonach dem Ermessen bei der Bestimmung der Leistung durch eine Vertragspartei Grenzen gesetzt werden). Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten finden sich aber auch in den Vorschriften über den Maklervertrag (§§ 652 ff. BGB), den Auftrag (§§ 662 ff. BGB), den Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 675 ff. BGB), den Handelsvertretervertrag (§§ 84 ff. HGB) oder das Kommissionsgeschäft (§§ 383 ff. HGB). Für organschaftliche Interessenwahrer sind insbesonere die Vorschriften für Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft (§§ 76 ff. und 95 ff. AktG) und den Geschäftsführer einer GmbH (§§ 35 ff. GmbHG) relevant. Für gesetzlich bzw. gerichtlich bestellte Interessenwahrer enthalten die gesetzlichen Bestimmungen besondere Vorschriften, etwa für den Vormund in §§ 1793 ff. BGB, den Testamentsvollstrecker in §§ 2197 ff. BGB oder für den Insolvenzverwalter in §§ 56 ff. InsO. Vertraglich nicht abdingbare Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten enthalten auch das Aufsichts- und das Berufsrecht, wie etwa die Vorgaben für Finanzdienstleistungsunternehmen (vor allem in §§ 31 ff. WpHG) oder die Standesrechte für Rechtsanwälte (BRAO) und für Wirtschaftsprüfer (WiPrO). Darüber hinaus kommt im Zusammenhang mit Interessenkonfliktregelungen europäischen Verordnungen immer mehr Bedeutung zu.235 So enthält etwa die europäische Verordnung über Ratingagenturen 236 detaillierte Interessenkonfliktregelungen. Ebenfalls ausführliche Regelungen für den Umgang mit Interessenkonflikten soll die von der Kommission vorgeschlagene Verordnung für Abschlussprüfer enthalten.237 Wichtige Bedeutung im Zusammenhang mit Regelungen für Interessenkonflikte haben in jüngerer Zeit schließlich Verhal Hopt, ZGR 2004, 1, 15 f. Bisher sind viele gesetzliche Regelungen zu Interessenkonflikten in Deutschland auf europäische Richtlinien zurückzuführen. Im Gegensatz zu Richtlinien sind europäische Verordnungen unmittelbar anwendbar und bedürfen keiner gesonderten Umsetzung, vgl. Art. 288 Satz 2 AEUV. 236 Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen, ABlEU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 1. 237 Europäische Kommission, Vorschlag für Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse, Titel II, 30.11.2011, KOM(2011) 779 endg. Zum Kompromiss zwischen dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten siehe Europäische Kommission, MEMO/13/1171 vom 17.12.2013. 234 235
V. Beschränkung auf (materielle) Geschäftsbesorger
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tenskodizes erlangt, wie etwa der Corporate Governance Kodex 238 oder die Berufsgrundsätze für Insolvenzverwalter239. Diese enthalten zum Teil sehr viel detailliertere Regelungen als die gesetzlichen Vorschriften.
V. Beschränkung auf (materielle) Geschäftsbesorger Die weitere Untersuchung beschränkt sich auf (materielle) Geschäftsbesorger und wird Richter, Notare, Schiedsrichter und Mediatoren, die ebenfalls von Interessenkonflikten betroffen sein können, ausklammern. Auch Eltern, die Interessenwahrer ihrer Kinder sind, werden aufgrund ihrer besonderen Beziehung zu ihren Kindern, die sich nicht zuletzt in Art. 6 GG widerspiegelt und die sich mit vertraglichen Geschäftsbesorgern nur schwer vergleichen lässt, außen vor gelassen.
1.) Abgrenzung zu Richtern und Notaren a.) Richter Der Richter kommt dem Idealbild desjenigen, der frei von Interessenkonflikten ist bzw. sein muss, am nächsten. Für seine Aufgabe und Funktion ist die Freiheit von Interessenkonflikten bzw. seine Unabhängigkeit von wesentlicher Bedeutung.240 Da sich der Richter allein an Recht und Gesetz zu orientieren hat und ohne Ansehung der Person dem Recht zur Durchsetzung verhelfen soll, dürfen sachfremde Erwägungen bei seinen Entscheidungen keine Rolle spielen. Um dies zu gewährleisten und Einflüsse, die die Entscheidung verzerren können, weitestmöglich zu verhindern, wird bei dem für Richter geltenden Unabhängigkeitsgebot ein sehr weitgehender Ansatz verfolgt: Für den Richter bedeutet Unabhängigkeit vor allem dessen persönliche Unabhängigkeit i.S.v. Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit (Art. 97 Abs. 2 GG) sowie dessen sachliche Unabhängigkeit i.S.v. Weisungsfreiheit (Art. 97 Abs. 1 GG).241 Diese Regelungen richten sich zuvörderst gegen Einflussnahmen durch die anderen Staatsge Siehe Regierungskommission, Deutscher Corporate Governance Kodex (in der Fassung vom 13.05.2013). 239 Abrufbar unter http://www.vid.de/de/qualitaet/berufsgrundsaetze.html (Stand 28.07. 2014). 240 Verfassungsrechtlich ist die Unabhängigkeit des Richters in Art. 97 GG verankert und insbesondere in §§ 25 ff. DRiG näher ausgestaltet. Zur Unabhängigkeit von Richtern etwa Simon, Die Unabhängigkeit des Richters, passim; Holzwarth/Lambrecht/Schalk/Späth/ Zech, Die Unabhängigkeit des Richters, passim; außerdem Maunz/Dürig/Hillgruber, Grundgesetz, Art. 97 Rdnr. 75 ff.; Papier, NJW 2001, 1089; ders., NJW 1990, 8. 241 Prütting, ZIP 2002, 1965, 1969; Lüke, ZIP 2003, 557, 558. Vgl. dazu BVerfGE 12, 67, 71; 14, 56, 69; 26, 186, 198; 27, 312, 322; 36, 174, 185; 38, 1, 21; Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht über Richter, S. 16 ff. m.w.N. 238
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
walten.242 Im Rahmen des einzelnen (Zivil-)Prozesses findet das Unabhängigkeitsgebot seine Konkretisierung vor allem in den Regelungen zum Ausschluss des Richters von der Ausübung des Richteramtes und zur Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit in §§ 41, 42 ZPO. b.) Eingeschränkte Übertragbarkeit auf Geschäftsbesorger Auf Geschäftsbesorger bzw. Interessenwahrer ist das Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit nur sehr eingeschränkt übertragbar.243 Das besondere staatliche Amt des Richters sowie seine Funktion im Rechtsstaat und für die Rechtspflege geben dem richterlichen Unabhängigkeitserfordernis ein besonderes Gepräge, das sich auf privatrechtlich agierende Geschäftsbesorger nur schwer anwenden lässt. Denn die Tätigkeit eines Geschäftsbesorgers wird, auch wenn er zur Unabhängigkeit verpflichtet ist, viel stärker als die Tätigkeit des Richters von den Interessen des Geschäftsherrn bestimmt, der ihn unter anderem auswählt und bezahlt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass tatsächliche Unabhängigkeit, sofern man überhaupt annimmt, dass Menschen wirklich unabhängig sein können, sich jedenfalls solange nicht bzw. nur näherungsweise erreichen lässt, wie jemand auf dem freien Markt seine Dienstleistungen anbietet.244 So kann etwa – anders als beim Richter – aus der Zahlung der Vergütung vom Geschäftsherrn an den Geschäftsbesorger noch keine Besorgnis der Befangenheit abgeleitet werden.245 Entsprechend werden in diesen Fällen immer Abhängigkeiten bestehen und wird sich nur eine Näherung an die Unabhängigkeit erreichen lassen. Deutlich wird der Unterschied im Vergleich zu dem für den Rechtsanwalt geltenden Unabhängigkeitsgebot (insbesondere § 43a Abs. 1 BRAO). Zwar lässt die Pflicht zur Wahrung der Unabhängigkeit, wie sie in § 39 DRiG zum Ausdruck kommt, gewisse Parallelen zu dem für den Anwalt geltenden Unabhängigkeitsgebot in § 43a Abs. 1 BRAO erkennen. Rechtsanwälte haben jedoch eine andere Funktion als Richter, was bei der Konkretisierung des Unabhängigkeitsgebotes zu unterschiedlichen Nuancierungen führen muss: 246 Der Richter muss als Teil der rechtsprechenden Gewalt im Staat in jeder Hinsicht unabhängig sein. Ihm und dem von ihm bekleideten staatlichen Amt wird das Vertrauen entgegengebracht, dass er sich nicht einseitig für eine der Parteien einsetzt, son242 BVerfGE 12, 67; Schmidt-Ränsch, DRiG, § 25 Rdnr. 3 ; Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 128; Lüke, ZIP 2003, 557, 558. 243 Siehe dazu etwa Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 318 Rdnr. 354; Dorn-Zachertz, Unabhängigkeit, S. 36 ff.; Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 129; Veltins, DB 2004, 445, 448. Gleiches gilt auch für die Übertragung etwa auf den Insolvenzverwalter, siehe Kumpan, KTS 2010, 169 f.; a.A. Graeber, NZI 2002, 345, 347 f.; Graf/ Wunsch, DZWIR 2002, 177, 179; Lüke, ZIP 2003, 557, 559 ff. 244 Vgl. Hagel, Wpg 2002, 1355, 1356; Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2121. 245 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 318 Rdnr. 354. 246 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 129.
V. Beschränkung auf (materielle) Geschäftsbesorger
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dern den jeweiligen Streit ohne Ansehen der Person nur nach Recht und Gesetz entscheidet. Der Rechtsanwalt ist hingegen als Interessenvertreter seines Mandanten immer auch dessen Interessen verpflichtet – unabhängig davon, dass er auch Organ der Rechtspflege ist.247 Damit ist auch die Interessenlage, der er ausgesetzt ist und die das jeweilige Konfliktpotential birgt, eine andere. Dies gilt erst recht für andere Geschäftsbesorger, die keine besondere Funktion im Rechtssystem (Organ der Rechtspflege) erhalten haben und bei denen daher erst recht andere Nuancierungen im Hinblick auf Unabhängigkeit und Interessenwahrung erfolgen müssen. Dass man bei der Heranziehung von Vorschriften, die für den Richter gelten, vorsichtig sein sollte, zeigt sich auch an § 42 ZPO. Diese Regelung knüpft an die besondere Stellung des Richters als neutrale Instanz an und stellt letztlich eine gewisse Durchbrechung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters dar.248 Während der Grundsatz des gesetzlichen Richters verhindern soll, dass sich eine Partei ihren Richter aussucht, lässt § 42 ZPO dies in begrenztem Umfang (in Form einer gewissen Negativauslese) zu.249 Diese Gesichtspunkte spielen für private Geschäftsbesorger keine Rolle. Im Fall vertraglich engagierter Geschäftsbesorger können deren Geschäftspartner regelmäßig frei wählen, ob sie diesen oder einen anderen engagieren. Aber auch in den Fällen, in denen das Gesetz besondere Regelungen für das Auswahlverfahren vorsieht, ist den „Geschäftsherren“ eine Einflussnahme möglich. So können im Insolvenzverfahren die Gläubiger in ihrem ersten Zusammentreffen eine andere Person zum Verwalter wählen, ohne dafür Gründe angeben zu müssen, insbesondere auch keine, die die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen würden.250 Der neue § 56a Abs. 3 InsO erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen sogar dem vorläufigen Gläubigerausschuss, in dessen erster Sitzung einstimmig eine andere Person als die bestellte zum Insolvenzverwalter zu wählen. Dies stellt einen erheblichen Unterschied zum Richter dar, der grundsätzlich als neutrale Instanz vorgegeben ist, ohne dass er abgewählt werden könnte.251 c.) Schiedsrichter und Sachverständige Zwar ist dieser Gesichtspunkt – der grundsätzlichen Nichtwählbarkeit – bei Schiedsrichtern weniger ausgeprägt. Denn die Parteien können diese wählen. Von ihrer Funktion her und mit Bezug auf die Interessen der Parteien gleicht ihre Stellung jedoch derjenigen des Richters und weniger derjenigen von (materiellen) Geschäftsbesorgern.252 Braun, ZInsO 2002, 964. Siehe auch Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 129. Lüke, ZIP 2003, 557, 560. 249 Lüke, ZIP 2003, 557, 560. 250 Lüke, ZIP 2003, 557, 560. 251 Vgl. dazu etwa Riggert, NZI 2002, 352, 354. 252 Zur Unabhängigkeit des Schiedsrichters etwa Stein/Jonas/Schlosser, Zivilprozessord247
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
Eine eher dem Richter als dem Geschäftsbesorger vergleichbare Stellung haben – jedenfalls faktisch – auch Sachverständige.253 Mit ihrer Stellungnahme zeichnen sie die Entscheidung des Richters im Hinblick auf das von ihnen Erfragte häufig vor. Entsprechend rechtfertigt sich die Ausrichtung der für sie geltenden Regelungen hinsichtlich einer Besorgnis der Befangenheit, § 406 ZPO, an den für den Richter geltenden Regelungen. d.) Notar Auch das Unabhängigkeiterfordernis des Notars eignet sich nur eingeschränkt als Leitbild für Geschäftsbesorger.254 Nach § 1 BNotO ist der Notar ein „unabhängige[r] Träger eines öffentlichen Amtes […] für die Beurkundung von Rechtsvorgängen und andere[n] Aufgaben auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege“. Anders als der Richter gehört der Notar nicht der rechtsprechenden Gewalt an. Auch gehört zu seinen Aufgaben die Beratung, sodass insofern in funktionaler Hinsicht eine gewisse Ähnlichkeit zu vielen Geschäftsbesorgern besteht. Dennoch unterscheidet er sich wesentlich von Geschäftsbesorgern und ist von seiner Stellung her einem Richter ähnlicher als einem Geschäftsbesorger.255 Er übt – im Gegensatz zu Geschäftsbesorgern – einen staatlich gebundenen Beruf aus und darf seine Urkundstätigkeit nicht ohne ausreichenden Grund verweigern, vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 BNotO, er erfüllt also eine Art Pflichtaufgabe.256 Geschäftsbesorger sind hingegen regelmäßig in ihrer Entscheidung frei, ob sie einen Geschäftsherrn bzw. Mandanten ablehnen oder nicht. Wie der Richter ist der Notar kein Interessenvertreter, sondern „unabhängiger und unparteiischer Betreuer der Beteiligten“, vgl. § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO.257 Entsprechend hat er nach § 14 Abs. 3 Satz 2 BNotO insbesondere jedes Verhalten zu vermeiden, das den Anschein der Abhängigkeit oder Parteilichkeit erzeugt. Die Unabhängigkeit, die § 1 BNotO dem Notar garantiert, charakterisiert zunächst seine Stellung gegenüber dem amtsverleihenden Land, dessen Hoheitsgewalt er ausübt.258 Ähnlich wie der Richter ist der Notar persönlich unabhängig: Er wird auf Lebenszeit bestellt, 259 sein Amt erlischt nur in nung, § 1036 Rdnr. 5 ff.; Zöller/Geimer, Zivilprozessordnung, § 1036 Rdnr. 1 ff.; Karl, Die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters; Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, Rdnr. 120 ff. 253 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann/Hartmann, ZPO, § 406 Rdnr. 2 . 254 A.A. Veltins, DB 2004, 445, 449. 255 Zur Ähnlichkeit der Unabhängigkeit von Richtern und Notaren Pfeiffer DNotZ 1981, 5 ff. 256 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 131. 257 Dazu etwa Schlosser, NJW 2002, 1376, 1377 f. 258 Vgl. dazu Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 57 Rdnr. 25 ff. (S. 679 f.) (elterliche Sorge ist „arteigenes Familienrecht“). 259 Vgl. § 3 Abs. 1 BNotO; für Anwaltsnotare siehe § 3 Abs. 2 BNotO.
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den gesetzlich ausdrücklich festgelegten Fällen 260 und sein Amtssitz kann grundsätzlich nur mit seiner Zustimmung verlegt werden 261. Die sachliche Unabhängigkeit gegenüber dem Staat wirkt sich vor allem darin aus, dass die Aufsicht als reine Rechtsaufsicht ausgestaltet und der Notar außerhalb dieses Rahmens keinerlei Weisungen unterworfen ist.262 Seine Unabhängigkeitsposition ist mithin derjenigen des Richters ähnlich und eignet sich daher wenig für eine Übertragung auf Geschäftsbesorger.263
2.) Abgrenzung zu Eltern Auch das Eltern-Kind-Verhältnis zeichnet sich durch eine Interessenlage aus, die sich mit der von Geschäftsbesorgungssverhältnissen nicht vergleichen lässt. Es unterscheidet sich von diesen insbesondere wegen seiner besonderen Ausgestaltung im Hinblick auf die Bedürfnisse innerhalb der Familie.264 In dem Beziehungs- und Interessengeflecht zwischen Eltern und Kindern, bei dem nicht nur wirtschaftliche, sondern vor allem auch persönliche Belange eine wesentliche Rolle spielen, lassen sich Interessenkonflikte nicht in gleicher Weise regeln wie bei anderen, z. B. bei rechtsgeschäftlich vereinbarten, Interessenwahrungsverhältnissen. Entsprechend wird im Fall der Eltern mit der Gefährdung des Kindeswohls, vgl. § 1666 Abs. 1 BGB, lediglich eine äußerste Grenze statuiert, ab der Interessenkonflikte zu rechtlichen Konsequenzen führen. Die besondere Ausgestaltung zeigt sich bereits bei der Bestimmung der zu wahrenden Interessen. Anders als die Interessenwahrer in den zuvor behandelten Rechtsverhältnissen spielen die Eltern bereits bei der Bestimmung und Ausformung der Kindesinteressen eine wesentliche Rolle. Ihnen obliegt nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG die Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Sie müssen also die Interessen ihrer Kinder nicht nur wahren und fördern, sondern können sie in gewissem Umfang auch bestimmen.265 Zugleich schützt Art. 6 Abs. 2 GG diese Aufgabe der Eltern aber auch als ihr Recht. Dies unterscheidet Eltern in erheblichem Maße von sonstigen Interessenwahrern und führt zu zusätzlichem Abwägungsbedarf im Fall von Interessenkonflikten.
Vgl. §§ 47 ff. BNotO. § 10 Abs. 1 Satz 3 BNotO. 262 Starke, in: Beck’sches Notar-Handbuch, L I Rdnr. 10. Vgl. auch BGH DNotZ 1972, 549; Schippel/Bracker/Bracker, § 1 BNotO Rdnr. 18. 263 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 131. 264 Siehe dazu Rusch, Gewinnhaftung, S. 192. 265 Löhnig, Treuhand, S. 463. Vgl. dazu auch Knöpfel, FamRZ 1985, 1211, 1213. Mit zunehmendem Alter verdrängt die altersgemäße kindliche Selbstbestimmung das „wohlverstandene Kindesinteresse“ jedoch mehr und mehr. Vgl. BayObLG FamRZ 1985, 737, 738; 1997, 954, 955. Entsprechend geht auch die Möglichkeit der Eltern, die Interessen auszuformen und zu bestimmen, zurück. 260 261
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Auch müssen Eltern ihre eigenen Interessen keineswegs vollkommen zurückstellen.266 Vielmehr schulden alle Familienmitglieder einander in besonderer Weise gegenseitige Rücksichtnahme, §§ 1618a, 1619 BGB. Aufgrund dieses Rücksichtnahmegebots können die Kindesinteressen auch einmal hinter die Interessen der Eltern zurücktreten, wenn dies notwendig sein sollte.267 § 1618a BGB trägt dem Umstand Rechnung, dass in einer Familie nicht immer alle Interessen gleichzeitig bestmöglich zur Geltung kommen können und daher jedes Familienmitglied auch einmal zurückstecken muss.268 Als Mitglied der Familie muss das Kind daher akzeptieren, dass seine Interessen gegenüber den übrigen Familienmitgliedern, insbesondere auch gegenüber seinen Eltern, gewissen Einschränkungen unterliegen und die Eltern nicht ausschließlich zur Wahrnehmung der Interessen ihrer Kinder verpflichtet sind. Dies zeigt sich auch an § 1649 Abs. 2 BGB, wonach Eltern die Einkünfte des Kindesvermögens für den allgemeinen Familienunterhalt verwenden dürfen, soweit es nicht zur ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung und für den Unterhalt des Kindes benötigt wird. Diese Einschränkungen auf der einen Seite und die familiäre Nähebeziehung auf der anderen Seite beeinflussen die Interessenwahrungspflicht der Eltern und führen einerseits zu einer gewissen Lockerung (Eltern können auch eigene Interessen berücksichtigen), andererseits aber auch zu einer besonders umfassenden Interessenwahrungspflicht, die über das normale Maß hinausgeht.269
VI. Zusammenfassung Eine allgemein anerkannte rechtliche Definition des Begriffs Interessenkonflikt existiert bisher nicht. Für die Entwicklung einer Definition ist vom Begriff des Interesses auszugehen. In dem hier untersuchten Zusammenhang ist dieses zu verstehen als „positive Bezogenheit“, die ein bestimmtes Subjekt zu bestimmten Gegenständen oder Sachverhalten hat. Maßgeblich ist die Bindung an das Subjekt, also den Interessenträger, von dessen subjektiven Wertungen das Interesse allein abhängt. Als Interessenträger kommen sowohl natürliche als auch juristische Personen sowie Personengesellschaften in Betracht. Nicht alle Konflikte zwischen solchermaßen verstandenen Interessen bedürfen einer besonderen Regelung. So reichen etwa die vertragsrechtlichen Rege Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 57 Rdnr. 27 (S. 680); anders Soergel/ Strätz, BGB, § 1626 Rdnr. 3 (Elternrecht ist „ausschließlich fremd- d.h. ‚kindnütziges‘ Grundrecht“). 267 Dazu Erman/Michalski/Döll, BGB, § 1618a Rdnr. 14; MünchKommBGB/von Sachsen Gessaphe, § 1618a Rdnr. 9 ; Löhnig, Treuhand, S. 463 und 557. 268 Löhnig, Treuhand, S. 557. 269 Siehe dazu Staudinger/Coester, BGB, § 1618a Rdnr. 35 ff.; Löhnig, Treuhand, S. 557. 266
VI. Zusammenfassung
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lungen mit dem Grundsatz von Treu und Glauben im Fall sog. Verträge des Interessengegensatzes aus, um von einer vertragsimmanenten Richtigkeitsgewähr ausgehen zu können. Diese Regelungen sind darauf abgestimmt, den von den Beteiligten privatautonom zu vereinbarenden Ausgleich der gegensätzlichen Interessen zu gewährleisten. Für asymmetrisch ausgerichtete Rechtsverhältnisse, wie die sog. (Fremd-)Interessenwahrungsverhältnisse, bei denen es eine Partei (der Interessenwahrer) übernommen hat, die Interessen einer anderen Partei (des Geschäftsherrn) zu wahren, reichen die für Austauschverträge bzw. Verträge des Interessengegensatzes geltenden Regelungen dagegen nicht aus. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zwischen den Beteiligten ein Informations- oder Machtungleichgewicht besteht, wie dies bei zahlreichen heutigen Dienstleistungsverhältnissen zu beobachten ist. In diesen Fällen besteht eine erhöhte Gefahr, dass der Interessenwahrer, wenn er in einen Interessenkonflikt gerät, die Interessen des anderen beeinträchtigt. Konflikte zwischen Interessen im oben genannten Sinne sind daher dann in besonderer Weise regelungsbedürftig, wenn sie in ein und derselben Person – dem Interessenwahrer – aufeinander treffen und von dieser miteinander nicht zu vereinbarende Handlungen fordern, von denen sich mindestens eine nachteilig auf einen Dritten auswirken kann, dessen Interessen die Person zu wahren übenommen hat. Auch dem „Interessenwiderstreit“ im Rahmen des Berufsrechts liegt dieses Begriffsverständnis zugrunde. Bei diesem handelt es sich um einen qualifizierten Interessenkonflikt, der sich durch eine „kontradiktorische Frontstellung“ der involvierten Interessen auszeichnet. Interessenkonflikte lassen sich einteilen in solche, bei denen Eigeninteressen des Interessenwahrers mit denjenigen des Geschäftsherrn kollidieren (Interessenkonflikte im engeren Sinne), und solche, bei denen verschiedene Fremdinteressen miteinander in Konflikt geraten, die der Interessenwahrer jedoch in gleicher Weise zu wahren hat (auch Pflichtenkollisionen genannt). Letztere lassen sich noch danach unterteilen, ob sich die Geschäftsherren auf der gleichen „Marktseite“ (z. B. die Insolvenzgläubiger) oder auf verschiedenen „Marktseiten“ (z. B. Emittent und Anleger bei einer Emission, die eine Bank begleitet) befinden. Konflikte können des Weiteren nach ihrer Konfliktdauer unterschieden werden, d. h., ob sie nur punktuell auftreten oder von Dauer sind. Schließlich können sie nach den Konfliktursachen unterteilt werden, wie z. B. finan zielle Interessen, Selbstprüfung oder persönliche Verbundenheit.
§ 2 Ökonomische Erwägungen zu Notwendigkeit und Grenzen der Regelung von Interessenkonflikten I. Wirtschaftliche Auswirkungen von Interessenkonflikten Die besondere Bedeutung von Interessenkonflikten ist nicht zuletzt auf ihre häufig erheblichen wohlfahrtsökonomischen Auswirkungen zurückzuführen. Sie können nicht nur auf den einzelnen Geschäftsherrn, sondern auch auf die gesamte Volkswirtschaft gravierende Auswirkungen haben, indem sie Markt ineffizienzen herbeiführen oder verfestigen. Schon die Existenz eines Interessenkonflikts kann Misstrauen bei denjenigen hervorrufen, deren Interessen gewahrt werden sollen. Dies kann dazu führen, dass wünschenswerte Transaktionen allein wegen dieses Misstrauens unterbleiben und es zu einem Marktversagen kommt. Manifestieren sich Interessenkonflikte gar in Pflichtverletzungen, d. h. wählen Interessenwahrer die für sie selbst günstigeren Handlungsalternativen zu Lasten ihrer Geschäftsherren, führt das auf offenen Märkten dazu, dass die Produktionsfaktoren nicht mehr in vollem Umfang der bestmöglichen Verwendung zugeführt werden.1 Paradigmatisch steht hierfür der Kapitalmarkt: Interessenkonflikte können dort dazu führen, dass die Anleger das Vertrauen in die Intermediäre und letztlich die Funktionsfähigkeit und Integrität des Kapitalmarktes als Ganzes verlieren. Dies aber führt dazu, dass der Kapitalfluss von den Anlegern zu den kapitalsuchenden Unternehmen erheblich erschwert und damit eine effiziente Kapitalallokation verhindert wird. Interessenkonflikte führen damit tendenziell zu Wohlstandseinbußen der Gesellschaft. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich in einem für Dritte negativ auswirkenden Verhalten manifestieren. Ein prominentes Beispiel für die gravierenden Auswirkungen von Interessenkonflikten auf das Wirtschaftsleben ist die Finanzkrise von 2008, die das marktwirtschaftliche System bis an den Rand des Kollapses geführt hat. Ein wesentlicher Auslöser dieser Krise waren die vielfältigen Interessenkonflikte nahezu aller Beteiligten an der Darlehensverbriefung (sog. securitization).2 1 Vgl. Reimer, Interessenkollisionen, unveröffentlichtes Manuskript, S. 83; außerdem Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, S. 47 f. 2 Dazu ausführlich Kumpan, 9 JCLS 261 (2009); ders., in: Allmendinger/Steffek et al., Corporate Governance, S. 209 ff.
II. Agency-Theorie
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Aufgrund ihrer Bedeutung für das Wirtschaftsleben sind Interessenkonflikte Gegenstand zahlreicher ökonomischer Untersuchungen. Zu ihrer Analyse und der Erforschung ihrer Auswirkungen und möglichen Bewältigungsstrategien lassen sich eine ganze Reihe von ökonomischen Ansätzen und Theorien heranziehen. Im Folgenden soll der Fokus auf vier Ansätze gerichtet werden, die für die rechtliche Untersuchung von Interessenkonflikten in besonderer Weise fruchtbar gemacht werden können: Die Agency-Theorie, die Strategien zur Überwindung von Informationsasymmetrien, die Theorie der unvollständigen Verträge und schließlich die verhaltensökonomischen Erkenntnisse.
II. Agency-Theorie Für die ökonomische Analyse von Interessenkonflikten eignet sich insbesondere die Agency-Theorie.3 Die Agency-Theorie im weiteren Sinne ist ein Zweig der Wirtschaftstheorie, die sich mit der Kooperation zwischen Wirtschaftssubjekten im Fall des Bestehens von Interessenkonflikten und Informationsasymmetrien beschäftigt.4 Die Agency-Theorie im engeren Sinne untersucht modellmäßig die Beziehungen zwischen Geschäftsherren (principals) und für sie tätigen Agenten (agents) und die Möglichkeit der Verhaltenssteuerung der agents.5 Principal-Agent-Beziehungen bestehen überall dort, wo zwei Personen vereinbaren, dass die eine (der agent) für die andere (den principal) bzw. in dessen Auftrag bestimmte Aufgaben übernimmt. 6 In einer arbeitsteiligen Welt sind solche Beziehungen weit verbreitet. Sie finden sich bei einer Fülle von Zweipersonenverhältnissen und charakterisieren vielfach die Innenbeziehungen von Organisationen.7 Sie bestehen beispielsweise zwischen Auftraggeber 3 Zur Agency-Theorie siehe etwa Arrow, in: Pratt/Zeckhauser, Principals and Agents, S. 37; Cooter/Freedman, 66 N.Y.U. L. Rev. 1045 ff. (1991); Grossman/Hart, 51 Econometrica 7 (1983); Fama/Jensen, 26 J. L. & Econ. 301 (1983); Ross, 63 Am. Econ. Rev. 134 (1973); Stiglitz, Principal and Agent, in: Eatwell/Milgate/Newman, The New Palgrave, Vol. 3, S. 966; außerdem Erlei/Schmidt-Mohr, in: Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Prinzipal-Agent-Theorie, S. 2546 f.; Ewert, Stichwort Agencytheorie, in: Köhler u. a., HWB, Sp. 1 ff.; Franke, Agency-Theorie, in: Wittmann u. a., HWB, Sp. 37 ff.; Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 419 ff; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 173 ff., 217 ff., 225 ff. Zur Agency-Theorie im Kapitalgesellschaftsrecht z. B. Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman et al., Anatomy, S. 35 ff.; Fama, 88 J. Pol. Econ. 288 (1980); außerdem Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S. 13 ff. 4 Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Agency-Theorie, S. 53. 5 Stiglitz, in: Eatwell/Milgate/Newman, The New Palgrave, Vol. 3, S. 966; Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Agency-Theorie, S. 53. 6 Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Agency-Theorie, S. 53; siehe auch Franke, Agency-Theorie, in: Wittmann u. a., HWB, Sp. 37, 38; Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman et al., Anatomy, S. 35. 7 Dazu Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, S. 74 ff.; Franke, Agency-Theorie, in: Wittmann u. a., HWB, Sp. 37, 38.
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§ 2 Ökonomische Erwägungen zur Regelung von Interessenkonflikten
und Beauftragtem, Mandant und Rechtsanwalt, Organmitglied und Gesellschaft bzw. Gesellschaftern, Bank und Kunde etc.8
1.) Grundlegende Annahmen der Agency-Theorie Die Agency-Theorie geht von der Annahme aus, dass die Akteure rational handeln, also bei ihrem Handeln die Vor- und Nachteile des jeweiligen Verhaltens rational abwägen. Zugrunde liegt dem insbesondere das Verhaltensmodell des homo oeconomicus oder – von weitgehend gleicher Bedeutung 9 – dem Resourceful, Evaluating, Maximizing Man (REMM) 10 . Nach diesem Verhaltensmodell besteht menschliches Verhalten in der rationalen Entscheidung zwischen Alternativen, die anhand eigener Präferenzen danach erfolgt, welche dieser Alternativen den höchsten Nutzen für den Entscheider erwarten lässt (sog. Nutzenmaximierung).11 Dabei würde eine vollkommene Maximierung eine vollständige Information und eine unbegrenzte Informationsverarbeitungsmöglichkeit voraussetzen, was sich mit der Realität nicht vereinbaren lässt. Die Agency-Theorie entfernt sich daher auch von dieser strikten Sichtweise, indem sie davon ausgeht, dass der principal gerade nicht vollkommen informiert ist. Mit einem rationalen Handeln lässt sich dies vereinbaren, weil auch ein Entscheiden auf Basis unvollkommener Informationen rational sein kann, wenn die Kosten für eine weitere Informationssuche den Nutzen einer dadurch verbesserten Entscheidungsfindung übersteigen.12
2.) Principal-Agent-Modell Principal-Agent-Beziehungen zeichnen sich dadurch aus, dass eine Partei (agent) Entscheidungen zu treffen hat, die Rechtspositionen der anderen Partei (principal) betreffen, und sie bei diesen Entscheidungen regelmäßig einen gewissen Entscheidungsspielraum hat.13 Des Weiteren hat der agent einen Infor8 Vgl. Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, S. 75; außerdem Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Agency-Theorie, S. 53. 9 Fleischer/Schmolke/Zimmer, in: Fleischer/Zimmer, Beitrag der Verhaltensökonomie, S. 9, 12; Kirchgässner, Homo Oeconomicus, S. 12, Fn. 1. Zur Kritik an diesen Annahmen etwa Fleischer/Schmolke/Zimmer, in: Fleischer/Zimmer, Beitrag der Verhaltensökonomie, S. 9, 14 ff.; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 53 ff.; Lüdemann, in: Engel u. a., Recht und Verhalten, S. 7, 9 ff. 10 Siehe dazu z. B. Brunner/Meckling, J. Money, Credit and Banking, 1977, 70, 71 f.; außerdem Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, S. 95 ff. 11 Kirchgässner, Homo Oeconomicus, S. 14; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, S. 96. 12 Zu rationalen Erklärungen für Verhaltensanomalien Posner, Economic analysis of law, S. 23. 13 Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 308 (1976); Ross, 63 Am. Econ. Rev. 134 (1973).
II. Agency-Theorie
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mationsvorsprung gegenüber dem principal, sodass eine asymmetrische Informationslage zwischen dem principal und dem agent besteht.14 Diese asymmetrische Informationslage kann der principal in der Regel nicht eigenständig überwinden, weil dies für ihn mit prohibitiven Kosten verbunden ist. Denn vor Vertragsschluss müsste er den agent und dessen Informationen exakt einschätzen können und nach Vertragsschluss ihn fortlaufend überwachen und sich genaue Kenntnis über alle dem agent bekannten bzw. bekannt werdenden Informationen verschaffen.15 a.) Entscheidungsspielraum des agent Da mit der Etablierung einer Principal-Agent-Beziehung regelmäßig eine Arbeitsteilung angestrebt wird, delegiert der principal Entscheidungskompetenzen auf den agent: 16 Der principal (z. B. ein Kunde oder Mandant) beauftragt den agent (z. B. einen Finanzintermediär oder Rechtsanwalt) mit der Wahrung seiner Interessen und überlässt ihm dabei einen gewissen Entscheidungsspielraum.17 Meist will der principal dadurch eine bessere Sachkunde und/oder Informationsvorsprünge des agent für sich nutzen.18 Dabei ist nicht nur dem principal sondern auch dem agent daran gelegen, die jeweils eigene Wohlfahrt zu erhöhen.19 Für den agent, der mit seinen Entscheidungen die Wohlfahrt des principal beeinflussen kann, besteht der Anreiz, seine Entscheidungen so zu treffen, dass sein eigener Nutzen gesteigert wird, auch wenn dies zu Lasten des von ihm vertretenen principal geht.20 Ist er für mehrere principals tätig, besteht für ihn der Anreiz, diejenigen zu bevorzugen, die ihm voraussichtlich besondere Vorteile bringen und damit seinen Nutzen erhöhen.21 b.) Informationsasymmetrie Mit Blick auf die asymmetrische Information wird zwischen zwei Arten unterschieden, je nachdem, ob die asymmetrische Informationslage vor oder nach dem Vertragsschluss besteht. Die asymmetrische Information vor dem Vertragsschluss wird als adverse Selektion (adverse selection), die asymmetrische
Arrow, in: Pratt/Zeckhauser, Principals and Agents, S. 37, 38 f. Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 138 f. Dazu auch Sitkoff, 89 Cornell L. Rev. 621, 636 (2004). 16 Franke, Agency-Theorie, in: Wittmann u. a, HWB, Sp. 37, 38. 17 Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 173 f. 18 Franke, Agency-Theorie, in: Wittmann u. a., HWB, Sp. 37, 38; vgl. auch Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Agency-Theorie, S. 53. 19 Denn beide handeln rational und nutzenmaximierend. Siehe dazu § 2 II.1.). 20 Vgl. dazu Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, S. 47 ff.; Schweizer, Insiderverbote, S. 54. 21 Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 166. 14
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Information nach dem Vertragsschluss als moralisches Risiko (moral hazard) bezeichnet. (i) Adverse Selektion (adverse selection) Eine adverse Selektion ergibt sich insbesondere dann, wenn die Gruppe der agents aus unterschiedlichen Akteuren besteht und es bessere und schlechtere unter ihnen gibt. In dieser Situation weiß der principal nicht, zu welcher Kategorie der agent, mit dem er kontrahieren möchte, gehört und wie viele gute und schlechte agents es überhaupt gibt (Problem des sog. market for lemons).22 Potentielle agents können ihren diesbezüglichen Informationsvorsprung ausnutzen, um günstigere Verträge abzuschließen. D. h. schlechtere agents werden versuchen, für ihre Leistungen eine vergleichsweise zu hohe Vergütung zu verlangen. Potentielle principals werden dies voraussehen und daher die insgesamt angebotenen Vergütungen für die Leistungen der agents verringern. Während diese Preise für agents, die schlechtere Leistungen bieten, noch interessant sein können, werden qualitativ bessere agents sie nicht mehr als angemessen ansehen. Sie werden sich daher vom Markt zurückziehen. Damit sinkt die durchschnittliche Qualität der angebotenen Dienstleistungen. Die nunmehr erneut zu hohe durchschnittliche Vergütung für die angebotenen (qualitativ schlechteren) Leistungen werden die principals wiederum nach unten anpassen. Setzt sich dies immer weiter fort, kann es schlussendlich zu einem Zusammenbruch des Marktes kommen (sog. Marktversagen). (ii) Moralisches Risiko (moral hazard) Mit „moralischem Risiko“ wird das Problem der Unsicherheit des principal über das Verhalten seines Vertragspartners nach dem Vertragsschluss umschrieben.23 Der principal kann den agent nicht vollkommen kontrollieren, weil er dessen Tätigkeit nicht unmittelbar beobachten bzw. überwachen kann (sog. verstecktes Handeln oder hidden action) oder weil der agent aufgrund von eigenen Beobachtungen über Informationen verfügt, die der principal nicht kennt (sog. versteckte Information oder hidden information).24 Das Problem des versteckten Handelns tritt dann auf, wenn das Ergebnis der Tätigkeit des agent auch von äußeren Faktoren abhängt, sodass der principal 22 Dazu und zum folgenden grundlegend Akerlof, 84 Q. J. Econ. 488 (1970). Siehe auch Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 175. 23 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 420. Dazu grundlegend Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, S. 47 ff.; siehe auch Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 174 f. und 218. 24 Arrow, in: Pratt/Zeckhauser, Principals and Agents, S. 37, 38 f.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 174; Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, S. 112 ff.; Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 425; Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 138 f.; Stiglitz, Principal and Agent, in: Eatwell/Milgate/Newman, The New Palgrave, Vol. 3, S. 966, 967; dazu auch Sitkoff, 89 Cornell L. Rev. 621, 636 (2004).
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nicht vom Ergebnis auf den Arbeitseinsatz des agent schließen kann.25 Aus diesem Grund ist er nicht in der Lage zu bestimmen, ob ein unbefriedigendes Ergebnis auf ein Fehlverhalten des agent oder auf äußere Faktoren zurückzuführen ist.26 In diesem Fall kann der agent ein schlechtes Ergebnis den äußeren Umständen zuschreiben und die Schuld von sich weisen. Verstecktes Handeln kommt insbesondere dann vor, wenn ein agent wegen seiner besonderen Sachkunde engagiert wird. In diesem Fall beruht die Beziehung gerade auch auf dem größeren Wissen des agent und der principal kann regelmäßig nicht nachprüfen, ob eine Entscheidung des agent so umsichtig war, wie sie hätte sein können.27 Das Problem der versteckten Information tritt z. B. auf, wenn der agent über Eigenschaften des Transaktionsgegenstandes oder die beteiligten Personen besser informiert ist als der principal. So ist ein Verkäufer von Waren in der Regel besser über deren Qualität informiert als der Käufer; und ein Kreditnehmer, der einen Vermögensgegenstand beleihen lässt, weiß für gewöhnlich besser über dessen Marktwert Bescheid als der Kreditgeber.28
3.) Die Verringerung von Agencykosten Die Agency-Theorie unterstellt also, dass der agent typischerweise nicht bestmöglich im Interesse des principal handelt.29 Es gilt daher, Wege zu finden, den agent dazu zu bewegen, dies doch zu tun. In der Regel wird dies nicht kostenlos möglich sein. Vielmehr müssen besondere Anreizmechanismen etabliert werden, die sog. agency costs (Vertretungskosten) verursachen. Diese Kosten bestehen aus Überwachungskosten des principal, Bindungskosten des agent und einem Residualverlust.30 Diese Kosten in ihrer Gesamtheit zu minimieren, muss Ziel jeder sachgerechten Lösung von Principal-Agent-Problemen sein. Überwachungskosten entstehen, wenn der principal geeignete Anreize für den agent schafft und/oder ihn überwacht, um mögliche Abweichungen des agent von seinem Interesse zu verhindern.31 Bindungskosten entstehen für den 25 Arrow, in: Pratt/Zeckhauser, Principals and Agents, S. 37; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 174. 26 Cooter/Freedman, 66 N.Y.U. L. Rev. 1045, 1049 (1991); Sitkoff, 89 Cornell L. Rev. 621 636 (2004). 27 Arrow, in: Pratt/Zeckhauser, Principals and Agents, S. 37, 38 (am Beispiel der Arzt-Patienten-Beziehung). 28 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 420. 29 Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 174. 30 Grundlegend zu Agencykosten Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 308 ff. (1976). Siehe außerdem Fama/Jensen, 26 J. L. & Econ. 301, 304 (1983); Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, S. 75; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 177; Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 139; Sitkoff, 89 Cornell L. Rev. 621, 637 (2004). 31 Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 308 (1976); außerdem Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, S. 75, 91 f.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenöko-
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agent, wenn er bestimmte vom principal unerwünschte Verhaltensweisen glaubhaft ausschließen will.32 Beispielsweise kann er Ressourcen (eine Kaution) als Garantie dafür einsetzen, dass er bestimmte Verhaltensweisen unterlässt, die dem principal schaden würden.33 Oder er kann sicherstellen, dass der principal im Nachhinein eine Kompensation erhält, wenn der agent dessen Interessen beeinträchtigt.34 Der Residualverlust entsteht, weil es unmöglich ist, einen vollkommenen Vertrag durchzusetzen.35 Er entsteht dadurch, dass die Entscheidungen des agent in gewissem Umfang von den Entscheidungen abweichen, die für den principal die günstigsten wären, also seine Wohlfahrt maximieren würden.36
4.) Folgerungen für die Regelung von Interessenkonflikten Für die rechtswissenschaftliche Untersuchung von Interessenkonflikten kann die Agency-Theorie wertvolle Hinweise geben.37 Denn jedes Interessenwahrungsverhältnis kann als Principal-Agent-Beziehung qualifiziert werden. Der Interessenwahrer (als agent) verfügt regelmäßig über mehr Informationen und meist auch über eine bessere Sachkunde als der Geschäftsherr (principal). Letzteres gilt insbesondere für Interessenwahrer, die es berufsmäßig übernehmen, die Interessen anderer wahrzunehmen und die sich infolgedessen auf bestimmte Bereiche des Wirtschaftslebens spezialisiert haben. Diese verfügen über zum Teil sehr spezifisches Wissen, das ein Großteil der übrigen Teilnehmer am Wirtschaftsleben nicht hat. Die sich so ergebende Informationsasymmetrie zwischen dem Interessenwahrer und dem Geschäftsherrn gibt dem Interessenwahrer die Möglichkeit, den Interessen des Geschäftsherrn zuwiderzuhandeln und seinen Interessenvorsprung zum eigenen Vorteil auszunutzen und so seine Stellung zu missbrauchen.38 Dies kann er regelmäßig unbeobachtet tun, weil er einen Handlungsspielraum eingeräumt bekommen hat, um für den Geschäftsherrn tätig zu wernomik, S. 177. Siehe auch Law Commission, Company Directors, Consultation Paper, LAW COM No. 153, p. 35, n. 3.11. Die Kosten dafür können oft prohibitiv hoch sein. Cooter/ Freedman, 66 N.Y.U. L. Rev. 1045, 1047 (1991). 32 Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Agency-Kosten, S. 52 f. 33 Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 308 (1976). 34 Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, S. 75, 91 f.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 177; Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 308 (1976). 35 Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Agency-Kosten, S. 52, 53. 36 Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 308 (1976); außerdem Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, S. 75; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 177. 37 Dazu Macey/Miller, 82 Iowa L. Rev. 965 (1997); außerdem Fleischer, Informations asymmetrie, S. 145 f. und 197 ff. 38 Vgl. Dazu Cooter/Freedman, 66 N.Y.U. L. Rev. 1045, 1048 (1991) („appropriation-incentive model“).
II. Agency-Theorie
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den. In dieser Situation gerät der Interessenwahrer, der eigentlich die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen soll, in einen Interessenkonflikt. Dieses ist umso wahrscheinlicher, je größer der Entscheidungsspielraum des Agenten ist. Bei vertraglichen und organschaftlichen Interessenwahrern können Principal-Agent-Probleme mit Hilfe anreizfördernder Entlohnungen und der Vereinbarung geeigneter Kontrollmechanismen angegangen werden.39 Ganz verhindert werden können diese dadurch allerdings nicht. An Grenzen stößt die Lösung über private Vereinbarungen vor allem beim opportunistischen Verhalten ex ante.40 Dies zeigt nicht zuletzt die Entwicklung der Finanzkrise von 2008, bei der zahlreiche Interessenkonflikte verschiedener Akteure mitursächlich für das offenbar eingetretene Marktversagen waren.41 Dementsprechend sind gesetzliche Regelungen erforderlich, die vertragliche Vereinbarungen ergänzen42 und die Vertretungskosten reduzieren.43 Diese müssen darauf hinwirken, die aus dem grundsätzlichen Interessenkonflikt resultierenden Wohlfahrtseinbußen weitestmöglich zu verringern.44 Dies wiederum erfordert, dass die Möglichkeit zu opportunistischem Verhalten des Interessenwahrers soweit wie möglich ausgeräumt wird, ohne allerdings – sofern es sich nicht um einen besonders gravierenden Fall handelt – Interessenwahrungsverhältnisse ganz zu verbieten oder den Entscheidungsspielraum des Interessenwahrers zu stark zu begrenzen. Beides liegt nicht im Interesse des Geschäftsherrn, weil dann die Vorteile der Arbeitsteilung und insbesondere die der besseren Qualifikation und Information des Interessenwahrers verloren gehen würden.45 Aus diesem Grund sind etwa Inhabilitätsvorschriften und ähnlich umfängliche Verbote, die eine Aufnahme eines Interessenwahrungsverhältnisses vollständig untersagen, nur dann vertretbar, wenn es sich um sehr schwerwiegende Interessenkonflikte handelt. Um der Neigung des Interessenwahrers (also des agent), Handlungsspielräume im Verborgenen zum eigenen Vorteil zu nutzen, entgegenzutreten, müssen die Regelungen darauf ausgelegt sein, dass der Interessenwahrer die Interessen des Geschäftsherrn bestmöglich wahrnimmt und alles unterlässt, was die Interessen des Geschäftsherrn beeinträchtigen könnte. Wichtigstes rechtliches Instrument ist in diesem Zusammenhang die Interessenwahrungspflicht, die für alle Interessenwahrer gilt und einen strengen Pflichtenstandard statuiert, der 39 Vgl. Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 198. Zu der Problematik einer angemessenen und anreizadäquaten Entlohnung siehe die Ausführungen in Kumpan, Strani pravni Zivot 1/2008, 85 ff. 40 Richter/Furbotn, Neue Institutionenökonomik, S. 203. 41 Dazu schon unter § 2 I. 42 Vgl. Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 198. 43 Law Commission, Company Directors, Consultation Paper, LAW COM No. 153, p. 35, n. 3.11; Sitkoff, 89 Cornell L. Rev. 621, 648 (2004). 44 Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 140. 45 Siehe dazu Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, S. 91.
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§ 2 Ökonomische Erwägungen zur Regelung von Interessenkonflikten
über die gewöhnlichen vertraglichen Rücksichtnahme- und Schutzpflichten hinausgeht.46 Justice Cardozo hat dies seinerzeit so umschrieben: „Many forms of conduct permissible in a workaday world for those acting at arm’s length, are forbidden to those bound by fiduciary ties. A trustee is held to something stricter than the morals of the market place. Not honesty alone, but the punctilio of an honour the most sensitive, is the standard of behaviour”.47 Diese gesteigerte Loyalitätspflicht wird in zahlreichen Regelungen konkre tisiert, die den Handlungsspielraum des Interessenwahres einengen. Dies kann etwa wie bei § 181 BGB dadurch erfolgen, dass bestimmte Geschäfte nicht bzw. nur mit Zustimmung des Geschäftsherrn durchgeführt werden können oder wie im Fall des Frontrunning am Kapitalmarkt ganz verboten sind. Wettbewerbsverbote grenzen ganze Handlungsbereiche aus und verschließen so dem Interessenwahrer in erheblichem Umfang Möglichkeiten zu opportunis tischem Verhalten. Ein bei allen vertraglichen, organschaftlichen und gesetz lichen Interessenwahrungsverhältnissen zur Anwendung kommendes In strument zur Verringerung von Agency-Problemen sind vor allem Offenlegungs- und Anzeigepflichten.48 Diese zielen unmittelbar auf das Problem der asymmetrischen Informationslage, also die besseren Informationen und Kenntnisse des Interessenwahrers – insbesondere auch in Bezug auf seine Interessenkonflikte. Ein anderes Beispiel ist das Verbot, Geschäftschancen des Geschäftsherrn wahrzunehmen. Diese Regelung weist alle Geschäftschancen, von denen der Interessenwahrer aufgrund seiner Stellung als Interessenwahrer erfährt, dem Vermögensbereich des Geschäftsherrn zu und verringert so den Spielraum für verborgene Handlungen des Interessenwahrers, die den Geschäftsherrn benachteiligen.49 Durch diese strengen Verhaltensanforderungen und Verbote soll insgesamt der Schutz des Geschäftsherrn vor einem opportunistischen Verhalten des Interessenwahrers erhöht und seine Kontrollkosten gesenkt werden.50
III. Strategien zur Überwindung von Informationsasymmetrien Ein weiterer Ansatz zum Umgang mit Interessenkonflikten stellt auf die Überwindung von Informationsasymmetrien durch den Einsatz von Strategien, wie dem sog. Signalisieren (signaling) oder dem Screening (screening), ab.
Siehe dazu § 3 IV.1.). Meinhard v. Salmon, 249 N.Y. 458, 464, 164 N.E. 545, 546 (1928). 48 Zu Offenlegungspflichten ausführlich in § 6. Vgl. in diesem Zusammenhang Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 145. 49 Fleischer, DStR 1999, 1249, 1251; ders., ZGR 2001, 1, 8. 50 Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 198. 46 47
III. Strategien zur Überwindung von Informationsasymmetrien
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1.) Signalisieren (signaling) Im Fall des Signalisierens gibt ein besser informierter Akteur „Signale“ hinsichtlich der von ihm angebotenen Waren oder Dienstleistungen oder auch sich selbst, aus denen andere zutreffende Informationen entnehmen können.51 Auf diese Weise versucht der Signalgeber, sich von anderen Anbietern abzusetzen. Entsprechend wird er Aktivitäten unternehmen, die für ihn weniger kostspielig sind als für Anbieter von Gütern oder Leistungen geringerer Qualität. Erkennt ein möglicher Vertragspartner darin ein (potentielles) „Signal“ für Qualität, wird er bereit sein, für höherwertige Signale höhere Vergütungen zu zahlen.52 Notwendige Bedingung dafür ist, dass das Aussenden eines falschen Signals für den Signalgeber immer ungünstiger ist, als wenn er ein richtiges Signal gibt.53 Die Kosten falscher Signale müssen daher im Vergleich zu den Kosten wahrheitsgemäßer Signale so hoch sein, dass sich falsche Signale nicht lohnen.54
2.) Screening und Selbstselektion Im Unterschied zum Signalisieren, bei dem der besser informierte Akteur die Initiative ergreift, geht beim Screening die Initiative vom schlechter informierten Akteur aus.55 Dieser beschafft sich Informationen über die Präferenzen der potentiellen Vertragspartner, etwa durch Tests, z. B. eine Kreditwürdigkeitsprüfung, oder indem er eine Auswahl von Verträgen anbietet, die so gestaltet sind, dass die besser informierten Vertragspartner durch ihre Entscheidung für einen bestimmten Vertrag wesentliche Informationen offenbaren (letzteres wird auch als Selbstselektion bezeichnet).56 Dazu grundlegend Spence, 87 Q. J. Econ. 355 (1973); ders., Market Signaling, 1974. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 295. Ein Beispiel für ein solches Signal ist das Vorweisen von Bildung als Signal für höhere Arbeitsproduktivität. 53 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 424. Kostenlose Signale werden demgegenüber dadurch glaubwürdig, dass falsche Signale zu Marktreaktionen führen, die für den Signalgeber nachteilig sind. 54 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 424. Beispiel dafür sind Ausbildungsnachweise von Bewerbern. 55 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 425. 56 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 424. Siehe auch Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 124 (zur Selbstselektion S. 125). Ein Versicherungsunternehmer kann zum Beispiel vor dem Problem stehen, dass seine Kunden sich hinsichtlich wesentlicher Risikomerkmale voneinander unterscheiden, wobei jeder Kunde seine eigenen Risikomerkmale kennt, diese aber für andere nicht erkennbar sind; man kann nicht ohne weiteres damit rechnen, dass die Kunden über ihre Risikomerkmale wahrheitsgemäß Auskunft geben. Ein Ausweg kann darin liegen, dass verschiedene Verträge angeboten werden, die insbesondere nach Prämie und Selbstbeteiligung so gestaffelt sind, dass jeder Kunde aus eigenem Interesse den Vertrag wählt, der seinen speziellen Risikomerkmalen entspricht und dadurch die relevante Information offenlegt. Dazu Rothschild/Stiglitz, 90 Q. J. Econ. 629 (1976); Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 425. 51
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§ 2 Ökonomische Erwägungen zur Regelung von Interessenkonflikten
3.) Garantien (bonding) Aufbauend auf dem Konzept des Signalisierens wurde der Einsatz von Garantien als weitere Möglichkeit der Informationsübermittlung entwickelt.57 Dieser Ansatz basiert darauf, dass Anbieter hochwertiger Waren oder Dienstleistungen Garantien zu geringeren Preisaufschlägen anbieten können als Anbieter weniger hochwertiger Güter, weil bei ihnen der Garantiefall seltener eintritt. Anbieter von Gütern minderer Qualität können mit ihnen nicht mithalten, weil dies für sie zu teuer wäre.58 Die Nachfrager, die dies wissen, werden daher das Fehlen einer Garantie als Indiz dafür ansehen, dass das jeweilige Gut von minderer Qualität ist. Sie werden daher weniger für die betreffende Ware oder Dienstleistung bieten oder sogar von einem Erwerb bzw. der Inanspruchnahme ganz absehen. Da auf diese Weise verschiedene Märkte für Güter von hoher und von minderer Qualität entstehen und somit Preisunterschiede möglich bleiben, wird ein Marktversagen verhindert.59
4.) Folgerungen für die Regelung von Interessenkonflikten Die genannten Informationsstrategien, insbesondere das Signalisieren, kommen auch für den Umgang mit Interessenkonflikten in Frage. Beispiel hierfür sind etwa die sehr strikten berufsrechtlichen Regelungen der Anwälte und Wirtschaftsprüfer im Hinblick auf Interessenkonflikte. Indem sie sich als Berufsträger diesen Regelungen unterwerfen, signalisieren sie, dass sie mit Interessenkonflikten in einer bestimmten – den berufsrechtlichen Vorgaben entsprechenden – Weise umgehen wollen. Tun sie dies nicht und verletzen sie ihre berufsrechtlichen Pflichten, können sie mit berufsrechtlichen Sanktionen belegt werden (siehe z. B. §§ 113 ff. BRAO). Dadurch wird dieses Signal für sie teuer und damit für Außenstehende besonders glaubhaft. Auch die Unabhängigkeit kann als ein Signal verstanden werden. Der Verpflichtete signalisiert durch die entsprechende Vereinbarung bzw. seine Unterwerfung unter die jeweilige Vorschrift, dass er sich in einer bestimmten (nämlich unabhängigen) Weise verhalten wird. Im Fall vertraglicher oder organschaftlicher Interessenwahrer können solche Regelungen grundsätzlich vertraglich vereinbart werden, die Signale also privat gegeben werden. Eine gesetzliche Regelung erhöht allerdings den Signalwert, weil der Staat dadurch sein besonderes Interesse an der Richtigkeit des jeweiligen Signals demonstriert. 57 Zur informationsvermittelnden Funktion von Garantien vor allem Grossman, 24 J. L. & Econ. 461 (1981). 58 Dazu Grossman, 24 J. L. & Econ. 461, 470 ff. (1981); außerdem bspw. Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 126. 59 Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 126 (dort auch zu den Grenzen eines solchen Ansatzes, die allerdings bei Interessenkonflikten keine wesentliche Bedeutung haben).
IV. Unvollständige Verträge
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IV. Unvollständige Verträge Eine Rechtfertigung für gesetzliche Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten bietet vor allem die Theorie der unvollständigen Verträge. 60 Diese basiert auf dem Gedanken, dass in Verträgen nicht jede mögliche Eventualität geregelt werden kann und diese daher immer unvollständig sind. Denn alle erdenklichen Vorkommnisse zu regeln, wäre mit prohibitiv hohen Kosten verbunden.61 Interessenwahrungsverträge sind von ihrer Natur her unvollständige Verträge, weil sie für die Zukunft offen gestaltet sind und dem Interessenwahrer einen Handlungs- und Entscheidungsspielraum gewähren.62 Ökonomisch gesehen ist eine offene Gestaltung in diesen Fällen sinnvoll, weil andernfalls die angestrebte Arbeitsteilung entweder nur zu erheblich höheren Kosten oder möglicherweise auch gar nicht möglich wäre.63 Wie der Interessenwahrer im konkreten Einzelfall handeln soll, lässt sich angesichts der Unmöglichkeit, zukünftige Entwicklungen und Situationen vorauszusagen, weder im Detail noch umfassend vereinbaren. Denn bei Aufnahme der Beziehung lässt sich nicht vorhersehen, wie sich diese im Laufe der Zeit entwickelt, welche Geschäftschancen sich ergeben werden, wie mit diesen jeweils verfahren werden soll etc. Denn das Wirtschaftsleben ist vielfältigen Veränderungen ausgesetzt und erfordert daher eine ständige Anpassung.64 Auch im Fall von Interessenwahrungsverträgen ist die Regelung jeder erdenklichen Situation im Vorhinein mit prohibitiv hohen Kosten verbunden; oder der principal müsste bei jeder Entscheidung hinzugezogen werden, was dem Zweck von Interessenwahrungsverhältnissen widersprechen würde.65 Dies gilt insbesondere für längerfristig angelegte Interessenwahrungsverhältnisse. Aber auch bei kurzfristigen Interessenwahrungsverhältnissen können nicht alle Aspekte geregelt werden. Denn der Interessenwahrer wird in der Regel gerade deshalb angestellt, damit er für den Geschäftsherrn Entscheidungen trifft, für die der Geschäftsherr nicht genügend 60 Zu unvollständigen Verträgen Jickeli, Der langfristige Vertrag, insb. S. 48 ff.; Easterbrook/Fischel, 36 J. L. & Econ. 425 (1993); Grossman/Hart, 94 J. Pol. Econ. 691 (1986); Hart, 4 J. L. Econ. & Org. 119 (1988). 61 Janke, Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, S. 153; siehe auch Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 182. Zur Schwierigkeit alle Eventualitäten vorauszusehen auch Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 35, 90; dies, 36 J. L. & Econ. 425, 426 (1993); Posner, Economic Analysis of Law, § 4.1 (S. 118); Fleischer, ZGR 2001, 1, 5. 62 Vgl. Boatright, in: Davis/Stark, Conflicts of Interest in the Professions, S. 217, 220. 63 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 146; Frankel, 71 Cal. L. Rev. 795, 809 (1983); siehe auch Zöllner, Schranken, S. 343. 64 Vgl. Zöllner, Anpassung, S. 11; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 102; Weipert, ZGR 1990, 142, 144. 65 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 146. Bzgl. Gesellschaftsverträgen z. B. Janke, Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, S. 153; Fleischer, ZGR 2001, 1, 4 f. Siehe außerdem Lutter, AcP 180 (1980), 84, 91.
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Sachkunde oder nicht ausreichend Informationen besitzt oder die er aus einem anderen Grunde nicht treffen kann. Als Antwort auf die Unvollständigkeit von Verträgen werden in der Regel sog. governance structures vereinbart, 66 zu denen insbesondere Entscheidungskompetenzen gehören. Diese können unterschiedlich gestaltet sein: So können die Parteien beim Auftreten von Lücken die Verträge nachverhandeln oder einer der Parteien oder einem Dritten die Entscheidung überlassen, wie eine Lücke zu füllen ist.67 Im zweiten Fall – zu diesem gehören auch die Interessenwahrungsverhältnisse – delegiert der principal dem agent Entscheidungsmacht und gewährt ihm dafür einen Ermessensspielraum anstatt alle möglichen Situationen mit Hilfe vertraglicher Vorgaben zu regeln.68 In dieser Situation sind besondere Mechanismen nötig, um das Vertrauen des principal in den agent sicherzustellen. Im Rahmen von Austauschverträgen wird der zur Entscheidung Berufene regelmäßig zumindest zu einem „billigen Ermessen“ angehalten, das gerichtlich nachprüfbar ist, vgl. §§ 315, 319 Abs. 1 BGB. Im Fall der Interessenwahrung öffnet die andere Partei, der Geschäftsherr, seine Interessensphäre gegenüber dem Interessenwahrer allerdings erheblich weiter als bei bloßen Austauschverträgen, die eine Leistungsbestimmung vorsehen. Aus diesem Grund müssen zusätzliche Schranken für den dem Interessenwahrer zugebilligten Ermessensspielraum vorgesehen werden.69 Dies geschieht mit Hilfe der strikten Interessenwahrungspflicht, die von ihrem Pflichtenstandard über das bloß billige Ermessen weit hinausgeht.
V. Verhaltensökonomik (behavioral economics) Da es sich beim Interessenkonflikt um ein besonderes psychologisches Phänomen handelt, können vor allem die empirisch gewonnenen verhaltensökonomischen Erkenntnisse Hilfestellungen bei der Überprüfung der Angemessenheit von Regelungen für Interessenkonflikte geben. Ziel des verhaltensökonomischen Forschungsansatzes, auch behavioral economics genannt, ist es, mittels möglichst realistischer Annahmen zu besseren Vorhersagen hinsichtlich des Verhaltens von Individuen zu gelangen.70 66 Zu governance structures Williamson, Economic Institutions of Capitalism, S. 305 f.; außerdem ders., 22 J. L. & Econ. 233, 247 ff. (1979). 67 Jickeli, Der langfristige Vertrag, S. 77 ff.; siehe auch Janke, Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, S. 155 f. 68 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 770. 69 Vgl. für die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht Janke, Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, S. 158. 70 Für eine Zusammenstellung der wichtigsten Arbeiten Kahneman/Tversky, Choices, Values, and Frames (2000), sowie Shefrin (Hrsg.) Behavioral Finance Vol. I und III, jeweils Part. I. Für eine Überblick im Deutschen etwa Klöhn, Kapitalmarkt, S. 90 ff.; Kowalewski,
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Grundlage für die verhaltensökonomische Forschung sind zahlreiche, von Psychologen und Wirtschaftswissenschaftlern durchgeführte Untersuchungen über menschliches Verhalten in wirtschaftlichen Entscheidungssituationen.71 Bereits Mitte der 1950er Jahre hatte Herbert Simon das Konzept der bounded rationality für von ihm beobachtete Abweichungen vom Rationalmodell propagiert und versucht, Einsichten der kognitiven Psychologie mit dem ökonomischen Postulat der Rationalität in Einklang zu bringen.72 Mitte der 1970er Jahre begannen dann Kahneman und Tversky mit verhaltenspsychologischen Forschungen, die schließlich im Jahre 1979 in ihre sog. prospect theory (Entscheidungstheorie) mündeten.73 In der Folgezeit wurde diesem Forschungszweig zwischen Ökonomie und Verhaltenswissenschaft immer stärkere Aufmerksamkeit zuteil.74 Im Kern geht es bei diesen Untersuchungen um menschliches Verhalten unter Unsicherheit. Dabei hat sich gezeigt, dass Individuen zwar grundsätzlich versuchen, sich an einer rationalen Handlungsweise zu orientieren, aber es dabei in einer Vielzahl von Fällen zu systematischen Abweichungen vom Ideal eines rational handelnden Individuums kommt (sog. Anomalien oder bias).75 Hierzu gehören z. B. die selektive Wahrnehmung von Informationen oder die Neigung, die eigenen Fähigkeiten zu überschätzen.
1.) Verhaltensanomalien bei der Informationsaufnahme Im Vergleich zu dem rational handelnden, umfassend informierten und eigennützigen Individuum des traditionellen neoklassischen Ansatzes der Ökonomik, ist das im Rahmen der behavioral economics untersuchte Individuum von einer Vielzahl von Verhaltensanomalien geprägt. So kann es Informationen nicht umfassend wahrnehmen und verarbeiten und trifft Entscheidungen auf Basis von (Vereinfachungs-)Heuristiken. Diese werden regelmäßig vor allem Das Vorerwerbsrecht, S. 79 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch, der ökonomischen Analyse, S. 103 ff.; Fleischer/Schmolke/Zimmer, in: Fleischer/Zimmer, Beitrag der Verhaltensökonomie, S. 9, 17 ff.; siehe außerdem Eidenmüller, JZ 2005, 216; Fleischer, FS Immenga, 2004, S. 575. Für eine Literaturübersicht Oehler, ZBB 1992, 97, 114 ff. 71 Ein Nachdruck der wichtigsten Arbeiten findet sich bei Kahneman/Tversky, Choices, Values, and Frames sowie bei Shefrin (Hrsg.), Behavioral Finance, Volume I und III, Series No. 10, 2001, jeweils Part I. 72 Simon, 69 Q. J. Econ. 99 (1955); danach ders., 63 Psychol. Rev. 129 (1956). 73 Kahneman/Tversky, Econometrica 47 (1979), 263. Für diese wurde Kahneman im Jahre 2002 – Tversky war bereits 1996 verstorben – mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. 74 Siehe z. B. die Arbeiten von George Akerlof, Kenneth Arrow, Coplin Camerer, Matthew Rabin und Richard Thaler, wie bspw. Akerlof, 81 Am. Econ. Rev. 1 (1991); Arrow, 59 J. Bus. 385 (1986); Camerer, Behavioral Game Theory; Rabin, 83 Am. Econ. Rev. 1281 (1993); ders., 36 J. Econ. Lit. 11 (1998); Thaler, Quasi-Rational Economics, 1991. 75 Dazu aus dem deutschen Schrifttum Oehler, ZBB 1992, 97; ders., ÖBA 2000, 978.
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dann relevant, wenn Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen werden müssen76 und daher eingeschätzt werden muss, wie wahrscheinlich der Eintritt eines bestimmten Ergebnisses ist. Im Folgenden sollen einige wesentliche Verhaltensanomalien kurz beleuchtet werden, die für den Umgang mit Interessenkonflikten eine Rolle spielen können. Sie können danach eingeteilt werden, in welchem Stadium der Entscheidungsfindung sie auftreten (bei der Informationsaufnahme, der Informationsverarbeitung oder bei der Entscheidung selbst).77 a.) Rahmungseffekt (framing) Bereits bei der Informationsaufnahme kommt es bei Menschen zu systematischen Verzerrungen. Denn Informationen werden regelmäßig nicht absolut, sondern in Abhängigkeit von ihrem jeweiligen Umfeld bzw. ihrer Beschreibung wahrgenommen. Je nach Art der Präsentation der Information kann diese vollkommen unterschiedlich aufgenommen und eingeordnet werden. Allein schon die Art und Weise, wie Fragen formuliert oder Wahlmöglichkeiten präsentiert werden, kann einen erheblichen Einfluss auf die Präferenzen des Entscheidenden – bis hin zur Präferenzumkehr – und damit auch auf dessen Entscheidung haben.78 Eine solche Beeinflussung der Wahrnehmung mittels einer unterschiedlichen Darstellung des Problems wird in der Verhaltensökonomik als „framing“ (“Rahmungseffekt“) bezeichnet.79 Beispiel dafür ist etwa das vielfach zu beobachtende Vorgehen von Restaurants nicht während umsatzstarker Zeiten, insbesondere abends, besondere Aufpreise zu verlangen, sondern während umsatzschwacher Zeiten (z. B. während der sog. happy hour) besondere Rabatte zu gewähren.80 Ökonomisch sind beide Situationen identisch zu beurteilen, aber erfahrungsgemäß werden sich insgesamt mehr Restaurantbesucher durch Preisnachlässe am Nachmittag anlocken lassen als durch Preisaufschläge am Abend.
76 Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 92 f.; siehe dazu auch Korobkin/ Ulen, 88 Cal. L. Rev. 1085 (2000). Zu Heuristiken ausführlich Kahneman/Slovic/Tversky, Judgement under Uncertainty; zu Heuristiken auch Sunstein, 70 U. Chi. L. Rev. 751 (2003). 77 Siehe Kowalewski, Vorerwerbsrecht, S. 80 ff. 78 Zu entsprechenden empirischen Studien z. B. Korobkin/Ulen, 88 Cal. L. Rev. 1051, 1104 ff. (2000). 79 Tversky/Kahneman, 211 Scence 453 (1981); dies., 59 J. Bus. S251 (1986); Kahneman/ Tversky, 39 Am. Psych. 341 (1984); Tversky/Thaler, 4 J. Econ. Persp. 201 (1990); weiterführend DellaVigna, 47 J. Econ. Lit. 315, 347 ff. (2009). Für Studien zum Framing aus dem juristischen Bereich z. B. Korobkin/Guthrie, 93 Mich. L. Rev. 107, 130 ff. (1994). Für einen Überblick Kowalewski, Das Vorerwerbsrecht, S. 80 f.; Koller, FS Huber, 2006, S. 821, 829 f. Für weitere Nachweise Oehler, ZBB 1992, 97, 101 Fn. 32. 80 Kowalewski, Vorerwerbsrecht, S. 81.
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b.) Selektive Wahrnehmung Des Weiteren sind Menschen nur begrenzt aufmerksam und nehmen Informationen regelmäßig selektiv wahr. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Informationen sehr komplex sind und sie relativ schnell aufgenommen werden müssen. Zudem werden Informationen unbewusst danach gefiltert, ob sie den eigenen Vorstellungen entsprechen oder nicht.81 Denn Widersprüche zu den eigenen Ansichten können zu kognitiven Dissonanzen führen. Diese vertragen sich nicht mit dem menschlichen Bedürfnis nach Dissonanzfreiheit und innerer Harmonie.82 Sie können aber vermieden werden, wenn widersprechende Informationen verdrängt werden.83 Dies zeigt sich etwa bei Anlageentscheidungen am Kapitalmarkt. Nachdem Anleger ihr Geld in bestimmte Finanzinstrumente investiert haben, ignorieren sie häufig spätere negative Informationen und halten daher in schlechter werdenden Börsenphasen zu lange an ihren Finanzin strumenten fest, anstatt sie zu verkaufen. c.) Verfügbarkeitsheuristik (availability bias) Informationen werden umso mehr wahrgenommen und bei Entscheidungen berücksichtigt, je besser sie subjektiv verfügbar sind (Verfügbarkeitsheuristik, availability bias).84 Dies ist darauf zurückzuführen, dass bekannte Informationen sich schneller einordnen und verarbeiten lassen als unbekannte. Dabei kann es sich um Informationen handeln, die für die jeweilige Person von besonderer Bedeutung sind oder Ereignisse betreffen, die erst vor kurzem geschehen sind; aufgrund der „Nähe“ der jeweiligen Information können sich die Betroffenen besser an sie erinnern und halten aus diesem Grund die jeweiligen Ereignisse für wahrscheinlicher als sie es tatsächlich sind.85 Beispielsweise wurden von englischsprachigen Testpersonen die Anzahl der auf „ing“ endenden Wörter erheblich höher geschätzt als die Anzahl der Wörter, deren vorletzter Buchstabe ein „n“ ist, obwohl die ersteren einen Unterfall der letzteren bilden und deshalb seltener vorkommen.86 Zurückgeführt wurde dies auf die Verfügbarkeitsheuristik – die auf „ing“ endenden Wörter seien den Sprechern viel präsenter gewesen, weil im Englischen das Gerundium und Par81 Für Beispiele siehe Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218; Goldberg/v. Nitzsch, Behavioral Finance, S. 59 ff.; hierzu außerdem Oehler, ZBB 1992, 97, 100 m.w.N. in Fn. 30. 82 Vgl. dazu Festinger, A Theory of Cognitive Dissonance; außerdem Goldberg/v. Nitzsch, Behavioral Finance, S. 118 ff. 83 Dazu Goldberg/v. Nitzsch, Behavioral Finance, S. 127. 84 Tversky/Kahneman, 185 Science 1124, 1127 (1974). Ausführlich Kahneman/Slovic/ Tversky, Judgement under Uncertainty, S. 163 ff.; Sunstein/Kuran, 51 Stanford L. Rev. 683 (1999); Sunstein, 122 Yale L. J. 1826, 1851 f. (2013). Für weitere Nachweise Oehler, ZBB 1992, 97, 101 Fn. 31. 85 Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 93. 86 Siehe dazu Kahneman/Tversky, 90 Psych. Rev. 295 (1983).
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tizip Präsens diese Endung haben, es dagegen keine vergleichbare Regel für Wörter mit dem vorletzten Buchstaben „n“ gibt.87 Die bessere Verfügbarkeit von Informationen führt also dazu, dass diesen Informationen bei Entscheidungen ein überproportionales Gewicht eingeräumt wird.88 Ein Unterfall dieses Phänomens ist die sog. hindsight bias: Danach halten Menschen die Wahrscheinlichkeit des Eintrittes eines Ereignisses im Nachhinein deshalb für höher, weil es tatsächlich eingetreten ist.89
2.) Verhaltensanomalien bei der Informationsverarbeitung a.) Ankereffekt (anchoring) Weiterhin zeigen empirische Studien, dass sich Menschen bei Entscheidungen unter Unsicherheit an einem Bezugspunkt orientieren und diesen als „Anker“ für ihre Entscheidung nutzen.90 Daher wird dieses Phänomen als „anchoring“ („Ankereffekt“) bezeichnet. Von dem Bezugspunkt ausgehend und in Abhängigkeit zu diesem werden dann die weiteren Informationen zu dem jeweiligen Sachverhalt verarbeitet und Anpassungen nach „oben“ oder „unten“ vorgenommen (sog. adjustment), um so zu einem Endergebnis zu gelangen. Ähnlich wie beim framing spielt also auch beim anchoring der Kontext einer Entscheidung eine wesentliche Rolle. Problematisch ist dies, wenn Individuen von dem Bezugspunkt zu stark beeinflusst werden und ihre Entscheidungen dadurch verzerrt werden. Beispiel für den Ankereffekt ist ein Versuch, bei dem den Teilnehmern eine zufällig ermittelte Zahl genannt wurde und diese dann schätzen sollten, wie hoch die Prozentzahl der in den Vereinten Nationen vertretenen afrikanischen Staaten war, wobei sie angeben sollten, ob ihre Schätzung höher oder niedriger als die ihnen genannte Zahl war. Wurde den Teilnehmer eine niedrige Zahl vorgegeben, waren die Schätzungen erheblich niedriger, als wenn eine höhere Zahl genannt wurde.91 b.) Besitzeffekt (endowment effect) Müssen Individuen Entscheidungen treffen, die zu Veränderungen ihrer Situation führen, orientieren sie sich regelmäßig an dem, was sie im Zeitpunkt der Entscheidung haben (ihre „Ausstattung“) und nehmen dies als Bezugspunkt. In diesem Zusammenhang kommt eine Reihe von empirischen Studien zu dem Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 93. Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 93. 89 Dazu Fischhoff, 1 J. Experimental Psychol.: Human Perception & Performance 288 (1975); weiterhin Hawkins/Hastie, 107 Psychol. Bull. 311 (1990). 90 Tversky/Kahneman, 185 Science 1124, 1128 (1974). 91 Tversky/Kahneman, 185 Sceince 1124, 1128 (1974). 87
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Ergebnis, dass Menschen Güter, die ihnen gehören, höher bewerten als fremde Güter. Dies wird als Besitzeffekt oder „endowment effect“ bezeichnet.92 Dadurch kommt es zu einer Asymmetrie zwischen Angebots- und Nachfragebereitschaft. So maßen bspw. in einem Experiment, die als „Verkäufer“ agierenden Testpersonen ihren Produkten im Mittel einen höheren Wert zu als die „Käufer“ bereit waren, dafür zu zahlen.93 Dieser Besitzeffekt wird umso stärker, je länger jemand eine Sache schon besitzt und je mehr Arbeit er in sie gesteckt hat.94 c.) Verlustaversion (loss aversion) Ein dem Besitzeffekt ähnliches Phänomen ist die sog. Verlustaversion („loss aversion“). Menschen empfinden Verluste regelmäßig schmerzlicher als Gewinne in gleicher Höhe. So kommt es, dass sie sich im Falle von möglichen Verlusten eher risikofreudig, im Falle von möglichen Gewinnen dagegen eher risikoavers verhalten.95 Bei der Bewertung von Entscheidungsmöglichkeiten kommt es demnach entscheidend auf den Bezugspunkt an und ob die Entscheidung (relativ zu diesem) zu einem Verlust oder einem Gewinn führt. Damit ließe sich auch erklären, warum bei Entscheidungen häufig sog. „gesunkene Kosten“ berücksichtigt werden, also in dem jeweiligen Zusammenhang früher getätigte finanzielle oder andere Investitionen.96 Experimentelle Untersuchungen haben gezeigt, dass solche Kosten weiterhin als Bezugspunkt 92 Zum endowment effect z. B. Thaler, 1 J. Econ. Behav. Organ. 39 (1980); Kahneman/ Knetsch/Thaler, 5(1) J. Econ. Persp. 193 (1991); Korobkin, 97 Nw. U. L. Rev. 1227 (2003). Krit. zum endowment effect Klaas/Zeiler, 61 UCLA L. Rev. 2 (2013); Plott/Zeiler, 95 Am. Econ. Rev. 530 (2005). 93 Zufällig ausgewählte Testpersonen erhielten Kaffeebecher und sollten als „Verkäufer“ agieren. Sie maßen ihren Bechern einen mittleren Wert von 5,15 US-$ bei, während die „Käufer“ im Mittel lediglich bereit waren, für die Becher 2,25 US-$ zu zahlen. Dazu Kahneman/Knetsch/Thaler, 98 J. Pol. Econ. 1325 (1990). Zu weiteren Beispielen Thaler, 1 J. Econ. Behav. Organ. 39 (1980); Kahneman/Knetsch/Thaler, 5(1) J. Econ. Persp. 193, (1991). 94 Strahilevitz/Loewenstein, 25 J. of Consumer Research 276 (1998); Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 85. Weitere Untersuchungen haben allerdings ergeben, dass der Besitzeffekt nicht auftritt, wenn jemand statt einer Sache lediglich das Versprechen „besitzt“ bzw. erhalten hat, die Sache zu bekommen. Dazu Arlen, 51 Vand. L. Rev. 1777 (1998). 95 In einer Untersuchung zogen beispielsweise Testpersonen eine 80%-Chance, 4000 US-$ zu verlieren, einem sicheren Verlust von 3000 US-$ mehrheitlich vor, zeigten sich jedoch überwiegend risikoavers, als es um Gewinne in vergleichbarer Höhe ging, d. h. sie zogen die sicheren 3000 US-$ einer 80%-Chance, 4000 US-$ zu gewinnen, vor. Dazu Kahneman/ Tversky, 47 Econometrica 263, 268 f. (1979); zur Verlustaversion auch Kahneman/Tversky, 39 Am. Psych. 341 (1984); Tversky/Kahneman, 106 Q. J. Econ. 1039 (1991); Benartzi/ Thaler, 110 Q. J. Econ. 75 (1991); Langevoort, 84 Cal. L. Rev. 627, 637 (1996); Sunstein, 1 Am. Law & Econ. Rev. 115, 124 f. (1999). Das Umschalten von Risikoaversion zu Risikosuche nannten Kahneman und Tversky „reflection effect“. Siehe Kahneman/Tversky, 47 Econometrica 263, 268 (1979). 96 Dazu Thaler, 1 J. Econ. Behav. Organ. 39 (1980); Kahneman/Tversky, 39 Am. Psych.
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betrachtet werden, sodass eine Entscheidung, die zu einer Verlustrealisierung relativ zu dieser früheren Investition führt, eine Verlustaversion auslöst. Nach der herkömmlichen ökonomischen Ansicht, die von einem rational entscheidenden Individuum ausgeht, dürften diese Kosten bei einer Investitionsentscheidung keine Rolle mehr spielen, sondern nur noch die (ab der Entscheidung anfallenden) zukünftigen Kosten und Gewinne. d.) Präferenz für den Status Quo (status quo bias) Besitzeffekt und Verlustaversion sind Teil des übergeordneten Phänomens einer umfassenden Präferenz für den Status Quo („status quo bias“).97 Als Beispiel dafür wird auf das im Rahmen einer Studie beobachtete Verhalten von Versicherungsnehmern in Pennsylvania und New Jersey verwiesen.98 In beiden Staaten wurden zwei nahezu identische Basisversicherungspakete angeboten, die sich nur dadurch unterschieden, dass die teurere Variante ein Klagerecht enthielt, die billigere dagegen nicht. Während in New Jersey die erste Variante der Standard war, war es in Pennsylvania die zweite. In beiden Staaten wählte die deutliche Mehrzahl der Versicherungsnehmer die jeweilige Standardvariante, ohne dass dafür sachliche Gründe erkennbar waren. Dementsprechend haben sog. default rules eine prägende Bedeutung für die tatsächliche Rechtslage in einem Land. Privatpersonen werden eher selten von den vorgegebenen Regelungen, dem Status Quo, abweichen – anders ist dies dagegen bei Unternehmen, die sich eine umfangreiche Rechtsberatung leisten können, wobei sie allerdings ohnehin dem rational entscheidenden Nutzenmaximierer sehr viel näher sind als Privatpersonen.
3.) Verhaltensanomalien bei der Entscheidung a.) Aversion gegen Extreme (extremeness aversion) Mit Blick auf die Entscheidungsfindung haben empirische Studien gezeigt, dass Individuen in der Regel Kompromisse dem Extrem vorziehen. Haben sie z. B. zwischen zwei Angeboten mit verschiedenen Preisen zu wählen und entscheiden sich für die preislich günstigere Alternative, wäre es rational, die gleiche Wahl auch in dem Fall zu treffen, dass die Angebotspalette um eine dritte noch viel teurere Variante erweitert wird. Untersuchungen zeigen jedoch, dass es in einem solchen Fall wahrscheinlicher wird, dass nunmehr nicht die günstigste, 341 (1984); außerdem Eidenmüller, JZ 2005, 216, 219; Jolls/Sunstein/Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1471, 1482 f. (1998). 97 Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 86. Dazu Kahneman/Knetsch/ Thaler, 5(1) J. Econ. Persp. 193 (1991); Samuelson/Zeckhauser, 1 J. Risk & Uncertainty 7 (1988). 98 Dazu Sunstein, 1 Am. Law & Econ. Rev. 115, 124 (1999).
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sondern die mittlere Variante – sozusagen als Kompromiss – gewählt wird.99 Dieser Effekt wird als Aversion gegen Extreme („extremeness aversion“) bezeichnet.100 Auch hier beeinflusst der Kontext einer Entscheidung die Präferenzen des Individuums in diesem Zeitpunkt. b.) Ähnlichkeitsheuristik (representativeness heuristic) Mittels der sog. Ähnlichkeitsheuristik („representativeness heuristic“) ermitteln Menschen bedingte Wahrscheinlichkeiten danach, wie gut der betrachtete Umstand zu einer bestimmten Hypothese passt.101 Untersuchungen haben in diesem Zusammenhang gezeigt, dass sie dabei Ähnlichkeiten ein übermäßiges Gewicht beimessen und vernachlässigen, mit welcher Wahrscheinlichkeit der jeweilige Umstand überhaupt eintreten kann. In diesen Zusammenhang gehört die fälschlich vorgenommene Zuweisung statistischer Eigenschaften von großen Ereignismengen zu einer kleinen Ereignismenge. Dies geschieht etwa, wenn jemand der sog. „gambler’s fallacy“ erliegt, indem er im Anschluss an eine Serie von Münzwürfen mit dem Ergebnis „Kopf“ annimmt, die Wahrscheinlichkeit im nächsten Wurf das Ergebnis „Zahl“ zu erhalten, sei größer als 50%. Bei der umgekehrten Ausprägung dieses Fehlschlusses glaubt der Betroffene an eine „Strähne“ („hot hand fallacy“), d. h., dass eine Folge von gleichen Ergebnissen dazu führt, dass auch das nächste Ergebnis diesen entspricht.102 c.) Übermäßiges Selbstbewusstsein (overconfidence bias, overoptimism) Der Begriff overconfidence bias oder übermäßiges Selbstbewusstsein umschreibt die experimentell nachgewiesene Neigung von Menschen, bei Entscheidungen die eigenen Fähigkeiten und das eigene Wissen zu überschätzen und davon auszugehen, dass sie von negativen Ereignissen seltener betroffenen werden als andere.103 Sie vertrauen zu stark auf die Qualität ihres eigenen Wissens und die Richtigkeit der eigenen Entscheidungen. Damit einher geht die
Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 82. Dazu ausführlich Kelman/Rottenstreich/Tversky, 25 J. Legal Stud. 287 (1996). 101 Zur Ähnlichkeitsheuristik ausführlich Kahneman/Slovic/Tversky, Judgement Under Uncertainty: Heuristics and Biases, S. 23 ff.; Tversky/Kahneman, 185 Science 1124 (1974). 102 Dazu Camerer, 79 Am. Econ. Rev. 1257 (1989). 103 Grundlegend Fischhoff/Slovic/Lichtenstein, 3 J. Exper. Psychol. 552 (1977); siehe außerdem Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 95; Sunstein, 122 Yale L. J. 1826, 1851 f. (2013); für eine Übersicht Langevoort, 146 U.Pa.L.Rev. 101, 139 (1997); Kowalewski, Das Vorerwerbsrecht, S. 87; Koller, FS Huber, 2006, S. 821, 829. Zu Studien etwa Svenson, 47 Acta Psychologica 143 (1981) Camerer/Lovallo, 89 Am. Econ. Rev. 306 (1999); Malmendier/Tate, 60 J. Fin. 2661 (2005); Baker/Emery, 17 Law and Human Behavior 439 (1993); DellaVigna/Malmendier, 96 Am. Econ. Rev. 694, 716 (2006). 99
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Tendenz, übermäßig optimistisch zu sein (overoptimism).104 Fehlerrisiken werden daher systematisch unterschätzt. So glaubten bei einer Befragung ca. 70%-90% aller Autofahrer, dass sie ihr Fahrzeug besser beherrschten als der Durchschnitt und deshalb seltener in Unfälle verwickelt würden,105 obwohl dies statistisch nicht möglich ist. Auch hielten sich 94% der Universitätsprofessoren für kompetenter als ihre Kollegen106 – was ebenfalls statistisch unmöglich ist. Hinter diesem übermäßigen Selbstvertrauen steht wohl ganz wesentlich der Wunsch, aufgrund der eigenen Fähigkeiten, seine Umwelt und seine Entscheidungen beherrschen zu können, auch wenn der eigene Einfluss objektiv geringer ist als gedacht (sog. Kontrollillusion).107 d.) Bedürfnis nach Dissonanzfreiheit (conservatism bias und confirmatory bias) Das Bedürfnis nach Dissonanzfreiheit spiegelt sich in der sog. conservatism bias. Damit wird die bei Menschen zu beobachtende Zurückhaltung bezeichnet, von einmal geformten Erwartungen abzuweichen.108 Dies führt dazu, dass der Wert von Informationen, die sich mit den eigenen Erwartungen nicht decken, unterschätzt wird und die Erwartungen nur unzureichend angepasst werden. Im Gegensatz dazu werden Informationen, die die Erwartungen bestätigen, überbewertet und mehrdeutige Informationen so interpretiert, dass sie mit den eigenen Ansichten übereinstimmen.109 Dies wird als confirmatory bias bezeichnet. Diese Verhaltensanomalie wirkt sich auch auf die Informationssuche aus, was sich daran zeigt, dass Menschen dazu neigen, nach Informationen zu suchen, die ihre Meinung bestätigen, nicht aber nach solchen, die ihr widersprechen.110 e.) Dynamische Inkonsistenz (dynamic inconsistency) Sollen im Rahmen von Entscheidungen zukünftige Entwicklungen berücksichtigt werden, neigen Menschen zu einer „dynamischen Inkonsistenz“ (dynamic
104 Irwin, 21 J. Personality 329 (1953); Klöhn, Kapitalmarkt, S. 116; vgl. auch Thaler, 14(1) J. Econ. Persp. 133 (2000). 105 Svenson, 47 Acta Psychologica 143, 146 (1981). 106 Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 96. 107 Dunning/Heath/Suls, 5 Psychol. Sci. Pub. Int. 69, 80 (2004); Kowalewski, Das Vorerwerbsrecht, S. 88. 108 Dazu Klöhn, Kapitalmarkt, S. 107. 109 Dazu Rabin/Schrag, 114 Q. J. Econ. 37, 38 (1999); Hirshleifer, 56 J. Fin. 1533, 1549 (2001); Klöhn, Kapitalmarkt, S. 107. 110 Klöhn, Kapitalmarkt, S. 107.
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inconsistency): 111 Zukünftige Bedürfnisse werden nicht korrekt eingeschätzt112 und werden häufig, wenn sie mit gegenwärtigen Präferenzen für die Zukunft in Konflikt geraten, hintangestellt.113 So ist es möglich, dass eine Person, die eine erst nach zehn Jahren wirksam werdende Entscheidung getroffen hat, diese Entscheidung einige Jahre vor Eintritt ihrer Konsequenzen bereuen wird. Diese unterschiedliche Gewichtung von gegenwärtigen und zukünftigen Präferenzen kann Probleme bei der Selbstkontrolle und damit Zeitinkonsistenzen erklären. Danach wird einem Verhalten, das zukünftigen Nutzen abwirft, aber gegenwärtig Kosten verursacht (z. B. der Verzicht auf Zigaretten oder auf schnell erhältliche, aber ungesunde Speisen), ein geringerer Wert beigemessen, als ihm eigentlich beigemessen werden müsste. Dagegen wird einem Verhalten, das gegenwärtig Nutzen bringt, aber zukünftig Kosten verursacht (z. B. Rauchen, schnell erhältliches aber ungesundes Essen), ein höherer Wert zuerkannt als es eigentlich hat, weil dessen unmittelbarer gegenwärtiger Nutzen höher erscheint.114
4.) Prospect theory Diese Effekte und Anomalien wurden von Kahneman und Tversky zu einer umfassenden Entscheidungstheorie, der sog. prospect theory zusammengefügt.115 Ausgehend von den experimentellen Beobachtungen versucht diese zu modellieren, wie Menschen tatsächlich entscheiden. Ihr liegt daher ein verhaltenswissenschaftlich fundiertes, auf empirische Befunde gestütztes Konzept zugrunde. Anders als im Rational Choice Modell werden Präferenzen nicht mehr als exogene Konstanten angesehen, die durch das konkrete Entscheidungsproblem nicht beeinflusst werden.116 Vielmehr spielt der jeweilige Entscheidungskontext eine wesentliche Rolle. Zwar geht auch die prospect theory davon aus, dass Menschen danach streben, ihren Nutzen zu maximieren. Aber dabei begehen sie in systematischer und daher vorhersehbarer Weise Fehler.117 Für einen Überblick etwa Loewenstein/Prelec, 107 Q. J. Econ. 573 (1992); Frederick/ Loewenstein/O’Donoghue, 40 J. Econ. Lit. 351 (2002); außerdem Sunstein, 122 Yale L. J. 1826, 1842 ff. (2013). 112 Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 81. 113 Jolls/Sunstein/Thaler, 50 Stanford L. Rev. 1471, 1539 (1998). Dieses Phänomen wird auch mit dem Begriff „myopia“ umschrieben, siehe Sunstein, 1 Am. Law & Econ. Rev. 115, 122 (1999). 114 Dazu etwa DellaVigna, 47 J. Econ. Lit. 315, 318 (2009). 115 Grundlegend Kahneman/Tversky, 47 Econometrica 263 (1979); siehe auch dies., 39 Am. Psych. Rev. 341 (1984); dies., 246 Scientific American 160 (1982); dies., 5 J. Risk & Uncertainty 297 (1992); dies., 211 Science 453 (1981). Für einen Überblick Guthrie, 97 Nw. U. L. Rev. 1115 (2003); Sunstein, 1 Am. Law & Econ. Rev. 115 (1999); in Deutsch z. B. Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60. 116 Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 86. 117 Guthrie, 97 Nw. U. L. Rev. 1115, 1116 (2003); Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 86. 111
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§ 2 Ökonomische Erwägungen zur Regelung von Interessenkonflikten
Im Ergebnis gelangt die prospect theory zu folgenden Aussagen: 118 Entscheidungen werden regelmäßig in Bezug auf einen Referenzpunkt gefällt, der in der Regel der Status Quo ist. Allerdings kann dieser manipuliert werden. Stehen Menschen vor Entscheidungen, die bezogen auf den Referenzpunkt zu einem Verlust führen, verhalten sich die meisten von ihnen risikofreudig, geht es dagegen um Gewinne, agieren sie in der Mehrheit risikoavers.119 Ist der Eintritt der Gewinne bzw. Verluste jedoch nur wenig wahrscheinlich, kehren sich diese Risikopräferenzen dagegen um.120 Verluste werden in der Regel doppelt so schwer gewichtet wie gleichhohe Gewinne und Sicherheit wird systematisch überbewertet.121
5.) Folgerungen aus der Verhaltensökonomik für die Regelung von Interessenkonflikten Da die Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten regelmäßig ein bestimmtes Verhalten – vor allem des Interessenwahrers – fördern oder unterbinden sollen, müssen sie auf mögliche Verhaltensanomalien Rücksicht nehmen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sie ihren Zweck verfehlen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Verhaltensanomalien, die Interessenkonflikte begünstigen, sowie für Interessenkonflikte, deren sich der Betroffene nicht völlig bewusst ist oder die er herunterspielt bzw. verdrängt. Mit Blick darauf, dass der mit der Statuierung von Regelungen verbundene Eingriff in die Freiheit der Betroffenen nicht zuletzt aus verfassungsrechtlichen Gründen so gering wie möglich gehalten werden muss, können die verhaltensökonomischen Befunde unterstützend herangezogen werden, um die Notwendigkeit, Passgenauigkeit und möglichen Auswirkungen von Regelungen abzuwägen. a.) Verhaltensanomalien auf Seiten des Interessenwahrers (i) Interessenkonflikte und übermäßiges Selbstvertrauen sowie Überoptimismus Eine Reihe von Vorschriften überlässt es dem Interessenwahrer einzuschätzen, ob er einem Interessenkonflikt unterliegt oder ob er – u. U. nach entsprechender Aufklärung des Geschäftsherrn und dessen Einverständnis hinsichtlich der 118 Für diese Zusammenfassung siehe Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 87. 119 Rachlinski, 70 Southern Cal. L. Rev. 113, 121 (1996). 120 Rachlinski, 70 Southern Cal. L. Rev. 113, 121 (1996). 121 Guthrie, 97 Nw. U. L. Rev. 1115, 1119 (2003). Die prospect theory wurde von Kahneman und Tversky später zur sog. cumulative prospect theory ausgebaut, die die möglichen Konsequenzen einer Entscheidungsalternative zusätzlich noch nach ihrem (Präferenz-)Rang gewichtet, wobei die Gewichte für Gewinne und Verluste getrennt ermittelt werden. Siehe Tversky/Kahneman, 5 J. Risk & Uncertainty 297 (1992).
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weiteren Tätigkeit – trotz eines Interessenkonflikts die Interessen des Geschäftsherrn angemessen wahrnehmen kann. In solchen Fällen besteht die Gefahr, dass der Interessenwahrer seine Fähigkeiten überschätzt (übermäßiges Selbstvertrauen). Auch wenn er bei anderen beobachtet, dass diese unfähig sind, unbeeinflusst von ihren eigenen Interessen zu handeln, kann er dennoch glauben, dass dies bei ihm selbst anders ist.122 Er geht daher fälschlich, weil überoptimistisch, davon aus, dass er mit dem Interessenkonflikt angemessen umgehen kann. Da er einer Kontrollillusion erlegen ist, handelt er in einem solchen Fall nicht unbedingt bewusst zum Nachteil des Geschäftsherrn. Nicht ausgeschlossen ist allerdings, dass er sich in einem späteren Stadium der für den Geschäftsherrn negativen Auswirkungen seines Handelns bewusst wird und sich dann nicht mehr ohne Gesichtsverlust zurückziehen kann und es daher vorzieht weiterzumachen. Sind sich Interessenwahrer bewusst, dass sie einem Interessenkonflikt unterliegen und möglicherweise zum Nachteil des Geschäftsherrn handeln, sollten sie zugleich auch die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten bei ihrem Handeln einkalkulieren. Allerdings kann hier ein Überoptimismus, dass man selbst von negativen Geschehnissen weniger betroffen ist als andere Menschen,123 zu Verzerrungen bei den Entscheidungen führen. Darüber hinaus haben empirische Studien gezeigt, dass Individuen bei ihrer Entscheidungsfindung zwar grundsätzlich sichere Grundlagen gegenüber unsicheren bevorzugen (sog. ambiguity aversion).124 Aber in Fällen, in denen sie sich als besonders kompetent einschätzten, waren die jeweiligen Personen bereit, auch aufgrund nur vager Vorstellungen Entscheidungen zu treffen.125 Da insbesondere berufsmäßige Interessenwahrer, wie etwa Anwälte oder Banken, die Risiken der Interessenwahrnehmung in ihren Bereichen kennen, deuten die genannten empirischen Studien darauf hin, dass sie tendenziell eher bereit sind, diesbezüglich risikobehaftet zu handeln. Für rechtliche Regelungen bedeutet dies unter anderem, dass es den Betroffenen nicht überlassen werden kann, selbst einzuschätzen, ob sie in der Lage sind, mit einem Interessenkonflikt angemessen umzugehen. Dies lässt etwa die Regelung in § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG zu, wonach eine Offenlegung des Konflikts nur dann erforderlich ist, wenn organisatorische Vorkehrungen nicht ausreichen, um nach vernünftigem Ermessen die Kunden vor Beeinträchtigungen zu schützen. Hier besteht die Gefahr, dass die betroffenen Interessenwahrer aufgrund von Überoptimismus dazu tendieren, sich und die von ihnen er122 Dazu Ross/Shestowsky, 97 Nw. U. L. Rev. 1081, 1083 (2003); Gross, 19 Geo. J. Leg. Ethics 111, 115 (2006). 123 Jolls, in: Sunstein, Behavioral Law and Economics, 288, 290 ff. 124 Heath/Tversky, 4 J. Risk & Uncertainty 5 (1991); dazu Fox/Tversky, 110 Q. J. Econ. 585, 586 ff. (1995). 125 Fox/Tversky, 110 Q. J. Econ. 585, 587 (1995).
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richtete und kontrollierte Organisation für ausreichend in der Lage zu sehen, einen entsprechenden Schutz zu gewährleisten. Auch die Einschätzung, ob überhaupt ein Interessenkonflikt vorliegt, kann aus demselben Grund nicht den Interessenwahrern überlassen bleiben. Sachgerechter ist es, bei Vorliegen bestimmter (objektiver) Voraussetzungen eine grundsätzliche Pflicht zur Offenlegung vorzusehen. Des weiteren lässt sich aus dem oben Gesagten ableiten, dass es in Situationen, in denen Interessenkonflikte erhebliche Auswirkungen haben können, gerechtfertigt ist, das Eingehen eines Interessenwahrungsverhältnisses bei Vorliegen bestimmter (objektivier) Voraussetzungen ganz auszuschließen oder einen Dritten, etwa ein Gericht, damit zu beauftragen, über die Geeignetheit des Betroffenen und die Gefahr von Interessenkonflikten zu befinden. Ein Beispiel dafür ist das berufsrechtliche Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen. Dieses knüpft objektiviert an und verschließt den Parteien die Möglichkeit, aufgrund einer abweichenden persönlichen Einschätzung der Situation entgegen der allgemeinen Regelung dennoch eine Vertretung zu vereinbaren. Auch wenn sich daher beispielsweise ein Anwalt für fähig hält, zwei widerstreitende Parteien zu vertreten, darf er dies nicht tun. (ii) Interessenkonflikte und das Bedürfnis nach Dissonanzfreiheit sowie die Verfügbarkeitsheuristik Bei der Entscheidung über das Vorhandensein und den Umgang mit Interessenkonflikten spielt weiterhin eine Rolle, dass Individuen vielfach geneigt sind, Verhalten, das ihrem eigenen Interesse förderlich ist, als normgerecht bzw. moralisch vertretbar einzustufen.126 Gesichtspunkte, die dem widersprechen, werden sie, jedenfalls bis zu einem gewissen Grad, versuchen auszublenden (selektive Wahrnehmung und Bedürfnis nach Dissonanzfreiheit). Dies ist insbesondere in den Fällen zu beobachten, in denen die entsprechenden Normen nicht eindeutig sind. Dies erleichtert es den Betroffenen, die Norm als nicht auf ihr Verhalten anwendbar anzusehen. Diese Einstellung kann durch die Verfügbarkeitsheuristik noch gefördert werden. Wenn Interessenwahrer solche Informationen stärker gewichten, die ihnen besonders präsent sind und sie keine Fälle der Ahndung von zum Nachteil des Geschäftsherrn gelösten Interessenkonflikten kennen, werden sie eigenes interessenkonfliktbelastetes Verhalten eher als normgerecht interpretieren.127 Um dem entgegenzuwirken, sind zum Nachteil des Geschäftsherrn gelöste Interessenkonflikte möglichst öffentlichkeitswirksam zu ahnden. So hat etwa die Entscheidung des Illinois Supreme Court,128 dass Anwälten ihre Zu126 Dazu Daicoff, 48 Fla. L. Rev. 197, 238 (1996); Gross, 19 Geo. J. Legal Ethics 111, 113 (2006). 127 Siehe dazu Gross, 19 Geo. J. Leg. Ethics 111, 116 (2006). 128 In re Himmel, 533 N.E.2d 790 (Ill. 1988).
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lassung zeitweise entzogen werden kann, wenn sie unethisches Verhalten anderer Anwälte nicht melden, zu einer erheblichen Steigerung solcher Meldungen gegenüber der Illinois Attorney Registration and Disciplinary Commission geführt.129 In Deutschland ist in diesem Zusammenhang an die immer zahlreicheren gerichtlichen Verfahren zu Rückvergütungen zu denken, die die Verfügbarkeitsheuristik erheblich beeinflussen und zu einer größeren Sensibilität in diesem Bereich geführt haben. Da es sich dabei jedoch um einen abgegrenzten Bereich handelt, besteht die Gefahr, dass die Verfügbarkeitsheuristik nur für diesen Bereich positive Verhaltensänderungen bewirkt, sich der Disziplinierungseffekt also auf diesen Bereich konzentriert und die Betroffenen lediglich in Bezug auf Interessenkonflikte in diesem Bereich sensibilisiert werden. Besteht dagegen Unsicherheit über die Durchsetzung von Sanktionen wegen Interessenkonflikten, führt dies wegen des Überoptimismus eher zu einer schlechteren Normbefolgung.130 (iii) Interessenkonflikte und Verlustaversion sowie Besitzeffekt Eine Entscheidung über das Verhalten bei Interessenkonflikten kann weiterhin von der Angst vor Verlusten (loss aversion) beeinflusst werden. Dies ist insbesondere im Fall von gewinnversprechenden Geschäftsherren zu bedenken, die der Interessenwahrer bereits als „seine“ Kunden, Mandanten o. ä. einstuft. Entsprechend der auf empirischen Studien basierenden Aussage der prospect theory, dass Individuen bei möglichen Gewinnen tendenziell eher risikoavers, bei möglichen Verlusten eher risikofreudig agieren, besteht in solchen Situationen ein erhöhtes Risiko, dass Interessenwahrer die Gefahr von Interessenkonflikten ausblenden oder herunterspielen. Denn Interessenkonflikte könnten zum Verlust eines Geschäftsherrn führen, was bei dem betroffenen Interessenwahrer zu Verlustängsten führt und so zu einem risikoreicheren Verhalten, um diesen Verlust zu vermeiden. Dies ist insbesondere bei solchen Interessenwahrern problematisch, die zur Unabhängigkeit verpflichtet sind und daher bei ihrem Verhalten nicht ausschließlich die Interessen des Geschäftsherrn zu berücksichtigen haben.131 Beispiel hierfür ist etwa ein langjährig für dasselbe Unternehmen tätiger Abschlussprüfer. Um die Mandantin nicht zu verlieren, kann dieser geneigt sein, dem Anreiz nachzugeben, weniger streng zu prüfen. Ähnliches gilt etwa auch für Ratingagenturen. Vergleichbare Auswirkungen hat in dieser Situation der Besitzeffekt, aufgrund dessen Individuen dazu tendieren, etwas, das ihnen bereits gehört, als wertvoller einzustufen als etwas, das ihnen nicht gehört. Wird der bereits vor Rotunda 1988 U. Ill. L. Rev. 977, 992 (1989) m.w.N. Vgl. dazu auch die Untersuchung von Reinganum/Wilde, 103 Q. J. Econ. 793 (1988) hinsichtlich der Auswirkungen der Geheimhaltung der US-amerikanischen Steuerbehörde IRS über das Risiko von Überprüfungen der Steuerzahler. 131 Siehe dazu § 5. 129 130
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handene Geschäftsherr als „wertvoller“ eingestuft als neue, könnte der (zur Unabhängigkeit verpflichtete) Interessenwahrer dazu neigen, seine für die Gewinnung neuer Geschäftsherren wichtige Reputation geringer zu gewichten als die Wünsche eines bereits gewonnenen und ihm Gewinn bringenden Geschäftsherrn. Betrachtet der Interessenwahrer den Geschäftsherrn hingegen noch nicht als „seinen“ Vertragspartner sondern lediglich als möglichen Vertragspartner, spielen Verlustaversion und Besitzeffekt noch keine besondere Rolle. In diesem Fall kann jedoch der mit dem neuen Geschäftsherrn verbundene zukünftige Gewinn, wenn dieser für den Interessenwahrer besonders hoch ist, diesen zu einem risikoreicheren Verhalten veranlassen,132 also etwa auch zur Inkaufnahme von Interessenkonflikten. Die Verhaltensanomalien Verlustaversion und Besitzeffekt können mittels rechtlicher Bestimmungen zurückgedrängt werden, wenn z. B. ein Mandat von vornherein zeitlich begrenzt wird und/oder die Beteiligten das Mandat in dieser Zeit nicht oder nur unter erschwerten Umständen beenden können. Beispiel hierfür sind etwa die Regelungen zum Ersetzungsverfahren beim Abschlussprüfer, vgl. § 318 HGB. Eine bloße Kündigung durch die Gesellschaft ist in diesem Fall nicht möglich. Andererseits führt die erforderliche regelmäßige (erneute) Bestellung des Prüfers dazu, dass die Verhaltensanomalien dennoch auftreten können. Hier können eine längere Mandatslaufzeit und eine gleichzeitige Begrenzung der Wiederbestellungsmöglichkeit (etwa mittels externer Rotation) 133 dem Einfluss von Verlustaversion und Besitzeffekt entgegenwirken. b.) Verhaltensanomalien auf Seiten des Geschäftsherrn (i) Interessenkonflikte und die Präferenz für den Status Quo Aber nicht nur der Interessenwahrer unterliegt verhaltenspsychologischen Einschränkungen beim Umgang mit Interessenkonflikten, auch der Geschäftsherr ist vor solchen nicht gefeit. Hat der Interessenwahrer ihn bspw. über einen Interessenkonflikt informiert und ist der Interessenwahrer nicht verpflichtet, sich zurückzuziehen, liegt es nunmehr am Geschäftsherrn einzuschätzen, ob er dem Interessenwahrer weiterhin sein Vertrauen schenkt oder ob er sich zurückzieht. Denn nicht jeder Interessenkonflikt muss gleich Grund für einen Vertrauens entzug sein. Auch kann der Interessenwahrer jemand sein, den der Geschäftsherr kennt und dem er besonders vertraut, sodass ein Interessenkonflikt für ihn ein geringeres Gewicht hat. Die Präferenz für den Status quo spricht in diesem Fall dafür, dass der Geschäftsherr tendenziell eher weniger geneigt sein wird, eine Interessenwahrungsbeziehung zu beenden, als es angezeigt wäre. Vgl. dazu Kachelmeier/Shehata, 82 Am. Econ. Rev. 1120 (1992). Vgl. dazu § 13 I.1.)c.)(iii) und § 13 I.1.)d.).
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Außerdem muss der Geschäftsherr, um diese Entscheidung treffen zu können, nicht nur über den Interessenkonflikt Bescheid wissen, sondern diesen auch in seiner Tragweite einschätzen können. Hier kann er an seine Grenzen geraten, wenn ihm die dafür notwendige Sachkunde fehlt.134 (ii) Interessenkonflikte und Rahmungseffekt sowie selektive Wahrnehmung Erliegt der Interessenwahrer einer Kontrollillusion, wird er versucht sein, den Geschäftsherrn zu überzeugen, dass er dessen Interessen trotz eines Interessenkonfliktes angemessen wahrnehmen kann135 und die Situation so präsentieren, dass der Geschäftsherr überzeugt ist, dass der Interessenkonflikt kein Problem darstellt (Rahmungseffekt). Da der Geschäftsherr den Interessenwahrer in der Regel wegen dessen beruflicher Stellung als Anwalt, Bank o. ä. aufgesucht hat, um ihm seine Interessen (in einem bestimmten Bereich) anzuvertrauen, wird er dies in der Regel nicht in Frage stellen. Verstärkt wird dies durch die Neigung zur selektiven Wahrnehmung von Informationen, wenn der Geschäftsherr bereits entschieden hatte, den Interessenwahrer mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu betrauen.136 In diesem Fall wird er Informationen, die gegen eine Fortsetzung des Interessenwahrungsverhältnisses und damit gegen seine bereits getroffene Entscheidung sprechen, weitgehend ausblenden. Dies zeigt, dass die in zahlreichen Fällen vorgeschriebene Offenlegung von Interessenkonflikten, um dem Geschäftsherrn eine informierte, rationale Entscheidung über die Weiterführung des Interessenwahrungsverhältnisses zu ermöglichen, als alleiniger Lösungsmechanismus – jedenfalls bei schwereren Konflikten – nicht ausreicht. (iii) Interessenkonflikte und Verlustaversion sowie dynamische Inkonsistenz Des Weiteren ist auch der Geschäftsherr verlustavers und wird daher im Fall einer bereits bestehenden Interessenwahrungsbeziehung Interessenkonflikte geringer gewichten als es nötig wäre. Darüber hinaus tritt der Verlust des Interessenwahrers sofort ein, eine eventuelle Beeinträchtigung aufgrund des Interessenkonflikts demgegenüber erst später. Hinzu kommt, dass es in der Regel auf kurze Sicht kostengünstiger ist, den Interessenwahrer zu halten, als Zeit und Geld aufzuwenden, um einen neuen zu suchen.137 Da aktuelle und sichere Verluste höher bewertet werden als unsichere zukünftige Verluste, spricht auch dies zunächst einmal für die Aufrechterhaltung eines Interessenwahrungsverhältnisses, wenn der Interessenkonflikt nicht bereits Kosten verursacht hat oder diese abzusehen sind. Die Aufrechterhaltung der Interessenwahrungsbeziehung kann in diesem Fall zu einer dynamischen Inkonsistenz führen, wenn Vgl. dazu etwa Jarvis/Tellam, 33 Williamette L. Rev. 145, 159 f. (1997). Gross, 19 Geo. J. Legal Ethics 111, 113 f. (2006). 136 Gross, 19 Geo. J. Legal Ethics 111, 114 (2006). 137 Gross, 19 Geo. J. Legal Ethics 111, 123 (2006). 134 135
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der Geschäftsherr seine Entscheidung später bereut, etwa weil eine spätere Pflichtverletzung aufgrund des Interessenkonflikts zu höheren Kosten führt, als der Geschäftsherr bei seiner Entscheidung zunächst gespart hat. Aus diesen Gründen muss dem Geschäftsherrn in besonders gravierenden Fällen die Entscheidung über die Fortführung des Interessenwahrungsverhältnisses vom Gesetz abgenommen werden. Auch hier sind das berufsrechtliche Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen und die Inhabilitätsvorschriften zu nennen. Diese Regelungen betreffen besonders gravierende Interessenkonflikte und nehmen dem Geschäftsherrn die Möglichkeit, sich für eine Fortführung des Interessenwahrungsverhältnisses trotz eines Interessenkonflikts des Interessenwahrers zu entscheiden. Anders ist dies bei Wettbewerbsverboten, die geringer gewichtige Interessenkonflikte regeln. Bei diesen ist eine Einwilligung in die Aufhebung des Verbots möglich. Die Gefahr von Verhaltensanomalien wird in diesen Fällen dadurch reduziert, dass der Geschäftsherr entweder dem Interessenwahrer übergeordnet ist und daher eine tendenziell überlegene Position hat (z. B. Prinzipal, § 60 HGB) oder ein Gremium mehrerer Personen zuständig ist (z. B. Aufsichtsrat, § 88 AktG), sodass einzelne Verhaltensanomalien im Rahmen der Gruppe ausgeglichen werden können.138
VI. Zusammenfassung Für die rechtswissenschaftliche Untersuchung von Interessenkonflikten können ökonomische Theorien wertvolle Hinweise geben. Von besonderer Relevanz sind die Agency-Theorie, die Strategien zur Überwindung von Informationsasymmetrien, die Theorie der unvollständigen Verträge und verhaltensökonomische Untersuchungen. Denn jedes Interessenwahrungsverhältnis stellt eine Principal-Agent-Beziehung dar, ist durch eine asymmetrische Informationslage charakterisiert und aufgrund seiner für die Zukunft offenen Gestaltung notwendig unvollständig geregelt. Da es sich beim Interessenkonflikt um ein besonderes psychologisches Phänomen handelt, können schließlich auch die empirisch gewonnenen verhaltensökonomischen Erkenntnisse zu den bei Menschen zu beobachtenden Verhaltensanomalien wertvolle Erkenntnisse für die rechtliche Gestaltung der Regelungen zu Interessenkonflikten liefern.
138 Das muss allerdings nicht der Fall sein, sodass nicht ausgeschlossen ist, dass Verhaltensanomalien auch bei Gruppen (etwa aufgrund eines „Herdenverhaltens“) Auswirkungen auf die Entscheidungen haben können.
Teil 2: Allgemeine Regeln zu Interessenkonflikten
§ 3 Interessenwahrungspflicht I. Einleitung Zentrale Bedeutung für den rechtlichen Umgang mit Interessenkonflikten im Rahmen von Fremdinteressenwahrungsverhältnissen hat die Interessenwahrungs- bzw. Treuepflicht. Ganz allgemein verpflichtet diese den Interessenwahrer, die Interessen seines Geschäftsherrn umfänglich zu wahren, Konflikte mit dessen Interessen zu vermeiden und gegebenenfalls eigene Interessen zurückzustellen.1 Sie ist immanenter Bestandteil der rechtlichen Beziehung zwischen einem Interessenwahrer und dessen Geschäftsherrn 2 und bestimmt, wie der Interessenwahrer seine jeweilige Leistung zu erbringen hat.3 Sie verlangt die vollständige Ausrichtung auf die Interessen des Vertragspartners, indem sie den Interessenwahrer zu einer besonderen Loyalität gegenüber dem Geschäftsherrn verpflichtet. Damit geht sie über das nach Treu und Glauben Erforderliche, § 242 BGB, hinaus4 und lässt auch weniger Raum für eigene Interessen als die mitgliedschaftliche Treuepflicht.
1 Vgl. etwa BGH NJW 1980, 1629, 1639 (Aufsichtsratsmitglied); aus der Literatur stv. GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 145, 148; Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 431; ders., NZG 2003, 697, 698; Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 239. Vgl. dazu auch Ziff. 4.3.3 Satz 1 und 5.5.1 Satz 1 des Deutschen Corporate Governance Kodex. Zur Interessenwahrungspflicht ausführlich Hopt, in: Ferrarini et al., Reforming Company and Takeover Law in Europe, S. 51, 53 ff.; ders., ZGR 2004, 1, 5 ff. 2 Für das Verhältnis Organmitglied-Gesellschaft Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 431. 3 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 93. 4 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 145; Hüffer, AktG, § 93 Rdnr. 5 ; KölnKommA ktG/ Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 95; Mestmäcker, Verwaltung, S. 214; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 3 ; Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 428, 431; Timm, GmbHR 1981, 177, 179.
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§ 3 Interessenwahrungspflicht
II. Ökonomische Rechtfertigung von Interessenwahrungspflichten Aus ökonomischer Perspektive stellt die Interessenwahrungspflicht eine Antwort der Rechtsordnung auf Agency-Probleme dar.5 Denn Interessenwahrungsverhältnisse sind regelmäßig für die Zukunft offen gestaltet und lassen sich daher nicht vollständig regeln.6 Um sicherzustellen, dass der agent auch dann handlungsfähig ist, wenn er keine Vorgaben bekommen hat, überträgt ihm der principal Entscheidungsmacht und gewährt ihm einen Ermessensspielraum.7 Aufgrund der Unkenntnis über die zukünftige Entwicklung und dessen, was an Befugnissen in der jeweiligen konkreten Situation notwendig sein wird, überlässt der principal dem agent regelmäßig mehr Rechtsmacht, als in der dann eintretenden konkreten Situation notwendig gewesen wäre. Diese „überschießende Rechtsmacht“ auszugleichen ist Aufgabe der Interessenwahrungspflicht.8 Zudem dient sie dazu, das Schließen von Lücken zu erleichtern, die sich aus der offenen Gestaltung von Interessenwahrungsverhältnissen und der damit einhergehenden unvollständigen Regelung der Pflichten ergeben.9 Des Weiteren ermöglicht es die Interessenwahrungspflicht, Verhalten des agent zu sanktionieren, das noch nicht als unredlich einzustufen ist, das jedoch eine mangelnde Rücksichtnahme auf die (zu wahrenden) Interessen des principal erkennen lässt.10 Sie soll die ungenügende Überwachung des agent durch den principal, die zu Defiziten bei der Pflichtendurchsetzung führt, mit Hilfe schärferer Haftungsregeln ausgleichen. Somit verfolgt die Interessenwahrungspflicht rechtsökonomisch zwei Ziele: Zum einen soll sie ex ante den agent zu pflichtgemäßem Verhalten veranlassen und durch wirkungsvolle Anreize verhindern, dass er die ihm eingeräumten Befugnisse in nicht eindeutig geregelten Situationen zu Lasten des principal missbraucht; zum anderen soll sie die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Pflichtverstöße sanktioniert werden.11
5 Cooter/Freedman, 66 N.Y.U. L. Rev. 1045, 1074 (1991); Fleischer, WM 2003, 1045, 1049; ders., ZGR 2001, 1, 8. 6 Zu unvollständigen Verträgen siehe § 2 IV. 7 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 770. 8 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 770. 9 Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 92 f.; Posner, Economic Analysis of Law, § 14.8 (S. 557); Jickeli, Der langfristige Vertrag, S. 265; Fleischer, WM 2003, 1045, 1049; vgl. auch Anderson, 25 UCLA L. Rev. 738, 760 (1977–78). 10 Cahn, FS Wiese, 1998, S. 71, 81. 11 Fleischer, WM 2003, 1045, 1049; Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 770.
III. Rechtlich Begründung der Interessenwahrungspflicht
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III. Rechtlich Begründung der Interessenwahrungspflicht Die rechtliche Begründung für Interessenwahrungspflichten ergibt sich aus ihrer rechtsfunktionellen Anknüpfung, die auch für die Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht eine wesentliche Rolle spielt.
1.) Bisherige Ansätze Für diese Begründung sind eine ganze Reihe verschiedener Ansätze erwogen worden. Diese werden teils separat voneinander, teils kumulativ herangezogen. Eine allgemein anerkannte Grundlage, die zudem als Basis für eine Systematisierung der einzelnen Ausprägungen der Interessenwahrungspflicht in den verschiedenen Rechtsgebieten dienen könnte, ist bisher noch nicht entwickelt worden. a.) Vertrauen Eine vor allem in den Anfängen der modernen Dogmatik von der Treuepflicht12 vertretene Grundlage für die Interessenwahrungspflicht wurde in dem Vertrauen gesehen, das „der Treugeber auf der Grundlage des Gemeinschaftsverhältnisses einseitig in den Treuhänder investiert“.13 Diesem Ansatz wurde entgegengehalten, dass er auf subjektive Umstände abstelle, was weitgehend auf eine Fiktion hinausliefe.14 Für die Bestimmung, wie stark die Rechtsausübung beschränkt werden müsse, sei dieser Ansatz daher nicht geeignet.15 Zudem würde er im Fall des Normaltyps der Aktiengesellschaft regelmäßig zu einer Negierung von Treuepflichten führen.16 b.) Einwirkungsmacht Ein objektiver Ansatz wird demgegenüber mit dem verbreitet anerkannten Kriterium der Einwirkungsmacht verfolgt.17 Die Interessenwahrungspflicht stelle Hueck, FS Hübner, 1935, S. 72; ders., Treuegedanke. Hueck, FS Hübner, 1935, S. 72, 80; ders., Treuegedanke, S. 12 ff. (enge persönliche Beziehung); siehe auch BGHZ 89, 162, 165; MünchKommBGB/Seiler, § 662 Rdnr. 37; Ulmer, Vertragshändler, S. 409. Vgl. auch Zöllner, Anpassung, S. 34 („Treuebindungen sind das Korrelat eingeräumten Vertrauens“); zur Bedeutung des Vertrauens auch BGHZ 4, 108, 113; 13, 188, 192 f.; 20, 239, 246. 14 Zöllner, Schranken, S. 341 f.; ihm folgend Grundmann, Treuhandvertrag, S. 139; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 16. 15 Zöllner, Schranken, S. 341. 16 Zöllner, Schranken, S. 340; im Hinblick auf die Publikums-KG Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 16. Zu weiteren Argumenten siehe Grundmann, Treuhandvertrag, S. 137 ff. 17 Grundlegend Mestmäcker, Verwaltung, S. 214 f.; Zöllner, Schranken, S. 341 ff., insb. 343; siehe auch schon in diese Richtung RGZ 132, 149, 163; Fechner, Treuebindungen, 12 13
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§ 3 Interessenwahrungspflicht
das Korrelat für die weitreichenden Einwirkungsmöglichkeiten und Befugnisse und den Ermessensspielraum dar, die einem Interessenwahrer eingeräumt werden.18 Diese Einräumung sei im Sinne eines Anvertrauenmüssens zu verstehen; dabei gehe es allerdings nicht um das Anvertrauen durch den Betroffenen, sondern um die Einräumung der Befugnisse durch die Rechtsordnung.19 Sie könne, müsse aber nicht ein Rechtsgeschäft zwischen dem Verpflichteten und dem Begünstigten zur Grundlage haben.20 Andererseits könne sie aber auch nicht völlig ohne Willensbetätigung desjenigen entstehen, der ihr dann unterworfen sei. Daher genüge eine Einwirkungsmöglichkeit nicht, die nur durch den sozialen Kontakt ermöglicht würde.21 Auch die Ausübung eines Rechts reiche nicht. Vielmehr müsse eine ähnliche Nähe zwischen den Betroffenen bestehen wie diejenige, die für die Annahme einer Haftung aus c.i.c. erforderlich sei.22 Eine Konkretisierung des Einwirkungskriteriums lässt sich zudem mit Hilfe der Berufsstellung bzw. der „professionellen Überlegenheit oder Angewiesenheit“ erwägen,23 wobei allerdings die Berufsstellung nicht als Tatbestandsmerkmal, das zu einer konkreten Rechtsfolge führt, sondern lediglich als „Topos“ verstanden wird.24 Allerdings reicht die Berufsstellung allein nicht aus, um eine Interessenwahrungspflicht zu begründen.25 Gegen das Kriterium der Einwirkungsmacht wird vorgebracht, dass auch Vermieter und Darlehensgeber auf Interessen, und zwar ziemlich existentielle Interessen, ihrer jeweiligen Vertragspartner einwirken könnten.26 Dennoch unterlägen beide keinen besonderen Loyalitätspflichten. Andererseits sind die Möglichkeiten der Parteien, auf die Interessen des jeweils anderen einzuwirS. 76 f. Diesem Ansatz folgend etwa BGHZ 65, 15, 18 f.; 103, 184, 195; 129, 136, 143 f.; Weisser, Corporate Opportunities, S. 133 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 432; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 16 ff.; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 235 ff.; Lutter, ZHR 162 (1998) 164, 166 f.; Timm, WM 1991, 481, 482; Wellenhofer-Klein, RabelsZ 64 (2000), 564, 569; eingeschränkt Cahn, FS Wiese, 1998, S. 71, 78 f. Krit. Grundmann, Treuhandvertrag, S. 140 ff. 18 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rdnr. 39; Zöllner, Schranken, S. 342 f.; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rdnr. 88; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rdnr. 26; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 4 ; ders., WM 2003, 1045, 1046; Hopt, ZGR 2004, 1, 18 f.; Wellenhofer-Klein, RabelsZ 64 (2000), 64, 569, 573. 19 Zöllner, Schranken, S. 342. 20 Dies als Erfordernis ablehnend Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 63 f., 70; Zöllner, Schranken, S. 342. 21 Zöllner, Schranken, S. 342. 22 Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 67 ff. 23 So Grundmann, Treuhandvertrag, S. 164 f. mit Hinweis auf Hopt, AcP 183 (1983), 608, insb. 656. 24 Hopt, AcP 183 (1983), 608, 634. 25 So darf etwa ein Berufsträger, dem im Rahmen seiner Berufsausübung Sicherheiten eingeräumt worden sind, diese verwerten. Siehe Grundmann, Treuhandvertrag, S. 165. 26 Zu diesem Argument Cahn, FS Wiese, 1998, S. 71, 78.
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ken, in diesen Fällen gesetzlich beschränkt und kanalisiert.27 Eine besondere Loyalitätspflicht ist erst dann erforderlich, wenn konkrete gesetzliche oder vertragliche Regelungen nicht mehr ausreichen, um die Interessen der Beteiligten angemessen zu schützen.28 c.) Fehlende Gegenleistung Ein weiterer Begründungsansatz stellt darauf ab, dass der Verpflichtete im Rahmen des treuhänderischen Rechtsverhältnisses eine geldwerte Position eingeräumt bekommen hat, dem keine Gegenleistung gegenübersteht.29 Dieses eigentliche treuhänderische Verhältnis sei zu unterscheiden von dem zwischen den Parteien zugleich bestehenden Dienstleistungsverhältnis, das vom Austausch der Dienst- bzw. Werkleistung gegen Entgelt geprägt sei. Die Leistungspflicht, d. h. die Dienst- oder Werkleistung, erhalte ihre Konturen erst durch die Verhaltenspflicht, also die Interessenwahrungspflicht. Das Verhältnis zwischen Leistungs- und Verhaltenspflicht kehre sich auf diese Weise im Vergleich zu anderen Vertragstypen um. Es sei nicht mehr entscheidend, dass der Interessenwahrer handle, sondern wie er dies tue.30 Dem wird entgegengehalten, dass dies bei jedem Dienst-, Werk- oder Geschäftsbesorgungsvertrag der Fall sei, ohne dass es einer zusätzlichen Vereinbarung einer Interessenwahrnehmungspflicht bedürfte. Außerdem deute der Wortlaut von § 84 Abs. 1 und § 384 Abs. 1 HGB („hierbei“), die für die Unterscheidung zwischen dem Leistungs- und dem Interessenwahrungsverhältnis herangezogen werden, nicht zwingend auf ein weiteres (Interessenwahrungs-) Schuldverhältnis neben dem jeweiligen „Auftrag“ (des Handelsvertreters bzw. Kommissionärs) hin.31 Schließlich wird kritisiert, dass dieser Ansatz die Lösung eines Interessenkonflikts zwischen dem Interessenwahrer und dem Geschäftsherrn voraussetze, zu dessen Lösung er eigentlich beitragen solle. Denn die Aufspaltung des Treuhandverhältnisses in zwei Verträge, einen Tätigkeitsvertrag und einen Interessenwahrungsvertrag, geschehe vor allem im Hinblick auf die (leichtere) Abgrenzung zwischen solchen Interessenwahrungspflichten, die eine Berücksichtigung von Eigeninteressen zuließen, und solchen, die dies nicht täten.32
Cahn, FS Wiese, 1998, S. 71, 78. Vgl. Cahn, FS Wiese, 1998, S. 71, 78 f. 29 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 93, 167, ausführlich S. 192 ff. 30 Für diese Argumentation siehe Grundmann, Treuhandvertrag, S. 93. 31 Für diese Argumente siehe Löhnig, Treuhand, S. 150. 32 Löhnig nennt diese Trennung „künstlich“, siehe Löhnig, Treuhand, S. 151. 27
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d.) Weitere Erklärungsansätze In der Regel nicht als eigenständige Begründung, sondern als zusätzlicher Gesichtspunkt wird auf den eingeräumten Ermessensspielraum verwiesen, der wegen der Offenheit des Rechtsverhältnisses für die Zukunft von Bedeutung ist und dessen Korrelat die Interessenwahrungspflicht darstelle.33 Interessenwahrungsverhältnisse bedürften regelmäßig einer offenen Gestaltung, weil sich nicht absehen lässt, was künftig erforderlich sei, um die Interessen des Geschäftsherrn angemessen zu wahren; aufgrund dieser offenen Gestaltung sei ein „gesteigertes Maß an Loyalität“ nötig.34 Für eine alleinige Begründung von Interessenwahrungspflichten wird dieser Ansatz allerdings als nicht ausreichend angesehen. Denn auch Dauerschuldverhältnisse, bei denen keine besondere Interessenwahrungspflicht angenommen wird, bedürfen einer offenen Gestaltung für die Zukunft.35 Ein spezifisch gesellschaftsrechtlich ausgerichteter Begründungsansatz ordnet die Treuepflicht als „allgemeine Förderpflicht“ ein, d. h. als Pflicht zur Förderung des gemeinsamen Zwecks.36 Diese Pflicht gehe über diejenige, nach Treu und Glauben zu handeln (§ 242 BGB), hinaus und sei als Hauptpflicht einzuordnen.37 Sie finde ihren Rechtsgrund in § 705 BGB, sei aber von der Beitragspflicht zu unterscheiden; im Gegensatz zur letzteren lasse sie sich kaum konkret formulieren und werde vor allem von der Rechtsform der Gesellschaft, deren faktischer Struktur sowie Art und Inhalt des gemeinsamen Zwecks beeinflusst.38 Sie gelte sowohl im Hinblick auf die Förderung des gemeinsamen Zwecks im Rahmen der Tätigkeit des Verbands als auch im Hinblick auf die Rücksichtnahme auf mitgliedschaftlichen Interessen der einzelnen Mitglieder.39 Die offene Formulierung der allgemeinen Förderpflicht sei nötig, um die Offenheit des Interessenwahrungsverhältnisses für die Zukunft zu sichern. Zudem sei die Treuepflicht von unterschiedlicher Intensität,40 je nachdem wie stark die Interessen des Geschäftsherrn betroffen seien.41 Diese unterschiedliche Intensität bedeute aber nicht, dass es sich um unterschiedli33 Dieser Erklärungsansatz wird zum Teil auch zusätzlich zu anderen Begründungen gewählt. Vgl. dazu Freese, Positive Treuepflicht, S. 119 ff., 202; Polley, Wettbewerbsverbot, S. 88; Zöllner, Schranken, S. 342 f.; Cahn, FS Wiese, 1998, S. 71, 78 f.; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 102 f. 34 Vgl. Lutter, AcP 180 (1980), 84, 91 f. 35 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 146. 36 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 103; siehe auch ders., ZHR 162 (1998) 164, 166 f.; außerdem Häuser, Unbestimmte „Maßstäbe“, S. 179 ff.; sowie schon Hueck, Treuegedanke, S. 15. 37 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 103 f. 38 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 104, 105, 105 f. 39 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 120. 40 Nicht aber unbedingt unterschiedlich zu begründen, wie Grundmann meint, vgl. Grundmann, Treuhandvertrag, S. 154. 41 Dazu Lutter, AcP 180 (1980), 84, 115 f.
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che Treuepflichten handele.42 Dieser Ansatz ist dennoch stark auf die Verträge der Interessengemeinschaft und deren Besonderheiten ausgerichtet. Für die besondere Struktur der Fremdinteressenwahrungsverhältnisse mit der ausschließlichen Fokussierung auf die Interessen des Geschäftsherrn liefert sie keine passende Begründung.
2.) Die Öffnung der Interessensphäre durch den Geschäftsherrn a.) Anknüpfung an die Interessen des Geschäftsherrn Nahezu alle vorgestellten Begründungsansätze für die Interessenwahrungspflicht knüpfen an die Perspektive bzw. Aktivität des Verpflichteten, d. h. des Interessenwahrers, im Hinblick auf das Interessenwahrungsverhältnis an: Zieht man die Offenheit des Interessenwahrungsverhältnisses für die Zukunft bzw. den diesbezüglich erforderlichen Ermessensspielraum heran, so geht es dabei um den Ermessensspielraum des Interessenwahrers. Das Einwirkungskriterium stellt darauf ab, dass der Interessenwahrer die Möglichkeit hat, auf fremde Interessen einzuwirken. Bei der unentgeltlichen Übertragung von Positionen geht es darum, dass der Interessenwahrer keine Gegenleistung erbracht hat und daher die Interessenwahrungspflicht sein Handeln begrenzen soll. Allein die Anknüpfung an das Vertrauen des Geschäftsherrn weicht davon ab. Wegen ihres subjektiven Ansatzes ist sie zwar als Grundlage für rechtliche Regelungen ungeeignet.43 Aber ihre grundsätzliche Ausrichtung auf die Perspektive des Geschäftsherrn bzw. seine Aktivität im Hinblick auf das Interessenwahrungsverhältnis ist in diesem Zusammenhang der sachgerechtere Ansatz. Denn sie nimmt die Angewiesenheit und Schutzbedürftigkeit desjenigen, der die primären Auswirkungen der Machtausübung im Rahmen der Interessenwahrungsbeziehung verspürt, zum Ausgangspunkt für die Bindung dieser Macht.44 Auch harmoniert sie besser mit der Ausrichtung des Interessenwahrungsverhältnisses an den Interessen des Geschäftsherrn: Seine Interessen werden Vertragsinhalt, seine Interessen hat der Interessenwahrer zu wahren, seine Interessen darf er nicht beeinträchtigen, sondern muss die eigenen Interessen regelmäßig hinter diese zurückstellen. Dementsprechend muss auch die Interessenwahrungspflicht aus der Perspektive des Geschäftsherrn begründet werden. Dafür ist an seine Interessen anzuknüpfen.
42 So aber meint Grundmann Lutter zu verstehen, vgl. Grundmann, Treuhandvertrag, S. 154 f. 43 Siehe dazu § 3 III.1.)a.). 44 Allgemein zu einem solchen Ansatz, der die Angewiesenheit und Schutzbedürftigkeit zum Ausgangspunkt für die Bindung von wirtschaftlicher Macht nimmt, Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 69 ff.
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b.) Die Verletzbarkeit der Interessen des Geschäftsherrn Abzustellen ist darauf, dass der Geschäftsherr dem Interessenwahrer seine Interessensphäre in einer Weise öffnet, die seine Interessen schutzlos und damit besonders „verletzbar“ werden lässt. Diese „Verletzbarkeit“ der Interessen verlangt einen sorgsamen Umgang mit ihnen. Um diesen sicherzustellen, reicht die Pflicht, nach Treu und Glauben zu handeln, – anders als bei Austauschverträgen bzw. Verträgen des Interessengegensatzes – nicht aus.45 Die Bedeutung der Interessenwahrungspflicht hängt auch damit zusammen, dass sich bei Interessenwahrungsverhältnissen regelmäßig nicht von Anfang an exakt bestimmen lässt, was der jeweilige Interessenwahrer alles tun muss, um die Interessen des Geschäftsherrn angemessen zu wahren und den vereinbarten Zweck zu erreichen. Auch lässt sich nicht voraussehen, welche Konflikte in der Interessenwahrungsbeziehung zwischen Geschäftsherr und Interessenwahrer auftreten können und welche Lösungen in der jeweiligen Situation angemessen sind. Daher lassen sich ex ante keine präzisen inhaltlichen Verhaltenspflichten festlegen.46 Öffnet daher der Geschäftsherr in einer solchen Situation seine Interessensphäre gegenüber dem Interessenwahrer und vertraut ihm seine Interessen an, muss er sich in besonderem Maße auf den Interessenwahrer verlassen können.47 Dieses „funktionsnotwendige Vertrauen“ wird er dem Interessenwahrer aber nur gewähren, wenn er dessen Loyalität nicht nur unverbindlich erwarten kann, sondern dieses durch rechtliche Regelungen abgesichert wird.48 Diese rechtliche Absicherung zu gewährleisten und ein Prinzip für interessengerechte Lösungen für noch unbekannte Probleme vorzusehen, ist Funktion der Interessenwahrungspflicht. c.) Die Öffnung der Interessensphäre als objektives Kriterium Anders als das individuelle Vertrauen stellt das Kriterium der „Öffnung der Interessensphäre“ einen objektiven Anknüpfungspunkt dar. Es spielt keine Rolle, ob jemand im Hinblick auf seine Interessen besonders sensibel ist.49 Vielmehr kommt es darauf an, ob bei einer objektiven Betrachtung aus der Perspektive eines Dritten der Geschäftsherr seine Interessensphäre dem Interessenwahrer zugänglich macht und in welchem Umfang er dies tut. Eine solche Öffnung der Interessensphäre kann auf ganz unterschiedliche Weise erfolgen: So kann der Geschäftsherr dem Interessenwahrer z. B. erlauben auf Informati Zur Unterscheidung siehe noch ausführlicher unter § 3 IV.1.). Cahn, FS Wiese, 1998, S. 71, 79. 47 Vgl. Cahn, FS Wiese, 1998, S. 71, 79. 48 Cahn, FS Wiese, 1998, S. 71, 79. 49 Denn eine subjektive Anknüpfung würde häufig eine bloße Fiktion darstellen. Siehe Zöllner, Schranken, S. 341 f.; ihm folgend Grundmann, Treuhandvertrag, S. 134 und S. 139; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 16. 45
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onen oder Ressourcen des Geschäftsherrn zuzugreifen50 oder für ihn Entscheidungen zu treffen, insbesondere Änderungen bei seinen (des Geschäftsherrn) Vermögenswerten vorzunehmen, oder er kann ihm die Befugnis erteilen, ihn gegenüber Dritten rechtswirksam zu binden.51 Die objektive Anknüpfung gewährleistet, dass der Interessenwahrer genau feststellen kann, wann ihn die besondere Pflicht zur Interessenwahrung trifft. Eine Öffnung der Interessensphäre ist z. B. in einer entsprechenden rechtsgeschäftlichen Vereinbarung, der Bestellung bei Gesellschaftsorganen, der gerichtlichen Bestellung oder auch in einer entsprechenden gesetzlichen oder aufsichtsbehördlichen Anordnung zu sehen, mit der ein Interessenwahrer Zugriff auf die Interessen des Geschäftsherrn erhält. In allen diesen Fällen handelt es sich um objektive Umstände, die für den Interessenwahrer aber auch für Dritte erkennbar sind. d.) Unterschiedliche Intensität von Interessenwahrungspflichten und -regelungen Stellt man auf die Öffnung der Interessensphäre und die damit einhergehende Einräumung der Möglichkeit zur „Verletzung“ von Interessen des Geschäftsherrn ab, lässt sich auch begründen, warum verschiedene Gesetze unterschiedliche Präventions- und Lösungsmöglichkeiten im Fall von Interessenkonflikten vorsehen. Dies korreliert mit dem Umfang der Öffnung der Interessensphäre. Je nach der Weite der „Öffnung“ wird eine dieser Weite entsprechende Interessenwahrungspflicht erzeugt, die ihren Niederschlag in den sie konkretisierenden Regelungen findet. Bei dieser Konkretisierung sind zudem eventuelle Interessen Dritter bzw. der Allgemeinheit und deren Verletzbarkeit zu berücksichtigen. Danach bestimmt sich, wie viel in einem bestimmten Regelungszusammen50 Das Beispiel des Informationszugriffs zeigt, dass die „Öffnung der Interessensphäre“ einen rechtsdogmatisch sauberen Ansatz im Hinblick auf die Begründung von Interessenwahrungspflichten ermöglicht als etwa das Einwirkungskriterium. Der bloße (zulässige) Zugriff auf Informationen lässt sich nur schwer als „Einwirkung“ charakterisieren. Ein „Einwirken“ stellt erst die zeitlich spätere Verwendung der Information dar. Mit dem Kriterium der „Öffnung der Interessensphäre“ wird dagegen bereits an einen zeitlich früheren Vorgang angeknüpft, sodass z. B. eine informationsbezogene Tätigkeit bereits im Hinblick auf den Informationsabruf als interessewahrende Tätigkeit eingestuft werden kann, nicht erst im Hinblick auf die spätere Verwendung der Informationen. Auch im Fall der Geschäftschancenlehre (dazu unten § 15) gerät das „Einwirkungskriterium“ an seine Grenzen. Mit ihr lässt sich die Nachwirkung des Verbots, Geschäftschancen des Geschäftsherrn an sich zu ziehen, nicht begründen. Denn die Auflösung des Interessenwahrungsverhältnisses führt dazu, dass die „Einwirkungsmacht“ des Interessenwahrers endet. Siehe Grundmann, Treuhandvertrag, S. 430; für das Einwirkungskriterium als Begründung für die Geschäftschancenlehre Polley, Wettbewerbsverbot, S. 87; Weisser, Corporate Opportunities, S. 179 f., außerdem 192 ff. 51 Vgl. dazu Grundmann, Treuhandvertrag, S. 422; Weisser, Corporate Opportunities, S. 133 f.
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hang von dem Interessenwahrer hinsichtlich einer Konfliktvermeidung bzw. Konfliktlösung verlangt werden kann. So wird etwa ein völliger Ausschluss jeglicher Interessenkonflikte oft nur möglich sein, wenn die ausgeübte interessenwahrende Tätigkeit gänzlich niedergelegt wird. Bei Banken und anderen Interessenwahrern, bei denen Interessen Dritter miteinander kollidieren können, würde eine Pflicht zur absoluten Vermeidung jeglicher Konflikte dazu führen, dass ein wirtschaftliches Erbringen der Tätigkeit nicht mehr möglich wäre. Dies würde zu einer Auflösung des gesamten Geschäftsmodells führen und hätte erhebliche volkswirtschaftliche Auswirkungen. In solchen Fällen ist die Interessenwahrungspflicht weniger intensiv ausgeprägt als etwa im Fall des für einen Mandanten prozessierenden Rechtsanwalts, der sich jeglicher widerstreitender Interessen zu enthalten hat. Ähnliches gilt auch für Sachverhalte, in denen ein Interessenwahrer mit der Überwachung eines anderen betraut ist, wie im Fall des Aufsichtsrats, der den Vorstand zu überwachen hat. Da bei gleichzeitigem Innehaben beider Positionen Interessenkonflikte nicht nur möglich sind, sondern zwangsläufig entstehen, sieht das Gesetz eine strikte Trennung beider Positionen vor. Die Verletzbarkeit der Interessen des Geschäftsherrn richtet sich aber auch danach, wie oft oder wie lange ein Interessenkonflikt auftreten kann. Entsprechend gelten bei längerfristigen Interessenwahrungsverhältnissen andere bzw. zusätzliche Regelungen im Vergleich zu kurzfristigen Interessenwahrungsverhältnissen.
IV. Rechtsgrundlage der Interessenwahrungspflichten Als Rechtsgrundlage der Interessenwahrungspflichten wird von einigen § 242 BGB herangezogen, von anderen auf die jeweils für den Vertragstyp spezifischen Normen abgestellt.
1.) Ablehnung von § 242 BGB als Rechtsgrundlage Die Vertreter der Ansicht, dass § 242 BGB allgemeine Rechtsgrundlage der Interessenwahrungspflicht sei,52 sehen in der Interessenwahrungspflicht lediglich eine besondere Ausprägung der allgemeinen Rücksichtnahmepflicht zwischen den Parteien eines Rechtsverhältnisses. Entsprechend betrachten sie den Begriff der Treue- bzw. Interessenwahrungspflicht lediglich als besondere Be52 Soergel/Teichmann, BGB, § 242 Rdnr. 40 f.; Freese, Positive Treuepflichten, S. 102 ff., 202; Kardaras, Wettbewerbsverbot, S. 15 f.; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 229 ff.; Schmiedel, ZHR 134 (1970), 173, 182; Wellenhofer-Klein, RabelsZ 64 (2000), 564, 570, 575; Weller, ZHR 175 (2011), 110, 117 ff.; differenzierend Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 12 ff., siehe aber S. 67 (Treuepflicht als gesellschaftsrechtsspezifische Ausprägung von § 242 BGB).
IV. Rechtsgrundlage der Interessenwahrungspflichten
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zeichnung für die allgemeine Pflicht, nach Treu und Glauben zu handeln.53 Wie die allgemeine Rücksichtnahmepflicht sei die Interessenwahrungspflicht eine „Rahmen- oder ‚Generalpflicht‘, aus der nicht per se und stets ‚gesteigerte‘ Pflichtenbindungen“ folgten; vielmehr müsste sie jeweils im Einzelfall konkretisiert werden.54 Eine solche Einordnung berücksichtigt jedoch nicht die andere Ausrichtung und das andere „Normprogramm“ der Interessenwahrungspflicht im Unter242 BGB.55 Bei der schied zur allgemeinen Rücksichtnahmepflicht nach § Pflicht nach § 242 BGB geht es um den Umgang mit gegenläufigen Interessen der Parteien, wie sie im Rahmen von Austauschverträgen typisch sind.56 Dementsprechend verbietet § 242 BGB nicht, eigene Interessen zu verfolgen. Ein solches Verbot wäre für Austauschverträge ungeeignet, weil bei diesen die Interessen der Beteiligten von Natur aus gegeneinander stehen.57 Die allgemeine Rücksichtnahmepflicht nach § 242 BGB geht dementsprechend bei der Interessenwahrnehmung von der Rangfolge „erst die eigenen, dann die fremden Interessen“ aus und verlangt lediglich eine Berücksichtigung der fremden Interessen. Damit setzt die Rücksichtnahmepflicht nach § 242 BGB lediglich Grenzen für die Verfolgung eigener Interessen. Demgegenüber gebietet die bei Fremdinteressenwahrungsverträgen geltende58 Interessenwahrungspflicht die Unterordnung der eigenen Interessen des Interessenwahrers unter diejenigen des Geschäftsherrn und soll so die Wahrnehmung der fremden Interessen gewährleisten.59 Damit kehrt sie die bei Austauschverträgen bestehende Rangfolge der Interessenwahrnehmung um: Der Interessenwahrer hat nicht seine eigenen Interessen sondern diejenigen seines Vertragspartners zu bevorzugen.60 Geschäftsherr und Interessenwahrer ver-
53 MünchKommBGB/Roth/Schubert, § 242 Rdnr. 93; Freese, Positive Treuepflichten, S. 202; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 228; Weller, ZHR 175 (2011), 110, 117 ff. 54 Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 228. 55 Für eine Abgrenzung etwa Grundmann, Treuhandvertrag, S. 148; Hueck, Treuegedanke, S. 9 ; Marsch-Barner, ZHR 157 (1993) 172, 173 (Aktionäre); Mayer-Maly, in: Thomandl, Treue- und Fürsorgepflicht, S. 71, 79 ff.; außerdem die Nachweise in Fn. 4. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die ausdrückliche Differenzierung z. B. in BGHZ 103, 184, 194 („Treupflicht im Sinne einer über . . . § 242 . . . BGB hinausgehenden Bindung“). 56 Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 428. 57 Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 428. Höhere Anforderungen sind allerdings in Bezug auf Dauerschuldverhältnisse möglich. 58 Die besondere Bedeutung der Interessenwahrungspflicht für Fremdinteressenwahrungsverträge kommt darin zum Ausdruck, dass sie vielfach als Hauptpflicht eingeordnet wird. Siehe etwa MünchKommBGB/Seiler, § 662 Rdnr. 36; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 192 ff.; Ulmer, Vertragshändler, S. 410; Lutter, AcP 180 (1980) 84, 117; etwas zurückhaltender Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 231 f. 59 Vgl. Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 428. 60 Vgl. dazu Mayer-Maly, in: Thomandl, Treue- und Fürsorgepflicht, S. 71, 84.
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folgen ein gleichlaufendes Interesse, nämlich dasjenige des Geschäftsherrn.61 Eine dermaßen strenge Ausrichtung an fremden Interessen ist in § 242 BGB nicht vorgesehen. Die Interessenwahrungspflicht beinhaltet somit einen höheren Pflichtenstandard als die allgemein geltende Pflicht, nach Treu und Glauben zu handeln.62 Unterscheiden sich die beiden Pflichten aber in ihrem Kern – der Interessenausrichtung und -gewichtung sowie dem daran anschließenden Pflichtenstandard – voneinander, müssen sie als zwei unterschiedliche Pflichten eingeordnet werden. Hinzukommt, dass die in § 242 BGB statuierte Pflicht von ihrem Anwendungsbereich her weit über denjenigen der Interessenwahrungspflicht hinaus geht und insbesondere für alle Schuldverhältnisse, nicht nur für Verträge der Fremdinteressenwahrung gilt.63 Sie umfasst zudem jedes vertragsrelevante Verhalten der Parteien.64 Dagegen gilt die Interessenwahrungspflicht nur im Rahmen von Fremdinteressenwahrungsverhältnissen. Daher muss sie auch jeweils aus dem einzelnen Rechtsverhältnis und dessen Struktur heraus begründet werden.65
2.) Vertragliche Interessenwahrungspflicht a.) Allgemeine vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse Während im englischen Recht der trust Ausgangspunkt für die Entwicklung verschiedener Interessenwahrungsbeziehungen und der duty of loyalty war, hat 61 Vgl. Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 428. 62 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 72, 145; Hüffer, AktG, § 84 Rdnr. 9, § 93 Rdnr. 5 ; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 95; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rdnr. 115; Hueck, Treuegedanke, S. 12, 15 ff.; Immenga, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 266 f.; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 III 5 a (S. 208); Mestmäcker, Verwaltung, S. 214; Polley, Wettbewerbsverbot, S. 85 f.; Weisser, Corporate Opportunities, S. 131; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 3 ; Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 428, 431; im Hinblick auf Gesellschafter bzw. Aktionäre Lutter, AcP 180 (1980), 84, 103 ff.; Marsch-Barner, ZHR 157 (1993) 172, 173; Timm, WM 1991, 481, 482; ders., GmbHR 1981, 177, 179. Für eine vergleichbare Einordnung auf internationaler Ebene Bahar/Thévenoz, in: Thévenoz/Bahar, Conflicts of Interest, S. 1, 3. 63 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 148 f.; vgl. auch Hueck, Treuegedanke, S. 12. Auch gilt § 242 BGB – entgegen seinem Wortlaut – nicht nur für den Schuldner (dazu bspw. MünchKommBGB/Roth/Schubert, § 242 Rdnr. 176) und wird sogar auf nichtvertragliche Verhältnisse, wie etwa das Nachbarschaftsverhältnis, angewendet (siehe etwa RGZ 155, 154, 159; BGHZ 58, 149, 157; zur Anwendung im Sachenrecht RGZ 169, 180, 183; BGHZ 10, 69, 75; 47, 184, 189). 64 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 149. 65 Rusch, Gewinnhaftung, S. 198; Mayer-Maly, in: Thomandl, Treue- und Fürsorgepflicht, S. 71, 82. Zur Treuepflicht in den einzelnen Rechtsinstituten des Schweizer Rechts, Wohlmann, Treuepflicht, S. 12 ff.
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sich im deutschen Vertragsrecht das Auftrags- und Geschäftsbesorgungsrecht als wesentlicher Ausgangspunkt für Interessenwahrungspflichten entwickelt.66 Die Bestimmungen des Auftragsrechts werden direkt oder indirekt über den Geschäftsbesorgungsvertrag von einer ganzen Reihe von Regelungen anderer Rechtsverhältnisse in Bezug genommen und stellen damit grundlegende Regeln für viele andere Interessenwahrungsverhältnisse dar. Dies gilt insbesondere auch für die auftrags- bzw. geschäftsbesorgungsrechtliche Interessenwahrungspflicht des Beauftragten, die als „Grundmodell“ vor allem für die verschiedenen Geschäftsbesorgungsverhältnisse angesehen wird.67 Aber auch in anderen Rechtsbereichen ist sie herangezogen worden. So hat sich etwa die Treuepflicht des Vorstands im Aktienrecht am Modell des Auftrags ausgerichtet.68 Und im Rahmen des Insolvenzrechts hat der BGH Interessenwahrungsregelungen des Geschäftsbesorgungsrechts für die Herleitung und Konkretisierung von Pflichten des Insolvenzverwalters herangezogen.69 (i) Auftrag Ein Auftrag im Sinne von § 662 BGB liegt vor, wenn sich jemand vertraglich verpflichtet, ein ihm von einem anderen übertragenes Geschäft für diesen unentgeltlich zu besorgen.70 Eine Geschäftsbesorgung in diesem Sinne ist jede fremdnützige Tätigkeit im Interessenbereich eines anderen.71 Fremdnützig ist eine Tätigkeit, wenn sie eigentlich der Sorge eines anderen obliegt und dessen Interesse fördert.72 In der Regel wird dem Beauftragten ein Gestaltungs- bzw. Ermessensspielraum im Hinblick darauf eingeräumt, wie er seine Tätigkeit ausführt.73 Dem steht nicht entgegen, dass der Beauftragte Weisungen des Auftraggebers zu beachten hat. Denn grundsätzlich verbleibt ihm auch dann noch ein gewisser 66 Dazu Kumpan, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch, Bd. I, S. 884, 885. 67 Rusch, Gewinnhaftung, S. 194. Zum Auftrag als Grundform der auf fremdnützige Interessenwahrung ausgerichteten Verträge z. B. Erman/Berger, BGB, § 662 Rdnr. 3 ; Jauernig/Mansel, BGB, § 662 Rdnr. 3 ; siehe auch Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. z. §§ 662 ff. insb. Rdnr. 32 f. (im Hinblick auf den Geschäftsbesorgungsvertrag). 68 Hopt, FS Mestmäcker, 1996, S. 909, 921; siehe auch Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 428. 69 Siehe BGHZ 113, 262, 276. 70 Dazu etwa Jauernig/Mansel, § 662 Rdnr. 1; Palandt/Sprau, Einf. v. § 662 Rdnr. 1; Staudinger/Martinek, BGB, § 662 Rdnr. 1. 71 BGHZ 56, 204, 207; Palandt/Sprau, BGB, § 662 Rdnr. 6 f.; siehe auch RGZ 97, 61, 65 (zu § 677 BGB, dem derselbe Begriff zugrunde liegt). Zum weiten Geschäftsbesorgungsbegriff Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. zu §§ 662 ff. insb. Rdnr. 10. 72 RGZ 97, 61, 65 f. (zu § 677 BGB); BGHZ 56, 204, 207; BGH NJW 1971, 1404; Jauernig/Mansel, § 662 Rdnr. 10; Palandt/Sprau, BGB, § 662 Rdnr. 7. Vgl. auch BGH NJW 2012, 3366, 3367 („wenn erkennbar ist, dass für den Auftraggeber ... wesentliche Interessen auf dem Spiel stehen“). 73 Staudinger/Martinek, BGB, § 662 Rdnr. 29.
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Entscheidungsspielraum, weil andernfalls die Vorteile des arbeitsteiligen Handelns verloren gehen würden.74 Des Weiteren erhält der Beauftragte regelmäßig eine besondere Verfügungsgewalt über Vermögensinteressen des Auftraggebers. Diese kann vielfältige Formen haben: Sie reicht von der Befugnis, aus eigenem Recht über das Treugut zu verfügen,75 über die Bevollmächtigung zur Vertretung, §§ 164 ff. BGB, bis zur bloßen Beratungs- oder Vermittlungstätigkeit, bei der der Beauftragte jedoch über vertrauliche Informationen des Auftraggebers verfügt.76 Entsprechend der damit einhergehenden Öffnung der Interessensphäre des Auftraggebers obliegt dem Beauftragten eine besondere auftragsrechtliche „Treuepflicht“ bzw. „Loyalitätspflicht“.77 Der BGH charakterisiert sie als eine außerhalb des Gegenseitigkeitsverhältnisses stehende Nebenpflicht.78 Andere sehen in ihr eine Hauptpflicht.79 Sie verpflichtet den Auftragnehmer dazu, „die Interessen des Beauftragten, nicht etwa seine eigenen oder die eines zum Auftraggeber in keiner Beziehung stehenden Dritten wahrzunehmen […] und hierbei den größtmöglichen Nutzen für den Auftraggeber anzustreben“.80 Diese Interessen müssen keine vermögensrechtlichen Interessen sein.81 Von dieser „Treuepflicht“ wird der Beauftragte auch nicht durch Weisungen des Auftraggebers entbunden, wie sich an § 665 BGB zeigt. Danach ist es dem Beauftragten erlaubt, „von Weisungen des Auftraggebers abzuweichen, wenn er den Umständen nach annehmen darf, dass der Auftraggeber bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde“.82
Rusch, Gewinnhaftung, S. 174. Diese besteht etwa im Fall der rechtsgeschäftlichen Treuhand, die regelmäßig als Auftrag oder – bei Entgeltlichkeit – als Geschäftsbesorgung begriffen wird. 76 Rusch, Gewinnhaftung, S. 172. 77 MünchKommBGB/Seiler, § 662 Rdnr. 33, 36 f.; RGRK/Steffen, BGB, § 662 Rdnr. 6; Soergel/Beuthin, BGB, § 662 Rdnr. 14; Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 Rdnr. 850; Staudinger/Martinek, BGB, § 662 Rdnr. 25 ff.; Rusch, Gewinnhaftung, S. 169; siehe auch Coing, Treuhand, S. 137. 78 BGH NJW-RR 2002, 1344, 1345; Heymann/Herrmann, HGB, § 384 Rdnr. 8. Siehe dazu auch Reichstagsvorlage, Denkschrift zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuches und eines Einführungsgesetzes, 1897, S. 258. Auch bei den vertypten Interessenwahrungsverhältnissen, wie etwa dem Handelsvertretervertrag wird die Interessenwahrungspflicht verbreitet als Nebenpflicht eingeordnet. Siehe nur Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, § 86 Rdnr. 11; Staub/Emde, HGB, § 86 Rdnr. 48. 79 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 192 ff.; auch Staudinger/Martinek, BGB, § 662 Rdnr. 25; Ulmer, Vertragshändler, S. 410 (für den Vertragshändler); Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 167 (mitgliedschaftliche Treuepflicht). 80 Staudinger/Martinek, BGB, § 662 Rdnr. 26; vgl. auch BGH ZIP 1983, 781, 783 (zur Einordnung als Hauptpflicht im Rahmen des – insofern gleich zu behandelnden – Geschäftsbesorgungsvertrages – zu diesem sogleich). 81 Staudinger/Martinek, BGB, § 662 Rdnr. 26. 82 Es wird also vom Gesetz ein „denkender Gehorsam“ verlangt, vgl. Heck, Grundriß des Schuldrechts, § 119 Anm. 5 (S. 355). 74
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(ii) Geschäftsbesorgungsvertrag Der Geschäftsbesorgungsvertrag unterscheidet sich vom Auftrag, auf dessen Regelungen er aufbaut, durch seine Entgeltlichkeit. Darüber hinaus wird der Begriff der „Geschäftsbesorgung“ in § 675 Abs. 1 BGB enger ausgelegt als im Auftragsrecht.83 Denn die Formulierung „Dienstvertrag oder […] Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat“ zeige, dass das Gesetz zwischen (einfachen) Dienst- oder Werkverträgen und solchen, die eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand haben, unterscheide; dementsprechend könne nicht jede Tätigkeit im fremden Interesse ausreichen.84 Erforderlich ist im Rahmen von § 675 Abs.1 BGB eine selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art, die in der Wahrnehmung von Vermögensinteressen eines anderen, des Geschäftsherrn, besteht.85 Selbständigkeit bedeutet, dass der Geschäftsbesorger einen Ermessens- und Gestaltungsspielraum für eine eigenverantwortliche Überlegung und Willensbildung gerade auch gegenüber dem Geschäftsherrn hat.86 Außerdem muss seine Tätigkeit der Art nach dem Bereich des Wirtschaftslebens im weiteren Sinne angehören und einen Bezug zum Vermögen des Geschäftsherrn aufweisen.87 In dem Bezug zum Vermögen des Geschäftsherrn und der Selbständigkeit des Geschäftsbesorgers bei seinen Entscheidungen kommt die Öffnung der Interessensphäre des Geschäftsherrn für den Geschäftsbesorger zum Ausdruck. Entsprechend ist der Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 Abs. 1 BGB, wie der Auftrag, als Interessenwahrungsverhältnis einzuordnen.88 Aufgrund des Verweises in § 675 Abs. 1 BGB, wonach die wichtigsten Regeln des Auftragsrechts auch für die Geschäftsbesorgung gelten, gilt die „auftragsrechtliche Treuepflicht“ auch im Rahmen entgeltlicher Geschäftsbesorgungen.89 Der Geschäftsbesorger hat daher „mit dem ihm anvertrauten Vermögen treu und gewissenhaft umzugehen“ und „im fremden Interesse fürsorglich tätig zu sein“.90
83 Zum engen Geschäftsbesorgungsbegriff Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. zu §§ 662 ff. Rdnr. 15 ff. 84 Rusch, Gewinnhaftung, S. 175. 85 BGHZ 45, 223, 228 f.; BGH NJW-RR 1992, 560; 2004, 989; Palandt/Sprau, BGB, § 675 Rdnr. 3 ; RGRK/Steffen, BGB, § 675 Rdnr. 2 ff.; Staudinger/Martinek, BGB, § 675 Rdnr. A 9; a.A. MünchKommBGB/Seiler, § 662 Rdnr. 13 f. (Geschäftsbesorgung immer dann, wenn die für den Auftrag geltenden Rechtsfolgen nach dem Sinn und Zweck des jeweiligen Rechtsverhältnisses sachgerecht sind). 86 Staudinger/Martinek, BGB, § 675 Rdnr. A 11. 87 Palandt/Sprau, BGB, § 675 Rdnr. 3; Staudinger/Martinek, BGB, § 675 Rdnr. A 17 ff. Nicht erfasst werden daher etwa die Tätigkeiten von Ärzten oder Erziehern, weil sie keinen Vermögensbezug haben. 88 Rusch, Gewinnhaftung, S. 176. 89 Rusch, Gewinnhaftung, S. 170; vgl. auch BGH ZIP 1983, 781, 783. 90 Staudinger/Martinek, BGB, § 675 Rdnr. A 22.
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b.) Vertypte vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse Die auftrags- und geschäftsbesorgungsrechtlichen Regelungen bilden das Grundmodell für zahlreiche, praktisch wichtige Interessenwahrungsverhältnisse. Hierzu gehören etwa die Handelsvertretung oder die Kommission, aber auch die Mandatierung von Rechtsanwälten, Steuerberatern und Vermögensverwaltern, sowie andere Beratungsdienstleistungen oder die Maklertätigkeit. Bei diesen unterschiedlichen Vertragsformen handelt es sich um verschiedene Ausprägungen bzw. Typen des allgemeinen Interessenwahrungsverhältnisses. (i) Dogmatische Einordnung der vertypten Interessenwahrungsverhältnisse Diese verschiedenen Typen von Interessenwahrungsverträgen zeichnen sich durch einen unterschiedlichen Grad an Öffnung der Interessensphäre des Geschäftsherrn aus. Aufgrund der unterschiedlichen Näheverhältnisse zwischen Interessenwahrer und Geschäftsherrn kann es zu unterschiedlichen Interessenkonfliktlagen kommen, die unterschiedliche Konfliktlösungen erfordern. Zunächst ist danach zu unterscheiden, ob die Öffnung der Interessensphäre lediglich punktuell, d. h. begrenzt auf in der Regel ein Geschäft, oder aber längerfristig, d. h. dauerhaft bzw. für eine Vielzahl von Geschäften, erfolgen soll. Eine längerfristige Öffnung der Interessensphäre für eine Vielzahl von Geschäften birgt ein höheres Risiko als eine Öffnung für ein Einzelgeschäft, weil in diesem Fall mehr Möglichkeiten für Interessenkonflikte des Interessenwahrers bestehen, die die Interessen des Geschäftsherrn gefährden können. Neben der Möglichkeit, dass immer wieder kurzfristige Interessenkonflikte entstehen, besteht bei längerfristigen Interessenwahrungsbeziehungen zusätzlich die Gefahr länger andauernder Interessenkonflikte. Zwar kann auch die Erfüllung eines auf ein Einzelgeschäft ausgerichteten Interessenwahrungsverhältnisses hin und wieder länger dauern – z. B. wenn ein Makler längere Zeit braucht, um einen Interessenten zu finden –, doch steht dies einer solchen Differenzierung mit Blick auf das Gefährdungspotential nicht entgegen. Denn da es sich in diesem Fall nur um ein punktuelles Geschäft handelt, kann ein Interessenkonflikt auch nur in Bezug auf dieses eine Geschäft die Interessen des Geschäftsherrn gefährden, nicht aber mehrmals auftreten. In einem zweiten Schritt ist danach zu unterscheiden, wie weit der Geschäftsherr seine Interessensphäre öffnet und damit eine Gefährdung seiner Interessen in Kauf nimmt, d. h. in welchem Umfang und mit welcher Intensität der Interessenwahrer in seine Interessensphäre eindringen darf. Wo der Interessenwahrer dem Geschäftsherrn lediglich Möglichkeiten aufzeigen darf, damit dieser dann selbst tätig werden kann, ist die Öffnung der Interessensphäre vergleichsweise gering. Beispiel hierfür ist der Makler. Darf der Interessenwahrer für den Geschäftsherrn Entscheidungen treffen, geht die Öffnung der Interessensphäre erheblich weiter. Aber auch hierbei gibt es Unterschiede: Geringer ist die Öff-
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nung, wenn die Entscheidungen des Interessenwahrers nur begrenzte Auswirkungen haben können, wie etwa im Fall des Kommissionärs, der mit einem Vertragspartner seiner Wahl für den Kommittenten abschließt, dessen Tätigkeit sich jedoch auf ein Geschäft beschränkt. Weitergehend ist die Öffnung demgegenüber bei Treuhandverhältnissen, bei denen der Interessenwahrer langfristig weitgreifende Befugnisse eingeräumt bekommt und über Vermögensgegenstände verfügen darf, die dem Geschäftsherrn – wirtschaftlich – zustehen. Ebenfalls recht weitgehend, wenn auch weniger als bei der Treuhand, kann die Öffnung der Interessensphäre im Fall der Beratung sein. In deren Rahmen nimmt der Interessenwahrer Einfluss auf die Willensbildung des Geschäftsherrn und kann damit mittelbar Vermögensdispositionen veranlassen. (ii) Beispiele für auf lediglich ein Geschäft bezogene Interessenwahrungsverhältnisse (1) Makler Der Maklervertrag begründet ein besonderes Interessenwahrungsverhältnis zwischen den Parteien mit verschiedenen Pflichten, die sich zu einer besonderen Interessenwahrungspflicht verdichten.91 Bei dem in §§ 652 ff. BGB geregelten Maklervertrag ist die Öffnung der Interessensphäre des Geschäftsherrn im Vergleich zu anderen Typen von Interessenwahrungsverträgen für gewöhnlich geringer. Aufgabe des Maklers ist es in der Regel lediglich, dem Auftraggeber interessierte potentielle Vertragspartner zuzuführen, d. h. Gelegenheiten zum Abschluss eines (Haupt-)Vertrages nachzuweisen oder den (Haupt-)Vertrag zu vermitteln, § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB. Es geht also lediglich um die Unterstützung bei der Anbahnung eines Hauptvertrages. Weder hat der Makler – im Regelfall – die Befugnis, selbst mit dem interessierten potentiellen Vertragspartner den Hauptvertrag zu schließen, noch muss der Auftraggeber mit dem ihm zugeführten Interessenten den Vertrag auch tatsächlich schließen. Der Makler ist nicht einmal zum Tätigwerden verpflichtet.92 Wird er aber tätig und macht er sich auf die Suche nach möglichen Vertragspartnern für den Auftraggeber, muss sich dieser darauf verlassen können, dass der Makler in seinem, des Auftraggebers, Sinne agiert. Das heißt vor allem, dass er geeignete Interessenten sucht und den Vertragsabschluss nicht hintertreibt. Dementsprechend führt der Abschluss des Maklervertrages zu einem besonderen Interessenwahrungsverhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem Makler, das den Makler verpflichtet, das Interesse des Auftraggebers im Rahmen des Zumutbaren zu wahren und alles zu unterlassen, was die Interessen des Auftraggebers gefähr91 BGH NJW 1981, 2685; 1983, 1847, 1848; Jauernig/Mansel, BGB, § 654 Rdnr. 3. Zur Treuepflicht des Maklers etwa BGH NJW 1968, 150, 151; Burghart, AcP 140 (1935), 81 ff.; außerdem Mayer-Maly, in: Thomandl, Treue- und Fürsorgepflicht, S. 71, 84. 92 Palandt/Sprau, BGB, Einf. v. § 652 Rdnr. 1.
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den könnte.93 Je größer die Öffnung der Interessensphäre – was sich an der Bedeutung des Geschäfts, der Erfahrenheit des Auftraggebers etc. bemisst –, und je enger damit das Vertrauensverhältnis zwischen Auftraggeber und Makler, desto strenger ist der Pflichtenstandard für den Makler. Besonders ausgeprägt ist daher die Interessenwahrungspflicht beim sog. Vertrauensmakler.94 (2) Kommissionär Die in §§ 383 ff. HGB geregelte Kommission 95 ist ein besonderes Geschäftsbesorgungsverhältnis,96 bei dem es regelmäßig um ein punktuelles Geschäft und dementsprechend um punktuelle Interessenkonflikte geht. Bei der Kommission übernimmt der Kommissionär die Verpflichtung, für Rechnung des Kommittenten Waren oder Wertpapiere im eigenen Namen zu kaufen oder zu verkaufen, er tritt also als mittelbarer Stellvertreter auf.97 Der Geschäftsherr überlässt dem Kommissionär die Suche eines Vertragspartners und den Geschäftsabschluss mit diesem. Dementsprechend geht in diesem Fall die Öffnung der Interessensphäre erheblich weiter als im Fall des Maklervertrages. Die Interessenwahrungspflicht ist entsprechend stärker ausgeprägt. Allgemein bestimmt § 384 Abs. 1 2. Hs. HGB, dass der Kommissionär bei Ausführung des übernommenen Geschäfts das Interesse des Kommittenten wahrzunehmen hat. Er hat die Interessen des Kommittenten bestmöglich und unter Zurückstellung seiner eigenen Interessen zu verfolgen.98 Das bedeutet, dass er den übernommenen Auftrag so auszuführen hat, wie ihn seiner Ansicht nach der Kommittent selbst ausführen würde, wenn er die Kenntnisse, Fähigkeiten und Geschäftsverbindungen des Kommissionärs hätte.99 Der Kommissionär muss daher alle ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um den mit dem Vertrag erstrebten Ausführungserfolg zu erreichen und das Ausführungsgeschäft zu Bedingungen abzuschließen, die den Interessen des Kommittenten angemessen Rechnung tragen.100 Denn grundsätzlich soll sich BGH JZ 1968, 69; BGH NJW 1968, 150, 151; Palandt/Sprau, BGB, § 652 Rdnr. 13. Palandt/Sprau, BGB, § 652 Rdnr. 13. 95 Diese wird als Treueverhältnis – Staub/Koller, HGB, § 384 Rdnr. 2; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 41 f., 410 ff. – oder auch als Vertrauensgeschäft – Staub/Koller, HGB, § 384 Rdnr. 5 ; Weller, ZBB 2011, 191, 192 – bezeichnet. Siehe auch Lang/Bausch, WM 2010, 2101, 2105 („durch ein besonderes Vertrauen gekennzeichnet“). 96 Siehe nur Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 383 Rdnr. 6 ; K. Schmidt, Handelsrecht, § 31 III 3 (S. 871). 97 Dazu etwa K. Schmidt, Handelsrecht, § 31 III 2 a (S. 866). 98 RG JW 1901, 408; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 384 Rdnr. 1; Staub/Koller, HGB, § 384 Rdnr. 5 ; ders., BB 1978, 1733, 1736; MünchKommHGB/Häuser, § 384 Rdnr. 17 f.; vgl. auch Lang/Bausch, WM 2010, 2101, 2105. 99 Staub/Koller, HGB, § 384 Rdnr. 5. 100 BGH NJW-RR 2002, 1344, 1345; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 384 Rdn. 10; Heymann/Herrmann, HGB, § 384 Rdn. 8; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Krüger, HGB, § 384 Rdn. 12. 93
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der Kommittent, nicht zuletzt wegen der Unzulänglichkeiten der ex post-Kontrolle, darauf verlassen können, dass der von ihm beauftragte Kommissionär nur seine, des Kommittenten, Interessen im Auge hat.101 Neben diesen allgemeinen Vorgaben für den Kommissionär enthält das HGB aber auch spezifische Regelungen, die die besonderen punktuellen Interessenkonflikte in den Blick nehmen, die bei diesem Interessenwahrungsverhältnis entstehen können. So wird etwa sichergestellt, dass der Kommissionär Geschäftsabschlüsse, die günstiger ausfallen als vom Kommittenten vorgegeben, dem Kommittenten zugutekommen lassen muss, vgl. § 387 HGB. Denn er soll sich keine versteckten Vergütungen verschaffen können, weil dadurch die Wahrnehmung der Interessen des Kommittenten erheblich beeinträchtigt werden würde.102 Außerdem wird der Arbeitseinsatz des Kommissionärs bereits durch die Provision abgegolten. Besondere Regelungen für punktuelle Interessenkonflikte stellen darüber hinaus die Vorschriften zum Selbsteintrittsrecht dar.103 (3) Anlageberater Eine besondere Form der Öffnung der Interessensphäre erfolgt im Rahmen von Beratungsverhältnissen. Insbesondere die (Finanz-)Anlageberatung ist in den letzten Jahren Gegenstand intensiver rechtlicher Auseinandersetzung geworden.104 Der (Anlage-)Berater hat die Aufgabe, Kenntnis- und Informationsdefizite des Beratenen zu verringern und es ihm so zu ermöglichen, eigenverantwortlich eine für ihn sinnvolle Entscheidung zu treffen. 105 Dabei muss er eine eigene subjektive Bewertung der Situation vornehmen, hinsichtlich der er berät, und eine Empfehlung aussprechen, die die persönlichen Umstände des Beratenen berücksichtigt.106 Dies geht weiter als die Erteilung einer Auskunft, bei der Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 909. Vgl. dazu Grundmann, Treuhandvertrag, S. 411. 103 Dazu § 9 III.1.). 104 Der Anlageberatungsvertrag ist als Vertragstyp nicht gesetzlich geregelt. Bei ihm handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag. Siehe MünchKommBGB/Heermann, § 675 Rdnr. 123; Staudinger/Martinek, § 675 A 3, B 7; Palandt/Sprau, BGB, § 675 Rdnr. 10; Schelling, Vergütungssysteme, S. 54 ff.; Sethe, FS Nobbe, 2009, S. 769, 776; Weller, ZBB 2011, 191, 197. Für Dienstvertrag Hannöver, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHdb, § 110 Rdnr. 20; Nikolaus/d’Oleire, WM 2007, 2129, 2130. Im Verhältnis Bank zu Kunde tritt der Beratungsvertrag selbständig neben die zwischen ihnen bestehenden allgemeinen Vertragbeziehungen. Siehe Spindler, WM 2009, 1821, 1822. Zur Dogmatik des Anlageberatungsvertrages Weller, ZBB 2011, 191; außerdem Buck-Heeb, WM 2012, 625. 105 Siehe Hannöver, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 110 Rdnr. 19, 45; Weller, ZBB 2011, 191, 193. 106 Hannöver, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 110 Rdnr. 25; Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 96 f.; Lang, Informationspflichten, S. 34 f. Siehe auch Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31 Rdnr. 131. Ausführlich zur Abgrenzung von Aufklärung und Beratung Lang, Informationspflichten, S. 27 ff.; siehe auch Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 299 ff. 101
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es lediglich um eine Mitteilung von Tatsachen geht,107 oder eine Aufklärung, bei der zusätzlich zur Mitteilung diese noch erläutert wird.108 Die Anlageberatung bezieht sich regelmäßig auf eine einzelne Anlageentscheidung. Der Beratene beschränkt somit die Öffnung seiner Interessensphäre auf einen einzelnen Vorgang. Entsprechend beschränkt sich die Gefahr von Interessenkonflikten auf die einzelne Beratung. Dies führt zu einer zeitlichen Begrenzung der Pflichten des Beraters. So muss er etwa grundsätzlich nicht über nachträgliche Veränderungen informieren.109 Vom inhaltlichen Umfang her erfolgt die Öffnung der Interessensphäre anders als z. B. bei der Kommission. Zwar behält der Beratene bei einem Beratungsverhältnis grundsätzlich die Entscheidungsbefugnis, ob er der Empfehlung folgt oder nicht.110 Aber in der Regel – wenn die Beratung sachgerecht erfolgt ist – wird er sich nach dem erteilten Rat richten. Denn eine Beratung wird typischerweise in Situationen nachgefragt, in denen dem zu Beratenden Informationen oder die fachliche Kompetenz fehlen, um eine sachgerechte und informierte Entscheidung zu treffen. Der zu Beratende ist in dieser Situation auf den Berater angewiesen, sodass der Berater eine starke Einflussposition erhält. Daher muss sich der zu Beratende auf ihn verlassen (können). Entsprechend ist der Berater zur Wahrnehmung der (Vermögens-)Interessen des Beratenen verpflichtet und muss seine Empfehlungen allein am Interesse des Beratenen ausrichten.111 Das bedeutet unter anderem, dass persönliche Anlageempfehlungen des Beraters anleger- und objektgerecht sein müssen.112 (iii) Beispiele für auf Dauer eingegangene Interessenwahrungsverhältnisse (1) Handelsvertreter Ein für eine längere Dauer eingegangenes Interessenwahrungsverhältnis ist der in §§ 84 ff. HGB geregelte Handelsvertretervertrag – ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit dienstvertraglichem Charakter.113 Aufgabe des Handelsvertreters ist es nach § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB, „als selbständig Gewerbetreibender ständig […] für einen anderen Unternehmer […] Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen“. Damit räumt der Unternehmer dem Handelsver Lang, Informationspflichten, S. 31; siehe auch Hannöver, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 110 Rdnr. 25. 108 Lang, Informationspflichten, S. 33; Weller, ZBB 2011, 191, 192. 109 Weller, ZBB 2011, 191, 192. 110 Vgl. Hannöver, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 110 Rdnr. 55. 111 BGH ZIP 2011, 756, 759; BGH WM 2001; 297; Staudinger/Martinek, BGB, § 675 Rdnr. B7; Hannöver, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 110 Rdnr. 25; vgl. auch Sethe, FS Nobbe, 2009, S. 769, 781. 112 BGHZ 123, 126; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 347 Rdnr. 23; Hannöver, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 110 Rdnr. 4 4 ff., insb. 52, 55 ff.; Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 91 ff.; Weller, ZBB 2011, 191, 192. 113 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 1; ders., Handelsvertreterrecht, § 86 Rdnr. 1. 107
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treter ein, für ihn tätig zu werden und – im zweiten Fall – sogar ihn vertraglich zu binden. Aufgrund der Längerfristigkeit („ständig“) der so erfolgten Öffnung der Interessensphäre besteht die Gefahr dauerhafter oder im Rahmen desselben Interessenwahrungsverhältnisses wiederkehrender Interessenkonflikte.114 Entsprechend statuiert § 86 Abs. 1 2. Hs. HGB eine Interessenwahrungspflicht – oder auch „Treuepflicht“115 – des Handelsvertreters.116 Danach hat der Handelsvertreter bei der Vermittlung und dem Abschluss von Geschäften das Interesse des Unternehmers wahrzunehmen,117 d. h. er hat alles Erforderliche zu tun, um die Interessen des Unternehmers zu wahren, und alles zu unterlassen, was den Interessen des Unternehmers schaden kann.118 Insbesondere muss er den Interessen des Unternehmers Vorrang vor seinen eigenen Interessen geben.119 Die Interessenwahrungspflicht bestimmt das gesamte Handelsvertreterverhältnis.120 Der Handelsvertreter ist daher – entgegen dem Wortlaut – nicht nur in Bezug auf die Vermittlung und den Abschluss von Geschäften, sondern auch hinsichtlich aller übrigen ihn treffenden Pflichten aus dem konkreten Handelsvertretervertrag zur Interessenwahrung verpflichtet.121 Auf der anderen Seite beschränkt sich seine Interessenwahrungspflicht aber auch hierauf. Er ist nicht Interessenwahrer in Bezug auf alle Interessen des Unternehmers.122 Ausprägungen der Interessenwahrungspflicht sind u. a. die Pflicht zur Befolgung von Weisungen des Unternehmers, vgl. §§ 675, 665 BGB,123 und zur Benachrichtigung über alle für den Geschäftsherrn bedeutsamen Umstände, vgl. § 86 Abs. 2 HGB und §§ 675, 666 BGB124. Um die Interessen des Unternehmers zu wahren hat der Handelsvertreter außerdem die Pflicht, die Bonität, Kredit114 Die unterschiedlich weite Öffnung der Interessensphäre im Hinblick auf die übernommenen Aufgaben – die Öffnung der Interessensphäre des Unternehmers geht weiter, wenn der Vertreter Verträge für den Unternehmer abschließen darf, als wenn er lediglich vermittelt – ändert daran grundsätzlich nichts. Sie erlaubt aber eine gewisse Abstufung der Intensität der Interessenwahrungspflicht. 115 So BGHZ 42, 59, 62; BGH BB 1968, 60. 116 Die Interessenwahrungspflicht ist für die Handelsvertretung wesensbestimmend und zwingend, BGHZ 97, 317, 326; 112, 218, 222; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 20; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 385. 117 Der Handelsvertreter ist also „Interessenwahrer“ des Unternehmers. Siehe BGH BB 1979, 242; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 15, 20. 118 BGHZ 42, 59, 61; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 21. 119 Schlegelberger/Schröder, HGB, § 86 Rdnr. 16 und 18. Enger Grundmann, Treuhandvertrag, S. 385 (nur hinsichtlich der „Ausübung von Entscheidungs- und Kontrollpositionen“). 120 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 20; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 385. 121 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 20; Löhnig, Treuhand, S. 417; a.A. Grundmann, Treuhandvertrag, S. 385 (enger Wortlaut sei zutreffend). 122 Löhnig, Treuhand, S. 417. 123 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 15. 124 Siehe etwa BGH BB 1969, 1196; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 21.
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und Vertrauenswürdigkeit eines Kunden zu prüfen.125 Nach Vertragsschluss hat er den Kunden weiter zu betreuen, um diesen für den Unternehmer zu erhalten.126 Er darf nicht dem Kunden raten, den Vertrag aufzulösen und vom Unternehmer Schadensersatz zu verlangen.127 Er ist zur Verschwiegenheit hinsichtlich aller Geschäftsgeheimnisse des Unternehmers verpflichtet und darf nichts dem Unternehmer Nachteiliges offenbaren.128 Insbesondere darf er Dritten nicht die vom Unternehmer erhaltenen oder für diesen angelegten Kundenlisten offen legen.129 Nicht verpflichtet ist der Handelsvertreter dagegen, für das Geschäft des Unternehmers ganz allgemein oder umfassend zu werben.130 Auch in Bezug auf persönliche Angelegenheiten des Unternehmers, hat der Handelsvertreter keine besondere Interessenwahrungspflicht.131 (2) Vertragshändler Ein weiteres auf Dauer angelegtes Interessenwahrungsverhältnis ist der Vertragshändlervertrag. Der Vertragshändler übernimmt es, ständig „im eigenen Namen und auf eigene Rechnung die Vertragswaren im Vertragsgebiet zu vertreiben und ihren Absatz zu fördern, die Funktionen und Risiken seiner Handelstätigkeit hieran auszurichten und im Geschäftsverkehr das Herstellerzeichen neben der eigenen Firma herauszustellen“.132 Da es Inhalt und Zweck des Vertragshändlervertrages ist, den Absatz der Herstellerwaren zu fördern, richtet sich das Vertragsverhältnis an den Interessen des Herstellers aus.133 Als Vertragstypus ist der Vertragshändlervertrag nicht gesetzlich geregelt.134 Je nach Struktur des Vertragshändlerverhältnisses kann die Öffnung der Interessensphäre des Herstellers gegenüber dem Vertragshändler im Vergleich zur Situation beim Handelsvertreter, der für den Unternehmer in dessen Namen Verträge schließt, weiter oder weniger weit gehen. Wie der Handelsvertreter ist auch der Vertragshändler auf Dauer angestellt und vertreibt die Waren eines anderen (des Herstellers).135 Dementsprechend kann es auch im Fall des Vertragshändlers zu längerfristigen oder wiederkehrenden Interessenkonflikten im Rahmen ein und desselben Interessenwahrungsverhältnisses kommen. Anders RGZ 18, 112; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 21. OLG Koblenz BB 1973, 866. 127 OLG Koblenz BB 1973, 866; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 21. 128 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 22; Hopt, Handelsvertreterrecht, § 90 Rdnr. 1 und 4; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, § 86 Rdnr. 20; Schlegelberger/ Schröder, HGB, § 90 Rdnr. 1. Vgl. dazu auch § 90 HGB. 129 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 28. 130 RGZ 109, 254, 258. 131 Vgl. Schlegelberger/Schröder, HGB, § 86 Rdnr. 16. 132 Ulmer, Vertragshändler, S. 264. 133 Ulmer, Vertragshändler, S. 152. 134 Zur Einordnung des Vertragshändlervertrages als Sonderfall des Geschäftsbesorgungsvertrages Ulmer, Vertragshändler, S. 268 ff. 135 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 84 Rdnr. 10, Einl. v. § 373 Rdnr. 35. 125 126
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als der Handelsvertreter handelt der Vertragshändler jedoch im eigenen Namen und auf eigene Rechnung.136 Er vertreibt die Vertragswaren also als selbständiger Unternehmer auf volles eigenes Risiko.137 Damit nimmt er dem Hersteller insbesondere das Kreditrisiko für den Weitervertrieb der Waren ab und verringert durch Mindestabnahme-, Vorausdispositions- und Lagerhaltungspflicht außerdem dessen Absatzrisiko.138 Damit werden die Risiken für den Hersteller begrenzt und seine Interessen insofern besser geschützt als im Fall des Vertragshändlervertrages. Andererseits beschränkt der Hersteller den Absatz seiner Produkte in der Regel auf die Händler seines Vertriebsnetzes.139 Zudem erhalten sie häufig in einem bestimmten Gebiet ein Alleinvertriebsrecht, das außerdem noch durch einen Gebietsschutz zu ihren Gunsten abgesichert werden kann.140 Aufgrund dieser Absatz- und Organisationsstruktur des Vertragshändlerverhältnisses kann der Ausfall oder der ungenügende Einsatz eines Vertragshändlers für den Absatzerfolg des Herstellers größere Auswirkungen haben als der Ausfall eines Händlers im offenen Vertrieb.141 Denn dies würde seine Interessen an der Stetigkeit und Förderung des Absatzes seiner Waren erheblich beeinträchtigen.142 Diese besondere Verletzbarkeit der Interessen des Herstellers erfordert es, diese besonders zu schützen. Dafür kann auf die Interessenwahrungspflicht des Handelsvertreters nach § 86 Abs. 1 2. Hs. HGB zurückgegriffen und diese auf das Verhältnis zwischen Vertragshändler und Hersteller übertragen werden.143 Denn trotz aller Unterschiede zwischen Vertragshändlervertrag und Handelsvertretervertrag sind diese doch strukturell verwandt. Bei beiden geht es um den Vertrieb von Waren eines Geschäftsherrn – des Herstellers bzw. Unternehmers – durch einen selbständigen Handelsgewerbetreibenden.144 Bei beiden richtet sich das Vertragsverhältnis an den Interessen einer Partei – des Herstellers bzw. Unternehmers – aus, die mit dem Vertragsschluss ihre Interessensphäre für die andere Partei öffnet. Daher ist auch der Vertragshändler zu Treue und Rücksichtnahme verpflichtet.145 Dies bedeutet, dass er seine Vertriebstätigkeit 136 BGHZ 29, 83, 87; 34, 282, 285; 54, 338, 340 f.; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 84 Rdnr. 10, Einl. v. § 373 Rdnr. 35. 137 Ulmer, Vertragshändler, S. 154. 138 Ulmer, Vertragshändler, S. 158. 139 Ulmer, Vertragshändler, S. 157. 140 Vgl. dazu § 87 Abs. 2 Satz 1 HGB. 141 Ulmer, Vertragshändler, S. 157. 142 Vgl. dazu Ulmer, Vertragshändler, S. 154. 143 BGH NJW 1958, 1138; NJW 1984, 2101, 2102; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 84 Rdnr. 11; Ulmer, Vertragshändler, S. 410; zu den Analogievoraussetzungen Ulmer, a.a.O., S. 394 ff. 144 Ulmer, Vertragshändler, S. 410. 145 BGHZ 93, 29, 39; BGH WM 1993, 1464, 1470; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, Einl. v. § 373 Rdnr. 38, 39. Zur korrespondierenden Treuepflicht des Herstellers/Lieferanten BGHZ 93, 29, 39; 124, 351, 354.
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an den Interessen des Herstellers auszurichten und im Falle eines Interessenkonflikts seine Interessen denen des Herstellers unterzuordnen hat.146 Auch die besonderen Ausprägungen der handelsvertreterrechtlichen Interessenwahrungspflicht, wie etwa das Wettbewerbsverbot,147 können auf das Vertragshändlerverhältnis übertragen werden. Das bedeutet, dass der Vertragshändler ohne Erlaubnis des Herstellers keine Konkurrenzprodukte vertreiben und auch sonst nicht als Vertragshändler für andere Hersteller tätig werden darf.148 Außerdem hat er den Hersteller über alle Umstände, die für den Vertrieb von dessen Produkte erheblich sind, zu informieren und dessen Geschäftsgeheimnisse zu wahren.149 Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten des Vertragshändlervertrags die Intensität der Interessenwahrungspflicht und der konkreten Einzelpflichten von der Ausgestaltung des jeweiligen Vertragshändlervertrags abhängt.150 (3) Treuhänder Besonders weit geht die Öffnung der Interessensphäre im Fall der fremdnützigen Treuhand.151 Denn bei der Treuhand werden dem Treuhänder Vermögensrechte übertragen, über die er gegenüber Dritten frei verfügen kann.152 Lediglich im Innenverhältnis zum Treugeber unterliegt er schuldrechtlichen Bindungen, weil er diese Rechte für den Treugeber – bzw. ggf. für Dritte – halten und verwalten soll.153 Der Treuhänder bekommt also eine Position eingeräumt, bei der er hinsichtlich des Außenverhältnisses mehr Rechte erhält, als er im Innenverhältnis ausüben darf.154 Aufgrund dieser „überschießenden Rechtsmacht“155 und vor allem wegen der dinglichen Berechtigung an den ihm übertragenen Vermögenswerten hat er die Möglichkeit, die Interessen des Treugebers bzw. ggf. der Dritten in besonderer Weise zu gefährden. Daher unterliegt er auch einer besonders strengen Loyalitätspflicht und darf die ihm übertragenen Rechte ausschließlich im Interesse desjenigen wahrnehmen, der im Treuhandvertrag Ulmer, Vertragshändler, S. 410; siehe schon RG JW 1901, 40 Nr. 30. Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 84 Rdnr. 11. 148 Vgl. Ulmer, Vertragshändler, S. 410. 149 Ulmer, Vertragshändler, S. 410. 150 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, Einl. v. § 373 Rdnr. 39. Von dem Idealmodell des Vertragshändlervertrages gibt es in der Realität zahlreiche Abweichungen, sodass die Unterschiede zwischen Handelsvertreter und Vertragshändler abnehmen. Im Grenzfall lassen sich die beiden Rechtsformen sogar austauschen. Siehe Ulmer, Vertragshändler, S. 393. Dies hat Rückwirkungen auf die Interessenwahrungspflicht im jeweiligen Vertragsverhältnis. 151 Bei dieser handelt es sich um einen Auftrag, sofern sie unentgeltlich erfolgt, bzw. um eine Geschäftsbesorgung, sofern sie entgeltlich vorgenommen wird. Siehe Coing, Treuhand, S. 92. 152 Rusch, Gewinnhaftung, S. 154. 153 Coing, Treuhand, S. 2 . 154 MünchKommBGB/Schramm, Vor § 164 Rdnr. 28; Palandt/Bassenge, BGB, § 903 Rdnr. 33; Henssler, AcP 196 (1996), 37, 41 f. 155 Henssler, AcP 196 (1996), 37, 41. 146 147
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bestimmt wird.156 Weniger stark ausgeprägt ist die Treuepflicht demgegenüber im Fall der eigennützigen Treuhand, die in erster Linie den Interessen des Treuhänders dient.157
3.) Organschaftliche Interessenwahrungspflicht/Treuepflicht Wesentliche Bedeutung haben die Interessenwahrungs- bzw. Treuepflichten auch und vor allem im Gesellschaftsrecht erlangt, wo sie „einen wesentlichen Teil der ‚ungeschriebenen Legalordnung‘ des Gesellschaftsrechts“ ausmachen.158 a.) Abgrenzung zur mitgliedschaftlichen Treuepflicht Interessenwahrungs- bzw. Treuepflichten haben sowohl die Gesellschaftsor gane als auch die Gesellschafter zu beachten.159 Mitgliedschaftliche Treuepflichten sind anerkannt für das Verhältnis der Mitgesellschafter von Personengesellschaften,160 zwischen den Gesellschaftern einer GmbH,161 für den Mehrheitsaktionär gegenüber den Minderheitsaktionären162 sowie für den Minderheitsaktionär gegenüber den übrigen Aktionären.163 Sie wurzeln in dem Coing, Treuhand, S. 138. Dazu etwa Coing, Treuhand, S. 89. 158 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 1 a (S. 588). Sie wird auch als „gesellschaftsrechtliche Generalklausel“ bezeichnet. Siehe Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 28 Rdnr. 35; Rusch, Gewinnhaftung, S. 185; siehe auch Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 228 („Generalpflicht“). 159 Dazu etwa Hüffer, AktG, § 84 Rdnr. 9 ; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 95 ff.; Weber, Vormitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 60 ff., 67 f.; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 8 ; ders., WM 2003,1045, 1047; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221; Henze, ZHR 162 (1998), 186; Hüffer, FS Steindorff, 1990, S. 59, insb. 66 ff.; Kort, ZIP 1990, 294; Lutter, ZHR 162 (1998) 164; Marsch-Barner, ZHR 157 (1993) 172; Timm, WM 1991, 481; Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 950 ff., insb. 953 ff.; ders., WM 2009, 1. Als dritte Gruppe der gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten werden für Kapitalgesellschaften zudem Treuepflichten bei Mehrheitsentscheidungen genannt, wenn Mehrheitsanteilseigner im Rahmen der Ausübung ihrer Stimmrechte Einfluss auf die Vermögensinteressen der Minderheitsanteilseigner nehmen können. Dazu BGHZ 65, 15, 18 f.; 103, 184, 194 f.; Janke, Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, S. 63 ff.; Weber, Vormitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 67 f.; Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 950, 960 ff.; ders., WM 2009, 1, 5 ff.; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 238 f. 160 Siehe nur BGHZ 89, 162, 165; Bartsch, Entwicklung, passim; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 9 ff.; Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 953 f.; außerdem Rusch, Gewinnhaftung, S. 185. 161 BGHZ 65, 15, 18 f.; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, passim; siehe auch Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 18 IV.2.d (S. 281). 162 BGHZ 103, 184, 194 f.; BGH NJW 1992, 3167, 3171; siehe auch Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 II.3.c (S. 195); Hennrichs, AcP 195 (1995), 221; Marsch-Barner, ZHR 157 (1993) 172, insb. 176 ff.; Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 960 ff.; krit. Martens, in: K. Schmidt, Rechtsdomatik, S. 251. 163 BGHZ 129, 136, 142 ff. 156
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Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedern und verpflichten diese sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch gegenüber den Mitgesellschaftern, die Gesellschaftsinteressen zu fördern und alles zu unterlassen, was mit dem Gesellschaftszweck nicht vereinbar ist.164 Sie entspringen also jeweils dem Gemeinschaftsverhältnis. Demgegenüber sind die Mitglieder von Gesellschaftsorganen aufgrund der Organschaft zur (Fremd-)Interessenwahrung verpflichtet.165 Auch von ihrer Intensität her unterscheiden sich diese beiden Treuepflichten voneinander: Die mitgliedschaftlichen Treuepflichten sind schwächer ausgeprägt als die organschaftlichen Treuepflichten.166 Denn die Organmitglieder müssen sich ausschließlich am Interesse der jeweiligen Gesellschaft orientieren, während die Gesellschafter auch Privatinteressen verfolgen dürfen, wenn sie eigennützige Mitgliedschaftsinteressen wahrnehmen.167 b.) Die organschaftliche Treuepflicht Die organschaftliche Treuepflicht, der alle Organmitglieder – Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte – unterliegen,168 wird aus dem Verhältnis zwischen Organmitglied und Gesellschaft abgeleitet und geht mit der Stellung als Organ einher.169 Denn mit der Bestellung der Betroffenen als Organmitglieder 164 Hüffer, AktG, § 53a Rdnr. 15 ff. (folgt aus der Satzung); Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 8 ; ders., WM 2003, 1045, 1047. 165 Funktional entspricht deren Stellung derjenigen des Interessenwahrers bei Verträgen der Fremdinteressenwahrung. Auf das Anstellungsverhältnis als Fremdinteressenwahrungsvertrag lässt sich in diesem Fall allerdings nicht abstellen, weil dieses nicht die Grundlage der gesteigerten organschaftlichen Treuepflicht bildet. Vielmehr ist diese in dem Organschaftsverhältnis verankert, das mit der Bestellung zum Organmitglied entsteht. Siehe Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 429; außerdem die Nachweise in Fn. 169. 166 Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 8 ; ders., WM 2003, 1045, 1047; Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 954. 167 Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 8 ; ders., WM 2003, 1045, 1047. Siehe dazu auch BGH GmbHR 1991, 362; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 14 Rdnr. 24. 168 Allgemein Grundmann, Treuhandvertrag, S. 26 f., 269, 421 ff. Für den Vorstand: GroßkommAktG/Hopt, § 93, Rdnr. 144; Hüffer, AktG, § 84 Rdnr. 9; KölnKommAktG/ Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 95; MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rdnr. 92; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 344 ff.; Weisser, Corporate Opportunities, S. 136 ff.; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 1; ders., WM 2003, 1045; Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 427. Für die Aufsichtsratsmitglieder statt aller GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 116 Rdnr. 173; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb börsennot. AG, § 29 Rdnr. 26; Knapp, Treuepflicht, S. 167 ff. Für den Geschäftsführer der GmbH: statt aller Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 151 ff.; Gantenberg, Interessenkonflikte, S. 158 ff. Für die (geschäftsführenden) Gesellschafter der OHG Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 114 Rdnr. 12 f. (und damit zugleich für die Komplementäre der KG, siehe Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 161 Rdnr. 15). 169 BGHZ 15, 71, 78; MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rdnr. 92; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 5 ; ders., WM 2003, 1045, 1046; Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 951; in Bezug auf die GmbH Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG,
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öffnet die Gesellschaft ihre Interessensphäre ihnen gegenüber in besonderer Weise: Die Befugnis zur Geschäftsführung und die rechtliche Vertretung der Gesellschaft nach außen ermöglichen es den Organmitgliedern, die Interessen der Gesellschaft umfänglich zu beeinflussen.170 Dabei können sie regelmäßig eigenständig und weisungsfrei handeln. Die organschaftliche Treuepflicht verpflichtet die Organmitglieder dazu, die ihnen übertragenen Aufgaben loyal wahrzunehmen, sich ausschließlich von den Interessen der Gesellschaft leiten zu lassen und alles zu unterlassen, was sich auf das Unternehmen nachteilig auswirken könnte.171 Sie haben sich in allen Angelegenheiten, die das Interesse der Gesellschaft berühren, allein von deren Wohl und nicht vom eigenen Vorteil oder demjenigen Dritter leiten zu lassen.172 Die organschaftliche Treuepflicht geht somit weiter als die Pflicht nach § 242 BGB, sich nach Treu und Glauben zu verhalten.173 Organmitglieder werden daher verbreitet als „Treuhänder“ eingeordnet174 und ihre Tätigkeit als „treuhänderische Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen“ charakterisiert.175 Zum Teil wird auch nur von einer treuhandähnlichen Position gesprochen.176 Funktional vergleichbar ist das Verhältnis von Organmitglied und Gesellschaft mit demjenigen von Geschäftsbesorger und Geschäftsherrn nach § 675 BGB.177 Rechtsvergleichend entsprechen diese Treuepflichten funktional
§ 35 Rdnr. 38; Polley, Wettbewerbsverbot, S. 87. Siehe außerdem Hüffer, AktG, § 84 Rdnr. 9 (mit Bestellung rechtsgeschäftlich begründet). 170 Rusch, Gewinnhaftung, S. 186. 171 Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 431; ders., ZIP 2006, 1615; ders., NZG 2003, 697, 698; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 2; Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 950. 172 BGH WM 1967, 679; WM 1977, 361, 362; WM 1983, 498, 499; 1984, 1335, 1339; NJW 1986, 585 f.; außerdem BGH NJW 1986, 584, 585 (Gesellschafter-Geschäftsführer einer OHG); aus der Literatur stv. GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 145; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 43 Rdnr. 19; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rdnr. 42; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 2 ; siehe auch Rusch, Gewinnhaftung, S. 185. 173 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 145; Hüffer, AktG, § 84 Rdnr. 9, § 93 Rdnr. 5; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 95; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 3 ; siehe auch Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 428. 174 BGHZ 129, 30, 34; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 12; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 26 f., 421; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 III 5 a (S. 208) („treuhänderische Stellung“); Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rdnr. 91 (“treuhänderische Stellung“); Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 344. Siehe auch Orts, in: Davis/Stark, Conflicts of Interest in the Professions, S. 129. 175 BGHZ 129, 30, 34. 176 Wiesner, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 25 Rdnr. 2 („wie ein treuhänderischer Verwalter“). 177 Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 428; siehe auch Hopt, FS Mestmäcker, 1996, S. 909, 921.
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den fiduciary obligations von company directors im angloamerikanischen Recht.178 Die organschaftliche Treuepflicht kommt in einigen konkretisierenden gesetzlichen Regelungen zum Ausdruck, wie etwa dem für den Vorstand geltenden Wettbewerbsverbot, § 88 Abs. 1 AktG, oder der Verschwiegenheitspflicht, § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG. Für börsennotierte Gesellschaften enthält der Deutsche Corporate Governance Kodex darüber hinaus Empfehlungen für wichtige Anwendungsfälle der Treuepflicht für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder. So empfiehlt etwa Ziff. 4.3.3 DCGK für Vorstandsmitglieder und Ziff. 5.5.1 DCGK für Aufsichtsratsmitglieder, dass diese dem Unternehmensinteresse verpflichtet sein sollen und bei ihren Entscheidungen weder persönliche Interessen verfolgen noch Geschäftschancen, die dem Unternehmen zustehen, für sich nutzen dürfen.179 Die organschaftlichen Treuepflichten der Organmitglieder gelten nur gegenüber der Gesellschaft, nicht auch gegenüber den einzelnen Anteilseignern.180 Dies wird mit der innerverbandlichen Haftungsordnung des Kapitalgesellschaftsrechts begründet, die in § 93 AktG bzw. § 43 GmbHG auf die Gesellschaft hin ausgerichtet ist.181 Auch eine Erstreckung auf Anteilseigner mittels eines Analogieschlusses ist abzulehnen. Denn da eine unmittelbare Haftung der Geschäftsleiter gegenüber den Gesellschaftern lediglich in bestimmten Einzelfällen geregelt wird – etwa in § 31 Abs. 6 GmbHG oder § 117 Abs. 2 AktG – fehlt es an einer ausreichenden Grundlage, um mit Hilfe einer Gesamtanalogie eine mitgliederbezogene Treuepflicht zu begründen.182 Die Gesellschafter haben jedoch die Möglichkeit, sich auf die ihnen gegenüber geltende Treuepflicht der Gesellschaft zu berufen, die von den für die Gesellschaft handelnden Organen zu beachten ist.183 178 Hopt, in: Hopt/Teubner, Corporate Governance, S. 285, 295 ff., 300 ff.; Rusch, Gewinnhaftung, S. 186. Vgl. auch Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 950, der die organschaftliche Treuepflicht als “duty of loyalty” bezeichnet. 179 Dazu Ringleb/Kremer/Lutter/v.Werder/Ringleb, DCGK, Rdnr. 828 f. (Vorstand); Ringleb/Kremer/Lutter/v.Werder/Kremer, DCGK, Rdnr. 1087 ff. (Aufsichtsrat). 180 BGHZ 83, 122, 134; 110, 323, 334 (Verein); GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 469; MünchKommGmbHG/Fleischer, § 43 Rdnr. 157; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 431, 436; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 6 ; ders., WM 2003, 1045, 1046; Kuntz, Informationsweitergabe, S. 29 ff.; Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 774; vorsichtiger Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rdnr. 35 („nicht unmittelbar“); a.A. etwa Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 241; wohl auch ders., WM 2009, 1, 3. 181 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 469; Kuntz, Informationsweitergabe, S. 31 ff. Siehe dazu auch Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 6 ; ders., WM 2003, 1045, 1046. Auch wird darauf hingewiesen, dass andernfalls die Gefahr von Pflichtenkollisionen stiege und die Möglichkeit von Einzelklagen ausgeweitet würde, was das Binnenrecht der Kapitalgesellschaften aus der Balance bringen könnte. Vgl. dazu Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 6 ; ders., WM 2003,1045, 1046. 182 Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 6 ; ders., WM 2003,1045, 1046. 183 BGHZ 127, 107, 111; Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 774.
IV. Rechtsgrundlage der Interessenwahrungspflichten
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Abzugrenzen ist die Treuepflicht von der Sorgfaltspflicht.184 Diese ist eine eigene Pflicht, mit eigenen Voraussetzungen und Rechtsfolgen.185 Dies entspricht der Differenzierung in anderen Rechtsordnungen, die zwischen der Sorgfaltspflicht (duty of care) und der Treuepflicht (duty of loyalty) unterscheiden.186 c.) Umfang der organschaftlichen Treuepflicht Der Umfang der Treuepflicht von Organmitgliedern orientiert sich am Umfang der Öffnung der Interessensphäre der Gesellschaft und den damit einhergehenden Gefahren für diese. Je erheblicher die Gefahr und die Auswirkungen eines pflichtwidrig gelösten Interessenkonflikts sind, desto intensiver ist die Treuepflicht.187 Besonders weitgehend ist die Treuepflicht von Mitgliedern der Geschäftsleitungsorgane von Gesellschaften.188 In ihrem Fall führt ein pflichtwidrig gelöster Konflikt unmittelbar zur Selbstschädigung der Gesellschaft, weil diese durch ihre Organe handelt und die Organe die Interessen der Gesellschaft umfassend wahrnehmen.189 Diese vollständige Öffnung der Interessensphäre gegenüber den Geschäftsleitern, die ihnen einen umfangreichen Entscheidungsspielraum und Einfluss auf die (Vermögens-)Interessen und letztlich auch auf den Bestand der Gesellschaft gewährt, erfordert eine intensivere Interessenwahrungspflicht als bei anderen Interessenwahren, wie etwa Aufsichtsratsmitgliedern. Aufsichtsratsmitglieder haben keinen vergleichbaren Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft und ihr Amt stellt nur eine Nebentätigkeit dar.190 Dementsprechend sind die an sie gestellten Anforderungen weniger streng.191 So gilt für sie z. B. das Wettbewerbsverbot des § 88 Abs. 1 AktG nicht. Aus der Treuepflicht entspringt unter anderem das allgemeine Verbot, die Organstellung im eigenen Interesse auszunutzen.192 Organmitglieder dürfen 184 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 72; ders., FS Kübler, 1997, S. 435, 439; Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 430; siehe auch die Unterscheidung bei Hüffer, AktG, § 93 Rdnr. 4 ff., § 116 Rdnr. 3 f.; a.A. zunächst Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 950 (der auch die Sorgfaltspflicht als Treuepflicht einordnet), nun aber Wiedemann, WM 2009, 1, 2. 185 Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 430. 186 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 72. Zum angloamerikanischen Recht z. B. Clark, Corporate Law, § 3.4 (S. 123) und § 4.1 (S. 141); Hill/McDonnell in: Hill/McDonnell, Research Handbook, S. 133. 187 In ähnliche Richtung weist der Ansatz von Koller, der auf die Nähe des Interessenwahrers zum Geschäftsherrn abstellt. Vgl. Koller, BB 1978, 1733, 1736 f.; vgl. auch Kübler/ Waltermann, ZGR 1991, 162, 167 (abhängig von der Einfluß- und Beeinträchtigung). 188 Vgl. dazu nur Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 167. 189 Löhnig, Treuhand, S. 405. 190 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 147; ders., in: Hopt/Teubner, Corporate Governance, S. 285, 301 f.; Weisser, Corporate Opportunities, S. 182 f.; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 432; Priester, ZIP 2011, 2081, 2082. 191 Siehe nur Fleck, FS Heinsius, 1991, S. 89, 90 f.; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 432. 192 Z. B. Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 198 ff.
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daher keine Schmiergelder annehmen193 oder sich sonst Vermögenswerte verschaffen, die nicht im Anstellungs- oder Gesellschaftsvertrag als Vergütung vereinbart worden sind. Außerdem dürfen sie nicht der Gesellschaft zustehende Geschäftschancen für sich verwerten194 oder Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse an Dritte weitergeben195 – für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder besteht insoweit eine ausdrückliche Regelung in §§ 93 Abs. 1 Satz 3, 116 AktG.
4.) Berufs- und aufsichtsrechtliche Interessenwahrungspflicht Berufsrechtliche196 Ausformungen von Interessenwahrungspflichten finden sich vor allem in solchen Bereichen, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind. Vielfach sieht das Recht in solchen Fällen allerdings eine statusbezogene Regelung in Form der Unabhängigkeit vor, wie etwa für den Wirtschaftsprüfer.197 Aber auch das Berufsrecht enthält Verhaltensregeln zur Gewährleistung der Interessenwahrung. So findet etwa die berufsrechtliche Interessenwahrungspflicht des Rechtsanwalts besonderen Ausdruck in § 3 Abs. 1 BRAO, wonach der Rechtsanwalt der „berufene… Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten“ ist, und in § 43a Abs. 4 BRAO, wonach er keine widerstreitenden Interessen vertreten darf. Ausdrückliche Erwähnung findet die Interessenwahrungspflicht im kapitalmarktrechtlichen Aufsichtsrecht. So hat z. B. ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 31 Abs. 1 WpHG seine Dienstleistungen „im Interesse seiner Kunden“ zu erbringen (Nr. 1 a. E.) und sich „um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu bemühen“ (Nr. 2 am Anfang). Zudem muss es die allgemeine Art und Herkunft der Interessenkonflikte eindeutig offenlegen, soweit die von ihm ergriffenen organisatorischen Maßnahmen nicht ausreichen, um „nach vernünftigem Ermessen das Risiko der Beeinträchtigung von Kundeninteressen zu vermeiden“ (Nr. 2). Für Kapitalverwaltungsgesellschaften wird die Interessenwahrungspflicht in § 26 Abs. 1 KAGB ausdrücklich statuiert, wonach diese ihre Aufgaben „ausschließlich im Interesse der Anleger“ wahrzunehmen haben.
BGH WM 1962, 578. Dazu § 15. 195 § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG. Dazu BGH NJW 1975, 1412. 196 Der Begriff wird hier enger als in Art. 12 GG, aber weiter als der der freien Berufe verstanden. Zur Dogmatik des Berufsrechts z. B. Hirte, Berufshaftung, passim; ders., in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch, S. 191 ff.; Hopt, AcP 183 (1983), 608; Lang, AcP 201 (2001), 451. 197 Zur Unabhängigkeit ausführlich § 4 und § 5. 193
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a.) Die Einwirkung berufsrechtlicher Pflichten auf Vertragspflichten am Beispiel des Rechtsanwalts Die berufsrechtlichen und aufsichtsrechtlichen Interessenwahrungspflichten wirken sich auch auf die vertraglich vereinbarte Interessenwahrungspflicht aus und prägen diese. So hat etwa der Mandant, der einen Rechtsanwalt aufsucht, bestimmte Erwartungen an dessen berufliches Verhalten, die sich insbesondere aus wesentlichen berufsrechtlichen Wertungen und Pflichten ergeben. So ist Voraussetzung für die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben, dass der Rechtsanwalt unabhängig, verschwiegen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichtet ist.198 Der Rechtsverkehr muss sich darauf verlassen können, dass der Rechtsanwalt die in § 43a BRAO niedergelegten Pflichten erfüllt, „damit die angestrebte Chancen- und Waffengleichheit der Bürger untereinander und gegenüber dem Staat gewahrt wird und die Rechtspflege funktionsfähig bleibt“.199 Entsprechend muss auch der einzelne Ratsuchende – als Teil der Gesamtheit „Rechtsverkehr“ –, auf die Einhaltung der berufsrechtlichen Vorgaben für den Anwalt vertrauen können, wenn er einen Rechtsanwalt aufsucht und mit der Beratung und Vertretung beauftragt. Nimmt der Rechtsanwalt das ihm angetragene Mandat an, erklärt er aus verobjektivierter Sicht des Mandanten, vgl. §§ 133, 157 BGB, dass er diesen Anforderungen gerecht werden will.200 Entsprechend wird diese Erklärung und werden damit die berufsrechtlichen Pflichten Vertragsbestandteil. Die vertragliche Interessenwahrungspflicht wird somit von den Parteien an den berufsrechtlichen Interessenwahrungspflichten ausgerichtet. b.) Die Einwirkung aufsichtsrechtlicher Pflichten auf Vertragspflichten am Beispiel der §§ 31 ff. WpHG Im Fall der aufsichtsrechtlichen Vorschriften des WpHG wird vertreten, dass diese mit Blick auf das privatrechtliche Verhältnis zwischen dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen und dem Anleger keine unmittelbare (individualschützende) Wirkung zugunsten der Anleger entfalten.201 Insbesondere seien sie auch keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.202 Anleger könnten daher gegenüber dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen aus diesen Vorschriften keine Rechte herleiten. Anderen zufolge haben die anlegerschüt BVerfG NJW 2003, 2520, 2521; BGHZ 174, 186, 189. BVerfGE 108, 150, 162; BGH NJW 2012, 3039, 3040. Vgl. zu diesen Zwecken auch BVerfGE 63, 266, 284; 93, 213, 236; BVerfG NJW 2003, 2520, 2521. 200 BGHZ 174, 186, 190. 201 Für einen ausschließlich öffentlich-rechtlichen Charakter der §§ 31 ff. WpHG z. B. Schwark/Zimmer/Schwark, KMRK, Vor §§ 31 ff. WpHG Rdnr. 15; Sethe, Vermögensverwaltung, S. 748 f. Siehe zu dieser Problematik auch Assmann/Schneider/Koller, WpHG, Vor § 31 Rdnr. 3 ff.; ders., FS Huber, 2006, S. 821, 839; Assmann, FS Schneider, 2011, S. 37 ff. 202 Schäfer, WM 2007, 1872 ff. 198
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zenden Vorschriften des WpHG eine Doppelnatur, d. h. sie sind sowohl als aufsichtsrechtliche als auch als zivilrechtliche Normen zu charakterisieren.203 Schließlich wird vertreten, dass die Vorschriften des WpHG insofern auf das Rechtsverhältnis zwischen Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Anleger ausstrahlen, als sie den Inhalt der Leistungs- und Rücksichtnahmepflichten nach § 241 Abs. 1 und 2 BGB oder auch die Interessenwahrungspflicht204 des zugrunde liegenden privatvertraglichen Verhältnisses konkretisieren.205 Voraussetzung ist danach, dass bereits ein Vertrag zwischen Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Anleger besteht. Mit den neuen Regelungen in § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 lit. h WpDVerOV ist dieser Streit zumindest im Hinblick auf die interessenkonfliktbezogenen Regelungen hinfällig geworden. Nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen Maßnahmen zur Erkennung von Interessenkonflikten und zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der Kundeninteressen zu treffen.206 Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 lit. h WpDVerOV hat es seinen Kunden eine Beschreibung seiner Grundsätze für den Umgang mit Interessenkonflikten zur Verfügung zu stellen. Da dies „rechtzeitig“ (§ 31 Abs. 3 Satz 1 WpHG) geschehen muss, damit der Kunde seine Entscheidung treffen kann, wird das Unternehmen diese Beschreibung, ebenso wie seine AGB und weitere erforderliche Informationen, regelmäßig vor Vertragsschluss dem Kunden zukommen lassen müssen. Dabei wird das Unternehmen bzw. seine Mitarbeiter den Kunden regelmäßig nicht darauf hinweisen, dass es sich bei den Grundsätzen ausschließlich um eine aufsichtsrechtlich geforderte Maßnahme handele, für die das Unternehmen gegenüber dem Kunden aber nicht (vertraglich) einstehen wolle. Vielmehr wird ein durchschnittlicher privater Kunde, der diese Grundsätze vorgelegt bekommt und re203 KölnKommWpHG/Möllers, § 31 Rdnr. 10 ff., 15; Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 11; Veil, WM 2007, 1821, 1825; Köndgen, FS Canaris, Bd. 2 , 2007, S. 183, 206; Lang/Bausch, WM 2010, 2101, 2104; vorsichtiger Mülbert, ZHR 172 (2008), 170, 183 f.; gegen die Charakterisierung als Doppelnorm Rothenhöfer, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 55, 67 ff. 204 So Rothenhöfer, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 55, 75 f. 205 Siehe nur Assmann/Schneider/Koller, Vor § 31 Rdnr. 3; Fuchs/Fuchs, WpHG, Vor §§ 31 bis 37a Rdnr. 58; KölnKommWpHG/Möllers, § 31 Rdnr. 13; Rothenhöfer, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 55, 70 ff., 73 ff. Krit. zur „Ausstrahlungswirkung“ etwa Assmann, FS Schneider, 2011, S. 37, 47; Köndgen, FS Canaris, Bd. 2, 2007, S. 183, 206 (der allerdings aus der entgegengesetzten Perspektive zu Assmann argumentiert und dem eine bloße und lediglich einseitige „Aussstrahlung“ zu wenig ist). 206 Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss „auf Dauer wirksame Vorkehrungen für angemessene Maßnahmen treffen, um Interessenkonflikte bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen zwischen ihm selbst einschließlich seiner Mitarbeiter und der mit ihm direkt oder indirekt durch Kontrolle im Sinne des § 1 Abs. 8 des Kreditwesengesetzes verbundenen Personen und Unternehmen und seinen Kunden oder zwischen seinen Kunden zu erkennen und eine Beeinträchtigung der Kundeninteressen zu vermeiden“ (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG).
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gelmäßig keine oder höchstens vage Vorstellungen hinsichtlich der Unterscheidung zwischen aufsichtsrechtlichen und vertraglichen Pflichten hat, davon ausgehen, dass sich das Wertpapierdienstleistungsunternehmen ihm gegenüber an diese Grundsätze gebunden fühlt und dafür auch einstehen will. Damit werden diese Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten Inhalt des privatrechtlichen Vertrags zwischen dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen und dem Kunden. Der Kunde kann somit aus diesen Grundsätzen, die sich an den aufsichtsrechtlichen Vorgaben insbesondere des WpHG orientieren müssen, aufgrund des Vertrages eigene Rechte gegen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen ableiten. Auf die Frage, ob eine interessenkonfliktbezogene Regelung der §§ 31 ff. WpHG individualschützend ist, kommt es damit nicht (mehr) an. Dies gilt auch dann, wenn die Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten fehler- oder lückenhaft sind. In diesem Fall würde sonst das Wertpapierdienstleistungsunternehmen aus der Nichtbeachtung des Aufsichtsrechts eine günstigere vertragliche Rechtsposition ableiten können, was bei Verträgen des Interessengegensatzes einen Verstoß gegen Treu und Glauben, § 242 BGB, und bei Fremdin teressenwahrungsverträgen eine Verletzung der Interessenwahrungspflicht darstellen würde.
5.) Interessenwahrungspflicht gesetzlicher Interessenwahrer Interessenwahrungspflichten existieren schließlich auch im Rahmen gesetzlicher Interessenwahrungsverhältnisse, insbesondere im Familienrecht: So ist der Vormund gegenüber dem Mündel, §§ 1793 ff. BGB (insbesondere etwa § 1793 Abs. 1 Satz 1 BGB), der Pfleger gegenüber dem Pflegling, §§ 1915 Abs. 1 i.V.m. 1793 ff. BGB, und der Betreuer gegenüber dem Betreuten, §§ 1896 ff. BGB (insbesondere § 1901 BGB), zur Interessenwahrung verpflichtet. Auch der Insolvenzverwalter ist im Rahmen seiner Tätigkeit zur Wahrung der Interessen insbesondere der Gläubiger, in gewissem Umfang aber auch der des Schuldners, verpflichtet.207 Allerdings werden Interessenkonflikte gesetzlicher Interessenwahrer208 zum Teil anders behandelt als diejenigen von Interessenwahrern in anderen Rechtsgebieten. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass familienrechtliche Interessenwahrer nicht nur in wirtschaftlichen Angelegenheiten für ihre „Geschäftsherren“ tätig werden, sondern ihnen auch in persönlichen Belangen 207 Siehe dazu bereits Kumpan, KTS 2010, 169, insb. 175 ff.; für eine Beschränkung auf die Wahrung der Gläubigerinteressen Kessler, ZIP 2000, 1565, 1572. Zur Treuepflicht der Mitglieder des Gläubigerausschusses siehe nur Schulz, Treuepflichten, S. 134 ff. 208 Der Begriff des gesetzlichen Interessenwahrers lehnt sich an denjenigen des gesetzlichen Vertreters an und bezeichnet insbesondere diejenigen Interessenwahrer, die gerichtlich bestellt werden, um die Interessen eines anderen wahrzunehmen.
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zur Seite stehen. Damit kann die Öffnung der Interessensphäre in diesen Fällen besonders weit gehen. Hinzu kommt, dass der „Geschäftsherr“ häufig gar nicht selbst über die Öffnung seiner Interessensphäre bestimmen kann, sondern ein Dritter, in der Regel ein Gericht, die Entscheidung darüber trifft. Die Betroffenen selbst können ihre Interessen daher weniger – wenn überhaupt – schützen als Geschäftsherren bei vertraglichen Interessenwahrungsverhältnissen. Dies erhöht die Gefahr, die von Interessenkonflikten für die Interessen der Betroffenen ausgeht. Andererseits kann in diesen Fällen eine besondere persönliche Bindung zwischen dem Vertretenen und seinem gesetzlichen Vertreter bestehen, was die Gefahr von Interessenkonflikten und Benachteiligungen des Vertretenen grundsätzlich verringert. Dennoch unterliegt der gesetzliche Interessenwahrer einer strengen Interessenwahrungspflicht. So hat etwa der Vormund die Vermögensinteressen des Mündels, über die er die Verfügungsgewalt hat, unter völliger Außerachtlassung seiner eigenen Interessen zu verfolgen: Er muss die Vermögenssorge für das Mündel als ausschließlich fremdnützige Vermögensverwaltung betreiben.209 Die Verfolgung eigener Zwecke bei der Vermögensverwaltung ist ihm untersagt, § 1805 BGB. Zudem sehen die gesetz lichen Bestimmungen zahlreiche konkrete Vorgaben und Beschränkungen für die Tätigkeit der gesetzlich vorgesehenen Interessenwahrer vor.210 Die mit Fremdinteressenwahrungsverträgen vergleichbare Interessenausrichtung hat die Rechtsprechung dazu veranlasst, Parallelen zum Auftragsrecht, als dem grundlegenden vertraglichen Interessenwahrungsverhältnis, zu ziehen. So hat sie etwa den Gedanken des Auftragsrechts, dass die gesamten Vorteile der Geschäftsführung dem Auftraggeber zustehen, auch im Fall der Vormundschaft und der Pflegschaft für anwendbar erklärt.211
V. Inhalt und Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht 1.) Inhalt und Umfang im Allgemeinen Die Interessenwahrungspflicht hat sowohl eine positive als auch eine negative Ausprägung: In ihrer positiven Ausprägung verpflichtet sie den Interessenwahrer dazu, die ihm anvertrauten fremden Interessen des Geschäftsherrn nach 209 MünchKommBGB/Wagenitz, § 1806 Rdnr. 1; Gernhuber/Coester-Waldjen, Familienrecht, § 72 Rdnr. 10 (S. 949 f.). 210 Eine vollständige Untersuchung aller dieser Vorgaben und Beschränkungen, wie etwa zu Schenkungen des Vormunds, § 1804 BGB, zur Anlage von Mündelgeld, § 1806 BGB, etc. würde den Umfang dieser Untersuchung sprengen. Da viele dieser Regelungen für die familienrechtlichen Interessenwahrungsverhältnisse spezifisch sind und sich auf vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse nicht übertragen lassen, sollen sie im Folgenden außen vor bleiben. Aufgegriffen werden jedoch solche Regelungen, die sich an vertragsrechtliche Bestimmungen anlehnen, wie etwa § 1795 BGB. 211 RGZ 164, 98, 103.
V. Inhalt und Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht
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besten Kräften zu wahren und zu fördern,212 d. h. sich loyal für die Interessen des Geschäftsherrn einzusetzen.213 So wird etwa von Vorständen unter anderem verlangt, dass sie ihre Arbeitskraft und ihre Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen ohne Vorbehalte der Gesellschaft zur Verfügung stellen.214 Das umfasst die Verpflichtung, in besonderen Situationen Überstunden zu leisten 215 oder einen Urlaub zu verschieben oder abzubrechen 216 . Auch müssen sie das Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit wahren und dürfen sich über sie nicht herabsetzend äußern.217 Auch dürfen sie sich nicht zur Unzeit aus dem Vertrag zurückziehen, sofern nicht besondere Umstände dies rechtfertigen.218 Ausdrücklich angesprochen wird die bestmögliche Förderung der Interessen des Geschäftsherrn z. B. in § 33a WpHG, wo es um die Pflicht zur „bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen“ geht (sog. best execution). Dort lässt sich aber auch sehen, wie schwer es ist, die „bestmögliche“ Wahrnehmung der Interessen des Geschäftsherrn zu definieren. Denn nach § 33 Abs. 2 WpHG hängt die Erzielung des bestmöglichen Ergebnisses von einer ganzen Reihe von Faktoren ab: den Preisen der Finanzinstrumente, den mit der Auftragsausführung verbundenen Kosten, der Geschwindigkeit und der Wahrscheinlichkeit der Ausführung, der Abwicklung des Auftrags sowie dem Umfang und der Art des Auftrags, die mit Blick auf den jeweiligen Kunden, den Kundenauftrag, das Finanzinstrument und den Ausführungsplatz gewichtet werden müssen. In ihrer negativen Ausprägung fordert die Interessenwahrungspflicht vom Interessenwahrer, alles zu unterlassen, was die Interessen des Geschäftsherrn gefährden könnte.219 Insbesondere darf der Interessenwahrer seine Stellung we212 Staudinger/Martinek, BGB, § 662 Rdnr. 31; Hueck, Treuegedanke, S. 15; Polley, Wettbewerbsverbot, S. 88; Weisser, Corporate Opportunities, S. 132. Für eine ähnliche Unterscheidung zwischen aktiven und passiven Förderpflichten bei Mitgliedern Lutter, AcP 180 (1980), 84, 108 ff. 213 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 156; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 96; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 15; Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 431. Vgl. auch Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, S. 192. 214 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rdnr. 49; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 156; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 96; Michalski/ Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rdnr. 92; MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rdnr. 92; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 218; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rdnr. 128; ders., in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 16; Weisser, Corporate Opportunities, S. 134. Vgl. dazu aus der Rechtsprechung BGH WM 1977, 361, 362; 1989, 1335, 1339. 215 Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rdnr. 92; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 16; ders., WM 2003, 1045, 1050. 216 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 156; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 96; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 16; ders., WM 2003, 1045, 1050. 217 GroßkommAktG/Hopt, § 93, Rdnr. 157; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 98. 218 Dazu Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rdnr. 93. 219 Hueck, Treuegedanke, S. 15; ders., Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, S. 192;
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der zum eigenen noch zum Vorteil anderer und zu Lasten des Geschäftsherrn ausnutzen.220 Im Fall eines Interessenkonfliktes mit eigenen kollidierenden Interessen hat er diese zurückzustellen, d. h. seine Interessen denen des Geschäftsherrn unterzuordnen.221 Im besonderen Fall der Eigengeschäfte mit dem Geschäftsherrn („self-dealing“) hat er, sofern ihm solche überhaupt erlaubt sind,222 die ihm obliegende Interessenwahrungspflicht ganz besonders zu achten.223 Hier gilt in besonderer Weise, dass er seine Stellung nicht ausnutzen darf, um sich zum Schaden seines Geschäftsherrn unberechtigte Vorteile zu verschaffen.224 Er darf aber solche Vorteile vereinnahmen, die auch ein Dritter, der mit der Gesellschaft „at arm’s length“ verhandelt, bei einem Geschäft erzielt hätte.225 Auch bei einem Konflikt zwischen den Interessen des Geschäftsherrn und denen eines Dritten, müssen die Interessen des Geschäftsherrn für den Interessenwahrer grundsätzlich immer Vorrang haben.226 Besonderheiten gelten in dem Fall, dass der Interessenwahrer die Interessen verschiedener Dritter wahrnimmt, die miteinander kollidieren und die der Interessenwahrer gleichberechtigt wahrzunehmen hat.227 Der genaue Inhalt und Umfang der Interessenwahrungspflicht richtet sich im Einzelfall nach dem Zweck und der Ausgestaltung des jeweiligen Rechtsverhältnisses.228 Denn daraus ergibt sich, wie weit der Geschäftsherr seine InteresWeisser, Corporate Opportunities, S. 132; Polley, Wettbewerbsverbot, S. 88; Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 431. Entsprechend zur mitgliedschaftlichen Treuepflicht Lutter, AcP 180 (1980), 84, 110 ff. 220 Ausführlich Grundmann, Treuhandvertrag, S. 192 ff. Zum Gesellschaftsrecht im Besonderen z. B. GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 156 ff.; GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 116, Rdnr. 173 ff.; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 100; Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, Grundmann, Treuhandvertrag, S. 269 ff.; Wiedemann, Organverantwortung, S. 7 f. 221 BGH NJW 1989, 2697; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 148; Hopt, ZGR 2004, 1, 5 ff.; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rdnr. 87; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rdnr. 3 ; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 153; Mestmäcker, Verwaltung, S. 215; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 10; Möllers, in: Hommelhoff/ Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 431; siehe außerdem Hueck, FS Hübner, 1935, S. 72, 80; ders., Treuegedanke, S. 19; Coing, Treuhand, S. 137 ff.; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 93. 222 Dazu § 10 III.1.). 223 Für das Verhältnis Organmitglied-Gesellschaft GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 159. Vgl. dazu auch Wiedemann, Organverantwortung, S. 16 ff. Aus internationaler Perspektive zum self-dealing etwa Clark, Corporate Law, ch. 5 (S. 159 ff.); Enriques, ICCLJ 2 (2000), 297; Goshen, 91 Cal. L. Rev. 393 (2003). 224 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 159. Siehe auch Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 432. 225 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 159; ders., ZGR 2004, 1, 10. 226 Dazu etwa BGH NJW 1986, 584; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 148; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 148 ff., insb. 150; 227 In diesem Fall bedarf es besonderer Konfliktlösungsprinzipien. Dazu § 14. 228 Vgl. dazu Lutter, AcP 180 (1980) 84, 105, 109; außerdem Staudinger/Martinek, BGB, § 662 Rdnr. 29; Weisser, Corporate Opportunities, S. 132 ff.
V. Inhalt und Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht
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sensphäre dem Interessenwahrer gegenüber öffnet. Je weiter er seine Interessensphäre öffnet, indem er dem Interessenwahrer bestimmte Aufgaben und bestimmte Befugnisse überträgt, desto mehr Vertrauen bringt er damit zum Ausdruck und desto ausgeprägter ist die Vertrauensstellung des Interessenwahrers. Damit wird aber auch seine Pflicht, diesem Vertrauen gerecht zu werden, immer ausgeprägter.229 Diese besondere Stellung bringt es mit sich, dass der Interessenwahrer die ihm übertragene Interessenwahrung regelmäßig höchstpersönlich vornehmen muss, was in § 664 Abs. 1 Satz 1 BGB ausdrücklich statuiert wird. Im Fall rechtsgeschäftlich begründeter Interessenwahrungsverhältnisse können die Parteien Inhalt und Umfang grundsätzlich frei vereinbaren; im Fall nicht rechtsgeschäftlicher Verhältnisse ergeben sie sich regelmäßig aus dem Gesetz.230 Das Spektrum reicht von der Wahrnehmung aller Interessen, wie etwa im Fall von Gesellschaftsorganen, über die Wahrnehmung von Teilbereichen von Interessen, wie etwa beim Pfleger, bis hin zur Wahrnehmung von Einzelinteressen, wie etwa im Fall einer Kommission oder einem Maklervertrag. Weisungen des Geschäftsherrn hat der Interessenwahrer im Rahmen vertraglicher Interessenwahrungsverhältnisse zu beachten. Sie stellen eine Konkretisierung der Interessen des Geschäftsherrn dar. Widersprechen die Weisungen aus Sicht des Interessenwahrers den Interessen des Geschäftsherrn, muss er sie nicht widerspruchslos ausführen. Vielmehr verpflichtet ihn seine Interessenwahrungspflicht, die von ihm einen „denkenden Gehorsam“ verlangt, 231 auf die von ihm beobachtete Diskrepanz zwischen Interessen des Geschäftsherrn und dessen Weisungen hinzuweisen.232
2.) Die Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht Die Interessenwahrungspflicht wird im Hinblick auf den Umgang mit Interessenkonflikten von zahlreichen Regelungen konkretisiert und flankiert. Denn bei ihr handelt es sich um eine generelle Pflicht, die ausfüllungsbedürftig ist, um sie im Einzelfall handhabbar zu machen und die mit ihr verbundene Rechtsunsicherheit auszuräumen.233 a.) Notwendigkeit einer Konkretisierung aus ökonomischer Perspektive Rechtsökonomisch ist die Konkretisierung von Interessenwahrungspflichten insbesondere im Hinblick auf die präventive Verhaltenssteuerung von Interessenwahrern von Bedeutung. Denn die generalklauselartige Interessenwah Staudinger/Martinek, BGB, § 662 Rdnr. 33. Löhnig, Treuhand, S. 120. 231 Heck, Grundriß des Schuldrechts, § 119 Anm. 5 (S. 355). 232 Löhnig, Treuhand, S. 210. 233 Statt aller Hueck, Treuegedanke, S. 19. 229 230
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§ 3 Interessenwahrungspflicht
rungspflicht eignet sich für eine solche Verhaltenssteuerung kaum.234 Generalklauseln erschweren es dem Rechtsunterworfenen ex ante vorherzusehen, welches Verhalten von ihm im Nachhinein verlangt werden wird.235 Zudem besteht auch bei der Interessenwahrungspflicht wie bei jeder Generalklausel die Gefahr, dass der jeweilige Rechtsanwender subjektive Wertungen einfließen lässt, um ein als „gerecht“ empfundenes Ergebnis zu erzielen. Dies kann zu für Dritte nicht immer nachvollziehbaren Billigkeitserwägungen führen und die Vorhersehbarkeit von Entscheidungen erheblich beeinträchtigen.236 In einigen Rechtsgebieten, wie etwa dem Kapitalmarktrecht, ist daher eine immer stärkere Tendenz zur gesetzlichen und untergesetzlichen Normierung von konkret ausgestalteten Vorgaben zu beobachten. Diese ergänzen oder überlagern sogar die vor allem von den Gerichten betriebene Ausgestaltung und Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht. Solche konkreten gesetzlichen Regelungen ermöglichen eine bessere präventive Steuerung, weil sie die Regelungsunterworfenen in die Lage versetzen, die rechtlichen Folgen ihres Handelns besser vorherzusehen. Eine präventive Steuerung ist vor allem dann von Bedeutung, wenn zwischen den Parteien ein besonderes Ungleichgewicht besteht und Loyalitätsabweichungen des Interessenwahrers für den Geschäftsherrn nicht bzw. nicht schnell genug erkennbar sind. Wo ein solches Ungleichgewicht herrscht, wie etwa im Verhältnis von Bank und Privatkunde, ist die Pflichtendichte höher als dort, wo die Geschäftsherren ausreichend erfahren und sachkundig sind, um ihre Interessen selbst zu schützen, wie etwa im Verhältnis sog. institutioneller Investoren und Finanzunternehmen. b.) Systematisierung der konkretisierenden Regelungen und Pflichten Besondere Regelungen, die die (allgemeine) Interessenwahrungspflicht konkretisieren, finden sich in zahlreichen Gesetzen oder sind in Rechtsprechung entwickelt worden. Diese können für Analogieschlüsse bei vergleichbaren Konfliktlagen in anderen Interessenwahrungsverhältnissen herangezogen werden, bei denen die Öffnung der Interessensphäre des Geschäftsherrn vergleichbar weit geht. (i) Konfliktoffenlegung, Konfliktvermeidung, Konfliktlösung Stellt man auf den Umgang mit dem Interessenkonflikt ab, können diese ganz unterschiedlichen Regelungen in solche der Konfliktoffenlegung, der Konfliktvermeidung und der Konfliktlösung unterteilt werden.237 Janke, Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, S. 25. Vgl. dazu mit Blick auf die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht Häuser, Unbestimmte „Maßstäbe“, S. 178. 236 Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 4 ; siehe auch Timm, WM 1991, 481, 482. 237 Dazu ausführlich in § 6. An dieser Stelle erfolgt nur ein kurzer Überblick. 234 235
V. Inhalt und Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht
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Wesentliche Bedeutung hat vor allem die Konfliktoffenlegung. Aufgrund von Anzeige- und Offenlegungspflichten hat der Interessenwahrer dem Geschäftsherrn ungefragt alle Interessenkonflikte ohne Einschränkung offenzulegen.238 Flankiert wird dies regelmäßig von einer Rechenschaftspflicht, die den Interessenwahrer dazu verpflichtet, Rechenschaft darüber abzulegen, dass er seine Interessenwahrungspflicht beachtet hat239. Die Konfliktoffenlegung stellt eine grundlegende Regelung dar, die zahlreichen anderen Konfliktregelungen notwendig vorgelagert ist. Denn der Geschäftsherr kann nur dann weitere Maßnahmen ergreifen, wenn er zuvor von dem Konflikt erfahren hat. Aufgrund der regelmäßig herrschenden Informationsasymmetrie zwischen Geschäftsherr und Geschäftsbesorger im Hinblick auf das Innenleben des Letzteren, ist der Geschäftsherr auf die Offenlegung des Konflikts durch den Interessenwahrer angewiesen. Des Weiteren führt die Konfliktoffenlegung zu einem im Vergleich zu anderen Maßnahmen geringen Eingriff in die Rechtsbeziehungen der Betroffenen und bietet dem Geschäftsherrn eine Art Basisschutz, indem sie ihm die Möglichkeit gibt, selbst Schutzmaßnahmen ergreifen zu können. Wo schwerwiegende Interessenkonflikte drohen und ein Selbstschutz des Geschäftsherrn nicht ausreichend möglich erscheint, existieren Regelungen zur Konfliktvermeidung. Diese sind je nach Art der Beziehung und des Konflikts unterschiedlich ausgestaltet. Die Regelungen reichen von Wettbewerbsverboten über die Verlagerung von Zuständigkeiten (z. B. § 112 AktG) und organisatorischen Anforderungen (z. B. Chinese walls) und bis zu besonderen Kontrollmechanismen. Nicht immer ist jedoch eine Konfliktvermeidung möglich und andererseits eine bloße Offenlegung nicht ausreichend. In diesen Fällen muss eine Konfliktlösung erfolgen. Dies gilt z. B. in solchen Fällen, in denen Interessenkonflikte erst nachträglich auftreten oder auch im Geschäftsmodell notwendig angelegt sind, wie etwa bei Kommissionären am Kapitalmarkt, die für zahlreiche Kunden Aufträge an den Markt leiten. Die Lösungsmechanismen für solche Konflikte reichen – abhängig von der Schwere des Konflikts – von prozeduralen Vorgaben, wie dem Prioritätsprinzip, bis zur Pflicht zur Niederlegung des Auftrages, Amtes oder Mandates.
GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 185; ders., ZGR 2004, 1, 25 ff.; für den Vorstand der AG Ziff. 4.3.4 DCGK; Wiedemann, Organverantwortung, S. 28; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 12; ders., WM 2003, 1045, 1050; für den Geschäftsführer der GmbH etwa GroßkommGmbHG/Paefgen, § 43 Rdnr. 109; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rdnr. 90. 239 Hopt, ZGR 2004, 1, 31; für den Vorstand der AG Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 12; ders., WM 2003, 1045, 1050. 238
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(ii) Dauerhafte und punktuelle Interessenkonflikte Eine weitere wesentliche Unterscheidung erfolgt zwischen dauerhaften und lediglich punktuellen Interessenkonflikten. Beispiel hierfür ist etwa die Unterscheidung zwischen Wettbewerbsverboten, die längerfristig ausgerichtet sind und dauerhaft bestehende oder wiederkehrende Interessenkonflikte verhindern sollen, und der Geschäftschancenlehre, die einzelne Geschäfte in den Blick nimmt und daher auf punktuelle Interessenkonflikte ausgerichtet ist. Die zum Teil einschneidenden Maßnahmen in Bezug auf dauerhafte Interessenkonflikte erscheinen hinsichtlich punktueller, also zeitlich begrenzter, Interessenkonflikte sowie solcher von geringerer Erheblichkeit oftmals übermäßig und unangemessen. Denn punktuelle Konflikte können oft auch durch weniger intensive Maßnahmen angemessen gelöst werden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass es im Interesse des Geschäftsherrn sein kann, das Interessenwahrungsverhältnis trotz eines Interessenkonflikts des Interessenwahrers weiterzuführen und nur für den begrenzten Bereich, der von dem Konflikt berührt wird, Vorkehrungen zu treffen. Im Rahmen vertraglich vereinbarter Interessenwahrungsverhältnisse können solche Vorkehrungen individuell vereinbart werden. Wo dies nicht geschieht, sowie für gesetzliche Interessenwahrungsverhältnisse haben die gesetzlichen Regelungen solches zu berücksichtigen. (iii) Abstrakte und konkrete Konflikte In der Regel gehen die besonderen Vorschriften zur Vermeidung von Interessenkonflikten vom abstrakten Interessenkonflikt aus. Beispiel hierfür sind etwa die Inhabilitätsvorschriften und das Wettbewerbsverbot. Aufgrund der abstrahierenden, formal-typisierenden Betrachtung erfolgt die Anwendung dieser Regelungen einheitlich und ohne Berücksichtigung des Einzelfalls. Dies gewährleistet Rechtssicherheit, nimmt jedoch in Kauf, dass die jeweiligen Regelungen im Einzelfall überschießen. Da Interessenkonfliktregelungen regelmäßig die Handlungsfreiheit des Interessenwahrers beschränken, ist eine solche überschießende Regelung nur gerechtfertigt, wo gewichtige Interessen geschützt werden müssen. Wo dies nicht der Fall ist, muss eine Betrachtung des Einzelfalls erfolgen und werden an den konkreten Konflikt anknüpfende Lösungen gewählt. Beispiel hierfür ist etwa die Pflicht zur Amtsniederlegung im Fall eines gravierenden Interessenkonfliktes. Da ein konkreter Konflikt für Dritte jedoch häufig nur schwer zu erkennen ist, bedarf es in diesen Fällen in der Regel eines besonderes Aktes, der die Lösung des Konfliktes nach außen manifestiert, wie beispielsweise eine Kündigung, eine Gerichtsentscheidung oder ein Aufsichtsratsbeschluss.
VI. Abdingbarkeit und Intensivierung der Interessenwahrungspflicht
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3.) Nachwirkung der Interessenwahrungspflicht Die Interessenwahrungspflicht endet in der Regel nicht vollständig mit dem Ende des Interessenwahrungsverhältnisses. So bleibt etwa die Interessenwahrungspflicht eines Organmitglieds auch noch nach Beendigung seiner Organstellung insofern nachwirkend bestehen, als es um Ereignisse während dessen Amtszeit geht.240 Der ausscheidende Geschäftsleiter darf daher z. B. keine Geschäftschancen der Gesellschaft „mitnehmen“, 241 Verträge an sich ziehen, die für die Gesellschaft angebahnt oder sogar abgeschlossen wurden,242 oder solche Geschäfte der Gesellschaft beeinträchtigen; auch darf er keine Informationen für eigene Geschäfte ausnutzen, bezüglich derer er weiterhin zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.243 Gleiches gilt für vertragliche und gesetzliche Interessenwahrer. Denn da die Interessenwahrungspflicht die Kehrseite der Öffnung der Interessensphäre des Geschäftsherrn darstellt, gilt sie solange, wie die mit der Öffnung einhergehende besondere Verletzbarkeit der Interessensphäre des Geschäftsherrn noch besteht. Begründen lässt sich dies zudem mit dem Rechtsgedanken der nachvertraglichen Pflichten des allgemeinen Vertragsrechts,244 der im Hinblick auf fortwirkende Organpflichten weiterentwickelt worden ist.245
VI. Abdingbarkeit und Intensivierung der Interessenwahrungspflicht 1.) Intensivierung der Interessenwahrungspflicht Die Beteiligten können regelmäßig eine Intensivierung der Interessenwahrungspflicht vereinbaren. Eine solche kann etwa so aussehen, dass sich der Interessenwahrer verpflichtet, für keinen anderen Geschäftsherrn tätig zu werden, solange er die Interessen des ersten Geschäftsherrn wahrnimmt, auch wenn ihm das Gesetz dies grundsätzlich erlauben würde. Da die Interessenwahrungspflicht dem Schutz des Geschäftsherrn dient, ist es mit diesem Ziel vereinbar, wenn sich die Parteien auf einen stärkeren Schutz des Geschäftsherrn ver240 BGH WM 1977, 194; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 183; KölnKommAktG/ Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 112; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 173; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rdnr. 158; ders., in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 46; ders., WM 2003, 1045, 1058. 241 BGH NJW 1986, 585, 586. 242 BGH WM 1977, 194. 243 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 184; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 112; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rdnr. 158; ders., in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 46; ders., WM 2003, 1045, 1058. 244 BGH WM 1977, 194. 245 Siehe Palzer, Fortwirkende organschaftliche Pflichten, passim.
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ständigen. Regelmäßig wird dieses „Mehr“ an Schutz eine besondere Konkretisierung der bestehenden Interessenwahrungspflicht im Hinblick auf das gegenseitige Rechtsverhältnis bedeuten. D. h. die Parteien regeln besondere konkrete Pflichten des Interessenwahrers zum Schutz der Interessen des Geschäftsherrn, die auf den konkreten Einzelfall zugeschnitten sind.
2.) Keine gänzliche Abdingbarkeit der Interessenwahrungspflicht Weniger eindeutig ist hingegen, ob Interessenwahrungspflichten auch mittels vertraglicher Vereinbarungen abgeschwächt oder gar vollkommen abbedungen werden können.246 In der Praxis besteht ein diesbezügliches Bedürfnis etwa im Fall von alternativen Investments und der Innovationsfinanzierung.247 Oftmals betreuen die mit der Vermögensverwaltung betrauten Manager mehrere Fonds gleichzeitig, was zu Konflikten führen kann, wenn sie Geschäftschancen nur für eine Gesellschaft nutzen können.248 Ein Abbedingen der Interessenwahrungspflicht könnte in einem solchen Fall für den Geschäftsherrn erwägenswert sein, falls sich der Interessenwahrer nur gewinnen lässt, wenn er zugleich für andere konkurrierende Geschäftsherren tätig sein darf. Ein solches Abbedingen kann aber nur bei vertraglichen und organschaftlichen Interessenwahrungspflichten überhaupt in Frage kommen. Im Fall gesetzlicher Interessenwahrer sowie aufsichts- oder berufsrechtlich verankerten Interessenwahrungspflichten ist dies nicht möglich. Die gesetzlichen Regelungen sind in diesen Fällen regelmäßig zwingend – insbesondere wenn die „Geschäftsherren“, wie im Fall des Betreuten oder des Minderjährigen, nicht dazu fähig sind, wirksame vertragliche Vereinbarungen zu treffen. Denn in diesen Fällen wird ein Schutz der Interessen des (materiellen) Geschäftsherrn für besonders notwendig erachtet und/oder werden weitere Schutzzwecke (z. B. Institutionenschutz oder Schutz von Allgemeininteressen) verfolgt. Den Beteiligten ist daher ein Abbedingen verwehrt, weil sie den besonderen Schutzzweck der jeweiligen Vorschriften aushebeln würde.
246 Dazu etwa Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, insb. 772 ff. Gegen eine vollständige Abbedingung (im Hinblick auf das Wettbewerbsverbot) KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rdnr. 8 ; Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1270 (nicht im Anstellungsvertrag, nur in der Satzung); im Hinblick auf die weniger intensive mitgliedschaftliche Treuepflicht Hüffer, AktG, § 53a Rdnr. 18; Timm, WM 1991, 481, 483 (Aktionäre). Für einen Überblick über die Situation in den USA Haar, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 141, 149 ff.; Pistor, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 481, 490 ff. 247 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 766. Dazu zählen Hedgefonds, Private Equity Fonds und Venture Capital Fonds. 248 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 766.
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a.) Rechtsökonomische Erwägungen Aus rechtsökonomischer Perspektive spricht zunächst einmal nichts grundsätzlich gegen ein Abbedingen von vertraglichen Pflichten, insbesondere auch der Interessenwahrungspflicht. Denn sofern kein unlauteres Handeln im Spiel ist, wird sich der Geschäftsherr nur dann auf ein Abbedingen der für ihn günstigen Interessenwahrungspflicht einlassen, wenn er vom Interessenwahrer im Gegenzug einen Ausgleich erhält, den er ansonsten nicht erhalten würde.249 Um einen solchen Verzicht als sachgerecht einstufen zu können, ist eine informierte und sachgerechte Entscheidung des Geschäftsherrn erforderlich. Dies wiederum setzt unter ökonomischen Gesichtspunkten die Abwesenheit von Transaktionskosten, vollständige Information und Rationalität der Beteiligten voraus. Da diese Voraussetzungen in der Regel nicht erfüllt sind, wird ein Verzicht auf die Interessenwahrungspflicht aus rechtsökonomischer Sicht regelmäßig unzulässig sein. So wird es häufig an einer vollständigen Information mangeln, weil der Geschäftsherr nicht beurteilen kann, welchen Wert das zukünftige treuegemäße Verhalten des Interessenwahrers für ihn hat.250 Auch der Interessenwahrer wird diesen Wert in der Regel nicht kennen, weil er im Vorhinein nicht weiß, wann die Interessenwahrungspflicht von ihm ein bestimmtes Handeln oder Unterlassen fordern wird. Aber auch die Beschränkung auf einen Verzicht im Einzelfall bietet häufig keine Lösung, weil dann in vielen Fällen die Transaktionskosten zu hoch wären. So kommt es bei vielen Finanzgeschäften darauf an, dass sie möglichst schnell abgeschlossen werden.251 Eine zeitraubende Abstimmung zwischen den Parteien würde dazu führen, dass die jeweiligen Geschäfte nicht mehr vorgenommen werden könnten, weil sich die Bedingungen – etwa der Preis – bereits geändert haben. Aus verhaltensökonomischer Perspektive kommt hinzu, dass insbesondere Privatpersonen bei komplexen und langfristigen Entscheidungen häufig irrational handeln. Neben der Gefahr der dynamischen Inkonsistenz, also der übermäßigen Höherbewertung zeitlich näherer Auswirkungen ihres Handelns, besteht im Fall des Abbedingens der Interessenwahrungspflicht außerdem die Gefahr, dass die Geschäftsherren einer over-confidence bias erliegen: Der Geschäftsherr meint, dass er in der Lage sei, das Risiko eines zukünftigen Interessenkonflikts und die möglichen Nachteile, die ein Abbedingen der Interessen-
249 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 771. Im Fall der alternativen Anlage Investments werden die Gesellschafter das Risiko einer Schädigung ihrer Interessen dann eingehen, wenn sie sich eine bessere Rendite ihrer Anlage versprechen, die sie ohne den Treuepflichtdispens nicht erhalten würden. 250 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 771. 251 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 771.
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wahrungspflicht mit sich bringt, korrekt einschätzen zu können, die tatsächliche Gefahr ist jedoch erheblich größer.252 b.) Rechtliche Erwägungen hinsichtlich der vertraglichen Interessenwahrungspflicht Aus rechtlicher Sicht ist die Zulässigkeit eines völligen Abbedingens der vertraglich vereinbarten Interessenwahrungspflicht abzulehnen. Das gilt un abhängig davon, ob man die Interessenwahrungspflicht als Haupt- oder als Nebenpflicht einordnet. Von den Befürwortern einer Abdingbarkeit der Interessenwahrungspflicht wird vorgetragen, dass bei einer Einordnung als Hauptpflicht § 311 Abs. 1 BGB gelten müsse und die Parteien die Interessenwahrungspflicht daher verändern oder auch ganz abbedingen können müssten.253 Ein gänzliches Abbedingen würde jedoch dazu führen, dass dem jeweiligen Vertrag dessen spezifischer Fremdinteressenwahrungscharakter genommen würde. Denn die Interessenwahrungspflicht ist nicht allein eine Hauptpflicht, sie charakterisiert den Vertrag auch unmittelbar selbst. Sie ist Teil der Gebundenheit der Parteien und formt diese selbst mit.254 Dies zeigt sich mit besonderer Deutlichkeit am Vertrag zwischen Rechtsanwalt und Mandant und am Anlageberatungsvertrag. Ein Abbedingen der Interessenwahrung wäre hier gar nicht möglich, weil der ganze Vertrag nur darauf abzielt. Hinzu kommt, dass eine wie auch immer geartete Kompensation nicht geeignet ist, die fehlende Richtigkeitsgewähr bei Interessenwahrungsverträgen auszugleichen, die mit Hilfe der Interessenwahrungspflicht aufgefangen werden soll. Zudem lässt sich eine höhere Rendite bei Kapitalanlagen, wie sie alternative Investments für gewöhnlich vornehmen, nicht garantieren. Die bloße Aussicht auf eine höhere Rendite aber ist in keinem Fall adäquater Ersatz für den Verlust des Interessenschutzes. Denn ob sie erzielt wird, lässt sich nicht vorhersagen. Damit führt ein (völliges) Abbedingen lediglich dazu, dass der Öffnung der Interessensphäre, die mit der Einräumung des Ermessens- und Handlungsspielraum erfolgt, keine korrespondierende Beschränkung dieses Freiraums mehr gegenübersteht. Außerdem wäre ein komplettes Abbedingen in vielen Fällen auch mehr, als nötig wäre. Im Hinblick auf die parallele Verwaltung verschiedener alternativer Investmentfonds würde es ausreichen, wenn dem Fondsmanager erlaubt werden würde, lediglich bei der Zuteilung der Geschäftschancen zwischen den Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 772. Aus diesem Grund gegen die Zulässigkeit eines vollständigen Abbedingens der duty of loyalty in den USA Eisenberg, 47 Stan. L. Rev. 211, 249 (1995). 253 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 775. 254 So für die Treuepflicht im Fall von Gemeinschaftsverhältnissen Zöllner, Schranken, S. 338. Vgl. dazu auch Immenga, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 267 (keine Entlassung aus Treuepflichten im Vorhinein). 252
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Gesellschaften von der Interessenwahrungspflicht abzuweichen.255 Eine generelle Freistellung von der Beachtung der Interessenwahrungspflicht bedarf es hierzu nicht. Sofern man die Interessenwahrungspflicht als besondere Ausprägung von Treu und Glauben ansieht und als Nebenpflicht in § 242 BGB verortet, ist ein gänzliches Abbedingen ebenfalls abzulehnen. Wer § 242 BGB für generell unabdingbar hält,256 muss dies auch für die Interessenwahrungspflicht annehmen. Aber auch wer zwar den generellen Grundsatz der Redlichkeit für zwingend hält, aber den Parteien einräumt, bis zu den Grenzen von § 138 BGB die schuldrechtlichen Pflichten abbedingen und ändern zu können, 257 wird ein Abbedingen der Interessenwahrungspflicht nicht bejahen können. Zwar erscheint es in diesem Fall zunächst konsequent, alles, was über den Redlichkeitsgrundsatz hinausgeht, für abdingbar zu erklären.258 Dies übersieht aber, dass das Gesetz bei den Interessenwahrungsverhältnissen gerade ein „Mehr“ an Schutz für notwendig erachtet und daher eine stärkere Pflichtenbindung statuiert. Denn auch von den Vertretern der Ansicht, die die Interessenwahrungspflicht in § 242 BGB verortet, wird diese zumindest als „intensivere“ Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben eingestuft.259 Diese gesetzliche Wertung würde aber unterlaufen, wenn man ein Abbedingen der intensiveren Pflicht gleichwohl für möglich hielte und damit den gleichen Zustand erreichen könnte, wie bei den Fällen, in denen das Gesetz weniger Schutz für nötig erachtet. Es würde die Verhältnisse geradezu auf den Kopf stellen, wenn man eine vom Gesetz schwächer ausgestaltete Pflichtenbindung (den Redlichkeitsgrundsatz) nicht beseitigen könnte, eine intensiver ausgestaltete, strengere Pflichtenbindung (die Interessenwahrungspflicht) jedoch schon. c.) Rechtliche Erwägungen hinsichtlich der organschaftlichen Interessenwahrungspflicht Speziell in Bezug auf das Abbedingen der organschaftlichen Treuepflicht werden darüber hinaus besondere gesellschaftsrechtliche Argumente ins Feld geführt. So wird argumentiert, ein Abbedingen der Treuepflicht führe nicht dazu, dass die Gesellschaft ihrer strukturbildenden Elemente „entkernt“ werde, denn die Treuepflicht habe lediglich in einzelnen Regelungen ihren Niederschlag gefunden, die zudem auch noch dispositiv seien.260 Auch könne der Numerus Siehe dazu sogleich noch einmal unter § 3 VI.2.)c.). Jauernig/Mansel, BGB, § 242 Rdnr. 2 ; RGRK/Alff, BGB, § 242 Rdnr. 3 ; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 10 I (S. 128). 257 Soergel/Teichmann, BGB, § 242 Rdnr. 109; Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 775 f.; differenzierend Staudinger/Looschelders/Olzen, BGB § 242 Rdnr. 109. 258 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 777. 259 Siehe die Verweise in Fn. 52. 260 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 775. 255
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Clausus der Gesellschaftsformen nicht als Gegenargument herangezogen werden, weil es vielfältige atypische und Verbindungen verschiedener Gesellschaftsformen gebe und sich die Lehre vom Typenzwang somit nicht durchgesetzt habe.261 Mit dem Argument, dass die Treuepflicht lediglich in einigen dispositiven Regelungen einen gesetzlichen Ausdruck erfahren habe und daher nicht so wesentlich sein könne, dass sie unabdingbar sein müsse, sollte man – zumindest im Hinblick auf die Organe – vorsichtig sein. Zum einen kann die dispositive Gestaltung der ausdrücklichen Regelungen auch dafür ins Feld geführt werden, dass nur in diesen Fällen ein Abbedingen möglich ist. Zum anderen ist das Organ selbst nicht Vertragspartner im Rahmen des Gesellschaftsvertrages. Insofern eignet sich die an § 311 Abs. 1 BGB anknüpfende Argumentation jedenfalls nicht im Hinblick auf die Pflichten von Organen, die aus dem Organverhältnis folgen. Denn die Treuepflicht der Organmitglieder ist ihrer Organstellung inhärent. Fraglich ist dann nur, ob die Gesellschafter im Rahmen des Gesellschaftsvertrages bzw. in der Satzung diese Organstellung so umgestalten können, dass die Organmitglieder keinen Treuepflichten mehr unterliegen. Das in diesem Zusammenhang herangezogene Argument, dass die Koppelung von Gesellschaftsformen, wie etwa bei der GmbH & Co. KG, zulässig sei und es daher auch das Abbedingen der Treuepflicht sein müsse, erscheint fragwürdig. Zwar geht es bei der Kombination verschiedener Gesellschaftsformen vor allem darum, bestimmte, als (für die Gesellschafter) nicht so vorteilhaft angesehene Eigenschaften einer Gesellschaftsform durch die (vorteilhafteren) einer anderen Gesellschaftsform zu ersetzen. In Bezug auf die Regelungen zur Treuepflicht lässt sich daraus aber nichts ableiten. Denn da die Treuepflicht in allen Gesellschaftsformen zu finden ist, kann ein Ausschluss von Treuepflichten nicht allein durch eine Kombination von Gesellschaftsformen bewirkt werden. Die Möglichkeit, Gesellschaftsformen zu kombinieren, sagt somit nichts darüber aus, ob ein völliges Abbedingen der Treuepflicht zulässigerweise möglich ist. Für zumindest einen zwingenden Kern von Treuepflichten 262 spricht das besondere Regelungsgefüge des Gesellschaftsrechts, das ein Abweichen von den gesetzlichen Vorgaben nur in einem bestimmten Rahmen zulässt. So können die Gesellschafter nach der Wahl einer Gesellschaftsform in der Regel nicht darüber disponieren, welche Organe sie vorsehen möchten, 263 und müssen diesen zwingend bestimmte Aufgaben und Befugnisse übertragen. Zu diesen Befugnissen gehören insbesondere auch solche, deren Übertragung eine Öffnung Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 775. Vgl. dazu z. B. Scholz/Emmerich, GmbHG, § 13 Rdnr. 38c (schon für die mitgliedschaftliche Treuepflicht); Koppensteiner, GesRZ 2009, 197, 199 (im Fall von Gesellschaftern). 263 Eine Ausnahme bildet etwa der fakultative Aufsichtsrat bei der GmbH. 261
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der Interessensphäre der Geschäftsherren bedeutet und damit die Gefahr einer Verletzung der Interessen der Gesellschaft(er) mit sich bringt. Hierzu gehört etwa die Geschäftsführung im Fall des Vorstands bzw. des Geschäftsführers. Mit solchen Befugnissen und als Gegengewicht zu der damit erfolgten Öffnung der Interessensphäre geht aber die Treue und Verantwortung der Organmitglieder einher. Lässt nun das Gesetz für diese Überantwortung der Befugnisse keine Beschränkung durch die Gesellschafter zu, kann auch die damit korrespondierende allgemeine Treuepflicht, die die „Kehrseite“ dieser Befugnisse bildet, nicht ausgeschlossen werden. Im Fall der AG ist überdies zu beachten, dass bei einer Verortung der Treuepflicht in § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG die Vorschrift in § 23 Abs. 5 AktG ein generelles Abbedingen der Treuepflicht ausschließt.264
3.) Abdingbarkeit einzelner Ausprägungen der Interessenwahrungspflicht Dies hindert nicht daran, einzelne Ausprägungen der Interessenwahrungspflicht abzubedingen.265 Welche dieser konkreten Pflichten bzw. Regelungen abbedungen werden können, muss für jede von ihnen einzeln untersucht werden. An dieser Stelle erfolgt dazu nur ein kurzer Überblick anhand einiger Beispiele, für die Einzelheiten wird auf die Untersuchung der Einzelausprägungen der Interessenwahrungspflicht verwiesen.266 Zum Teil ergibt sich die Möglichkeit des Abbedingens ausdrücklich aus dem Gesetz, zum Teil aus einer Übertragung der gesetzlichen Regelungen auf nicht ausdrücklich geregelte Fälle. Eine ausdrückliche Regelung sieht etwa § 181 BGB im Hinblick auf Insichgeschäfte vor („soweit ihm nicht ein anderes gestattet ist“). Auch das für Vorstände bzw. Handlungsgehilfen geltende und der Interessenwahrungspflicht entspringende Wettbewerbsverbot kann aufgehoben werden, wie sich aus § 88 Abs. 1 AktG bzw. § 60 Abs. 1 HGB ausdrücklich ergibt. Dies gilt zunächst einmal für den Einzelfall, aber auch darüber hinaus kann etwa das Wettbewerbsverbot nach § 88 AktG durch die Satzung zumindest modifiziert werden 267 – ein allgemeines Abbedingen des Wettbewerbsverbots durch den Aufsichtsrat scheitert jedoch an § 88 Abs. 1 Satz 3 AktG. Diese Regelungen werden in entsprechender Anwendung auf andere Gesellschafts264 Vgl. dazu MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rdnr. 156. Krit. zu diesem formalen Argument Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 777 (mit Hinweis auf die Austauschbarkeit von GmbH und geschlossener AG). 265 Dazu Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 778 ff. Zur grundsätzlichen Möglichkeit des Abbedingens einzelner Ausprägungen der Interessenwahrungspflicht GroßkommAktG/ Hopt, § 93 Rdnr. 167. 266 Siehe dazu Teil 3. 267 GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 115 f. (auch im Rahmen des Anstellungsvertrags); MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 26; a.A. KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rdnr. 8.
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formen und Konstellationen des Wettbewerbsverbotes übertragen.268 Auch für die Geschäftschancenlehre lässt sich dies heranziehen.269 Über das gesetzlich – ausdrücklich oder abgeleitet – erlaubte Abbedingen hinaus ergibt sich aus dem Rechtsgrund für die Interessenwahrungspflicht, dass auch alle diejenigen Ausprägungen bzw. Konkretisierungen der Interessenwahrungspflicht abbedungen werden können, die die Kehrseite von konkreten Einzelbefugnissen darstellen, die selbst abbedungen werden können. Denn wenn der Geschäftsherr seine Interessensphäre weniger weit öffnet, bedarf er auch – korrespondierend – weniger Schutzes und kann entsprechend darauf verzichten. Ein Abbedingen ist schließlich auch in solchen Fällen zulässig, in denen es für den Geschäftsherrn erkennbar bzw. es üblich ist, dass der Interessenwahrer konkurrierende Aufträge annimmt, und dies nicht missbräuchlich geschieht.270 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich – wie etwa bei Banken – um den Beruf und die wichtigste Einkommensquelle des Interessenwahrers handelt, denn dann wird der Interessenwahrer seine Arbeitskraft kaum für nur einen Geschäftsherrn reservieren können.271 In solchen Fällen bedarf es dann diesbezüglich nicht einmal eines ausdrücklichen Abbedingens bzw. einer Aufklärung; vielmehr kann ein konkludentes Abbedingen angenommen werden.272 Rechtlichen Niederschlag hat dieser Gedanke etwa in § 60 Abs. 2 HGB gefunden. Das Abbedingen führt jedoch nicht zu einer völligen Freistellung von der Interessenwahrungspflicht, sondern lediglich zu einer Anpassung insofern, als der Interessenwahrer dazu verpflichtet wird, zumutbare Anstrengungen zu unternehmen, um Interessenkonflikte möglichst zu vermeiden 273 und sich – soweit möglich – an bestimmte Konfliktlösungsprinzipien, wie etwa das Prioritätsprinzip, zu halten. Nicht abbedungen werden können demgegenüber beispielsweise Inhabilitätsvorschriften, die zwingend sind. Da diese insbesondere für Interessenkonflikte gelten, die aufgrund eines Richtens in eigener Sache entstehen können, lässt sich daraus ableiten, dass dieser Typ des Interessenkonflikts vom Gesetz als besonders schwerwiegend eingestuft wird. In Anlehnung an die Nichtabdingbarkeit von Inhabilitätsvorschriften ist daher auch bei allen (anderen) Regelungen, die primär auf den Konflikt des Richtens in eigener Sache abzielen, von deren Unabdingbarkeit auszugehen. Siehe etwa für die GmbH Röhricht, Wpg 1992, 766, 767 ff; Timm, GmbHR 1981,
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177. Dazu § 15 V.5.). Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 910, 917. 271 Nicht anwendbar ist diese Ausnahme daher auf Vorstände, die gerade ihre gesamte Arbeitskraft in den Dienst der Gesellschaft stellen sollen. 272 Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 910, 917. 273 Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 910, 917. 269 270
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VII. Zusammenfassung Von zentraler Bedeutung für den Umgang mit Interessenkonflikten ist die Interessenwahrungspflicht. Diese verpflichtet den Interessenwahrer, die ihm anvertrauten Interessen des Geschäftsherrn umfänglich und nach besten Kräften zu wahren und alles zu unterlassen, was sie gefährden könnte. Ihr Rechtsgrund liegt darin, dass der Geschäftsherr dem Interessenwahrer seine Interessensphäre in einer Weise öffnet, die seine Interessen ungeschützt und damit besonders „verletzbar“ werden lässt. Ihre Rechtsgrundlage findet sich je nach Rechtsverhältnis im Vertragsrecht, im Organschaftsverhältnis, im Berufs- oder Aufsichtsrecht oder in sonstigen gesetzlichen Bestimmungen. Sie ist eine eigenständige Pflicht und nicht lediglich eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Ihr genauer Inhalt und Umfang richtet sich nach dem Zweck und der Ausgestaltung des jeweiligen Rechtsverhältnisses. Die Interessenwahrungspflicht wird durch besondere Pflichten der Konflikt offenlegung, der Konfliktvermeidung und der Konfliktlösung konkretisiert, die sich mit Blick auf die unterschiedlichen Typen von Interessenkonflikten weiter untergliedern lassen. Die Interessenwahrungspflicht kann in bestimmten Fällen, nämlich im Hinblick auf Ereignisse während der Amts- bzw. Vertragslaufzeit des betroffenen Interessenwahrers, auch noch nach Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses fortbestehen. Sie kann von den Parteien nicht komplett abbedungen werden, wohl aber einzelne ihrer Ausprägungen. Voraussetzung für ein solches Abbedingen ist, dass dies (1) entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist, (2) in Analogie zu den gesetzlichen Regelungen entwickelt werden kann, (3) dass – im Fall von Organen – die zugrunde liegenden Befugnisse der Organe, deren Treuepflicht abbedungen werden soll, von den Gesellschaftern modifiziert oder gar ausgeschlossen werden können oder (4) dass bereits bei Vertragsschluss offensichtlich ist, dass der Interessenwahrer auch Interessen anderer Geschäftsherren wahrnimmt, die möglicherweise in Konflikt mit den Interessen des Geschäftsherrn kommen können.
§ 4 Unabhängigkeit I. Einleitung Das Unabhängigkeitserfordernis ist neben der Interessenwahrungspflicht der zweite allgemeine Regelungsansatz für den Umgang mit Interessenkonflikten. Im Gegensatz zur Interessenwahrungspflicht, der ein pflichtenbezogener Regelungsansatz zugrundeliegt, stellt das Erfordernis der Unabhängigkeit eines Entscheidungsträgers einen statusbezogenen Regelungsansatz dar, der an eine Eigenschaft – die Unabhängigkeit – des Entscheidungsträgers anknüpft.1 Da sich allerdings Unabhängigkeit nicht „herbeiregeln“ und nur schwer positiv bestimmen lässt, wird im Rahmen gesetzlicher Vorschriften regelmäßig eine Negativ abgrenzung vorgenommen: 2 Normiert wird dabei, unter welchen Umständen keine Unabhängigkeit vorliegt. Während das Unabhängigkeitserfordernis traditionell vor allem im Zusammenhang mit dem Richteramt eine herausgehobene Bedeutung hatte (und hat), findet es zunehmend auch Verbreitung bei der Regelung privatrechtlich tätiger Geschäftsbesorger und überlagert bzw. ergänzt dort privatvertragliche Regelungen. Allerdings ist zu beobachten, dass die Diskussion über Unabhängigkeitserfordernisse und die damit zusammenhängenden Voraussetzungen und Pflichten in den einzelnen Rechtsgebieten noch weitgehend getrennt voneinander verläuft. Eine systematische Beschäftigung mit den Unabhängigkeitserfordernissen über die unmittelbaren Grenzen des jeweiligen Rechtszusammenhangs hinaus findet nicht bzw. nur mit Blick auf einen begrenzten Umkreis statt. Um eventuelle Wertungswidersprüche zwischen den verschiedenen Unabhängigkeitsregelungen aufzudecken, eventuell vorhandene Lücken zu schließen und eine bessere Abstimmung der verschiedenen Unabhängigkeitserfordernisse zu ermöglichen, ist zu untersuchen, ob und wie Unabhängigkeitserfordernisse für Geschäftsbesorger systematisch erfasst werden können. Dabei geht es um die Frage, ob es einen gemeinsamen Kern der Unabhängigkeitserfordernisse für Geschäftsbesorger in den verschiedenen Rechtsgebieten gibt, d. h. einen allgemeinen Regelungsgedanken, der allen Unabhängigkeitserfordernissen gemein Siehe in diesem Zusammenhang Hopt, ECFR 2013, 167, 173 ff. Scholderer, NZG 2012, 168, 172.
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sam ist und an den angeknüpft werden kann, um etwa Analogien herzuleiten, und der Grundlage für daran anknüpfende (besondere) Regelungen und Pflichten sein kann.
II. Begriff, Zweck und rechtliche Verankerung 1.) Begriff der Unabhängigkeit Unabhängigkeit bedeutet zunächst einmal das Nichtvorhandensein von Abhängigkeit,3 d. h. die Abwesenheit von beschränkenden Bindungen. Positiv gewendet kann Unabhängigkeit daher auch mit Freiheit gleichgesetzt werden.4 Im Zusammenhang mit Entscheidungen soll Unabhängigkeit, d. h. die Freiheit von Bindungen, sicherstellen, dass der Entscheidende bei seiner Entscheidungsfindung unvoreingenommen ist5 und seine Entscheidungen frei von sachfremden Einflüssen treffen kann.6 Schutzobjekt der Unabhängigkeit ist dementsprechend die Willensbildung.7 Unabhängigkeit kann als innere oder als äußere Unabhängigkeit bzw. „independence in fact“ und „independence in appearance“ verstanden werden.8 Bei der inneren Unabhängigkeit oder „Unbefangenheit“9 bzw. „independence in fact“ handelt es sich um eine geistige Einstellung des Betroffenen. Diese bezieht sich darauf, dass der Betroffene ausschließlich die zur Erfüllung der Aufgabe relevanten Aspekte berücksichtigt und sich in seiner Entscheidung nicht von sachfremden (eigenen oder fremden) Interessen, Rücksichtnahmen oder Neigungen beeinflussen lässt; außerdem umfasst sie die Fähigkeit, dieser Ein-
Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 153. Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 1 Rdnr. 13; Henssler/Prütting/Koch, BRAO, § 1 Rdnr. 37 ff.; Koch, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 7; vgl. dazu auch Redeker, NJW 1987, 2610. 5 Schramm, DStR 2003, 1364, 1367. 6 Vgl. dazu z. B. Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, BT-Drs. 14/7515, S. 46 (persönliche Unabhängigkeit von den executive directors und vom Management und persönliches Nichtbetroffensein vom wirtschaftlichen Wohlergehen der Gesellschaft); Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer/vereidigte Buchprüfer (BS WP/vBP) vom 12.2.2010, S. 29 (Unabhängigkeit als Freiheit von Bindungen, die die berufliche Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen oder beeinträchtigen könnten). Vgl. auch Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 79; Davies, ZGR 2001, 268, 275. 7 Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 153. 8 Vgl. z. B. für den Abschlussprüfer die Empfehlung der Kommission vom 16. Mai 2002, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, ABlEG Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Anhang A, 1, 4. Absatz; Müller, Unabhängigkeit, S. 23 f.; Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 86 f.; Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 80. 9 Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 80. Siehe auch Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 36. 3 4
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stellung gemäß zu handeln.10 Die damit korrespondierende gegenteilige innere Einstellung wird mit dem Begriff der Befangenheit beschrieben.11 Demgegenüber meint äußere Unabhängigkeit das Freisein von rechtlichen, persönlichen und wirtschaftlichen Einwirkungsmöglichkeiten durch den Auftraggeber oder durch Dritte.12 Sie ist notwendige Voraussetzung für die innere Unabhängigkeit.13 Denn unbefangen kann jemand nur sein, wenn ihm das Ergebnis seiner Tätigkeit vollkommen gleichgültig ist, weil es keine Auswirkungen auf seine gegenwärtigen oder zukünftigen wirtschaftlichen oder persönlichen Verhältnisse hat.14 Gibt es eine für Dritte wahrnehmbare Bindung an den Auftraggeber bzw. den zu Prüfenden/zu Bewertenden bzw. – im Fall des Insolvenzverwalters – den Schuldner oder die Gläubiger und führt dies zum Anschein fehlender Unabhängigkeit, ist damit die äußere Unabhängigkeit des Betroffenen in Frage gestellt.15 Noch deutlicher wird die Orientierung an der Wahrnehmung durch Dritte am Begriff der „independence in appearance“. Er verdeutlicht, dass es drauf ankommt, ob die betreffende Person von außenstehenden Dritten als unabhängig handelnd angesehen wird.16 Fehlt es an der äußeren Unabhängigkeit bzw. wird der Handelnde nicht als unabhängig angesehen, führt dies regelmäßig zu dem Schluss, dass der Betroffene auch innerlich nicht unabhängig ist.17 Die Begriffe „independence in appearance“ und „äußere Unabhängigkeit“ korrespondieren mit dem Begriff der „Besorgnis der Befangenheit“.18 Auch die 10 Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 80. Vgl. dazu auch Fleischer, DStR 1996, 758, 760; Müller, Unabhängigkeit, S. 24; Schwandtner DStR 2002, 323, 324. Zur „independence in fact“ siehe auch die Empfehlung der Kommission vom 16. Mai 2002, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, ABlEG Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Anhang A, 1, 4. Absatz (S. 34); Müller, Unabhängigkeit, S. 24; Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 86; Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 80. 11 Zur Definition des Befangenheitsbegriffs im Fall des Abschlussprüfers Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 20; zur Auslegung auch MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 22 ff. Zur Unterscheidung von Befangenheit und Interessenkonflikt § 1 II.3.)g.). 12 Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 37; Kitschler, Abschlussprüfung, Interessenkonflikt und Reputation, S. 28. 13 Fleischer, DStR 1996, 758, 760; Schwandtner DStR 2002, 323, 325. 14 Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 81. 15 Braun/Blümle, InsO, § 56 Rdnr. 14; vgl. auch HK-InsO/Eickmann, § 56 Rdnr. 9 ; Schumann, in: FS Geimer, 2002, S. 1043, 1066, 1069. 16 Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 86; Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 80. 17 Sind äußere Bindungen nicht erkennbar, so ist der Betroffene zwar äußerlich unabhängig, er kann jedoch dennoch innerlich voreingenommen bzw. befangen sein. 18 Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 156 (für independence in appearance); Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 38 (für äußere Unabhängigkeit); Bormann, BB 2002, 190. Siehe auch RegE BilMoG, BT-Drs. 16/10067, S. 101, wo Besorgnis der Befangenheit und Unabhängigkeit korrespondierend verwendet werden, sowie die Empfehlung der Kommission vom 16.5.2002, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, ABlEG Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Anhang A, 1, 4. Absatz (S. 34).
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Besorgnis der Befangenheit folgt aus äußeren Umständen, die Dritte zu der Annahme veranlassen, der Betroffene sei befangen.19 Wer anderen als unabhängig erscheint, bei dem besteht keine Besorgnis, dass er befangen sein könnte, und wer für befangen gehalten wird, der erscheint nicht als unabhängig. Es muss der begründete Verdacht nahe liegen, dass der Entscheidende nicht in der Lage sein wird, seine Tätigkeit unbefangen, unparteiisch und unbeeinflusst von eigenen oder fremden Interessen zu erbringen.20 Dabei ist wegen der strengen Rechtsfolgen und der berechtigten Interessen des Betroffenen,21 für die Beurteilung der Unabhängigkeit stets ein objektiver Beurteilungsmaßstab heranzuziehen.22 Das bedeutet, sie hat aus der Perspektive eines unvoreingenommenen und informierten, verständigen Dritten zu erfolgen.23 Die eigene subjektive Ansicht des Betroffenen ist unerheblich, andererseits reichen bloße „Ahnungen“ anderer nicht aus.24 Eine „Besorgnis der Befangenheit“ besteht daher regelmäßig dann, wenn aus der Sicht eines unvoreingenommenen und informierten verständigen Dritten genügend objektive Gründe bestehen, um an der Unvoreingenommenheit des Betroffenen ernstlich zu zweifeln.25
2.) Rechtsgrund von Unabhängigkeitserfordernissen Rechtsökonomische Begründungsversuche mit Hilfe der Principal-Agent-Theorie stoßen bei der Rechtfertigung von Unabhängigkeitserfordernissen an ihre Grenzen. Stellt man auf die vertraglichen Beziehungen ab, so ist in diesem Zusammenhang der beauftragende Geschäftsherr als principal einzustufen. In diesem Fall kann es zu Situationen kommen, in denen die Interessen des principal und des agent, des Interessenwahrers, vollkommen im Einklang mitein Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 38. Bzgl. des Abschlussprüfers etwa Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 20. 21 Vgl. MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 25 (bzgl. des Abschlussprüfers). 22 So für den Abschlussprüfer Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 7; MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 25; Koller/Roth/Morck/Morck, HGB, § 319 Rdnr. 3 ; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 84; Gelhausen/Heinz, WPg 2005, 693, 697. 23 Der BGH stellt im Fall des Abschlussprüfers auf den „vernünftig und objektiv denkenden Dritten“ ab, siehe BGHZ 153, 32, 43; außerdem Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 7; MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 25; Marx, Unabhängige Abschlussprüfung, S. 72; Gelhausen/Heinz, Wpg 2005, 693, 697; ähnlich RegE BilReG, BT-Drs. 15/3419, S. 38 (vernünftiger und verständiger Dritter). Die Europäische Kommission ging in ihrer Empfehlung hingegen vom Maßstab des „sachverständigen und informierten“ Dritten aus, siehe A. Rahmenkonzept, vor Abschnitt 1 und Anhang, Teil A der Empfehlung der Kommission vom 16.5.2002, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, ABlEG Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22. Zu diesen Maßstäben Lanfermann/Lanfermann, DStR 2003, 900, 906. 24 MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 25; siehe auch etwa RegE BilReG, BT-Drs. 15/3419, S. 38; Schwandtner DStR 2002, 323, 324; Veltins, DB 2004, 445, 448. 25 Dazu Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 7; MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 23 (Erheblichkeit des Grundes erforderlich, „böser Schein“ reicht nicht aus). 19
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ander stehen und es dennoch angezeigt ist, dass der agent von dem Geschäft Abstand nimmt. Beispiel hierfür ist das Verhalten der Ratingagenturen im Zusammenhang mit den Emissionen von Asset Backed Securities vor der Finanzkrise. Die Ratingagenturen hatten sich bei ihrem Rating und der oftmals vorgeschalteten Beratung lange Zeit zu einseitig an den Interessen der Emittenten orientiert, von denen sie mit dem Rating der Asset Backed Securities beauftragt worden waren.26 Die möglichen Auswirkungen auf den Kapitalmarkt und dessen Funktionsfähigkeit wurden von ihnen hingegen vernachlässigt. Diese waren aber ganz erheblich, wie der Vertrauensverlust zeigt, der mit der Aufdeckung dieses Verhaltens einsetzte und dann für die ab 2008 einsetzende Finanzkrise eine wesentliche Rolle spielte. Dies hing nicht zuletzt damit zusammen, dass Ratingagenturen eine immer größere Bedeutung für den Kapitalmarkt erlangt hatten – vor allem dadurch, dass es Banken und anderen Marktteilnehmern aufsichtsrechtlich erlaubt wurde, sich die Ratings der Agenturen für die Risikoeinschätzung heranzuziehen.27 Diese und ähnliche Beispiele zeigen die Grenzen einer rein vertraglichen Sichtweise bei der Anwendung der Principal-Agent-Theorie und haben dazu geführt, dass ein marktliches Regelungsmodell für die Statuierung von Unabhängigkeitserfordernissen erwogen worden ist.28 Unabhängigkeitserfordernisse und die daran anknüpfenden Pflichten werden von dieser Ansicht als Korrelat der Marktteilnahme verstanden.29 Dieser Ansatz löst sich von der Anknüpfung an bestimmte Interessen, wie sie bei der Interessenwahrungspflicht üblich ist.30 Auch beschränkt er sich auf die für vertragliche Interessenwahrer geltenden Unabhängigkeitserfordernisse. Will man bei einer Anknüpfung an Interessen bleiben und Unabhängigkeitserfordernisse im Rahmen eines an Interessenkonflikten orientierten Regelungsansatzes berücksichtigen, muss ein anderer Ansatz gewählt werden. Dabei ist – wie von der eben erwähnten Ansicht zu Recht zu bedenken gegeben wird – zu beachten, dass die Interessen des unmittelbaren Geschäftsherrn, von 26 Dazu ausführlich Kumpan, in: Allmendinger/Steffek et al., Corporate Governance nach der Finanz- und Wirtschaftskrise, S. 209, 218 ff.; Kumpan, 9 J. Corp. L. Stud. 261, 272 ff. (2009). 27 Insbesondere Art. 80 ff. Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABlEU Nr. L 177 v. 30.6.2006, S. 1. Siehe nun aber Art. 5a („Übermäßiger Rückgriff auf Ratings durch Finanzinstitute“) der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009, eingefügt durch Verordnung (EU) Nr. 462/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen, ABlEU Nr. L 146 v. 31.05.2013, S. 1. 28 Leyens, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 423, 431; ders., 11 JCLS 33, 43 ff. (2011); im Anschluss an entsprechende Gedanken hinsichtlich der Unternehmenspublizität bei Merkt, Unternehmenspublizität, S. 332 ff. 29 Siehe die Angaben in Fn. 28. 30 Dazu Leyens, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 423, 434.
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dem oder für den (im Fall einer gerichtlichen Bestellung) der Interessenwahrer beauftragt worden ist, nicht oder jedenfalls nicht allein ausschlaggebend sein können. Auch die voneinander differierenden individuellen Interessen derjenigen, die außerdem noch von den Entscheidungen des Interessenwahrers betroffen sind, wie z. B. „die Marktteilnehmer“, eignen sich nicht für eine Anknüpfung.31 Das den Anknüpfungspunkt bietende Interesse lässt sich aber induktiv, mit Hilfe einer Betrachtung der verschiedenen Unabhängigkeitserfordernisse, ermitteln. Analysiert man die verschiedenen Unabhängigkeitserfordernisse, zeigt sich, dass sie im Hinblick auf Institutionen statuiert werden, die für das Gemeinwesen von wesentlicher Bedeutung sind.32 Damit nehmen sie zugleich das Vertrauen in den Blick, das diesen Institutionen vom Rechtsverkehr entgegengebracht wird. Statuiert werden Unabhängigkeitserfordernisse dementsprechend dann, wenn Interessenwahrer mit ihren Entscheidungen Vertrauenstatbestände schaffen, die sich nicht auf die jeweiligen (Vertrags-)Parteien beschränken, sondern sich darüber hinaus auf Dritte bzw. die Allgemeinheit auswirken, und diese Entscheidungen nicht zu vernachlässigende Auswirkungen auf wesentliche Institutionen oder Mechanismen des Gemeinwesens haben können. So ist etwa die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers von Bedeutung, weil der zu prüfende Jahresabschluss nicht nur für die Gesellschaft selbst, sondern auch für deren Gesellschafter und darüber hinaus für die Marktteilnehmer und damit für die Allokationsfunktion des Marktes relevant ist.33 Auch das Recht als solches und seine korrekte Anwendung sind als besondere Basis für das Vertrauen des einzelnen und der Allgemeinheit Anknüpfungspunkt für Unabhängigkeitserfordernisse. So muss eine Beratung nicht grundsätzlich und in jedem Fall „unabhängig“ erfolgen. Sie muss es jedoch dann sein, wenn ihr eine besondere Funktion im Rahmen der Rechtsordnung zukommt, wie dies beim Steuerberater oder beim Rechtsanwalt der Fall ist. In diesen Situationen kann die Beratung nicht – wie in anderen Fällen der Interessenwahrung – ausschließlich an den Interessen des Beratenen ausgerichtet werden, sondern muss berücksichtigen, dass Gegenstand der Beratung rechtliche Regelungen sind, die nicht dem Einzelinteresse untergeordnet werden dürfen. Unabhängigkeitserfordernissen liegt somit eine Institutionen- und Drittbezogenheit bei der Interessenwahrung zugrunde, die die entsprechenden Interessenwahrungsverhältnisse von anderen Interessenwahrungsverhältnissen unterscheidet. Das Interesse, auf das es in diesem Zusammenhang ankommt, ist das allen Teilnehmern am Rechtsverkehr gemeinsame Interesse an der Funktionsfähigkeit der Institutionen des Gemeinwesens und der damit notwendig verbundenen Voraussetzung, dass die einzelnen Funktionsträger ihre Aufgaben So zu Recht Leyens, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 423, 434. Siehe dazu die Ausführungen in § 5. 33 Vgl. dazu Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 80. 31
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korrekt erfüllen. Nur wenn diese Funktionsfähigkeit sichergestellt ist und Abweichungen im Einzelfall unterbunden werden, kann das für den Rechtsverkehr notwendige Vertrauen entstehen. Im Ergebnis liegt der Rechtsgrund für Unabhängigkeitserfordernisse mithin in der Übernahme von Aufgaben einer für das Gemeinwesen wesentlichen Institution, in deren Rahmen der einzelne Funktionsträger mittels Entscheidungen Vertrauenstatbestände schafft, die über das einzelne Rechtsverhältnis hinaus Bedeutung entfalten.
3.) Zweck von Unabhängigkeitserfordernissen Unabhängigkeitserfordernisse verfolgen zum einen als übergeordneten Zweck den Schutz der Integrität von wesentlichen Institutionen des Gemeinwesens und des Vertrauens des Rechtsverkehrs in diese Institutionen. Zum anderen haben sie den auf die einzelnen Entscheidungen bezogenen Zweck, dass diese unvoreingenommen und frei von sachfremden Einflüssen zustande kommen. Damit verbunden ist der „prozedurale“ Zweck, die entscheidenden Funktionsträger dazu anzuhalten, unvoreingenommen und frei von sachwidrigen Einflüssen zu entscheiden, ohne den Inhalt und das Ergebnis der Entscheidungsfindung vorzugeben.34 Damit dienen Unabhängigkeitserfordernisse zugleich dazu, die Akzeptanz der jeweiligen Entscheidungen durch die Betroffenen zu gewährleisten. Denn deren Akzeptanz lässt sich nur erreichen, wenn der Prozess der Entscheidungsfindung von den Betroffenen als sachgerecht anerkannt wird.35 Schließlich verfolgt jedes einzelne, konkrete Unabhängigkeitserfordernis neben diesen gemeinsamen Zwecken immer auch noch einen oder mehrere spezifische Zwecke, die sich aus dem jeweiligen Regelungszusammenhang ergeben. Dieser spezifische Zweck kann sich daher von Rechtsgebiet zu Rechtsgebiet unterscheiden. Aus diesem ergibt sich insbesondere, von welchen Einflüssen etc. die Entscheidung bzw. der Entscheidungsträger frei sein soll und wofür die Unabhängigkeit dient.36 Davon ist abzuleiten, wie weit das jeweilige Unabhängigkeitserfordernis reicht, wo es seine Grenzen findet und welche Rechtsfolgen daran anknüpfen sollen. So soll etwa das Unabhängigkeitsgebot des Abschlussprüfers insbesondere einer Abhängigkeit des Prüfers vom Management der zu Laukemann, Unabhängigkeit, S. 58. Andernfalls kann es zu einer sog. „reaktiven Abwertung“ kommen. Dies beschreibt das Phänomen, dass eine Entscheidung schlechter bewertet wird, wenn sie von jemandem mit eigenen (gegenläufigen) Interessen getroffen wird statt von einem unabhängigen Dritten. Zur „reaktiven Abwertung“ z. B. Eidenmüller, in: Ott/Schäfter, Effiziente Verhaltenssteuerung, S. 145, 150 f. m.w.N. 36 Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 155. Vgl. in diesem Zusammenhang beispielsweise Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 48; Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 76; Ballwieser, in: Lutter, Der Wirtschaftsprüfer, S. 99, 100. 34 35
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prüfenden Gesellschaft entgegenwirken, nicht aber einer eventuellen Abhängigkeit von seiner Sekretärin, die ebenfalls problematisch sein kann.37
4.) Notwendigkeit einer gesetzlichen Verankerung von Unabhängigkeitserfordernissen a.) Grundsätzliche Möglichkeit privatvertraglicher Vereinbarung von Unabhängigkeitsregelungen Wie die Pflicht zur Interessenwahrung könnte grundsätzlich auch das Unabhängigkeitserfordernis vertraglich vereinbart werden. Dass es sich bei der Unabhängigkeit um einen Status handelt, steht dem nicht entgegen. Grundsätzlich wäre denkbar, dass ein solcher Status mit Hilfe besonderer vertraglicher Klauseln kontinuierlich sichergestellt wird. Diese Klauseln müssten etwa regeln, dass der Geschäftsbesorger seine Entscheidungen nicht durch sachfremde Einflüsse von außen beeinflussen lassen darf (Unabhängigkeit von Dritten). Weiterhin müsste vereinbart werden, dass der Geschäftsbesorger sich nicht nur an den Interessen des Geschäftsherrn orientiert, sondern diese unter bestimmten Umständen hinter andere Interessen oder Gesichtspunkte zurückstellen kann bzw. muss (Unabhängigkeit vom Geschäftsherrn). Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn ansonsten Dritte benachteiligt würden, derentwegen der Geschäftsherr den Geschäftsbesorger gerade beauftragt hat, um deren Vertrauen in den Geschäftsbesorger für sich zu nutzen – wie z. B. beim Rating von Finanz anlageprodukten. Zudem müssten die Parteien vereinbaren, dass der Geschäftsbesorger die Interessen des Geschäftsherrn dann zurückstellt, wenn für das Gemeinwesen wichtige Institutionen, Mechanismen oder Einrichtungen und damit verbunden das Vertrauen der Allgemeinheit negativ betroffen werden könnten. Solche Selbstverpflichtungen der betroffenen Berufsgruppen, in denen sie sich zur Unabhängigkeit verpflichten, stellen ökonomisch betrachtet „Signale“ dar.38 Mit ihnen wird eine besondere Vertrauenswürdigkeit signalisiert, um so das Vertrauen potentieller (Geschäfts-)Partner zu gewinnen. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn vorher noch keine (Vertrauens-)Beziehung zwischen ihnen bestand. Denn privatrechtliche Vereinbarungen funktionieren nur dann, wenn die Parteien darauf vertrauen können, dass sie auch eingehalten werden. Dies gilt für Interessenwahrungsverhältnisse in besonderer Weise, weil der Geschäftsherr dem Interessenwahrer seine Interessensphäre öffnet und ihm damit seine Interessen zunächst einmal weitgehend schutzlos ausliefert.
Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 156. Zum Signaling oben § 2 III.1.).
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Ein Beispiel für eine solche Selbstverpflichtung sind etwa die Richtlinien für unabhängige Vergütungsberater.39 Da sie häufig sowohl den Aufsichtsrat als auch den Vorstand beraten, sind bei ihnen Interessenkonflikte nicht auszuschließen. Eine Beratung beider Arten von Gremien ist daher schon an sich geeignet, Zweifel an ihrer Unabhängigkeit aufkommen zu lassen. Dementsprechend liegt es in ihrem Interesse mittels besonderer Maßnahmen diesem äußeren Anschein entgegenzuwirken.40 b.) Grenzen privater Vereinbarungen von Unabhängigkeitsregelungen unter Berücksichtigung rechtsökonomischer Erwägungen Signale, wie z. B. eine Selbstverpflichtung zur Unabhängigkeit, sind dann besonders überzeugend, wenn sie teuer sind oder von einer vertrauenswürdigen Person gegeben werden. Sofern Selbstverpflichtungen, wie oft zu beobachten, keine oder zumindest keine gravierenden Sanktionen beinhalten, ist ihre Signalwirkung eher gering. Dasselbe gilt, sofern der Signalgeber dem anderen nicht bekannt ist und auch kein Dritter mit seiner Reputation für ihn einsteht. Eine oft sehr viel stärkere Signalwirkung haben gesetzliche Regelungen, also Signale, die der Staat setzt und kontrolliert. Um die gleiche Wirkung zu erzielen, müssten Private oft erhebliche Kosten auf sich nehmen. Diese Kosten werden sie aber insbesondere dann scheuen, wenn sie die damit generierten Gewinne nicht vollkommen selbst vereinnahmen könnten, sondern diese zum Teil auch Dritten bzw. der Allgemeinheit überlassen müssten. Dies gilt insbesondere bei Tätigkeiten bzw. der Ausübung von Funktionen, die über das einzelne Rechtsverhältnis hinaus wesentliche Bedeutung für das Gemeinwesen haben. Denn bei diesen muss nicht nur das Vertrauen in den individuellen Interessen-
39 Vereinigung unabhängiger Vergütungsberater (VUVB), Kodex für unabhängige Vergütungsberatung, abrufbar unter http://www.vuvb.de/assets/Uploads/Kodex-fuer-unabhaengige-Verguetungsberatung.pdf (Stand: 28.07.2014). Zu Vergütungsberatern etwa Baums, AG 2010, 53; Fleischer, BB 2010, 67; Weber-Rey/Buckel, NZG 2010, 761. 40 Fleischer, BB 2010, 67, 73. Ein weiteres Beispiel sind die Standesregeln für Aktuare. „Aktuare sind wissenschaftlich ausgebildete und speziell geprüfte Experten, die mit mathematischen Methoden der Wahrscheinlichkeitstheorie, der mathematischen Statistik und der Finanzmathematik Fragestellungen insbesondere aus der Versicherungswirtschaft, aber auch aus den Bereichen Bausparwesen, Kapitalanlage und Altersversorgung analysieren und unter Berücksichtigung des rechtlichen und wirtschaftlichen Umfeldes Lösungen entwickeln.“ Aus: o.V., Berufsbild des Aktuars, abrufbar unter https://aktuar.de/regularien/Berufsbild_ Kurzfassung_September_2005.pdf (Stand 28.07.2014). Zu den Standesregeln der Aktuare siehe Standesregeln für Aktuare in der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) e.V., abrufbar unter https://aktuar.de/regularien/2008-04-30-Standesregeln.pdf (Stand 28.07.2014). § 6 Satz 1 dieser Standesregeln bestimmt, dass sie bei ihren Untersuchungen, Empfehlungen und Entscheidungen frei von Einflüssen, Bindungen und Rücksichtnahmen sein müssen, die ihre Unabhängigkeit beeinträchtigen könnten. Eine abhängige Beschäftigung ist dabei kein Hindernis für die Unabhängigkeit, siehe § 6 Satz 2 der Standesregeln für Aktuare.
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wahrer geschützt werden, sondern auch das Vertrauen in die Gesamtheit der jeweiligen Interessenwahrer, die diese Funktion ausüben. Vertrauensbildende Signale würden hier nicht nur dem einzelnen Interessenwahrer selbst sondern auch dem Gemeinwesen sowie den Konkurrenten zugutekommen – insbesondere für letztere entsteht so ein Anreiz zum sog. free-riding. Dies führt zu der Gefahr eines collective action Problems: 41 Da der einzelne Funktionsträger von den vertrauensbildenden Signalen anderer profitieren könnte, ohne dass er selbst solche – kostenerhöhenden – Signale aussendet, besteht für ihn kein Anreiz, ein solches Signal auszusenden. Da dies aber allen Funktionsträgern so ergeht, wird keiner von ihnen solche Signale aussenden und die dafür entstehenden Kosten tragen wollen. Damit wird eine Vertrauensbildung erheblich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht, sodass der Markt in diesem Fall zusammenbricht. Dementsprechend muss es in diesen Situationen der Staat übernehmen, für entsprechende Signale zu sorgen.42 Das gesetzlich angeordnete Unabhängigkeitserfordernis mit seinen strengen Rechtsfolgen stellt ein solches Signal dar. Anders als etwa bei Gutachtern, die neutrale Einschätzungen abgeben sollen, reicht in diesen Fällen eine nachgelagerte Absicherung, z. B. in Form einer Haftung für schuldhafte Pflichtverletzungen, nicht aus. Selbst wenn man Dritte mit Hilfe von rechtlichen Konstruktionen, wie dem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, schützen wollte, würde dies häufig nicht ausreichen oder wäre gar nicht möglich. Letzteres ist etwa dann der Fall, wenn der erlittene Schaden nicht oder zumindest nicht eindeutig auf das Fehlverhalten des Funktionsträgers bzw. Geschäftsbesorgers zurückgeführt werden kann. Dies gilt insbesondere bei mittelbaren Auswirkungen, also z. B. wenn fehlerhafte Ratings dazu führen, dass der Markt zusammenbricht, wovon auch Dritte betroffen sind, für die das einzelne Rating gar keine Rolle spielt (etwa weil sie gar nicht in das betreffende Finanzinstrument investieren wollen). Auch aus diesem Grund liegt es im Zum collective action Problem siehe stv. Olson, The Logic of Collective Action, pas-
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sim. 42 Anderes gilt in den Fällen, in denen keine weitergehenden (positiven) Auswirkungen auf die Allgemeinheit bzw. Institutionen des Gemeinwesens zu gewärtigen sind. Dies gilt etwa für Vergütungsberater, die den Aufsichtsrat (lediglich) in Bezug auf Vergütungsentscheidungen beraten, diese aber nicht selbst treffen, denn für die Entscheidungen verantwortlich bleibt der Aufsichtsrat, siehe § 87 AktG. Zudem dürfen sich Aufsichtsratsmitglieder zwar auf das Votum eines Vergütungsberaters verlassen, wenn sie vernünftigerweise von dessen Unabhängigkeit ausgehen dürfen; doch auch dann dürfen sie das Votum des Beraters nicht unbesehen übernehmen, sondern müssen es auf Plausibilität hin überprüfen. Siehe Fleischer, BB 2010, 67, 71; Weber-Rey/Buckel, NZG 2010, 761, 766. Die bisherige indirekte Regelung der Unabhängigkeit von Vergütungsberatern aufgrund der Rechtsprechung des BGH würde vor dem Hintergrund der folgenden Ausführungen nicht mehr ausreichen, wenn deren Votum rechtlich eine noch größere Bedeutung zugemessen werden würde, etwa dass sich Aufsichtsratsmitglieder durch Einholung eines solchen Votums von ihrer Haftung in Vergütungsfragen freizeichnen könnten. Denn in diesem Fall würde die Entscheidungskompetenz letztlich auf den Vergütungsberater übertragen werden.
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Interesse des Staates das Vertrauen der Allgemeinheit möglichst umfänglich zu schützen. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die Instabilität der betroffenen Institutionen und Mechanismen Auswirkungen auf das Zusammenleben im Gemeinwesen und damit letztlich auf die Stabilität des Staates selbst hat. Dementsprechend liegt es auch an ihm, das mit dem Unabhängigkeitserfordernis gesetzte Signal mit Hilfe daran anknüpfender Pflichten und Sanktionen abzusichern.
5.) Gesetzliche Verankerungen Unabhängigkeitserfordernisse für Geschäftsbesorger bzw. Interessenwahrer sind vielfach gesetzlich oder in Verordnungen verankert. So finden sich für den Rechtsanwalt Regelungen insbesondere in §§ 1, 3 Abs. 1 und § 43a Abs. 1 BRAO, aber auch etwa in §§ 7 Abs. 8, 14 Abs. 2 Nr. 8, 59b Abs. 2 Nr. 1 lit. b BRAO und § 59f Abs. 4 Satz 1 BRAO. Für Steuerberater bestimmt § 57 Abs. 1 StBerG, dass sie ihren Beruf unabhängig auszuüben haben. Für Abschlussprüfer regeln § 323 Abs. 1 Satz 1 2. Fall HGB und §§ 43 Abs. 1 Satz 2, 56 Abs. 1 WiPrO das Unabhängigkeitserfordernis. Für Ratingagenturen enthält die Verordnung 1060/2009 vom 16.09.200943 in ihren Art. 1 Satz 2, Art. 6 und insbesondere in ihrem Anhang I Regelungen zur Unabhängigkeit und betont deren Bedeutung insbesondere in ihren Erwägungsgründen 2 a. E., 6, 27 und 58. Für die „Compliance-Funktion“ von Wertpapierdienstleistungsunternehmen regelt § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG, dass diese ihre Aufgaben unabhängig wahrnehmen können muss. Und für Aufsichtsratsmitglieder statuiert § 100 Abs. 5 AktG in bestimmten Fällen ein Unabhängigkeitserfordernis. Darüber hinaus finden sich umfangreiche Empfehlungen in Bezug auf Aufsichtsratsmitglieder in der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 25.02.2005 und im Deutschen Corporate Governance Kodex (siehe Ziff. 5.4.2 DCGK). Schließlich statuiert § 56 Abs. 1 InsO für den Insolvenzverwalter, dass dieser eine unabhängige Person sein muss.
III. Grundzüge eines allgemeinen Tatbestands von Unabhängigkeitserfordernissen für Geschäftsbesorger Auch wenn die Unabhängigkeitserfordernisse für die verschiedenen Interessenwahrer in ihrem jeweiligen Rechtszusammenhang unterschiedliche Ausrichtungen haben und unterschiedliche Institutionen schützen sollen, so haben sie doch einen gemeinsamen Kern. Neben dem gemeinsamen Zweck, Dritte sowie Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen, ABlEU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S.1. 43
III. Grundzüge eines allgemeinen Tatbestands
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wesentliche Institutionen des Gemeinwesens zu schützen, umfasst dieser gemeinsame Kern bestimmte Grundzüge der Tatbestände sowie eine Reihe von Rechtsfolgen. Es lässt sich somit ein allgemeiner Rechtsgedanke der Unabhängigkeitserfordernisse herausarbeiten, der sich insbesondere für die Ableitung von Rechtsanalogien eignet.44
1.) Anknüpfung an die äußere Unabhängigkeit Da es sich bei der (inneren) Unabhängigkeit – bzw. als deren Kehrseite die Befangenheit – um ein subjektives inneres, nicht objektiv messbares Phänomen handelt,45 das sich nicht verlässlich kontrollieren lässt, bleibt in der Regel lediglich die Möglichkeit, anhand von äußeren Umständen auf die innere Unabhängigkeit zu schließen.46 In den gesetzlichen Unabhängigkeitsbestimmungen wird daher auch regelmäßig auf die äußere Unabhängigkeit bzw. die Besorgnis der Befangenheit abgestellt.
2.) Verobjektivierte Indikatoren für fehlende Unabhängigkeit bzw. Befangenheit Die Anknüpfung an die äußere Unabhängigkeit bringt es mit sich, dass in diesem Zusammenhang auf Indizien abgestellt werden muss, die den Anschein fehlender innerer Unabhängigkeit begründen.47 Hierbei hat eine abstrahierende Betrachtung anhand objektivierter (typisierender) Kriterien zu erfolgen, bei deren Vorliegen davon ausgegangen werden kann, dass der Betroffene nicht unabhängig ist.48 Dem liegt die Wahrscheinlichkeitsbetrachtung zugrunde, dass in bestimmten Situationen die Wahrscheinlichkeit einer Befangenheit – und damit die Wahrscheinlichkeit einer daraus folgenden Pflichtverletzung – höher ist als in anderen.49 Soweit die gesetzlichen Unabhängigkeitsregelungen – insbesondere durch Regelbeispiele – näher konkretisiert werden, stellen sie daher für den Ausschluss der (äußeren) Unabhängigkeit regelmäßig auf Umstände ab, die äußerlich wahrnehmbar und nachweisbar sind und die typischerweise einen Interessenkonflikt begründen, sodass sie den Anschein fehlen Etwa für Vergütungsberater oder emissionsbegleitende Banken. Müller, Unabhängigkeit, S. 24; Ballwieser, in: Lutter, Der Wirtschaftsprüfer, S. 99, 101. Siehe auch Laukemann, Unabhängigkeit, S. 84. 46 Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 77; siehe auch Laukemann, Unabhängigkeit, S. 84. 47 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 85. 48 Zur Notwendigkeit einer Typisierung und verobjektivierenden Betrachtung K. Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 100 Rdnr. 46; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 84; Schindler/Rosin, in: Lutter, Der Wirtschaftsprüfer, S. 117, 119; Staake, ZIP 2010, 1013, 1015. 49 Dies sagt nichts darüber aus, wie sich die Mehrheit der Betroffenen in diesen Situationen tatsächlich verhält. 44 45
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§ 4 Unabhängigkeit
der Unabhängigkeit hervorrufen.50 Dazu gehören insbesondere familiäre Beziehungen, d. h. Verwandtschaft, Ehe oder Lebenspartnerschaft.51 Des Weiteren zu nennen sind wirtschaftliche Beziehungen zu Beteiligten, etwa (finan zielle) Beteiligungen an der beauftragenden Gesellschaft bzw. an einer Gesellschaft des Geschäftsherrn52 oder aufgrund einer Tätigkeit für diese Gesellschaft, insbesondere als deren Organ,53 oder geschäftliche Beziehungen von erheblicher Bedeutung54. Auch die eigene Nähe zum Entscheidungsgegenstand, etwa in Form der Kontrolle eigener Vortätigkeit, also der Fall des „Richters in eigener Sache“,55 schließt die Unabhängigkeit aus.
3.) Vermutungsregeln In diesem Zusammenhang sind zwei Vermutungsregeln zu unterscheiden. Die erste geht dahin, dass in einigen – besonders schwerwiegenden, siehe etwa § 319 Abs. 3 HGB56 – Fällen, in denen bestimmte äußere Umstände bzw. Beziehungen vorliegen, unwiderleglich vermutet wird, dass das (äußerlich anknüpfende) Unabhängigkeitserfordernis verletzt ist; in anderen – weniger schweren – Fällen muss hingegen im Einzelfall genauer untersucht werden, ob der Anschein einer Befangenheit besteht und die äußere Unabhängigkeit verletzt ist.57 Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass dies aus der Perspektive eines Dritten zu geschehen hat und somit die konkrete Situation daraufhin überprüft werden muss, ob sie allgemein dazu geeignet ist, den Anschein fehlender Unabhängigkeit zu begründen oder nicht. Die zweite Vermutungsregel greift hingegen im Anschluss daran in allen Fällen, in denen festgestellt worden ist, dass es an der äußeren Unabhängigkeit fehlt: Ist das (äußerlich anknüpfende) Unabhängigkeitserfordernis verletzt, wird unwiderleglich vermutet, dass es auch an der inneren Unabhängigkeit fehlt.58 Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Betroffene tatsächlich (un-) 50 Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 8 f.; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 86. 51 Z. B. § 319 Abs. 3 Satz 2 HGB für den Abschlussprüfer. 52 Z. B. § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB für den Abschlussprüfer. 53 Z. B. § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB für den Abschlussprüfer. 54 Z. B. §§ 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5, 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB für den Abschlussprüfer. 55 Z. B. §§ 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 HGB für den Abschlussprüfer. 56 Die Vorgaben für den Abschlussprüfer sind rechtlich am weitesten ausdifferenziert und haben daher Modellcharakter für die Unabhängigkeitserfordernisse für andere Geschäftsbesorger. Siehe Fleischer, BB 2010, 67, 71. 57 Siehe dazu etwa Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 7. 58 Dazu im Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitserfordernis des Abschlussprüfers Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 81; außerdem Ebke/Paal, ZGR 2005, 894, 897; Gelhausen/Heinz, Wpg 2005, 693, 697.
III. Grundzüge eines allgemeinen Tatbestands
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befangen ist oder sich so fühlt; vielmehr genügt es, dass in der Öffentlichkeit der entsprechende Eindruck entsteht.59 Zu beurteilen ist dies aus der verobjektivierten Perspektive eines unvoreingenommenen, verständigen und informierten Dritten.60
4.) Anknüpfung an die abstrakte Gefährdung von Drittinteressen – das Verhältnis zu Interessenkonflikten Aufgrund ihrer engen Verbindung werden Unabhängigkeit und Interessenkonflikt zum Teil als korrespondierende Begriffe bzw. zwei Seiten einer Medaille angesehen.61 Dies ist aber nur insoweit richtig, als es nicht um die innere Unabhängigkeit geht und außerdem nicht auf den konkreten Interessenkonflikt abgestellt wird. Denn fehlende (äußere) Unabhängigkeit und (konkreter) Interessenkonflikt stellen einen unterschiedlichen Grad der Gefährdung der Interessen des Geschäftsherrn dar. So würde es beispielsweise an der (äußeren) Unabhängigkeit fehlen, wenn einer der Beteiligten ein naher Verwandter des zur Unabhängigkeit Verpflichteten ist. Besteht zwischen beiden jedoch keine persönliche emotionale Bindung, kommt es beim Verpflichteten zu keinem konkreten Interessenkonflikt. Da außerdem nicht jeder Interessenkonflikt zwangsläufig zu einer Benachteiligung der Interessen des Geschäftsherrn und damit zu einer Pflichtverletzung des vom Konflikt Betroffenen führt, lässt sich zwischen diesen drei Fällen ein Stufenverhältnis bilden: 62 Auf der ersten Stufe steht eine abstrakte Gefährdung der Interessen des „Geschäftsherrn“. Eine solche ist anzunehmen, wenn bestimmte typisierte Kriterien erfüllt sind, insbesondere wenn ein abstrakter Interessenkonflikt63 besteht. Sie schließt bereits die Unabhängigkeit aus. Auf einer zweiten Stufe stehen konkrete Interessenkonflikte, die zu einer konkreten Gefährdung der Interessen des Geschäftsherrn führen. Auf einer dritten Stufe folgt die Pflichtverletzung, die aber nur dann eintritt, wenn der Interessenwahrer anderen Interessen als denjenigen des Geschäftsherrn auch tatsächlich den Vorzug gibt und damit die Interessen des Geschäftsherrn benachteiligt. Auch der berufsrechtliche Interessenwiderstreit kann in diese Dreistufigkeit eingeordnet werden. Als Interessenkonflikt von besonderer Qualität ist er der 59 K.Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 100 Rdnr. 46; Marx, Unabhängige Abschlussprüfung, S. 75 f.; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 84; Schumann, FS Geimer, 2002, S. 1043, 1066 f. 1069; Staake, ZIP 2010, 1013, 1015. Vgl. auch Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 7. 60 Siehe dazu oben unter § 4 II.1.) 61 Zur Wechselbeziehung zwischen Interessenkonflikten und Unabhängigkeit Laukemann, Unabhängigkeit, S. 86 f. 62 Siehe zum Folgenden auch Scholderer, NZG 2012, 168, 171. 63 Dabei handelt es sich um potentielle Interessenkonflikte, d. h. solche, die noch nicht bestehen aber mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintreten können.
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§ 4 Unabhängigkeit
zweiten Stufe – d. h. dem konkreten Konflikt – zuzurechnen. Aufgrund der besonderen Intensität dieses Konflikts (die gegenseitige „kontradiktorische Frontstellung“ der Interessen64 ) ist in diesem Fall die Gefährdung der Interessen des Geschäftsherrn besonders akut. Er kann somit als Zwischenstufe zwischen dem (bloßen) Konflikt und der Pflichtverletzung angesehen werden. Daher muss er auch mittels weitreichender Maßnahmen (striktes Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen) verhindert werden.
5.) Vorteile einer Anknüpfung an die abstrakte Interessengefährdung Die Anknüpfung an die abstrakte Interessengefährdung führt dazu, dass Unabhängigkeitserfordernisse und die daran anknüpfenden Regelungen eine präventive Wirkung haben. Zudem lassen sie sich aufgrund dieser Anknüpfung leichter umsetzen und kontrollieren als Pflichten, die an konkrete Interessenkonflikte anknüpfen. Denn da der einzelne von sich selbst grundsätzlich subjektiv voreingenommen ist – dies zeigen verhaltensökonomische Untersuchungen –, ist er nur begrenzt in der Lage, mit den ihn betreffenden psychischen Phänomenen angemessen umzugehen. Zum ersten muss er im Fall eines konkreten Interessenkonflikts erst einmal feststellen, dass bei ihm ein solcher vorliegt. Zum zweiten wird, wer von einem Interessenkonflikt betroffen bzw. in irgendeiner Weise abhängig ist, auch bei seinen Maßnahmen gegen diese Abhängigkeiten von seinem Konflikt bzw. seiner Abhängigkeit geprägt sein.65 Dadurch entsteht die Gefahr, dass die von dem Betroffenen ergriffenen Maßnahmen unzureichend sind bzw. er erst gar keine Maßnahmen ergreift. Solches zumeist nicht vorsätzliche sondern unterbewusst gesteuerte Verhalten ist verhaltensökonomisch darauf zurückzuführen, dass der Betroffene eigene Fähigkeiten und Möglichkeiten überschätzt und die mit dem jeweiligen Konflikt bzw. Abhängigkeit verbundenen Gefahren unterschätzt (over-confidence). Diese Gefahren existieren bei abstrakt anknüpfenden Unabhängigkeitserfordernissen nicht. Denn ob jemand an einem Mandantenunternehmen finanziell beteiligt ist oder mit einem anderen verwandt ist, ist eine äußere Tatsache, die der Betroffene – auch bei subjektiver Voreingenommenheit von sich selbst – nicht ableugnen kann.
6.) Unterschiedliche Intensität von Unabhängigkeitserfordernissen Aufgrund der unterschiedlichen Zwecke der einzelnen Unabhängigkeitserfordernisse und der unterschiedlichen Funktion der verschiedenen Entscheidungsträger unterscheiden sich Voraussetzungen und Anforderungen der verschiede Dazu § 1 II.4.)d.). Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 157.
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IV. Grenzen von Unabhängigkeitserfordernissen
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nen Unabhängigkeitserfordernisse in ihrer Intensität. Zum Teil gelten sogar, wie beim Abschlussprüfer, für ein und dieselbe Person in verschiedenen Situationen unterschiedlich hohe Anforderungen.66 Das Recht unterscheidet nicht einheitlich zwischen „unabhängig“ und „nicht unabhängig“. Vielmehr gibt es ein abgestuftes, situationsbezogenes Verständnis von Unabhängigkeit. Die Anforderungen orientieren sich dabei vor allem, das wird insbesondere im Fall des Abschlussprüfers deutlich, an den Interessen, die mittels des jeweiligen Unabhängigkeitserfordernisses geschützt werden sollen. So war der wesentliche Gesichtspunkt für die Einführung der höheren Anforderungen für die Prüfer kapitalmarktorientierter Unternehmen in § 319a HGB im Rahmen des BilReG, dass der Kreis der an dem Abschluss interessierten Personen größer ist.67 Da dementsprechend die Auswirkungen größer sein können, bedarf es eines stärkeren Unabhängigkeitserfordernisses, d. h. es müssen noch mehr Möglichkeiten für Interessenbindungen zwischen dem zur Unabhängigkeit Verpflichteten und den „Geschäftsherren“ ausgeschlossen werden.
IV. Grenzen von Unabhängigkeitserfordernissen Aufgrund der Vielschichtigkeit des sozialen Gemeinschaftslebens ist es nahezu unmöglich, mittels rechtlicher Regelungen vollkommene Unabhängigkeit herzustellen.68 Sie lässt sich (s.o.) insbesondere solange nicht erreichen, wie jemand auf dem freien Markt seine Dienstleistungen anbietet.69 Das Unabhängigkeitsgebot dient dann vor allem dazu, den Betroffenen ihre Abhängigkeiten bewusst zu machen und sie für eventuelle sachfremde Einflüsse zu sensibilisieren.70
1.) Nichterfassung rein „mentaler“ Abhängigkeiten An Grenzen stoßen Unabhängigkeitserfordernisse vor allem dort, wo es um „mentale“ Abhängigkeiten geht, die nicht eigentlich einen Interessenkonflikt darstellen.71 So ist etwa auch derjenige „abhängig“, also „nicht unabhängig“, 66 Siehe die gegenüber § 319 Abs. 2 und Abs. 3 HGB weitergehenden Anforderungen in § 319a. 67 Siehe RegE BilReG, BT-Drs. 15/3419, S. 41. 68 Siehe auch Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 159: „Unabhängigkeit als Gesamtheit der Bedingungen für eine rein an der Sache orientierte Beurteilung kann vom Recht nicht hergestellt werden.“ Weniger absolut Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 80 (sofern man auf Radikallösungen verzichtet). 69 Vgl. Hagel, Wpg 2002, 1355, 1356; Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2121. 70 Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 76. 71 Hier soll es nur um solche Aspekte gehen, die im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit zu sehen sind. Nicht betrachtet werden ebenfalls wichtige sonstige Aspekte, wie etwa das
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§ 4 Unabhängigkeit
der bei Gremienentscheidungen als Gremiumsmitglied sein Votum grundsätzlich immer an dem Votum eines bestimmten anderen Mitglieds ausrichtet.72 Auch gruppendynamische Prozesse – im Fall von mehreren gemeinsam handelnden Interessenwahrern –, die zu Verzerrungen bei Gruppenentscheidungen führen können, stellen sachfremde Einflüsse dar.73 So kann es aufgrund persönlicher Identifikation mit einem Gruppenmitglied zu einem „group-thinking“74 (Corpsgeist, peer pressure, Solidarität) 75 kommen, d. h. Gruppenmitglieder identifizieren sich leichter mit der Gruppe bzw. ihren Kollegen und beurteilen daher deren Verhalten positiver. Sachfremde Einflüsse sind außerdem (auch unbewusst einfließende) Vorurteile.76 Solche (kognitiven) Abhängigkeiten können die Willensbildung beeinträchtigen und die Unabhängigkeit einer Beurteilung in Frage stellen.77 Sie sind äußerlich jedoch nur schwer festzumachen und können daher mit abstrakt anknüpfenden Unabhängigkeitserfordernissen nicht sachgerecht erfasst werden.
2.) Unabhängigkeit und Sachkunde An Grenzen stoßen Unabhängigkeitserfordernisse des Weiteren, wenn Entscheidungen besondere Sachkunde erfordern, die nur durch eine gewisse Nähe zum Entscheidungsgegenstand zu erlangen ist, oder wenn besondere Beziehungen zu anderen Personen gerade wünschenswert sind.78 Denn Abhängigkeit bedeutet immer auch ein gewisses Näheverhältnis und damit eine besondere Verbindung, die auch Vorteile mit sich bringen kann – nicht nur für den Geschäftsbesorger, sondern auch für den Geschäftsherrn – und daher für den Geschäftsherrn interessant sein kann.79 Solche Verbindungen können etwa einen besonders guten Einblick in das jeweilige Unternehmen oder den Markt geben, wodurch eine Funktion, z. B. als Prüfer oder Aufsichtsrat, besser, weil informierter, ausgeübt werden kann. Insbesondere innerhalb von Organisatio-
Fehlen der geistigen Voraussetzungen, sei es wegen fehlender Ausbildung oder fehlender Verstandeskraft. Dazu Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 154. 72 Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 155. Zu mentalen Abhängigkeiten etwa aufgrund von Identifikation oder Solidarität auch Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 80 f. 73 Fairfax, in: Hill/McDonnell, Research Handbook, S. 133, 175 f. (structural bias); Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 81. 74 Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 81. Zu den informellen Beziehungen im Aufsichtsrat Theisen, in: Potthoff/Trescher, Aufsichtsratsmitglied, Rdnr. 1010 ff. 75 G. H. Roth/Wörle, ZGR 2004, 565, 574. 76 Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 75; Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 154. 77 Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 81 ff. 78 Siehe hierzu etwa Hopt, ZHR 175 (2011) 444, 475; M. Roth, ZHR 175 (2011), 605, 625. 79 Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 160.
IV. Grenzen von Unabhängigkeitserfordernissen
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nen sind solche Verbindungen von wesentlicher Bedeutung.80 So wird eine Person als Aufsichtsrat besonders interessant, wenn sie viele Beziehungen und damit einen guten Einblick in verschiedene wirtschaftliche Vorgänge hat. Von diesem Wissen kann das Unternehmen profitieren.81 Größere Unabhängigkeit führt demgegenüber zu einer größeren Distanz zum Unternehmen und damit zu einem Defizit an unternehmensspezifischen Kenntnissen.82 Diese Ambivalenz des Unabhängigkeitsgebots zeigt sich auch beim Abschlussprüfer: Auf der einen Seite soll er unabhängig sein, um objektiv und neutral prüfen zu können. Auf der anderen Seite wird seine Leistung im Hinblick auf Ertrag und Aufwand jedoch umso besser, je besser er das Unternehmen kennt, d. h. je näher er dem Unternehmen steht.83 Eine vollkommene Unabhängigkeit ist also gar nicht immer erstrebenswert.84
3.) Unabhängigkeit und Kosten Schließlich darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass Unabhängigkeitserfordernisse in der Regel auch Kosten mit sich bringen.85 Dies zeigt sich etwa, wenn Abschlussprüfer alle paar Jahre rotieren sollen, um nicht zu lange ein und dasselbe Unternehmen zu prüfen und so Bindungen zu diesem aufzubauen. In diesem Fall müssen sich die Abschlussprüfer alle paar Jahre neu einarbeiten und wird für sie ihr bisher erworbenes unternehmenspezifisches Know How weitgehend wertlos. Auch ein Verbot, andere Dienstleistungen neben der die Unabhängigkeit erfordernden Tätigkeit zu erbringen, wie etwa eine Beratung neben einer Prüfung, kann dazu führen, dass die eine Unabhängigkeit erfordernden Tätigkeiten nur noch zu einem höheren Preis angeboten werden. Denn in diesem Fall ist es dem Betroffenen nicht mehr möglich, seine Tätigkeit mit Hilfe von Gewinnen aus den anderen Dienstleistungen zu „subventionieren“. Entsprechend ist für ein sachgerechtes Verständnis der einzelnen Unabhängigkeitserfordernisse immer auch zu berücksichtigen, ob der Nutzen die damit einhergehenden Nachteile überwiegt.
Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 76. Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 77; vgl. auch Berrar, NZG 2001, 1113, 1118; Weber–Rey, NZG 2013, 766, 767; Wirth, ZGR 2005, 327, 340. 82 Fairfax, in: Hill/McDonnell, Research Handbook, S. 133, 180 ff., 182; Florstedt, ZIP 2013, 337, 343; Lieder, NZG 2005, 569, 574. 83 Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 160. 84 Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 76, 77. 85 Zudem ist auch der positive Effekt der Unabhängigkeit nicht immer eindeutig belegt. Siehe M. Roth, ZHR 175 (2011), 605, 626 f. 80 81
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V. Das Unabhängigkeitserfordernis konkretisierende Regelungen Sowohl das Unabhängigkeitserfordernis als auch die Interessenwahrungspflicht – Letzteres jedenfalls in seiner negativen Ausprägung - stellen Regelungen in Bezug auf Interessenkonflikte dar. Beide dienen dem Schutz der Interessen des Geschäftsherrn bzw. eines Dritten, dessen Interessen wie die eines Geschäftsherrn schützenswert erscheinen, ohne das Gebot jedoch nicht berücksichtigt werden würden. Dementsprechend decken sich die an das Unabhängigkeitserfordernis anknüpfenden Regelungen weitgehend mit den die Interessenwahrungspflicht konkretisierenden Regelungen.86 So lässt sich aus dem Unabhängigkeitserfordernis die Pflicht zur Konfliktoffenlegung und insbesondere auch der Konfliktvermeidung ableiten. Aufgrund der Drittbezogenheit des Unabhängigkeitserfordernisses haben allerdings strenge (unabdingbare) Ausschlussregeln, wie Inhabilitätsvorschriften, größere Bedeutung als bilateral ausgerichtete Pflichten, wie etwa das Wettbewerbsverbot. Außerdem knüpfen die Unabhängigkeitserfordernisse grundsätzlich an den abstrakten Interessenkonflikt an. Denn es gilt regelmäßig, schon den Anschein der fehlenden Unabhängigkeit zu vermeiden. Wie die Interessenwahrungspflicht hat das Unabhängigkeitserfordernis zudem auch eine positive Ausprägung. Es verpflichtet die betroffenen Funktionsträger, für ihre Unabhängigkeit zu sorgen und diese sicherzustellen.87 Seinen Niederschlag hat dieses Gebot insbesondere in berufsrechtlichen Regelungen gefunden, wie etwa in § 43 Abs. 1 Satz 1 WiPrO (Wirtschaftsprüfer), § 43a Abs. 1 BRAO (Rechtsanwalt) oder in § 4 Abs. 1 Satz 2 VID-Berufsgrundsätze der Insolvenzverwalter. Dieses Gebot wird von Unterlassungspflichten flankiert. Diese verpflichten den Betroffenen während der Dauer des Verfahrens, in dessen Rahmen er zur Unabhängigkeit verpflichtet ist, alles zu unterlassen, was berechtigte Zweifel an seiner Unabhängigkeit hervorrufen und damit den jeweiligen Schutzzweck gefährden könnte.88 Fällt bei einem zur Unabhängigkeit verpflichteten Funktionsträger diese Eigenschaft weg, kann sich diese Unterlassungspflicht zu einer Pflicht zur Abstandnahme von dem Geschäft bzw. zu einer Pflicht zur Niederlegung seines Mandates verdichten.
Zur Systematisierung dieser Regelungen ausführlich in § 6. Das Unabhängigkeitsgebot kann sich aber auch an Dritte richten, die eine entsprechende Verantwortung dafür übernommen haben und von ihnen entsprechendes verlangen. Siehe Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 157. 88 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 81. 86 87
VI. Zusammenfassung
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VI. Zusammenfassung Bei Unabhängigkeitserfordernissen handelt es sich um statusbezogene Regelungen. Sie werden für diejenigen Interessenwahrer statuiert, die mit ihren Entscheidungen Vertrauenstatbestände schaffen, die sich nicht auf die jeweiligen (Vertrags-)Parteien beschränken, sondern sich darüber hinaus auf Dritte bzw. die Allgemeinheit auswirken können und bei denen ein Fehlverhalten nicht zu vernachlässigende Rückwirkungen auf wesentliche Institutionen oder Mechanismen des Gemeinwesens haben kann. Übergeordneter Zweck von Unabhängigkeitserfordernissen ist der Schutz der Integrität von wesentlichen Institutionen des Gemeinwesens sowie des Vertrauens des Rechtsverkehrs sowie dessen einzelnen Teilnehmern in diese Institutionen. Im Hinblick auf die einzelne Entscheidung von Funktionsträgern verfolgen sie den Zweck, dass diese unvoreingenommen und frei von sachfremden Einflüssen zustande kommt. Da sich innere Unabhängigkeit bzw. Unbefangenheit weder nachweisen noch „herbeiregulieren“ lässt, stellen die rechtlichen Bestimmungen zur Unabhängigkeit regelmäßig auf die äußere Unabhängigkeit ab: Insbesondere familiäre, rechtliche oder wirtschaftliche Beziehungen zu einem oder mehreren Beteiligten sowie die Gefahr der Eigenkontrolle („Richten in eigener Sache“) werden dabei als Umstände eingestuft, die die Unabhängigkeit ausschließen. Unabhängigkeitsregelungen knüpfen damit abstrakt an typisierte Fälle von Interessenkonflikten an. Dementsprechend ist es für den Ausschluss der Unabhängigkeit nicht erforderlich, dass der Betroffene tatsächlich einem konkreten Konflikt ausgesetzt ist. Zusammen mit der sich häufig anschließenden Folge der Inhabilität bei fehlender Unabhängigkeit führt dies dazu, dass Unabhängigkeitserfordernisse präventive Instrumente für den Umgang mit Interessenkonflikten darstellen. Neben Inhabilitätsvorschriften werden Unabhängigkeitserfordernisse unter anderem durch Offenlegungspflichten, Organisationspflichten und Unterlassungspflichten abgesichert.
§ 5 Unabhängigkeit in den einzelnen Privatrechtsgebieten I. Einleitung Die in § 4 ermittelten Ergebnisse sind nun im Folgenden anhand der wesentlichen Unabhängigkeitserfordernisse im Privatrecht zu überprüfen. Untersucht werden dafür die Unabhängigkeitserfordernisse für Rechtsanwälte (II.), Steuerberater (III.), Wirtschafts- bzw. Abschlussprüfer (IV.), Ratingagenturen (V.), Insolvenzverwalter (VI.), Nachlassverwalter, den Zwangsverwalter und den Testamentsvollstrecker (VII.) den Compliance-Beauftragten in Wertpapierdienstleistungsunternehmen (VIII.) sowie für Aufsichtsratsmitglieder (IX.) und Mitglieder des Gläubigerausschusses (X.).
II. Rechtsanwalt 1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses Beim Rechtsanwalt gehört die berufliche Unabhängigkeit zu den Kernpflichten seines Berufs.1 Dies zeigt sich nicht zuletzt an ihrer wiederholten Nennung in der BRAO, z. B. in §§ 1, 3 Abs. 1, 7 Abs. 8, 14 Abs. 2 Nr. 8, 43a Abs. 1, 59b Abs. 2 Nr. 1 lit. b und § 59f Abs. 4 Satz 1 BRAO. Die anwaltliche Unabhängigkeit spielt sowohl hinsichtlich der Stellung des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) als auch hinsichtlich seiner Tätigkeit als Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs. 1 BRAO) eine wichtige Rolle. § 7 Abs. 8 BRAO bestimmt, dass dem Betroffenen bei einer möglichen Gefährdung des Vertrauens in seine Unabhängigkeit die Zulassung zur Anwaltschaft zu versagen bzw. nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO die ihm erteilte Zulassung zu widerrufen ist. Außerdem darf der Rechtsanwalt nach § 43a Abs. 1 BRAO keine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden.2
1 Z. B. Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 2 ; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 1 und 6. Ausführlich zur Unabhängigkeit des Anwalts etwa Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit; Habscheid, NJW 1962, 1985; siehe auch Koch, FS Busse, 2005, S. 227; außerdem Stürner/Bormann, NJW 2004, 1481, 1482. 2 Zum Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen § 12.
II. Rechtsanwalt
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2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses Zunächst bedeutete Unabhängigkeit im Fall des Rechtsanwalts vor allem Unabhängigkeit vom Staat und die Freiheit von staatlichen Weisungen.3 Da diese heute gesichert sind,4 tritt nun die wirtschaftliche und gesellschaftliche Unabhängigkeit und darauf aufbauend die Unabhängigkeit von Dritten und insbesondere vom eigenen Mandanten stärker in den Vordergrund.5 Das für den Rechtsanwalt geltende Unabhängigkeitserfordernis hat insofern zwei Stoßrichtungen: Zum einen soll es die Mandanten schützen – darauf deutet § 3 Abs. 1 BRAO hin –, damit diese das notwendige Vertrauensverhältnis zu ihrem Anwalt aufbauen können. 6 Dieses Vertrauensverhältnis würde nicht nur durch eine fehlende Unabhängigkeit vom Staat, sondern auch durch Abhängigkeiten etwa von anderen Mandanten oder sonstigen Dritten, beeinträchtigt werden.7 Zum anderen ist die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts aber auch eng verknüpft mit der Funktion des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege, vgl. § 1 BRAO. In diesem Sinne dient sie dem Schutz des öffentlichen Interesses an einer geordneten, das materielle Recht verwirklichenden Rechtspflege und dem Schutz des Vertrauens der Allgemeinheit in das Recht und die Rechtstaatlichkeit.
3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses a.) Begriff der „Bindung“ in § 43a Abs. 1 BRAO Nach § 43a Abs. 1 BRAO darf der Rechtsanwalt keine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden. Der Begriff „Bindungen“ ist unbestimmt, denn es gibt eine Vielzahl möglicher „Bindungen“ und eine rechtliche Konkretisierung, z. B. mittels Regelbeispielen, fehlt.8 Zu berücksichtigen ist auch, dass § 43a Abs. 1 BRAO nur bestimmte Bindungen untersagt, nämlich solche, die die Unabhängigkeit gefährden. Demnach muss es auch Bindungen geben, die sich mit der Unabhängigkeit vereinbaren lassen. 3 BGH NJW 1974, 1865, 1866; Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 1 Rdnr. 15 und § 43a Rdnr. 4 ; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 2 ; Henssler/Prütting/Koch, BRAO, § 1 Rdnr. 38 und 46 f.; Koch, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 7; Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 1 und S. 97; Habscheid, NJW 1962, 1985, 1988; Prütting, AnwBl 2013, 78, 82. 4 Vgl. Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 1 Rdnr. 16; Henssler/Prütting/Koch, BRAO, § 1 Rdnr. 46. 5 Dazu etwa BGHZ 34, 64, 72; 39, 142, 146; BGH NJW 1974, 1865, 1866; Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 1 Rdnr. 16 und § 43a Rdnr. 4; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 3 ; Henssler/Prütting/Koch, BRAO, § 1 Rdnr. 48 ff.; Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 109 f., ausführlich, S. 123 ff.; Habscheid, NJW 1962, 1985, 1988. 6 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 109. 7 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 109. 8 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 124.
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§ 5 Unabhängigkeit in den einzelnen Privatrechtsgebieten
(i) Nicht lediglich als „rechtliche Bindung“ zu verstehen Verbreitet wird vertreten, dass der Begriff der Bindungen lediglich im Sinne von „rechtliche Bindungen“ verstanden werden könne.9 Denn nur solche seien justiziabel10 und die faktischen Abhängigkeiten zwischen Anwalt und Mandant könnten vielfältiger Natur sein.11 Eine solche Beschränkung auf „rechtliche Bindungen“ ist jedoch zu eng. Sie lässt sich weder aus dem Wortlaut, noch aus anderen Vorschriften, wie etwa § 59f Abs. 4 Satz 2 BRAO,12 ableiten. Die Regelung in § 59f Abs. 4 Satz 2 BRAO für den Fall der Rechtsanwaltsgesellschaft, wonach „Einflussnahmen der Gesellschafter, namentlich durch Weisungen oder vertragliche Bindungen, […] unzulässig“ sind, stützt eher ein weites Verständnis. Denn die Verwendung von „namentlich“ zeigt, dass grundsätzlich auch andere Einflussnahmen denkbar sind und hier lediglich wichtige Fälle herausgehoben werden sollen. Und selbst wenn man hier – wegen der gewählten Beispiele – lediglich auf rechtliche Einflüsse abstellen wollte, wäre es unnötig, den Begriff „Bindungen“ noch einmal durch „Weisungen“ und „vertragliche“ zu konkretisieren, wenn der Begriff „Bindungen“ im Rahmen der BRAO ohnehin bereits auf „rechtliche Bindungen“ beschränkt wäre. Dass sich viele (faktische) Abhängigkeiten nicht vermeiden lassen,13 ist zwar richtig. Aber viele solcher Abhängigkeiten sind auch nicht geeignet, die berufliche Unabhängigkeit des Rechtsanwalts zu gefährden bzw. lassen sich nicht von außen wahrnehmen. Wo dies jedoch der Fall ist, d. h. wenn ein Abhängigkeitsverhältnis zum Mandanten oder anderen Personen manifest vorhanden und wahrnehmbar ist, bleibt kein Raum für Unterscheidungen, ob diese Abhängigkeit rechtlich oder faktisch zustande gekommen ist. (ii) Erfassung auch von wirtschaftlichen und anderen Abhängigkeiten So ist insbesondere auch eine wirtschaftliche Abhängigkeit mit dem Unabhängigkeitserfordernis nicht vereinbar. Betrachtet man zunächst die Extremsituation, dass ein Rechtsanwalt nur einen Mandanten vertritt, 14 zeigt sich dies besonders deutlich. Von der Interessenlage her („Angewiesensein auf einen Mandanten“) ist diese Situation vergleichbar mit derjenigen des angestellten Anwalts. Für letzteren bestimmt § 46 Abs. 1 BRAO, dass er seinen Arbeitgeber nicht als Anwalt vor Gericht vertreten darf. Die BRAO beschränkt den ange9 Für eine Beschränkung auf rechtliche Bindungen etwa Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 10 und 34; uneindeutig, aber wohl ebenfalls für eine Beschränkung Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 7 und 10 f. 10 Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 10 f.; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 34. 11 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 124. 12 Siehe Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 124. 13 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 124. 14 Dies wird im anwaltlichen Berufsrecht jedoch verbreitet für zulässig erachtet, siehe nur Grunewald, NZG 2001, 645.
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stellten (Syndikus-)Anwalt also gerade in Bezug auf einen wesentlichen Aspekt der Rechtspflege und damit im Hinblick auf seine (insofern nicht mögliche) Betätigung als Organ der Rechtspflege. Daraus lässt sich ableiten, dass der Gesetzgeber die wirtschaftliche Abhängigkeit von einem einzelnen Mandanten/ Auftraggeber durchaus kritisch gesehen hat. Auch der Vergleich mit anderen Funktionsträgern, die Unabhängigkeitserfordernissen unterliegen, zeigt, dass nicht ausschließlich rechtliche Bindungen die Unabhängigkeit beeinträchtigen können. So bestehen etwa für Abschlussprüfer und für Ratingagenturen Regelungen, die verhindern15 – oder dies zumindest nach außen signalisieren sollen16 –, dass ein Mandant eine zu große wirtschaftliche Bedeutung für den Funktionsträger erhält. Dieser Gedanke lässt sich auch der Rechtsprechung des BGH entnehmen. Dieser hat bereits in einem weniger gravierenden Fall – bei einer bloß „häufigen“ Vertretung eines Mandanten – eine gefährliche Interessenverflechtung gesehen. 17 Daher hat er eine entsprechende Aufklärung eines anderen Mandanten für erforderlich gehalten, der den ersten Mandanten zu einem späteren Zeitpunkt in einer anderen Rechtssache verklagen wollte. Wenn aber bereits bei einer bloß „häufigen“ Vertretung Zweifel an der Unabhängigkeit entstehen können, muss dies erst recht bei einer ausschließlichen Vertretung der Fall sein. Aber nicht nur die Vertretung ausschließlich eines Mandanten dürfte vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Abhängigkeit Zweifel an der Unabhängigkeit des jeweiligen Rechtsanwalts aufwerfen. Auch ein Mandat, das im Vergleich zu den übrigen von einem Anwalt übernommenen Mandaten eine so herausgehobene Stellung einnimmt, dass es für den Anwalt eine erhebliche Bedeutung erhält, ist unter dem Gesichtspunkt der Unabhängigkeit problematisch. Für die Frage, wann ein Mandat erheblich ist, kann auf die rechtlich festgelegten Schwellen etwa für Abschlussprüfer oder auch Ratingagenturen zurückgegriffen werden.18 b.) „Gefahr“ im Sinne von § 43a Abs. 1 BRAO Nach § 43a Abs. 1 BRAO kommt es auf eine „Gefährdung“ der beruflichen Unabhängigkeit an. Hierzu wird vertreten, dass es sich dabei um eine konkrete Gefährdung handeln müsse.19 Der Rechtsanwalt verstoße nur dann gegen seine Berufspflicht zur Unabhängigkeit, wenn er Bindungen eingehe, die ihn nicht 15 Für Abschlussprüfer: § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HGB (30% der Gesamteinnahmen der letzten 5 Jahre) und § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB (15% der Gesamteinnahmen der letzten 5 Jahre). 16 Für Ratingagenturen: Anhang I Abschnitt B Abs. 2 der Rating-Verordnung (Offenlegung bei 5 % der Jahreseinnahmen). 17 BGHZ 174, 186. 18 Siehe Fn. 15 und 16. 19 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 125.
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mehr unabhängig agieren ließen, d. h. seine Unabhängigkeit im Einzelfall konkret beeinträchtigten.20 Begründet wird dies insbesondere mit § 113 Abs. 1 BRAO, wonach eine Pflichtverletzung nur im Fall eines schuldhaften Handelns berufsrechtlich geahndet werden kann. Daher müsse im Einzelfall konkret belegt werden, welche seine Unabhängigkeit gefährdende Bindung der Anwalt eingegangen sei.21 Andererseits wird aber auch gesehen, dass der Maßstab zur Beurteilung, ob eine Gefahr vorliegt, nur ein objektiver sein kann, weil das Unabhängigkeitserfordernis primär dem Schutz der Rechtspflege und des Mandanten dient.22 Diese Argumentation ist genauer zu beleuchten. Sofern unter „konkreter Beeinträchtigung“ der Unabhängigkeit verstanden wird, dass der Anwalt befangen sein muss, also nicht mehr innerlich unabhängig ist, würde dies zu einer Aushöhlung der Norm führen. Denn auch im Fall des Anwalts ist es grundsätzlich nicht möglich, die innere Unabhängigkeit völlig sicher zu stellen bzw. eine Abhängigkeit sicher nachzuweisen, sodass zwangsläufig an die äußere Unabhängigkeit angeknüpft werden muss. Eine solche Anknüpfung ist auch deshalb erforderlich, weil das Unabhängigkeitserfordernis beim Anwalt nicht nur im Hinblick auf das Verhältnis Mandant-Anwalt von Bedeutung ist, sondern auch allgemeine Interessen im Blick hat. Mit einer solchen Anknüpfung an die äußere Unabhängigkeit lässt sich dann auch die Aussage in Einklang bringen, dass der Maßstab zur Beurteilung, ob eine Gefahr vorliegt, ein objektiver sein müsse. Dass § 113 Abs. 1 BRAO ein schuldhaftes Handeln voraussetzt, steht einer Anknüpfung an die äußere Unabhängigkeit nicht entgegen. Diese Norm knüpft an den Pflichtenverstoß an, setzt also einen solchen voraus. Sie trifft aber keine Aussage darüber, wie der Pflichtenverstoß aussehen muss. Da der Rechtsanwalt verpflichtet ist, keine Bindungen einzugehen, die seine Unabhängigkeit gefährden, kann daher auch in dem Eingehen einer solchen Beziehung ein Pflichtenverstoß gesehen werden. Auch ein solcher kann schuldhaft erfolgen. Entsprechend hat auch der BGH – wie erwähnt – im Fall eines „häufigen Tätigwerdens“ für den Gegner eines Mandanten eine Pflicht angenommen, dies dem Mandanten gegenüber ungefragt offenzulegen.23 Begründet hat er dies damit, dass häufige Aufträge zu einer wirtschaftlichen Abhängigkeit oder einer besonderen Identifizierung mit den Angelegenheiten des Gegners führen könnten.24 Damit aber knüpft der BGH hier nicht an einen konkreten Konflikt 20 Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 5; Henssler/Prütting/Koch, BRAO, § 1 Rdnr. 43. Entsprechend wird dafür plädiert, dass § 43a Abs. 1 BRAO heißen sollte: „Der Rechtsanwalt darf keine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängigkeit beeinträchtigen.“ Vgl. a.a.O. § 1 Rdnr. 42. 21 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 125. 22 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 125. 23 BGHZ 174, 186 24 BGHZ 174, 186, 190.
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oder an eine unmittelbare Pflichtverletzung an, sondern an das Vorliegen bestimmter Umstände, bei deren Vorliegen in den Augen Dritter die Unabhängigkeit des Anwalts beeinträchtigt wird. In diesen Fällen ist die äußere Unabhängigkeit gefährdet, denn Dritte werden den Anwalt unter Umständen nicht mehr als unabhängig ansehen. Dies bedeutet aber nicht, dass auch die Unbefangenheit des Anwalts, d. h. seine innere Unabhängigkeit, betroffen sein muss. Denn diese wäre nur im Falle eines konkreten Interessenkonflikts gefährdet und ein solcher muss nicht unbedingt vorliegen.25 c.) Verständnis des anwaltlichen Unabhängigkeitserfordernisses vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG Diesem Verständnis stehen weder das Erfordernis einer konkreten Bestimmung des Interessenwiderstreits durch den BGH 26 noch die Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2003 zum Kanzleiwechsel von Anwälten 27 entgegen. In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ging es um den Kanzleiwechsel eines Anwalts, dessen alte Kanzlei ein Mandat betreut hatte, zu dem die neue Kanzlei des Anwalts das Gegenmandat übernommen hatte. Der Anwalt selbst hatte das Mandat in seiner alten Kanzlei nicht betreut. Dennoch sollte die aufnehmende Kanzlei laut der zuständigen Rechtsanwaltskammer und dem BGH ihr Mandat niederlegen. Dem stellte sich das BVerfG entgegen. Unter anderem führte es aus, dass auf den konkreten Einzelfall abgestellt werden müsse. Die Rechtsanwaltskammern dürften daher Maßnahmen, die sie ergriffen, nicht auf den Anschein pflichtwidrigen Verhaltens stützen.28 Die BRAO knüpfe an solche abstrakten Gefährdungen der Rechtspflege nur in Ausnahmefällen an.29 Diese Aussagen des BVerfG wurden zum Teil so verstanden, dass für die Berufspflichten des Anwalts generell nicht auf den Anschein abgestellt werden dürfe.30 Für das Unabhängigkeitsgebot nach § 43a Abs. 1 BRAO ist ein solches Verständnis, das für § 43a Abs. 4 BRAO als sachgerecht empfunden wird, abzulehnen. Das BVerfG setzt sich in seiner Entscheidung vor allem mit § 43a Abs. 4 BRAO (dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen) auseinander. Insofern könnten die Aussagen des BVerfG für das Unabhängigkeitserfordernis höchstens mittelbar herangezogen werden. Zum anderen ließe sich ein solches Verständnis nur schwer mit der – auch vom BVerfG mitgeprägten – Einbettung des Unabhängigskeitserfordernisses in den übrigen Rechtszusammenhang vereinbaren. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Gebot, keine die Unabhän Vgl. dazu die Ausführungen in § 4 II.1.). BGH NJW 2012, 3039; 2013, 1247. 27 BVerfG NJW 2003, 2520. 28 BVerfG NJW 2003, 2520, 2522. 29 BVerfG NJW 2003, 2520, 2522. 30 Siehe z. B. Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S 34 f. m.w.N. 25 26
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gigkeit gefährdenden Bindungen einzugehen, keinen Selbstzweck darstellt. Vielmehr liegen ihm über die individuelle Beziehung zum Mandanten hinausgehende Zwecke und Schutzgedanken zugrunde. Dies führt dazu, dass für die Beurteilung der Unabhängigkeit auf die Perspektive eines Dritten abgestellt werden muss. Eine solche Perspektive kann jedoch nur an die äußere Unabhängigkeit anknüpfen. Diese aber führt wiederum zu einer generalisierenden Betrachtung und stellt infolgedessen auf den Anschein fehlender Unbefangenheit ab. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit den Unabhängigkeitsregelungen für andere wirtschaftsnahe Berufe, wie denen für Wirtschaftsprüfer. Das BVerfG hat in diesem Zusammenhang an anderer Stelle die Aussage getroffen, dass die wirtschaftsnahen Beratungsberufe – Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschafts prüfer – wegen ihrer Wesensverwandtheit grundsätzlich gleich zu behandeln seien.31 Bei den Wirtschafts- bzw. Abschlussprüfern wird aber gerade an die äußere Unabhängigkeit bzw. die Besorgnis der Befangenheit angeknüpft. Wollte man im Fall des Rechtsanwalts dagegen nur auf die tatsächliche Befangenheit abstellen und Regelungen zur Besorgnis der Befangenheit für verfassungswidrig halten, müsste dies im Umkehrschluss auch für die Regelungen für Wirtschaftsprüfer gelten – d. h. die Regelungen der WiPrO und §§ 319, 319a HGB müssten als verfassungswidrig angesehen werden. Das aber wird man nicht ernstlich behaupten wollen. In dem vom BVerfG entschiedenen Fall wäre es sachgerecht gewesen, auch zu untersuchen, ob bei einem wechselnden Anwalt die äußere Unabhängigkeit überhaupt tangiert wird. Voraussetzung wäre eine äußerlich wahrnehmbare Beziehung, die auf eine (mögliche) Abhängigkeit hindeutet. Da der Anwalt das gegnerische Mandat (in der alten Kanzlei) nicht selbst betreut hat, fehlt eine unmittelbare Beziehung zu diesem gegnerischen Mandanten. Und da er sein Angestelltenverhältnis in der alten Kanzlei beendet hat, fehlt es nun außerdem an einer mittelbaren Beziehung aufgrund einer Abhängigkeit vom (alten) Arbeitgeber. Für den Mandant der neuen Kanzlei ergeben sich somit – zumindest typischerweise – keine Anhaltspunkte, um an der Unabhängigkeit des wechselnden Anwalts zu zweifeln. Die Interessen des gegnerischen Mandanten der Altkanzlei sind in diesem Fall über Verschwiegenheitspflichten ausreichend geschützt, zumal der wechselnde Anwalt dessen Mandat gar nicht selbst betreut hat. Eine typisierende Betrachtung zeigt also, dass eine Unabhängigkeitsgefährdung nicht besteht. Im Einzelfall kann dies anders sein, wenn ein konkreter Interessenkonflikt vorliegen sollte. Die vom BVerfG zugrunde gelegte „generalisierende Betrachtung“32 bezieht sich demgegenüber auf das konkrete Verhältnis und nicht auf generalisierende typisierende Kriterien, die auf alle vergleichbaren Beziehungen Anwendung fin31 Vgl. dazu die Ausführungen in BVerfGE 98, 49, 63 ff.; außerdem Henssler, ZIP 1998, 2121, 2124 f.; ders., JZ 1998, 1065, 1067; Deckenbrock, BB 2002, 2453, 2457. 32 BVerfG NJW 2003, 2520, 2521.
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den. Aufgrund dieser Anknüpfung an das konkrete Verhältnis zwischen Mandanten und Anwalt ist es auch richtig, in diesem Fall dem Mandanten – nach entsprechender Aufklärung – die Entscheidung zu überlassen, ob bzw. wie er seine Interessen wahren möchte. Die Regelungen in § 43a Abs. 1 BRAO und § 43a Abs. 4 BRAO sind vor diesem Hintergrund als unterschiedliche Verdichtungen von Unabhängigkeitserfordernis und Interessenwahrungspflicht einzuordnen. Danach können mit § 43a Abs. 1 BRAO unvereinbare Sachverhalte zu einer Aufklärung sowie gegebenenfalls zu einem Gebot einer (gewissen) Konfliktvermeidung Anlass geben. Ein einschneidendes Verbot dahingehend, dass der Anwalt ein Interessenwahrungsverhältnis bzw. Mandat nicht eingehen darf bzw. es niederzulegen hat, lässt sich damit angesichts der Existenz von § 43a Abs. 4 BRAO mit seinen 43a Abs. 4 BRAO besonderen Voraussetzungen jedoch nicht begründen. § stellt mit seinen Anforderungen eine besondere Verdichtung der Interessenwahrungspflicht dar, die entsprechend einschneidende Folgen nach sich zieht. Mit §§ 319, 319a HGB lässt sich dieses Ergebnis in Einklang bringen, weil dort die „Verdichtung“ mittels der im Vergleich zu § 43a Abs. 1 BRAO genaueren Spezifizierung der unabhängigkeitsausschließenden Sachverhalte erfolgt.
4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit Gefährdet werden kann die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts insbesondere durch Beziehungen zu seinen Mandanten, einem eventuellen Arbeitgeber oder auch zu seinen Kanzleiangestellten. a.) Verhältnis zum Mandanten Da § 43a Abs. 1 BRAO die Unabhängigkeit gefährdenden „Bindungen“ nicht weiter einschränkt, erfasst die Norm grundsätzlich auch die Beziehungen zu Mandanten,33 auch wenn der Anwalt deren Interessenwahrer ist. (i) Keine Gefährdung allein durch Aufnahme und Beendigung des Mandats Allein aus der bloßen Begründung des Mandatsverhältnisses lassen sich allerdings in der Regel noch keine unabhängigkeitsgefährdenden Bindungen zwischen Anwalt und Mandant ableiten.34 Auch die Möglichkeit des Mandanten, ein Mandat (vorzeitig) zu kündigen, kann die Unabhängigkeit des Anwalts grundsätzlich nicht gefährden.35 Sie hat keinen Einfluss auf den bereits ent33 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 26 ff.; Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 123 f.; a.A. Kleine-Cosack, BRAO, § 1 Rdnr. 11 ff. 34 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 137. Anderes gilt jedoch bei vorangegangen Zweittätigkeiten i.S.v. § 45 BRAO, siehe Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 8. 35 Dazu Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 144.
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standenen Gebührenanspruch, sodass der Anwalt sicher sein kann, dass die von ihm für das Mandat geleistete Arbeit vergütet wird, wenn der Auftrag vorzeitig beendet wird, vgl. § 15 Abs. 4 RVG. Und nach § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB hat der Anwalt, etwa in dem Fall, dass ein Pauschalhonorar vereinbart wurde, einen Anspruch darauf, einen Teil des vereinbarten Honorars zu erhalten, der seinen bisherigen Leistungen entspricht.36 (ii) Weisungen Grundsätzlich unproblematisch ist auch der Umstand, dass der Mandant dem Anwalt gegenüber weisungsbefugt ist, vgl. §§ 675 Abs. 1, 665 Satz 1 BGB – jedenfalls sofern der Mandant vom Anwalt kein berufsrechtswidriges Verhalten verlangt.37 Denn das Unabhängigkeitsgebot verlangt nicht, dass sich der Anwalt immer gegen seinen Mandanten durchsetzen muss; vielmehr soll es nur sicherstellen, dass der Anwalt seinen berufsrechtlichen Pflichten nachkommen kann und sich nicht an rechtswidrigen, insbesondere berufsrechtswidrigen, Machenschaften beteiligt.38 Im Hinblick auf Weisungen des Mandanten bedeutet dies allerdings, dass der Anwalt die Ausführung einer Weisung verweigern können muss, wenn der Mandant von ihm ein berufsrechtswidriges Verhalten verlangt. Denn nur so kann er rechtmäßig handeln und seine Unabhängigkeit schützen; dies findet auch im Gesetz seinen Niederschlag in § 627 Abs. 1 BGB, der es dem Anwalt in einem solchen Fall ermöglicht, das Mandat niederzulegen.39 (iii) Honorarvereinbarung Zu einer gewissen Bindung des Anwalts an den Mandanten führt die Honorarvereinbarung für die anwaltlichen Dienstleistungen. Durch die vom RVG vorgegebene Gebührenhöhe wird der Anwalt allerdings davor geschützt, dass der Mandant ein niedrigeres Honorar als nach dem RVG vorgesehen aushandelt, vgl. § 49b Abs.1 Satz 1 BRAO.40 Dies gewährleistet seine wirtschaftliche Unabhängigkeit.41 Untersagt ist nach § 49b Abs. 2 BRAO außerdem die Vereinba36 Dazu BGH NJW 1987, 315, 316. Eine Einschränkung erfährt dieser Anspruch nach § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn die Kündigung des Mandanten auf ein vertragswidriges Verhalten des Anwaltes zurückzuführen ist. In diesem Fall fehlt es aber auch an einer Schutzwürdigkeit des Anwalts. 37 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 142; vgl. auch BGH NJW 1974, 1865, 1866. 38 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 142; vgl. dazu auch BGH NJW 1974, 1865, 1866. Für den Steuerberater ausdrücklich geregelt in § 25 Abs. 3 BO StB. 39 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 142. 40 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 162. Vgl. entsprechend § 21 BORA im Verhältnis zu Dritten, die anstelle des Mandanten oder mit diesem die Zahlung der Gebühren übernehmen oder die sich gegenüber dem Mandanten verpflichten, diesen von anfallenden Gebühren freizustellen. Zu zulässigen Unterschreitungen Henssler/Prütting/Kilian, BRAO, § 49b, Rdnr. 33 ff. 41 Dazu Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 1 Rdnr. 18.
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rung erfolgsabhängiger Honorare,42 soweit das RVG dies nicht gestattet43 . Würde die Vergütung der Tätigkeit des Anwalts von der Erzielung eines bestimmten gewünschten Ergebnisses abhängig gemacht werden können, bestünde die Gefahr, dass der Anwalt nicht mehr unabhängig agiert, sondern mit unzulässigen Mitteln und im Widerspruch zur wirklichen Sach- und Rechtslage einen möglichst großen Erfolg anstrebt.44 Nicht ausdrücklich geregelt ist hingegen der Fall, dass das Honorar von einem Mandanten aufgrund seines Anteils an den Gesamthonorareinnahmen für den Anwalt eine übermäßige Bedeutung erlangt. Denn je mehr der einzelne Mandant zum Einkommen des Anwalts beiträgt, desto größer ist das Interesse des Anwalts, diesen Mandanten nicht zu verlieren.45 Damit steigt seine Abhängigkeit von diesem Mandanten. Um zu verhindern, dass er dieses Mandat verliert, könnte der Anwalt auf den Gedanken kommen, die Wünsche des Mandanten über seine anwaltlichen Berufspflichten zu stellen und damit seine Unabhängigkeit – jedenfalls zum Teil – aufzugeben.46 Ein solches Verhalten kann durch den zunehmenden Wettbewerb zwischen den Anwälten und die dadurch wachsende Nachfragemacht der Mandanten noch verstärkt werden.47 Ganz deutlich wird dies dann, wenn der Anwalt nur ein einziges Großmandat betreut. Bisher gibt es im anwaltlichen Berufsrecht, anders als bei Wirtschaftsprüfern48 – ansatzweise auch bei Ratingagenturen49 –, keine Obergrenze für das durch ein und dasselbe Mandat oder auch von demselben Mandanten im Rahmen verschiedener Mandate maximal zu verdienende Honorar.50 Begründet wird das Fehlen einer entsprechenden Regelung damit, dass es bei Rechtsanwälten zu einem Kontrollproblem kommen würde, weil § 6 Abs. 2 Satz 1 BORA 42 Siehe auch BGHZ 34, 64; 39, 142. Dies umfasst auch sog. quota-litis-Vereinbarungen, bei der der Anwalt einen Teil des erstrittenen Betrags als Honorar erhält. Vgl. dazu Henssler/ Prütting/Kilian, BRAO, § 49b Rdnr. 63. 43 Dazu Henssler/Prütting/Kilian, BRAO, § 49b Rdnr. 101 ff.; Weyland, in: Feuerich/ Weyland, BRAO, § 49b Rdnr. 32 ff. § 4a RVG sieht für Erfolgshonorare allerdings enge Grenzen vor. 44 Vgl. BT-Drs. 12/4993, S. 31; BGHZ 34, 64, 72; 39, 142, 147. Siehe dazu auch z. B. Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 164 f. 45 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 34; Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 160. 46 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 160; siehe auch Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 34. 47 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 160. 48 Siehe die Regelung in § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HGB (30% der Gesamteinnahmen der letzten 5 Jahre) und § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB (15% der Gesamteinnahmen der letzten 5 Jahre). 49 Siehe Anhang I Abschnitt B Abs. 2 der Rating-Verordnung (Offenlegung bei 5% der Jahreseinnahmen). 50 In Bezug auf Rechtsanwälte ablehnend Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 164; Grunewald, NZG 2001, 645.
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eine – für die Überprüfung notwendige – Offenlegung der Bilanzen eines Anwaltes verbiete.51 Grundsätzlich denkbar ist allerdings, dass die Offenlegung gegenüber der Rechtsanwaltskammer erfolgt. Solche beschränkten Offenlegungs- und Transparenzpflichten für den Fall, dass eine unbeschränkte Offenlegung die Interessen des Verpflichteten oder bestimmter Dritter gefährden würde, gibt es auch in anderen Rechtsgebieten.52 Nicht durchschlagend ist auch der Hinweis, dass sich beim Wirtschaftsprüfer die Beschränkung des Honorarvolumens nur auf die Prüfer-, nicht auch auf die Beratertätigkeit beziehe.53 Denn der Schutzzweck der jeweiligen konkreten Normen ist jeweils ein anderer. Während beim Prüfer die Prüfung des Jahresabschlusses und andere Kontrollaufgaben der Grund für das Unabhängigkeitserfordernis sind,54 ist dies beim Rechtsanwalt auch dessen beratende Tätigkeit im Hinblick auf das Recht, die er nicht nur als Interessenvertreter, sondern auch als Organ der Rechtspflege durchführt. Dementsprechend müssen die Unabhängigkeitsregelungen im Fall des Rechtsanwalts auch dessen Beratungstätigkeit in den Blick nehmen. (iv) Wirtschaftliche Beziehungen außerhalb des Mandantenvertrages Aber nicht nur das Honorar, sondern auch andere wirtschaftliche Beziehungen zwischen Anwälten und Mandanten neben einer gegenwärtigen Mandatsbeziehung, wie etwa Darlehensgewährungen oder finanzielle Beteiligungen, können zu Abhängigkeiten führen.55 Vertragliche Beziehungen zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandant außerhalb des Mandantenvertrages sind daher grundsätzlich kritisch zu bewerten.56 (1) Beteiligung an einem Mandantenunternehmen Eine Beteiligung des Anwaltes an einem Mandantenunternehmen kann mit Blick auf die anwaltliche Unabhängigkeit dann problematisch sein, wenn der Beteiligungserwerb die Vergütung des Anwalts darstellt.57 Dabei ist allerdings danach zu unterscheiden, ob der Honorarbetrag grundsätzlich feststeht und am Ende des (Einzel-)Mandats nur nicht in Geld, sondern in Gesellschaftsan Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 164. Siehe etwa die Meldepflichten nach §§ 21, 25, 25a WpHG, die gegenüber dem Emittenten und der BaFin, nicht aber gegenüber der Allgemeinheit zur Offenlegung verpflichten. 53 Zu diesem Argument Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 164. 54 Dazu unter § 5 IV 2.). 55 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 160, 173 ff.; differenzierend Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 26 (problematisch, wenn sich der Anwalt in finanzielle Abhängigkeit begibt). 56 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 26. 57 Ausführlich Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 179 ff.; gegenüber einem Beteiligungserwerb offener Grunewald, NZG 2001, 645. Zwar geht das anwaltliche Gebührenrecht von einer Vergütung in Geld aus, steht aber einer Bezahlung in anderer Form nicht entgegen. Vgl. etwa Grunewald, NZG 2001, 645, 646. 51
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teilen beglichen wird oder ob eine bestimmte Anzahl von Geschäftsanteilen versprochen wurde.58 Im ersteren Fall bleibt der Honorarbetrag unverändert, denn der Wert des einzelnen Anteils spielt keine Rolle. Die Anteile stellen also lediglich eine andere „Währung“ dar.59 Für den Anwalt besteht daher ebenso wenig Grund, sachfremde Erwägungen anzustellen, wie in dem Fall, dass er mit Geld bezahlt würde.60 Ist dem Anwalt hingegen nur eine bestimmte Anzahl an Gesellschaftsanteilen versprochen worden, ist sein Honorar unmittelbar und gegenwärtig mit dem wirtschaftlichen Erfolg der jeweiligen Gesellschaft verknüpft. Denn schwankt der Wert der Anteile, wirkt sich der wirtschaftliche Erfolg oder Misserfolg der Gesellschaft unmittelbar auf das Honorar des Anwalts aus und dieser hat – etwa im Fall eines Börsengangs – ein besonderes Interesse an einem möglichst hohen Anteilspreis.61 Damit vergleichbar ist die Betreuung eines Dauermandats der Gesellschaft durch denselben Anwalt, wenn dieser bereits Anteile an der Gesellschaft besitzt. Auch in diesen Fällen sind die wirtschaftlichen Interessen des Anwalts eng mit denen seiner Mandantin, der Gesellschaft, verbunden.62 Denn negative Entwicklungen bei der Gesellschaft wirken sich unmittelbar auf das private Vermögen des Anwalts aus. Ergänzend lässt sich die Wertung von § 49b Abs. 2 BRAO zur Unzulässigkeit von Erfolgshonoraren heranziehen: Auch wenn die Bezahlung in Anteilen kein eigentliches Erfolgshonorar darstellt, so ist – etwa im Fall einer Transaktion – die Vergütung doch z. T. vom Erfolg der Transaktion abhängig.63 Andererseits ist zu bedenken, dass eine solche Vergütung zu einer gleichen Interessenausrichtung führen und sich daher positiv auf die Mandatsbearbeitung auswirken kann. Es ist aber auch möglich, dass sie im Gegenteil zu einer gegenläufigen Interessenausrichtung führen kann, etwa im Fall einer Beratung bei einer für die Gesellschaft vorteilhaften Kapitalmaßnahme, die den Anteilswert sinken lässt.64 (2) Tätigkeit in einem Leitungs- oder Aufsichtsorgan eines Mandantenunternehmens, Zweitberufe Hinsichtlich der Tätigkeit des Anwalts in einem Leitungs- oder Aufsichtsorgan eines Mandantenunternehmens ist § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO zu beachten. Danach darf der Anwalt nicht tätig werden, „wenn er in derselben Angelegenheit außerhalb seiner Anwaltstätigkeit oder einer sonstigen Tätigkeit im Sinne des Vgl. auch Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 28. Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 180. 60 Dies gilt allerdings nur, sofern der Einsatz des Anwaltes keine absehbaren zukünftige Auswirkungen hat, die den Wert der ihm dann übertragenen Anteile beeinflusst. 61 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 179 f., 181. Diesbezüglich weniger besorgt Grunewald, NZG 2001, 645. 62 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 181. 63 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 183. 64 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 183 f. 58
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§ 59a Abs. 1 Satz 1 bereits beruflich tätig war“ und diese berufliche Tätigkeit noch nicht beendet ist. Eine Tätigkeit als Geschäftsführer oder Vorstand lässt sich als eine „berufliche Tätigkeit“ im Sinne dieser Vorschrift einordnen, weil sie grundsätzlich auf Dauer angelegt ist und regelmäßig der Schaffung oder Erhaltung einer Lebensgrundlage dient.65 Auch die Aufsichtsratstätigkeit wird von § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO erfasst.66 Ob sie allerdings eine „berufliche Tätigkeit“ im Sinne von § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO darstellt, ist eher zweifelhaft.67 Denn nach § 113 AktG hat ein Aufsichtsrat keinen Anspruch auf Vergütung.68 Außerdem kann sie nicht als „dauerhaft“ charakterisiert werden, da sie nur periodisch ausgeübt wird69 und die gelegentliche Tätigkeit nicht als Berufsausübung angesehen werden kann.70 Aber nach Sinn und Zweck von § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO ist eine Erfassung dennoch geboten. Auch wenn ein Aufsichtsrat eine kontrollierende Funktion hat, vgl. § 111 Abs. 1 AktG, trägt er dennoch Verantwortung für eventuelle Fehlentscheidungen des Unternehmens, vgl. § 116 Satz 1 i.V.m. § 93 AktG. Bei gleichzeitiger Tätigkeit als Aufsichtsrat und Rechtsanwalt des Unternehmens könnte der Anwalt versucht sein, das Unternehmen so zu beraten, wie es für seine Stellung als Aufsichtsrat günstig ist – z. B. im Fall einer drohenden Übernahme durch ein anderes Unternehmen zur Abwehr der Übernahme raten, wenn das Bieterunternehmen die Mitglieder des Aufsichtsrats austauschen will.71 Hinsichtlich einer möglichen Beeinträchtigung der Unabhängigkeit besteht daher kein Unterschied zwischen der Tätigkeit als Geschäftsführer bzw. Vorstand und der Tätigkeit als Aufsichtsrat. Henssler/Prütting/Kilian, BRAO, § 45 Rdnr. 28. Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 197 (unter Hinweis auf den Zweck der Norm); Müller, NZG 2002, 797, 799; a.A. wohl Henssler/Prütting/Kilian, BRAO, § 45 Rdnr. 35 (Norm solle nur verhindern, dass Weisungen von Auftraggebern im Zusammenhang mit dem Zweitberuf in die anwaltliche Tätigkeit hineinwirken; andererseits aber in Rdnr. 30, im Bereich des § 45 BRAO habe es keine Bedeutung, ob eine Weisungsabhängigkeit bestehe); Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 31 (mit dem Hinweis, dass der Anwalt jedoch im Rahmen eines Beratungsvertrages keine Leistungen erbringen dürfe, die er als Aufsichtsratsmitglied bereits aufgrund seiner Organstellung zu erbringen habe, weil der Beratungsvertrag andernfalls eine verdeckte Sonderzuwendung darstelle und dann nach § 113 AktG i.V.m. § 134 BGB nichtig sei). 67 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 196; a.A. Müller, NZG 2002, 797, 799 (sofern Vergütung gezahlt wird). 68 Sie „kann“ gewährt werden. 69 Vgl. in diesem Zusammenhang § 110 Abs. 2 AktG. Außerdem dürfen mehrere Aufsichtsratsmandate parallel übernommen werden, vgl. § 100 Abs. 2 AktG. 70 Henssler/Prütting/Kilian, BRAO, § 45 Rdnr. 30; a.A. Müller, NZG 2002, 797, 799 (mit dem Argument, auch nebenberufliche Tätigkeit ist berufliche Tätigkeit i.S. von § 45 BRAO). 71 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 197 f. Vgl. auch AG Potsdam, DStR 1996, 1063 f. (für einen Steuerberater). Siehe jetzt aber § 15 Satz 1 Nr. 6 BO StB, wonach die Tätigkeit eines Steuerberaters als Aufsichtsrat als zulässig eingestuft wird. 65
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II. Rechtsanwalt
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Neben der Tätigkeit als Vorstand/Geschäftsführer oder Aufsichtsratsmitglied erfasst § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO auch andere Zweitberufe. Die Vorschrift dient dazu, die von einem solchen Zweitberuf ausgehenden Gefährdungen für die Unabhängigkeit des Anwalts abzuwehren.72 (3) Übernahme von Mandantenrisiken Die Unabhängigkeit des Anwalts wird ebenfalls beeinträchtigt, wenn er Risiken des Mandanten übernimmt. Dies ist etwa der Fall, wenn er sich die Klageforderung eines Mandanten abtreten lässt und diese dann im eigenen Namen geltend macht.73 Eine Zeugenaussage des Mandanten in diesem Prozess des Anwalts hinsichtlich der Forderung kann der Anwalt dann nicht mehr unvoreingenommen würdigen, weil seine eigene Rechtsposition betroffen ist und er seine eigenen wirtschaftlichen Interessen mit denen seines Mandanten verbunden hat.74 b.) Verhältnis zum Arbeitgeber bei Syndikusanwälten, angestellten Anwälten und freien Mitarbeitern Die Unabhängigkeit gefährdende Bindungen können des Weiteren entstehen, wenn der Anwalt seine Tätigkeit als Arbeitnehmer ausübt.75 Dies gilt insbesondere für den Syndikusanwalt, der für einen Arbeitgeber (ausschließlich) tätig ist, der selbst kein Rechtsanwalt ist. Auch wenn die BRAO den Syndikus als zulässige Erscheinungsformen des Anwaltsberufs ansieht,76 beschränkt sie doch seine Berufsausübung. Denn § 46 Abs. 1 BRAO erlaubt dem Syndikusanwalt nicht, seinen Arbeitgeber als Anwalt vor Gericht zu vertreten. Damit wird er gerade in Bezug auf einen wesentlichen Aspekt der Rechtspflege, nämlich seine Betätigung als Organ der Rechtspflege, eingeschränkt. Der Gesetzgeber geht somit davon aus, dass der Syndikusanwalt nicht oder höchstens eingeschränkt unabhängig ist. Deutlich gegen eine Unabhängigkeit des Syndikusanwalts hat sich auch der EuGH ausgesprochen: Aufgrund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit und seiner engen Bindungen an seinen Arbeitgeber könne der Syndikus nicht als unabhängig angesehen werden.77 So könne er eventuelle Spannungen zwischen den Wünschen seines Mandanten und seinen Berufs Henssler/Prütting/Kilian, BRAO, § 45 Rdnr. 29 ff. Dazu Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 29; Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 178. 74 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 178 m.w.N. 75 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 11. Ausführlich Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 252 ff. 76 Siehe dazu Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 12 ff.; Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 254 ff. (Angestelltenverhältnis), S. 263 ff. (Syndikus). 77 Siehe EuGH Rs. C-550/07 P, Slg. 2010, I-8301 (insb. Rdnr. 49). Dazu Kremer/Voet van Vormizeele, AG 2011, 245. A.A. als der EuGH z. B. Prütting, AnwBl 2013, 78, 83. 72 73
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pflichten nicht so leicht ausräumen wie ein externer Anwalt.78 Außerdem müsse er aufgrund seines Anstellungsverhältnisses immer auch die von seinem Arbeitgeber verfolgten Geschäftsziele im Auge haben.79 Auch nach dieser Entscheidung des EuGH wird allerdings im Hinblick auf die Vermeidung der Haftung von Geschäftsleitern durch Einholung von unabhängigem Rechtsrat vertreten, dass auch ein Syndikusanwalt einen solchen unabhängigen Rechtsrat erteilen könne.80 Im Zusammenhang mit der Haftung der Gesellschaft ist dieser Ansicht zu folgen – die Situation ist nicht mit dem vom EuGH entschiedenen Sachverhalt vergleichbar, wo es letztlich um eine effektive Kartellverfolgung ging.81 Bei der Frage der Haftung von Geschäftsleitern geht es darum, ob diese, wenn sie für ihre Entscheidungsfindung Rechtsrat einholen, von der Zuverlässigkeit der beratenden Experten ausgehen dürfen, d.h. davon, dass sie ihren Rechtsrat unbeeinflusst von sachwidrigen Interessen, sei es eigener oder fremder, erteilen.82 In dieser Hinsicht ist die Situation des Syndikusanwalts nicht anders zu beurteilen als diejenige eines externen Rechtsanwalts: 83 Denn zum einen sind Syndikusanwälte aufgrund ihres Anstellungsvertrages verpflichtet, die Gesellschaft vor zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen zu bewahren.84 Außerdem dürfen auch sie nicht bewusst falsche Rechtsauskünfte erteilen, sonst besteht die Gefahr, dass sie sich wegen Anstiftung oder Beihilfe zu einer etwaigen Straftat der Organmitglieder strafbar machen.85 Zum anderen geht es im Hinblick auf die Haftungsbefreiung der Geschäftsleiter um die Überzeugung der Geschäftsleiter von der Zuverlässigkeit der Experten. Nutzen die Geschäftsleiter ihre Möglichkeiten zur Einflussnah-
78 EuGH Rs. C-550/07 P, Slg. 2010, I-8301, Rdnr. 45; a.A. z. B. Prütting, AnwBl 2013, 78, 82 (in jeder Hinsicht vergleichbare Gefährdungen). 79 EuGH Rs. C-550/07 P, Slg. 2010, I-8301, Rdnr. 47. 80 Im Anschluss an das ISION-Urteil des BGH, s. BGH AG 2011, 876, etwa Junker/ Biederbick, AG 2012, 898, 900; Kiefner/Krämer, AG 2012, 498, 501; Merkt/Mylich, NZG 2012, 525, 528; Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 140; Wagner, BB 2012, 651, 655 f. S. außerdem schon Fleischer, NZG 2010, 121, 123; Fleischer, FS Hüffer 2010, S. 187, 192 f.; vorsichtiger Spindler, FS Canaris, 2007, S. 403, 421; für eine Übersicht über das Meinungsspektrum Selter, AG 2012, 11, 14 f. 81 Junker/Biederbick, AG 2012, 898, 901. 82 Wagner, BB 2012, 651, 656. 83 Stellt man nicht auf die Weisungsabhängigkeit ab, sondern auf die Frage der Zuverlässigkeit des Anwalts, ist eine Syndikus wie auch der externe Rechtsanwalt dann nicht mehr als unabhängig anzusehen, wenn er eigene Vertragsentwürfe oder den von ihm angefertigten Prüfungsgegenstand begutachten soll, s. Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 140. Besondere Schwierigkeiten im Hinblick auf den Syndikus ergeben sich aber dann, wenn dieser ein Vorgehen der Geschäftsführung nur noch „absegnen“ soll, a.a.O., 141. 84 Fleischer, NZG 2010, 121, 123; vgl. auch Wagner, BB 2012, 651, 655. 85 Fleischer, NZG 2010, 121, 123. Außerdem kann die „Hauskanzlei“ ähnlich abhängig sein wie der Syndikusanwalt, insbesondere wenn sie auf den Mandanten angeweisen ist, Merkt/Mylich, NZG 2012, 525, 528; siehe auch Junker/Biederbick, AG 2012, 898, 902.
II. Rechtsanwalt
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me, so wäre ihnen diese bekannt, sodass sie sich dann schon wegen dieser Einflussnahme nicht mehr auf den Rechtsrat des Experten berufen könnten.86 Eindeutiger im Hinblick auf die Unabhängigkeit ist die Stellung des bei einem Rechtsanwalt angestellten Rechtsanwalts.87 Zwar ist auch der bei einem Rechtsanwalt angestellte Rechtsanwalt von seinem Arbeitgeber arbeitsrechtlich abhängig. Die Gefahren für die Unabhängigkeit im Rahmen eines solchen Anstellungsverhältnisses sind allerdings geringer als bei einem Arbeitgeber, der selbst nicht Anwalt, also berufsfremd, ist.88 Denn anders als der Syndikus betreut der bei einem Rechtsanwalt angestellte Rechtsanwalt nicht seinen Arbeitgeber, sondern andere Mandanten. Damit gleicht die Beziehung zu den Mandaten derjenigen, die ein selbständiger Rechtsanwalt zu seinen Mandanten hat, nicht aber derjenigen des Syndikusanwalts zu seinem Arbeitgeber. Anders als bei einem selbständigen Anwalt besteht allerdings eine besondere Beziehung zu einem außerhalb der Mandatsbeziehung stehenden Dritten, dem Arbeitgeber. Damit von dort ausgehende Einflussnahmen auf die Tätigkeit des angestellten Anwalts nicht dessen berufliche Unabhängigkeit gefährden, muss sichergestellt sein, dass er zu angemessenen Bedingungen angestellt ist, insbesondere dass er entsprechend vergütet wird, 89 und dass er bei der Beurteilung rechtlicher Fragestellungen gegenüber dem Mandanten seine eigene Ansicht vertreten und auch durchsetzen kann, ohne dass er diesbezüglich an Weisungen seines Arbeitgebers gebunden ist.90 Der angestellte Anwalt kann dann solange als unabhängig angesehen werden, wie er nicht dazu verpflichtet wird, gegen seine berufsrechtlichen Pflichten zu verstoßen. Erst dann lassen sich die Weisungen mit dem Unabhängigkeitsgebot nicht mehr vereinbaren.91 Folgt man dem, so sind freie Mitarbeiter erst recht als unabhängig einzuordnen, weil der Arbeitgeber ihnen gegenüber kein Direktionsrecht ausüben kann.92
86 Junker/Biederbick, AG 2012, 898, 902; Schneider, DB 2011, 99, 103; Wagner, BB 2012, 651, 656. 87 Zwar enthält die BRAO keine Regelung für diesen, aber angesichts der Kenntnis des Gesetzgebers von der Tatsache, dass Anwälte von anderen Anwälten angestellt werden, ist anzunehmen, dass er auch den angestellten Anwalt als zulässige Erscheinungsform des Anwaltsberufs ansieht. Siehe dazu Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 252 f. 88 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 16. 89 Siehe in diesem Zusammenhang insbesondere § 26 BORA. Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass Rechtsanwälte nur zu angemessenen Bedingungen angestellt werden. Damit werden die Gefahren für die Unabhängigkeit in diesem Zusammenhang begrenzt. Siehe Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 1 Rdnr. 24. 90 Henssler/Prütting/Koch, BRAO, § 1 Rdnr. 53 f.; siehe auch Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 17 ff. Zum Unabhängigkeitsgebot im Hinblick auf Anwaltskooperationen Koch, a.a.O. § 1 Rdnr. 56 ff. 91 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 256. 92 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 22; Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 262 f. Zu freien Mitarbeitern siehe auch Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 1 Rdnr. 22.
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c.) Verhältnis zu Kanzleiangestellten Abhängigkeiten können auch im Verhältnis zu den eigenen Angestellten entstehen.93 Als problematisch angesehen werden etwa Fälle, in denen der Anwalt durch Entgegennahme eines Darlehens oder anderer finanzieller Zuwendungen von seinen Angestellten wirtschaftlich abhängig wird.94 Andererseits ist eine finanzielle Beteiligung eines (nicht juristischen) Angestellten nicht unbedingt unzulässig. Einen differenzierten Ansatz verfolgt in diesem Zusammenhang § 27 BORA: Hinsichtlich der Beteiligung am Gewinn der anwaltlichen Tätigkeit gilt nach § 27 Satz 1 BORA, dass Dritte, die mit dem Rechtsanwalt nicht zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verbunden sind, nicht beteiligt werden dürfen.95 Nicht davon umfasst werden jedoch Mitarbeitervergütungen und Versorgungsbezüge, vgl. § 27 Satz 2 BORA.96 Darunter dürften auch Leistungsprämien fallen: Werden sie in einem angemessenen Umfang gezahlt, können sie die Unabhängigkeit des Anwalts grundsätzlich nicht gefährden.97 Denn sie erfolgen regelmäßig auf freiwilliger Basis und begründen keine die Unabhängigkeit gefährdende Verpflichtung des Anwalts.98 Außerdem ist zu berücksichtigen, dass solche Prämien motivationsfördernd wirken können und der Kanzlei und damit dem arbeitgebenden Anwalt ein auf diese Weise bewirkter besonderer Arbeitseinsatz der Angestellten zugutekommt.99 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass auch ein angestellter Anwalt von seinem Arbeitgeber in gewissem Umfang abhängig ist, sodass auch im Verhältnis zu Kanzleiangestellten grundsätzlich ein eher großzügiger Maßstab angelegt werden kann.100 Allerdings ist es in jedem Fall unzulässig – weil die Unabhängigkeit gefährdend –, Prämien für die Zuführung von Mandanten zu zahlen, vgl. § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO.101 93 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 23 f.; ausführlich Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 232 ff. 94 Siehe dazu Nachweise in Fn. 93. 95 Dritte dürfen kein „unternehmerisches Mitinteresse“ an der Kanzlei eingeräumt bekommen, andernfalls besteht die Gefahr, dass sie Maßnahmen zur Gewinnsteigerung ergreifen, die sich mit der für den Anwalt geltenden Pflicht zur Unabhängigkeit nicht vereinbaren lassen, vgl. Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 234. 96 Sowie für Vergütungen für die Übernahme der Kanzlei und Leistungen, die im Zuge einer Auseinandersetzung oder Abwicklung der beruflichen Zusammenarbeit erbracht werden. 97 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 24; Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 233. 98 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 233. 99 Vgl. Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 233; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 24. 100 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 23. 101 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 23. Es reicht insoweit jeder wirtschaftliche Vorteil aus, vgl. BGH NJW 1980, 2407 f. (kostenlose Mandatsbetreuung für den Zuführenden als Gegenleistung) Für das Verhältnis zwischen Anwälten siehe § 49b Abs. 3 BRAO.
III. Steuerberater
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III. Steuerberater 1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses Der Steuerberater leistet gemäß §§ 3 Nr. 1, § 32 Abs. 1, 33 StBerG geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen und übt gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 2. Hs. StBerG einen freien Beruf aus. Als wirtschaftsnaher beratender Beruf steht er damit dem Rechtsanwalt und dem Wirtschaftsprüfer nahe.102 Auch die Pflichten der Anwälte und Steuerberater sind vergleichbar.103 Wegen dieser Wesensverwandtheit sind die wirtschaftsnahen Beratungsberufe – Rechtsanwälte und Steuerberater, aber auch die Wirtschaftsprüfer – grundsätzlich gleich zu behandeln.104 Für Steuerberater bestimmt § 57 Abs. 1 StBerG, dass sie ihren Beruf unabhängig auszuüben haben. Unabhängigkeit im Sinne von § 57 Abs. 1 StBerG bedeutet, dass der Steuerberater seinen Beruf frei von sachfremden Einflüssen ausüben muss und sich insbesondere keinem Interessenkonflikt aussetzen darf.105
2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses Zweck des Unabhängigkeitsgebotes des Steuerberaters ist zum einen der Schutz der Mandanteninteressen, zum anderen besteht aber auch ein öffentliches Interesse an seiner Unabhängigkeit, weil er ein Organ der Steuerrechtspflege ist.106 Viele Bürger sind aufgrund des komplexen Steuerrechtssystems auf einen Steuerberater angewiesen, sodass ein öffentliches Interesse daran besteht, dass die Bürger dem Steuerberater als unabhängigen Fachmann in steuerlichen Fragen und Vertreter der Mandanteninteressen vertrauen können.107
3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses Konkretisiert wird das in § 57 StBerG normierte Unabhängigkeitserfordernis durch § 2 BOStB.108 § 2 Abs. 2 BOStB bestimmt, dass Steuerberater keine Bin102 Diese sind, wie die vereidigten Buchprüfer, nach § 3 Nr. 1 StBG ebenfalls zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt. 103 BVerfGE 80, 269, 280 f.; Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 133. 104 Vgl. dazu die Ausführungen in BVerfGE 98, 49, 63 ff.; außerdem Henssler, ZIP 1998, 2121, 2124 f.; ders., JZ 1998, 1065, 1067; Deckenbrock, BB 2002, 2453, 2457. 105 BGH NJW-RR 1997, 761, 762. Zur Unabhängigkeit des Steuerberaters Gehre/Koslowski/Koslowski, StBerG, § 57 Rdnr. 8 ff. 106 Schramm, DStR 2003, 1364, 1365. 107 Schramm, DStR 2003, 1364, 1365. 108 Nach § 86 Abs. 2 Nr. 2 StBerG ist die Bundessteuerkammer dazu ermächtigt, eine Berufssatzung zu erlassen, die nach § 86 Abs. 4 Nr. 1 StBerG zur Ausführung der gesetzlichen Vorschriften nähere Regelungen hinsichtlich der unabhängigen […] Berufsausübungen enthalten kann.
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§ 5 Unabhängigkeit in den einzelnen Privatrechtsgebieten
dungen eingehen dürfen, die ihre berufliche Entscheidungsfreiheit gefährden könnten.109 Die Unabhängigkeit muss sich also in den beruflichen Entscheidungen für den Mandanten manifestieren.110 Nach § 2 Abs. 3 BOStB ist die Unabhängigkeit etwa dann gefährdet, wenn sie Vorteile von Dritten annehmen oder Mandantenrisiken übernehmen.
4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit Von wem der Steuerberater unabhängig sein muss, ist ähnlich zu beantworten wie beim Rechtsanwalt. So muss er insbesondere von seinen Mandanten ausreichend unabhängig sein, damit er sie sachgerecht beraten kann und ihre Interessen nicht über die steuerrechtlichen Vorschriften stellt. Wirtschaftliche Verbindungen zum Mandanten können auch im Fall des Steuerberaters zu einer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit führen.
IV. Wirtschaftsprüfer 1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses Das Unabhängigkeitserfordernis für Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer111 ist berufsrechtlich in §§ 43 Abs. 1 Satz 2, 56 Abs. 1 WiPrO und § 2 Abs. 1 der Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer/vereidigte Buchprüfer (BS WP/ vBP) vom 12. 02. 2010 verankert und wird durch § 49 Fall 2 WiPrO und §§ 2 Abs. 2 , 20, 21 BS WP/vBP sowie weitere berufsrechtliche Regelungen konkretisiert und abgesichert. Darüber hinaus existieren für die Tätigkeit als Abschlussprüfer besondere handelsrechtliche Regelungen in § 323 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. HGB, § 319 Abs. 2 und Abs. 3 HGB und §§ 319a, 319b HGB (dazu § 13I.1.).112 Die berufsrechtlichen und handelsrechtlichen Unabhängigkeitsregelungen greifen ineinander und überschneiden sich zum Teil. Andererseits erstrecken sich die berufsrechtlichen Regelungen auch auf Umstände, die von den handelsrechtlichen Regelungen nicht erfasst werden, um auf diese Weise Gefährdungen der Unabhängigkeit möglichst weitgehend auszuschließen.113 109 Damit wird – gesetzliche normiert – das Unabhängigkeitsgebot in einen begrifflichen Zusammenhang mit der Entscheidungsfreiheit gestellt. Siehe Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 133. 110 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 133. 111 Wird im Folgenden von „Wirtschaftsprüfer“ gesprochen, so sind vereidigte Buchprüfer regelmäßig mitgemeint. 112 Im Folgenden liegt der Fokus auf den berufsrechtlichen Regelungen zur Unabhängigkeit. Die handelsrechtlichen Inhabilitätsregelungen in §§ 319 Abs. 2 , Abs. 3, 319a, 319b HGB werden in § 13 I.1.) ausführlicher untersucht. 113 Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 117.
IV. Wirtschaftsprüfer
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2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses Zweck des für den Wirtschaftsprüfer geltenden Unabhängigkeitserfordernisses ist es, das Vertrauen in die Abschlussprüfung zu gewährleisten; diese wiederum soll die Verlässlichkeit der Rechnungslegung der Unternehmen bestätigen und damit deren Glaubhaftigkeit erhöhen.114 Dies ist erforderlich, damit die Abschlussprüfung ihren Zweck, die Informationsasymmetrien zwischen dem Bilanzierenden und den unternehmensinternen wie -externen Adressaten des Jahresabschlusses zu verringern, auch erreichen kann: Zum einen soll die Abschlussprüfung dem Aufsichtsrat eines geprüften Unternehmens die Wahrnehmung seiner Kontrollfunktion erleichtern, indem sie ihn mit zuverlässigen Informationen versorgt.115 Zum anderen soll sie die Gläubiger, die (künftigen) Geschäftspartner, die Mitarbeiter sowie den Kapitalmarkt und andere unternehmensexterne Adressaten (insbesondere „die Öffentlichkeit“) mit verlässlichen Informationen versorgen und allgemein das Vertrauen in die ordnungsgemäße öffentliche Rechnungslegung schützen.116 Denn Geschäftspartner und Anleger werden nur dann zu Investitionen bereit sein, wenn sie den Informationen der Unternehmen, und damit vor allem auch deren Rechnungslegung, vertrauen können. Dies lässt sich aber nur erreichen, wenn der Prüfer von den Adressaten als hinreichend vertrauenswürdig angesehen wird.117 Das Vertrauen insbesondere der Öffentlichkeit erreicht der Prüfer jedoch nur, wenn er qualifiziert und vor allem glaubwürdig ist. Dafür aber muss er urteilsfähig und urteilsfrei, also unabhängig sein und dies auch gegenüber Dritten so vermitteln können.118 Denn die Glaubhaftigkeit der geprüften Informationen bemisst sich auch nach der Überzeugung der Adressaten von der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers.119 114 Dazu EU Kommission, Empfehlung der Kommission vom 16.5.2002, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, ABlEG Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Erwägungsgrund 1 Satz 1; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 319 Rdnr. 11; Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 46; Müller, Unabhängigkeit, S. 20; Marx, ZGR 2002, 292, 293; Pfitzer/Orth/Hettich, DStR 2004, 328; Hagel, Wpg 2002, 1355, 1356; Weiland, BB 1996, 1211, 1213; Frings, Wpg 2006, 821, 822 f. Siehe auch BayObLG WM 1987, 1361, 1365. 115 Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 48; Marx, Unabhängige Abschlussprüfung, S. 66 f.; Bormann, BB 2002, 190; Frings, Wpg 2006, 821, 822; Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2123; Marx, ZGR 2002, 292, 293; siehe auch BT-Drs. 10/317, S. 64; Ebke/Paal, ZGR 2005, 894, 899. 116 BayObLG WM 1987, 1361, 1365; OLG Brandenburg GmbHR 2001, 865, 866; Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 48; Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 97; Marx, Unabhängige Abschlussprüfung, S. 67; Bormann, BB 2002, 190; Ebke/Paal, ZGR 2005, 894, 899; Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2123; Kicherer, AG 1972, 37; Simitis, FS Reinhardt, 1972, S. 329, 331. 117 Marx, Unabhängige Abschlussprüfung, S. 68. 118 Schwandtner DStR 2002, 323, 324; Fleischer, DStR 1996, 758, 760; Siehe dazu auch United States v. Arthur Young Co., 465 U.S. 805, 817–818 (1984). 119 Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 48; Weiland, BB 1996, 1211,
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3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses § 43 Abs. 1 Satz 1 WiPrO statuiert die allgemeine Berufspflicht für Wirtschaftsprüfer, ihren Beruf unabhängig auszuüben.120 In Konkretisierung dazu enthält § 2 Abs. 2 BS WP/vBP einen nicht abschließenden Beispielkatalog berufswidriger Bindungen. Dazu gehören: Erfolgshonorare (Nr. 1 und 2), Vereinbarung zusätzlicher Bedingungen für die Vergütungszahlung, etwa die Erbringung zusätzlicher Leistungen (Nr. 3), Abgabe oder Entgegennahme von Vergütungen für die Mandantenvermittlung (Nr. 4), Übernahme von Mandantenrisiken (Nr. 5) oder die Annahme von Versorgungszusagen von Auftraggebern (Nr. 6). a.) Besondere unabhängigkeitsbezogene Regelungen der WiPrO Das Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer enthält zahlreiche Regelungen, die das Unabhängigkeitsgebot ausformen und flankieren. So verpflichtet § 43 Abs. 1 Satz 2 WiPrO i.V.m. § 20 Abs. 1 BS WP/vBP den Wirtschaftsprüfer dazu, sich bei der Erstattung von Prüfungsberichten und Gutachten unparteiisch zu verhalten – dasselbe gilt für den Abschlussprüfer nach § 323 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. HGB. Denn soll die Prüfung aussagekräftig sein und die Grundlage für das Vertrauen Dritter bilden, muss der Prüfer als neutrale Instanz handeln. Besteht die Besorgnis der Befangenheit, hat er seine Tätigkeit zu versagen, vgl. § 49 WiPrO. Bei anderen Tätigkeiten, insbesondere der Beratung, ähneln seine Stellung und seine Pflichten demgegenüber derjenigen von Anwälten und Steuerberatern. Wegen dieser Wesensverwandtheit hat das BVerfG vertreten, dass die drei wirtschaftsnahen Beratungsberufe – Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer – grundsätzlich gleich zu behandeln sind.121 Ähnlich wie die Vorschriften für den Rechtsanwalt regeln die berufsrecht lichen Vorschriften für den Wirtschaftsprüfer, wie im Hinblick auf Interes senkonflikte bzw. Unabhängigkeitsbeeinträchtigungen zu verfahren ist, die aufgrund einer abhängigen Beschäftigung, aufgrund von Weisungen oder aufgrund einer erfolgsabhängigen Vergütung entstehen. So dürfen Wirtschaftsprüfer nach § 43a Abs. 3 Nr. 2 WiPrO ihre Tätigkeit nur in bestimmten Ausnahmefällen im Rahmen eines Anstellungsvertrages ausüben (Nr. 2). Diese Ausnahmefälle beschränken sich auf solche, bei denen die Gefahr einer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Prüfers in der Regel ausgeschlossen ist, 1213. Er darf daher nur nach sachlichen Gesichtspunkten beurteilen und muss frei von entgegenstehenden eigenen Interessen oder Interessen Dritter sein. Siehe Müller, Unabhängigkeit, S. 23. 120 Gemäß § 56 Abs. 1 WiPrO finden die Unabhängigkeitsvorschriften in §§ 43, 49 WiPrO auf Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sowie deren Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer, Partner und persönlich haftende Gesellschafter Anwendung. Gleiches gilt nach § 130 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WiPrO für vereidigte Buchprüfer und Buchprüfungsgesellschaften. Zum Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nach § 53 WiPrO siehe § 12 IV. 121 Siehe dazu bereits Fn. 104.
IV. Wirtschaftsprüfer
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wie beispielsweise die Tätigkeit als Hochschullehrer (§ 43a Abs. 4 Nr. 2 43a Abs. 4 Nr. 3 WiPrO), Angestellter der Wirtschaftsprüferkammer (§ WiPrO) oder im Rahmen einer Wirtschaftsprüferkanzlei (§ 43a Abs. 1 WiPrO). Wie beim Rechtsanwalt dürfen Weisungen den Prüfer nicht zu einem mit seiner Funktion unvereinbaren Verhalten veranlassen. Daher sind Weisungen unzulässig, mit denen der Prüfer dazu verpflichtet werden soll, Prüfungsberichte und Gutachten zu unterzeichnen, deren Inhalt sich nicht mit seinen Überzeugungen deckt, § 44 Abs. 1 Satz 2 WiPrO. Des Weiteren verbietet es § 44 Abs. 1 Satz 3 WiPrO gesetzlichen Vertretern und Gesellschaftern von Wirtschaftsprüfergesellschaften, die nicht selbst Prüfer sind, die Durchführung der Abschlussprüfung in der Weise zu beeinflussen, dass die Unabhängigkeit des verantwortlichen Prüfers beeinträchtigt wird. Die Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Vergütung, deren Höhe vom Ergebnis der Arbeit des Abschlussprüfers abhängt, ist grundsätzlich unzulässig, vgl. § 55 Abs. 1 Satz 1 WiPrO und § 2 Abs. 2 Nr. 1 BS WP/vBP. Für Hilfeleistungen in Steuersachen besteht nach § 55a Abs. 2 WiPrO eine Ausnahme, wenn der Auftraggeber andernfalls aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung von der Rechtsverfolgung abgehalten werden würde. b.) Die Unabhängigkeitsregelungen der Berufssatzung Im Rahmen der Berufssatzung WP/vBP sind besondere Unabhängigkeitsregelungen in den §§ 20–24 BS WP/vBP festgelegt worden. Nach § 21 Abs. 2 Satz 1 BS WP/vBP gilt als innerlich unabhängig bzw. unbefangen, „wer sich sein Urteil unbeeinflusst von unsachgemäßen Erwägungen bildet“. Satz 2 schließt an, dass die Unbefangenheit vor allem durch Eigeninteressen, Selbstprüfung, Inter essenvertretung und persönliche Vertrautheit beeinträchtigt werden könne. Da allerdings die innere Einstellung des Wirtschaftsprüfers in der Regel nicht festgestellt werden kann, müssen äußere Umstände herangezogen werden, die den Schluss auf eine Gefährdung der inneren Unabhängigkeit erlauben.122 Dementsprechend greift die BS WP/vBP auch das Konzept der Besorgnis der Befangenheit auf. Die Besorgnis der Befangenheit wird gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 BS WP/ vBP angenommen, wenn einer oder mehrere der genannten Konfliktlagen (Eigeninteressen, Selbstprüfung, Interessenvertretung und persönliche Vertrautheit) vorliegen, die „aus Sicht eines verständigen Dritten geeignet sind, die Urteilsbildung unsachgemäß zu beeinflussen“. Aber auch wenn der Wirtschaftsprüfer selbst von keinem dieser Umstände betroffen ist, kann es Auswirkungen haben, wenn sie bei Dritten eintreten. Dazu zählt § 21 Abs. 4 Satz 1 BS WP/vBP Personen, (1) mit denen der WP/vBP seinen Beruf gemeinsam ausübt, (2) mit denen der WP/vBP in einem Netzwerk verbunden ist, (3) die bei der Auftragsdurchführung beschäftigt sind, (4) Ehegatten, Lebenspartner oder Verwandte Begründung zu § 21 Abs. 3 BS WP/vBP, S. 54.
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§ 5 Unabhängigkeit in den einzelnen Privatrechtsgebieten
in gerader Linie des WP/vBP oder für eine dieser Personen handelnde Vertreter und (5) Unternehmen, auf die der WP/vBP maßgeblichen Einfluss hat. Besteht die Besorgnis der Befangenheit, so darf der Wirtschaftsprüfer nicht tätig werden – auch nicht mit Zustimmung des Auftraggebers –, um das öffentliche Vertrauen in die Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers zu schützen.123 Zudem wird die Besorgnis der Befangenheit auch berufsrechtlich vermutet, wenn einer der in §§ 319 Abs. 3, 319a, 319b HGB aufgeführten Tatbestände verwirklicht wird.124
4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit Wem gegenüber der Prüfer unabhängig sein muss, ergibt sich aus den verschiedenen Konfliktlagen, denen der Prüfer ausgesetzt sein kann und die seine Unabhängigkeit gefährden können. Ganz allgemein kann die Unabhängigkeit des Prüfers gefährdet sein, wenn er (1) an der zu prüfenden Gesellschaft oder am Ergebnis der Prüfung eigene Interessen hat, (2) von der zu prüfenden Gesellschaft wirtschaftlich oder sonst abhängig ist, (3) für oder gegen sie als Interessenvertreter tätig war, (4) in einem zu engen und die gebotene kritische Objektivität beeinträchtigenden Vertrauensverhältnisses zur Gesellschaft und/oder deren Organen steht, oder (5) eigene Arbeiten überprüfen müsste (Gefahr der Selbstprüfung).125 Entsprechend muss der Wirtschaftsprüfer vor allem gegenüber dem Unternehmen und insbesondere der Unternehmensleitung, die das Prüfungsobjekt erstellt hat, eine kritische Distanz wahren, zumal er durch seine Prüfung den Aufsichtsrat bei dessen Überwachung unterstützen soll.126 Aber auch gegenüber dem Aufsichtsrat muss er unabhängig sein.127 Denn dieser bzw. seine Mitglieder könnten ebenfalls ein wirtschaftliches Interesse an einer vorteilhaften Darstellung der Unternehmenslage im Jahresabschluss haben, weil diese auf die Beurteilung seiner eigenen Tätigkeit zurückfällt.128 Aufgrund der besonderen Bedeutung des Testats des Abschlussprüfers muss seine Unabhängigkeit aber noch umfassender verstanden werden. Auch Dritte, wie etwa Berater oder Aktionäre der Gesellschaft, dürfen den Abschlussprüfer nicht beeinflussen können. Begründung zu § 21 Abs. 1 BS WP/vBP, S. 53. § 22a Abs. 2 Satz 1 BS WP/vBP. Zu den Regelungen der §§ 319 ff. BGB siehe ausführlich § 13 I.1.). 125 Art. 22 Abs. 2 Satz 2 der Abschlussprüferrichtlinie; Reg BilReG, BT-Drs. 15/3419, S. 38; Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 21; Naumann, in: IDW, WP-Handbuch, Kapitel A Rdnr. 279 ff. 126 Vgl. dazu Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2006/43/EG idF. nach der Änderung durch die Richtlinie 2014/56/EG vom 16.04.2014; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 319 HGB, Rdnr. 11; Müller, Unabhängigkeit, S. 20; Marx, ZGR 2002, 293. 127 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 319 Rdnr. 11. 128 Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 231. 123 124
V. Ratingagenturen
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V. Ratingagenturen Ratingagenturen sind privatrechtlich organisierte, gewinnorientierte Unternehmen.129 Ihre Tätigkeit besteht (primär) darin, die Fähigkeit und Bereitschaft von Emittenten zu bewerten, die ihnen durch die Ausgabe von Finanzinstrumenten entstandenen Zahlungsverpflichtungen rechtzeitig und in vollem Umfang zu erfüllen.130 Bewertet werden die Emittenten selbst aber auch einzelne Emissionen von Finanzinstrumenten.131 Damit nehmen Ratingagenturen – ähnlich wie Wirtschaftsprüfer – eine kontrollierende Funktion wahr und schaffen mit ihren Bewertungen Vertrauenstatbestände für die Marktteilnehmer.
1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses Die für die Ratingagenturen geltende Verordnung 1060/2009 vom 16.09.2009132 (Rating-Verordnung) erwähnt den Begriff der Unabhängigkeit an zahlreichen Stellen (siehe etwa Art. 1 Satz 2, Art. 6 und insbesondere Anhang I sowie u. a. die Erwägungsgründe 2 a. E., 6, 27 und 58) und enthält dazu in Verbindung mit dem Umgang mit Interessenkonflikten umfangreiche Vorgaben. Diese finden sich insbesondere im Anhang I der Verordnung 1060/2009 unter der Überschrift „Unabhängigkeit und Vermeidung von Interessenkonflikten“.133
2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses Zweck des Unabhängigkeitserfordernisses für Ratingagenturen ist der Schutz des Vertrauens der Marktteilnehmer in die Unvoreingenommenheit der von den Ratingagenturen veröffentlichten Ratings. Ratings spielen eine wichtige Rolle für die Finanzierung von Staaten und Unternehmen am Kapitalmarkt, weil sie in vielen Fällen einen effektiven Zugang zu den internationalen Finanzmärkten erst ermöglichen.134 Zumindest müssen Emittenten, die über kein oder ein schlechtes Rating verfügen, damit rechnen, dass sie bei der Kapitalbe Peters, Rating-Agenturen, S. 39; Schwarcz, 2002 U. Ill. L. Rev. 1, 3. Peters, Rating-Agenturen, S. 28. Zu ähnlichen Definitionen des Ratings siehe Blaurock, ZGR 2007, 603 f.; Deipenbrock, WM 2005, 261; Hennrichs, FS Hadding, 2004, S. 875; Schwarcz, 2002 U. Ill. L. Rev. 1, 6; Vetter, WM 2004, 1701 f.; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346. Siehe auch v. Schweinitz WM 2008, 953; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 194 f. 131 Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346. 132 Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen, ABlEU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 1. 133 Die besondere Statusbezogenheit der Unabhängigkeit wird in diesem Zusammenhang daran deutlich, dass sie – mit einer Ausnahme bei den operationellen Vorschriften in Anhang I Abschnitt B der Rating-Verordnung, die allerdings wiederum der Sicherung des Status dienen – nur bei den organisationsbezogenen Regelungen (Abschnitt A) erwähnt wird. 134 Peters, Rating-Agenturen, S. 27; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 186; Wildmoser/ 129 130
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§ 5 Unabhängigkeit in den einzelnen Privatrechtsgebieten
schaffung einen Risikoaufschlag gegenüber bewerteten bzw. besser bewerteten Emittenten zahlen müssen.135 Denn insbesondere wenn gar keine Bewertung vorgenommen worden ist, ist das Informationsdefizit der Anleger und Gläubiger erheblich größer als wenn ein Unternehmen bewertet wurde. Da Emittenten und (potentielle) Anleger oder Gläubiger oft keinen direkten Kontakt zueinander haben, sind die Anleger oder Gläubiger vielfach kaum in der Lage festzustellen, ob die von den Emittenten verbreiteten Informationen korrekt sind. Dies wiederum erschwert es den Emittenten, die Anleger oder Gläubiger von ihrer Lauterkeit und ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit zu überzeugen. Die Ratingagenturen haben daher die Funktion, diese Informationsasymmetrie überwinden zu helfen.136 Damit Ratingagenturen diese Funktion erfüllen können, müssen Anleger und Emittenten auf ihre Integrität und Zuverlässigkeit vertrauen.137 Um dieses Vertrauen zu gewährleisten, ist die Unabhängigkeit der Ratingagenturen und ihrer Ratingtätigkeit unabdingbar. Die Bedeutung von Ratings zeigt sich auch darin, dass viele institutionelle Anleger gemäß ihren Anlagerichtlinien und Statuten nur in Finanzinstrumente investieren dürfen, die von den Ratingagenturen ein „investment grade“ erhalten haben.138 Auch enthalten viele Darlehensverträge sog. rating triggers, d. h. Vertragsklauseln, die für den Fall einer Herabsetzung des Ratings besondere zivilrechtliche Folgen vorsehen – z. B. die Veränderung des Zinssatzes, einen Anspruch auf zusätzliche Sicherheiten oder sogar die Beendigung des Vertrages.139 Auch im Rahmen der Regulierung werden Ratings herangezogen.140 So bestimmt z. B. Rule 2a-7(a)(12)(i) 141 zum Investment Company Act, dass im Fall „gerateter“ Finanzinstrumente nur solche Instrumente als für Geldmarktfonds geeignet anzusehen sind, die eines der beiden höchsten Ratings einer anerkannten Ratingagentur erhalten haben. Und Rule 3a-7(a)(2) 142 zum US-amerikansichen Investment Company Act schreibt als Voraussetzung für Schiffer/Langoth RIW 2009, 657, 658; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1347; Deipenbrock, WM 2005, 261. 135 Peters, Rating-Agenturen, S. 30; Blaurock, ZGR 2007, 603, 609; Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, 658; Zentraler Kreditausschuss (ZKA), Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses zur Tätigkeit von Rating-Agenturen und ihrer möglichen Regulierung, 14.8.2003, S. 4. 136 Dazu Horsch, Rating und Regulierung, insb. S. 193 ff.; v. Schweinitz, WM 2008, 953; Blaurock ZGR 2007, 603, 608; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 186; Vetter, WM 2004, 1701. 137 Peters, Rating-Agenturen, S. 39. 138 Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1347. Siehe auch ZKA (Fn. 135), S. 3. 139 Blaurock, ZGR 2007, 603, 611; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 188 f.; Witte/ Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1348; ZKA, Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses zur Tätigkeit von Rating-Agenturen und ihrer möglichen Regulierung, 14.8.2003, S. 4. 140 Zur rating-basierten Regulierung Horsch, Rating und Regulierung, S. 287 ff. Zu europäischen Regelungen in diesem Zusammenhang siehe bereits § 4 Fn. 27. 141 17 C.F.R. § 270.2a-7(a)(12)(i). 142 17 C.F.R. § 270.3a-7(a)(2).
V. Ratingagenturen
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die Ausnahme bestimmter Emittenten (von sog. Asset Backed Securities143 ) von der Registrierung nach dem Investment Company Act unter anderem vor, dass von diesen emittierte festverzinsliche Wertpapiere über ein Rating in einer der vier obersten Kategorien verfügen müssen. Die Unabhängigkeit, Objektivität und bestmögliche Qualität von Ratings sowie von Ratingagenturen dient daher dem Schutz der Marktteilnehmer – Emittenten, Investoren und anderen –, vor allem aber auch dem Schutz der globalen Wertpapier- und Bankenmärkte als solchen. Denn die Marktteilnehmer betrachten Ratings als Quelle unparteiischer Datenanalysen,144 auch wenn ihr Ansehen aufgrund der letzten Finanzkrise sehr gelitten hat. Sind die Ratings durch die Emittenten oder sonstige Dritte beeinflusst und weichen sie daher von dem eigentlich zu vergebenen Rating ab, so laufen die Märkte Gefahr zusammenzubrechen. Dies hat sich in der Finanzkrise gezeigt, bei der fehlbewertete Asset Backed Securities zu einem erheblichen Vertrauensverlust und sodann beinahe zum Zusammenbruch des Finanzmarktes geführt haben, der nur durch staatliche Maßnahmen verhindert werden konnte. Entsprechend ist die Unabhängigkeit von Ratingagenturen und ihrer Ratings von grundlegender Bedeutung145 für marktwirtschaftlich ausgerichtete Volkswirtschaften.
3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses Die Unabhängigkeit einer Ratingagentur wird unter anderem als gefährdet angesehen, wenn eine Beteiligung an oder ein Kontrollverhältnis zu einem von ihr bewerteten Unternehmen besteht.146 Verboten ist auch die Erbringung von Beratungsdienstleistungen gegenüber den bewerteten Unternehmen147 und die Abgabe von Empfehlungen hinsichtlich der Strukturierung von Finanzinstrumenten148 . Nebentätigkeiten, wie z. B. Trendeinschätzungen oder Preisbewertungen, sind jedoch grundsätzlich erlaubt,149 wobei aber sichergestellt werden muss, dass sie nicht zu Interessenkonflikten führen.150 Weder die Ratingagentur noch ihre Mitarbeiter dürfen Mitglied im Verwaltungs- oder Aufsichtsor gan des bewerteten Unternehmens oder eines mit diesem verbundenen Dritten 143 Zu Asset Backed Securities siehe etwa Kumpan, in: Allmendinger/Steffek, Corporate Governance, S. 209, 212 f. m.w.N.; ders., 9 JCLS 261, 264 ff. (2009). 144 Mitteilung der EU Kommission über Ratingagenturen, 2.2, ABlEU Nr. C 59 v. 11.3.2006, S. 2 , 3. 145 Mitteilung der EU Kommission über Ratingagenturen, Einleitung, ABlEU Nr. C 59 v. 11.3.2006, S. 2 . 146 Anhang I, Abschnitt B, Abs. 3 lit. a und b Rating-Verordnung. 147 Anhang I, Abschnitt B, Abs. 4 UAbs. 1 Rating-Verordnung (hinsichtlich der Unternehmens- und Rechtsstruktur, Vermögenswerte, Verbindlichkeiten oder Tätigkeiten des bewerteten Unternehmens oder verbundener Dritter). 148 Anhang I, Abschnitt B, Abs. 5 Rating-Verordnung. 149 Anhang I, Abschnitt B, Abs. 4 UAbs. 2 Rating-Verordnung. 150 Anhang I, Abschnitt B, Abs. 4 UAbs. 3 Rating-Verordnung.
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sein.151 Auch geschäftliche Beziehungen, die für die Ratingagentur eine erhebliche Bedeutung haben, können die Unabhängigkeit bei der Erstellung der Ratings beeinträchtigen. Die Schwelle für die erhebliche Bedeutung ist dann überschritten, wenn die Agentur 5% ihrer Jahreseinnahmen von dem Unternehmen oder mit diesem verbundenen Dritten erhält.152 Darüber hinaus enthält Anhang I, Abschnitt B, Abs. 3 lit. d Rating-Verordnung eine Art Generalklausel, die zusätzlich zu den typisierenden Regelungen generell jedes Verhältnis einbeziehen will, das einen Interessenkonflikt verursachen kann. Dieser sehr weite Tatbestand soll zwar einen weitestmöglichen Schutz vor kompromittierten Ratings bieten. Aufgrund seiner Unbestimmtheit – denn anders als die anderen Fallgruppen baut er nicht auf typisierenden Merkmalen auf –, führt er aber zu einem nicht unerheblichen Maß an Rechtsunsicherheit. Da es sich bei Ratingagenturen um Unternehmen handelt, sieht die Rating-Verordnung auch Regelungen vor, die die Unabhängigkeit der Geschäftsleiter und Mitarbeiter sicherstellen sollen.153 So dürfen diese z. B. keine Finanz instrumente des bewerteten Unternehmens oder – in bestimmten Fällen – von mit diesem verbundenen Unternehmen besitzen.154 Weiterhin disqualifiziert eine frühere („vor kurzem“) Beschäftigung bei dem bewerteten Unternehmen.155 Auch eine langjährige Bewertungstätigkeit für ein Unternehmen wird als kritisch angesehen und daher eine interne Rotation angeordnet.156 Insgesamt zeigen die Vorgaben das Bemühen der EU, Interessenkonflikte und die Gefahren für die Unabhängigkeit von Ratingagenturen möglichst umfänglich zu regeln.157 So lassen sich mit diesen Regeln etwa auch die Entwicklungen im Zusammenhang mit der Bewertung strukturierter Finanzinstrumente angehen, die zur Finanzkrise geführt haben, z. B. mittels des Verbotes der gleichzeitigen Erbringung von Beratung und Rating für ein und dasselbe Unternehmen. Fälle einer „Eigenkontrolle“ der Beratungsleistung werden damit verhindert.158 Andererseits wird aber der grundsätzliche Interessenkonflikt, der durch die Bezahlung der Ratingagenturen durch die Emittenten hervorgerufen wird, von der Rating-Verordnung noch nicht angemessen gelöst.159 Insbesondere verhindert oder löst die Veröffentlichung der Namen der Auftraggeber, die Anhang I, Abschnitt B, Abs. 3 lit. c Rating-Verordnung. Anhang I Abschnitt B Abs. 2 Rating-Verordnung. 153 Insbesondere Art. 6 Abs. 1 und Anhang I Abschnitt C Rating-Verordnung. 154 Anhang I Abschnitt C Abs. 2 lit. a und b Rating-Verordnung. 155 Anhang I Abschnitt C Abs. 2 lit. c Rating-Verordnung. 156 Anhang I Abschnitt C Abs. 8 Rating-Verordnung. 157 Siehe zum Folgenden auch bereits Kumpan, in: FS Hopt, 2010, S. 2157, 2166 ff. 158 Möllers, JZ 2009, 861, 865 (der außerdem eine weitere Präzisierung des Beratungsbegriffs fordert). 159 Siehe dazu auch Möllers, JZ 2009, 861, 865. Für eine mögliche Lösung siehe Kumpan, in: FS Hopt 2010, S. 2157, 2169 ff. 151
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für mehr als 5% des Umsatzes verantwortlich sind, diesen Interessenkonflikt nicht.160 Sie können die Marktteilnehmer lediglich für die Konfliktlage sensibilisieren. Des Weiteren ist nicht auszuschließen, dass eine solche Veröffentlichung zu einer gewissen Legitimierung des Konflikts oder einer falschen Sicherheit und dann zum gegenteiligen Effekt führt, was sich für die Anleger negativ auswirken würde.161 Hier wären über die vorgesehenen organisatorischen, operationellen und mitarbeiterbezogenen Vorgaben hinaus an die Offenlegung anknüpfende zusätzliche Maßnahmen wünschenswert gewesen. Beispielsweise hätte eine Gewinnabschöpfung für den Fall vorgesehen werden können, dass sich ein Interessenkonflikt manifestiert hat.162
4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit Primär sollen Ratingagenturen vom Bewerteten bzw. dem Emittenten der bewerteten Finanzinstrumente unabhängig sein. Daher dürfen sie etwa keine finanziellen oder, bei den Mitarbeitern, auch persönlichen Beziehungen zu dem zu bewertenden Emittenten haben. Denn dieser hat regelmäßig ein großes Interesse daran, dass seine Situation in ein besonders positives Licht gerückt wird und könnte daher versucht sein, auf das Rating bzw. die Ratingagentur einzuwirken. Das Unabhängigkeitsgebot erstreckt sich auch auf mit dem bewerteten Unternehmen verbundene Unternehmen.163 Denn es ist nicht auszuschließen, dass die erteilten Ratings zumindest indirekt auch auf sie Auswirkungen haben. Darüber hinaus soll die Unabhängigkeit geradezu umfassend sein und jegliche politische und wirtschaftliche Einflussnahme ausschließen.164
VI. Insolvenzverwalter 1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters hat für das Insolvenzverfahren ganz wesentliche Bedeutung. Gesetzlich verankert ist das Unabhängigkeitserfordernis in § 56 Abs. 1 InsO.165 Anders als die Unabhängigkeitsregelungen in Kumpan, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 33, 48 f. Darauf deuten Erkenntnisse der Verhaltensökonomie hin. Für einen Überblick über die verhaltensökonomische Forschung siehe § 2 V. 162 Für eine solche im Fall von Ratingagenturen Haar, ZBB 2009, 177, 185 ff. Für den Fall der Kommission und Geschäftsbesorgung ähnlich Kumpan, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 33 ff. 163 Auch von diesen darf etwa der Analyst keine Finanzinstrumente halten (Anhang I Abschnitt C Nr. 2 lit. a Rating-Verordnung). 164 Siehe Anhang I, Abschnitt A, Nr. 1 lit a Rating-Verordnung. 165 Siehe außerdem § 4 der VID-Berufsgrundsätze, abrufbar unter http://www.vid.de/ images/stories/pdf_fuer_einzelseiten/vid-berufsgrundsaetze.pdf (Stand 28.07.2014). 160 161
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anderen Rechtsgebieten ist diese Vorschrift äußerst knapp und bedarf daher in besonderem Maße der Konkretisierung. Sie enthält weder Angaben zu den Voraussetzungen noch zu den Anforderungen. Auch die Ergänzung von § 56 Abs. 1 InsO durch das ESUG166 hat daran wenig geändert.
2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses Der Schutzzweck des für den Insolvenzverwalter geltenden Unabhängigkeitserfordernisses orientiert sich an den besonderen Zielen des Insolvenzverfahrens, insbesondere dem Ziel der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger (§ 1 Satz 1 InsO).167 Dementsprechend dient es zunächst einmal vor allem dem Schutz der Gläubiger, die aus der Insolvenzmasse befriedigt werden sollen.168 Aber auch der Schuldner darf nicht rechtlos gestellt werden. Dieser hat ein korrespondierendes, ebenfalls von der Insolvenzordnung geschütztes Interesse daran, dass seine Schulden möglichst umfänglich getilgt werden; daher darf der Verwalter das Verfahren nicht einseitig zu seinen Lasten führen.169 Die Gläubiger und der Schuldner haben also ein (gemeinsames) Interesse daran, dass die Insolvenzmasse bestmöglich verwertet wird.170 Um diese Ziele zu erreichen, muss eine (willkürliche) Gläubigerungleichbehandlung verhindert und das Vertrauen aller in die Amtsführung des Insolvenzverwalters garantiert werden sowie eine sachgemäße Rechtsverfolgung sichergestellt sein.171 Dieses Interesse reicht über die unmittelbar am jeweiligen Verfahren Beteiligten hinaus. Es besteht ein erhebliches öffentliches Interesse an einem ordnungsgemäßen und von den Beteiligten als gerecht empfundenen Verfahren. Denn da die zur Verfügung stehende Masse zwar für die Befriedigung einzelner, in der Regel aber nicht für die Befriedigung aller ausreicht, prallen in diesen Situationen regelmäßig besonders starke, manchmal sogar existenzielle Interessen der Gläubiger, aber auch des Schuldners aufeinander. Auch und gerade in dieser Grenzsituation des Rechtslebens muss der Staat daher für Rechtsstaatlichkeit und das Vertrauen in das Recht und die Integrität der staatlichen Rechtspflege sorgen.172 Ein solches Vertrauen wird sich aber nur erreichen lassen, wenn sichergestellt wird, dass 166 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 07.12.2011, BGBl. 2011 I, S. 2582 v. 13.12.2011. 167 Prütting, ZIP 2002, 1965, 1970; Lüke, ZIP 2003, 557, 559. Zum Folgenden Kumpan, KTS 2010, 169, 173, für einen Rechtsvergleich mit dem englischem Recht Kumpan, a.a.O., 181 ff. 168 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 60. 169 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 60 und S. 64; Schumann, in: FS Geimer, 2002, S. 1043, 1052. 170 Vgl. Laukemann, Unabhängigkeit, S. 60; Kessler, ZIP 2000, 1565, 1572. 171 Schumann, in: FS Geimer, 2002, S. 1043, 1047; Prütting, ZIP 2002, 1965, 1966 und 1970. Zum Zusammenhang zwischen Vertrauen und Unabhängigkeit sowie Unparteilichkeit BGHZ 96, 157, 174; 106, 212, 218 f. 172 Vgl. dazu Laukemann, Unabhängigkeit, S. 66 f.
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der Verwalter, der die zentrale Rolle im Insolvenzverfahren spielt, seine Entscheidungen allein an den rechtlichen Vorgaben und dem Zweck des Insolvenz verfahrens orientiert. So verstanden dient das Unabhängigkeitserfordernis dazu, Interessenkonflikte des Verwalters auszuschließen und darauf hinzuwirken, dass die insolvenzrechtlichen Regelungen in einer den Zielsetzungen des Insolvenzverfahrens gerecht werdenden Weise angewendet werden.
3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses a.) Keine Konkretisierung mit Hilfe der anwaltlichen Unabhängigkeitsvorschriften Die Konkretisierung des insolvenzrechtlichen Unabhängigkeitserfordernisses muss anhand der insolvenzrechtlichen Bestimmungen erfolgen.173 Das anwaltliche Berufsrecht eignet sich nur sehr eingeschränkt als Konkretisierungshilfe.174 Zwar sind die Schutzzwecke der Unabhängigkeitserfordernisse von Insolvenzverwaltern und Rechtsanwälten auf abstrakter Ebene gleich ausgerichtet. Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung des Unabhängigkeitserfordernisses müssen jedoch die unterschiedlichen Funktionen beider Funktionsträger berücksichtigt werden. Das anwaltliche Berufsbild geht von dem einseitigen Sachwalter fremder Interessen aus: Der Rechtsanwalt ist einseitig dem Mandanteninteresse verpflichtet und Interessenvertreter einer Partei – unabhängig davon, dass er auch Organ der Rechtspflege ist.175 Demgegenüber wird der Insolvenzverwalter für eine Vielzahl von Personen mit unterschiedlichen Rechten und Interessen tätig, die er alle ihrer Stellung entsprechend angemessen berücksichtigen und gegeneinander abwägen muss.176 Während somit die Interessenwahrung beim Rechtsanwalt in einem „bilateralen“ Verhältnis erfolgt, geschieht dies beim Insolvenzverwalter in einem „multilateralen“ Verhältnis. Hinzu kommt, dass die anwaltliche Unabhängigkeit, die sich insbesondere auch gegen den Staat richtet, nur schwer damit in Einklang zu bringen ist, dass der Insolvenzverwalter nach §§ 58 f. InsO der Aufsicht durch das Insolvenzgericht unterworfen ist.177 Auf der anderen Seite ist der Rechtsanwalt grundsätzlich an Aufträge und Weisungen seines Mandanten gebunden, denn dieser trägt das Kosten- und Prozessrisiko. Die Verpflichtung des Anwalts, die Interessen des Mandanten zu wahren, spiegelt sich auch im Tatbestand der Prävarikation (§ 43a Abs. 4 BRAO) wider. Dieses Verbot lässt sich aber mit der Grund Kumpan, KTS 2010, 169, 173. Siehe dagegen z. B. OLG Celle ZIP 2001, 1597, 1599; Schmidt/Hölzle, ZIP 2012, 2238, 2239. 175 Braun, ZInsO 2002, 964. Siehe auch BVerfG NJW 1988, 191, 193 („der berufene Berater und Vertreter der Rechtsuchenden“). 176 Riggert, NZI 2002, 352, 354; vgl. auch Graf/Wunsch, DZWIR 2002, 177, 179. 177 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 41. 173 174
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funktion der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters nicht vereinbaren, die auf den „allseitigen“ Ausgleich der Interessen der verschiedenen Beteiligten im Insolvenzverfahren abzielt.178 Zudem wird der Rechtsanwalt von seinem Mandanten für die Arbeit vergütet, sodass auch eine gewisse finanzielle Abhängigkeit zu diesem besteht. Die für das Insolvenzverfahren so wichtige Partei- und Beteiligtenunabhängigkeit des Verwalters lässt sich mit einer solchen – im Fall des Rechtsanwalts wegen dessen Stellung zum Mandanten zu vernachlässigenden – finanziellen Abhängigkeit nicht vereinbaren. Dass viele Insolvenzverwalter zugleich Rechtsanwälte sind, kann nicht als Argument herangezogen werden, um eine Konkretisierung des insolvenzrechtlichen Unabhängigkeitsgebots mit Hilfe der Vorschriften der BRAO zu rechtfertigen.179 Denn der Beruf des Rechtsanwalts ist keine Voraussetzung, um Insolvenzverwalter zu werden. Vielmehr kann jede geeignete Person zum In solvenzverwalter ernannt werden.180 Hinzu kommt, dass berufsrechtliche Regelungen das Unabhängigkeitsgebot des § 56 Abs. 1 InsO nur für diejenigen Insolvenzverwalter konkretisieren könnten, die zugleich entsprechende Berufsträger, etwa Rechtsanwälte oder auch Wirtschaftsprüfer, sind. Dies aber würde zu einer uneinheitlichen, vom jeweiligen Berufsträger abhängigen Auslegung des insolvenzrechtlichen Unabhängigkeitsgebots und damit letztlich auch zu Wettbewerbsverzerrungen führen.181 Das bedeutet allerdings nicht, dass die im Rahmen des Berufsrechts geregelten Fälle nicht auch im Insolvenzverfahren problematisch sein könnten. Nur ist ihre Regelung aus der Insolvenz ordnung zu entwickeln, nicht aus einer Übertragung berufsrechtlicher Regelungen. b.) Unabhängigkeit und Interessenausgleich Das Unabhängigkeitserfordernis des Insolvenzverwalters ist daher in seiner konkreten Ausformung anhand der insolvenzrechtlichen Vorschriften näher zu bestimmen. Hierbei spielt die besondere Stellung des Insolvenzverwalters eine wesentliche Rolle. Diese ist gekennzeichnet durch eine „mehrseitige Fremdbestimmtheit“182 . Der Insolvenzverwalter hat regelmäßig einander widersprechende Interessen der verschiedenen Verfahrensbeteiligten wahrzunehmen, zwischen ihnen abzuwägen und sie zum Ausgleich zu bringen. Für diesen allseitigen Interessenausgleich ist die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters von Laukemann, Unabhängigkeit, S. 43. Schumann, in: FS Geimer, 2002, S. 1043, 1058. 180 Wird allerdings ein Rechtsanwalt zum Insolvenzverwalter bestellt, wird er deshalb nicht von seinem Berufsrecht befreit. Vgl. Schumann, in: FS Geimer, 2002, S. 1043, 1058. A.A. Riggert, NZI 2002, 352, 353. 181 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 107. 182 Siehe Laukemann, Unabhängigkeit, S. 61; Preuß, Zivilrechtspflege, S. 53; Prütting, ZIP 2005, 1097. 178
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wesentlicher Bedeutung. Des Weiteren dient das Unabhängigkeitserfordernis dem öffentlichen Interesse an einer geordneten und neutralen staatlichen Rechtsfürsorge.183 Im Hinblick auf den Ausgleich der verschiedenen Gläubigerinteressen dient das Unabhängigkeitsgebot dazu, die Durchsetzung des insolvenzrechtlichen Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung zu gewährleisten.184 Dieser fordert eine möglichst gleichmäßige und gerechte Berücksichtigung aller rechtlich gleichwertigen Gläubigerinteressen.185 Dementsprechend hat der Insolvenzverwalter etwa mittels Anfechtung nach §§ 129 ff. InsO Bevorzugungen rückgängig zu machen, die der Schuldner einzelnen Gläubigern zulasten der Gläubigergemeinschaft gewährt hat.186 Das Unabhängigkeitsgebot soll hierbei gewährleisten, dass der Insolvenzverwalter diese Aufgabe ordnungsgemäß erfüllt und auch auf diese Weise auf eine Gleichbehandlung der Gläubiger hinwirkt. Im Hinblick auf den Ausgleich zwischen den Interessen der Gläubiger und des Schuldners soll die Unabhängigkeit des Verwalters sicherstellen, dass dieser das gemeinsame Interesse aller Beteiligten an der bestmöglichen Verwertung der Insolvenzmasse wahrt und durchsetzt und dabei sonstige Interessen der Beteiligten und Dritter ausblendet. Im Insolvenzplanverfahren ermöglicht die Unabhängigkeit des Verwalters, dass dieser die Rolle eines „allparteilichen Maklers“ einnehmen kann, sich die Zustimmungsbereitschaft der Gläubiger erhöht und er vor zu weitreichenden inhaltlichen Vorgaben der Gläubiger geschützt wird, die über die Zielbindung i.S.v. § 157 Satz 2 InsO hinausgehen.187
4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit Die Rolle eines allparteilichen Maklers bzw. Interessenwahrers für Gläubiger und Schuldner kann ein Insolvenzverwalter nur übernehmen, wenn er – abgesehen von seiner Tätigkeit als Verwalter – nicht selbst von dem Verfahren betroffen ist.188 § 56 Abs. 1 InsO erfasst daher alle Beziehungen des Verwalters, die seine unabhängige Entscheidungsfindung sowie seine Bindung an den Verfahrenszweck und die rechtlich geschützten Interessen im Rahmen des jeweiligen Insolvenzverfahrens gefährden.189 Ein solches weites Verständnis ist vom Bork, ZIP 2013, 145, 148 f. Laukemann, Unabhängigkeit, S. 62. 185 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 62; zur Gleichbehandlung der Gläubiger ausführlich Häsemeyer, KTS 1982, 507 ff.; siehe dazu außerdem Bauer, DZWIR 2007, 188 ff. 186 Zur Anfechtung als Mittel zum Schutz der Gläubigergleichbehandlung Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdnr. 21.01 f. 187 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 65. Zum Phänomen der „reaktiven Abwertung“ siehe Fn. 35. 188 Dazu Prütting, ZIP 2002, 1965, 1970. 189 Vgl. Laukemann, Unabhängigkeit, S. 147. 183
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Normzweck her angezeigt. Denn solche Beziehungen oder Eigeninteressen können die unvoreingenommene Entscheidungsfindung des Verwalters erheblich gefährden, wenn sie dazu führen, dass ein konkretes verfahrensbezogenes Interesse eines Dritten oder des Verwalters selbst mit dem Interesse der Gläubigergemeinschaft an ihrer möglichst umfänglichen Befriedigung in Konflikt gerät.190 a.) Gläubiger und Schuldner Von dem Verfahren unmittelbar selbst betroffen wäre ein Verwalter insbesondere dann, wenn er selbst Gläubiger oder Schuldner ist. Daher muss dies ausgeschlossen sein und er darf auch weder den Gläubigern noch dem Schuldner besonders nahestehen oder gar von ihnen abhängig sein.191 Er muss mithin – so § 56 Abs. 1 InsO – „von den Gläubigern und dem Schuldner“ unabhängig sein.192 Unvereinbar mit dem Unabhängigkeitsgebot sind demzufolge enge persönliche Vertrauensverhältnisse zu Schuldnern oder Gläubigern, finanzielle Beteiligungen am Unternehmen des Schuldners, Interessenvertretungen mit unmittelbarem Bezug zur Insolvenzabwicklung, aber auch eigene Vortätigkeiten für eine der beiden Seiten, die der Insolvenzverwalter überprüfen müsste.193 Im Hinblick auf vorbereitende Mitwirkungen des Verwalterkandidaten – z. B. bei der Erstellung eines Insolvenzplans – ist allerdings überlegt worden, ob nicht die Gläubiger durch einstimmigen Beschluss auf dessen (fachliche) Unabhängigkeit verzichten können sollen.194 Bei der Unabhängigkeit, bei der es sich um ein von der Eignung zu trennendes subjektives Element des Tatbestandes von § 56 Abs. 1 InsO handele, gehe es im Wesentlichen um Vertrauen.195 Wenn die Gläubiger einem Verwalter ihr Vertrauen aussprächen, müssten sie nicht
Laukemann, Unabhängigkeit, S. 147. Vgl. dazu BGHZ 113, 262, 277. HK-InsO/Eickmann, § 56 Rdnr. 9; Leonhardt/Smid/Zeuner/Rechel, InsO, § 56 Rdnr. 35; Braun/Blümle, InsO, § 56 Rdnr. 14; Uhlenbruck, KTS 1989, 229, 230; Bork, ZIP 2006, 58, 59; Lüke, ZIP 2003, 557, 561; Frind, ZInsO 2002, 745, 746; siehe auch Graeber, NZI 2002, 345; Prütting, ZIP 2002, 1965, 1969. 192 Siehe auch § 4 Abs. 1 Satz 1 der VID-Berufsgrundsätze. Braun/Blümle, InsO, § 56 Rdnr. 14. 193 Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 56 Rdnr. 51 f.; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 148 ff. Hinsichtlich einer Vortätigkeit für den Schuldner z. B. Bork, ZIP 2006, 58, 59; Lüke, ZIP 2003, 557, 561 f. 194 Schmidt/Hölzle, ZIP 2012, 2238, 2242; später dahingehen eingeschränkt, dass der Beschluss nur verbindlich sei, wenn der Schuldner ihmnicht widerspricht, Hölzle, ZIP 2013, 447, 450. 195 Schmidt/Hölzle, ZIP 2012, 2238, 2240. 190 191
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vor sich selbst geschützt werden196 . Dem ist zu recht widersprochen worden.197 Die Unabhängigkeit nicht als Bestandteil der Eignung zu vestehen, lässt sich nur schwer mit dem Wortlaut von § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO vereinbaren. Denn der nach dem Wort „geeignete“ folgende, in Kommata gesetzte Satzteil umfasst sowohl die Merkmale „geschäftskundige“ als auch „unabhängige“.198 Auch der Normzweck spricht gegen eine Disponibilität der Unabhängigkeit. Denn wie ausgeführt dient die Unabhängigkeit des Verwalters auch dem Schutz des Schuldners, des öffentlichen Interesses an einer geordneten und neutralen staatlichen Rechtsfürsorge, aber auch dem (Minderheiten-)Schutz von weniger einflussreichen Gläubigern.199 Alle diese Interessen würden von einem Gläubiger(ausschuss)beschluss nicht oder nur unzureichend berücksichtigt werden. Schließlich wird auch von den Befürwortern einer Disponibilität der fachlichen Unabhängigkeit nicht bezweifelt, dass die persönliche Unabhängigkeit nicht disponibel ist und vom Gericht voll überprüft werden kann.200 Auch wird eingeräumt, dass eine fachliche Verbindung zu einer persönlichen Bindung führen könne, die dann die Unabhängigkeit vollständig ausschließt.201 Persönliche Bindung ist in diesem Zusammenhang also als innere Abhängigkeit zu verstehen. Wann aber eine innere Abhängigkeit vorliegt und wann nicht, lässt sich regelmäßig nicht oder nur schwer feststellen. Dies gilt auch hinsichtlich der inneren Auswirkungen einer fachlichen Verbindung. Daher muss auch in diesem Fall an einen äußeren Tatbestand, also die vorbereitende Mitwirkung, angeknüpft werden. b.) Insbesondere: Geschäftliche Beziehungen von erheblicher Bedeutung Eine Gefährdung der Unabhängigkeit des Verwalters ist insbesondere in solchen Fällen möglich, in denen besonders enge wirtschaftliche Verflechtungen mit einzelnen Gläubigern 202 oder dem Schuldner203 bestehen. Dies ist etwa der Fall bei geschäftlichen Beziehungen, wie sie zur Hausbank oder zu Großliefe196 Schmidt/Hölzle, ZIP 2012, 2238, 2242. Sinnvoll sei die Wahl eines vorbefassten Verwalters, weil er bereits eingearbeitet sei und damit im späteren Verfahren erhebliche Zeit und Kosten gespart werden könnten; außerdem erhielten die Gläubiger dadurch Planungs- und Rechtssicherheit, weil sie ihn bereits kennenlernen konnten, siehe Schmidt/Hölzle, ZIP 2012, 2238, 2243. 197 Bork, ZIP 2013, 145; Vallender/Zipperer, ZIP 2013, 149. 198 Bork, ZIP 2013, 145, 146. 199 Bork, ZIP 2013, 145, 148 f. 200 Hölzle, ZIP 2013, 447, 448. 201 Hölzle, ZIP 2013, 447, 449. 202 Prütting, ZIP 2002, 1965, 1971; Schumann, in: FS Geimer, 2002, S. 1043, 1060; siehe auch Frind, ZInsO 2002,745, 747. Zur Abhängigkeit durch Poolverwaltungen etwa Frind, ZInsO 2002, 745, 750 f.; Graeber, NZI 2002, 345, 348 f.; Lüke, ZIP 2003, 557, 558 f.; Prütting, ZIP 2002, 1965, 1970 f.; Riggert, NZI 2002, 352, 355 f. (mit gegenüber den Vorgenannten abweichender Ansicht). 203 OLG Hamm ZIP 1987, 1333; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 56 Rdnr. 46.
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ranten, Wirtschaftsberatern, Rechtsanwälten oder Steuerberatern des Schuldners bestehen.204 Wann in diesen Fällen die Erheblichkeitsschwelle überschritten wird, d. h. eine geschäftliche Beziehung eine solche Bedeutung erhält, dass sie die Unabhängigkeit des Verwalters gefährden kann und diesen daher disqualifiziert, lässt sich der Insolvenzordnung nicht entnehmen. Hier ist eine Übertragung der Wertungen in Zusammenhang mit dem Abschlussprüfer in § 319 HGB zu erwägen.205 Ähnliche Wertungen enthält die Ratingverordnung für geschäftliche Beziehungen von Ratingagenturen.206 Beziehen Abschlussprüfer oder Ratingagenturen einen wesentlichen Teil ihrer Einkünfte aus einer Geschäftsbeziehung, so wird ein Interessenkonflikt angenommen, der bei Abschlussprüfern zu einem Ausschluss (bei 30% bzw. 15% der Gesamteinnahmen 207) und bei Ratingagenturen zu einer Pflicht zur Veröffentlichung des Namens des Geschäftspartners (bei 5% der Jahreseinnahmen) führt. Denn in diesen Fällen kann davon ausgegangen werden, dass die Furcht vor finanziellen Einbußen aufgrund einer Beendigung der Geschäftsbeziehung verhindert, dass der Prüfer die erforderliche kritische Distanz zu dem geprüften Unternehmen wahrt.208 Zwar ist der Verwalter aufgrund seines gesetzlichen Vergütungsanspruchs (vgl. §§ 63 f. InsO) in dieser Hinsicht stärker vor Einflussnahmen geschützt als der Wirtschaftsprüfer.209 Aber verdankt der Verwalter seine Bestellung in verschiedenen Verfahren immer wieder der Intervention desselben Gläubigers oder bestehen zusätzliche besondere geschäftliche Beziehungen außerhalb der konkreten Insolvenzverwaltung, so ist diese Situation derjenigen eines Wirtschaftsprüfers mit einem für ihn sehr bedeutenden Mandat sehr ähnlich. c.) Nahestehende Personen im Sinne von § 138 InsO Da § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO von „insbesondere … von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige … Person“ spricht, lässt sich das Unabhängigkeitsgebot auch auf Beziehungen zu anderen nahestehenden Personen erstrecken, z. B. Drittschuldnern oder nahen Angehörigen von Schuldnern oder Gläubigern.210 204 Solche Beziehungen könnten unter § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO subsumiert werden, sollen aber ausweislich der Regierungsbegründung und nach der Rechtsprechung von § 138 InsO ausgenommen sein. Siehe RegE InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 163 (Personen, die kraft Gesetzes in Angelegenheiten der juristischen Person zur Verschwiegenheit verpflichtet sind); außerdem BGH ZIP 1997, 513, 516 (Wirtschaftsberater); BGH WM 1998, 304 (Rechtsanwalt und Steuerberater), 305 (Hausbank, Großlieferant); siehe auch MünchKommInsO/Gehrlein, § 138 Rdnr. 34. 205 Lüke, ZIP 2003, 557, 564 (der aber die Schwelle schon bei 10% ansetzen will); krit. Laukemann, Unabhängigkeit, S. 164. 206 Anhang I Abschnitt B Nr. 2 Rating-Verordnung. 207 § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 bzw. § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB. 208 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 163 f. 209 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 164. 210 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 147.
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Welche Näheverhältnisse die Insolvenzordnung vor allem für regelungsbedürftig hält, zeigt die Auflistung der dem Schuldner nahestehenden Personen in § 138 InsO.211 Dazu gehören z. B. Verwandte, der Ehegatte oder Lebenspartner oder auch Gesellschaften, an denen der Verwalter beteiligt ist oder deren Organen er angehört.212 Bei diesen Personen nimmt die Insolvenzordnung an, dass zwischen den Beteiligten eine so enge Beziehung besteht, dass dadurch Handlungen veranlasst werden können, die Dritte benachteiligen.213 Denn in der Regel ist nicht anzunehmen, dass sie sich gegenüber dem Schuldner unvoreingenommen verhalten.214 Diese Wertung der Insolvenzordnung muss auch im Rahmen des Unabhängigkeitsgebots Berücksichtigung finden.215 Steht ein Verfahrensbeteiligter in einem solchen Näheverhältnis zum Insolvenzverwalter, das einem der Fälle in § 138 InsO entspricht, besteht die Gefahr von Benachteiligungen anderer Beteiligter und ist der Verwalter daher nicht als unabhängig anzusehen. d.) Eigene Vermögensinteressen Neben persönlichen oder wirtschaftlichen Bindungen zu anderen Verfahrensbeteiligten können auch eigene Vermögensinteressen des Insolvenzverwalters dessen Unabhängigkeit in Frage stellen. Unabhängigkeit bedeutet demzufolge auch wirtschaftliche Unabhängigkeit von der Insolvenzmasse.216 Auch die parallele Verwaltung verschiedener Insolvenzmassen kann zu Konflikten führen, etwa wenn im Fall der Konzerninsolvenz der personenidentische Verwalter gezwungen wäre, gegenseitig bestehende Forderungen geltend zu machen und damit gegen sich selbst zu erheben.217 e.) Ausgenommene Fälle gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 InsO Mit der Einführung von § 56 Abs. 1 Satz 3 InsO durch das ESUG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass allein der Vorschlag eines Insolvenzverwalters durch den Schuldner oder durch Gläubiger nicht ausreicht, um an dessen Unabhängigkeit zu zweifeln (Nr. 1). Diese Klarstellung hat der Gesetzgeber für erforderlich gehalten, weil zuvor Insolvenzgerichte zum Teil nur wegen eines solchen Vorschlags einen Verwalter abgelehnt hatten.218 Auch eine allgemeine Beratung des Schuldners über den Ablauf eines Insolvenzverfahrens und dessen Zu den folgenden Ausführungen siehe Kumpan, KTS 2010, 169, 173 f. Siehe dazu Lüke, ZIP 2003, 557, 561, außerdem die Fallgruppen in § 4 Abs. 2 der VID-Berufsgrundsätze. 213 Vgl. z. B. Kübler/Prütting/Bork/Ehricke, InsO, § 138 Rdnr. 3. 214 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 151; Preuß, Zivilrechtspflege, S. 367. 215 Siehe auch § 4 Abs. 2 lit. a-c VID-Berufsgrundsätze. 216 Braun/Blümle, InsO, § 56 Rdnr. 18. 217 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 150. 218 BT-Drs. 14/5712 v. 4.5.2011, S. 26. 211
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Folgen vor dem Eröffnungsantrag führt noch nicht zu einem Ausschluss der Unabhängigkeit (Nr. 2).219 Diese Klarstellungen schließen jedoch nicht aus, dass konkrete andere Umstände – wie insbesondere die zuvor erwähnten –, die in der Person des Verwalters liegen, dessen Unabhängigkeit beeinträchtigen können.220
5.) Das Unabhängigkeitsgebot im Eröffnungsverfahren Nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InsO gilt das Unabhängigkeitserfordernis ebenfalls für den vorläufigen Verwalter.221 Auch wenn die Gläubiger im Eröffnungsverfahren noch nicht als Beteiligte angesehen werden, so ist diese Regelung dennoch erforderlich. Denn auch die lediglich auf die Vermögenssicherung ausgerichtete Funktion des vorläufigen Verwalters (§ 22 Abs. 1 Nr. 1 InsO) bedarf einer Absicherung vor fremder Einflussnahme. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht (§ 22 Abs. 1 InsO) und er damit die (künftige) Insolvenzmasse übertragen bekommt, die er zugunsten der späteren Insolvenzgläubiger sichern soll.222
VII. Nachlass- und Zwangsverwalter, Testamentsvollstrecker Auch der Nachlassverwalter (§ 1985 BGB) 223 und der Zwangsverwalter 224 (§§ 150 ff. ZVG) sind verpflichtet, unabhängig zu handeln. Beide Tätigkeiten sind mit der des Insolvenzverwalters funktional vergleichbar, wie die vergleichbare Regelungsstruktur von Insolvenz-, Nachlass- und Zwangsverwaltung zeigt.225 Die Nachlassverwaltung dient dazu, die Nachlassgläubiger durch Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten zu befriedigen (§ 1975 BGB). Um diesen Zweck zu erreichen, sieht § 1984 Abs. 1 BGB – parallel zu § 80 InsO – den Übergang der Verfügungsmacht über das Nachlassvermögen vom Erben auf Zur Vorbefassung des Insolvenzverwalters etwa Bork, ZIP 2006, 58 f. BT-Drs. 14/5712 v. 4.5.2011, S. 26. 221 Vgl. dazu AG Flensburg ZIP 2003, 920, 921; AG Potsdam NZI 2002, 391, 392. 222 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 124. 223 Zu dessen Unabhängigkeit BGH NJW-RR 2005, 1237, 1239; Palandt/Weidlich, BGB, § 1985 Rdnr. 2 . 224 Zu dessen Unabhängigkeit BGH NZI 2009, 259; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, § 150a ZVG Rdnr. 6. 225 Zur Vergleichbarkeit der Rechtsstellung von Nachlass- und Insolvenzverwalter (bzw. damals Konkursverwalter) z. B. RGZ 61, 221, 222; 65, 287, 289; 135, 305, 307; BGHZ 38, 281, 284; BGH NJW 1987, 1019, 1020; Staudinger/Marotzke, BGB, § 1985 Rdnr. 1 f.; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 70; Preuß, Zivilrechtspflege, S. 66 m.w.N. Zur Vergleichbarkeit der Rechtsstellung von Insolvenzverwalter und Zwangsverwalter etwa BGH NZI 2009, 259 Rdnr. 10 f.; Preuß, Zivilrechtspflege, S. 18. 219
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den Verwalter vor.226 Die Nachlassverwaltung wird vom Nachlassgericht angeordnet,227 das auch den Nachlassverwalter bestellt228 und beaufsichtigt.229 Ähnliches gilt für den Zwangsverwalter, dessen Amt in zentralen Punkten dem des Insolvenzverwalters angenähert ist.230 Aufgabe des Zwangsverwalters ist die Verwaltung eines Grundstücks des (Vollstreckungs-)Schuldners zur bestmöglichen Befriedigung der (Vollstreckungs-)Gläubiger.231 Durch die Beschlagnahme wird dem Schuldner die Verwaltung und die Benutzung des Grundstücks entzogen (§ 148 Abs. 2 ZVG). Der Zwangsverwalter wird gerichtlich bestellt (§ 150 Abs. 1 ZVG) und unterliegt der gerichtlichen Aufsicht (§ 153 ZVG). Hinsichtlich des Unabhängigkeitsgebots kann es in besonderen Ausnahmefällen (§§ 150a, 150b ZVG) zu gewissen Abweichungen kommen, wenn die Verfahrensbeteiligten in begrenztem Umfang auf das Verwalteramt einwirken können. Sofern dabei der Schuldner als Verwalter eingesetzt wird, ist er von einer unabhängigen Aufsichtsperson zu überwachen (§ 150c ZVG), sodass die unabhängige Amtsführung im Interesse der Gläubigergesamtheit gewahrt bleibt.232 Die vergleichbare Ausgestaltung der Regelungen für die verschiedenen privatrechtlichen Verwalter untereinander und im Vergleich zur Insolvenzordnung zeigt, dass deren Verpflichtung zum fremdnützigen Handeln eng verbunden ist mit dem Unabhängigkeitsgebot. Denn nur wenn der jeweilige Verwalter seine Aufgaben als Unabhängiger wahrnimmt, ist sichergestellt, dass die jeweiligen Verfahrensziele angestrebt werden, die vor allem die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger im Blick haben.233 Auch der Testamentsvollstrecker ist zu einer unabhängigen Amtsführung verpflichtet.234 Dies ergibt sich insbesondere aus seiner Aufgabe, die letztwilligen Verfügungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen, § 2203 BGB. Zudem leitet sich seine Stellung allein vom Erblasser her, dessen über den Tod fortwirkender „verlängerter Arm“ er ist.235 Seine Unabhängigkeit gilt sowohl gegenüber den Erben als auch gegenüber den Nachlassgläubigern. In Bezug auf 226 Nach RGZ 135, 305, 307 hat der Nachlassverwalter die Stellung „eines amtlich bestellten Organs zur Verwaltung einer fremden Vermögensmasse mit eigener Parteistellung im Rechtsstreit“. 227 § 1981 BGB. 228 §§ 1975, 1962, 1915 Abs. 1, 1789 BGB. 229 §§ 1975, 1962, 1915 Abs. 1, 1837 Abs. 2 BGB, dazu Staudinger/Marotzke, BGB, § 1985 Rdnr. 36. 230 BGH NZI 2009, 259 Rdnr. 10 f.; Preuß, Zivilrechtspflege, S. 18. 231 BGH NZI 2009, 259 Rdnr. 10; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, § 150a ZVG Rdnr. 18. 232 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 71. 233 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 71. 234 BGHZ 25, 275, 281 f.; 30, 67, 73; siehe auch Bengel/Reimann, Hdb Testamentsvollstreckung, 1. Kapitel Rdnr. 13. 235 Bartsch, Testamentsvollstrecker, S. 35.
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den Erben ergibt sich dies aus § 2205 Satz 2 BGB i.V.m. §§ 2211 Abs. 1, 2212 2205 BGB, dass Rechtsträgerschaft und BGB.236 Zum einen bestimmt § Rechtsausübung auseinanderfallen. Zum anderen schließen §§ 2201 Abs. 1, 2212 BGB die Befugnis des Erben aus, über die Nachlassgegenstände zu verfügen oder Rechte gerichtlich geltend zu machen, die der Testamentsvollstreckung unterliegen. Daher kann der Erbe weder auf die Nachlassgegenstände zugreifen noch dem Testamentsvollstrecker hinsichtlich der Verfügungen Weisungen erteilen.237 Auch von den Nachlassgläubigern muss der Testamentsvollstrecker unabhängig sein. Ihre Möglichkeiten zur Einflussnahme auf den Testamentsvollstrecker begrenzt das Gesetz daher in § 2213 BGB auf die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen. Schließlich untersteht der Testamentsvollstrecker auch keiner staatlichen Aufsicht.238
VIII. Compliance-Stelle bzw. Compliance-Beauftragter 1.) Rechtliche Verankerung und Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses Für die Compliance-Stelle von Wertpapierdienstleistungsunternehmen schreibt § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG vor, dass diese unabhängig zu sein hat.239 Aufgabe der Compliance-Stelle ist es, unternehmensintern dafür zu sorgen, dass das Unternehmen, dessen Leitung und Mitarbeiter die gesetzlichen Vorgaben des WpHG – und, weiter verstanden, alle das Unternehmen betreffende Regelungen 240 – einhalten und ihre daraus resultierenden Pflichten erfüllen.241 Sie hat dabei eine Überwachungs- und eine Beratungsfunktion.242 Als institutioneller Funktionsträger des Wertpapierdienstleistungsunternehmens243 unterscheidet sie sich von den vorangegangenen Entscheidungsträgern allerdings darin, Adams, Interessenkonflikte, S. 10 ff. Zur Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers (Mandat, Vertretung, Amt) siehe etwa Bengel/Reimann, Hdb Testamentsvollstreckung, 1. Kapitel Rdnr. 11 ff.; Bartsch, Testamentsvollstrecker, S. 40 ff. 237 RGZ 133, 128, 134; BGHZ 25, 275, 280; vgl. auch BGHZ 30, 67, 73. 238 Adams, Interessenkonflikte, S. 12 f. 239 Zum Thema Compliance siehe etwa Hauschka, Corporate Compliance; Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern; Bicker, AG 2012, 542; Fleischer, CCZ 2008, 1; Hauschka, NJW 2004, 257; Lösler, WM 2010, 1917; Lösler, WM 2008, 1098; Lösler, NZG 2005, 104; Niermann, ZBB 2010, 400; Röh, BB 2008, 398; Spindler, WM 2008, 905; Veil, WM 2008, 1093; Zingel, BKR 2010, 500. 240 Zu den verschiedenen Begriffsverständnissen Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rdnr. 1 ff.; siehe auch Lösler, WM 2008, 1098, 1099 f. 241 Buff, Compliance, S. 10 ff.; Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rdnr. 1; Lösler, Compliance, S. 194; Fleischer, CCZ 2008, 1; Veil, WM 2008, 1093, 1096. Vgl. auch Hauschka, NJW 2004, 257. 242 Vgl. § 12 Abs. 3 Satz 1 WpDVerOV. 243 Lösler, Compliance, S. 191. 236
VIII. Compliance-Stelle bzw. Compliance-Beauftragter
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dass sie innerhalb eines Unternehmens angesiedelt ist. Ihre Verantwortung für die ihr übertragenen Aufgaben leitet sie von der Geschäftsleitung ab, 244 denn diese ist für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation (und damit auch für die Compliance) gesamtverantwortlich.245 Wie die Geschäftsleitung hat daher auch die Compliance-Stelle die Unternehmensinteressen zu wahren.246 Andererseits hat sie bei ihrer Aufgabenerfüllung auch die Anlegerinteressen und die Integrität des Kapitalmarkts zu berücksichtigen.247 Diese über das einzelne Unternehmen hinausgehende Schutzrichtung der Tätigkeit der Compliance-Stelle rechtfertigt es, dass sie nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG ihre Aufgaben unabhängig wahrzunehmen hat.248
2.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses a.) Unabhängigkeit von der Geschäftsführung Was Unabhängigkeit im Fall der Compliance-Stelle bedeutet, ist umstritten. Insbesondere hinsichtlich der Frage, ob die Compliance-Stelle der Geschäftsleitung weisungsunterworfen ist, bestehen Meinungsverschiedenheiten: Eine am Gesellschaftsrecht orientierte Ansicht verneint eine Unabhängigkeit von der Geschäftsleitung, 249 eine stärker kapitalmarktrechtlich ausgerichtete Ansicht bejaht diese hingegen, soweit es um die Überwachungs- und Beratungstätigkeit der Compliance-Stelle geht.250 Die gesellschaftsrechtliche Ansicht stellt darauf ab, dass Compliance zur Leitungspflicht der Geschäftsleitung gehört, die für das gesamte Geschehen im Unternehmen – und insbesondere für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation 251 – gesamtverantwortlich ist.252 Bei Compliance handele es sich um eine „in besonderem Maße institutionalisierte und gesetzlich angeordnete Delegation von Leitungspflichten auf nachgeordnete Stellen“.253 Entsprechend bleibe die Letztentscheidungsbefugnis bei Fragen der
Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rdnr. 65. Siehe dazu § 25a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 KWG. 246 Lösler, WM 2008, 1098, 1102. 247 Veil, WM 2008, 1093, 1097; a.A. Lösler, WM 2008, 1098, 1102. 248 Siehe dazu auch § 12 Abs. 4 Satz 3 WpDVerOV. 249 Z. B. Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 99; Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rdnr. 65; Lösler, WM 2010, 1917, 1919; ders., WM 2008, 1098, 1103 f.; ders., NZG 2005, 104, 107; Röh, BB 2008, 398, 403; Spindler, WM 2008, 905, 911. Siehe auch BaFin, MaComp, BT 1.1.1 Nr. 1. 250 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 82; Veil, WM 2008, 1093, 1097 f. 251 Siehe dazu für Kreditinstitute § 25a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 KWG. 252 Zu Compliance als Aufgabe der Geschäftsleitung etwa Fleischer, CCZ 2008, 1, 3; Spindler, WM 2008, 905, 909. 253 Lösler, WM 2008, 1098, 1104. 244 245
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Compliance beim Geschäftsleitungsorgan, das die Wahrnehmung der Compliance-Verantwortung jederzeit an sich ziehen könne.254 Demgegenüber stützt sich die kapitalmarktrechtlich orientierte Ansicht auf das öffentliche Interesse an einer wirksamen Compliance und den effet utile (Art. 4 Abs. 3 EUV).255 Dem Argument der gesellschaftsrechtlich orientierten Ansicht, dass die Geschäftsleitung die Gesamtverantwortung trage, wird damit begegnet, dass der Leitung ausreichend Kontrollmöglichkeiten verblieben, um die Compliance-Stelle effektiv zu überwachen. So habe sie jederzeit das Recht, von dem Compliance-Beauftragten Auskunft über die Compliance-Funktion und über mögliche Mängel im Unternehmen zu verlangen.256 Zudem müssten die Compliance-Mitarbeiter der Geschäftsleitung und dem Aufsichtsorgan regelmäßig über die Angemessenheit und Wirksamkeit der Grundsätze, Mittel und Verfahren nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG berichten.257 Schließlich könne die Geschäftsleitung die Benennung des Compliance-Beauftragten jederzeit widerrufen.258 Für die kapitalmarktrechtliche Ansicht spricht zudem, dass die Compliance-Stelle gerade nicht – etwa als Spezialregelung für bestimmte Aktiengesellschaften – im Aktiengesetz geregelt ist, sondern im bank- und kaptialmarktrechtlichen Aufsichtsrecht. Letzteres dient aber zuvörderst öffentlichen Interessen, nicht primär den Interessen der einzelnen Gesellschaften. Zudem verwendet das WpHG den Begriff der Unabhängigkeit ohne ihn weiter einzuschränken (z. B. „unabhängig von anderen Geschäftsbereichen“ o.ä.). Da „Unabhängigkeit“ immer auch die Abwesenheit eines Über-Unterordnungsverhältnisses impliziert, deutet dies darauf hin, dass der Compliance-Stelle keine Vorgaben gemacht werden dürfen, wie sie ihre Aufgaben zu erfüllen hat. Auch kann der Vorstand die Compliance-Aufgaben nicht grundsätzlich (wieder) an sich ziehen, weil nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 eine „dauerhafte … Compliance-Funktion einzurichten ist“. Das WpHG beschneidet damit den diesbezüglichen Gestaltungsspielraum der Geschäftsleitung. Nicht als Gegenargument herangezogen werden kann, dass etwa für den Datenschutzbeauftragten in § 4f Abs. 3 Satz 2 BDSG ausdrücklich statuiert wird, dass dieser „in Ausübung seiner Fachkunde auf dem Gebiet des Datenschutzes weisungsfrei“ sei, eine solche Regelung für die Compliance-Stelle dagegen fehle.259 Denn im Gegenzug fehlt in § 4f Abs. 3 BDSG eine Regelung zur „Unabhängigkeit“ des Datenschutzbeauftragten. Unabhängigkeit ist jedoch umfassender als Weisungsfrei Lösler, Compliance, S. 194 f.; Lösler, WM 2008, 1098, 1104. Siehe auch Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 99. 255 Veil, WM 2008, 1093, 1097. 256 Veil, WM 2008, 1093, 1097. 257 Siehe § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 WpHG. 258 Veil, WM 2008, 1093, 1097. 259 Siehe dazu Spindler, WM 2008, 905, 911. 254
VIII. Compliance-Stelle bzw. Compliance-Beauftragter
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heit. Denn Weisungsfreiheit ist nur eine begrenzte Form der Unabhängigkeit im Hinblick auf die Erteilung von Weisungen. Unabhängigkeit bedeutet darüber hinaus auch die Abwesenheit anderer Einflussfaktoren. Ist die Freiheit von Weisungen aber nur eine begrenzte Form der Unabhängigkeit, ist die erwähnte Schlussfolgerung, dass Weisungsfreiheit mehr sei als Unabhängigkeit logisch nicht möglich. Zu berücksichtigen ist zudem, dass – wie ausgeführt – eine Überwachung durch die Geschäftsleitung trotzdem grundsätzlich möglich bleibt. b.) Unabhängigkeit von anderen Abteilungen Einigkeit dürfte hingegen darüber bestehen, dass Unabhängigkeit der Compliance-Stelle zumindest bedeutet, dass sie von den Geschäfts-, Handels- und Abwicklungsabteilungen getrennt ist und von diesen nicht beeinflusst werden darf.260 Dieses Verständnis ergibt sich aus § 12 Abs. 4 Satz 4 Fall 1 WpDVerOV. Danach dürfen diejenigen, die mit Complianceaufgaben betraut sind, nicht „an den Wertpapierdienstleistungen beteiligt sein, die sie überwachen“.261 Das bedeutet allerdings nicht, dass es der Compliance-Stelle verboten wäre, mit anderen Geschäftsbereichen der Bank zusammenzuarbeiten.262 Vielmehr hilft eine Zusammenarbeit der Compliance-Stelle ihre Aufgabe effektiv wahrzunehmen und Compliance-Risiken frühzeitig zu erkennen.263 c.) Finanzielle Unabhängigkeit In § 12 Abs. 4 Satz 4 Fall 2 WpDVerOV kommt darüber hinaus das Erfordernis der finanziellen Unabhängigkeit zum Ausdruck. Danach darf „die Art und Weise ihrer Vergütung eine Beeinträchtigung ihrer Unvoreingenommenheit [nicht] bewirken oder wahrscheinlich erscheinen lassen“.264 Zum Teil wird daraus abgeleitet, dass die Vergütung der mit Complianceaufgaben betrauten Personen nicht vom geschäftlichen Erfolg der Gesellschaft abhängen dürfe.265 Da die Vorschrift jedoch auf die Möglichkeit zur Beeinträchtigung der Unvoreingenommenheit abstellt, kommt es darauf an, ob die erfolgsbezogenen Bestandteile der Vergütung geeignet sind, Interessenkonflikte auszulösen, die die Über260 Lösler, WM 2008, 1098, 1103 und ders., NZG 2005, 104, 107 jeweils mit Bezugnahme auf Basel Committee on Banking Supervision, Compliance and the compliance function of banks, April 2005, principle 5. Vgl. dazu auch BaFin, MaComp, BT 1.1.1 Tz. 2. 261 Siehe dazu auch Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance, Nr. 28; Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rdnr. 64. Zu den Schwierigkeiten, die sich ergeben können, wenn der Compliance-Beauftragte auch noch anderweitig eingebunden ist Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 82. 262 Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rdnr. 66. 263 Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rdnr. 66. 264 § 12 Abs. 4 Satz 4 2. Hs. WpDVerOV. 265 Lösler, WM 2008, 1098, 1103.
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wachungstätigkeit der Compliance-Mitarbeiter beeinträchtigen.266 Sofern dies nicht der Fall ist, ist eine erfolgsbezogene Vergütung von Compliance-Mitarbeitern nicht verboten. Es ist daher lediglich darauf zu achten, dass die Vergütung nicht zu stark von der Ergebnisentwicklung des Unternehmens bzw. einzelner Geschäftsbereiche abhängt und insbesondere nicht von der Tätigkeit derjenigen Mitarbeiter, die sie überwachen.267 d.) Weitere mögliche Konkretisierungen Außerdem gehört zur Unabhängigkeit des Compliance-Beauftragten und seiner Mitarbeiter, dass sie mit den erforderlichen personellen und sachlichen Mitteln ausgestattet werden, um ihre Aufgaben effektiv wahrnehmen zu können.268 Darüber hinaus enthalten die MaComp der BaFin in diesem Zusammenhang die Empfehlung, dass der Compliance-Beauftragte zur Wahrung seiner Unabhängigkeit für einen Zeitraum von 24 Monaten benannt und zusätzlich eine 12–monatige Kündigungsfrist vereinbart werden sollte.269 Eine solche Absicherung der unvoreingenommenen Aufgabenerfüllung durch eine arbeitsrechtliche Sonderstellung mittels eines besonderen Kündigungsschutzes wird allerdings verbreitet abgelehnt. 270 Da eine entsprechende ausdrückliche Regelung fehlt, müsste diese aus § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG und/oder § 12 Abs. 4 Satz 3 WpDVerOV abgeleitet werden. Da dort nicht zwischen dem Compliance-Beauftragten und anderen Compliance-Mitarbeitern unterschieden wird, müsste sich der besondere Kündigungsschutz auf alle Mitarbeiter der Compliance-Funktion erstrecken.271 Dass aber alle Mitarbeiter der Compliance-Funktion eine besondere arbeitsrechtliche Stellung erhalten sollten, lässt sich weder dem Gesetz noch den Begründungen des Gesetz- und Verordnungsgebers entnehmen.272 266 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 83; Lösler, WM 2010, 1917, 1920; differenzierend auch Röh, BB 2008, 398, 403; Spindler, WM 2008, 905, 910; anders ausgerichtet Schlicht, BKR 2006, 469, 470 (dürfen nicht zu Entscheidungen verleiten, die gesetzlichen Vorgaben zuwiderlaufen). 267 BaFin, MaComp, BT 1.1.1 Tz. 8; Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rdnr. 64; Lösler, WM 2010, 1917, 1920; Röh, BB 2008, 398, 403; Spindler, WM 2008, 905, 910; strenger noch Lösler, NZG 2005, 104, 107 (vom geschäftlichen Erfolg unabhängige Vergütung). 268 § 12 Abs. 4 Satz 3 WpDVerOV. Siehe dazu auch Basel Committee on Banking Supervision, Compliance and the compliance function of banks, April 2005, Abs. 20; Gebauer/ Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rdnr. 64; Lösler, WM 2008, 1098, 1103; ders., NZG 2005, 104, 107. 269 BaFin, MaComp, BT 1.1.1 Tz. 6. 270 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 83; Lösler, WM 2008, 1098, 1103; Röh, BB 2008, 398, 403; Spindler, WM 2008, 905, 910. 271 Lösler, WM 2010,1917, 1920; ders., WM 2008, 1098, 1103. 272 Lösler, WM 2010,1917, 1920; ders., WM 2008, 1098, 1103; Spindler, WM 2008, 905, 910 mit Hinweis u. a. auf § 4f BDSG (Datenschutzbeauftragter); siehe auch Röh, BB 2008, 398, 403.
IX. Aufsichtsrat
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IX. Aufsichtsrat 1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses Mit Blick auf den Aufsichtsrat findet sich eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern lediglich in § 100 Abs. 5 AktG für den unabhängigen Finanzexperten im Aufsichtsrat.273 Darüber hinaus enthält Ziff. 5.4.2 des Deutschen Corporate Governance Kodex Empfehlungen zur Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern. Bedeutung für das Verständnis dieser verschiedenen Unabhängigkeitserfordernisse hat vor allem die Empfehlung der Kommission zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren bzw. Aufsichtsratsmitgliedern von 2005274.
2.) Einordnung des Unabhängigkeitserfordernisses für Aufsichtsräte a.) Das besondere Spannungsverhältnis zwischen Unabhängigkeit und Sachkunde im Fall des Aufsichtsrats Die Unabhängigkeitserfordernisse für den Aufsichtsrat lassen sich im Vergleich zu den vorangehenden Fällen schwerer einordnen und konkretisieren. Die Stellung von Aufsichtsräten als Organmitglieder und damit als Teil einer Gesellschaft ist funktional eine andere als etwa die eines unternehmensexternen Wirtschaftsprüfers oder Insolvenzverwalters. Um die Aufgaben eines Aufsichtsratsmitglieds sachgerecht erfüllen zu können, ist regelmäßig ein guter Einblick in das Unternehmen von Vorteil und häufig sogar erforderlich. Hier kommt es zu einem Spannungsverhältnis zwischen Unabhängigkeit und (unternehmensspezifischer) Sachkunde.275 Zudem sind für Gesellschaften häufig gerade solche Aufsichtsratsmitglieder interessant, die möglichst viele Kontakte zu Dritten und innerhalb des Unternehmens haben, die der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft nützlich sein können. Unabhängigkeit ist im Fall von Aufsichtsräten also nicht immer unbedingt erstrebenswert.
273 Monographisch dazu z. B. Nowak, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglied; Bahreini, Der unabhängige Finanzexperte i.S.v. § 100 Abs. 5 AktG. Zur Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern auch Beyer, Unabhängigkeit, passim. 274 Empfehlung der Kommission v. 15.2.2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats, ABlEU Nr. L 52 v. 25.2.2005, S. 51. 275 Siehe etwa Fairfax, in: Hill/McDonnell, Research Handbook, S. 133, 180 ff., 182; Florstedt, ZIP 2013, 337, 343, Lieder, NZG 2005, 569, 574.
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b.) Einfluss des angloamerikanischen Rechts: Der „independent director“ Zurückzuführen ist diese Entwicklung hin zu Unabhängigkeitserfordernissen für Aufsichtsratsmitglieder auf angloamerikanische Einflüsse.276 Die Gesellschaftsstruktur in den USA aber auch in England zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass es keine strukturelle Trennung in ein Geschäftsführungsund ein Überwachungsorgan gibt, wie dies in Deutschland mit dem Vorstand und dem Aufsichtsrat der Fall ist. Vielmehr sind dort beide Funktionen im board (Verwaltungsrat) vereinigt. Um auch bei einer solchen monistischen Organisationsstruktur eine in gewissem Umfang unabhängige Überwachung sicherzustellen, wurden in zunehmendem Maße „independent directors“ gefordert. Denn unabhängige directors seien besser in der Lage die Veröffentlichungen (financial disclosure) und die internen Kontrollen eines Unternehmens zu überwachen als nicht unabhängige directors.277 Entsprechend wird in der nunmehr ganz überwiegend unabhängigen Besetzung des board ein Schwenk vom beratenden zum überwachenden board gesehen.278 Diese Entwicklung wird zurückgeführt auf die vielen neuen kapitalmarktrechtlichen Gesetze in jüngerer Zeit, das Anliegen, der Korruption entgegenzuwirken, und auf die Möglichkeit, sich durch unabhängige directors vor einer Haftung abzuschirmen, sowie auf die take over-Rechtsprechung in Delaware, die Anreize für die unabhängige Besetzung von boards setzt.279 Weitere wichtige Gründe sind der geringe Einfluss der shareholder auf die Leitung der Gesellschaft in den USA und auf das Gesellschaftsrecht der US-Bundesstaaten sowie die stetig wachsende Bedeutung institutioneller Investoren.280 Ein Unabhängigkeitserfordernis auf bundesrechtlicher Ebene statuiert etwa § 10(a) Investment Company Act von 1940 für Investmentgesellschaften; danach müssen 40% der directors unabhängig sein.281 Einen weitergehenden Anwendungsbereich haben die im Zuge der Umsetzung des Sarbanes Oxley Act in den Securities Exchange Act 1934 (SEA) aufgenommenen Unabhängig276 Ausführlich zur Bedeutung von “independent directors” und den historischen, rechtstatsächlichen und internationalen Bezügen M. Roth, ZHR 175 (2011), 605, 609 ff.; ausführlich zum Konzept des „independent director“ Clarke, Setting the Record Straight: Three Concepts of the Independent Director, GWU Legal Studies Research Paper No. 199, March 17, 2006, S. 9 ff., abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=892037 (Stand: 28.07.2014); außerdem Ringe, EBOR 14 (2013), 401. Zur Fokussierung „guter Corporate Governance“ auf unabhängige Direktoren. Zur internationalen Debatte siehe außerdem z. B. Gilson/Kraakman, 43 Stan. L. Rev. 863 (1991); Gordon, 59 Stan. L. Rev. 1465, 1468 (2007). Überblick bei Enriques/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman et al., Anatomy S. 64. Für Deutschland etwa G.H. Roth/Wörle, ZGR 2004, 565. 277 SEC Release 33–8220, 68 FR 18788, 18790. 278 M. Roth, ZHR 175 (2011), 605, 624; Gordon, 59 Stan. L. Rev. 1465, 1514 ff. (2007). 279 M. Roth, ZHR 175 (2011), 605, 610 m.w.N. 280 M. Roth, ZHR 175 (2011), 605, 624. 281 Dazu M. Roth, ZHR 175 (2011), 605, 612; Schmolke, WM 2007, 1909, 1911.
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keitsregelungen. Nach § 10A(m)(1) iVm (3)(A) SEA 282 dürfen nur Gesellschaften börsennotiert werden, die ein audit committee haben, das ausschließlich mit unabhängigen directors besetzt ist. Unabhängig soll nur sein, wer keine über die Direktorenbezüge hinausgehenden Vergütungen, etwa für Beratungen,283 vom Unternehmen erhält und auch nicht in irgendeiner Weise mit der Gesellschaft oder einem Tochterunternehmen verbunden („affiliated“) ist.284 Darüber hinaus enthalten die von der Securities and Exchange Commission gebilligten listing rules der US-amerikanischen Börsen detaillierte Regelungen zur Unabhängigkeit. Diese verlangen mittlerweile sogar, dass die Mehrheit des gesamten board aus unabhängigen directors bestehen muss (z. B. Nasdaq Rule IM 5605–1).285 Um als unabhängig zu gelten, schreiben die listing rules insbesondere vor,286 dass ein director287 – während der letzten drei Jahre nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft gewesen sein darf, – während der letzten drei Jahre keine direkte Vergütung in Höhe von mehr als US-$ 120.000 über einen Zeitraum von 12 Monaten erhalten haben darf – wobei Vergütungen für die Tätigkeit als director oder Rentenansprüche nicht berücksichtigt werden, – kein Partner oder Angestellter des Abschlussprüfers der Gesellschaft gewesen sein darf, – während der letzten drei Jahre kein „executive officer“ einer anderen Gesellschaft gewesen sein darf, bei dem einer der „executive officers“ der Gesellschaft im Vergütungsausschuss sitzt, und – er nicht Angestellter288 bzw. Partner, Executive Officer oder Mehrheitsaktionär289 einer Gesellschaft sein darf, die in den letzten drei Geschäftsjahren Zahlungen in Höhe von mehr als US-$ 1 Mio. oder mehr als 2% 290 bzw. US-$ 200.000 oder 5% 291 ihrer Bruttoeinnahmen von der Gesellschaft erhalten oder an diese gezahlt hat. 15 U.S.C.78j-1(m)(1) iVm (3)(A). 15 U.S.C.78j-1 (m)(3)(B)(i) Securities and Exchange Act. Siehe dazu auch die Ausführungen in SEC Release 33–8220, 68 FR 18788, 18791 ff. vom 16.4.2003. 284 15 U.S.C.78j-1(m)(3)(B)(ii) Securities and Exchange Act. Siehe dazu auch die Ausführungen in SEC Release 33–8220, 68 FR 18788, 18793 ff. vom 16.4.2003. Zur Ausnahmeregelung für Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat oder Prüfungsausschuss ausländischer Gesellschaften in 17 C.F.R. 240.10A-3 (b)(1)(iv)(C) siehe etwa Windbichler, FS Schwark, 2009, S. 805, 815. 285 Dazu z. B. Siehe dazu Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 581. 286 NYSE Listed Company Manual, Rule 303A.02 (b); NASDAQ Equity Rules, Rule 5606(a)(2). 287 Größtenteils müssen auch die Familienmitglieder der directors diese Anforderungen erfüllen. 288 NYSE Rule 303A.02 (b)(v). 289 NASDAQ Rule 5606(a)(2)(D). 290 NYSE Rule 303A.02 (b)(v). 291 NASDAQ Rule 5606(a)(2)(D), wobei hier noch Ausnahmen vorgesehen sind. 282 283
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Auch in England ist eine immer stärkere Hinwendung zu unabhängigen directors zu beobachten. Der Cadbury-Report292 von 1992 sah vor, dass das board einer Gesellschaft aus einer ausreichenden Anzahl nicht geschäftsführender directors bestehen sollte, wovon die Mehrheit unabhängig sein sollte.293 Im Combined Code von 2003 war dann vorgesehen, dass das board mindestens zur Hälfte aus unabhängigen directors bestehen sollte.294 Diese Regelung hielt dann auch Einzug in den nun aktuellen UK Corporate Governance Code, der aus dem Combined Code hervorgegangen ist.295 Eine ausschließliche bzw. überwiegende Besetzung mit unabhängigen directors ist in England für die verschiedenen Ausschüsse (audit, nomination, remuneration) vorgesehen.296 Für das deutsche Recht eignet sich das angloamerikanische Konzept des „independent director“ nur begrenzt. Denn das Kernproblem monistischer Boardsysteme, dass Geschäftsführung und Kontrolle im Verwaltungsrat zusammenfallen, wird im deutschen Aktienrecht, das einem dualistischen Ansatz folgt, durch § 105 Abs. 1 AktG gelöst, der die Inkompatibilität von Aufsichtsratsund Vorstandsmitgliedschaft anordnet.297 Darüber hinaus kommt es zu Schwierigkeiten bei einer unmittelbaren Übertragung ins deutsche Recht, weil etwa Arbeitnehmer nicht als „unabhängig“ im Sinne des US-amerikanischen Konzeptes eingeordnet werden können.298
3.) Schutzzweck der Unabhängigkeitserfordernisse Zweck der Unabhängigkeitserfordernisse für die Aufsichtsratsmitglieder ist es, diese in ihrer Funktion als Überwacher des Vorstands, vgl. § 111 Abs. 1 AktG, zu stärken und zu gewährleisten, dass diese Funktion nicht beeinträchtigt wird. Die Unabhängigkeit eines Mitglieds des Aufsichtsrats soll sicherstellen, dass dieses Mitglied sein Aufsichtsratsmandat im Interesse der Gesellschaft und frei Dieser war Grundlage für den ersten Code of Conduct in England. Siehe dazu M. Roth, ZHR 175 (2011), 605, 617. 293 Cadbury Report, 1992, Best Practices, 1.3 und 2.2. 294 Combined Code 2003, Code Provision A.3.2 (eine Ausnahme galt für kleinere Unternehmen, bei denen wenigstens zwei directors unabhängig sein sollten). 295 UK Corporate Governance Code, Version September 2012, Code Provision B.1.2. 296 UK Corporate Governance Code, Version September 2012, Code Provision B.2.1 (nomination committee – Mehrheit), C.3.1 (audit committee – alle, Ausnahme für kleine Gesellschaften), D.2.1 (remuneration committee – alle, Ausnahme für kleine Gesellschaften). 297 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 105 Rdnr. 6; K. Jaspers, AG 2009, 607, 608. Siehe auch Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 229 (mit Blick auf die Empfehlung der Europäischen Kommission vom 15.02.2005 zur Unabhängigkeit von Aufsichtsräten – dazu nachstehend). Zum Vergleich von monistischen und dualistischen Systemen. 298 Dies hat dazu geführt, dass die US-amerikanische SEC bei ihren unabhängigkeitsbezogenen Regelungen besondere Ausnahmen für deutsche Unternehmen eingeführt hat, um der deutschen Mitbestimmung Rechnung zu tragen. 292
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von konfligierenden eigenen oder Drittinteressen ausübt.299 So sieht denn etwa auch die obergerichtliche Rechtsprechung die Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder als „zentrales Gebot einer effizienten Überwachung“ an.300 Neben allgemeinen Befangenheitsgründen spielen im Fall des Aufsichtsrats daher vor allem solche Gründe eine Rolle, die darauf hindeuten, dass ein Aufsichtsratsmitglied die Überwachung der Rechnungslegung und des Risikomanagements nur unzureichend durchführen wird.301 Ein über das unmittelbare Interesse der Gesellschaft hinausgehender Zweck des Unabhängigkeitserfordernisses, d. h. eine Anknüpfung an das Vertrauen Dritter bzw. der Allgemeinheit ließe sich jedenfalls für das unabhängige Mitglied im Prüfungsausschuss vertreten. Dieser Ausschuss hat insbesondere die Aufgabe, den Rechnungslegungsprozess zu überwachen und sich mit der Abschlussprüfung zu befassen (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG). Gerade bei der Rechnungslegung gibt es für den Vorstand besondere Anreize zu buchhalterischer „Kreativität“, um Ergebnisse zu beschönigen. Abhängigkeiten von Prüfungsausschussmitgliedern insbesondere gegenüber dem Vorstand oder diesem nahestehenden Personen können der Aufdeckung solcher Missstände entgegenwirken und die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats einschränken. Entsprechend lässt sich hier das Bedürfnis nach einer unabhängigen Stimme in besonderem Maße rechtfertigen.
4.) Konkretisierung der Unabhängigkeitserfordernisse Das Verständnis von Unabhängigkeit hat sich im deutschen Recht an den Regelungen insbesondere des Aktienrechts und europarechtlichen Vorgaben zu orientieren. Im Fall der Unabhängigkeit im Sinne des DCGK kommen dessen Regelungen hinzu. Zudem kann man sich bei Auslegungsfragen an den Unabhängigkeitsregelungen für Abschlussprüfer orientieren. Abschlussprüfer haben wie Aufsichtsratsmitglieder eine Überwachungsfunktion und müssen über besondere Sachkompetenz verfügen, die mit derjenigen vergleichbar ist, die § 100 Abs. 5 AktG fordert.302 a.) Vorschriften des Aktiengesetzes Im AktG findet sich eine Regelung zur Unabhängigkeit von (bestimmten) Aufsichtsratsmitgliedern in § 100 Abs. 5 AktG (unabhängiger Finanzexperte). Diese Norm schreibt vor, dass bei Gesellschaften i.S.v. § 264d HGB, also solchen Diekmann/Bidmon, NZG 2009, 1087, 1090; Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 341. Siehe etwa OLG München, AG 2009, 294, 295. Zur Überwachungspflicht des Aufsichtsrats siehe nur Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rdnr. 3.194 ff. 301 K. Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 100 Rdnr. 49. 302 K. Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 100 Rdnr. 49. 299
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die kapitalmarktorientiert sind,303 „mindestens ein unabhängiges Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügen“ muss. Dementsprechend muss mindestens ein Mitglied des Aufsichtsrates einer kapitalorientierten Gesellschaft unabhängig sein, damit dieser ordnungsgemäß besetzt ist. Eine Definition der Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern enthält das Aktiengesetz jedoch nicht. Es gibt nur vereinzelte gesetzliche Regelungen, die eine Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern ganz allgemein sicherstellen sollen: 304 So regelt § 105 Abs. 1 AktG, dass Aufsichtsratsmitglieder „nicht zugleich Vorstandsmitglied, dauernde Stellvertreter von Vorstandsmitgliedern, Prokurist oder zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigter Handlungsbevollmächtigter der Gesellschaft sein“ können. Nach § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AktG kann nicht Aufsichtsratsmitglied sein, wer „gesetzlicher Vertreter eines von der Gesellschaft abhängigen Unternehmens ist“. Außerdem werden nach § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AktG Überkreuzverflechtungen verboten, indem angeordnet wird, dass nicht Mitglied des Aufsichtsrats sein darf, wer „gesetzlicher Vertreter einer anderen Kapitalgesellschaft ist, deren Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied der Gesellschaft angehört“. Dadurch soll vermieden werden, dass derjenige, der überwachen und kontrollieren soll, selbst bei einer anderen Gesellschaft der Überwachung und Kontrolle durch den Kontrollierten unterliegt.305 Schließlich verbietet § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG im Fall von börsennotierten Gesellschaften, dass Mitglied im Aufsichtsrat wird, wer „in den letzten zwei Jahren Vorstandsmitglied derselben börsennotierten Gesellschaft war, es sei denn, seine Wahl erfolgt auf Vorschlag von Aktionären, die mehr als 25 Prozent der Stimmrechte an der Gesellschaft halten“. In der Zusammenschau dieser Vorschriften lässt sich § 100 Abs. 5 AktG entnehmen, dass Unabhängigkeit im Sinne des AktG mehr sein muss als die bloße Nichtbeteiligung an der Geschäftsleitung i.S.v. § 105 Abs. 1 AktG.306 Denn in § 100 Abs. 5 AktG wird „Unabhängigkeit“ als zusätzliches Kriterium vorgeschrieben, sodass sie nicht lediglich als Inkompatibilitätsregelung i.S.v. § 105 Abs. 1 AktG verstanden werden kann.307 Dies lässt sich auch dem Regierungsentwurf zum BilMoG, mit dem § 100 Abs. 5 AktG eingeführt wurde, entneh303 Kapitalmarktorientiert ist eine Gesellschaft, die „einen organisierten Markt im Sinn des § 2 Abs. 5 des Wertpapierhandelsgesetzes durch von ihr ausgegebene Wertpapiere im Sinn des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes in Anspruch nimmt oder die Zulassung solcher Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt beantragt hat“, vgl. § 264d HGB. 304 Zu den folgenden Regelungen siehe auch § 13 I.2.). 305 Hüffer, AktG, § 100 Rdnr. 6; Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder/Kremer, DCGK, Rdnr. 1007; Diekmann/Bidmon, NZG 2009, 1087, 1088. 306 RegE BilMoG, BT-Drs. 16/10067, S. 101; Jaspers, AG 2009, 607, 609; Staake, ZIP 2010, 1013, 1015. 307 Jaspers, AG 2009, 607, 609.
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men.308 Denn ebenso können unmittelbare oder mittelbare geschäftliche, finanzielle oder persönliche Beziehungen zur Geschäftsführung zu einer Besorgnis der Befangenheit führen, die der Wahrnehmung der Aufsichtsfunktion entgegensteht.309 Weitergehend konkretisiert werden kann der Unabhängigkeitsbegriff mit Hilfe der Kommissionsempfehlung zu nicht geschäftsführenden Direktoren oder Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften von 2005310 , auf die in der Begründung des Regierungsentwurfs zum BilMoG ausdrücklich verwiesen wird.311 Diese ist daher bei der Auslegung von § 100 Abs. 5 AktG zu berücksichtigen.312 b.) Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) Neben dem Unabhängigkeitserfordernis nach § 100 Abs. 5 AktG, das nur für den unabhängigen Finanzexperten gilt, gibt es für börsennotierte Gesellschaften außerdem die Empfehlungen zur Unabhängigkeit des DCGK, die weiter ausgreifen. Ziff. 5.4.2 Satz 1 DCGK zufolge soll dem Aufsichtsrat eine nach seiner Einschätzung angemessene313 Anzahl unabhängiger Aufsichtsratsmitglieder angehören.314 Nach Satz 2 dieser Empfehlung ist „ein Aufsichtsratsmitglied […] nicht als unabhängig anzusehen, wenn es in einer persönlichen oder einer geschäftlichen Beziehung zu der Gesellschaft, deren Organen, einem kontrollierenden Aktionär oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen steht, die einen wesentlichen und nicht nur vorübergehenden Interessenkonflikt begründen kann“.315 Diese Definition lehnt sich an die Begriffsbestimmung der EU-Empfehlung an. Danach schließt nicht jeder Interessenkonflikt die Unabhängigkeit aus, sondern nur solche Interessenkonflikte, die „wesentlich“ sind, also eine gewisse Signifikanz aufweisen. Wird Unabhängigkeit aber als Abwesenheit von signifikanten (wesentlichen) Interessenkonflikten verstanden, so RegE BilMoG, BT-Drs. 16/10067, S. 101. RegE BilMoG, BT-Drs. 16/10067, S. 101. 310 Zu dieser sogleich unter § 5 IX.4.)c.). 311 Siehe RegE BilMoG, BT-Drs. 16/10067, S. 102. 312 Habersack, FS Goette, 2011, S. 121, 126. 313 Zuvor wurde eine „ausreichende“ Anzahl gefordert. Dazu Hüffer, ZIP 2006, 637, 640 f. 314 Hinsichtlich des Verfahrens, wie diese Einschätzung erfolgen soll, lässt sich dem Kodex nichts entnehmen. Zwar geht es hierbei um eine Meinungsbildung. Da es dafür aber kein spezifisches Verfahren gibt, sollte sie mittels eines Beschlusses erfolgen. Siehe Hüffer, ZIP 2006, 637, 639. Unter Hinweis auf die ratio des § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG wird vertreten, dass nur Aktionärsvertreter in die Einschätzung einzubeziehen seien und auch nur sie an dieser Beschlussfassung teilnehmen können, weil nur sie für das Unabhängigkeitskriterium in Fragen kämen, siehe Vetter, BB 2005, 1689, 1690 f. 315 Da nach Ziff. 5.4.2 Satz 2 DCGK eine Beziehung zur Gesellschaft, deren Vorstand oder Dritten einen Interessenkonflikt begründen „kann“, muss in einem solchen Fall nicht notwendigerweise immer auch ein (wesentlicher) Interessenkonflikt vorliegen. Dies erlaubt auch im Fall des DCGK einen abstrakt-typisierenden Ansatz, bei dem typischerweise auftretende, gravierende Interessenkonflikte die Unabhängigkeit ausschließen. 308 309
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wird damit nur eine „Teilmenge aus der Gesamtmenge der Interessenkonflikte“ erfasst.316 Ob ein Interessenkonflikt „wesentlich“ ist, ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Beziehung, insbesondere ihrer Bedeutung für den Betroffenen und ihren Risiken, zu ermitteln.317 Außerdem muss es sich um einen dauerhaften Konflikt handeln, weil nur ein solcher zu einer längerfristigen Beeinträchtigung des Einzelnen und seiner Tätigkeit führt.318 Der Begriff der „persönlichen Beziehungen“ im Sinne von Ziff. 5.4.2 Satz 2 DCGK kann anhand von § 15a Abs. 3 Satz 1 WpHG oder – da es bei § 15a Abs. 3 Satz 1 WpHG nicht um eine wirtschaftliche Zurechnung geht, vorzugswürdiger – noch weitergehend anhand von § 15 Abgabenordnung konkretisiert werden.319 Erfasst werden somit Ehepartner, eingetragene Lebenspartner, unterhaltsberechtigte Kinder und andere Verwandte, die seit mindestens einem Jahr im gleichen Haushalt leben, im zweiten Fall darüber hinaus noch Geschwister, deren Kinder und sonstige Verwandte sowie Verschwägerte, Pflege eltern und -kinder. „Geschäftliche Beziehungen“ sind alle wirtschaftlichen Beziehungen, insbesondere Kunden-, Liefer- und Finanzbeziehungen.320 Solche Beziehungen sind jedoch nur relevant, wenn sie zu den in Ziff. 5.4.2 Satz 2 DCGK Genannten bestehen. Dagegen wird die Unabhängigkeit grundsätzlich nicht – wie zwischenzeitlich erwogen – durch Beziehungen zu sonstigen „Dritten“ beeinträchtigt, zu denen (sonstige) Kreditgeber, Lieferanten, Kunden sowie Wettbewerber gehören.321 Entstehen aufgrund von Beziehungen zu solchen Kreditgebern, Lieferanten oder Kunden Interessenkonflikte, soll dies nach Ziff. 5.5.2 DCGK lediglich dem Aufsichtsrat gegenüber offen gelegt werden.322 Vorsichtiger ist der Kodex hinsichtlich Konkurrenten. Nach Ziff. 5.4.2 Satz 4 DCGK sollen Aufsichtsratsmitglieder „keine Organfunktion oder Beratungsaufgaben bei wesentlichen Wettbewerbern des Unternehmens ausüben“.323 Des Weiteren kann aus Ziff. 5.4.2 Satz 3 DCGK, wonach dem Aufsichtsrat nicht 316 Bericht der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex an die Bundesregierung, Nov. 2010, S. 28. Daraus ergebe sich, dass munmehr eine abstrakt-latente Gefahr genüge, so Rubner/Fischer, NJW–Spezial 2012, 399. 317 Ringleb/Kremer/Lutter/v.Werder/Kremer, DCGK, Rdnr. 1020; Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 345. 318 Vgl. Ringleb/Kremer/Lutter/v.Werder/Kremer, DCGK, Rdnr. 1022; Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 345. 319 Ringleb/Kremer/Lutter/v.Werder/Kremer, DCGK, Rdnr. 1015; Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 343. 320 Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 344. 321 Demgegenüber schließt die Eigenschaft als oder eine Beziehung zum Mehrheitsaktionär die Unabhängigkeit aus. Dazu § 5 IX.5.)c.). Gegen eine Aufsichtsratsmitgliedschaft von wichtigen Zulieferern, Kunden oder Führungskräften von Konkurrenzunternehmen etwa Säcker, AG 2004, 180, 183. Siehe dazu auch die Ausführungen von Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 342. 322 Siehe dazu etwa Wilsing/von der Linden, DStR 2012, 1391, 1393. 323 Zu Wettbewerbssituationen und Unabhängigkeit Langenbucher, ZGR 2007, 571 ff., insb. 583 ff., mit Blick auf die Regelung im DCGK siehe S. 587 f.
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mehr als zwei ehemalige Mitglieder des Vorstands angehören sollen, geschlossen werden, dass eine vorherige Mitgliedschaft im Vorstand die Unabhängigkeit ausschließt.324 Anknüpfend an dieses Unabhängigkeitsverständnis empfiehlt der DCGK in Ziff. 5.3.2 Satz 3 DCGK, dass der Vorsitzende des Prüfungsausschusses unabhängig und kein ehemaliges Vorstandsmitglied der Gesellschaft sein soll, dessen Bestellung vor weniger als zwei Jahren geendet hat. c.) Kommissionsempfehlung Sowohl § 100 Abs. 5 AktG als auch das Unabhängigkeitsverständnis des DCGK sind von der Empfehlung der Kommission vom 15. Februar 2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren oder Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs- und Aufsichtsrats325 beeinflusst. So wird im Rahmen der Regierungsbegründung zum BilMoG mit Blick auf den Unabhängigkeitsbegriff des § 100 Abs. 5 AktG auf die Empfehlung der Kommission von 2005 verwiesen,326 sodass ihre diesbezüglichen Vorgaben auch deshalb für das deutsche Recht Bedeutung haben.327 Zudem ist eine Empfehlung der Europäischen Kommission zwar als solche nach Art. 288 Satz 5 AEUV nicht rechtsverbindlich. Aber dennoch haben die nationalen Gerichte nach der Rechtsprechung des EuGH die Empfehlungen der Kommission heranzuziehen, wenn es um die Auslegung des zur Durchführung von Gemeinschaftsrecht ergangenen nationalen Rechts geht oder verbindliche gemeinschaftsrechtliche Vorschriften zu ergänzen sind.328 Nach Ziff. 4 der Kommissionsempfehlung soll dem Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrat eine ausreichende Anzahl unabhängiger nicht geschäftsführender Mitglieder angehören, um zu gewährleisten, dass mit Interessenkonflikten von Mitgliedern der Unternehmensleitung ordnungsgemäß umgegangen wird. Die Noch weiter geht in diesem Zusammenhang Ziff. 5.4.4 Satz 1 DCGK in Anlehnung an § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG, wonach „Vorstandsmitglieder […] vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Ende ihrer Bestellung nicht Mitglied des Aufsichtsrats der Gesellschaft werden [dürfen], es sei denn ihre Wahl erfolgt auf Vorschlag von Aktionären, die mehr als 25% der Stimmrechte an der Gesellschaft halten“. 325 Empfehlung der Kommission vom 15. Februar 2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats vom 25.02.2005, ABlEU Nr. L 52 v. 25.2.2005, S. 51. Siehe dazu etwa Habersack, ZHR 168 (2004), 373; Spindler, ZIP 2005, 2033. 326 Siehe RegE BilMoG, BT-Drs. 16/10067, S. 102. 327 Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 223; Scholderer, NZG 2012, 168, 169. Für eine Auslegung des Unabhängigkeitsbegriffs im Einklang mit der Empfehlung der Kommission Kropff, FS Schmidt, 2009, S. 1023, 1027; zurückhaltend Gruber, NZG 2008, 12, 13; Habersack, AG 2008, 98, 105 f.; Scholderer, NZG 2012, 168, 171; krit. Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 228. 328 EuGH v. 13.12.1989 – Rs. C-322/88, Slg. 1989, I-4407, Rdnr. 18. 324
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se sollen die Interessen der Aktionäre und anderen betroffenen Stakeholder vertreten und in besonderer Weise schützen sowie Entscheidungen der Geschäftsführung entgegentreten, die mit diesen Interessen nicht vereinbar sind.329 Denn in Gesellschaften mit breiter Kapitalstreuung befinden sich die Aktionäre in einer eher schwächeren Position gegenüber der Geschäftsleitung; in Gesellschaften mit Mehrheitsaktionären geht es hingegen um den Schutz der Kleinaktionäre.330 Den Begriff der Unabhängigkeit definiert die Kommissionsempfehlung zunächst einmal als „Abwesenheit jeglicher signifikanter Interessenkonflikte“.331 Konkretisiert wird dies in Ziff. 13.1 der Kommissionsempfehlung, wonach ein „Mitglied der Unternehmensleitung […] als unabhängig [gilt], wenn es in keiner geschäftlichen, familiären oder sonstigen Beziehung zu der Gesellschaft, ihrem Mehrheitsaktionär oder deren Geschäftsführung steht, die einen Interessenkonflikt begründet, der sein Urteilsvermögen beeinflussen könnte“.332 Die Regelung von Einzelheiten bleibt nach Ziff. 13.2 Satz 1 der Kommissionsempfehlung den Mitgliedstaaten überlassen, wobei diese sich an den in Anhang II der Empfehlung niedergelegten Kriterien für die Beurteilung der Unabhängigkeit orientieren sollen. Im Einzelnen listet Anhang II Nr. 1 Satz 4 der Kommissionsempfehlung die folgenden Fälle auf: „a) Die betreffende Person darf kein geschäftsführendes Verwaltungsrats- bzw. Vorstandsmitglied der Gesellschaft oder einer verbundenen Gesellschaft sein, und sie darf in den vergangenen fünf Jahren kein solches Amt ausgeübt haben. b) Der nicht geschäftsführende Direktor bzw. das Aufsichtsratsmitglied darf in der Gesellschaft oder einer verbundenen Gesellschaft nicht als Arbeitnehmer beschäftigt sein und auch in den vergangenen drei Jahren nicht als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen sein, es sei denn, er gehört nicht zu den Führungskräften der Gesellschaft und ist im Rahmen eines gesetzlich anerkannten Systems der Arbeitnehmervertretung, das einen angemessenen Schutz vor missbräuchlicher Entlassung und sonstiger ungerechter Behandlung bietet, in den Verwaltungs-/Aufsichtsrat gewählt worden. c) Die betreffende Person darf von der Gesellschaft oder einer verbundenen Gesellschaft keine zusätzliche Vergütung in bedeutendem Umfang erhalten oder erhalten haben mit Ausnahme einer Vergütung für die Tätigkeit als nicht geschäftsführender Direktor bzw. als Aufsichtsratsmitglied. Als zusätzliche Vergütung gelten insbesondere Aktienoptionen und sonstige erfolgsbezogene Vergütungen. Im Rahmen eines Pensions329 Erwägungsgrund 7 der Empfehlung der EU-Kommission v. 15.02.2005. Vgl. auch Scholderer, NZG 2012, 168, 169. 330 Erwägungsgrund 7 der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 15.02.2005; siehe auch Langenbucher, ZGR 2007, 571, 589; Scholderer, NZG 2012, 168, 169. Dem letzteren Fall liegt der Gedanke zugrunde, dass der Mehrheitsaktionär bzw. mit ihm eng verbundene Personen nicht die notwendige innere Unabhängigkeit haben, um die Geschäftsleitung völlig neutral zu überwachen. Siehe Langenbucher, ZGR 2007, 571, 590. 331 Erwägungsgrund 7 Satz 6 der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 15.02.2005. 332 Vgl. dazu auch Erwägungsgrund 18 der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 15.02.2005.
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plans gezahlte Festbeträge (einschließlich nachträgliche Vergütungen) für frühere Dienstleistungen für die Gesellschaft, sind hiervon ausgenommen (sofern diese Vergütung nicht in irgendeiner Weise an die weitere Erbringung von Leistungen für die Gesellschaft gebunden ist). d) Die betreffende Person darf keinesfalls ein Anteilseigner mit einer Kontrollbeteiligung sein oder einen solchen vertreten (die Kontrolle bestimmt sich nach Maßgabe von Artikel 1 Absatz 1 der Siebenten Richtlinie 83/349/EWG des Rates). e) Die betreffende Person darf zu der Gesellschaft oder einer verbundenen Gesellschaft kein Geschäftsverhältnis in bedeutendem Umfang unterhalten oder im letzten Jahr unterhalten haben, und zwar weder direkt noch als Partner, Anteilseigner, Direktor oder als leitender Angestellter eines Unternehmens oder einer Organisation, das/die ein solches Geschäftsverhältnis zu der Gesellschaft unterhält. Dies schließt die Stellung als bedeutender Anbieter von Waren und Dienstleistungen (einschließlich finanzieller, rechtlicher oder beratender Art) ein sowie die als bedeutender Abnehmer oder als Organisation, die von der Gesellschaft oder ihrer Gruppe Leistungen in bedeutendem Umfang erhält. f) Die betreffende Person darf kein Partner oder Angestellter des derzeitigen oder früheren externen Abschlussprüfers der Gesellschaft oder einer verbundenen Gesellschaft sein und darf diese Position auch in den letzten drei Jahren nicht innegehabt haben. g) Die betreffende Person darf kein geschäftsführender Direktor bzw. Vorstandsmitglied in einer anderen Gesellschaft sein, in der ein geschäftsführender Direktor bzw. Vorstandsmitglied der Gesellschaft ein nicht geschäftsführender Direktor bzw. Aufsichtsratsmitglied ist; sie darf keine anderen bedeutsamen Verbindungen zu geschäftsführenden Direktoren der Gesellschaft durch die Beteiligung in anderen Gesellschaften oder Organisationen unterhalten. h) Die betreffende Person darf nicht länger als drei Amtszeiten als nicht geschäftsführender Direktor bzw. Aufsichtsratsmitglied tätig gewesen sein (bzw. nicht länger als 12 Jahre, wenn das einzelstaatliche Recht Amtszeiten von sehr kurzer Dauer vorsieht). i) Die betreffende Person darf kein enger Familienangehöriger eines geschäftsführenden Direktors bzw. Vorstandsmitglieds oder von Personen sein, die sich in einer der unter Buchstaben a) bis h) beschriebenen Positionen befinden.“333
Diese Empfehlungen gehen in einigen Fällen über die Regelungen in Deutschland hinaus. Beispielsweise fordert § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG eine sog. cooling off-Periode für ehemalige Vorstandsmitglieder von nur zwei Jahren, Nr. 1 lit. a des Anhangs II der Kommissionsempfehlung sieht hingegen 5 Jahre vor.334 Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Kommissionsempfehlung vor allem mit Blick auf den in anderen europäischen Ländern335 verbreiteten monistischen und nicht paritätisch mitbestimmten Verwaltungsrat zugeschnitten ist.336 Denn die Unterteilung in geschäftsführende und überwachende Mitglie333 Anhang II Nr. 1 Satz 4 der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 15.02.2005. 334 Zu weiteren Punkten siehe unten. 335 Siehe dazu die Übersicht bei Heidrick & Struggles, European Corporate Governance Report 2011: Challenging Board Performance, S. 11. 336 Wind/Klie, NZG 2010, 1413, 1415. Zum monistischen System siehe z. B. Merkt/Göt-
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der und Funktionen ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn die Verwaltung der Gesellschaft in der Hand nur eines Verwaltungsrats liegt.337 Andernfalls würde das Management ohne wirksame Überwachung agieren können und der Principal-Agent-Konflikt verschärft werden.338 Daher ein Mehrheitsaktionär Unabhängigkeit im Fall der nicht geschäftsführenden Mitglieder des Verwaltungsrats vor allem, dass sie – außer aufgrund ihrer Verwaltungsratsmitgliedschaft – keine Beziehungen zu Mitgliedern des Managements haben sollen.339 Befindet sich die Gesellschaft in der Hand eines Mehrheitsaktionärs, sollen unabhängige Direktoren dessen beherrschendem Einfluss entgegenwirken und den Konflikt mit den Minderheitsaktionären lösen.340 Denn ein Mehrheitsak tionär wird danach streben, den Verwaltungsrat vollständig mit von ihm gewählten Personen zu besetzen.341 Unabhängigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang auch Unabhängigkeit von einem kontrollierenden Aktionär. Aufgrund dieser primären Orientierung der Kommissionsempfehlung am monistischen System ist es im deutschen Aktienrecht, das sich für das dualistische System entschieden hat, gerechtfertigt, von der Kommissionsempfehlung dann abzuweichen, wenn ein vergleichbarer Unabhängigkeitsstandard bereits auf andere Weise gewährleistet ist.342
5.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit Da das Unabhängigkeitserfordernis nicht im deutschen Aktienrecht gewachsen, sondern ihm von außen (durch EU-Recht) aufgedrückt worden ist, gibt es zahlreiche Reibungspunkte mit den übrigen gesellschaftsrechtlichen Regelungen. Fraglich ist vor allem, wer als unabhängig angesehen werden kann. Näher untersucht werden sollen im Folgenden (ehemalige) Vorstandsmitglieder, Arbeitnehmer, Mehrheitsaktionäre und deren Vertreter sowie Familienmitglieder.343
hel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 566 ff.; Hopt/Leyens, ECFR 2004, 135, 149 ff. 337 Langenbucher, ZGR 2007, 571, 590. 338 Abgesehen von der Bestellung oder Abberufung aus wichtigem Grund. Langenbucher, ZGR 2007, 571, 590 f. 339 Vgl. Erwägungsgrund 8 der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 15.02.2005; Langenbucher, ZGR 2007, 571, 591; siehe auch Lutter, EuZW 2009, 799, 804. 340 Langenbucher, ZGR 2007, 571, 591. 341 Langenbucher, ZGR 2007, 571, 591. 342 Lieder, NZG 2005, 569, 570. Vgl. auch Gruber, NZG 2008, 12, 13; Lanfermann/ Röhricht, BB 2009, 887, 888. 343 Die hier untersuchten Fälle sind nicht erschöpfend. So gibt es etwa auch bei Anwälten im Aufsichtsrat besondere Konstellationen für Interessenkonflikte und fehlende Unabhängigkeit. Dazu v. Falkenhausen, ZIP 2013, 862.
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a.) (Ehemalige) Vorstandsmitglieder Aufgrund des Schutzzwecks des Unabhängigkeitserfordernisses nimmt dieses zuvörderst die Beziehung zwischen Aufsichtsrat und Vorstand in den Blick. Für gegenwärtige Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat sieht § 105 AktG eine ausdrückliche Inkompatibilität vor. Für frühere Vorstandsmitglieder von börsennotierten Gesellschaften bestimmt § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG, dass diese innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende ihrer Stellung als Vorstandsmitglied nicht Mitglied im Aufsichtsrat derselben Gesellschaft werden dürfen, sofern sie nicht auf Vorschlag von Aktionären, die mehr als 25 Prozent der Stimmrechte an der Gesellschaft halten, gewählt werden. Diese Regelungen werden in § 13 I.2.) ausführlicher untersucht. b.) Arbeitnehmer im Aufsichtsrat Hinsichtlich der Frage, ob Arbeitnehmer als unabhängig einzustufen sind oder nicht, stehen sich zwei diametrale Ansichten gegenüber. Die einen vertreten, dass die bei einem Unternehmen angestellten Arbeitnehmer nach allgemeinen Kriterien nicht als unabhängig eingestuft werden könnten, weil sie einen Arbeitsvertrag mit der Gesellschaft hätten und der von der Gesellschaft gezahlte Lohn eine wesentliche zusätzliche Vergütung darstelle.344 Auch der UK Corporate Governance Code345 und der niederländische Corporate Governance Code346 stufen dementsprechend Arbeitnehmer der Gesellschaft nicht als unabhängig ein. Die anderen sind demgegenüber der Ansicht, dass die Arbeitnehmer zumindest deutscher Gesellschaften sehr wohl als „unabhängig“ im Sinne von § 100 Abs. 5 AktG bzw. Ziff. 5.4.2 Satz 1 DCGK angesehen werden könnten.347 Dafür wird vor allem auf die Kommissionsempfehlung abgestellt. Diese bestimmt zwar in Nr. 1 lit. b des Anhangs II zunächst, dass Arbeitnehmer der Gesellschaft grundsätzlich nicht als unabhängig anzusehen sind, sieht dann aber eine Ausnahme für den Fall vor, dass der Betroffene keine Führungskraft der Gesellschaft ist und im Rahmen eines gesetzlich anerkannten Systems der Arbeitnehmervertretung gewählt wurde, das einen angemessenen Schutz vor missbräuchlicher Entlassung und sonstiger ungerechter Behandlung bietet. Die GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 90; MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 55; Scholderer, NZG 2012, 168, 173; vorsichtiger M. Roth, ZHR 175 (2011) 605, 630 f.; grds. zunächst auch Lieder, NZG 2005, 569, 571, der jedoch mit Blick auf die Mitbestimmung in diesem Fall einen „unerträglichen Normenwiderspruch“ sieht und daher Arbeitnehmer dennoch als unabhängig einstuft. Siehe in diesem Zusammenhang auch Habersack, ZHR 168 (2004) , 373, 376 f. 345 UK Corporate Governance Code, B.1.1. 346 Dutch Corporate Governance Code, III.2.2. lit. a). 347 Hinsichtlich § 100 Abs. 5 AktG K. Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 100 Rdnr. 51; Lieder, NZG 2005, 569, 571; hinsichtlich des DCGK Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1364; vorsichig Ringleb/Kremer/Lutter/v.Werder/Kremer, DCGK, Rdnr. 1017 (hinsichtlich des DCGK und der Empfehlung der EU-Kommission). 344
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se Ausnahme sollte die deutsche Unternehmensmitbestimmung abdecken.348 Die bestehenden Benachteiligungsverbote (vgl. § 26 MitbestG, § 9 DrittelbG) und der sich daraus ergebende relative Kündigungsschutz349 werden als ausreichend angesehen, um eine Unabhängigkeit der Arbeitnehmervertreter bejahen zu können.350 Der Gefahr einer Ausübung von Druck durch den Vorstand auf die Arbeitnehmervertreter werde durch die arbeitsrechtlichen Benachteiligungsverbote hinreichend vorgebeugt.351 Versteht man Unabhängigkeit in diesem Zusammenhang vor dem Hintergrund der funktionalen Trennung von Geschäftsführung und Überwachung als Abwesenheit von „Verflechtung“, so wäre eine solche im Fall von Arbeitnehmervertretern zu bejahen.352 Bei der Beantwortung der Frage nach der Unabhängigkeit von Arbeitnehmern ist zunächst zu bedenken, dass § 100 Abs. 5 AktG nicht vorschreibt, dass alle Aufsichtsratsmitglieder unabhängig sein müssen. Das deutsche Gesetz trifft also keine ausdrückliche Entscheidung darüber, ob Arbeitnehmer unabhängig sind oder nicht. Kein geeignetes Argument ist es, auf die besonderen Interessenkonflikte von Arbeitnehmervertretern zu verweisen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied entstehen können, etwa wenn über einen Abbau von Arbeitsplätzen entschieden werden muss. Solche Konflikte gehen immanent mit der gesetzlich ausgestalteten Mitbestimmung einher.353 Da der Gesetzgeber mit der Einführung der Mitbestimmung diese Konflikte rechtlich in Kauf genommen, wenn nicht sogar geradezu intendiert hat,354 sieht er in ihnen demnach keine Gefahr für das Unternehmen. Dann aber kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Rechtsverkehr diese immanenten Konflikte als eine Gefahr wahrnimmt, sodass sie auch nicht als Kriterium für feh Hüffer, ZIP 2006, 637, 639 (davon ausgenommen sind allerdings die Führungskräfte einer Gesellschaft); ebenso Lieder, NZG 2005, 569, 571. Siehe auch die auf Sect. 301 des Sarbanes-Oxley Act (Pub. L. 107–204, 116 Stat. 745) beruhende SEC Verordnung, General Rules and Regulations promulgated under the Securities and Exchange Act of 1934, Rule 10A-3 – Listing Standards Relating to Audit Committees, 68 Fed Reg. 18788, sec. (b) (1) (iv) (C). 349 KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, Anh. § 117 B § 26 MitbestG Rdnr. 8. 350 Lieder, NZG 2005, 569, 571; Spindler, ZIP 2005, 2033, 2040; a.A. GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 92. 351 K. Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 100 Rdnr. 51. Siehe auch Windbichler, FS Schwark, 2009, S. 805, 816 f. 352 Siehe Windbichler, FS Schwark, 2009, S. 805, 817. Siehe auch das ähnliche Argument von Habersack, ZHR 168 (2004) 373, 376, die Arbeitnehmer bildeten namentlich in Vergütungsfragen typischerweise ein Gegengewicht zu den Vorstellungen der Vorstandsmitglieder. Ganz anders argumentieren Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1364, nach denen es nicht um die Unabhängigkeit vom Vorstand, sondern um einen möglichen Konflikt mit dem Unternehmensinteresse gehe. 353 K. Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 100 Rdnr. 51; ähnlich Habersack, ZHR 168 (2004) 373, 376 („natürliches“ Interesse der Arbeitnehmer an der Sicherung der Arbeitsplätze und der Optimierung der Arbeitsbedingungen). 354 Dies offenbart sich insbesondere bei Tarifauseinandersetzungen und Arbeitskämpfen, dazu Möllers, NZG 2003, 697; Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 224. 348
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lende (äußere) Unabhängigkeit herangezogen werden können. Zudem ist zu bedenken, dass auch den Arbeitnehmern an einem erfolgreichen – und damit ihren Arbeitsplatz sichernden – Unternehmen gelegen ist; ein (konkreter) Interessenkonflikt tritt erst dann auf, wenn etwa Betriebsstätten geschlossen werden oder Personal abgebaut wird.355 Letztlich kann die Frage, ob Arbeitnehmer als unabhängig einzustufen sind oder nicht, nur unter Berücksichtigung des unmittelbaren Zwecks des aktienrechtlichen Unabhängigkeitsgebots beantwortet werden. Sieht man diesen darin, dass ein Gegengewicht zum Vorstand geschaffen werden soll, das sich bereits mit einem relativen Kündigungsschutz gewährleisten lässt, so wird man die Frage nach der Unabhängigkeit der Arbeitnehmer bejahen können. Sieht man hingegen einen relativen Kündigungsschutz nicht als ausreichend an, wird man die Frage verneinen. Verneinen wird man die Frage zudem, wenn man – was aufgrund der zusätzlichen gesetzlichen Verankerung neben der Mitbestimmung naheliegt – in dem unabhängigen Aufsichtsratsmitglied eine institutionalisierte Absicherung der ansonsten normalerweise nicht im Aufsichtsrat vertretenen Interessen sieht. Dies können etwa Minderheitsaktionäre sein, oder weitergehend allgemeine Interessen an einer sachgerechten und unvoreingenommenen Überwachung des Vorstands. Gewerkschaftsmitglieder können jedenfalls dann als unabhängig angesehen werden, wenn sie weder beim Unternehmen angestellt sind 356 noch ihre Gewerkschaft für das Unternehmen tarifzuständig ist.357 Demgegenüber können Gewerkschaftsvertreter, deren Organisation mit dem Unternehmen bzw. dessen Arbeitgeberorganisation über die Arbeitsverträge verhandelt, nicht als unabhängig eingestuft werden.358 Verbandsrechtlich macht es keinen Unterschied, aufgrund welcher Außenbeziehung jemand typischerweise Interessen wahrnimmt, die mit denen der Gesellschaft kollidieren können, sodass sie nicht anders behandelt werden können als Angehörige von Unternehmen, die in Geschäftsbeziehung mit der Gesellschaft stehen.359 Ein besonderes systematisches Argument wird im Hinblick auf das Unabhängigkeitserfordernis des DCGK in Ziff. 5.4.2 Satz 1 vorgebracht: Danach ergibt sich aus einer systematischen Sicht auf die umstehenden Regelungen, Scholderer, NZG 2012, 168, 173. In diesem Fall gilt für sie dasselbe wie für die anderen beim Unternehmen angestellten Arbeitnehmervertreter. Scholderer, NZG 2012, 168, 173. Vgl. dazu auch MünchKomm AktG/Gach, § 7 MitbestG Rdnr. 35 (die Gewerkschaft muss im Unternehmen vertreten sein – also nicht das jeweilige Gewerkschaftsmitglied). 357 Scholderer, NZG 2012, 168, 173; Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1364; siehe auch GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 90; vorsichtiger M. Roth, ZHR 175 (2011) 605, 630 f. Hinsichtlich der Frage, ob die Gewerkschaft tarifzuständig sein muss (verneinend) MünchKommAktG/Gach, § 7 MitbestG Rdnr. 32. 358 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 91. 359 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 91. 355
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dass Arbeitnehmervertreter bei der „angemessenen Anzahl unabhängiger Mitglieder“ des Aufsichtsrats nicht berücksichtigt werden können, sondern allein auf die Aktionärsvertreter abzustellen ist.360 Denn die unmittelbar folgenden Ziffern 5.4.3 und 5.4.4 des DCGK können sich nur auf Aktionärsvertreter beziehen.361 c.) Vertreter des Mehrheitsaktionärs im Aufsichtsrat Große Aufmerksamkeit hat die Einstufung des Vertreters des Mehrheitsaktionärs im Hinblick auf das Unabhängigkeitserfordernis erfahren.362 Ausgangspunkt hierfür ist Anhang II Nr. 1 lit. d der Kommissionsempfehlung, wonach ein Mehrheitsaktionär („Anteilseigner mit einer Kontrollbeteiligung“ bzw. „kontrollierender Aktionär“363 ) bzw. dessen Vertreter nicht als unabhängig eingestuft werden kann.364 Diese Kommissionsempfehlung ist in Deutschland scharf kritisiert worden, wobei insbesondere das Konzernrecht als Argument herangezogen wird.365 Zum einen sei im Konzernrecht der Minderheitenschutz bereits verankert.366 Zum anderen führe die Übernahme und Anwendung von Anhang II Nr. 1 lit. d der Kommissionsempfehlung zu einem Konflikt mit der Hüffer, ZIP 2006, 637, 639; a.A. Lieder, NZG 2005, 569, 571. Hüffer, ZIP 2006, 637, 639. 362 Siehe etwa MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 54; Bürgers/Schilha, AG 2010, 221; Diekmann/Bidmon, NZG 2009, 1087; Florstedt, ZIP 2013, 337; Habersack, ZHR 168 (2004), 373, 377 f.; ders., FS Goette, 2011, S. 121, 127 ff.; Hommelhoff, ZIP 2013, 953; ders., ZIP 2013, 1645; Hüffer, ZIP 2006, 637, 642; Kropff, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1023, 1026 f.; Lieder, NZG 2005, 569, 571; Spindler, ZIP 2005, 2033, 2041; Wind/Klie, NZG 2010, 1413. Anders als die Empfehlung der Europäischen Kommission führt den US-amerikanischen Regelungen zufolge eine Kontrollbeteiligung nicht zum Verlust der Unabhängigkeit. Siehe etwa NASDAQ IM-5605 – Rule 5605(a)(2); dazu M. Roth, ZHR 175 (2011), 605, 620 und 629. Siehe außerdem die weiteren Nachweise in Fn. 365. 363 So Ziff. 5.4.2 Satz 2 DCGK. Zur Bestimmung des Kontrollbegriffs kann im Fall des DCGK etwa auf § 29 Abs. 2 WpÜG, § 290b HGB oder § 17 AktG abgestellt (für letzteres etwa Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1362 f.) oder auch zweckorientiert (wer faktische Hauptversammlungsmehrheit hat bzw. die Aufsichtsratsmitglieder bestimmt) angeknüpft werden (so Florstedt, ZIP 2013, 337, 341). 364 Die Aktionärsstellung als solche begründet jedoch keinen Ausschluss der Unabhängigkeit; dies gilt auch für kraft statutarischer Befugnis (§ 101 Abs. 2 AktG) entsandte Aufsichtsratsmitglieder. Siehe MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 57; K. Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 100 Rdnr. 50; Kropff, FS K. Schmidt, 2009, S. 1023, 1026 f.; Staake, ZIP 2010, 1013, 1016. 365 Siehe etwa MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 54; K. Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 100 Rdnr. 50; Arbeitsgruppe BDI/Bankenverband/DAI/DIHK/GDV, NZG 2004, 1052; Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 224; Habersack, ZHR, 168 (2004), 373, 377 f.; Habersack, NZG 2004, 1, 5; Hoffmann-Becking, ZGR 2004, 355, 359 f.; Hüffer, ZIP 2006, 637, 642; Langenbucher, ZGR 2007, 571, 594 ff.; Lieder, NZG 2005, 569, 571; Spindler, ZIP 2005, 2033, 2041. 366 Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 227; Hüffer, ZIP 2006, 637, 642 (mit Verweis auf § 100 Abs. 2 Satz 2, § 311 AktG); Lieder, NZG 2005, 569, 571; siehe auch Kropff, FS K. Schmidt, 2009, S. 1023, 1027. 360 361
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grundgesetzlich verbürgten Eigentumsgarantie, weil der Mehrheitseigentümer das Unternehmen nicht mehr vollkommen steuern könne.367 Es würde letztlich ein Recht der Minderheitsaktionäre statuiert, einen Anteilseigner in den Aufsichtsrat entsenden zu dürfen.368 Damit verlören die Vertreter der Muttergesellschaft (in ihrer Gesamtheit) – zumindest in paritätisch mitbestimmten Aufsichtsräten – die Beschlussmehrheit im Aufsichtsrat.369 Dagegen würde die Kontrollfunktion, die der Aufsichtsrat habe, nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass das Aufsichtsratsmitglied selbst Mehrheitsaktionär oder dessen Vertreter sei.370 Damit wird die Verfassungsmäßigkeit des Unabhängigkeitserfordernisses in Zweifel gezogen. Eine gemäßigtere Ansicht erwägt lediglich eine teleologische Reduktion von § 100 Abs. 5 AktG bei Konzernsachverhalten.371 Da das deutsche Recht für beherrschte Unternehmen besondere konzernrechtliche Regelungen vorsehe, um Minderheitsaktionäre zu schützen, bestehe ein ähnlicher Schutz wie es das Unabhängigkeitserfordernis bezwecke. Damit ergebe die von der Kommissionsempfehlung geforderte Prüfung des Rechts des Mitgliedsstaats Deutschland, dass das Unabhängigkeitserfordernis nur bei freien börsennotierten Gesellschaften anzuwenden sei, hingegen bei beherrschten Unternehmen von der Kommissionsempfehlung abgewichen werden könne.372 Dennoch gibt es gute Gründe, auch bei Konzernunternehmen am Unabhängigkeitserfordernis festzuhalten. Denn die unabhängigen Verwaltungs- bzw. Aufsichtsratsmitglieder haben auch die Funktion, die Interessen der Außenseiter, d. h. der Minderheitsaktionäre und Gläubiger, gegenüber mächtigen Mehrheitsaktionären zu schützen.373 Auch wenn deren Interessen vielfach mit den Interessen der Minderheitsaktionäre übereinstimmen, muss dies doch nicht immer so sein.374 Insbesondere kann ein Großaktionär leicht in einen Interessenkonflikt geraten, wenn er Leitungsmacht ausübt oder mit der abhängigen 367 Hüffer, ZIP 2006, 637, 642; siehe auch Hommelhoff, ZIP 2013, 953, 955 (bzgl. Familienunternehmen); a.A. Scholderer, NZG 2012, 168, 172. 368 Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 224. 369 Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 224; siehe auch Hommelhoff, ZIP 2013, 1645, 1647 (der jedoch das Unabhängigkeitspostulat akzeptierend nach Lösungen für dieses Problem sucht); außerdem ders., ZIP 2013, 953, 956 (für Familienunternehmen). 370 Kropff, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1023, 1026 f. 371 Spindler, ZIP 2005, 2033, 2041. 372 So Spindler, ZIP 2005, 2033, 2041. Vgl. auch Jaspers, AG 2009, 607, 614 („Existenz eines geschriebenen und ausdifferenzierten Konzernrechts lässt die Indizwirkung der Verflechtung mit dem Mehrheitsaktionär für eine Benachteiligung von Minderheitsaktionären prima facie entfallen“). 373 Habersack, FS Goette, 2011, S. 121, 128; Hommelhoff, ZIP 2013, 1645, 1647; Hüffer, ZIP 2006, 637, 642; siehe auch Bayer, NZG 2013, 1, 11. 374 Siehe dazu den Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über moderne gesellschaftliche Rahmenbedingungen in Europa, S. 63 f., abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/docs/modern/report_de.pdf (Stand: 28.07.2014).
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Gesellschaft Geschäfte tätigt.375 Da ein Großaktionär sowohl rechtlich als auch faktisch bedeutende Möglichkeiten zum Einfluss auf die Besetzung des Aufsichtsrats hat, kann er dessen (Kontroll-)Tätigkeit beeinflussen.376 Damit hat er bzw. haben seine Vertreter aber auch die Möglichkeit, seine speziellen Interessen wahrzunehmen, die im Einzelfall mit den Interessen der Minderheitsaktionäre und auch mit denjenigen der (Tochter-)Gesellschaft in Konflikt geraten können.377 Als Mitglied im Aufsichtsrat des Tochterunternehmens ist er aber auch diesem gegenüber zur Interessenwahrung bzw. Treue verpflichtet. Zwar sind diese konzernimmanenten Konflikte vom Gesetzgeber mit der Schaffung des Konzernrechts in einem gewissen Umfang hingenommen worden, was sich außerdem aus einem Umkehrschluss aus den begrenzten Inkompatibilitätstatbeständen in § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2–4 AktG ergibt.378 Auch gibt es das Konzernprivileg in § 100 Abs. 2 Satz 2 AktG,379 wonach Aufsichtsratsmandate, die ein gesetzlicher Vertreter des herrschenden Unternehmens eines Konzerns in zum Konzern gehörenden Handelsgesellschaften innehat, nicht auf die zulässige Höchstzahl von zehn Mandaten (§ 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AktG) anzurechnen sind. Diese Regelung setzt dementsprechend voraus, dass der gesetzliche Vertreter der Muttergesellschaft ein Aufsichtsratsmandat in der Tochtergesellschaft wahrnehmen darf und ggf. sogar wahrnehmen muss.380 Aber dies spricht nicht dagegen, den in der Vorschrift verankertern Gedanken des Außenseiterschutzes ernst zu nehmen und den Großaktionär bzw. den Vertreter der Muttergesellschaft als nicht unabhängig einzustufen. Denn zum einen müssen nicht alle Aufsichtsratsmitglieder unabhängig sein, sondern nur mindestens einer, siehe § 100 Abs. 5 AktG – bzw. nach Ziff. 5.4.2 Satz 1 DCGK eine angemessene Anzahl. Somit kann der Großaktionär weiterhin im Aufsichtsrat vertreten sein und dort – ausgenommen bei paritätischer Mitbestimmung – die Mehrheit der Sitze haben. Dass sein Einfluss auf die Tochtergesellschaft verringert wird, ist im Hinblick auf Art. 14 GG unproblematisch, wenn das Unabhängigkeitserfordernis richtig so verstanden wird, dass dem Aufsichtsrat einer abhängigen Gesellschaft eine angemessene Anzahl von nicht dem Lager des herrschenden Unternehmens zuzurechnenden Anteilseignervertretern angehören soll.381 Denn damit würde lediglich die Verteilung der Be Habersack, FS Goette, 2011, S. 121, 128. Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 85. 377 Siehe dazu LG Hannover, ZIP 2009, 761, 763. 378 Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 224. 379 Dieses bringt die konzernoffene Tendenz des deutschen Aktienrechts zum Ausdruck. Siehe MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 54; Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 225; Lieder, NZG 2005, 569, 571. 380 Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 225. 381 Habersack, Gutachten E, 69. DJT 2012, E 79; ebenso Hommelhoff, ZIP 2013, 953, 958 f. (bzgl. Familienunternehmen und mit Überlegungen zum Verfahren bei Wahl und Abberufung: Erfordernis eines Sonderbeschlusses der kontrollfernen Aktionäre hinsichtlich der unabhängigen Aufsichtsratsmitglieder). 375
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fugnisse unter den Anteilseignern in ihrer Gesamtheit geregelt, nicht aber würden externe Interessen in den Aufsichtsrat eingeführt werden.382 Zudem haben auch die unabhängigen Aufsichtsratsmitglieder die Konzernbindung der Tochter sicherzustellen.383 Auch rechtsvergleichend zeigt sich, dass der Konflikt zwischen Mehrheitsund Minderheitsaktionären für die Bestimmung der Unabhängigkeit als bedeutsam angesehen wird. So stuft etwa der UK Corporate Governance Code Vertreter eines wesentlichen Anteilseigners (significant shareholder) nicht als unabhängig ein.384 Dasselbe gilt nach dem niederländischen Corporate Governance Code für Personen, die mit mehr als zehn Prozent an der Gesellschaft beteiligt sind bzw. einen solchen Aktionär vertreten.385 Schließlich entspricht die Einordnung des Vertreters des Mehrheitsaktionärs als nicht unabhängig auch den Anforderungen, wie sie in § 18 Abs. 3 Satz 1 KAGB386 für externe Kapitalverwaltungsgesellschaften vorgesehen sind,387 sowie dem Schutzzweck von Art. 41 Abs. 1 Satz 3 der Abschlussprüferrichtlinie.388 d.) Familienmitglieder Familiäre Beziehungen zwischen einem Aufsichtsrats- und einem Vorstandsmitglied schließen die Unabhängigkeit des ersteren aus. Denn solche Beziehungen können die Urteilsfähigkeit nachhaltig beeinflussen.389 Dementsprechend sieht auch Ziff. 13.1 der Kommissionsempfehlung familiäre Beziehungen als Ausschlussgrund für die Unabhängigkeit an. Im Gegensatz zu dem unbestimmteren Begriff der persönlichen Beziehungen werden damit Anwendungsprobleme vermieden, die entstünden, wenn man auch andere persönliche emotionale Nähebeziehungen, wie etwa Freundschaften, erfassen wollte.390 Auch wenn Freundschaften zu engen emotionalen Bindungen führen können, sind sie als Anknüpfungspunkt für rechtliche Bestimmungen ungeeignet. Da es sich hierbei um einen inneren Tatbestand handelt, der nur von jedem selbst bestimmt werden kann, können Dritte, ohne eine entsprechende Aussage des Betroffenen, nicht sicher auf dessen Vorliegen oder Nichtvorliegen schließen. Demgegenüber lässt sich an familiäre Beziehungen im rechtlichen Sinne (§§ 1589, Habersack, Gutachten E, 69. DJT 2012, E 79. Hommelhoff, ZIP 2013, 1645, 1649. 384 UK Corporate Governance Code, B.1.1 (gültige Fassung im September 2012). 385 Dutch Corporate Governance Code, III.2.2., e, f (gültige Fassung im September 2012). 386 Siehe früher § 6 Abs. 2a Satz 1 InvG a.F. Dazu etwa Bahreini, der unabhängige Finanzexperte, S. 99 ff.; Nowak, Unabhängigkeit, S. 100 ff. 387 Dort ist sogar noch weitergehend von einer Unabhängigkeit „von den Aktionären“ die Rede. 388 Habersack, Gutachten E, 69. DJT 2012, E 74. 389 Lieder, NZG 2005, 569, 572. Vgl. auch Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 341. 390 So z. B. Lieder, NZG 2005, 569, 572. 382 383
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1590 BGB, § 11 LPartG) rechtlich sicher anknüpfen. Nicht als unabhängig anzusehen sind dementsprechend in jedem Falle Aufsichtsratsmitglieder, die mit einem Vorstandsmitglied in gerader Linie verwandt (Eltern, Kinder, Großeltern, Enkel) oder verheiratet sind oder in einer Lebenspartnerschaft zusammenleben.391 e.) Besonderheiten bei externen Kapitalverwaltungsgesellschaften Für externe Kapitalverwaltungsgesellschaften in der Rechtsform der AG oder GmbH, die nicht ausschließlich Spezial-Sondervermögen oder Spezial-Investmentaktiengesellschaften verwalten, bestimmt § 18 Abs. 3 Satz 1 KAGB, dass „die Hauptversammlung mindestens ein Mitglied des Aufsichtsrats zu wählen hat, das von den Aktionären, den mit ihnen verbundenen Unternehmen und den Geschäftspartnern der externen Kapitalverwaltungsgesellschaft unabhängig ist“.392 Die Unabhängigkeit soll in diesem Zusammenhang vor allem als wirtschaftliche Unabhängigkeit verstanden werden und der Wahrung der Interessen der Anleger dienen.393 Als unabhängig wird ein Aufsichtsratsmitglied in diesem Zusammenhang angesehen, solange nicht mehr als 30 Prozent seiner Gesamteinnahmen in den letzten vier Jahren vor seiner Bestellung von einem Aktionär, ein mit ihm verbundenem Unternehmen (vgl. § 15 AktG) oder einem Geschäftspartner der Kapitalverwaltungsgesellschaft stammen.394
6.) Exkurs: Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen § 100 Abs. 5 AktG Fraglich ist, welche Folgen ein Verstoß gegen § 100 Abs. 5 AktG nach sich zieht. Denn das Unabhängigkeitserfordernis in § 100 Abs. 5 AktG wird von einigen als persönliche Voraussetzung eingeordnet, von anderen dagegen lediglich als objektive Besetzungsregel für das Kollektivorgan Aufsichtsrat. Diese Fragestellung stellt sich bei Einzelinteressenwahrern nicht.395 Grundsätzlich handelt es sich bei einem Verstoß gegen § 100 Abs. 5 AktG oder § 107 Abs. 4 AktG um einen Gesetzesverstoß, sodass eine Anfechtbarkeit bzw. Nichtigkeit des Beschlusses über die Wahl des Aufsichtsratsmitglieds in Betracht kommt.396 Denn die fehlerhafte Besetzung des Aufsichtsrats wirkt 391 Lieder, NZG 2005, 569, 572; Spindler, ZIP 2005, 2033, 2042. Lieder will sogar Verwandte in der Seitenlinie bis zum dritten Grad (in der Regel aber nicht weiter) ausschließen (Lieder, NZG 2005, 569, 572); zurückhaltend dazu Spindler, ZIP 2005, 2033, 2042. 392 Dazu Bahreini, Der unabhängige Finanzexperte, S. 99 ff.; Nowak, Unabhängigkeit, S. 100 ff. 393 Siehe zur gleichlautenden Vorgängernorm § 6 Abs. 2a InvG a.F. RegE BT-Drs. 16/5576, S. 60. 394 RegE BT-Drs. 16/5576, S. 60. 395 Aus diesem Grund wird diese für § 100 Abs. 5 AktG spezifische Frage bereits hier untersucht. 396 Diekmann/Bidmon, NZG 2009, 1087, 1091; dagegen Gruber, NZG 2008, 12, 14.
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sich auf jeden seiner Beschlüsse aus.397 Zum Teil wird aber auch vertreten, dass im Fall einer fehlerhaften Besetzung des Aufsichtsrats (oder auch des Prüfungsausschusses) nur eine Offenlegung erfolgen müsse.398 Mit dem zwingenden Charakter von § 100 Abs. 5 AktG und § 107 Abs. 4 AktG wäre es jedoch nicht vereinbar, wenn ihre Nichtbeachtung ohne Sanktion bliebe.399 Gegen die Nichtigkeit des Wahlbeschlusses spricht, dass es sich bei den in § 250 AktG aufgelisteten Fällen, in denen ein Aufsichtsratsbeschluss nichtig ist, um eine grundsätzlich abschließende Regelung handelt.400 Zwar ist zu berücksichtigen, dass eine Wahl auch dann nichtig ist, wenn ein Vorstandsmitglied unter Verstoß gegen § 105 Abs. 1 AktG zum Aufsichtsratsmitglied gewählt wird, und dass dieser Fall nicht in § 250 AktG geregelt ist. Aber diese Ausnahme gilt lediglich im Hinblick auf die persönlichen Voraussetzungen, die ein Mitglied des Aufsichtsrats erfüllen muss. Die Regelung in § 100 Abs. 5 AktG schließt aber nicht aus, dass die übrigen Aufsichtsratsmitglieder das Unabhängigkeitserfordernis erfüllen. Daher handelt es sich hierbei nicht um eine persönliche Voraussetzung für jedes Aufsichtsratsmitglied, sondern lediglich um eine solche für ein Aufsichtsratsmitglied.401 Die Nichtigkeitsfolge nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 AktG wäre daher nur dann auf den Fall des § 100 Abs. 5 AktG übertragbar, wenn schon in der Einladung zur Hauptversammlung auf die Wahl eines konkreten unabhängigen Finanzexperten hingewiesen wurde und dieser diese Voraussetzung nicht erfüllt.402 Auch § 250 Abs. 1 Nr. 1 AktG, der die Zusammensetzung des Aufsichtsrats als Organ betrifft, lässt sich im Fall des § 100 Abs. 5 AktG nicht analog anwenden, weil er Verfahrensfehler sanktioniert403 und nicht Verstöße gegen materielle Voraussetzungen für ein Mitglied des Aufsichtsrats.404 Dementsprechend führt ein Verstoß gegen § 100 Abs. 5, § 107 Abs. 4 AktG nicht zur Nichtigkeit des Wahlbeschlusses. Ein Wahlbeschluss, aufgrund dessen der Aufsichtsrat den Anforderungen nach § 100 Abs. 5 AktG nicht genügt, ist aber nach § 251 Abs. 1 Satz 1 AktG als anfechtbar zu behandeln.405 Denn wenn schon das Fehlen von persönlichen Eigenschaften zu einer Anfechtbarkeit führt, wenn diese in der Satzung gefor Schilmar, Der Aufsichtsrat 2009, 101, 102. Gruber, NZG 2008, 12, 14 f. 399 Jaspers, AG 2009, 607, 612. 400 Staake, ZIP 2010, 1013, 1019; dazu und zum Folgenden Diekmann/Bidmon, NZG 2009, 1087, 1091. Gegen eine Nichtigkeit auch Kropff, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1023, 1032. 401 Diekmann/Bidmon, NZG 2009, 1087, 1091. 402 Diekmann/Bidmon, NZG 2009, 1087, 1091. Vgl. dazu auch Staake, ZIP 2010, 1013, 1019. 403 Hüffer, AktG, § 250 Rdnr. 4. 404 Diekmann/Bidmon, NZG 2009, 1087, 1091. 405 Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 100 Rdnr. 44; Habersack, AG 2008, 98, 102; Jaspers, AG 2009, 607, 612; Kropff, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1023, 1032 ff.; siehe auch Bröcker/Mosel, GWR 2009, 132, 134; beschränkt auf bestimmte Konstellationen auch 397 398
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dert werden, muss dies erst recht gelten, wenn sie vom Gesetz gefordert werden.406 Fällt bei einem Mitglied die Eigenschaft der Unabhängigkeit später weg, beeinträchtigt das die Wirksamkeit der Aufsichtsratswahl hingegen nicht.407 Gibt es noch andere unabhängige Mitglieder, besteht auch kein Grund für eine Abberufung nach § 103 Abs. 3 Satz 1 AktG.408 Denn solange noch ein unabhängiges Mitglied existiert, ist das Erfordernis nach § 100 Abs. 5 AktG erfüllt.409 Sofern der Wegfall jedoch dazu führt, dass es kein Mitglied mehr gibt, das als unabhängig eingeordnet werden kann, stellt dies einen wichtigen Grund dar, der eine Abberufung dieses (letzten) ehemals unabhängigen Mitglieds nach § 103 Abs. 3 Satz 1 AktG erforderlich macht.410 Denn ein wichtiger Grund kann auch dann vorliegen, wenn sich das Aufsichtsratsmitglied nicht fehlverhalten hat.411 Auch wenn niemand unabhängig sein muss, um Aufsichtsratsmitglied sein zu können, so erfolgt die Wahl des als unabhängig eingestuften Mitglieds doch vor allem auch mit Blick auf diese seine Eigenschaft, unabhängig zu sein. Selbst wenn man § 100 Abs. 5 AktG lediglich als objektive Besetzungsregel einstuft,412 muss man doch berücksichtigen, dass der Aufsichtsrat die dort festgelegten Anforderungen bei seinem Vorschlag gemäß § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG und damit bei der jeweiligen Vorauswahl der Aufsichtsratsmitglieder zu beachten hat.413 Daher wird jemand, der nicht als unabhängig eingestuft werden kann, nicht zum Zuge kommen können, wenn es noch kein unabhängiges Aufsichtsratsmitglied gibt. Damit wird das Unabhängigkeitserfordernis in der konkreten Situation durchaus zu einem persönlichen Kriterium, das die konkrete Auswahl beeinflusst. Hat es aber Auswirkungen auf die Bestellung, muss es entsprechend auch Bedeutung für die Frage einer Abberufung haben.414
Staake, ZIP 2010, 1013, 1020 (wenn „zum Zeitpunkt der Beschlussfassung ersichtlich ist, dass der Aufsichtsrat die zwingende Besetzungsregel nicht erfüllen wird“). 406 Kropff, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1023, 1032 f. Vgl. auch Jaspers, AG 2009, 607, 612; außerdem BGH AG 2009, 285. 407 Bröcker/Mosel, GWR 2009, 132, 134; Jaspers, AG 2009, 607, 613. 408 Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 100 Rdnr. 45; Gruber, NZG 2008, 12, 14. 409 Jaspers, AG 2009, 607, 614. 410 Jaspers, AG 2009, 607, 614; Kropff, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1023, 1034; a.A. Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 100 Rdnr. 45; Gruber, NZG 2008, 12, 14; Staake, ZIP 2010, 1013, 1018 f. 411 Kropff, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1023, 1034. 412 So Staake, ZIP 2010, 1013, 1018. 413 Hüffer, AktG, § 100 Rdnr. 13; siehe aber Staake, ZIP 2010, 1013, 1019. 414 Mit dem Erfordernis der Abberufung wird aber zumindest vermieden, dass das Mandat des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds ex lege erlischt. Siehe Jaspers, AG 2009, 607, 614. Insofern findet der Unterschied zu den Vorgaben in § 100 Abs. 2 AktG Berücksichtigung. Denn bei diesen erlischt das Amt des Aufsichtsratsmitglieds ohne weiteres. Siehe GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 119.
X. Mitglieder des Gläubigerausschusses
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Auf die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats hat das Fehlen eines unabhängigen Mitglieds allerdings keine Auswirkungen.415 Dies ergibt sich aus einem Erst-recht-Schluss aus § 108 Abs. 2 Satz 4 AktG: Wenn die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrates nicht beeinträchtigt wird, wenn dem Aufsichtsrat weniger Mitglieder angehören als vorgeschrieben, wird sie erst recht dann nicht beeinträchtigt, wenn der Aufsichtsrat zwar zahlenmäßig vollständig besetzt ist, aber über kein unabhängiges Mitglied verfügt.
X. Mitglieder des Gläubigerausschusses 1.) Der Gläubigerausschuss Die gleiche Situation wie bei Aufsichtsratsratsmitgliedern besteht bei Mitgliedern des Gläubigerausschusses. Der Gläubigerausschuss ist ein selbständiges, unabhängiges Organ der Insolvenzverwaltung, dem bestimmte Aufgaben und Befugnisse gesetzlich zugewiesen sind.416 Er hat in der Insolvenz eine dem Aufsichtsrat in der Aktiengesellschaft vergleichbare Funktion: 417 Nach § 69 Satz 1 InsO haben die Gläubigerausschussmitglieder den Insolvenzverwalter bei dessen Geschäftsführung zu unterstützen und zu überwachen.418 Ähnlich wie bei der gesellschaftsrechtlichen Diskussion, ob sich das Handeln der Organe nur an den Interessen der Aktionäre oder auch an den Interessen anderer „Stakeholder“ (z. B. Arbeitnehmer, Gläubiger, Lieferanten) ausrichten sollte, wird auch beim Gläubigerausschuss diskutiert, ob dieser lediglich die Interessen der Insolvenzgläubiger wahrzunehmen hat419 oder aber im Gesamtinteresse aller Verfahrensbeteiligten tätig wird.420 Im Fall des Gläubigerausschusses sprechen rechtssystematische Erwägungen eher für eine (aus-
Siehe dazu auch Kropff, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1023, 1035. Kübler/Prütting/Bork/Kübler, InsO, § 69 Rdnr. 4 ; Uhlenbruck/Uhlenbruck InsO, § 69 Rdnr. 1, 2. Zur Rechtslage unter der KO RGZ 31, 119, 122. Zur Übertragbarkeit auf den Gläubigerausschuss nach der InsO Frege, NZG 1999, 478, 479. 417 BGH ZIP 1994, 46, 47 (zur Rechtslage nach der KO); Vallender, WM 2002, 2040, 2044; a.A. Grell, NZI 2006, 77, 78. 418 Dazu Kübler/Prütting/Bork/Kübler, InsO, § 69 Rdnr. 18 ff. 419 BGH ZIP 1994, 46, 47; 2007, 781, 783; ZIP 1994, 46, 47; AG Hildesheim KTS 1985, 130, 131; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rdnr. 1250; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 211; Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 86 ff.; Frege, NZG 1999, 478, 479; Pape, WM 2006, 19, 20; Vallender, WM 2002, 2040, 2044; Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1377 (mit Blick auf die ansonsten ausufernde Haftung nur Insolvenzgläubiger und Aussonderungsberechtigte). Dies galt schon unter der KO, siehe etwa BGH ZIP 1994, 46, 47. 420 Kübler/Prütting/Bork/Kübler, InsO, § 69 Rdnr. 4, 5; Uhlenbruch/Uhlenbruck, InsO, § 67 Rdnr. 16 (anders aber ders., ZIP 2002, 1373, 1377); Vallender, WM 2002, 2040, 2044. Uneinheitlich AG Hildesheim KTS 1985, 130, 131 („Gesamtinteresse aller am Konkurs Beteiligten“, „Gesamtheit der Gläubiger“). 415 416
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§ 5 Unabhängigkeit in den einzelnen Privatrechtsgebieten
schließliche) Ausrichtung an dem Gesamtinteresse der Gläubiger.421 Zum einen lautet die Abschnittsüberschrift in der Insolvenzordnung, in der Gläubigerausschuss und -versammlung geregelt werden, „Organe der Gläubiger“.422 Zum anderen bestimmt § 71 InsO, dass die Mitglieder des Gläubigerausschusses bei schuldhafter Verletzung ihrer Pflichten nur den Gläubigern zum Schadensersatz verpflichtet sind, nicht aber auch anderen Verfahrensbeteiligten.423 Auch der wesentliche Zweck des Insolvenzverfahrens, die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger,424 spricht für diese Einschätzung. Dementsprechend haben die Mitglieder ihre Entscheidungen am Gesamtinteresse der Insolvenzgläubiger auszurichten und gegenläufige persönliche Interessen zurückzustellen.425
2.) Das Unabhängigkeitserfordernis Da die Ausschussmitglieder nicht die Interessenvertreter derjenigen sind, die sie in den Gläubigerausschuss gewählt haben, haben sie auch nicht allein deren Interessen zu wahren.426 Sowohl die Überwachungsfunktion des Ausschusses als auch die Ausrichtung am Gesamtinteresse der Gläubiger erfordert vielmehr, dass die Mitglieder des Ausschusses unabhängig entscheiden können.427 Zwar wird in §§ 67 ff. InsO, wo der Gläubigerausschuss geregelt ist, ein Unabhängigkeitserfordernis für die Mitglieder nicht ausdrücklich erwähnt. Es ergibt sich aber aus der Stellung des Gläubigerausschusses im Rahmen des Insolvenzverfahrens und seiner Überwachungsfunktion. Denn die Mitglieder des Gläubiger ausschusses erhalten mit ihrer Bestellung ein besonderes Amt, das besondere Aufgaben und Funktionen im Interesse der Gläubiger mit sich bringt. Ihre Funktion verpflichtet sie dazu, das Interesse der Gesamtgläubiger zu wahren.428
3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses Aufgrund ihrer Stellung als Gläubiger bzw. Vertreter eines Gläubigers, können die Ausschussmitglieder allerdings niemals völlig interessenunabhängig sein.429 Dies wirkt sich auch auf das Unabhängigkeitsverständnis aus: So kann ihre Dazu § 5 X.2.) Löhnig, Treuhand, S. 572. 423 Löhnig, Treuhand, S. 572. 424 Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1377. 425 BGH ZIP 2007, 781, 784; Frege/Keller/Riedel, InsR, Rdnr. 1250; Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1376 und 1377; Pape, WM 2006, 19, 20; Vallender, WM 2002, 2040, 2045. 426 BGH ZIP 1994, 46, 48. 427 Vgl. Vallender, WM 2002, 2040, 2044. 428 BGH ZIP 1994, 46, 47; MünchKommInsO/Schmid-Burgk, § 69 Rdnr. 2 (auch des Schuldners); Frege, NZG 1999, 478, 484. 429 Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1376; Vallender, WM 2002, 2040, 2045; vorsichtiger Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rdnr. 1250. Siehe dazu auch Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 118. 421
422
X. Mitglieder des Gläubigerausschusses
225
Unabhängigkeit nicht schon dadurch beeinträchtigt werden, dass eine Abstimmung ihre eigenen wirtschaftlichen Belange in irgendeiner Weise berührt.430 Es muss vielmehr ein wahrnehmbarer direkter Zusammenhang bestehen, wie dies etwa bei einem Rechtsgeschäft des Ausschussmitglieds mit der Insolvenzmasse der Fall ist.431 Aus der dem Ausschuss übertragenen Überwachungsaufgabe ergibt sich, dass insbesondere Sachverhalte, die zu einem Richten in eigener Sache führen, oder Geschäfte, bei denen das Mitglied auf beiden Seiten steht, die Unabhängigkeit von Ausschussmitgliedern gefährden.432 Im Fall eines Gläubigerausschussmitglieds ist dies etwa der Fall, wenn es um die Anerkennung von Forderungen oder Vorrechten des Ausschussmitglieds geht oder um die Geltendmachung von Forderungen gegen das Ausschussmitglied.433 Ein weiterer Fall, der die Unabhängigkeit gefährdet, ist die „Überkreuzbesetzung“, d. h. wenn jemand in einem Verfahren zum Verwalter bestellt worden ist und in einem zweiten Verfahren als Ausschussmitglied gewählt wird, dessen Verwalter Ausschussmitglied in seinem (dem ersten) Verfahren ist.434 In diesem Fall kontrollieren sich die Verwalter gegenseitig in verschiedenen Verfahren, was zu übermäßiger gegenseitiger Rücksichtnahme und in der Folge zu einer Beeinträchtigung der Überwachung führen kann. Eine unabhängige Überwachung ist dann nicht mehr möglich.435 Von einigen wird vertreten, dass es bei Gläubigerausschussmitgliedern nicht auf die Besorgnis der Befangenheit ankomme, sondern auf „das objektive Vorliegen eines Interessenkonflikts“436 , womit – aufgrund der Unterscheidung zur Besorgnis der Befangenheit – nur das Vorliegen eines konkreten Interessenkonflikts gemeint sein kann. Als Beispiel wird der Fall genannt, bei dem es um eine bedeutsame Rechtshandlung geht, die das Mitglied oder einen diesem nahestehenden Gläubiger betrifft.437 Bei diesem Fall wird aber gerade an die äußerlich wahrnehmbare Sachlage angeknüpft – was für die Bestimmung der (äußeren) Unabhängigkeit auch korrekt ist. Denn wird angenommen, dass immer, wenn es um eine solche Rechtshandlung geht, von einer Befangenheit auszugehen ist, so wird gerade nicht an das tatsächliche Vorliegen eines Konflikts, sondern an dessen abstraktes Bestehen und damit an die Besorgnis der Befangenheit angeknüpft.438 Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 118; Vallender, WM 2002, 2040, 2045. Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 119. 432 Vgl. auch BGH WM 1985, 422, 424; Ulenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 72 Rdnr. 13; ders., ZIP 2002, 1373, 1376; siehe auch Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rdnr. 1251; Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 120. 433 Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 120. 434 Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 115 ff.; Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1381. 435 Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1381. 436 Uhlenbruck/Uhlenbruck InsO, § 72 Rdnr. 12. 437 A.a.O. 438 Daher richtig Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 118 ff. 430 431
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§ 5 Unabhängigkeit in den einzelnen Privatrechtsgebieten
4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit Der Gläubigerausschuss und seine Mitglieder sind in ihrer rechtlichen Stellung und Funktion vom Insolvenzgericht, vom Insolvenzverwalter und von der Gläubigerversammlung unabhängig.439 Der Ausschuss ist ein selbständiges Organ der Insolvenzverwaltung und unterliegt nicht der Aufsicht durch das Insolvenzgericht.440 Daher hat das Gericht auch kein Recht, dem Ausschuss oder einzelnen Mitgliedern Weisungen zu erteilen, gegen Mitglieder des Ausschusses eine Ordnungsstrafe zu verhängen oder entsprechend § 78 InsO Beschlüsse des Gläubigerausschusses aufzuheben.441 Auch der Insolvenzverwalter hat kein Weisungsrecht gegenüber den Ausschussmitgliedern.442 Er ist zudem nicht berechtigt, einzelne Ausschussmitglieder oder den Gläubigerausschuss insgesamt von einer Mitwirkung (zeitweilig) auszuschließen oder Entscheidungen des Ausschusses zu beeinflussen.443 Schließlich sind die Mitglieder des Gläubigerausschusses auch von den Gläubigern und der Gläubigerversammlung unabhängig und diesen nicht weisungsunterworfen.444 Zwar wird der Ausschuss mit dem Willen der Gläubiger bestellt und seine Mitglieder werden von den Gläubigern gewählt, es besteht aber kein Auftrags- bzw. Mandatsverhältnis zu den Gläubigern.445 Um die Unabhängigkeit der Mitglieder des Gläubigerausschusses zu stärken, wurde zudem eingeführt, dass sie nur bei Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ abberufen werden können sollen.446 Dadurch sollte sichergestellt werden, dass die Mitglieder des Gläubigerausschusses nicht jederzeit eine Abberufung aus ihrem Amt fürchten müssen und daher auch in schwierigen Situationen nur nach sachlichen Gesichtspunkten entscheiden können.447 Schließlich hat auch (nur) der Ausschuss zu entscheiden, ob bei einem Mitglied die Besorgnis besteht, es könne befangen sein.448
439 BGH ZIP 2007, 781, 783; siehe auch RGZ 31, 119, 122; BGH WM 1965, 1158, 1159; MünchKommInsO/Schmid- Burgk, § 69 Rdnr. 10–12, § 70 Rdnr. 5 ; HK/Eickmann, InsO, § 69 Rdnr. 6 (von Gläubigerversammlung); Vallender, WM 2002, 2040, 2045 ff. 440 BGH WM 1965, 1158, 1159; Kübler/Prütting/Bork/Kübler, InsO, § 69 Rdnr. 9 ; Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 90. 441 Kübler/Prütting/Bork/Kübler, InsO, § 69 Rdnr. 9 ; Vallender, WM 2002, 2040, 2047. 442 Vallender, WM 2002, 2040, 2046. 443 Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1378. 444 Vallender, WM 2002, 2040, 2045. 445 Vallender, WM 2002, 2040, 2045. Zum Ausschuss nach der KO RGZ 31, 119, 122; BGH ZIP 1994, 46, 48; AG Hildesheim KTS 1985, 130, 131; zur Übertragung auf den Ausschuss nach der InsO Frege, NZG 1999, 478, 479 (unter Hinweis auf den Vergütungsanspruch gegen das Vermögen des Schuldners nach § 17 ff. InsVV, 54 Ziff. 2 InsO). 446 RegE, BT-Drs. 12/2443, S. 132; BGH ZIP 2007, 781, 783. 447 BGH ZIP 2007, 781, 783. 448 Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 72 Rdnr. 14; Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1377.
Teil 3: Besondere Regeln zu Interessenkonflikten
§ 6 Systematisierung der besonderen Regelungen I. Einleitung Die allgemeinen Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten, die Interessenwahrungspflicht als pflichtenbasierter Regelungsansatz und das Unabhängigkeitsprinzip als statusbezogener Ansatz zum Umgang mit Interessenkonflikten, werden durch besondere Regelungen ausgeformt und konkretisiert. Diese besonderen Regelungen lassen sich in solche der Konfliktoffenlegung, der Konfliktvermeidung und der Konfliktlösung unterteilen. Dabei umfassen die beiden letztgenannten Kategorien ganz unterschiedliche Regelungen. Im Hinblick auf den jeweils geregelten Konflikt unterscheiden sich diese nach der Art der involvierten Interessen (Eigen-, Fremdinteressen), der Art des Konflikts (z. B. Richten in eigener Sache, finanzielle Interessenkonflikte), der Dauer des Konflikts (dauerhaft, vorübergehend) und der Intensität des Konflikts bzw. der Notwendigkeit seiner Inkaufnahme, weil sonst andere schützenswerte Interessen beeinträchtigt werden. Vom Regelungsansatz her verfolgen diese besonderen Regelungen wie die allgemeinen Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten eine dualistische Herangehensweise in Form von status- und pflichtenbezogenen Regelungen. So stellen etwa die Inhabilitäts- bzw. Inkompatibilitätsvorschriften statusbezogene Regelungen in Bezug auf dauerhafte Interessenkonflikte dar, während es sich beim Wettbewerbsverbot um eine pflichtenbezogene Regelung in Bezug auf dauerhafte Interessenkonflikte handelt. Allerdings decken sich die besonderen status- und pflichtenbezogenen Regelungen von ihrem Anwendungsbereich her nicht exakt mit den allgemeinen Regelungen (Interessenwahrungspflicht und Unabhängigkeitserfordernis). So können beispielsweise, wie sich an den Inhabilitäts- bzw. Inkompatibilitätsvorschriften für Aufsichtsratsmitglieder zeigt, die nicht § 100 Abs. 5 AktG unterliegen, Regelungen der Inkompatibilität auch für Interessenwahrer gelten, die nicht unabhängig sein müssen.
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§ 6 Systematisierung der besonderen Regelungen
II. Konfliktoffenlegung - Anzeige- und Offenlegungspflichten Die Konfliktoffenlegung stellt einen allgemeinen Grundsatz für den Umgang mit Interessenkonflikten dar. Anzeige- und Offenlegungspflichten1 verpflichten den Interessenwahrer im Fall eines Interessenkonfliktes den Geschäftsherrn (oder einen zuständigen Dritten, etwa ein Gericht) über den Interessenkonflikt zu informieren, sodass dieser die Möglichkeit erhält, das ihn treffende Risiko abzuschätzen und entsprechend zu handeln. Offenlegungspflichten dienen somit der Überwindung von Informationsasymmetrien zwischen dem Interessenwahrer und dem Geschäftsherrn im Hinblick auf Interessenkonflikte des ersteren. So sind etwa Abschlussprüfer gegenüber dem Aufsichtsrat dazu verpflichtet, vor ihrer Wahl alle Quellen für mögliche Interessenkonflikte und Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit offenzulegen. Ähnliches gilt für Rechtsanwälte gegenüber ihren Mandanten. Darüber hinaus sind die betroffenen Funktionsträger auch nach Beginn des Rechtsverhältnisses verpflichtet, während der Mandatslaufzeit bzw. ihrer Mitgliedschaft in einem Organ auftretende Interessenkonflikte unverzüglich mitzuteilen.2 Die Aufklärung ist vor allem – aber nicht nur dann – von Bedeutung, wenn der Interessenwahrer nicht verpflichtet ist, sich aufgrund des Interessenkonfliktes zurückzuziehen – etwa einen Auftrag abzulehnen oder das Mandat niederzulegen. Denn dann kann er trotz eines Interessenkonflikts für den Geschäftsherrn handeln, sofern der Geschäftsherr damit einverstanden ist.3 Um jedoch rechtswirksam einwilligen zu können, muss der Geschäftsherr dazu in der Lage sein. Das setzt voraus, dass er über den Interessenkonflikt aufgeklärt4 und ihm so ermöglicht wird, den Interessenkonflikt zu verstehen und die sich daraus ergebenden Gefahren für seine Interessen einzuschätzen. Eine Ausnahme gilt allerdings in dem Fall, dass das konfligierende Eigeninteresse des Interessenwahrers offensichtlich ist. Dann besteht grundsätzlich keine Aufklärungspflicht. Auch wenn durch eine Offenlegung von (möglichen) Konflikten und Abhängigkeiten diese nicht ausgeräumt werden, erhöht sie doch zumindest deren Wahrnehmbarkeit. Zum einen hat dies Bedeutung, wenn es um die Durchsetzung von Sanktionen für einen fehlerhaft aufgelösten Konflikt geht. Die Offenlegung hilft dem Geschäftsherrn den Konflikt zu erkennen und infolgedessen Ansprüche gegen den Interessenwahrer geltend zu machen. Zum anderen spielt die Offenlegung dann eine wichtige Rolle, wenn Verbote ein zu scharfes Instru ment wären, um die involvierten Interessen zu schützen. In diesen Fällen er Dazu § 7. Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission, Rdnr. 303; Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 89. 3 Weller, ZBB 2011, 191, 195. Vgl. dazu auch BGH ZIP 2011, 756, 759. 4 Vgl. dazu nur BGH ZIP 2011, 756, 759. 1 2
III. Konfliktvermeidung
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möglicht die Offenlegung dem Geschäftsherrn, Erklärungen und Handlungen des Interessenwahrers im Hinblick auf seine eigenen Interessen besser einzuschätzen und im Folgenden seine Interessen selbst zu schützen. Es kommt in diesen Fällen somit zu einer teilweisen Rückverlagerung der Interessenwahrung auf den Geschäftsherrn.
III. Konfliktvermeidung Eine zweite wesentliche Ausprägung der Interessenwahrungspflicht und des Unabhängigkeitserfordernisses ist die Pflicht, Interessenkonflikte zu vermeiden. So hat beispielsweise ein Beauftragter Aufträge abzulehnen, wenn diese mit einem von ihm bereits übernommenen Auftrag konkurrieren.5 Ein Handelsvertreter darf nicht mehrere Firmen gleichzeitig vertreten (Verbot der Mehrfirmenvertretung).6 Ein Rechtsanwalt macht sich wegen Parteiverrats strafbar, wenn er Parteien mit widerstreitenden Interessen vertritt.7 Und ein Vorstandsmitglied muss anderweitige Tätigkeiten unterlassen, die zu einem Konflikt mit Interessen der Gesellschaft führen können.8 Da es um die Vermeidung von Konflikten geht, d.h. darum, dass ein Konflikt gar nicht erst eintritt, knüpft die Konfliktvermeidungspflicht regelmäßig an den abstrakten Interessenkonflikt an. Es reicht daher schon aus, dass die Interessen des Geschäftsherrn gefährdet sein könnten. Ob es zu einer tatsächlichen Gefahr oder gar zu einer tatsächlichen Verletzung seiner Interessen kommt, ist unerheblich.9 Je nach Dauer und Gefährdungspotential des Konflikts, insbesondere dessen Auswirkungen auf die Interessen des Geschäftsherrn, konkretisiert und verdichtet sich die Pflicht zur Konfliktvermeidung in unterschiedlichen Regelungen. Dazu gehören – geordnet nach der steigenden Intensität des Eingriffs – Organisationspflichten, Beschränkungen des Handlungsspielraums, die zeitweilige Ersetzung des Interessenwahrers, Wettbewerbsverbote, das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen und Inhabilitätsvorschriften sowie Eignungsprüfungen. Diese Regelungen zur Konfliktvermeidung führen regelmäßig zu einer nicht unerheblichen Einschränkung des Betroffenen und stellen damit einen Eingriff in dessen Handlungsfreiheit dar. Allerdings variiert die Intensität des Eingriffs je nach Regelung. So ist etwa die Beschränkung durch Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 916. BGH NJW 1964, 1621, 1622; 1984, 2101, 2102; Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 916. 7 § 356 StGB. 8 Wie z. B. die Vermögensverwaltung für einen Großaktionär der Gesellschaft. GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 156; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 97. 9 Besonderheiten bestehen hier bei dem berufsrechtlichen Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen im Berufsrecht. Dazu § 1 II.4.)d.) 5 6
232
§ 6 Systematisierung der besonderen Regelungen
Inhabilitätsregelungen, die in den jeweiligen Fällen eine Betätigung vollkommen ausschließen, erheblich schwerer als diejenigen durch Organisationspflichten, die eine Betätigung immerhin im Grundsatz zulassen.
1.) Organisationspflichten Organisationspflichten nehmen von der Intensität her den geringsten präventiven Eingriff in die Handlungsfreiheit des Interessenwahrers vor.10 Ein Beispiel für Organisationsvorgaben ist die Pflicht, in bestimmten Fällen Informationsbarrieren, sog. Chinese walls, zwischen einzelnen Abteilungen von Unternehmen zu errichten. Eine extreme Form der „Organisation“ ist die Verselbständigung und letztliche Trennung ganzer Unternehmensbereiche voneinander, wie sie etwa mit dem im Jahr 1999 aufgehobenen Glass-Steagall Act verfolgt wurde, der eine institutionelle Trennung von Commercial und Investment Banking vorsah. Eine solche vollkommene Separierung der Konfliktlagen einzelner Bereiche wird allerdings aufgrund der Schwere des Eingriffs nur selten in Betracht gezogen.11 Veranlasst durch die Finanzkrise wird nun allerdings für Banken geregelt, dass diese als riskant eingestuften Dienstleistungen ganz aufgeben müssen12 oder diese zumindest in eine rechtlich abgetrennte Unternehmens einheit (ggf. unter dem Dach einer Holding) überführen sollen.13 Organisationsvorgaben spielen vor allem bei Unternehmen eine wichtige Rolle, die als Interessenwahrer für zahlreiche Geschäftsherren die Interessenwahrung übernehmen und dabei zwangsläufig in Interessenkonflikte geraten. Zu Organisationspflichten ausführlich § 8. Vgl. zur Diskussion über Trenn- und Universalbankensystem z. B. schon Hopt, FS Heinsius, 1991, S. 289, 319; außerdem Baums, Universal Banks, passim. Eine ähnliche, wenn auch nicht ganz so strikte organisatorische Trennung zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen hat die New York Stock Exchange 2006 vollzogen. Im Zuge ihrer damaligen Umstrukturierung und folgendem Börsengang wurden zwei voneinander getrennte Tochtergesellschaften geschaffen: NYSE Market, zuständig für den Börsenbetrieb, und NYSE Regulation, zuständig für die Aufsicht der sich selbstverwaltenden Börse. Dadurch sollten Interessenkonflikte aufgrund der Aufsicht über den eigenen Handelsbetrieb vermieden werden. Zu Einzelheiten mit Blick auf mögliche Interessenkonflikte der Börse(ngruppe) siehe Fleckner, in: Hammen, Interessenkonflikte, S. 37. Mit dem Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung von Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen vom 07.08.2013, BGBl. 2013 I, 3090 v. 12.08.2013, ist nun auch in Deutschland das Trennungssystem für Banken im gewissem Umfang eingeführt worden. 12 Section 619 des Dodd Frank Act (Pub. L. 111–203, 124 Stat. 1376–2223), sog. Volcker Rule. 13 Siehe § 3 Abs.2, § 25f KWG; zuvor schon High-level Expert Group on reforming the structure of the EU banking sector (Chaired by Erkki Liikanen), Final Report, Brussels, 2 October 2012, S. 100, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/bank/docs/ high-level_expert_group/report_en.pdf (Stand 28.07.2014); siehe außerdem Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung über strukturelle Maßnahmen zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit von Kreditinstituten der Union, 29.01.2014, COM (2014) 43 final. 10 11
III. Konfliktvermeidung
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– Aber auch im Fall von konfligiernden Eigeninteressen werden Organisationsvorgaben zur Konfliktvermeidung herangezogen.14 – Ein Verbot, die Dienstleistungen gleichzeitig gegenüber mehreren Geschäftsherren zu erbringen, ist häufig nicht sachgerecht. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Geschäftsherren auf die Dienstleistungen der Interessenwahrer angewiesen sind und die Anzahl der Interessenwahrer geringer ist als die der Geschäftsherren, sodass letztere nicht auf andere, nicht konfliktbelastete Interessenwahrer ausweichen können, weil alle Interessenwahrer von solchen Konfliktsituationen betroffen sind. Bei diesen Interessenkonflikten handelt es sich in der Regel nur um punktuelle – allerdings wiederkehrende – Konflikte, d. h. sie betreffen immer wieder einzelne Geschäfte nicht aber die gesamte Beziehung zwischen Interessenwahrer und Geschäftsherr. In diesen Fällen kommen Organisationsvorgaben in Betracht, weil sie das mildeste Mittel zur Vermeidung von Konflikten darstellen. Denn auch wenn Organisationspflichten die Unternehmen dazu zwingen, sich in bestimmter Weise zu strukturieren und damit deren Freiheit begrenzen, lassen sie ihnen doch grundsätzlich die Möglichkeit, das konfliktträchtige Geschäft einzugehen und verbieten dies nicht. Es liegt dementsprechend in der Hand des Interessenwahrers, ob er das Geschäft vornehmen möchte und sich daher entsprechenden Organisationsvorgaben beugt oder ob er von der Übernahme der Interessenwahrung Abstand nimmt und dann auch nicht die Organisationsvorgaben umsetzen muss. Organisationsvorgaben lassen sich sowohl als Ausprägung der Interessenwahrungspflicht als auch des Unabhängigkeitserfordernisses einordnen. Beispiel für Ersteres sind die Organisationsvorgaben zur Vermeidung von Interessenkonflikten für Finanzdienstleistungsunternehmen, die im Interesse ihrer Kunden tätig werden. Beispiel für Letzteres sind die organisatorischen Vorgaben der Ratingverordnung15 oder die Empfehlungen der Kommission für Abschlussprüfer16 . Da hier die Unternehmen nicht unmittelbar selbst handeln sondern deren Mitarbeiter, müssen sie sicherstellen, dass bei deren Tätigkeit das für Ratingagenturen geltende Unabhängigkeitserfordernis gewahrt wird. Wie etwa § 25f KWG. Anhang I der Rating-Verordnung sieht umfangreiche organisatorische und mitarbeiterbezogene Regelungen vor. 16 Für Abschlussprüfer finden sich z. B. Vorgaben für interne Sicherungssysteme von Abschlussprüfergesellschaften in Ziff. 4.3.2 der Empfehlung der Europäischen Kommission zur Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU vom 16.05.2002, ABlEG L 191 v. 19.7.2002, S. 22. Vorgaben zur internen Organisation enthält nun auch Art.24a der Richt linie 2006/43/EG idF. nach der Änderung durch die Richtlinie 2014/56/EG vom 16.04.2014. Und § 319 Abs. 4 HGB lässt sich entnehmen, dass Wirtschaftsprüfungs- und für Buchprüfungsgesellschaften von der Abschlussprüfung auch ausgeschlossen sind, wenn z. B. ein Mitarbeiter, der das Ergebnis der Prüfung beeinflussen könnte, nicht als unabhängig eingestuft werden kann. 14
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§ 6 Systematisierung der besonderen Regelungen
2.) Begrenzung des Handlungsspielraums Ein stärkerer Eingriff als durch Organisationspflichten erfolgt durch Regelungen, mit deren Hilfe der Handlungsspielraum des Interessenwahrers beschränkt wird.17 Sie verbieten regelmäßig einzelne Geschäfte, nicht aber die gesamte Tätigkeit für den Geschäftsherrn. Sie beziehen sich somit auf punktuelle Konflikte. Je nach Geschäft bzw. Art der Tätigkeit sind diese Beschränkungen unterschiedlich ausgestaltet, weil diese Regelungen an die Art und Weise der Tätigkeit des Interessenwahrers anknüpfen. Wichtige Regelungen in diesem Zusammenhang sind etwa § 181 BGB im Fall der Vertretung, die beschränkenden Regelungen zum Selbsteintritt im Fall der Kommission oder die Zuständigkeitsregelungen bei Geschäften der Organmitglieder mit der Gesellschaft. Auch Regelungen, wie das Verbot der Annahme von Zuwendungen Dritter in Form von Schmiergeldern oder das Verbot der Aneignung von Gesellschaftsressourcen, gehören hierzu. Beschränkungen des Interessenwahrers können aber nicht nur formal an die Beteiligung an einem Geschäft anknüpfen, sondern auch zeitbezogen, wie etwa im Fall des Verbotes des „Vorlaufens“ (Front running). In diesem Fall wird der Betroffene nicht generell, sondern nur zu diesem Zeitpunkt von dem jeweiligen Geschäft abgehalten, weil die Rechtsordnung das konfliktbeladene Geschäft zu diesem Zeitpunkt missbilligt.
3.) Vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers Eine besondere Form der Beschränkung des Handlungsspielraums des Interessenwahrers ist die – zeitweilige – Übertragung von Kompetenzen auf andere Interessenwahrer bzw. die Ersetzung des Interessenwahrers durch einen anderen.18 Diese kommt zur Anwendung, wenn die Rechtsordnung das jeweilige (Einzel-)Geschäft grundsätzlich, insbesondere auch in diesem Zeitpunkt, für zulässig erachtet, es nur nicht von dem jeweiligen Interessenwahrer für den Geschäftsherrn durchgeführt werden soll, wenn er zu diesem Zeitpunkt konfliktbelastet ist. In der Regel knüpfen die zuständigkeitsverlagernden Regelungen an den abstrakten Interessenkonflikt an, wie etwa im Fall des Vormunds oder bei der Vertretung der Gesellschaft bei Geschäften mit Vorstandsmitgliedern. Aber auch eine Anknüpfung an den konkreten Konflikt ist nicht ausgeschlossen, wie die Bestellung des Sonderinsolvenzverwalters zeigt. Daher lässt sich diese Art der Regelung sowohl als präventives als auch als konfliktlösendes Instrument einordnen. In jedem Fall kommt eine vorübergehende Ersetzung des Interessen-
Dazu § 9. Dazu § 10.
17
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III. Konfliktvermeidung
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wahrers nur bei punktuellen Konflikten in Betracht, weil es sich um eine zeitlich befristete Maßnahme handelt.
4.) Wettbewerbsverbote Ein besonderer Fall der Beschränkung des Handlungsspielraums sind Wettbewerbsverbote.19 Auch sie verbieten nicht das gesamte Interessenwahrungsverhältnis, sondern nur, dass der Interessenwahrer eigene geschäftliche Interessen in der Interessensphäre des Geschäftsherrn wahrnimmt und so zu diesem in Konkurrenz tritt. Anders als bei den vorstehend genannten Regelungen zur Begrenzung des Handlungsspielraums des Interessenwahrers stellen sie jedoch nicht auf die Beschaffenheit eines Geschäfts ab, das der Interessenwahrer für den Geschäftsherrn schließt, sondern es geht bei ihnen um die Zuordnung von Geschäften, die der Interessenwahrer gerade nicht für den Geschäftsherrn schließen will. Bei ihnen handelt es sich somit um besondere Konkretisierungen der Treuepflicht20 in Bezug auf dauerhafte oder wiederkehrende Konflikte wegen geschäftlicher Interessen. Denn eine Konkurrenztätigkeit des Interessenwahrers kann dazu führen, dass Interessenwahrer und Geschäftsherr im Laufe der Zeit um die Zuordnung zahlreicher Geschäfte streiten werden. Wettbewerbsverbote sollen bereits die Entstehung solcher (konkreten) Interessenkonflikte verhindern, indem sie im Vorfeld Situationen abwenden, in denen die Interessen des Geschäftsherrn beeinträchtigt werden könnten.21 Daher knüpfen Wettbewerbsverbote abstrakt an, und es kommt nicht darauf an, ob der Interessenwahrer tatsächlich einem konkreten Interessenkonflikt ausgesetzt ist. Dies aber führt zu einer besonderen Beschränkung des Interessenwahrers, die sich nur rechtfertigen lässt, wenn eine Konkurrenztätigkeit durch ihn mit seiner Vertrauensstellung nicht zu vereinbaren ist und den mit seiner Bestellung verbundenen Zweck nachhaltig gefährden würde.22 Das aber ist nur dann der Fall, wenn das Interessenwahrungsverhältnis, wie etwa beim Vorstand einer Aktiengesellschaft, auf eine ausschließliche Bindung des Interessenwahrers an Dazu § 11. Siehe nur OLG Frankfurt a. M. AG 2000, 518, 519; GroßkommAktG/Hopt, 4. Aufl., 2008, § 93 Rdnr. 164; ders., ZGR 2004, 1, 11; GroßkommAktG/Kort, 4. Aufl., 2008, § 88 Rdnr. 3 ; Hüffer, AktG, 10. Aufl., 2012, § 88 Rdnr. 1; MünchKommAktG/Spindler, 3. Aufl., 2008, § 88 Rdnr. 1; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 2. Aufl., 2010, § 88 Rdnr. 2; ders., in Fleischer, Hdb. VorstandsR, § 9 Rdnr. 8 ; Rusch, Gewinnhaftung, 2003, S. 220; Grigoleit, ZGR 2010, 662, 665; Schiessl, GmbHR 1988, 53; Röhricht, WpG 1992, 766, 768; vgl. auch Kübler, FS Werner, 1984, S. 437, 438. Zur Drittwirkung von Wettbewerbsverboten z. B. Altmeppen, ZIP 2008, 437; Grigoleit, ZGR 2010, 662; Hellgardt, ZIP 2007, 2248; Hoffmann-Becking, ZHR 175 (2011), 597; Weller, ZHR 175 (2011), 110. 21 Vgl. Weller, ZHR 175 (2011), 110, 120. 22 Vgl. dazu Mertens/Cahn, FS Heinsius, 1991, S. 545, 555; außerdem BGHZ 70, 331, 335 („Das Wettbewerbsverbot ist Ausfluss und notwendiger Bestandteil der Verpflichtung“ des Geschäftsführers). 19
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§ 6 Systematisierung der besonderen Regelungen
den Geschäftsherrn – bei entsprechender Vergütung des Interessenwahrers – gerichtet ist und der Interessenwahrer für den Geschäftsherrn geschäftliche Entscheidungen mit Außenwirkung treffen kann. Die Eingriffsintensität von Wettbewerbsverboten ist geringer als die von Inhabilitätsvorschriften, weil erstere im Gegensatz zu letzteren nur für Teilbereiche die Abstandnahme anordnen und zudem regelmäßig abdingbar sind. Daran zeigt sich, dass die gesetzlichen Regelungen den Interessenkonflikt aufgrund geschäftlicher Konkurrenz als weniger gravierend einstufen als den Konflikt des Richters in eigener Sache, der im Fall des Aufsichtsrats oder des Abschlussprüfers zu einer Inhabilität führt.
5.) Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen Das berufsrechtliche Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen 23 knüpft an den „Interessenwiderstreit“, einen qualifizierten Interessenkonflikt, an. Bei diesem sind die Interessen der zu Vertretenden kontradiktorisch aufeinander bezogen, also unmittelbar darauf gerichtet, das jeweils andere Interesse auszuschließen.24 Im Fall eines solchen – qualifizierten – Interessenkonflikts hat der jeweilige Berufsträger das Mandat niederzulegen bzw. es gar nicht erst zu übernehmen. Damit ist dieses Verbot im Hinblick auf seine Wirkungen für den Interessenwahrer mit Inhabilitätsvorschriften vergleichbar. Denn es verhindert präventiv die Übernahme der Interessenwahrung insgesamt und beschränkt nicht lediglich den Handlungsspielraum des Interessenwahrers im Rahmen eines übernommenen Mandats. Dabei spielt neben der besonderen Intensität dieses Konflikts auch der Schutz des Vertrauens des Geschäftsherrn in den Interessenwahrer und der Öffentlichkeit in die Zuverlässigkeit der Gesamtheit der jeweiligen Berufsträger eine wesentliche Rolle. Denn in den jeweiligen Fällen, insbesondere der rechtlichen Vertretung, ist der Geschäftsherr ganz besonders auf den Interessenwahrer angewiesen. Denn die rechtliche Auseinandersetzung stellt die stärkste Form der Konfrontation bei Konflikten dar, die in einem Rechtsstaat zulässig ist, sodass einem Interessenwahrer in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle zukommt. Da es sich bei diesem Verbot um eine berufsrechtliche Regelung handelt, setzt dessen Anwendung außerdem voraus, dass der verbotene Loyalitätskonflikt durch berufliches Handeln herbeigeführt wird.
Dazu § 12. Dazu § 1 II.4.)d).
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III. Konfliktvermeidung
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6.) Inhabilitätsvorschriften und Eignungsprüfungen Den stärksten Eingriff in die Freiheit des Interessenwahrers nehmen Inhabilitäts- und Inkompatibiltätsvorschriften vor.25 Bei ihnen handelt es sich um präventive Regelungen, denn die mit der Regelung ins Auge gefassten Interessenkonflikte werden von vornherein komplett ausgeschlossen. Inhabilitätsvorschriften bestimmen, dass ein möglicher Interessenwahrer in bestimmten Situationen ein Interessenwahrungsverhältnis nicht eingehen kann. Da sie zwei (oder mehr) Positionen für miteinander unvereinbar erklären, handelt es sich bei ihnen um Statusregelungen. Mit der Anknüpfung an den Status bzw. Positionen, die als miteinander unvereinbar erklärt werden, stellen Inhabilitätsregelungen auf abstrakte Interessenkonflikte ab.26 Darauf, ob im konkreten Fall ein Interessenkonflikt vorliegt, kommt es daher nicht an. Aufgrund ihrer extrem beschränkenden Wirkung kommen sie nur in besonderen Situationen und bei dauerhaften Interessenkonflikten in Betracht, die besonders gravierend sind. Solche besonderen Situationen sind insbesondere27 Konstellationen, in denen der Interessenwahrer eine Überwachung- oder Prüfungsaufgabe übernehmen soll und in diesem Zusammenhang in einen Interessenkonflikt geraten könnte. Es geht dabei vor allem um Interessenkonflikte wegen Richtens in eigener Sache. Wer etwa Aufsichtsratsmitglied in einer Gesellschaft ist, darf nach § 105 Abs. 1 AktG nicht zugleich als Vorstand dieser Gesellschaft tätig sein, und der Abschlussprüfer wird für inhabil erklärt, wenn die Besorgnis besteht, er könne befangen sein, vgl. §§ 319 Abs. 2 und Abs. 3, 319a HGB. Im Fall gerichtlich zu bestellender Interessenwahrer wird die Frage einer möglichen Inhabilität regelmäßig im Rahmen von Eignungsprüfungen untersucht.28 Denn bei der dem Gericht obliegenden Prüfung, ob der Betroffene ausreichend geeignet ist, muss dieses auch untersuchen, ob möglicherweise Interessenkonflikte des Betroffenen gegen dessen Bestellung sprechen. Vergleichbares gilt im Fall des Aufsichtsrechts, wenn eine Aufsichtsbehörde die Zuverlässigkeit einer Person überprüfen muss, wie etwa die BaFin nach dem KWG die Zuverlässigkeit von Geschäftsleitern.29
Dazu § 13 I. Siehe dazu auch die Ausführungen zur Unabhängigkeit in § 4 III. 4.). 27 Aber nicht nur, wie sich am Alleinerben zeigt, der nicht Testamentsvollstrecker sein können soll. Dazu RGZ 77, 177; Staudinger/Reimann, BGB, 2012, § 2197 Rdnr. 53; Löhnig, Treuhand, 2006, S. 4 41. Anders aber BGH ZEV 2005, 204, wonach der Alleinerbe dann Testamentsvollstrecker sein kann, wenn sich die Testamentsvollstreckung auf die sofortige Erfüllung eines Vermächtnisses beschränkt und das Nachlassgericht bei groben Pflichtverletzungen einen anderen Testamentsvollstrecker bestimmen kann. 28 Dazu § 13 II. 29 Dazu § 13 III. 25 26
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§ 6 Systematisierung der besonderen Regelungen
7.) Außerdem: Selbstablehnungsrecht wegen Interessenkonflikts Sofern das Interessenwahrungsverhältnis nicht vom Geschäftsherrn und Interessenwahrer gemeinsam (vertraglich) begründet wird, sondern letzterer von einem Dritten, insbesondere einem Gericht, als Interessenwahrer bestellt wird, kann die Möglichkeit einer Selbstablehnung bestehen.30 Dieses ergibt sich insbesondere aus einer entsprechenden Anwendung von § 663 Satz 1 BGB. Auf diese Weise wird ein gewisser Gleichlauf mit vertraglichen Vereinbarungen von Interessenwahrungsverhältnissen erreicht. Denn bei diesen hätte der potentielle Interessenwahrer die Möglichkeit gehabt, das Interessenwahrungsverhältnis gar nicht erst einzugehen. Entsprechend zeigt sich die besondere Schutzfunktion des Selbstablehnungsrechts vor allem bei Konflikten geringerer Intensität.31 Hierzu gehören etwa emotionale Konflikte, die entstehen, weil der Betroffene, der bestimmte Interessen zu wahren hat, gleichzeitig Rücksicht auf gegensätzliche Interessen eines Dritten nehmen möchte. Solche Konflikte werden von anderen Regelungen regelmäßig nicht erfasst, weil sie entweder aus einer objektiv-normativen Perspektive keinen verlässlichen Anschein eines regelungsbedürftigen Konflikts begründen32 oder aber es nicht möglich ist, einen ausreichend abstrakten und zugleich abgrenzbaren und genauen gesetzlichen Tatbestand zu formulieren, um diese Konflikte zu erfassen. Ein Selbstablehnungsrecht hat etwa der Rechtsanwalt,33 ebenso – in begrenztem Umfang – der Insolvenzverwalter. Anders als das englische Insolvenzrecht34 sieht das deutsche Insolvenzrecht zwar kein ausdrückliches Selbstablehnungsrecht des Insolvenzverwalters vor. Aber der vom Gericht zum Verwalter Ernannte kann das Amt bis zum Zeitpunkt der Annahme ablehnen, ohne dafür bestimmte Gründe angeben zu müssen.35 Nach einer ausdrücklich oder konkludent erklärten Annahme ist dem Verwalter eine selbstbestimmte Amtsniederlegung dann allerdings nicht mehr möglich. Dies wird durch § 59 InsO verhindert, aus dem abgeleitet werden kann, dass – mit Ausnahme von §§ 56a Abs. 3, 57 InsO – eine Amtsentlassung ohne Einschaltung des Insolvenzgerichts unzulässig ist.36 30 Für den Vormund besteht dies nur eingeschränkt, §§ 1785 f. BGB. § 1785 gilt wegen § 1981 Abs. 3 BGB aber nicht für den Nachlassverwalter. 31 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 228. 32 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 228. 33 BVerfG NJW 2003, 2520, 2521. 34 So sieht etwa Insolvency Act 1986, Sch. B1, para 87 i.V.m. Insolvency Rules 1986, r. 2.119(1)(b) für den Fall eines Interessenkonflikts ein Rücktrittsrecht für den administrator vor. 35 Vgl. dazu RegE InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 127 (keine Pflicht zur Annahme); Jaeger/ Gerhardt, InsO, § 56 Rdnr. 31. Das Verwalteramt beginnt erst mit der Annahme des Amtes durch ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung gegenüber dem Insolvenzgericht, nicht bereits mit der Ernennung. Vgl. dazu Jaeger/Gerhardt, InsO, § 56 Rdnr. 30; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 229. 36 RegE, InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 128; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO § 59 Rdnr. 15;
III. Konfliktvermeidung
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8.) Grenzen von Konfliktvermeidungspflichten Interessenkonflikte lassen sich dann vollständig vermeiden, wenn der Interessenwahrer von dem konfliktbelasteten Geschäft Abstand nimmt. Damit ist die Abstandnahme von einem solchen Geschäft die am besten geeignete Maßnahme, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Aus praktischer, ökonomischer und (grund-)rechtlicher Perspektive kommt sie jedoch nicht in jedem Fall in Frage.37 Denn sie bedeutet eine große, oftmals übermäßige, Beschränkung des betroffenen Interessenwahrers und ist nicht immer im Interesse des Geschäftsherrn. So wäre etwa im Fall eines Intermediärs, der auf den Ausgleich verschiedener (Kunden-)Fremdinteressen hinwirken soll, eine Pflicht zur Abstandnahme bei Kollision verschiedener (Kunden-)Fremdinteressen – insbesondere wenn sie sich auf unterschiedlichen Marktseiten befinden – mit dessen Funktion als Intermediär nicht vereinbar. Denn es ist gerade seine Funktion, zwischen den Parteien zu stehen und sich um einen angemessen Interessenausgleich zu bemühen. Beispiel hierfür ist die Emission von Finanzinstrumenten, bei denen die emittierenden Unternehmen gerne einen hohen Verkaufs-, die Anleger jedoch einen niedrigen Kaufpreis erzielen möchten. Eine Aufspaltung der Intermediärsstellung in zwei verschiedene Interessenwahrer würde dieses Problem zwar lösen, aber sie verringert in der Regel die Effizienz der Zuteilung und führt damit zu anderen Nachteilen. Denn für den einen Geschäftsherrn (hier das Unternehmen, das den Anlegern oft unbekannt ist) spielt die Reputation des Interessenwahrers (hier der Bank) bei den anderen Geschäftsherren (hier den Anlegern) eine wichtige Rolle, die er für seine Zwecke (etwa eine Emission von Finanzinstrumenten) nutzen möchte. Von der Reputation hängt unter anderem ab, wie gut und schnell der Interessenwahrer diesen Zweck erreichen kann, also etwa wie schnell die Bank die Finanzinstrumente an die Anleger vermitteln kann. Eigene Kunden der Bank, die aufgrund der Aufnahme ihrer Kontobeziehung ihrem Vertrauen in die Bank Ausdruck verliehen haben, spielen dabei eine wichtige Rolle. Denn bei diesen kann die Bank emittierte Finanzinstrumente besonders schnell und kostengünstig platzieren, zum einen wegen deren Vertrauen und zum anderen wegen der in diesem Fall vergleichsweise niedrigen Transaktionskosten.
dazu auch Jaeger/Gerhardt, InsO, § 56 Rdnr. 75; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 229 f. Der Verwalter kann aber nach seiner Ernennung jederzeit einen Antrag auf Entlassung stellen, vgl. § 59 Abs. 1 Satz 2 InsO. 37 Vgl. Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 60.
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§ 6 Systematisierung der besonderen Regelungen
IV. Konfliktlösung Regelungen zur Konfliktlösung sind dann von Bedeutung, wenn ein Konflikt bereits entstanden ist. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn es für die jeweilige Situation keine präventiven Regelungen gibt (oder in Ausnahmefällen, weil diese nicht beachtet wurden). In der Regel geht es somit um punktuelle Interessenkonflikte in Einzelfällen oder solche, die notwendig im Geschäftsmodell des Interessenwahrers angelegt sind38 und sich nicht vermeiden lassen – nicht zuletzt weil die Geschäftsherren auf die Dienstleistung des Interessenwahrers angewiesen sind. In diesen Fällen bedarf es besonderer Regelungen, wie mit dem jeweiligen Konflikt umzugehen ist. Da es sich regelmäßig um (u. U. wechselnde) Einzelsituationen handelt, kommt es auf das Vorliegen eines konkreten (materiellen) Konflikts an. Die wichtigsten Konfliktlösungsregelungen sind – geordnet nach der zunehmenden Intensität ihres Eingriffs in die Handlungsfreiheit des Interessenwahrers: formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen, die Geschäftschancenlehre, Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen und die Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses.
1.) Formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen Formale Konfliktlösungsprinzipien oder Rangbestimmungen, wie z. B. das Prioritätsprinzip, legen im Fall mehrerer zu wahrender Fremdinteressen, deren Kollision sich aufgrund des zulässigerweise gewählten Geschäftsmodells nicht vermeiden lässt, fest, in welcher Reihenfolge diese zu wahren bzw. zu befriedigen sind.39 Geht es ausschließlich um Fremdinteressen, reicht dies häufig aus, um eine angemessene Balance der Interessenwahrungspflichten gegenüber den verschiedenen Geschäftsherren sicherzustellen. Sofern sich die verschiedenen Fremdinteressen allerdings nicht in eine Rangfolge bringen lassen, etwa weil sich der Interessenwahrer vertraglich zu einer Gleichbehandlung verpflichtet hat oder Interessenwahrungspflichten im gleichen Zeitpunkt entstehen, müssen die Interessen gleich behandelt werden. Anderes gilt in beiden Fällen, sobald Eigeninteressen des Interessenwahrers hinzukommen, sei es, dass sich dieser von einem der Kunden eine profitablere Kundenbeziehung verspricht, sei es, dass er mit einem der Kunden verwandt oder in anderer Weise verbunden ist.40 In diesen Fällen müssen zusätzliche Kontrollen vorgesehen werden. Sind die Eigeninteressen des Interessenwahrers hingegen unmittelbar involviert, z. B. 38 Dies ist etwa bei als Kommissionär tätigen Banken am Kapitalmarkt der Fall, die aufgrund ihres Geschäftsmodells Wertpapieraufträge für zahlreiche Kunden ausführen müssen. 39 Dazu § 14. 40 Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 917.
IV. Konfliktlösung
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bei Eigengeschäften des Interessenwahrers, müssen diese jedoch immer hinter den Interessen des Geschäftsherrn zurückstehen.
2.) Geschäftschancenlehre Das Pendant zum Wettbewerbsverbot bei konkreten, lediglich punktuellen Interessenkonflikten ist das Verbot, Geschäftschancen des Geschäftsherrn an sich zu ziehen.41 Die Geschäftschancenlehre hat sich vor allem im Gesellschaftsrecht entwickelt, lässt sich aber verallgemeinern. Bei ihr handelt es sich um eine Regelung zur Auflösung von Interessenkonflikten, die entstehen, wenn ein Interessenwahrer mit seinem Geschäftsherrn um Gelegenheiten zum Geschäftsabschluss konkurriert. Anders als bei Wettbewerbsverboten geht es dabei regelmäßig um ein bestimmtes einzelnes Geschäft.
3.) Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen Übernimmt nicht nur ein einzelner die Interessenwahrung für einen anderen, sondern sind mehrere Interessenwahrer gleichzeitig mit dieser Aufgabe betraut und handeln sie dabei gemeinsam im Rahmen eines Gremiums, können Interessenkonflikte einzelner Gremiumsmitglieder Auswirkungen auf die Entscheidungen des gesamten Gremiums haben. Beispiele für solche Gremien von Interessenwahrern sind der Aufsichtsrat bei Gesellschaften oder der Gläubigerausschuss im Fall von Insolvenzen. In diesen Fällen müssen besondere Regelungen gelten, die die Entscheidungsfähigkeit des Gesamtgremiums erhalten, gleichzeitig aber die Auswirkungen der Interessenkonflikte der Einzelnen begrenzen. In der Regel wird dies dadurch erzielt, dass der von einem Interessenkonflikt Betroffene an der Entscheidung bzw. der Abstimmung nicht teilnehmen darf.42 Die aus der Interessenwahrungspflicht fließende Pflicht zur Abstandnahme konkretisiert sich hier zu einem Stimmverbot für den Betroffenen.43 In besonderen Fällen kann der betroffene Interessenwahrer sogar dazu verpflichtet sein, einer Sitzung insgesamt fernzubleiben.44 Stimmverbote eignen sich allerdings nur als Maßnahme für punktuelle Konflikte, die eine bestimmte zur Abstimmung stehende Entscheidung betreffen. Für dauerhafte Konflikte eignen sie sich dagegen nicht. Denn fortgesetzte Stimmverbote würden dazu führen, dass das jeweilige Gremiumsmitglied seine 41 Vgl. Kort, ZIP 2008, 717, 719 („Zwillingsschwester“). Monographisch zur Geschäftschancenlehre insb. Polley, Wettbewerbsverbot, passim; Reinhardt, Interessenkonflikte, passim; Schuhknecht, Schranken, passim; Weisser, Corporate Opportunities, passim. Zum Verbot, Geschäftschancen an sich zu ziehen, § 15. 42 Dazu § 16. 43 Siehe z. B. § 34 BGB. 44 KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl., 1996, § 109 Rdnr. 8 ; Hopt, ZGR 2002, 333, 371 f. (für Übernahmefälle). Dazu § 16 VIII.
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§ 6 Systematisierung der besonderen Regelungen
Aufgabe im Gremium nicht mehr wahrnehmen könnte, gleichzeitig aber sein Platz auch nicht mit einem nichtbelasteten neuen Mitglied neu besetzt werden kann. Gegenüber der vollständigen Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses haben Stimmverbote den Vorteil, dass sie nicht zu einer dauerhaften Trennung von dem betroffenen Aufsichtsratsmitglied führen, was im Fall eines lediglich punktuellen Konflikts regelmäßig keine angemessene Reaktion gegenüber dem Betroffenen, aber auch nicht im Interesse des Geschäftsherrn wäre. Anders als andere Konfliktlösungsmaßnahmen knüpfen Stimmverbote jedoch nicht konkret, sondern abstrakt an. Dies ist mit der besonderen Situation in Gremien zu erklären, bei denen Stimmverbote Rückwirkungen auf die Wirksamkeit der gefassten Beschlüsse haben können. Müsste ein Interessenkonflikt immer konkret nachgewiesen werden, würde die Tätigkeit des Gremiums erheblich behindert und ihre Funktionsfähigkeit stark eingeschränkt werden.
4.) Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses Gerät der Interessenwahrer im Rahmen eines bestehenden Interessenwahrungsverhältnisses in einen gravierenden, konkreten Interessenkonflikt und kann insbesondere dem Geschäftsherrn dessen Fortsetzung nicht mehr zugemutet werden, ist das Interessenwahrungsverhältnis zu beenden.45 Dies kann etwa bei sog. Pflichtenkollisionen eintreten, wenn der Interessenwahrer wegen der oft weitgehenden Unbestimmtheit der Pflichten plötzlich in eine Situation gerät, in der er Pflichten gegenüber verschiedenen Geschäftsherren zu erfüllen hat, die sich gegenseitig ausschließen. Kann dem Geschäftsherrn nicht zugemutet werden, dass der Interessenwahrer eigenmächtig darüber entscheidet, ob und welche der kollidierenden Pflichten er erfüllt und welche er verletzt, muss der Interessenwahrer in der Regel seine Tätigkeit beenden und das Interessenwahrungsverhältnis auflösen. Diese Pflicht stellt im Vergleich zu den übrigen Konfliktlösungsregelungen den stärksten Eingriff in die Handlungsfreiheit des Interessenwahrers dar. Denn sie betrifft das gesamte Interessenwahrungsverhältnis und nicht lediglich Teile davon und nimmt dem Interessenwahrer auch jeglichen Entscheidungsfreiraum. Sie korrespondiert insofern mit den konfliktvermeidenden Regelungen zur Inhabilität und dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen. Daher sind die zugrunde liegenden Voraussetzungen im Hinblick auf die Art und Intensität des Konflikts sowie seine Auswirkungen vergleichbar. Im Unterschied zu den präventiven Regelungen, die abstrakt anknüpfen, geht es bei der Pflicht zur Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses jedoch um konkrete Konflikte. Die Konfliktsituation tritt hier erst später ein und war vorher noch nicht (potentiell) angelegt, sodass die präventiven Regelungen noch nicht Dazu § 17.
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V. Sanktionen und Gewinnabschöpfung
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greifen konnten. Zudem kann eine Konfliktsituation, die eine weitere vertrauensvolle Interessenwahrung unmöglich werden lässt, auch dort entstehen, wo das Gesetz keine präventiven Inhabilitätsregelungen vorsieht. Insofern geht der Anwendungsbereich der Regelungen zur Beendigung von Interessenwahrungsverhältnissen über denjenigen von Inhabilitätsvorschriften hinaus.
V. Sanktionen und Gewinnabschöpfung Um die genannten Pflichten durchzusetzen und ihre Nichtbeachtung zu ahnden, sehen die gesetzlichen Regelungen unterschiedliche Sanktionen vor: 46 An erster Stelle steht regelmäßig der Schadensersatz: So ist etwa ein Vertreter, der ein nach § 181 BGB unzulässiges Insichgeschäft vornimmt und damit seine Vertretungsmacht überschreitet,47 dem anderen Teil nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verpflichtet, §§ 181, 177, 179 BGB, wenn der Vertretene das Geschäft nicht genehmigt.48 Des Weiteren sieht das Gesetz in vielen Fällen besondere Sanktionen vor: So verwirkt etwa der eine treuwidrige Doppeltätigkeit ausübende Makler nach § 654 BGB seinen Lohnanspruch. Ein Verstoß gegen ein Stimmrechtsverbot im Aufsichtsrat führt zur Nichtigkeit der Stimme des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds.49 Dies kann sogar auf den Beschluss durchschlagen, wenn ohne diese Stimme das Beschlussergebnis nicht zustande gekommen wäre.50 Für berufsmäßige Interessenwahrer gibt es schließlich noch eine Reihe öffentlichrechtlicher und strafrechtlicher Sanktionen, wie die Untreue nach § 266 StGB oder Tätigkeits- und Berufsverbote. 51 Ein besonderes Mittel zur Durchsetzung von Interessenkonfliktregelungen ist die Gewinnabschöpfung: 52 Interessenwahrer müssen Zahlungen, die sie unter Verletzung ihrer Pflichten zum Umgang mit Interessenkonflikten erhalten haben, dem Geschäftsherrn herausgeben.53 In ihrer ex-post Wirkung führt Zu Sanktionen § 18. Siehe dazu nur Palandt/Ellenberger, BGB, § 181 Rdnr. 15. 48 Beispiele für Schadensersatznormen, die der Durchsetzung von Interessenkonfliktsregelungen dienen, sind z. B. §§ 88 Abs. 2 Satz 1, 93 Abs. 2 Satz 1, 93 Abs. 3 Nr. 8 AktG. 49 Siehe hier nur Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 440. 50 Zu den Auswirkungen von Stimmverboten auf Beschlüsse § 16 IX.3.). Stv. RGZ 106, 258. 263; Hüffer, AktG, § 108 Rdnr. 17; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl., 1996, § 108 Rdnr. 74. 51 Siehe z. B. auch § 404 Abs. 2 AktG, §§ 14, 38 WpHG. Zu Tätigkeitsverboten z. B. § 36 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 35 Abs. 2 Nr. 6 KWG, zu Berufsverboten § 70 StGB sowie § 132a StPO. 52 Dazu § 19. 53 Hopt, ZGR 2004, 1, 48 m.w.N. Für Anreizzahlungen Dritter an Finanzintermediäre auf dem Kapitalmarkt siehe Art. 26 der Richtlinie 2006/73/EG der Kommission vom 10. August 2006, ABlEU 2006 Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 26, in Konkretisierung von Art. 19 Abs. 1 MiFID. 46 47
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§ 6 Systematisierung der besonderen Regelungen
die Gewinnabschöpfung dazu, dass dem Interessenwahrer, der seine Pflicht verletzt hat, der unrechtmäßige Gewinn entzogen und der Geschäftsherr damit für die Schädigung seiner Interessen kompensiert wird. In ihrer ex-ante Wirkung kann sie dafür sorgen, dass ein Interessenkonflikt gar nicht erst entsteht. Denn wird der zu erlangende Vorteil gleich wieder entzogen, kann er auf den Interessenwahrer keinen Anreiz mehr ausüben.
VI. Zusammenfassung Die allgemeinen Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten, die Interessenwahrungspflicht und das Unabhängigkeitserfordernis konkretisieren sich in besondere Regelungen. Diese Regelungen können übergeordnet in die Kategorien Konfliktoffenlegung, Konfliktvermeidung und Konfliktlösung eingeordnet werden. Die Konfliktoffenlegung stellt einen allgemeinen Rechtsgrundsatz dar, wonach jeder mögliche oder auch eingetretene Konflikt vom Interessenwahrer dem Geschäftsherrn gegenüber offenbart werden muss. Dies ermöglicht dem Geschäftsherrn zum einen, seine Interessen selbst zu schützen, zum anderen, eventuelle Ansprüche aufgrund eines pflichtwidrig gelösten Konflikts gegen den Interessenwahrer geltend zu machen und durchzusetzen. Die konfliktvermeidenden Regelungen dienen dem präventiven Schutz vor Konflikten und knüpfen daher an den abstrakten Interessenkonflikt an. Demgegenüber dienen konfliktlösende Regelungen dazu, einen bereits eingetretenen Konflikt zu lösen, sie knüpfen daher an den konkreten Interessenkonflikt an. Beide Arten von Regelungen konkretisieren sich je nach Art, Dauer, Intensität und Auswirkungen des jeweils geregelten Konflikts in unterschiedliche besondere Regelungen. Bei den konfliktvermeidenden Regelungen sind dies insbesondere – geordnet nach der steigenden Intensität des Eingriffs: Organisationspflichten, Beschränkungen des Handlungsspielraums, die vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers, Wettbewerbsverbote, das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen und Inhabilitätsvorschriften. Bei den konfliktlösenden Regelungen sind dies – weitgehend korrespondierend mit den besonderen Regelungen zur Konfliktvermeidung: formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen, die Geschäftschancenlehre, Stimm– und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen und die Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses. Zur Durchsetzung dieser Regelungen in Bezug auf Interessenkonflikte gibt es verschiedene gesetzliche Sanktionen sowie das Mittel der Gewinnabschöpfung.
Abschnitt 1: Konfliktoffenlegung
§ 7 Anzeige- und Offenlegungspflichten I. Einleitung Offenlegungspflichten gehören zum Kern der Interessenwahrungspflicht. Sie stellen ein flexibles Instrument für den Umgang mit Interessenkonflikten dar und wirken weniger einschneidend als strikte Verbote, die sie entwicklungsgeschichtlich abgelöst haben.1 Zugleich bilden sie die Grundlage für weitere Pflichten, wie etwa im Gesellschaftsrecht, wo sie den Genehmigungserfordernissen durch den Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung vorgelagert sind.2 Auch Herausgabepflichten – wie etwa im Hinblick auf im Zuge der Geschäftsbesorgung Erlangtes – lassen sich nur durchsetzen, wenn der Geschäftsherr entsprechende Kenntnis hat.3
II. Grundsatz und Zweck von Anzeige- und Offenlegungspflichten Die Pflicht zur Offenlegung verlangt von einem Interessenwahrer, dass er In teressenkonflikte, denen er unterliegt oder die sich abzeichnen, gegenüber seinem (auch zukünftigen) Geschäftsherrn4 unverzüglich, vollumfänglich und wahrheitsgemäß offenlegt. 5 Dies gilt insbesondere dann, wenn der Konflikt nach objektiven Gesichtspunkten die Gefahr eines pflichtwidrigen Verhaltens begründet.6 Es gilt aber auch für konkrete Interessenkonflikte, die Dritte von außen nicht wahrnehmen können. Hopt, ZGR 2004, 1, 25. Hopt, ZGR 2004, 1, 25. 3 Dazu unten § 19. 4 Zu Abweichungen kommt es etwa beim Aufsichtsrat oder bei gerichtlich bestellten Interessenwahrern. In diesen Fällen kann entweder der eigentliche „Geschäftsherr“ nicht über die Aufnahme bzw. Fortsetzung des Interessenwahrungsverhältnisses entscheiden oder es müsste ein unzumutbar hoher Aufwand betrieben werden. 5 BGHZ 78, 263, 268; 114, 87; 146, 235; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rdnr. 39; GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 164 (Aufsichtsrat); allgemein zu Interessenverwahrern Hopt, ZGR 2004, 1, 25. Außerdem bereits Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 446 f.; hinsichtlich des Insolvenzverwalters z. B. BGHZ 113, 262, 276; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 211; Preuß, Zivilrechtspflege, S. 361. 6 Vgl. BGHZ 78, 263, 268; 114, 87; 146, 235; BGH NJW 1983, 1847, 1848; 2001, 1065, 1067; allgemein zu Interessenwahrern Hopt, ZGR 2004, 1, 25 ff. 1 2
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§ 7 Anzeige- und Offenlegungspflichten
Dieser Offenlegungspflicht liegt der Gedanke zugrunde, dass sich jemand, der über einen Interessenkonflikt seines Vertragspartners aufgeklärt worden ist, selbst ausreichend schützen kann.7 Die Offenlegung ermöglicht es ihm zu entscheiden, ob er in der jeweiligen Situation seine Interessen der Gefahr dieses Interessenkonflikts aussetzen möchte oder nicht. So kann etwa der Ratsuchende im Fall einer Beratung besser beurteilen, ob ein Rat, eine Anlageempfehlung oder eine Handlung des Beraters allein in seinem Interesse erfolgt oder eher im Interesse des Beraters.8 Damit wird die Interessenwahrung – zumindest teilweise – auf den Beratenen bzw. den Geschäftsherrn zurückverlagert. Ohne die Offenlegung ist ein solcher Selbstschutz regelmäßig nicht möglich. Denn eine entsprechende Entscheidung kann der Geschäftsherr nur treffen, wenn ihm ausreichend Informationen über die Interessen des Interessenwahrers und den Konflikt vorliegen. Ohne Offenlegung durch den Interessenwahrer ist dies aber regelmäßig nicht der Fall, weil dem Geschäftsherrn der entsprechende Einblick fehlt und er den Interessenwahrer auch nicht umfänglich überwachen kann. Diese asymmetrische Informationslage9 zwischen dem Geschäftsherrn und dem Interessenwahrer führt zu der Gefahr, dass der Interessenwahrer einen Interessenkonflikt zu Lasten des Geschäftsherrn auflöst und eine (unentdeckt bleibende) Pflichtverletzung begeht. Die Offenlegungspflicht dient daher der Überwindung dieser Informationsasymmetrie. Hat der Geschäftsherr Kenntnis von einem Interessenkonflikt des Interessenwahrers, sind die vormals unterschiedlichen Informationsniveaus in dieser Hinsicht (weitgehend) angeglichen und der Geschäftsherr kann informiert entscheiden, ob und wie er seine Interessen schützen möchte. Eine teilweise Rückverlagerung der Interessenwahrung auf den Geschäftsherrn bedeutet jedoch nicht, dass die Offenlegungspflicht – im Fall der Aufnahme bzw. Fortsetzung des Interessenwahrungsverhältnisses – andere weitergehende, die Interessenwahrungspflicht konkretisierende Pflichten verdrängt.10 Denn Offenlegungspflichten dienen weder dazu, einen Interessenkonflikt ganz zu vermeiden, noch dazu, ihn abzuschwächen.11 Ersteres ließe sich nur zuwege bringen, wenn der Betroffene von dem Geschäft vollständig Abstand nimmt, eine Offenlegung alleine reicht dafür nicht aus. Letzteres, d. h. eine Abschwächung des Konflikts, lässt sich mittels einer Offenlegung nicht erreichen, weil 7 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 36; Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 66. 8 Bzgl. Rückvergütungen BGHZ 170, 226 (aus dem Leitsatz). Zu Rückvergütungen siehe insb. noch § 7 III.1.)c.)(v), § 7 III.4.)b.) und § 19 V. Krit. zu den gegenwärtig bestehenden Informationspflichten allgemein Koller, FS Huber, 2006, S. 821, 823 ff. Zum Zweck bankrechtlicher Aufklärungs- und Beratungspflichten Lang, Informationspflichten, § 2 Rdnr. 3 ff 9 Zur Informationsasymmetrie Fleischer, Informationsasymmetrie, passim. 10 So hinsichtlich einer Abstandnahme im Fall von § 31 WpHG KölnKommWpHG/Möllers, § 31 Rdnr. 157. 11 Für letzteres aber etwa Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 51.
III. Rechtsgrundlage der Offenlegungspflicht
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die Kenntnis eines anderen (des Geschäftsherrn) von einem Interessenkonflikt die Intensität des Konflikts nicht oder höchstens geringfügig beeinflusst.
III. Rechtsgrundlage der Offenlegungspflicht 1.) Offenlegungspflicht vertraglicher Interessenwahrer a.) § 666 Fall 1 BGB als allgemeine Rechtsgrundlage Im Rahmen des Vertragsrechts hat die Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten ihre allgemeine Rechtsgrundlage in § 666 Fall 1 BGB. Aufgrund der gesetzlichen Verweisung in § 675 Abs. 1 BGB lassen sich die Offenlegungspflichten aller geschäftsbesorgerisch tätigen vertraglichen Interessenwahrer auf diese Vorschrift zurückführen.12 Nach § 666 Fall 1 BGB ist der Interessenwahrer verpflichtet, dem Geschäftsherrn „die erforderlichen Nachrichten zu geben“, d. h. er hat unaufgefordert alle Informationen mitzuteilen, die der Geschäftsherr nicht kennt und die er benötigt, um „seine Rechte wahrnehmen, Pflichten erfüllen und sachgerechte Entscheidungen treffen“ zu können.13 Da der Interessenwahrer im Interesse des Geschäftsherrn tätig wird, bleibt dieser „Herr des Geschäfts“14 und muss „jederzeit die Kontrolle über den Auftragsvollzug behalten, um etwa korrigierend eingreifen und weitere Dispositionen treffen zu können“.15 Diese Pflicht entspringt der Interessenwahrungspflicht des Beauftragten bzw. Geschäftsbesorgers gegenüber dem Auftraggeber bzw. Geschäftsherrn.16 Die Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten ist eine besondere Form dieser Benachrichtigungspflicht, da sie den Kern des Interessenwahrungsverhältnisses betrifft, nämlich die Geeignetheit des Interessenwahrers zur Durchführung der Interessenwahrung. Interessenkonflikte beeinflussen regelmäßig die interessenwahrende Tätigkeit des Interessenwahrers unmittelbar und gefährden – abstrakt oder konkret – die Interessen des Geschäftsherrn. Dementsprechend sind diesbezügliche Informationen für alle Entscheidungen 12 Zudem finden sich Verweise auf § 666 BGB etwa in § 27 Abs. 3, § 713, § 2218 Abs. 1 BGB. 13 MünchKommBGB/Seiler, § 666 Rdnr. 5 : ähnl. Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 9 ; vgl. auch BGB NJW 2005, 1113, 1114; 1998, 680, 681; Soergel/Beuthin, BGB, § 666 Rdnr. 6 ; Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 5. Vgl. außerdem Huber, in: Lorenz, Karlsruher Forum 2000, S. 5 (zu Aufklärungspflichten vor Vertragsschluss); zum Schweizer Recht Abegglen, Aufklärungspflichten, S. 119. Für § 384 HGB Ehrenberg/Schmidt-Rimpler, Hdb des HandelsR, Bd. 5.1.1, S. 724. 14 BGH NJW 2007, 1528; Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 1. 15 Staudinger/Martinek BGB, § 666 Rdnr. 6; siehe auch Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 1. 16 Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 9 ; Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 6 ; Löhnig, Treuhand, S. 214. Vgl. dazu auch Mot. II, 537 = Mugdan II, S. 300.
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des Geschäftsherrn im Hinblick auf das Interessenwahrungsverhältnis von erheblicher Bedeutung. Daher ist auch eine Offenlegung von Interessenkonflikten gegenüber dem Geschäftsherrn immer „erforderlich“ im Sinne von § 666 Fall 1 BGB. Der Interessenwahrer hat somit den Geschäftsherrn über alle – auch nur möglichen – Interessenkonflikte zu unterrichten, die die Interessen des Geschäftsherrn berühren und deren Beeinträchtigung befürchten lassen.17 Von einer Offenlegung darf er nur absehen, wenn der jeweilige Konflikt bereits früher – etwa beim Vertragsschluss – offengelegt worden ist oder sich aus der Tätigkeit des Interessenwahrers üblicherweise18 ergibt,19 z. B. weil der Interessenwahrer auch für andere tätig ist und der Geschäftsherr dies weiß.20 Die Offenlegung hat ungefragt, ausreichend ausführlich, verständlich und unverzüglich zu erfolgen.21 b.) Im vorvertraglichen Verhältnis, §§ 311, 241 Abs. 2 BGB Wie bei anderen Verträgen auch führt die Aufnahme von Vertragsverhandlungen zwischen dem Interessenwahrer und dem Geschäftsherrn zu vorvertraglichen Rücksichtnahme- und Fürsorgepflichten, vgl. §§ 311 Abs. 2 , 241 Abs. 2 BGB.22 Diese Pflichten werden durch den Interessenwahrungscharakter des zu schließenden Interessenwahrungsvertrages bestimmt.23 Die solchermaßen geprägten Rücksichtnahme- und Fürsorgepflichten konkretisieren sich insbesondere in eine vorvertragliche Pflicht zur Aufklärung über Interessenkonflikte, sofern der Interessenwahrer den Vertragsschluss nicht ablehnt.24 Denn schon bei den Vertragsverhandlungen hat ein Geschäftsbesorger den Geschäftsherrn darüber zu informieren, wenn er das Geschäft nicht ausführen kann.25 Dabei ist grundsätzlich über alle bestehenden oder abzusehenden Interessenkonflikte aufzuklären, unabhängig davon, ob sie aus Sicht des Interes17 Vgl. BGHZ 78, 263, 268; 114, 87; 146, 235; BGH NJW 1983, 1847, 1848; NJW 2001, 1065,1067; Löhnig, Treuhand, S. 215. 18 Dies darf allerdings nicht missbräuchlich sein. 19 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Krüger, HGB, § 384 Rdnr. 11; dazu auch Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 4 46; Löhnig, Treuhand, S. 216. 20 Beispielsweise im Wertpapierhandel der Banken. 21 Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 9; MünchKommBGB/Seiler, § 666 Rdnr. 5; Soergel/Beuthien, BGB, § 666 Rdnr. 6; GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 164 (Aufsichtsrat); Hopt, ZGR 2004, 1, 25. Siehe auch RGRK/Steffen, BGB, § 666 Rdnr. 4 ; § 666 Rdnr. 2 ; Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 6. 22 Etwa für die Kommission: BGHZ 8, 222, 235; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 384 Rdnr. 2 ; MünchKommHGB/Häuser, § 384 Rdnr. 19. 23 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Krüger, HGB, § 384 Rdnr. 10; Löhnig, Treuhand, S. 221. 24 MünchKommHGB/Häuser, § 384 Rdnr. 19; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 384 Rdnr. 12. Z.B. für den Rechtsanwalt BGHZ 174, 186. 25 BGHZ 79, 337, 345; MünchKommHGB/Häuser, § 384 Rdnr. 19; vgl. auch Koller/ Roth/Morck/Roth, HGB, § 384 Rdnr. 7. Vgl. dazu auch BGH WM 1982, 862, 865 (Prospekt).
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senwahrers die Durchführung des Geschäfts gefährden oder nicht.26 Denn nur so kann der Geschäftsherr eine informierte Entscheidung darüber treffen, ob er seine Interessen für gut vertreten hält. Dem Interessenwahrer kann nicht die Entscheidung überlassen werden, ob er einen Konflikt für „aufklärungswürdig“ oder für so unerheblich hält, dass eine Aufklärung nicht nötig ist. Dies stützt sich auch auf verhaltensökonomische Befunde, wonach Selbsteinschätzungen – insbesondere wenn es um Interessenkonflikte geht – regelmäßig zu optimistisch ausfallen.27 Von einer Aufklärung absehen darf der Geschäftsbesorger28 nur bei solchen Interessenkonflikten, die sich üblicherweise aus seiner Tätigkeit ergeben 29 oder die der Geschäftsherr bereits kennt. c.) Besondere Regelungen (i) Offenlegung bei punktuellen Interessenwahrungsverhältnissen am Beispiel des Kommissionärs Für den Kommissionär enthält § 384 Abs. 2 1. Hs. HGB eine parallele Vorschrift zu § 666 Fall 1 BGB. Danach ist der Kommissionär dazu verpflichtet, „dem Kommittenten die erforderlichen Nachrichten zu geben“. Dies umfasst alle Informationen, die für den Kommittenten bezüglich des auszuführenden Geschäfts wichtig sind.30 Wichtig sind insbesondere auch Informationen über eine mögliche Beeinträchtigung des Kommissionärs durch Interessenkonflikte. Denn nur wenn der Kommittent Kenntnis von ihnen hat, kann er sein Weisungsrecht sachgerecht ausüben. Zum Teil wird die Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten allerdings auch der Interessenwahrungspflicht nach § 384 Abs. 1 2. Hs. HGB zugeordnet.31 Diese auf den ersten Blick andere dogmatische Verortung der Offenlegungspflicht, lässt sich mit einer Verortung in § 384 Abs. 2 1. Hs. HGB in Einklang bringen, wenn man berücksichtigt, dass es sich bei der Kommission um ein Interessenwahrungsverhältnis handelt. Bei Interessenwahrungsverhältnissen wird die Rechtsstellung des Interessenwahrers und damit auch alle ihn treffenden Pflichten von der Interessenwahrungspflicht geprägt. § 384 Abs. 1 2. Hs. HGB bringt diese Pflicht, die das Wesen des Interessenwahrungsverhältnis A.A. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Krüger, HGB, § 384 Rdnr. 11; wohl auch Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 384 Rdnr. 12. Kommt es hingegen zu keinem Konflikt, muss auch nicht aufgeklärt werden. So auch MünchKommHGB/Häuser, § 384 Rdnr. 19. 27 Dazu § 2 V.3.)c.) 28 Wie oben unter § 7 III.1.)a.). 29 Vgl. dazu Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 384 Rdnr. 12. Siehe außerdem die Nachweise in Fn. 19 in diesem Kapitel. 30 BGH WM 2002, 1687, 1689; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 384 Rdnr. 7; MünchKommHGB/Häuser, § 384 Rdnr. 23; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Krüger, HGB, § 384 Rdnr. 16; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 384 Rdnr. 23. 31 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 384 Rdnr. 1; MünchKommHGB/Häuser, § 384 Rdnr. 23; vgl. dazu auch Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 384 Rdnr. 12. 26
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ses „Kommission“ bestimmt, besonders zum Ausdruck. Sie prägt jedoch auch die anderen Pflichten und nimmt in diesen in unterschiedlicher Form Gestalt an. Sieht man daher § 384 Abs. 2 1. Hs. HGB als eine spezielle interessenwahrende Regelung an, so ist es dogmatisch genauer, die Offenlegungspflicht in dieser Norm zu verorten und nicht eine Stufe „höher“ bei der allgemeinen Vorschrift zur Interessenwahrung. (ii) Offenlegung bei dauerhaften Interessenwahrungsverhältnissen am Beispiel des Handelsvertreters Für den Handelsvertreter enthält § 86 Abs. 2 HGB eine zu § 666 Fall 1 BGB parallele Vorschrift zur Benachrichtigungspflicht. Diese konkretisiert die für die Tätigkeit des Handelsvertreters wesensbestimmende32 Interessenwahrungspflicht nach § 86 Abs. 1 2. Hs. HGB.33 Neben den danach mitzuteilenden Geschäftsabschlüssen und -vermittlungen hat der Handelsvertreter den Unternehmer über alles zu informieren, was für dessen Tätigkeit und dessen diesbezüglichen Entscheidungen unter objektiven Gesichtspunkten wichtig ist.34 Dazu gehören insbesondere auch Informationen über Interessenkonflikte des Handelsvertreters, weil diese die interessenwahrende Tätigkeit des Handelsvertreters und seine Ausführung von Weisungen des Unternehmers beeinträchtigen können. (iii) Herleitung der Offenlegungspflicht bei fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Regelung am Beispiel des Maklers Eine Offenlegungspflicht im Hinblick auf Interessenkonflikte gilt auch für den (Handels-)Makler gegenüber seinen Kunden.35 Anders als in den vorangehend betrachteten Fällen ist diese jedoch nicht ausdrücklich gesetzlich statuiert. Da der Makler die Interessen seines Auftraggebers zu wahren hat36 bzw. im Fall der Doppeltätigkeit zu strenger Unparteilichkeit verpflichtet ist 37, muss er alle Umstände, insbesondere also Interessenkonflikte, offenlegen, die ihn hindern oder hindern könnten, seine Vertragspflicht zu erfüllen. Insbesondere die Doppeltätigkeit kann im Fall des Maklers zu Interessenkonflikten führen. Solange der Makler lediglich als Nachweismakler tätig ist, ist die Gefahr BGHZ 97, 317, 326; 112, 218, 222; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 20; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 385. 33 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 22; Hopt, Handelsvertreterrecht, § 86 Rdnr. 22, 40 ff. 34 MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 86 Rdnr. 48; Löhnig, Treuhand, S. 218. 35 Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 93 Rdnr. 30. Das gilt insbesondere für die Doppeltätigkeit. Dazu Wingbermühle, MDR 1993, 820, 821 (ausdrücklicher Hinweis nötig sowie Erlaubnis des Interessenten). 36 Dazu § 3 IV.2.)b.)(ii)(1). 37 Zu letzterem insbesondere BGHZ 48, 344; 61, 17, 22; außerdem Baumbach/Hopt/ Roth, HGB, § 93 Rdnr. 33. 32
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einer Pflichtverletzung aufgrund eines möglichen Interessenkonflikts zwar regelmäßig gering. Wird er jedoch als Vermittlungsmakler tätig und wirkt er als solcher auf den Willen der Vertragsparteien ein, könnte ihn eine Doppeltätigkeit dazu veranlassen, seine Pflicht zur Unparteilichkeit zu verletzen.38 Die mit der Doppeltätigkeit verbundene Gefahr spiegelt sich in § 654 BGB. Danach darf ein Zivilmakler nur dann zugleich für den Geschäftsgegner seines Auftraggebers tätig werden, wenn dies nicht dem Vertrag mit seinem Auftraggeber widerspricht, andernfalls verwirkt er seinen Lohnanspruch.39 Die Offenlegungspflicht des Maklers ergibt sich daher für den Fall der Doppeltätigkeit (mittelbar) aus § 654 BGB. Denn der Makler kann der Sanktion des § 654 BGB, der Verwirkung des Lohnanspruchs, nur entgehen, wenn die Doppeltätigkeit Inhalt des Maklervertrags geworden ist. Das aber ist nur möglich, wenn der Makler sie dem Auftraggeber vor Vertragsschluss angezeigt hat. Eine Offenlegung schließt eine Verletzung der Interessen des Auftraggebers durch den Makler aus (siehe BGH NJW 2000, 3067). Mit der Rechtsprechung ist allerdings von einer Offenlegungspflicht abzusehen, wenn der Auftraggeber von der Doppeltätigkeit wusste oder eine solche in dem jeweiligen Fall „eindeutig erkennbar oder absehbar war“ oder eine solche üblich ist.40 Denn der Makler ist nicht verpflichtet, etwas mitzuteilen, bei dem er davon ausgehen kann, dass es der Auftraggeber ohnehin kennt.41 Der jeweilige Maklervertrag kann in diesem Fall eine konkludente Gestattung beinhalten. Eine solche ist anzunehmen, wenn der Auftraggeber den Maklervertrag in Kenntnis des Interessenkonflikts abschließt. Wie er diese Kenntnis erlangt hat, ob durch Offenlegung oder auf sonstige Weise, ist dabei unerheblich. Dies lässt sich auch mit dem Schutzzweck der Interessenwahrungs- bzw. der aus ihr entspringenden Offenlegungspflicht vereinbaren. Denn sobald der Geschäftsherr über den Interessenkonflikt Bescheid weiß, kann er auf informierter Grundlage entscheiden, ob und wie er seine Interessen schützen möchte. Anders als das BGB für den Zivilmakler sieht das Handelsgesetz für den Handelsmakler keine Verbindung zwischen der Doppeltätigkeit und der Verwirkung des Lohnanspruchs vor.42 Das ändert jedoch nichts an dessen Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten. In jedem Fall ist eine Doppeltätig Vgl. Palandt/Sprau, BGB, § 654 Rdnr. 4 ; dazu auch Dehner, NJW 2000, 1986, 1994. Dazu BGHZ 48, 344, 346; 61, 17, 21 f.; BGH NJW 1970, 1075, 1076; BGH NJW-RR 1998, 992, 993; BGH WM 2003, 2061, 2062; BGH ZIP 2003, 2149, 2153 f.; Baumbach/ Hopt/Roth, HGB, § 93 Rdnr. 32; MünchKommBGB/Roth, § 654 Rdnr. 7 ff. 40 BGH NJW-RR 1998, 992, 993; 2000, 430, 431; BGH WM 2003, 2061, 2062; außerdem etwa OLG München WM 2001, 1562, 1563. Dagegen auch in diesem Fall für eine Offenlegung MünchKommBGB/Roth, § 654 Rdnr. 9. 41 BGH NJW 1981, 2685, 2686; NJW-RR 1988, 365, 366; BGH WM 2003, 2061, 2062; Staudinger/Reuter, BGB, §§ 652, 653 Rdnr. 216. 42 Eine Doppeltätigkeit ist grundsätzlich „nicht verboten“ bzw. „nicht schlechthin unzulässig“, siehe BGHZ 48, 344, 347; 61, 17, 21; vgl. auch BGH NJW 1970, 1075; BGH NJWRR 1998, 992, 993. 38 39
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keit ausgeschlossen, wenn der Makler nur im Interesse seines Auftraggebers als Vertrauensmakler tätig werden soll43 oder wenn ein konkreter Interessenkonflikt besteht.44 (iv) Herleitung der Offenlegungspflicht bei fehlenden besonderen gesetzlichen Regelungen am Beispiel des Anlageberaters Auch im Fall des gänzlichen Fehlens einer besonderen gesetzlichen Regelung kann eine Offenlegungspflicht hergeleitet werden. So hat der BGH bei der Anlageberatung im Zusammenhang mit sog. Rückvergütungen eine Offenlegungspflicht im Hinblick auf Interessenkonflikte angenommen und diese aus einem selbständig abgeschlossenen Beratungsvertrag abgeleitet. 45 Durch die Offenlegung soll der Kunde in die Lage versetzt werden zu beurteilen, ob die Anlageempfehlung allein in seinem, des Kunden, Interesse erfolgt oder aber im Interesse der Bank, möglichst hohe Rückvergütungen zu erhalten.46 Denn Zuwendungen Dritter begründen die „konkrete Gefahr“ eines Interessenkonflikts zu Lasten des Kunden. Diesen Interessenkonflikt hält der BGH für beherrschbar, wenn der Kunde über die Zuwendungen aufgeklärt worden ist und daraufhin informiert und eigenverantwortlich reagieren kann.47 Dementsprechend bezweckt auch beim Anlageberatungsvertrag die Offenlegungspflicht eine umfassende Wahrung des Kundeninteresses.48 (v) Exkurs: Zur Rechtsprechung des BGH über die Offenlegung von Rückvergütungen Die Rechtsprechung des BGH zu Rückvergütungen ist durch zahlreiche Widersprüche und Inkonsistenzen sowie eine stete Anpassung des Begriffs der „Rückvergütungen“ geprägt, die nicht zuletzt darauf zurückzuführen sind, dass der BGH sich darum bemüht, seine zum Teil sehr weitgehende Rechtsprechung zu Rückvergütungen zu begrenzen und andere Zuwendungen davon auszunehmen.49 BGH WM 1998, 1188, 1189. Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 93 Rdnr. 33. 45 Vgl. nur BGHZ 100, 117, 118 f.; 170, 226, 234. Den Abschluss eines Beratungsvertrages ablehnend etwa Krüger, NJW 2013, 1845. 46 BGHZ 170, 226 (aus dem Leitsatz). 47 Assmann, ZBB 2008, 21, 23. Krit. mit Verweis auf Umgehungsmöglichkeiten Koller, ZBB 2007, 197, 199. 48 BGHZ 146, 235 (aus dem Leitsatz). Krit. Schäfer/Schäfer, BKR 2007, 163, 165 u. a. mit dem Hinweis, dass ein Kunde, der wisse, dass die Bank kein Entgelt für den Anlagerat verlange, auch wisse, dass sie die Dienstleistung notwendigerweise anders finanziere. Zur Interessenwahrungspflicht des Anlageberaters oben § 3 IV.2.)b.)(ii)(3). 49 Rückvergütungen wurden vom BGH jüngst definiert, als „regelmäßig umsatzabhängige – Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschläge oder Verwaltungsgebühren gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber 43
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Nachzuvollziehen war die Einbeziehung von Beratungen zu geschlossenen Fonds,50 die seinerzeit noch nicht unter den Begriff des Finanzinstrumentes fielen. Denn im Hinblick auf Interessenkonflikte macht es keinen Unterschied, ob es sich bei dem empfohlenen Produkt um ein Finanzinstrument im Sinne des WpHG handelt oder um ein anderes Anlageprodukt.51 Kritisiert wurde dagegen zu recht die Entscheidung52 , die Rechtsprechung zu Rückvergütungen nicht auf „freie“ Anlageberater zu übertragen.53 Grundsätzlich ist es zwar durchaus vertretbar, dass der Anleger bei einem „freien“ Anlageberater davon ausgehen muss, dass dieser Zuwendungen vom Produktanbieter erhält, wenn der Anleger für die Beratung keine Vergütung zahlt. Nicht nachzuvollziehen ist aber, warum eine Bank aus Sicht des Kunden ein Interesse haben soll, die gleiche Dienstleistung gratis zu erbringen.54 Zudem sollte es dem BGH zufolge im Fall der Bank unerheblich sein, ob der Kunde davon ausgeht, dass die Bank Rückvergütungen erhält; auch ein solcher Kunde müsse über die konkrete Höhe dieser Rückvergütung aufgeklärt werden.55 Wenn es nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt“. Siehe BGH WM 2012 1520, 1524. Zur Rechtsprechung des BGH hinsichtlich Rückvergütungen und Innenprovisionen siehe z. B . Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 347 Rdnr. 30; Schelling, Vergütungssysteme, S. 179 ff.; Assmann, ZIP 2009, 2125; Buck-Heeb, BKR 2010, 309; Edelmann, BB 2010, 1163; Fullenkamp, NJW 2011, 421; Geibel, ZBB 2003, 349; Geßner, BKR 2010, 89; Habersack, WM 2010, 1245; Hanke, BKR 2012, 493; Herresthal, ZBB 2009, 349; ders., ZBB 2010, 305; Jooß, WM 2011, 1260; Köndgen, BKR 2009, 377; Knops/Brocker, WM 2010, 1101; Koller, ZBB 2007, 197; Lang/Balzer, ZIP 2007, 521, 522 f.; Lang/Bausch, WM 2010, 2101; Langen, NZG 2010, 816; Nikolaus/d’Oleire, WM 2007, 2129; Nittel/Knöpfel, BKR 2009, 411; Rößler, NJW 2008, 554, 556; Schäfer, FS Nobbe, 2009, S. 725 ff. Schäfer/ Schäfer, BKR 2007, 163; Spindler, WM 2009, 1821; Schwab, BKR 2011, 450; Voigt, NZG 2010, 1217; Zoller, GWR 2010, 53; die Rechtsprechung verteidigend Weller, ZBB 2011, 191, 196 ff. Siehe in diesem Zusammenhang außerdem Ellenberger, FS Nobbe, 2009, S. 523; Gallandi, WM 2000, 279; Grundmann, WM 2012, 1745. Für den Fall, dass eine Bank einem Dritten, der ihr Kunden zuführt, Zuwendungen gewährt BGHZ 146, 235; krit. dazu Balzer, ZIP 2001, 232. Gegen eine solche Aufklärungspflicht seinerzeit bereits Düringer/Hachenburg/Lehmann, HGB, § 384 Anm. 9. 50 BGH WM 2009, 405. 51 Grundlage der Aufklärungspflicht ist keine Norm des WpHG, sondern die geschäftsbesorgungsrechtliche Interessenwahrungspflicht. Vgl. dazu Schelling, Vergütungssysteme, S. 184. 52 BGH WM 2010, 885; bestätigt durch BGH WM 2011, 640 (wo insbesondere darauf hingewiesen wird, dass die Beziehung eines Kunden zu seiner Bank von längerer Dauer sei als zu einem Anlageberater – dagegen zu recht schon Herresthal, ZBB 2010, 305, 308); außerdem BGH WM 2011, 1506, 1507. Dazu Hanke, BKR 2012, 493. 53 Kritisch etwa Schelling, Vergütungssysteme, S. 186; Buck-Heeb, BKR 2010, 309, 315; Habersack, WM 2010, 1245, 1252; Nobbe, BKR 2011, 302, 303; Herresthal, ZBB 2010, 305, 308; Langen, NZG 2010, 816, 819; a.A Fullenkamp, NJW 2011, 421, 422. Zur unterschiedlichen Herangehensweise auch Assmann, ZIP 2009, 2125, 2130 f. 54 Vgl. Habersack, WM 2010, 1245, 1252; Nobbe, BKR 2011, 302, 303; Herresthal, ZBB 2010, 305, 308; Langen, NZG 2010, 816, 819. Zu weiteren Ausführungen Schelling, Vergütungssysteme, S. 186. 55 BGH WM 2007, 487, 490; WM 2011, 1506, 1507.
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aber nicht auf die grundsätzliche Kenntnis des Konflikts ankommt, sondern auf die genaue Höhe, ist die Situation bei einer Bank, wenn der Kunde einen Konflikt grundsätzlich erkennt, nicht anders als bei einem freien Anlageberater.56 Weiterhin sollten nach dem BGH (nicht offen ausgewiesene) Innenprovisionen anders behandelt werden als Rückvergütungen.57 Dabei handelt es sich um „nicht ausgewiesene Vertriebsprovisionen, die bei einem Fonds aus dem Anlagevermögen gezahlt werden“.58 Über Innenprovisionen sollte nur aufzuklären sein, wenn sie einen Grenzwert von 15% der Anlagesumme überschreiten.59 Ihren Grund soll diese Offenlegungspflicht nicht in der Interessenwahrungspflicht (wegen eines Interessenkonflikts) haben, sondern in der Pflicht des Beraters zur objektgerechten Beratung.60 Zieht man die Rechtsprechung zu Rückvergütungen heran, hätte der BGH eigentlich darauf abstellen müssen, ob für den Anleger der durch die Zuwendung verursachte Interessenkonflikt zu erkennen war.61 Da Innenprovisionen (jedenfalls bis Mitte 2005) nicht ausgewiesen, aber den vom Anleger eingezahlten Anlagegeldern entnommen wurden, konnte es hier erst recht zu einem Interessenkonflikt kommen. Die Entnahme der Vergütung ging unmittelbar zu Lasten des Anlageerfolgs, für den Anleger war dies aber nicht zu erkennen, weil Innenprovisionen nicht offen ausgewiesen wurden. Im Hinblick auf die Erkennbarkeit eines möglichen Konflikts bestand daher bei Innenprovisionen im Vergleich zu Rückvergütungen, die – der Rechtsprechung des BGH zufolge – offen ausgewiesenen Positionen entnommen werden, erst recht ein Bedürfnis nach einer Offenlegung. Da nunmehr seit dem 01.07.2005 nach § 8g Abs. 2 VerkProspG iVm. § 4 Nr. 12 VermVerkProspV bzw. seit dem 01.06.2012 nach § 7 Abs. 3 VermAnlG iVm. § 4 Nr. 12 Verm VerkProspV alle Provisionen, insbesondere Vermittlungsprovisionen und vergleichbare Vergütungen, offengelegt werden müssen, ist diese „Lücke“ bei der Offenlegung aufgrund der Differenzierung zwischen „Rückvergütungen“ und „Innenprovisionen“ nunmehr weitgehend geschlossen.62 Dies sieht nun auch der BGH so und zieht nach § 4 Nr. 12 VermVerkProspV offengelegte Innenprovisionen in den Rückvergütungsbegriff mit ein.63 56 Dazu ausführlich Schelling, Vergütungssysteme, S. 185 ff.; Buck-Heeb, BKR 2010, 309, 315; siehe auch Fullenkamp, NJW 2011, 421, 422. 57 BGH WM 2009, 2306, 2307; WM 2011, 1804 f. 58 BGH WM 2011, 1804. Dazu stv. Schelling, Vergütungssysteme, S. 198 ff. 59 Siehe etwa BGHZ 158, 110, 121; BGH WM 2005, 1998, 2001; WM 2007, 873, 874. 60 Schelling, Vergütungssysteme, S. 191; vgl. auch Schäfer, FS Nobbe, 2009, S. 725, 735. 61 Schelling, Vergütungssysteme, S. 200; siehe auch Buck-Heeb, BKR 2010, 309, 312 (Wertungen der ersten Urteile zu Rückvergütungen ließen sich auch auf Innenprovisionen übertragen). 62 Dazu Schelling, Vergütungssysteme, S. 200 f. Die Lücke ist allerdings nur insoweit geschlossen worden, als die jeweiligen Produkte vom VermAnlG (bzw. zuvor vom VerkProspG) erfasst werden. Siehe dazu Schäfer, FS Nobbe, 2009, S. 725, 734, 736. 63 Siehe dazu die Definition in Fn. 49. Für den Anlageberater wird in diesem Fall der Ver-
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Nicht offen gelegt werden müssen nach dem BGH auch Gewinnmargen bei Festpreisgeschäften.64 Zur Begründung stellt der BGH auf seine Rechtsprechung ab, wonach beim Vertrieb eigener Produkte das Gewinninteresse des Beraters offensichtlich sei und daher nicht extra offengelegt werden muss.65 Das soll auch für „Einkaufsrabatte“ bei fremden Anlageprodukten gelten. Da die Bank keine Provisions- und Aufwendungsersatzansprüche gegen den Anleger habe, müsse sie im Gegenzug auch nicht den Preis des Deckungsgeschäfts und damit ihre Gewinnspanne offenlegen.66 Das müsse auch bei dem abgeschlossenen Anlageberatungsvertrag beachtet werden. Grundsätzlich ist richtig, dass der Berater im Fall von Produkten, bei denen er durch eine Gewinnmarge profitiert, Interessenkonflikten ausgesetzt ist.67 Denn ein Anlageberater kann durchaus geneigt sein, ein Produkt deshalb zu empfehlen, weil die vereinnahmte Handelsspanne bei diesem besonders groß ist. Anders als der BGH meint, tritt die Bank in diesem Fall dem Anleger aber nicht wie jeder Dritte gegenüber, der seine Gewinnspanne nicht offenlegen muss. Denn sie agiert nicht nur als Verkäufer, sondern zugleich auch als Berater. Anders als bei eigenen Produkten ergibt sich hier die Offensichtlichkeit auch nicht aus dem Produkt, sondern müsste sich aus der Geschäftsart ergeben. Häufig weiß der Kunde aber während der Beratung noch gar nicht, in welcher Form die Bank für ihn tätig wird (als Kommissionär oder Verkäufer). Nur wenn er gleich am Anfang auf das Festpreisgeschäft ausdrücklich hingewiesen wird, kann diese Information in seine Willensbildung ausreichend einfließen.68 Die Schwierigkeit in diesem Fall liegt darin, dass zwei verschiedene Grundvertragstypen miteinander in Verbindung gebracht werden – der Kauf, ein Austauschvertrag, und die Beratung, ein Fremdinteressenwahrungsvertrag. Es weis bzw. die rechtzeitige Aushändigung des jeweiligen Prospekts genügen, um seiner zivilrechtlichen Aufklärungspflicht zu genügen. Denn aufgrund der dortigen Angaben ist der Anleger hinreichend gewarnt. Vgl. Schäfer, FS Nobbe, 2009, S. 725, 736. Allerdings wird es dafür erforderlich sein, dass dort die von der Bank konkret verdiente Provision ausgewiesen wird, siehe Zingel/Varadinek, BKR 2012, 177, 181. 64 BGH WM 2011, 2261, 2265 f.; WM 2011, 2268, 2271; dem folgend etwa Spindler, WM 2009, 1821, 1825 f. Diese stellen weder Innenprovisionen (da keine versteckten Kosten) noch Rückvergütungen dar. Siehe BGH WM 2011, 2261, 2265 f.; WM 2011, 2268, 2271 f.; Bausch, NJW 2012, 354, 356 f. Übersteigen diese allerdings 15% der Anlagesumme, ist davon die Werthaltigkeit der Anlage betroffen, sodass der Anleger darüber aufzuklären ist. Zingel/Varadinek, BKR 2012, 177, 180 f. Eine Aufklärungspflicht im Zusammenhang mit Gewinnmargen ablehnend z. B . auch Lang/Bausch, WM 2010, 2101, 2106 f. 65 BGH ZIP 2011, 756, 760; WM 2011, 2261, 2265. Dazu Hanke, BKR 2012, 493, 495. 66 BGH WM 2011, 2261, 2266. 67 Ausführlich Schelling, Vergütungssysteme, S. 205 ff.; außerdem Geßner, BKR 2010, 89, 95; Sommermeyer, BKR 2012, 27, 28; das zugestehend wohl auch Lang/Bausch, WM 2010, 2101, 2106. 68 Schelling, Vergütungssysteme, S. 208. Ein Widerspruch zur Rechtsprechung über Rückvergütungen taucht hier auch insofern auf, als es dort für unerheblich angesehen wird, dass der Kunde das Eigeninteresse der Bank erkennt, wenn ihm dieses nicht auch beitragsmäßig bekannt ist. A.a.O.
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kommt also darauf an, welcher Grundvertragstyp hinsichtlich der Anforderungen sich gegen den anderen durchsetzt. Folgt man dem BGH, soll dies der Kaufvertrag sein, so dass es zu Pflichtenreduzierung kommt. Damit bleibt die asymmetrische Interessengewichtung unberücksichtigt und dem Anleger trotz der Öffnung seiner Interessensphäre gegenüber der Bank der üblicherweise damit korrespondierende Schutz versagt. Da Öffnung und Schutz der Interessensphäre immer Hand in Hand gehen, muss vielmehr im Gegenteil das Pflichtenprogramm des Beratungsvertrags dasjenige des Verkaufsvertrags beeinflussen und nicht umgekehrt.69 Denn gerade bei Festpreisgeschäften, denen eine Anlageberatung vorausgeht, wird der Kunde den jeweiligen Kaufvertrag deshalb abschließen, weil er vorher im Rahmen der Beratung von den Vorzügen des Anlageproduktes überzeugt worden ist.70 Damit fußt der Abschluss des späteren Kaufvertrags letztlich auf der vorangehenden Beratung. Selbst wenn man dem BGH folgen wollte und eine umgekehrte Beeinflussung des Pflichtenprogramms des Beratungsvertrags durch das Folgegeschäft annehmen wollte, wäre zumindest erforderlich, dass der Kunde bereits bei Eingehung des Beratungsvertrags das spätere Folgegeschäft absehen kann und bei einem Festpreisgeschäft entsprechend einer Verringerung des Pflichtenmaß stabs konsentiert.71 (vi) Offenlegung bei Unabhängigkeitserfordernissen am Beispiel des Abschlussprüfers Im Fall des Abschlussprüfers ergibt sich die Offenlegungspflicht in Bezug auf Interessenkonflikte aus § 666 BGB bzw. §§ 311 Abs. 2 , 241 Abs. 2 BGB. Denn bei dem Prüfungsvertrag zwischen dem Prüfer und der zu prüfenden Gesellschaft handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag (mit Werkvertrags charakter).72 Darüber hinaus erfährt die Offenlegungspflicht beim Ab schlussprüfer eine besondere Ausrichtung durch das Unabhängigkeitserfordernis. Danach hat der Wirtschaftsprüfer bzw. vereidigte Buchprüfer alle Gründe, die seine Unabhängigkeit beeinträchtigen könnten und daher nach § 319 Abs. 2, Abs. 3 HGB oder § 319a HGB zu seinem Ausschluss von der Abschlussprüfung führen, vor seiner Bestellung als Abschlussprüfer von sich aus offen-
69 Siehe auch Schwab, BKR 2011, 450, 452; Sethe, FS Nobbe, S. 769, 785 (Festpreisgeschäft ist kein gewöhnlicher Kaufvertrag); vgl. auch Sommermeyer, BKR 2012, 27, 28; Spindler, WM 2009, 1821, 1822 (mit Hinweis auf RGZ 42, 125, 131, dass die Verantwortlichkeit bei der Beratung nicht davon abhänge, ob nachher ein Kaufvertrag oder ein Kommissionsgeschäft geschlossen werde). 70 Dazu Schwab, BKR 2011, 450, 452 (mit Verweise auf vergleichbare Konstellationen, in denen der BGH eine Haftung gerade aus dem Beratungsvertrag abgeleitet hat). 71 So auch OLG Frankfurt a.M. ZIP 2011, 1462, 1463; Schelling, Vergütungssysteme, S. 209 ff.; vgl. auch Assmann, ZIP 2009, 2125, 2130; a.A. BGH WM 2011, 2261, 2267. 72 Siehe nur Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 318 Rdnr. 3.
III. Rechtsgrundlage der Offenlegungspflicht
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zulegen.73 Das umfasst alle geschäftlichen, finanziellen und familiären Beziehungen zwischen dem Prüfer und ihm nahe stehenden Personen auf der einen Seite und dem zu prüfenden Unternehmen und dessen Organen auf der anderen Seite und erfasst, also insbesondere auch Nichtprüfungsleistungen.74 Eine Offenlegung hat auch dann zu erfolgen, wenn diese Gründe erst während der Prüfung entstehen.75 Denn Inhalt des Prüfvertrages ist insbesondere, dass der gesetzliche Prüfungszweck erreicht wird, d. h. dass mittels der Abschlussprüfung die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung dokumentiert und damit deren Vertrauenswürdigkeit erhöht wird76 . Der Zweck der Prüfung würde aber nicht erreicht werden, wenn der Prüfer in den Augen der Marktteilnehmer nicht ausreichend vertrauenswürdig erscheint, weil diese dann seinem Urteil misstrauen könnten. Dann aber wäre es dem Prüfer nicht möglich, in dieser Hinsicht den Prüfungsvertrag zu erfüllen. Entsprechend hat das geprüfte Unternehmen ein besonderes Interesse daran, über mögliche Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit bzw. über Interessenkonflikte des Prüfers informiert zu werden. Für börsennotierte Aktiengesellschaften empfiehlt Ziff. 7.2.1 DCGK in diesem Zusammenhang, dass der Aufsichtsrat bzw. der Prüfungsausschuss vor der Unterbreitung eines Wahlvorschlags von dem vorzuschlagenden Prüfer eine Unabhängigkeitserklärung einholen soll. Diese bezieht sich auf die geschäftlichen, finanziellen, persönlichen und sonstigen Beziehungen zwischen dem Prüfer und seinen Organen auf der einen Seite und der zu prüfenden Gesellschaft und ihren Organen auf der anderen Seite, die Anlass geben könnten, an seiner Unabhängigkeit zu zweifeln.77 Außerdem wird zwischen Aufsichtsrat und Prüfer regelmäßig vereinbart, dass letzterer unverzüglich mitteilt, wenn während der Prüfung Ausschluss- und Befangenheitsgründe auftreten.78 Schließlich schreibt § 321 Abs. 4a HGB vor, dass der Abschlussprüfer am Ende seine Unabhängigkeit im Prüfungsbericht noch einmal bestätigen muss.
2.) Offenlegungspflichten organschaftlicher Interessenwahrer Offenlegungspflichten gelten auch für organschaftliche Interessenwahrer, wie den Vorstand, den GmbH-Geschäftsführer und Aufsichtsräte: Sie haben Interessenkonflikte – sowie im Fall der nach § 100 Abs. 5 AktG unabhängigen Mit73 LG Köln, DB 1992, 265 (zu § 319 Abs. 2 und Abs. 3 HGB a.F.); Baumbach/Hopt/ Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 11. 74 Dazu Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission, Rdnr. 303, 308; Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 88. 75 Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 11; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Wiedmann, HGB, § 318 Rdnr. 11; Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 19. 76 Siehe dazu oben § 5 IV.2.). 77 Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 12. 78 Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 12.
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glieder des Aufsichtsrats solche Beziehungen, die eine Unabhängigkeit ausschließen – gegenüber der Gesellschaft offenzulegen.79 Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob – im Fall punktueller Interessenkonflikte – das jeweilige Geschäft oder Verhalten als Folge der Interessenabwägung zulässig ist oder nicht.80 Hergeleitet wird diese Pflicht aus der organschaftlichen Treuebindung.81 Für den Vereinsvorstand findet sich die ausdrückliche rechtliche Verankerung von Offenlegungspflichten in § 27 Abs. 3 i.V.m. § 666 BGB. Da der Verein das Grundmodell für die juristischen Personen darstellt, kann diese Vorschrift auch für den Vorstand der AG und den Geschäftsführer der GmbH herangezogen werden. Für Aufsichtsratsmitglieder besteht eine besondere Offenlegungspflicht schon bei ihrer Wahl, vgl. §§ 124 Abs. 3 Satz 4, 125 Abs. 1 Satz 5 AktG. Im Rahmen des Vorschlags eines Kandidaten durch den Aufsichtsrat ist z. B. dessen ausgeübter Beruf zu nennen, vgl. § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG, wozu auch die Tätigkeit als Vorstand in einem anderen Unternehmen gehört. Im Fall börsennotierter Gesellschaften ist außerdem anzugeben, ob der Kandidat Mitglied in anderen gesetzlich zu bildenden Aufsichtsräten ist, vgl. § 125 Abs. 1 Satz 5 1. Hs. AktG. Weiterhin sollen Angaben zur Mitgliedschaft in vergleichbaren Kontrollgremien gemacht werden, vgl. § 125 Abs. 1 Satz 5 2. Hs. AktG. Diese Informationen sollen es der Hauptversammlung erleichtern einzuschätzen, ob der jeweilige Kandidat für die Aufsichtsratstätigkeit geeignet ist.82 Damit bleibt ihr die Bewertung von Interessenkonflikten und insbesondere die Entscheidung überlassen, ob Organmitglieder von Konkurrenzunternehmen im Aufsichtsrat sitzen sollen.83 Der Grundsatz der Offenlegung von Interessenkonflikten findet sich auch im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK).84 Ziff. 4.3.4. Satz 1 DCGK empfiehlt, dass jedes Vorstandsmitglied Interessenkonflikte dem Aufsichtsrat 79 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 185; Großkomm/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 164; Hopt, ZGR 2004, 1, 25; ders., ZGR 2002, 333, 371 (auch in Übernahmesituationen, dann allerdings nicht verpflichtend); GroßkommGmbHG/Paefgen, § 43 Rdnr. 109; Ringleb/Kremer/Lutter/v.Werder/Kremer, DCGK, Rdnr. 831 (Vorstand), 1097 ff. (Aufsichtsrat); Fleischer, WM 2003, 1045, 1050; Lutter, GmbHR 2000, 301, 306; Möllers, ZIP 2006, 1615, 1619 (allerdings nicht in Übernahmesituationen, wenn Verstoß gegen Verschwiegenheitspflicht; dann Mandatsniederlegung); Semler, ZGR 2004, 631, 640; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 6. Bzgl. der Offenlegung fehlender Unabhängigkeit z. B. M. Roth, ZHR 175 (2011), 605, 627 f. Zur Offenlegung von Interessenkonflikten im Aufsichtsratsbericht Priester, ZIP 2011, 2081. 80 Hopt, ZGR 2004, 1, 25. 81 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 164; MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 69 (für Aufsichtsratsmitglieder); Lutter, FS Priester, 2007, S. 417, 420. 82 BT-Drs. 13/9712. Dadurch soll Transparenz hinsichtlich der personellen Verflechtung geschaffen werden. Siehe MünchKommAktG/Kubis, § 125 Rdnr. 13; Hüffer, AktG, § 125 Rdnr. 4 ; Zimmer, NJW 1998, 3521, 3523. 83 Vgl. Hüffer, AktG, § 124 Rdnr. 16. 84 Die Herstellung von Transparenz innerhalb des Organs wird als „wichtigstes Instru-
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gegenüber unverzüglich offenlegen und die anderen Vorstandsmitglieder darüber informieren soll. Ziff. 5.5.2 DCGK empfiehlt im Hinblick auf Aufsichtsratsmitglieder, dass sie ihre Interessenkonflikte intern dem Aufsichtsratsplenum gegenüber offenlegen. Dies gilt insbesondere für solche Interessenkonflikte, die aufgrund einer Beratung oder Organfunktion bei Kunden, Lieferanten, Kreditgebern oder sonstigen Geschäftspartnern entstehen können. Ziff. 5.5.3 DCGK empfiehlt sodann, dass der Aufsichtsrat in seinem Bericht an die Hauptversammlung über aufgetretene Interessenkonflikte und deren Behandlung informiert. Für den Verein und die Personengesellschaften wird über die Verweise in § 27 Abs. 3 BGB und § 713 BGB sichergestellt, dass die Benachrichtigungspflicht nach § 666 BGB auch für den Vereinsvorstand und die geschäftsführenden Gesellschafter der GbR sowie darauf aufbauend der OHG, § 105 Abs. 3 HGB, und für die Komplementäre der KG, §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, gelten.
3.) Offenlegungspflichten gesetzlicher Interessenwahrer Auch gesetzliche Interessenwahrer sind (noch vor ihrer Bestellung aber auch danach) verpflichtet, bestehende oder sich abzeichnende Interessenkonflikte offenzulegen. Beispiel hierfür ist der Insolvenzverwalter, für den eine solche Pflicht zur Offenlegung zwar nicht ausdrücklich normiert ist, sich aber aus dem Unabhängigkeitsgebot in Zusammenschau mit weiteren insolvenzrechtlichen Regelungen ergibt. a.) Insolvenzverwalter Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet85, von sich aus und rechtzeitig dem Insolvenzgericht solche Umstände anzuzeigen, die „bei unvoreingenommener, lebensnaher Betrachtungsweise die ernstliche Besorgnis rechtfertigen [können], dass der Verwalter an seiner Amtsführung verhindert ist“.86 Dabei spielt es keine Rolle, ob sich der Verwalter tatsächlich für befangen hält.87 Diese Pflicht des Insolvenzverwalters zur Offenlegung von Interessenkonflikten dient ment“ angesehen. Siehe Bericht der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex an die Bundesregierung, Nov. 2010, S. 29. 85 Laukemann weist darauf hin, dass es sich bei dieser Pflicht um eine echte Rechtspflicht und nicht lediglich um eine Obliegenheit handelt. Siehe Laukemann, Unabhängigkeit, S. 205. 86 BGHZ 113, 262, 275; vgl. dazu auch OLG Celle, NZI 2001, 551, 553. Aus der Literatur Braun/Blümle, InsO, § 56 Rdnr. 47; MünchKommInsO/Graeber, § 56 Rdnr. 53 (bestehende oder drohende Interessenkollision); Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 56 Rdnr. 35; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 211; Preuß, Zivilrechtspflege, S. 361; Frind, ZInsO 2002, 745, 749; Skrotzki, KTS 1955, 111, 113. 87 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 204.
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dem Schutz aller Beteiligten davor, dass ein Verwalter sein Amt möglicherweise nicht unvoreingenommen und allein dem Insolvenzzweck entsprechend ausübt.88 . Zudem ermöglicht sie dem Gericht, sachgerecht auszuwählen und zu einem frühen Zeitpunkt zu überprüfen, ob möglichen Interessenkonflikten mittels Bestellung eines anderen Verwalters oder eines Sonderinsolvenzverwalters vorgebeugt werden kann.89 Hinzukommt, dass sie den Anreiz für die am Insolvenzverfahren Beteiligten verringert, Näheverhältnisse zum Insolvenzverwalter zu suchen oder – sofern solche bereits bestehen – diese zum Nachteil anderer Verfahrensbeteiligter auszunutzen.90 Dementsprechend sieht der BGH in der Anzeigepflicht für Interessenkonflikte des Insolvenzverwalters ein wirksames – und zugleich das mildeste – Mittel, um Missbräuche bei der Insolvenzabwicklung vorbeugend zu verhindern.91 Die Pflicht des Verwalters zur Offenlegung bzw. Anzeige von Interessenkonflikten wird vom BGH aus dessen Amtsstellung 92 sowie – zumindest sinngemäß – aus § 666 i.V.m. §§ 675, 611 BGB abgeleitet.93 Zwar ist § 666 BGB auf den Insolvenzverwalter nicht unmittelbar anwendbar, weil das Auftragsrecht auf zweiseitige (vertragliche) Verhältnisse ausgerichtet ist, während die möglichen „Auftraggeber“ im (gesetzlich geregelten) Insolvenzverfahren zahlreich und deren Interessen vielschichtig sind.94 Eine sinngemäße Anwendung lässt sich aber damit rechtfertigen, dass der Verwalter in Bezug auf die Masse materiell eine Geschäftsbesorgung ausübt.95 Insofern entspricht die Pflicht des Insolvenzverwalters zur Anzeige eines Interessenkonflikts der Offenlegungspflicht, wie sie für vertragliche Interessenwahrer gilt. Abgeleitet werden kann die Offenlegungspflicht aber auch aus § 58 Abs. 1 Satz 2 InsO, wonach das Gericht „jederzeit einzelne Auskünfte oder einen Bericht über den Sachstand und die Geschäftsführung verlangen“ kann. Diese Pflicht soll eine sachgemäße Aufsicht durch das Insolvenzgericht sicherstellen und bezieht sich daher auch auf alle Umstände, die gegen eine Eignung des BGHZ 113, 262, 279. Damit stärkt sie zugleich das Vertrauen des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten in den Verwalter und seine Amtsführung. Siehe Laukemann, Unabhängigkeit, S. 204; Preuß, Zivilrechtspflege, S. 362. 89 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 204. Vgl. dazu AG Potsdam NZI 2002, 391, 392. 90 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 204. 91 BGHZ 113, 262, 276. 92 BGHZ 113, 262, 275 mit Hinweis auf § 48 ZPO, § 30 StPO, § 6 Abs. 2 FGG (vgl. jetzt § 6 Abs. 1 FamFG), § 16 Abs. 2 BNotO, § 3 Abs. 2 Satz 1 BeurkG. 93 BGHZ 113, 262, 276; a.A. Gerhardt, ZIP 1980, 941 und 946 (konkursspezifische Regeln, die nicht so weit gehen wie § 666 BGB). Zum Teil wird die Anzeigepflicht als gegeben vorausgesetzt, vgl. etwa Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 56 Rdnr. 35; dagegen MünchKommInsO/Graeber, § 56 Rdnr. 53 (Ableitung aus der Unabhängigkeit); Laukemann, Unabhängigkeit, S. 206 ff.; Preuß, Zivilrechtspflege, S. 360 (Rechtsgedanke des § 48 ZPO). 94 BGHZ 113, 262, 276 f.; siehe auch Laukemann, Unabhängigkeit, S. 206 Fn. 29. 95 BGHZ 113, 262, 276. Vgl. dazu auch RGZ 98, 302, 306. Als Geltungsgrund kann auch auf „konkursspezifische Regeln“ abgestellt werden, siehe BGHZ 113, 262, 277; dazu Laukemann, Unabhängigkeit, S. 206 f. 88
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Verwalters sprechen.96 Zwar statuiert die Norm lediglich eine Auskunftspflicht und keine Benachrichtigungspflicht. Dies könnte zu dem Gedanken veranlassen, der Insolvenzverwalter müsse Interessenkonflikte nicht von sich aus offenlegen. Doch ergibt sich in diesem Zusammenhang eine Pflicht zur ungefragten Offenlegung von Interessenkonflikten aus der Zusammenschau mit der Aufgabe des Gerichts, einen unabhängigen Verwalter zu bestellen. Die Unabhängigkeit des Verwalters ist von herausragender Bedeutung für das Verfahren, sodass ein kontinuierliches Interesse des Gerichts an diesbezüglichen Auskünften besteht. Da das Gericht weder alle Interessen und Konfliktlagen des Verwalters kennt noch die Zeit und die Mittel hat, um die Situation des Insolvenz verwalters ausreichend auf mögliche Interessenkonflikte hin zu untersuchen, ist es diesbezüglich auf den Verwalter angewiesen.97 Im Sinne der Verfahrens effizienz wäre es außerdem nicht sinnvoll, wenn das Gericht jeden Tag eine entsprechende Erklärung des Insolvenzverwalters hinsichtlich seiner Unabhängigkeit anfordern würde. Dementsprechend lässt sich aus § 58 InsO i.V.m. dem Unabhängigkeitsgebot und dem Bedürfnis nach Verfahrenseffizienz eine Pflicht des Insolvenzverwalters zur ungefragten Offenlegung von Interessenkonflikten bzw. von Gefahren für die Unabhängigkeit gegenüber dem Insolvenzgericht ableiten. § 58 InsO kann allerdings erst mit der Amtsübernahme des Insolvenzverwalters angewendet werden, sodass diese Vorschrift nicht für den erst noch zu bestellenden Verwalter herangezogen werden kann. Hier kann jedoch auf den in § 311 Abs. 2 , 241 BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken in Zusammenschau mit §§ 56 Abs. 1, 27 Abs. 1, 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO abgestellt werden.98 Zum einen nimmt dies den Schutz der Dispositions- und Entscheidungsfreiheit des Gerichts sowie der Gläubigerorgane in den Blick. Da das Insolvenzgericht einen unabhängigen Verwalter zu bestellen hat, hat es das Unabhängigkeitserfordernis bereits bei der Auswahl des Verwalters zu beachten (§§ 56 Abs. 1, 27 Abs. 1, 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Zum anderen berücksichtigt dies, dass mit der Bestellung das Verwaltungs- und Verfügungsrecht auf den Verwalter übergeht und ihm die Möglichkeit gegeben wird, auf die Rechtsund Interessensphäre von Gläubigern und Schuldner einzuwirken.99 Die dadurch (vom Gericht) bewirkte Öffnung der Interessensphäre von Gläubiger und Schuldner gegenüber dem Verwalter verlangt nach einer Sicherung von deren Interessen, die bereits im Vorfeld greifen muss. Denn die mit dieser Öffnung der Interessensphäre verbundenen Gefahren für die verfahrensbeteiligten Gläubiger und den Schuldner entstehen unmittelbar mit der Bestellung des Ver Laukemann, Unabhängigkeit, S. 207. Laukemann, Unabhängigkeit, S. 204. 98 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 207; vgl. auch Preuß, Zivilrechtspflege, S. 360 (Rechtsgedanke des § 48 ZPO). 99 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 207. 96
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walters, wenn dieser mit einem Interessenkonflikt belastet und daher als ungeeignet einzuschätzen ist. Auch gegenüber der Gläubigerversammlung (§ 79 Satz 1 InsO) bzw. dem Gläubigerausschuss (§ 69 InsO) muss der Insolvenzverwalter einen Interessenkonflikt anzeigen.100 Denn nur wenn die Gläubiger alle wesentlichen Umstände kennen, können sie sachgerecht entscheiden, ob sie z. B. einen neuen Verwalter wählen (§ 57 Satz 1 InsO) oder einen Entlassungsantrag stellen (§ 59 Abs. 1 Satz 2 InsO).101 Der Verwalter muss seinen Konflikt bzw. den die Unabhängigkeit beeinträchtigenden Umstand aber nicht gegenüber jedem einzelnen Gläubiger, sondern nur gegenüber den Gläubigerorganen offenlegen, denn nur diesen steht es zu, im Rahmen des Verfahrens zu entscheiden und mitzuwirken.102 Ergänzend sei noch erwähnt, dass auch bei den Mitgliedern des Gläubigerausschusses davon ausgegangen wird, dass sie von sich aus auf einen Interessenkonflikt hinzuweisen haben, wenn ein solcher vorliegt, um sicherzustellen, dass sie an der jeweiligen Abstimmung nicht teilnehmen.103 b.) Testamentsvollstrecker Für den Testamentsvollstrecker gilt die Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten aufgrund des Verweises auf § 666 BGB in § 2218 BGB. Demzufolge ist der Testamentsvollstrecker verpflichtet, den Erben unaufgefordert die erforderlichen Nachrichten zu geben und Auskunft zu erteilen. Hierzu zählt auch die Aufklärung über Interessenkonflikte, sofern der Testamentsvollstrecker solchen ausgesetzt ist. Denn nur so sind die (anderen) Beteiligten in der Lage zu kontrollieren, ob der Testamentsvollstrecker die Interessen des Erblassers, dessen letztwillige Verfügungen er auszuführen hat, § 2203 BGB, auch entsprechend wahrt. Zudem sind Interessenkonflikte des Testamentsvollstreckers dazu geeignet, seine Aufgabenerfüllung, wie die Auseinandersetzung unter den Miterben, § 2204 Abs. 1 BGB, und die ordnungsmäßige Verwaltung des Nachlasses, § 2205 Satz 1, § 2216 BGB, zu beeinträchtigen. Eine Aufklärung über Interessenkonflikte kann in diesem Zusammenhang auch sicherstellen, dass
BGHZ 113, 262, 281 (allerdings nur, sofern ihre Mitwirkung erforderlich ist); Laukemann, Unabhängigkeit, S. 209 f. (auch zu möglichen Gegenargumenten). 101 Vgl. BGHZ 113, 262, 281. Zur Wahl des Insolvenzverwalters durch die Gläubigerversammlung etwa Graeber, ZIP 2000, 2000, 1465; Kessler, KTS 2000, 491; Muscheler/Bloch, ZIP 2000, 1474. 102 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 210; für eine andere Begründung Gerhardt, ZIP 1980, 941, 944 (wegen der Funktionsteilung zwischen Gericht und Verwalter). Siehe auch BGH KTS 1974, 106, 107. 103 Braun/Hirte, InsO, § 69 Rdnr. 16; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 72 Rdnr. 19; MünchKommInsO/Schmid-Burgk, § 72 Rdnr. 14 (bei Nichtanzeige Haftung nach § 71 InsO und Ausschluss vom Gläubigerausschuss möglich); Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 72 Rdnr. 14; Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 127. 100
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ggf. rechtzeitig eine Entlassung des Testamentsvollstreckers aus wichtigem Grund, § 2227 BGB, beantragt werden kann. c.) Allgemeine Folgerungen für gesetzliche Interessenwahrer Sofern bei den einzelnen gesetzlichen Interessenwahrungsverhältnissen nicht bereits ausdrücklich Anzeige- bzw. Offenlegungspflichten statuiert werden, kann eine Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten wie beim Insolvenzverwalter aus §§ 675, 666 BGB analog abgeleitet werden. Voraussetzung dafür ist, dass der jeweilige Interessenwahrer „materiell“ eine Geschäftsbesorgung erbringt – was bei allen vertraglichen, gesetzlichen und organschaftlichen Interessenwahrern der Fall ist. Konkretisiert wird diese Offenlegungspflicht im Hinblick auf Interessenkonflikte mit Hilfe des Unabhängigkeitserfordernisses oder, wo ein solches nicht gilt, mit Hilfe des besonderen Schutzzwecks des jeweiligen Interessenwahrungsverhältnisses.
4.) Offenlegungspflichten aufgrund von Aufsichts- oder Berufsrecht a.) Allgemeine Offenlegungspflicht nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG Die grundlegende Vorschrift für die aufsichtsrechtliche Offenlegungspflicht für Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG.104 Danach ist ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, „vor Durchführung von Geschäften für Kunden diesen die allgemeine Art und Herkunft der Interessenkonflikte eindeutig darzulegen“. § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG wird durch § 13 Abs. 4 WpDVerOV näher konkretisiert. Danach muss der Kunde, nachdem er unter Berücksichtigung seiner Einstufung (Privatkunde, professioneller Kunde, geeignete Gegenpartei, dazu § 31a WpHG) aufgeklärt worden ist, in der Lage sein, „seine Entscheidung über die Wertpapierdienstleistung, in deren Zusammenhang der Interessenkonflikt auftritt, auf informierter Grundlage zu treffen“. Die Aufklärungspflicht gilt nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG allerdings nur eingeschränkt und zwar nur „soweit die organisatorischen Vorkehrungen nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [WpHG] nicht ausreichen, um nach vernünftigem Ermessen das Risiko der Beeinträchtigung von Kundeninteressen zu vermeiden“. Die in § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG angesprochenen Organisationspflich31 Abs. 1 Nr. 2 ten105 können demzufolge die Aufklärungspflicht nach § WpHG beschränken bzw. deren Voraussetzungen ausschließen.
Vgl. hierzu auch § 7 IV.3.)b.). Dabei geht es inbesondere um Vertraulichkeitsbereiche bzw. Chinese walls. Dazu § 8 III. 104 105
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b.) Aufklärungspflicht im Fall von Zuwendungen Dritter Eine besondere Offenlegungspflicht enthält § 31d Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG für Zuwendungen Dritter an das Wertpapierdienstleistungsunternehmen.106 Grundsätzlich ist einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Annahme oder Gewährung von Zuwendungen von Dritten bzw. an Dritte im Zusam31d menhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen nach § Abs. 1 Satz 1 WpHG verboten. Unter bestimmten Voraussetzungen gilt jedoch eine Ausnahme.107 Unter anderem muss dem Kunden „Existenz, Art und Umfang der Zuwendung oder, soweit sich der Umfang noch nicht bestimmen lässt, die Art und Weise seiner Berechnung, […] vor der Erbringung der Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise deutlich offen gelegt“ werden (vgl. § 31d Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG). Die Gefahr solcher Zuwendungen von Dritten liegt darin, dass sie beim Empfänger einen Interessenkonflikt auslösen, der zu einem opportunistischen Verhalten führen kann, denn die Wahrung der Kundeninteressen konkurriert dann mit den Eigeninteressen an den vom Dritten in Aussicht gestellten Zuwendungen.108 Dritte sind in diesem Zusammenhang alle Personen oder Unternehmen, die „außerhalb des Verhältnisses zwischen dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen und dem Kunden der Dienstleistung“ stehen.109 Zweck der Regelung in § 31d WpHG ist es, die Beziehung zwischen den Wertpapierdienstleistungsunternehmen und ihren Kunden von solchen durch Dritte verursachten Interessenkonflikten des Wertpapierdienstleisters frei zu halten.110 Aufgrund des Zwecks von § 31d WpHG, den Kunden vor Interessenkonflikten des Wertpapierdienstleisters, die durch Zuwendungen Dritter verursacht werden können, zu schützen, werden von § 31d WpHG sowohl Zuwendungen erfasst, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Wertpapierdienstleistung stehen, als auch solche, die nur einen mittelbaren Zusammenhang aufweisen, wenn sie den Zuwendungsempfänger in seinen Entscheidungen beeinflus Zur Rechtsprechung des BGH zu Rückvergütungen siehe § 7 III 1.) c.) (v). Dies sind: (1) die Zuwendung dient der Qualitätsverbesserung, (2) die interessengerechte Erbringung der Dienstleistung ist nicht gefährdet und (3) die Zuwendung wurde dem Kunden in hinreichend transparenter Weise offengelegt. Zudem gilt § 31d WpHG nicht für Geschäfte mit sog. geeignete Gegenparteien, § 31b Abs. 1 WpHG sowie für Geschäfte, die an organisierten Märkten oder in multilateralen Handelssystemen geschlossen werden, § 37 Satz 1 WpHG – werden letztere allerdings in Ausführung eines Kundenauftrags geschlossen, muss eine Aufklärung nach § 31d WpHG gegenüber dem Kunden erfolgen (§ 37 Satz 2 WpHG). 108 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 1; Assmann, ÖBA 2007, 40, 49. 109 RegE, BT-Drs. 16/4028, S. 67; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 19; Assmann, ZBB 2008, 21, 25. Dazu gehören auch rechtlich selbständige Unternehmen innerhalb eines Konzerns im Verhältnis zueinander. Siehe Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 19; Assmann, ZBB 2008, 21, 26. 110 Schwark/Zimmer/Koch, KMRK, § 31d WpHG Rdnr. 28. 106 107
III. Rechtsgrundlage der Offenlegungspflicht
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sen können.111 Für den erforderlichen „Zusammenhang“ reicht es mithin aus, wenn die Zuwendung generell geeignet ist, einen Interessenkonflikt zu verursachen.112 Die Offenlegung soll dem Kunden auch in diesem Fall die Möglichkeit geben, das Risiko des – in diesem Fall aufgrund der Zuwendungen – entstehenden Interessenkonflikts abzuwägen und unter Umständen von dem Geschäft Abstand zu nehmen oder sich auf andere Weise vor negativen Auswirkungen zu schützen.113 Wie bei der Offenlegungspflicht nach § 31 WpHG reicht es daher nicht aus, den Kunden nur über die Existenz des Konflikts zu informieren114 oder ihm einen bloßen Hinweis zu geben, dass Zuwendungen fließen (könnten).115 Er muss vielmehr zumindest grob über den Grad der Gefährdung unterrichtet werden.116 Wie bei der Offenlegungspflicht nach § 31 WpHG muss sich das Wertpapierdienstleistungsunternehmen am Durchschnittskunden des „angesprochenen Kundenkreises“ (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 WpDVerOV) orientieren und die Informationen so vermitteln, dass sie für diesen „Durchschnittskunden“ verständlich und deutlich sind.117 Zu einer gewissen Spannung kann es in diesem Zusammenhang zwischen der „umfassenden“ und der „verständlichen“ Offenlegung kommen: Während aufgrund ersterer eine möglichst detailreiche Darstellung notwendig sein kann, soll der zweite Ansatz den Kunden vor einer Überflutung mit Detailinformationen schützen, die ihm den Blick für das Wesentliche verstellen würde.118 c.) Offenlegung von Zuwendungen an Kapitalverwaltungsgesellschaften Für externe Kapitalverwaltungsgesellschaften bzw. inländischen Zweigniederlassungen von EU-OGAW-Verwaltungsgesellschaften sehen § 5 Abs. 2 bzw. § 51 Abs. 4 Satz 2 KAGB eine entsprechende Anwendung von § 31d WpHG vor. In Ergänzung dazu hat eine Kapitalverwaltungsgesellschaft nach § 165 Abs. 3
Ausführlicher Schwark/Zimmer/Koch, KMRK, § 31d WpHG Rdnr. 28. Schwark/Zimmer/Koch, KMRK, § 31d WpHG Rdnr. 28; Assmann, ZBB 2008, 21, 25; Rozok, BKR 2007, 217, 219; vgl. auch Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 10; MünchKommHGB/Ekkenga, Effektengeschäft, Bd. 5, 2. Aufl., Rdnr. 509. 113 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 1. 114 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 38. 115 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31d Rdnr. 48. 116 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31d Rdnr. 48; Nikolaus/d’Oleire, WM 2007, 2129, 2133 (wesentliche Eckpunkte). 117 Siehe dazu Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31d Rdnr. 43. An einer Verständlichkeit fehlt es etwa, wenn die Zuwendungen so kompliziert berechnet bzw. dargestellt werden, dass sie „ein verständiger Kunde, der sich angemessen bemüht, nicht mehr durchschauen kann“. Assmann/Schneider/Koller, a.a.O. Rdnr. 4 4. 118 Schwark/Zimmer/Koch, KMRK, § 31d WpHG Rdnr. 50. Vgl. dazu auch Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 39; Rozok, BKR 2007, 217, 224 (bei der Offenlegung ist auf die Nachvollziehbarkeit und die Verständlichkeit für den Kunden zu achten). 111
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§ 7 Anzeige- und Offenlegungspflichten
Nr. 8 KAGB im Verkaufsprospekt und nach § 101 Abs. 2 Nr. 3 KAGB im Jahresbericht über Rückvergütungen zu berichten. d.) Offenlegungspflicht für Finanzanalysten Detailliert ausgeformt worden ist auch die Pflicht zu Offenlegung von Interessenkonflikte im Zusammenhang mit Finanzanalysen nach § 34b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG: 119 Umstände und Beziehungen, die bei den Erstellern, den für die Erstellung verantwortlichen juristischen Personen oder mit diesen verbundenen Unternehmen120 Interessenkonflikte begründen können, müssen offengelegt werden.121 Der Begriff Finanzanalyse wird in § 34b Abs. 1 Satz 1 WpHG legaldefiniert als „Information über Finanzinstrumente oder deren Emittenten […], die direkt oder indirekt eine Empfehlung für eine bestimmte Anlageentscheidung enthält und einem unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werden soll“.122 Diese besondere Offenlegungspflicht geht über die allgemeinen Offenlegungs- und Anzeigepflichten hinaus, weil sie nicht nur die jeweiligen Kunden eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens schützt, sondern auch die Öffentlichkeit, vgl. § 34b Abs. 1 Satz 1 Fall 2 WpHG. Ein Schuldverhältnis wird demnach nicht vorausgesetzt. Interessenkonflikte können im Zusammenhang mit Finanzanalysen vor allem dann entstehen, wenn für die verantwortlichen Unternehmen ein besonderer Anreiz besteht, bei der Analyse zu einem bestimmten Ergebnis zu kommen, das von demjenigen abweicht, das unter gewöhnlichen Umständen zustande gekommen wäre.123 Dies ist insbesondere der Fall, wenn das Kursbeeinflussungspotential der Finanzanalyse zum eigenen Vorteil, etwa für den Eigenhandel des Unternehmens, und zum Nachteil der Adressaten der Analyse genutzt werden soll.124 Oder die Analyse soll den Emittenten bzw. dessen Finanzinstru-
Zu Interessenkonflikten bei der Wertpapieranalyse und deren Regulierung Göres, Interessenkonflikte; Pfüller/Wagner, WM 2004, 253; siehe auch Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 34b Rdnr. 47 ff. 120 Ob ein Unternehmen mit einem anderen verbunden ist, richtet sich nach § 15 AktG. Siehe KölnKommWpHG/Möllers, § 34b Rdnr. 162; Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 34b WpHG Rdnr. 23. 121 § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 FinAnV erweitert diesen Personenkreis. Erfasst werden sollen danach auch natürliche Personen und Unternehmen, die an der Erstellung der Finanzanalyse mitwirken und für ein Unternehmen tätig sind, das für die Erstellung verantwortlich oder mit ihm verbunden ist. 122 Siehe dazu etwa Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 34b Rdnr. 8 ff.; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 3b Rdnr. 417 ff.; Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 34b WpHG Rdnr. 4 ff. 123 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 34b Rdnr. 42. Zu möglichen Interessenkonflikten bei der Finanzanalyse Göres, Interessenkonflikte, S. 32 ff. Siehe auch Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 34b Rdnr. 47 ff.; Pfüller/Wagner, WM 2004, 253. 124 Vgl. Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 34b Rdnr. 50; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 34b Rdnr. 42; Göres, Interessenkonflikte, S. 42, 90 f., außerdem S. 273. 119
III. Rechtsgrundlage der Offenlegungspflicht
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mente in einem günstigen Licht darstellen, um neue Kunden zu gewinnen oder vorhandene Kunden zu halten.125 Sinn und Zweck von § 34b WpHG ist es, solchen und ähnlichen Missbrauch im Zusammenhang mit Finanzanalysen zu verhindern.126 Anleger sollen darauf vertrauen können, dass solche Analysen sorgfältig und unvoreingenommen erstellt werden.127 Für die Pflicht zur Offenlegung reicht es daher schon aus, wenn die Anreize für eine Manipulation nicht unwahrscheinlich sind,128 was objektiv aus der Sicht der mit Finanzanalysen befassten Verkehrskreise zu ermitteln ist.129 Der Interessenkonflikt muss auch nicht erheblich sein. Da der Wortlaut von „Umständen […], die […] Interessenkonflikte begründen können“ spricht, reicht ein bloß möglicher Interessenkonflikt aus.130 Denn schon der Anschein von Abhängigkeit oder Drittbeeinflussung kann den Wert der Analyse für die Anleger erheblich verringern.131 Dem soll die Offenlegungspflicht nach § 34b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG entgegenwirken und dazu dienen, die Neutralität und Integrität von Finanzanalysten zu gewährleisten und das diesbezügliche Vertrauen der Anleger zu schützen.132 e.) Offenlegungspflicht für Ratingagenturen Offenlegungspflichten in Bezug auf Interessenkonflikte enthält auch die Rating-Verordnung der EU, die als Verordnung in Deutschland unmittelbar anwendbar ist.133 Allgemein verpflichtet Abschnitt B Abs. 1 des Anhangs der Verordnung Ratingagenturen dazu, Interessenkonflikte, die die Analysen und Urteile beeinflussen können, „klar und unmissverständlich“ offenzulegen. Dabei beschränkt sich die Vorschrift nicht nur auf Konflikte der Analysten, Mitarbeiter und derjenigen, die die Ratings genehmigen, sondern bezieht sich auch auf andere natürliche Personen, deren Dienstleistungen die Ratingagentur in Anspruch genommen hat oder die von ihr kontrolliert werden und die direkt an der Abgabe von Ratings beteiligt sind. Eine besondere Form der Offenlegung enthält Abschnitt B Abs. 1 des Anhangs der Verordnung. Danach ist eine Ratingagentur verpflichtet, die Namen 125 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 34b Rdnr. 50; Göres, Interessenkonflikte, S. 35 f. 126 Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 34b WpHG Rdnr. 2 . 127 RegE 4. FinFöG, BT-Drs. 14/8017, S. 92; Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 34b WpHG Rdnr. 2 . 128 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 34b Rdnr. 51 („nicht fern liegen“). 129 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 34b Rdnr. 53. 130 Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 34b WpHG Rdnr. 24; siehe auch KölnKommWpHG/Möllers, § 34b Rdnr. 154 f. 131 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 34b Rdnr. 41; vgl. auch Hettermann/Althoff, WM 2006, 265, 269. 132 Vgl. RegE 4. FinFöG, BT-Drs. 14/8017, S. 92; siehe auch Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 34b Rdnr. 1. 133 Art. 288 Satz 2 AEUV.
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derjenigen Unternehmen, die sie bewertet hat, zu veröffentlichen, wenn sie von ihnen mehr als 5 % ihrer Jahreseinnahmen erhält. Der Ratingagentur wird somit die Möglichkeit genommen, selbst einzuschätzen, ob in diesem Fall ein zu veröffentlichender Interessenkonflikt besteht oder nicht. Vielmehr wird dieser unwiderleglich vermutet. Anders als in den USA, wo dafür allerdings eine 10%-Grenze gilt,134 wird keine Pflicht zur Abstandnahme statuiert, woran sich zeigt, dass dieser Konflikt nicht als besonders schwerwiegend empfunden wird. f.) Schutzmaßnahmen nach § 22 Abs. 1 Berufssatzung WP/vBP Im Rahmen der berufsrechtlichen Bestimmungen finden sich vor allem auf Satzungsebene ausdrückliche Regelungen zu Offenlegungspflichten. Beispielhaft hierfür ist § 22 Abs. 1 der Berufssatzung WP/vBP, wonach die Gefährdung der Unbefangenheit mit Hilfe von „Schutzmaßnahmen“ abgeschwächt werden kann, sodass „aus Sicht eines verständigen Dritten die Gefährdung insgesamt als unwesentlich zu beurteilen ist“. Zu diesen Schutzmaßnahmen gehören unter anderem Erörterungen mit Aufsichtsgremien des Auftraggebers (Satz 2 Nr. 1), Erörterungen mit Aufsichtsstellen außerhalb des Unternehmens (Satz 2 Nr. 2) und Transparenzregelungen (Satz 2 Nr. 3). Erörterungen mit anderen und Transparenzregelungen sind aber nur möglich bzw. anwendbar, wenn dabei eine entsprechende Offenlegung erfolgt. Allerdings bleibt es den Prüfern überlassen, ob sie solche oder andere „Schutzmaßnahmen“ ergreifen wollen oder nicht. Dieser Regelungsansatz ist vergleichbar mit demjenigen im kapitalmarktrechtlichen Aufsichtsrecht, der Wertpapierdienstleistungsunternehmen einen gewissen Entscheidungsspielraum in Bezug darauf zugesteht, ob organisatorische Maßnahmen für den Umgang mit Interessenkonflikten ausreichen oder noch eine Aufklärung der Kunden erforderlich ist. Soweit es somit als „Schutzmaßnahme“ geboten erscheint, einen Interessenkonflikt offenzulegen, lassen sich auch für Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer Offenlegungspflichten berufsrechtlich herleiten. g.) Anzeigepflicht nach § 7 und § 4 Abs. 3 der VID-Berufsgrundsätze Ein Beispiel für eine berufliche Selbstverpflichtung zur Offenlegung von Interessenkonflikten ist der für Insolvenzverwalter geltende § 7 der VID-Berufsgrundsätze. Danach hat ein Insolvenzverwalter Umstände, die Zweifel an seiner Unabhängigkeit begründen, dem Insolvenzgericht unverzüglich (schriftlich) anzuzeigen. Darüber hinaus müssen Insolvenzverwalter solche Umstände dem Insolvenzgericht (unverzüglich und schriftlich) anzeigen, die zwar noch keine Zweifel an seiner Unabhängigkeit begründen, die aber dennoch einer 17 C.F.R. 240.17g-5(c) (1).
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IV. Inhalt und Grenzen der Offenlegungspflicht
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genaueren Beobachtung bedürfen. Diese sind nach § 4 Abs. 3 lit. b und c der VID-Grundsätze, wenn „der Insolvenzverwalter, eine ihm nahestehende Person im Sinne von § 138 InsO oder eine mit ihm zur gemeinsamen Berufsausübung verbundene Person […] für Gläubiger des Schuldners oder andere Verfahrensbeteiligte als Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Poolverwalter in anderen Angelegenheiten tätig“ war oder ist (lit. b) oder der Insolvenzverwalter „bereits Insolvenzverwalter bzw. Gutachter oder vorläufiger Insolvenzverwalter in einem Insolvenz(eröffnungs)verfahren über das Vermögen einer mit der Insolvenzschuldnerin verbundenen Gesellschaft“ ist (lit. c).
IV. Inhalt und Grenzen der Offenlegungspflicht 1.) Offenlegung ex ante Interessenkonflikte sind offenzulegen, bevor es zu einem Vertragsschluss135 bzw. einer Bestellung kommt bzw. – insbesondere wenn sie später entstehen – unverzüglich nach ihrer Entstehung. Denn bereits die Existenz eines (konkreten) Interessenkonflikts bedeutet eine Gefährdung der Interessen des Geschäftsherrn. Die Offenlegung soll verhindern, dass sich diese Gefährdung manifestiert und es zu einer tatsächlichen Verletzung der Interessen des Geschäftsherrn kommt, ohne dass dieser vorher gewarnt worden ist. Die Offenlegung des Konflikts gibt dem Geschäftsherrn (bzw. dem an seiner statt handelnden Gericht) die Möglichkeit, informiert darüber zu entscheiden, ob er den jeweiligen Interessenwahrer beauftragt bzw. das Interessenwahrungsverhältnis mit ihm fortsetzt und ob er gegebenenfalls den Inhalt des Vertrages entsprechend anpasst.136 Entscheidet er sich für die Aufnahme bzw. Fortsetzung des Interessenwahrungsverhältnisses (sofern dies dem Interessenwahrer nicht verboten ist, vgl. etwa § 43a Abs. 4 BRAO), so wird der Interessenwahrer zwar nicht von seiner Interessenwahrungspflicht befreit, der Geschäftsherr kann aber seine Interessen zusätzlich absichern bzw. das Verhalten des Interessenwahrers genauer überwachen. Von einer Offenlegung kann in der Regel abgesehen werden, wenn der Interessenkonflikt dem Geschäftsherrn bekannt ist – sei es, weil der Interessenwahrer ihn dem Geschäftsherrn bereits früher (z. B. beim Vertragsabschluss) mitgeteilt hat, sei es, dass er offenkundig ist oder wegen seiner Üblichkeit als bekannt vorausgesetzt werden kann.137 Ist der Interessenwahrer jedoch zur Offenle Zum Bestehen dieser Pflicht im vorvertraglichen Stradium bereits unter § 7 III.1.)b.). Hopt, ZGR 2004, 1, 27; siehe auch Löhnig, Treuhand, S. 221. 137 BGH NJW-RR 1998, 992, 993; 2000, 430, 431; BGH WM 2003, 2061, 2062; 2009, 2306; OLG Düsseldorf WM 2009, 1410, 1412; OLG Celle WM 2009, 2171, 2174; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 347 Rdnr. 30; Ringleb/Kremer/Lutter/v.Werder/Kremer, DCGK, 135
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gung verpflichtet und verletzt er schuldhaft seine Offenlegungspflicht, macht er sich schadensersatzpflichtig.138 a.) Besonderheiten bei Gremienmitgliedern am Beispiel des Aufsichtsrats Besonderheiten hinsichtlich der Offenlegungspflicht ergeben sich in den Fällen, in denen mehrere Interessenwahrer zusammenwirken, wie etwa beim Aufsichtsrat, und gleichzeitig einer Vielzahl von „Geschäftsherren“ gegenüberstehen. Diese alle zu informieren ist vielfach praktisch schwierig – insbesondere wenn sie, wie Aktionäre, immer wieder wechseln – und verlangt oft einen unangemessen hohen Aufwand. Daher genügt es im Fall von Aufsichtsratsmitgliedern, wenn sie ihre Interessenkonflikte gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden offenlegen.139 Dessen Aufgabe ist es dann, über das weitere Vorgehen zu entscheiden. In der Regel wird er das Plenum informieren.140 Eine Information des Plenums kann auch auf Initiative des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds erfolgen.141 Andererseits kann aber auch auf eine Information des Plenums verzichtet werden, wenn das betroffene Aufsichtsratsmitglied nicht an der jeweiligen Sitzung teilnimmt.142 Eine Pflicht zur Information der Hauptversammlung ist demgegenüber nicht erforderlich und lässt sich auch aus der Treuepflicht des Aufsichtsratsmitglieds nicht ableiten.143 Denn wollte man bei jedem Interessenkonflikt ad hoc eine Hauptversammlung zusammenrufen, so wäre dies angesichts der Vorgaben für die Einberufung einer Hauptversammlung undurchführbar und mit einer effizienten Aufsichtsratsarbeit nicht zu vereinbaren. Zudem soll die Bestellung eines Gremiums gerade sicherstellen, dass Interessenkonflikte einzelner Mitglieder möglichst geringe Auswirkungen haben. Es bleibt dann lediglich eine nachgelagerte Offenlegung über aufgetretene Konflikte gegenüber der Hauptversammlung, wie sie Ziff. 5.5.3 des DCGK empfiehlt.144 Diese nachträgliche Kontrolle ermöglicht in gewissem Umfang einen präventiven Schutz insofern, Rdnr. 1101; Löhnig, Treuhand, S. 216; Lang/Bausch, WM 2010, 2101, 2107; vgl. auch Habersack, WM 2010, 1245, 1251. Siehe außerdem die Nachweise in Fn. 19 in diesem Kapitel. 138 Palandt/Sprau, BGB, § 666 Rdnr. 1. 139 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 164, auch Rdnr. 196; MünchKommAktG/ Habersack, § 100 Rdnr. 69. 140 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 164; MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 69. 141 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 164. 142 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 196. 143 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 164. 144 Dabei kann die Information der Hauptversammlung auch in anonymer Form erfolgen, wenn das vom Interessenkonflikt betroffene Aufsichtsratsmitglied nicht an der Beratung teilgenommen hat. Siehe GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 196; Vetter, in: MarschBarner/Schäfer, Hdb börsennot. AG, § 27 Rdnr. 43, § 29 Rdnr. 28; Lutter, AG 2008, 1, 9; Vetter, ZIP 2006, 257, 261.
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als sich der Aufsichtsrat ihrer bewusst ist und daher einen Anreiz hat, mit den Interessenkonflikten seiner Mitglieder ordnungsgemäß umzugehen. b.) Besonderheiten bei gesetzlichen Interessenwahrern am Beispiel des Insolvenzverwalters Im Fall des Insolvenzverwalters hat letztlich das Gericht über dessen Bestellung und Abberufung zu entscheiden. Daher hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber Interessenkonflikte unverzüglich, vollumfänglich und wahrheitsgemäß anzuzeigen.145 Da die Anzeigepflicht das Gericht in die Lage versetzen soll zu entscheiden, ob der Verwalter noch ausreichend unabhängig ist, orientieren sich Umfang und Reichweite der Anzeigepflicht am Unabhängigkeitsgebot des Verwalters.146 Daher muss der Verwalter auch solche Konflikte anzeigen, die nur möglicherweise seine Unabhängigkeit beeinträchtigen bzw. bei denen Zweifel in dieser Hinsicht bestehen; andernfalls bestünde die Gefahr, dass die „Auslegungshoheit“ des Gerichts unterlaufen werden könnte oder der Verwalter allzu leicht dem Anreiz zu manipulieren verfiele.147 Für die Frage allgemein, wem gegenüber ein gesetzlicher Interessenwahrer Interessenkonflikte offenzulegen hat, muss der Regelungskontext herangezogen werden. Sofern Auskunfts- oder Rechenschaftspflichten statuiert werden, lässt sich diesen in der Regel entnehmen, wer der Adressat ist. Andernfalls – so lässt sich aus dem Befund für den Insolvenzverwalter ableiten – oder auch zusätzlich können die Vorschriften herangezogen werden, die bestimmen, wer für die Abberufung des Interessenwahrers zuständig ist. Denn demjenigen – in der Regel wird dies ein Gericht sein – müssen alle erforderlichen Informationen zugeleitet werden, die für die Entscheidung über eine Abberufung relevant sind. Dazu gehören vor allem Informationen über bestehende oder sich abzeichnende Interessenkonflikte.
2.) Nachträgliche Offenlegung Daneben hat der BGH in bestimmten Fällen auch eine nachträgliche Offenlegung gefordert, um dem Geschäftsherrn zu ermöglichen, gegen den Interessen145 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 211; Frind, ZInsO 2002, 745, 749. Die Anzeige hat in schriftlicher Form oder durch Niederschrift des Gerichts zu erfolgen, siehe BGHZ 113, 262, 276 f.; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 211. Anzugeben sind das zeitliche Vorliegen, die beteiligten Personen sowie der Bezug zum konkreten Verfahren. Dazu Laukemann, a.a.O. Vergleichbares hat auch für andere gesetzliche Interessenwahrer zu gelten, die gerichtlich bestellt werden, wie den Vormund, den Betreuer oder den Pfleger. 146 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 212. 147 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 212. Mit der Anzeige bringt der Verwalter nicht primär zum Ausdruck, dass er sich für befangen hält, sondern dass er eine Entscheidung des Gerichts hierzu für notwendig hält.
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wahrer wirksam vorzugehen.148 Beispielsweise müssen Rechtsanwälte und Steuerberater ihre Mandanten auf Verfehlungen hinweisen, die sie ihnen gegenüber begangen haben. Denn anders als im Strafrecht existiert im Privatrecht kein Verbot der Selbstinkriminierung, sodass es Interessenwahrern im Rahmen des Zivilrechts auch nicht erlaubt ist, eigenes Fehlverhalten zu verdecken – auch nicht, wenn es strafrechtlich relevant ist.149 Tun sie dies dennoch, haften sie wegen Verletzung ihrer Offenlegungspflichten, wofür eine selbständige Verjährung gilt.150 Auf diese Weise wird ein nachgelagerter Schutz der zu wahrenden Interessen gewährleistet. Dieser Gedanke der Offenlegung von eigenem Fehlverhalten lässt sich auch auf andere Interessenwahrer, wie z. B. Vorstände und Geschäftsführer, erstrecken.151 Denn allen Interessenwahrungsverhältnissen ist die spezifische Informationsasymmetrie zwischen Interessenwahrer und Geschäftsherrn – insbesondere hinsichtlich der Interessen des ersteren – gemeinsam. Bei allen besteht daher die Gefahr versteckter Pflichtverletzungen durch den Interessenwahrer und ist der Geschäftsherr in besonderer Weise auf dessen Informationen angewiesen.152 Auch die nachgelagerte Informationspflicht dient daher dem Ausgleich der unterschiedlichen Informationsniveaus und stellt ein wesentliches Element der Interessenwahrung dar. Zudem dient sie dazu, dem Geschäftsherrn bzw. den Kontrollorganen zu ermöglichen, eventuelle Herausgabe- oder Schadensersatzansprüche geltend zu machen.153 Eine (erfolgte) Interessenverletzung ist in diesem Fall zwar nicht mehr zu verhindern, Herausgabe- und Schadensersatzansprüche können jedoch zumindest helfen, die negativen Auswirkungen auf den Geschäftsherrn auszugleichen.
3.) Inhalt und Umfang der Offenlegungspflicht a.) Allgemeines Inhalt und Umfang der Offenlegungspflicht richten sich grundsätzlich danach, was erforderlich ist, damit der Geschäftsherr eine informierte Entscheidung hinsichtlich der Wahrung seiner Interessen vornehmen kann. Dies richtet sich Siehe BGHZ 83, 17, 23; 94, 380, 386; 114, 150; 129, 386, 392; BGH NJW 2000, 1263, 1264; 2002, 1117, 1120; dazu Baumbach/Hopt, HGB, § 347 Rdnr. 30; Hopt, ZGR 2004, 1, 27 ff. Vgl. in diesem Zusammenhang rechtsvergleichend zum englischen Recht, Schmolke, RIW 2008, 365. 149 Hopt, ZGR 2004, 1, 28. 150 BGHZ 83, 17, 23; 94, 380, 389; 114, 150; 129, 386, 395; BGH NJW 2000, 1263, 1267; 2002, 1117, 1120; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 347 Rdnr. 30. 151 Hopt, ZGR 2004, 1, 27. Dem folgend Löhnig, Treuhand, 2006, S. 215. 152 Löhnig, Treuhand, S. 215. 153 Sind solche Ansprüche in der Buchführung bzw. in den Bilanzen der Gesellschaft zu berücksichtigen, kommt es auch in diesem Fall zu einer Sekundärhaftung mit selbständiger Verjährung, siehe Hopt, ZGR 2004, 1, 27 f. 148
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nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der jeweiligen Geschäftsbeziehung, ihrem konkreten Gegenstand und der Sachkunde des Geschäftsherrn.154 Generell hat der Interessenwahrer alle Informationen mitzuteilen, die der Geschäftsherr nicht kennt und die er benötigt, um „seine Rechte wahrnehmen, seine Pflichten erfüllen und sachgerechte Entscheidungen treffen“ zu können.155 Mit Blick auf Interessenkonflikte bedeutet dies, dass der Interessenwahrer den Konflikt grundsätzlich so darstellen muss, dass der Geschäftsherr eine ausreichende Basis für seine Entscheidung erhält.156 Zu unterscheiden ist dabei zwischen Interessenkonflikten aufgrund einer Kollision mit eigenen Interessen und solchen aufgrund einer Kollision mit anderen vom Interessenwahrer zu wahrenden Fremdinteressen. Im Fall kollidierender Fremdinteressen sind unter anderem datenschutzrechtliche157 und besondere Geheimhaltungsgründe sowie unter Umständen auch gesetzliche Informationsweitergabeverbote zu beachten.158 Im Fall der Kollision mit eigenen Interessen spielen sie hingegen insofern keine Rolle, als der Interessenwahrer seine Interessen dadurch schützen kann, dass er die Übernahme des Auftrags ablehnt bzw. das Mandat niederlegt. Kommt es zu einer Kollision mit Eigeninteressen und zieht sich der Interessenwahrer nicht zurück, muss er daher erläutern, welche seiner Interessen den Konflikt verursachen und warum. Ein allgemeiner, pauschaler Hinweis auf das Bestehen eines Interessenkonfliktes für die Erfüllung der Offenlegungspflicht reicht in diesem Fall grundsätzlich nicht aus. 159 Denn ein allgemeiner Hinweis, dass grundsätzlich Interessenkonflikte bestehen können, ist zu undifferenziert und würde die Warnfunktion der Offenlegungspflicht verfehlen. Zulässig ist ein allgemeiner Hinweis nur, wenn der Interessenwahrer damit die Ablehnung des ihm angetragenen Auftrags begründet. Auf der anderen Seite muss der Interessenwahrer aber auch nicht seine gesamte Geschäftstätigkeit offenlegen.160 Eine unbegrenzte Offenlegungspflicht Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 10; MünchKommHGB/Häuser, § 384 Rdnr. 23. MünchKommBGB/Seiler, § 666 Rdnr. 5 ; ähnl. Ermann/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 9 ; vgl. auch BGH NJW 2005, 1113, 1114; 1998, 680, 681; Soergel/Beuthin, BGB, § 666 Rdnr. 6 ; Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 5. Außerdem Huber, in: Leinz, Karlsruher Forum 2000, S. 5 (zu Aufklärungspflichten vor Vertragsschluß); zum Schweizer Recht Abegglen, Aufklärungspflichten, S. 119. Zu § 384 HGB Ehrenberg/Schmidt-Rimpler, Hdb des Handels, Bd. 5.1.1, S. 274. 156 Siehe nur Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 67; zurückhaltend Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 132. Vgl. für den Insolvenzverwalter Laukemann, Unabhängigkeit, S. 212. 157 A.A. Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 6. 158 Zu den in diesem Zusammenhang auftretenden Fragen wird unter § 7 IV.4.) Stellung genommen. 159 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 71; Sethe, Vermögensverwaltung, S. 800; a.A. Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, S. 624. 160 Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 132. 154 155
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wäre nur dann anzunehmen, wenn der Interessenkonflikt ganz umfassend ist und zwangsläufig oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung der Interessen des Geschäftsherrn führen würde.161 Dann aber wäre der Interessenwahrer ohnehin verpflichtet, von dem Geschäft Abstand zu nehmen. Um genauer zu bestimmen, was als „erforderlich“ für eine angemessene Offenlegung anzusehen ist und wie konkret sie erfolgen muss, können die bereits weit entwickelten und gesetzlich niedergelegten kapitalmarktrechtlichen Offenlegungspflichten herangezogen werden. Zu beachten ist allerdings, dass die eine oder andere Detailregelung kapitalmarktspezifisch ist und sich daher nicht alle Regelungen für eine allgemeinere Bestimmung eignen. b.) Art und Herkunft des Konflikts Voraussetzung dafür, dass der Geschäftsherr die Gefahren für seine Interessen durch einen Interessenkonflikt des Interessenwahrers richtig einschätzen kann, ist eine eindeutige Darlegung der allgemeinen Art und Herkunft des Interessenkonflikts. Dies ergibt sich etwa für das kapitalmarktrechtliche Aufsichtsrecht aus § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG. Erforderlich ist dabei nicht, dass der individuelle einzelne Konflikt, etwa eine bestimmte Geschäftsbeziehung zu einem namentlich zu nennenden Kunden, erläutert wird.162 Aber die Offenlegung darf auch nicht lediglich allgemein-generell erfolgen; vielmehr muss der jeweils bestehende Konflikt dargelegt werden, wenn auch losgelöst vom Einzelfall.163 Die „Art“ des Interessenkonflikts ergibt sich aus den konfligierenden Interessen, d. h. ob es sich um den Konflikt mit Eigeninteressen des Wertpapierdienstleistungsunternehmen handelt oder um einen Konflikt mit Interessen anderer Kunden.164 Mit der „Herkunft“ wird beschrieben, welche gegenläufigen Interessen dem Konflikt zugrunde liegen; der Kunde soll erkennen können, bei welchen Geschäften typischerweise ein Interessenkonflikt bestehen kann.165 Eine abstrakte Beschreibung des Konflikts genügt daher nicht, vielmehr muss die Beschreibung des Konflikts für den Durchschnittskunden ersichtlich machen, bei welchen Geschäften Interessenkonflikte typischerweise entstehen können.166 Dementsprechend hat das Wertpapierhandelsunternehmen etwa im Falle eigener konfligie Löhnig, Treuhand, S. 219. Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 49 und 72. 163 Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 75. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich das Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit einer solchen Aufklärung quasi selbst bezichtigt oder ob der Kunde daraufhin sein Verhalten ändert. Siehe Assmann/Schneider/ Koller, WpHG, § 31 Rdnr. 45. 164 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31 Rdnr. 43; Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 69. 165 Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 69. 166 Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 69, zu Einzelheiten siehe a.a.O. Rdnr. 74 ff. Außerdem Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 71. 161
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render Interessen offenzulegen, bei welchen Geschäftsfeldern bzw. welchen geschäftlichen Aktivitäten – z. B. Eigenhandel, Kurspflegemaßnahmen, Market Making167 – es zu einem unvermeidbaren, die Kundeninteressen beeinträchtigenden Interessenkonflikt kommen kann.168 Das umfasst auch die Anreizwirkungen der Vergütungsstruktur des Unternehmens169 oder dessen Eigeninteressen,170 wenn hauseigene Finanzprodukte vertrieben werden. Eine darüber hinausgehende Konkretisierung des Konflikts, z. B. indem die jeweiligen konkreten Einzelfälle beschrieben werden, ist nicht erforderlich.171 Auch muss das Wertpapierunternehmen nicht konkret darüber aufklären, dass es bestimmte Eigenbestände in dem vom Kunden ins Auge gefassten Finanzinstrument selbst hat oder mit diesen handeln möchte.172 Außerdem muss grundsätzlich nicht darüber aufgeklärt werden, wie intensiv ein Interessenkonflikt ist.173 Da jedoch der Kunde in der Lage sein muss, das Ausmaß der Gefahr zu beurteilen174 und dies ohne eine gewisse Aufklärung über die Intensität des Konflikts schwierig ist,175 kann diese bei der Offenlegung nicht völlig ausgeblendet werden. c.) Offenzulegende Beziehungen und Umstände Eine ausdrückliche und detaillierte Regelung, welche Beziehungen und Umstände im Rahmen einer Aufklärung über einen Konflikt offen gelegt werden müssen, enthält etwa § 5 FinAnV, der § 34b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG konkretisiert. Diese Regelung eignet sich daher als Orientierung, um den Umfang der Offenlegung näher zu bestimmen. Nach § 5 FinAnV sind etwa nennenswerte finanzielle Interessen oder erhebliche Interessenkonflikte in Bezug auf Fi nanzinstrumente oder deren Emittenten anzugeben, die Gegenstand der Fi nanzanalyse sind, § 5 Abs. 1 Satz 3 FinAnV.176 Auch Kontrollbeziehungen und personelle Verflechtungen mit dem Emittenten, der oder dessen Finanzinstrumente Gegenstand der Finanzanalyse sind, können Interessenkonflikte hervor-
167 Dazu Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 77 ff.; Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 77, 78. 168 Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 76. 169 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31 Rdnr. 43. 170 Schäfer/Schäfer, Urteilsanmerkung, BKR 2007, 163, 165 (sofern nicht evident, wie bei Empfehlung hauseigener Produkte). 171 Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 70. 172 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 74. 173 Vgl. Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31 Rdnr. 43. 174 Sethe, Vermögensverwaltung, S. 800. 175 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31 Rdnr. 4 4 (in keiner Weise abschätzbar). Vgl. dazu BGH ZBB 2007, 193; Benicke, Vermögensverwaltung, S. 624. 176 Dies umfasst z. B . Eigenpositionen der Analysten. Wann finanzielle Interessen „nennenswert“ sind, ist danach zu bestimmen, ob das Interesse geeignet ist, die Unvoreingenommenheit des Erstellers zu beeinträchtigen. Siehe Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 34b WpHG Rdnr. 24.
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rufen.177 Ungeschriebene Voraussetzung für die Offenlegung eines (potentiellen) Interessenkonflikts ist außerdem, dass er geeignet sein muss, sich auf die unvoreingenommene Erstellung der Finanzanalyse auszuwirken.178 Für bestimmte qualifizierte Personen und Unternehmen179 enthält § 5 Abs. 3 Satz 1 FinAnV eine nicht abschließende Auflistung von Umständen, bei denen bereits abstrakt180 davon auszugehen ist, dass es sich um offenlegungspflichtige Informationen handelt. Dazu gehören wesentliche Beteiligungen181 an dem Emittenten, die selbst oder deren Finanzinstrumente Gegenstand der Finanzanalyse sind (Nr.1). Des Weiteren wird die gleichzeitige Tätigkeit als Market Maker oder Designated Sponsor für Finanzinstrumente, die selbst oder deren Emittent Gegenstand der Finanzanalyse sind (Nr. 2 lit. a), erfasst. Offenlegungspflichtig ist auch die Beteiligung an der Führung eines Emissionskonsortiums innerhalb der vorangegangenen zwölf Monate für Finanzinstrumente, die selbst oder deren Emittent Gegenstand der Finanzanalyse sind, (Nr. 2 lit. b). Ebenfalls offenzulegen ist die Vereinbarung mit dem jeweiligen Emittenten über die Erbringung von Investmentbanking-Dienstleistungen in den voran gegangenen zwölf Monaten oder der Erhalt von Leistungen aufgrund einer solchen Vereinbarung – dies gilt jedoch nicht für vertrauliche Geschäftsinformationen – (Nr. 2 lit. c). Und schließlich müssen Vereinbarungen mit dem betroffenen Emittenten über die Erstellung von Finanzanalysen (Nr. 2 lit. d) sowie sonstige bedeutende finanzielle Interessen in Bezug auf den Emittenten (Nr. 2 lit. e) offen gelegt werden.182 Darüber hinaus haben Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute183 ihre Organisationsmaßnahmen zur Vermeidung bzw. zum Umgang mit Interessenkonflikten offenzulegen und anzugeben, ob die Vergütung des Erstellers der Analyse oder der an der Erstellung Mitwirkenden von Investmentbanking Geschäften abhängt und sie Anteile des von der Analyse betroffenen Emittenten vor einer Emission erhalten oder erwerben, § 5 Abs. 4 Nr. 1 und 2 FinAnV.
Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 34b WpHG Rdnr. 24. Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 34b WpHG Rdnr. 24. 179 Dies umfasst Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute, unabhängige Finanzanalysten, mit diesen verbundene Unternehmen, Personen oder Unternehmen, deren Haupttätigkeit die Erstellung von Finanzanalysen ist, vgl. § 5 Abs. 3 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 FinAnV. 180 Eine Offenlegung muss in diesen Fällen ohne Rücksicht auf eine konkrete Gefährdung oder das Vorhandensein von Informationsbarrieren erfolgen. Siehe Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 34b Rdnr. 59; KölnKommWpHG/Möllers, § 34b Rdnr. 184. 181 Als wesentlich wird eine Beteiligung in Höhe von mehr als 5 Prozent des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft angesehen, § 5 Abs. 3 Satz 2 FinAnV. Dazu Assmann/Schneider/ Koller, WpHG, § 34b Rdnr. 60 ff.; KölnKommWpHG/Möllers, § 34b Rdnr. 166 ff. 182 Zu diesen und den davor genannten Regelbeispielen Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 34b Rdnr. 60 ff.; KölnKommWpHG/Möllers, § 34b Rdnr. 174 ff. 183 Sowie nach § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG tätige Unternehmen und Zweigniederlassungen i.S.v. § 53b KWG. 177 178
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d.) Eindeutigkeit der Darlegung Auch muss die Offenlegung „eindeutig“ erfolgen, wie es etwa in § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG heißt. Die „Eindeutigkeit“ der Darlegung steht in einem gewissen Spannungsverhältnis dazu, dass nur über die „allgemeine“ Herkunft des Interessenkonflikts aufgeklärt werden soll.184 Dieses Spannungsverhältnis lässt sich jedoch mit Blick auf den Zweck der Vorschrift auflösen. Sinn und Zweck der Regelung ist es sicherzustellen, dass der Kunde bewusst entscheiden kann, ob er sich dem Risiko eines Interessenkonflikts und damit einer möglichen Schädigung seiner Interessen aussetzen will.185 Dementsprechend müssen sich der Detaillierungsgrad und der Umfang der Aufklärung daran orientieren, was notwendig ist, damit ein typischer Kunde der jeweiligen Kategorie eine solche fundierte Entscheidung treffen kann.186 Für diesen Durchschnittskunden darf die Aufklärung nicht missverständlich sein,187 und es muss ausreichend deutlich werden, dass das geplante Geschäft aufgrund des Interessenkonflikts ungünstiger oder unvorteilhafter ausfallen kann, als wenn kein Interessenkonflikt bestünde188 . Ein bloßer Hinweis, dass ein Interessenkonflikt generell möglich ist, genügt daher nicht.189 Andererseits muss das Wertpapierdienstleistungsunternehmen aber auch nicht sicherstellen, dass der individuelle Kunde die für ihn und seine Interessen bestehende Gefährdung auch wirklich erkennt.190 Schwierigkeiten bereitet eine Information über Interessenkonflikte, die pauschal, standardisiert191 und möglichst umfänglich mit Hilfe langer Listen von Konflikten erfolgt. In diesem Fall kann die Offenlegung für einen durchschnittlichen Anleger auch zu einem Zuviel an Information führen. Dies kann dazu führen, dass die Information nicht mehr verarbeitet wird und damit die Aufklärungspflicht zum Gegenteil dessen führt, was sie eigentlich erreichen soll.
Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 49. Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 69. 186 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 49 und 71; vgl. auch Sethe, Vermögensverwaltung, S. 800. 187 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31 Rdnr. 44 (plastisch vor Augen führen); Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 67. 188 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 71. 189 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 71. 190 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 72; Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 70; a.A. KölnKommWpHG/Möllers, § 31 Rdnr. 156. Siehe dazu auch Sethe, Vermögensverwaltung, S. 800 (nicht jedes Detail offenbaren). Ausnahmsweise kann sich eine Verpflichtung dazu aber aus § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG ergeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich ansonsten für den jeweiligen Kunden gravierende Nachteile ergeben und eine allgemeine Offenlegung dieser Situation nicht mehr gerecht werden würde. 191 Siehe dazu Mülbert, WM 2007, 1149, 1160. 184 185
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e.) Offensichtlichkeit oder Erkennbarkeit von Interessenkonflikten Offensichtliche oder erkennbare Interessenkonflikte müssen nicht offengelegt werden. Da der Geschäftsherr bereits von dem Konflikt weiß, kann er seine Interessen entsprechend schützen. Eine Offenlegung wäre in diesem Fall eine bloße Formalität. Allerdings zeigt die Rechtsprechung des BGH zu Rückvergütungen sowie die Regelung in § 31d WpHG, dass es Grenzfälle bei der Beantwortung der Frage gibt, wann ein Interessenkonflikt offensichtlich ist und daher nicht offengelegt werden muss. Für jeden offensichtlich ist etwa ein Interessenkonflikt, wenn jemand hinsichtlich seiner eigenen Produkte berät.192 Denn beim Vertrieb eigener Produkte ist das eigene Absatzinteresse des Beraters bzw. des beratenden Instituts erkennbar, und der Kunde weiß um dessen Verkäuferrolle.193 Anders ist dies allerdings, wenn ein darüber hinausgehendes besonderes Interesse des Beraters an der Empfehlung eines Produktes besteht, weil dieses bewusst zu Lasten des Kunden und zum eigenen Nutzen des Beraters bzw. der Bank gestaltet ist. Dieses besondere Interesse kann der Kunde anders als die generelle Gewinnabsicht der Bank nicht erkennen.194 An Grenzen stößt die „Offensichtlichkeit“ des Interessenkonflikts, wenn dafür auf das der Beratung nachgelagerte Beschaffungsgeschäft abgestellt wird (z. B. Kauf oder Kommission). So erfasst etwa § 31d WpHG seinem insofern eindeutigen Wortlaut zufolge, der auf Zuwendungen „von Dritten“ abstellt,195 keine Gewinnmargen, die ein Unternehmen vereinnahmt.196 Bei Gewinnmargen handelt es sich um Vergütungen, die im Festpreisgeschäft in Form einer Marge zwischen dem An- und Verkaufspreis eines Finanzinstruments eingenommen werden.197 Diese werden also nicht von Dritten gezahlt. Dementsprechend entsteht der Konflikt in diesem Fall nicht aufgrund der Zuwendungen eines Dritten, sondern aufgrund des eigenen Gewinninteresses des Wertpapierdienstleistungsunternehmens. Auch nach der Rechtsprechung des BGH soll über Gewinnmargen nicht aufgeklärt werden müssen.198 192 BGH ZIP 2011, 756, 760; BGH WM 2011, 2261, 2265; Habersack, WM 2010, 1245, 1251; Sommermeyer, BKR 2012, 27, 28. Eine Bank kann die von ihr angebotene Beratung auf solche Produkte beschränken, die von der Bank selbst oder Gesellschaften desselben Konzerns angeboten werden. BGH WM 2007, 487, 489. 193 Dazu etwa Hanke, BKR 2012, 493, 495. Zur Erstreckung auf fremde Anlageprodukte, die im Wege des Eigengeschäfts veräußert werden BGH WM 2011, 2261, 2265. 194 BGH ZIP 2011, 756, 761. 195 Schwark/Zimmer/Koch, KMRK, § 31d WpHG Rdnr. 19. 196 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31d Rdnr. 8; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 15; Schwark/Zimmer/Koch, KMRK, § 31d WpHG Rdnr. 19; Spindler, WM 2009, 1821, 1827 (auf den Schutztweck von § 31d WpHG abstellend); a.A. Mülbert, WM 2007, 1149, 1161; Mülbert, ZHR 172 (2008), 170, 188; Rozok, BKR 2007, 217, 218; Schumacher, WM 2011, 678, 681 f. unter Hinweis auf CESR/10–295, S. 24 (Example 2). 197 Siehe z. B. Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 15. 198 BGH WM 2011, 2261, 2265 f.; WM 2011, 2268, 2271.
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Sowohl bei Zuwendungen als auch bei Gewinnmargen hat das beratende Unternehmen jedoch ein Interesse daran, den Kunden zu einer Finanzanlage zu bewegen, um entweder die Marge oder die Zuwendung zu erhalten. Beide Male entsteht ein Konflikt zwischen den eigenen Interessen und denen des Kunden, aber nur im Fall von Zuwendungen ist darüber aufzuklären. Dabei ist für den häufig nicht versierten Kunden oft nicht erkennbar, ob er gerade ein Kommissions- oder Festpreisgeschäft abschließt199 und welche Folgen dies hat. Empfiehlt das Unternehmen dagegen seine eigenen Anlageprodukte, die als solche auch erkennbar sind, so muss es nicht darüber aufklären, dass es mit diesen Produkten Gewinne erzielt, denn in diesem Fall ist der Interessenkonflikt offensichtlich.200 Kommen allerdings besondere Umstände hinzu, wie z. B. eine bewusst zum Nachteil des Kunden gestaltete Risikostruktur des eigenen Anlageproduktes, bleibt es bei der Aufklärungspflicht.201 Auch die Frage, wann davon ausgegangen werden kann, dass ein Interessenkonflikt dem Geschäftsherrn bereits bekannt und daher eine Aufklärung nicht nötig ist, wird im Rahmen von § 31d WpHG diskutiert. Konkret geht es darum, welche Auswirkungen es hat, wenn ein Kunde nacheinander mehrere gleichartige Wertpapiergeschäfte vornimmt. Verbreitet wird angenommen, dass in diesem Fall nicht bei jedem Einzelgeschäft erneut eine Offenlegung erfolgen muss, sofern es bei der Zuwendung keine Veränderungen gegeben hat.202 In Anlehnung an § 53 Abs. 2 BörsG in der bis 30.06.2002 geltenden Fassung 203 wird es für ausreichend erachtet, wenn die Offenlegung jährlich, ggf. aber auch erst nach drei Jahren, wiederholt wird.204 Andere sehen darin eine Überforderung des Kunden und verlangen aus Gründen der Rechtssicherheit bei jedem Folgegeschäft eine Offenlegung.205
199 Schwark/Zimmer/Koch, KMRK, § 31d WpHG Rdnr. 19; dazu auch Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 4 f.; vgl. auch Sethe, FS Nobbe, 2009, S. 769, 785 f.; aus der Rechtsprechung bereits RGZ 42, 125, 131. Krit. dazu Spindler, WM 2009, 1821, 1823 („tendenzielle Einebnung der Unterschiede“). 200 BGHZ 185, 189; BGH ZIP 2011, 756, 760; siehe dazu auch Buck-Heeb, WM 2012, 625, 633 f. 201 Vgl. BGH ZIP 2011, 756, 760 f. 202 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 37 (Offenlegung wirkt dann fort); Assmann, ZBB 2008, 21, 29; Rozok, BKR 2007, 217, 225; krit. Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31d Rdnr. 50; Schwark/Zimmer/Koch, KMRK, § 31d WpHG Rdnr. 52; differenzierend Mülbert, ZHR 172 (2008), 170, 189 (abhängig davon, ob Rahmenvertrag vorliegt oder nicht, mit Ausnahme der Anlageberatung, wo jedesmal aufzuklären sei). 203 Danach war die erstmalige schriftliche Unterrichtung über die mit Börsentermingeschäften verbundenen Risiken innerhalb von zehn bis zwölf Monaten zu wiederholen und sollte dann maximal drei Jahre fortwirken. 204 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 37; siehe im Ergebnis auch Rozok, BKR 2007, 217, 225; krit. Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31d Rdnr. 50; Schwark/Zimmer/Koch, KMRK, § 31d WpHG Rdnr. 52. 205 Schwark/Zimmer/Koch, KMRK, § 31d WpHG Rdnr. 52.
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Ob durch eine dauernd wiederholte Offenlegung tatsächlich viel gewonnen wäre, ist allerdings fraglich. Denn in diesem Fall könnte beim Kunden ein Gewöhnungseffekt eintreten. Würde er hingegen nur dann informiert, wenn Änderungen auftreten, wäre der Warneffekt im Falle der Aufklärung größer. Hinzukommt, dass bei einer Pflicht zur immer wieder neuen Offenlegung gleicher Sachverhalte die Entwicklung schnell in Richtung einer Standardisierung gehen würde. Denn damit könnten Wertpapierdienstleistungsunternehmen in diesem Fall die Offenlegung erheblich effizienter gestalten. Sofern sich an den Zuwendungen nichts geändert hat, wird man gegen eine solche Standardisierung grundsätzlich nicht allzu viel einwenden können. Auch eine Standardisierung kann jedoch zu einer Verringerung des Warneffekts führen und diesen somit weiter schwächen. Eine an den Zeitablauf, etwa ein Jahr, anknüpfende Aufklärungspflicht würde demgegenüber auch die unterschiedliche Handelsfrequenz der einzelnen Anleger berücksichtigen. Wer regelmäßig handelt und daher mehr Kenntnisse hat, wird entsprechend – relativ gesehen – seltener aufgeklärt werden. Wer weniger handelt, wird hingegen – relativ gesehen – öfter über Interessenkonflikte informiert werden. Wer also z. B. nur einmal im Jahr eine Transaktion in Finanzinstrumenten durchführt, würde jedes Mal aufgeklärt werden, wer dagegen hundertmal im Jahr handelt, würde nur bei jeder hundertsten Transaktion neu aufgeklärt. Mit Hilfe einer solchen statischen Herangehensweise (einmal im Jahr) würde das Schutzniveau dynamisch an die Situation der einzelnen Kunden bzw. Anleger angepasst werden und so die im WpHG angelegte Differenzierung nach Kenntnis und Erfahrung des Anlegers sachgerecht aufgegriffen werden. f.) Verallgemeinerung der vorangegangenen Befunde Die Befunde zu den kapitalmarktrechtlichen Aufklärungspflichten lassen sich in großen Teilen verallgemeinern. So lässt sich insbesondere der Gedanke, dass der Interessenwahrer über Art und Herkunft des Konflikts aufklären muss, auf Interessenkonflikte außerhalb des Kapitalmarkts übertragen. Denn nur wenn der Geschäftsherr Art und Herkunft des Konflikts kennt, hat er eine gewisse Vorstellung, wie der Konflikt beschaffen ist und wie dieser seine Interessen gefährdet. Diese Kenntnis ist aber erforderlich, damit er eine sachgerechte Entscheidung treffen kann. Auch dass die Offenlegung so erfolgen muss, dass der Geschäftsherr in die Lage versetzt wird zu verstehen, um was es geht, lässt sich verallgemeinern. Andernfalls würde Sinn und Zweck der Aufklärungspflicht, dem Geschäftsherrn den Schutz seiner Interessen zu ermöglichen, ins Leere laufen. Andererseits darf aber – auch dies lässt sich den kapitalmarktrechtlichen Aufklärungspflichten entnehmen – vom Interessenwahrer auch nicht zu viel verlangt werden: Seine Aufklärung hat er an einem durchschnittlich verständigen
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Geschäftsherrn auszurichten. Sicherzustellen, dass der konkrete Geschäftsherr die Gefahren auch tatsächlich erkennt, kann vom Interessenwahrer höchstens in besonderen Einzelfällen von erheblicher Bedeutung bzw. im Fall eines erheblichen Gefährdungspotentials verlangt werden. Offensichtlichkeit und Erkennbarkeit des Konflikts machen eine Offenlegung regelmäßig unnötig.206 Bei der Bestimmung der Offensichtlichkeit und Erkennbarkeit darf jedoch nicht die Sachkunde des Interessenwahrers zugrunde gelegt werden, sondern muss auf die Perspektive eines durchschnittlichen Geschäftsherrn abgestellt werden. Ist der Geschäftsherr aufgrund immer wiederkehrender Einzelgeschäfte immer wieder erneut dem gleichen Interessenkonflikt ausgesetzt, so bedarf es keiner dauernd wiederholten Offenlegung dieses immer gleichen Konflikts. Denn in diesem Fall darf angenommen werden, dass der Geschäftsherr Kenntnis von dem Konflikt hat. Um jedoch einem Vergessen entgegenzuwirken und die Warnfunktion der Offenlegungspflicht zu gewährleisten, muss in solchen Fällen die Offenlegung regelmäßig wiederholt werden. Schließlich, darauf ist sogleich ausführlicher zurückzukommen, ist zu berücksichtigen, dass eine angemessene Organisation geeignet sein kann, Interessenkonflikte innerhalb eines Unternehmens einzudämmen.207 In diesen Fällen ist zu erwägen, ob die Offenlegungspflicht ausgeschlossen sein kann.
4.) Grenzen von Offenlegungspflichten a.) Offenlegungspflicht und Verschwiegenheitspflicht Grenzen ergeben sich für Offenlegungspflichten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag 208 und aus Verschwiegenheitspflichten, 209 insbesondere wenn die Pflicht zur Offenlegung eines Konfliktes dazu führen würde, dass im Interesse eines Dritten geheim zu haltende Umstände offenbart werden müssten.210 Offenlegungspflichten haben gegenüber Verschwiegenheitspflichten keinen absoluten Vorrang. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass letztere grundsätzlich gegenüber jedermann gelten – unabhängig davon, ob der andere selbst Siehe dazu die Verweise in Fn. 137. Dazu § 8. 208 BGH NJW 2007, 1528; Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 6. 209 Dazu im Hinblick auf den Insolvenzverwalter Laukemann, Unabhängigkeit, S. 213 ff.; hinsichtlich § 31 WpHG z. B. Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 73; a.A wohl Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 6 (Datenschutz stehe einem Auskunftsverlangen nicht entgegen) unter Hinweis auf BGH NJW 2007, 1528, 1529 (dort wurde ein Auskunftsverlangen als datenschutzrechtlich unbedenklich angesehen, wenn es objektiv zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich ist). 210 Vgl. dazu Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 134, 136; Hopt, FS Heinsius, 1991, S. 289, 303. 206 207
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einer Verschwiegenheitspflicht unterliegt oder nicht.211 Sofern sie nicht ausdrücklich begrenzt sind, dürfen sie daher nur ausnahmsweise zum Schutz höherrangiger Rechtsgüter missachtet werden.212 Die Geheimhaltungspflicht hat somit grundsätzlich Vorrang vor der Informationspflicht.213 Anderes gilt für die Doppeltätigkeit im Maklerrecht: Hier soll die Offenlegungspflicht eventuellen Geheimhaltungspflichten gegenüber der jeweils anderen Partei vorgehen.214 Dies liege im Interesse der Parteien, denn dem Nachteil der Aufklärung des Gegners stehe der Vorteil gegenüber, selbst ebenfalls zu erfahren, was für den anderen günstig ist. Im Regelfall ergibt jedoch die Vertragsauslegung, dass die Offenlegungspflicht im Fall der Gefährdung von Drittinteressen auf eine allgemeine Offenlegung beschränkt ist. Ein Geschäftsherr kann nicht damit rechnen, dass ihm der Interessenwahrer vertrauliche Informationen bzw. gewichtige Interessen anderer Geschäftspartner mitteilt. Denn umgekehrt wird auch er erwarten, dass seine Daten geheim gehalten werden.215 Wer aber eine Geschäftsbeziehung in der Erwartung aufnimmt, dass er vertrauliche Informationen aus anderen Geschäftsbeziehungen des Interessenwahrers erhält, verlangt geradezu einen Treuebruch gegenüber den anderen Geschäftsherren. Sein Interesse an diesen Informationen ist daher nicht schützenswert.216 Für Offenlegungspflichten bedeutet dies, dass sie im Fall einer Kollision mit einer Verschwiegenheitspflicht nur modifiziert gelten können. Der Geschäftsherr muss in diesem Fall zwar unverzüglich und unaufgefordert von dem Interessenkonflikt in Kenntnis gesetzt werden, allerdings ohne dass Namen offengelegt werden oder andere Einzelheiten, die einen Rückschluss auf das Mandat zulassen würden – dabei muss der Interessenwahrer auf seine Verschwiegenheitspflicht hinweisen.217 Das gilt allerdings dann nicht, wenn die Person, deren Interessen geschützt werden soll, ihrerseits verpflichtet wäre, diese Informationen weiterzugeben bzw. offenzulegen.218 Eine solche Lösung dürfte auch mit berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten vereinbar sein. Zwar verpflichtet § 43a Abs. 2 Satz 2 BRAO den 211 Zu berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten z. B. Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 16; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 214. Siehe auch die Wertung in §§ 56 Abs. 1 Satz 2, 76 Abs. 2 BRAO, § 53 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 StPO, § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. 212 Für einen Vorrang des Geheimnisschutzes im Kapitalmarktrecht z. B. Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 136. 213 Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 229; a.A. (im Hinblick auf das Bankgeheimnis) Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 466 ff. 214 Dazu und zum Folgenden BGH NJW 1968, 150, 151. 215 Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 136; Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 229. Vgl. auch Buck-Heeb, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 2 Rdnr. 38. Vorsichtiger Fuchs/Fuchs,WpHG, § 133 Rdnr. 127. 216 Fuchs/Fuchs,WpHG, § 133 Rdnr. 127. 217 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 214 f. Siehe auch Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 73. 218 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 73.
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Rechtsanwalt zur Verschwiegenheit hinsichtlich aller Umstände, die ihm in Ausübung seines Berufes bekannt geworden sind. Aber eine lediglich abstrakte Beschreibung der Mandatsbeziehung, die auf die den Interessenkonflikt auslösenden Umstände begrenzt wird, dürfte das Geheimhaltungsinteresse des anderen wahren.219 Allerdings wird (auch und möglicherweise gerade) eine solche weniger detaillierte Offenlegung eines Konfliktes dazu führen, dass der Geschäftsherr von Bestellung bzw. Beauftragung des Interessenwahrers vorsichtshalber Abstand nimmt. Dies wird insbesondere dann geschehen, wenn sich der Geschäftsherr wegen der Verschwiegenheit des Interessenwahrers kein zutreffendes Bild von Inhalt und Reichweite des Konflikts machen kann.220 Für § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG gilt, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht konkret aufklären darf, wenn es dadurch in die geschützte Geschäftssphäre eines anderen Kunden eingreifen würde.221 Dies gilt z. B. auch dann, wenn das Unternehmen Kenntnis von Transaktionen eines seiner Kunden hat, die – etwa aufgrund ihres Volumens – erhebliche Kursveränderungen bewirken könnten.222 Allerdings kann ein genereller Hinweis auf den Konflikt angebracht sein. Konkret muss die Bank jedoch nicht aufklären, sondern kann sich grundsätzlich auf ihre Verschwiegenheitspflicht berufen.223 Eine Ausnahme gilt dann, wenn derjenige, der so geschützt werden würde, selbst verpflichtet wäre, diese Informationen weiterzugeben.224 b.) Offenlegungspflicht und gesetzliche Verbote Eine Offenlegung muss dann unterbleiben, wenn eine Aufklärung gesetzlich verboten ist.225 Dies ist etwa im Rahmen des Kapitalmarktrechts im Hinblick auf Insiderinformationen der Fall. Verstößt die Weitergabe von Informationen gegen das Insiderhandelsverbot, § 14 WpHG, darf der Kunde über die entsprechenden Informationen nicht aufgeklärt werden.226 Ein gesetzlich angeordnetes Weiterleitungs- bzw. Schweigegebot wie bei Insiderinformationen geht den vertraglichen Aufklärungs- und Warnpflichten sowie der Interessenwahrungs219 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 215. So ist etwa der bloße Hinweis eines Rechtsanwalts auf Konkurrenzmandate in der Regel unschädlich, vgl. Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 21. 220 Vgl. dazu Laukemann, Unabhängigkeit, S. 215 f. 221 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 73. 222 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 73. 223 Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 insb. Rdnr. 136; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 73. 224 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 73. 225 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 75; vgl. auch Hopt, FS Heinsius, 1991, S. 289, 301. 226 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 75; Buck, Wissen, S. 507; Assmann, WM 1996, 1337, 1352. Vgl. dazu auch Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 469 ff. Zur Frage, wann eine Weitergabe von Insiderinformationen zulässig ist, siehe nur EuGH v. 22.11.2005, Rs C-384/02; Assmann/Schneider/Assmann, § 14 Rdnr. 73 ff., 80ff., insb. 106 ff.
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§ 7 Anzeige- und Offenlegungspflichten
pflicht gegenüber dem Vertragspartner vor.227 Denn „[z]wingendes Gesetzesrecht kann nicht durch Eingehen vertraglicher Bindungen zur Disposition gestellt werden“.228 Diese wären nach § 134 BGB nichtig. Wäre hingegen ein Geschäftsbesorger zur Aufklärung auch in Situationen verpflichtet, in denen gesetzliche Vorschriften, insbesondere Strafnormen,229 die Weitergabe von Informationen verbieten, würde er rechtlich gezwungen werden, einen Rechtsverstoß zu begehen und sich eventuell sogar strafbar zu machen.230 Ein in diesen Zusammenhang in besonderen Fällen greifendes Nothilferecht zugunsten des Aufzuklärenden 231 ist abzulehnen. Dagegen spricht nicht nur, dass sich ein solches rechtsdogmatisch schwer begründen lässt, sondern auch dass es nur schwer umgesetzt werden könnte.232 Entweder müsste bei einem weniger differenzierten Ansatz regelmäßig eine Vielzahl von betroffenen Kunden informiert werden, was die gesetzlichen Weitergabeverbote letztlich aushöhlen würde, oder die Interessenwahrer wären – bei einem differenzierteren Ansatz – gezwungen, sich auf einen schmalen Grat zwischen Strafbarkeit und Schadensersatzforderungen ihrer Kunden zu begeben.233 Unter besonderen Umständen kann es jedoch erforderlich sein, dem Geschäftsherrn einen Hinweis zu geben, dass Informationen aus Rechtsgründen zurückgehalten werden müssen und er nicht aufgeklärt werden darf.234 In keinem Fall rechtfertigt die Geheimhaltungspflicht aber, dass ein Interessewahrer seinen Geschäftsherrn sehenden Auges ins Unglück laufen lässt; sofern schwerwiegende Nachteile drohen, muss er den Auftrag ablehnen.235 c) Beschränkung der Offenlegungspflicht bei angemessener Organisation Im besonderen Fall des Kapitalmarktrechts kann eine angemessene Organisation des Unternehmens zur Vermeidung von Interessenkonflikten zu einer Beschränkung der Offenlegungspflicht führen. So müssen etwa nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG Interessenkonflikte nur offengelegt werden, „soweit die organisa227 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 126; siehe insbesondere auch die Ausführungen von Assmann/Schneider/Assmann, WpHG, § 14 Rdnr. 106 ff.; dagegen Hopt, WM-Festgabe Hellner, 1994, S. 29, 31; Hopt, FS Heinsius, 1991, S. 289, 301 ff., insb. 303 (für die Rechtslage vor Erlass des WpHG). 228 Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 42; siehe auch Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 134; Buck, Wissen, S. 507. Vgl. auch Assmann, WM 1996, 1337, 1352. 229 Etwa § 38 WpHG oder auch §§ 93 Abs. 1 Satz 3, 116, 404 Abs. 1 AktG. 230 Vgl. auch Buck, Wissen, S. 507; Buck-Heeb, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 2 Rdnr. 38. 231 Siehe Heinsius, ZHR 145 (1981), 177, 194 f. 232 Assmann/Schneider/Assmann, WpHG, § 14 Rdnr. 110; Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, S. 744 f. 233 Assmann/Schneider/Assmann, WpHG, § 14 Rdnr. 110. 234 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 75; Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 136 a. E. 235 Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 137.
IV. Inhalt und Grenzen der Offenlegungspflicht
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torischen Vorkehrungen … nicht ausreichen, um nach vernünftigem Ermessen das Risiko der Beeinträchtigung von Kundeninteressen zu vermeiden“. Auch § 5 Abs. 2 FinAnV sieht für Unternehmen, die so organisiert sind, dass das Entstehen von Interessenkonflikten möglichst vermieden wird, eine Einschränkung der Offenlegungspflicht vor: Nur soweit Informationen zu Interessen und Interessenkonflikten denjenigen zugänglich sind (oder sein könnten), die auf die Finanzanalyse einwirken oder vor Veröffentlichung oder Weitergabe in sie Einblick nehmen können, müssen sie offen gelegt werden. Nicht bekannte Interessen innerhalb eines Unternehmens, etwa einer anderen Abteilung, die durch Informationsbarrieren 236 getrennt ist, müssen demnach nicht offen gelegt werden. Damit soll sichergestellt werden, dass Informationsbarrieren innerhalb des Unternehmens, die dazu dienen, die Ersteller von Finanzanalysen vor Einflussnahmen anderer zu schützen, nicht durchbrochen werden müssen, um der Offenlegungspflicht Genüge zu tun.237 Zum Verhältnis von Offenlegungs- und Organisationspflichten allgemein siehe § 8 III.6.).
5.) Abdingbarkeit der Offenlegungspflicht Da es sich bei § 666 BGB um eine dispositive Vorschrift handelt,238 können die Parteien die Benachrichtigungspflicht nach § 666 BGB grundsätzlich anders gestalten oder auch ganz abbedingen. Generell steht dem der fremdnützige Charakter des Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnisses nicht entgegen.239 Bei der Annahme eines konkludent erfolgten Verzichts ist allerdings Zurückhaltung geboten. So folgt aus einer Vereinbarung, dass der Geschäftsbesorger nach freiem Ermessen und ohne vorherige Einholung von Weisungen oder Zustimmung tätig werden darf, nicht, dass die Benachrichtigungspflicht abbedungen ist.240 Eine Freistellung kann auch nicht im Rahmen von AGB oder Formularverträgen erfolgen. Denn die Benachrichtigungspflicht folgt aus der Hierzu ausführlich § 8 III. Fuchs/Fuchs, WpHG, § 34b Rdnr. 42; KölnKommWpHG/Möllers, § 34b Rdnr. 184; Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 34b WpHG Rdnr. 24 Fn. 90. Wird jedoch eines der Regelbeispiele in § 5 Abs. 3 FinAnV erfüllt, findet § 5 Abs. 2 FinAnV keine Anwendung mehr; die erforderlichen Angaben sind daher auch vorzunehmen, wenn sie abgeschirmte Bereiche des Unternehmens betreffen, also die an der Erstellung der Finanzanalyse beteiligten Personen (eigentlich) keinen Zugang zu diesen Informationen haben. Siehe Fuchs/Fuchs, WpHG, § 34b Rdnr. 43; Hettermann/Althoff, WM 2006, 265, 269. 238 BGH WM 1984, 1164, 1165; Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 8 ; Jauernig/Mansel, BGB, § 666 Rdnr. 1; Palandt/Sprau, BGB, § 666 Rdnr. 1; Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 17; einschränkend Soergel/Beuthin, BGB, § 666 Rdnr. 14 („in zweierlei Hinsicht nicht zwingend“). 239 Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 17. 240 BGH NJW 1994, 1861, 1862; Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 8; Palandt/Sprau, BGB, § 666 Rdnr. 1; vgl. auch Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 17; a.A. Soergel/ Beuthin, BGB, § 666 Rdnr. 14. 236 237
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Fremdnützigkeit des Auftrags bzw. Geschäftsbesorgung als solcher.241 Ein Ausschluss würde daher von den wesentlichen Gedanken der Interessenwahrungsverträge abweichen und daher im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB den Vertragspartner unangemessen benachteiligen. Denn dadurch würde dem Geschäftsherrn die Kontrolle des Geschäftsbesorgers erheblich erschwert. Diese allgemeinen Erwägungen im Hinblick auf die Benachrichtigung des Geschäftsherrn können im Hinblick auf Interessenkonflikte so nicht aufrecht erhalten werden – mit Ausnahme der Argumentation hinsichtlich des Abbedingens im Rahmen von AGB. Vielmehr ist die Offenlegungspflicht im Hinblick auf die Offenlegung von Interessenkonflikten als nicht abdingbar einzustufen. Dem steht nicht entgegen, dass § 666 BGB grundsätzlich dispositiv ist. Interessenkonflikte stellen nur eine kleine Teilmenge der von § 666 BGB erfassten Informationen dar. Im Unterschied zu den anderen von § 666 BGB erfassten Informationen berühren Interessenkonflikte den Kern des Interessenwahrungsverhältnisses. Denn Interessenkonflikte gefährden die Interessen des Geschäftsherrn unmittelbar. Daher ist im Fall des Abbedingens von interessenkonfliktsbezogenen Regelungen darauf zu achten, wie weit die Interessen des Geschäftsherrn dadurch schutzlos werden. Würde er sich jeglichen Schutzes durch die Interessenwahrungspflicht begeben, würde dies – wie in § 3 dargelegt – zu einer Änderung des Charakters des jeweiligen Vertrages führen, dieser wäre kein Interessenwahrungsvertrag mehr. Im Fall der Offenlegungspflicht ist zu berücksichtigen, dass sich diese von anderen Pflichten, die die Interessenwahrungspflicht konkretisieren, insofern unterscheidet, als sie über den unmittelbaren Schutz hinaus auch eine „vorbereitende“ Funktion hat. Sie ist vielen anderen interessenkonfliktbezogenen Regelungen vorgelagert und dient zu deren besserer Durchsetzung. Denn viele Schutzvorschriften können nur dann durchgesetzt werden, wenn der Geschäftsherr Kenntnis vom Bestehen eines Interessenkonflikts hat. Ein Abbedingen der Offenlegungspflicht in Bezug auf Interessenkonflikte würde daher dazu führen, dass zahlreiche, die Interessenwahrungspflicht konkretisierende Pflichten ins Leere liefen, auch wenn diese gar nicht abbedungen worden wären. Denn Verletzungen der Interessenwahrungspflicht, insbesondere im Fall von Interessenkonflikten, sind für den Geschäftsherrn in vielen Fällen nur sehr schwer festzustellen.242 Außerdem ist zu bedenken, dass die Offenlegungspflicht den geringstmöglichen „Basis“-Schutz gewährleistet, den die Interessenwahrungspflicht gewährt. Denn sie verlagert die Verantwortung für den Schutz der Interessen des Geschäftsherrn lediglich auf diesen zurück, und es bleibt ihm überlassen, welche Maßnahmen er ergreift. Würde dem Geschäftsherrn auch dieser „Basis“-Schutz genommen, würde die Interessenwahrungspflicht nahezu vollständig entkernt. Dementsprechend Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 8 ; Löhnig, Treuhand, S. 220. Hopt, FS Doralt, 2004, S. 213, 227.
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V. Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch
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muss die Offenlegungspflicht im Hinblick auf Interessenkonflikte als nicht abdingbar eingestuft werden. Mit der grundsätzlichen Dispositivität von § 666 BGB lässt sich dies auch deshalb vereinbaren, weil diese dort enden muss, wo der allgemeine Vertragstyp – Vertrag des Interessengegensatzes, der Interessengemeinschaft sowie der Fremdinteressenwahrung – in seinem Kern verändert und dessen Typuseigenschaft als solche aufgehoben werden würde. Zudem führt eine Nichtabdingbarkeit der vertraglichen – sowie auch der organschaftlichen – Interessenwahrungspflicht zu einem Gleichlauf mit den aufsichts- und berufsrechtlich vorgeschriebenen Offenlegungspflichten sowie den Offenlegungspflichten gesetzlicher Interessenwahrer, die nicht vertraglich abbedungen werden können.
V. Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch Ergänzt wird die Offenlegungspflicht durch Auskunfts- und Rechenschaftspflichten. Der Geschäftsherr soll sich darüber informieren können, ob und wie der Interessenwahrer seine Aufgaben erfüllt hat. Daher kann er z. B. jederzeit Informationen über den Stand der Geschäfte (Auskunft) und den Umgang mit den zur Verfügung gestellten Mitteln (Rechenschaft) verlangen, vgl. § 666 Fall 2 und Fall 3 BGB.243
1.) Auskunftsanspruch Der Auskunftsanspruch nach § 666 Fall 2 BGB soll dem Geschäftsherrn ermöglichen, vom Beauftragten Informationen zu erlangen, um mit Weisungen in die Auftragsausführung eingreifen oder Dispositionen vornehmen oder seine Rechte wahren zu können, falls der Beauftrage die Geschäfte fehlerhaft ausführt.244 Inhalt und Umfang des Auskunftsanspruchs bestimmen sich nach dem für das jeweilige Interessenwahrungsverhältnis Üblichen, den Erwartungen des Geschäftsherrn und den Möglichkeiten des Interessenwahrers.245 Begrenzt wird der Auskunftsanspruch auf das Rechtsverhältnis. Der Interessenwahrer muss somit nur darüber Auskunft geben, worauf sich das jeweilige Rechtsverhältnis bezieht.246 Dann aber muss die Auskunft vollständig, richtig und nachprüfbar sein.247 243 Sie besteht – anders als die Benachrichtigungspflicht – nur auf Verlangen des Geschäfts herrn, siehe dazu Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 13; Soergel/Beuthin, BGB, § 666 Rdnr. 8 ; Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 8. 244 Soergel/Beuthin, BGB, § 666 Rdnr. 1; Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 9. 245 Vgl. etwa BGHZ 41, 318, 321; außerdem MünchKommBGB/Seiler, § 666 Rdnr. 7; Löhnig, Treuhand, S. 231. 246 MünchKommBGB/Seiler, § 666 Rdnr. 7. 247 BGH NJW 1996, 656 f.; 2008, 3055, 3058; Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 13.
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§ 7 Anzeige- und Offenlegungspflichten
Der Anspruch kann nicht gänzlich abbedungen werden. 248 Sofern Anhaltspunkte für ein treuwidriges Handeln des Interessewahrers bestehen, muss der Geschäftsherr die Möglichkeit haben nachzufragen. Nur so bleibt er in der Lage, seine Interessen angemessen zu schützen.249 Daher muss der Interessenwahrer gerade auch in den Fällen Auskunft geben, in denen er Interessen des Geschäftsherrn treuwidrig verletzt hat.250 Dieser Auskunftsanspruch gilt nicht nur für Geschäftsbesorgungsverhältnisse, § 675 Abs. 1 BGB, sondern z. B. auch für Gesellschaften, § 713 BGB, und die Testamentsvollstreckung, § 2218 Abs. 1 BGB. Darüber hinaus werden Auskunftsansprüche für weitere Interessenwahrungsverhältnisse ausdrücklich gesetzlich statuiert. Da sie sich jedoch in der Regel auf § 666 Fall 2 BGB zurückführen lassen, sind sie zumeist nur deklaratorisch.251 In manchen Fällen modifizieren sie jedoch den Auskunftsanspruch. So haben etwa die Nachlassgläubiger einen Anspruch gegen den Nachlasspfleger auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses, vgl. § 2012 Abs. 1 Satz 2 BGB (Nachlassverzeichnis). 252 Nicht zu den hier behandelten Auskunftsansprüchen gehören die in § 131 Abs. 1 AktG für Aktionäre und in § 51a Abs. 1 GmbHG für GmbH-Gesellschafter geregelten Ansprüche gegen den Vorstand bzw. die Geschäftsführer.253 Bei diesen handelt es sich nicht um Auskunftsansprüche eines Geschäftsherrn gegen den Geschäftsbesorger im Hinblick auf die Geschäftsbesorgung, sondern um mitgliedschaftliche Individualrechte der Gesellschafter gegen die Gesellschaft.254 Diese sollen die Gesellschafter in die Lage versetzen, ihre mitgliedschaftlichen Rechte wahrzunehmen.255 Bei der Auskunftserteilung handelt der Vorstand bzw. Geschäftsführer als zuständiges Organ der Gesellschaft256 und nicht für sich selbst. Außerdem bezieht sich der Auskunfts Bamberger/Roth/Fischer, BGB, § 666 Rdnr. 7. Sonst würde er sich der Willkür des Interessenwahrers aussetzen. Siehe Bamberger/ Roth/Fischer, BGB, § 666 Rdnr. 7. 250 BGHZ 109, 264; Soergel/Beuthin, BGB, § 666 Rdnr. 8. 251 Löhnig, Treuhand, S. 231 f. 252 Der Nachlasspfleger ist gesetzlicher Vertreter des (zukünftigen endgültigen) Erben (BGHZ 49, 1, 5; 94, 312, 314; MünchKommBGB/Leipold, § 1960 Rdnr. 30; Erman/Schlüter, BGB, § 1960 Rdnr. 19; Soergel/Stein, BGB, § 1960 Rdnr. 25; vgl. dazu auch Staudinger/ Marotzke, BGB, § 1960 Rdnr. 23) und hat die Aufgabe, den Nachlass sowohl für den Erben als auch für die Nachlassgläubiger zu sichern, bis die Erbschaft angenommen worden, also rechtlich ein Erbe vorhanden ist, § 1960 BGB. 253 Siehe dagegen Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 5. Für Vereinsmitglieder siehe §§ 27 Abs. 3, 666 Fall 2 BGB. 254 Lutter/Hommelhoff/Lutter, GmbHG, § 51a Rdnr. 2; MünchKommAktG/Kubis, § 131 Rdnr. 2 f.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 51a Rdnr. 1. Gleiches gilt für die Informationsansprüche nach § 118 (nicht geschäftsführender Gesellschafter), § 166 (Kommanditist), § 233 (stiller Gesellschafter) HGB. 255 MünchKommAktG/Kubis, § 131 Rdnr. 1. 256 OLG Hamm, WM 1986, 740, 741; Hüffer, AktG, § 131 Rdnr. 5 ; MünchKommAktG/ Kubis, § 131 Rdnr. 19. 248 249
V. Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch
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anspruch auf die Angelegenheiten der Gesellschaft, § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG. Zwar kann die Auskunft Rückschlüsse auf die interessenwahrende Tätigkeit der Geschäftsleitung ermöglichen, dies ist aber nicht der eigentliche Zweck.
2.) Rechenschaftsanspruch Die Rechenschaftspflicht dient regelmäßig „der vollständigen Abwicklung des Auftragsverhältnisses im Innenverhältnis zum Auftraggeber“257. Dadurch soll dem Auftraggeber ermöglicht werden, einen Überblick über die Geschäftsausführung zu gewinnen, z. B. um Herausgabeansprüche nach § 667 BGB vorzubereiten oder Ansprüche des Beauftragten nach § 670 BGB überprüfen zu können.258 Dementsprechend kann der Auftraggeber nach § 666 Fall 3 BGB vom Beauftragten verlangen, „in verkehrsüblicher Weise die wesentlichen Einzelheiten seines Handelns zur Auftragsdurchführung darzulegen und dem Auftraggeber die notwendige Übersicht über das besorgte Geschäft zu verschaffen“259. Der Rechenschaftsanspruch geht daher weiter als die Rechnungslegung nach § 259 BGB,260 die eine Mitteilung einer „geordnete[n] Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben“ verlangt.261 Wie die Auskunft muss die Rechenschaft vollständig, richtig, verständlich und nachprüfbar sein.262 Anders als der Auskunftsanspruch kann der Rechenschaftsanspruch gänzlich abbedungen werden. Denn der Auftraggeber muss nicht die Rechenschaftslegung des Beauftragten abwarten, sondern kann auch selbst die Rechnung aufmachen.263 In diesem Fall liegt es dann beim Beauftragten, sich zu rechtfertigen und Nachweise über seine Geschäftstätigkeit beizubringen.264 Der Auftraggeber ist also in der Lage, seine Interessen auch ohne eine Rechenschaftslegung des Beauftragten ausreichend zu schützen, sodass er auf den Rechenschaftsanspruch nicht angewiesen ist. Die Rechenschaftspflicht entsteht erst „nach Ausführung des Auftrags“, § 666 Fall 3 BGB, bzw. nach bestimmten Zeitabschnitten, wenn es sich um ein Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 12. Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 12. 259 BGHZ 109, 264; Soergel/Beuthin, BGB, § 666 Rdnr. 11. Auch dieser Anspruch besteht nur auf Verlangen des Auftraggebers, dazu Soergel/Beuthin, a.a.O.; Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 13. 260 BGHZ 109, 264; Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 15; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 384 Rdnr. 30; Soergel/Beuthin, BGB, § 666 Rdnr. 11; Staub/Koller, HGB, § 384 Rdnr. 100. Siehe in diesem Zusammenhang auch MünchKommBGB/Seiler, § 666 Rdnr. 10. 261 Dazu RGZ 53, 252, 254; Ehrenberg/Schmidt-Rimpler, Hdb des HandelsR, Bd. 5.1.1, S. 707; vgl. auch BGH NJW 1985, 2699. 262 RGZ 53, 252, 254; 100, 150, 152; 127, 243, 244 f.; BGH NJW 1996, 656 f.; 2008, 3055, 3058; Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 15; MünchKommBGB/Seiler, § 666 Rdnr. 8 ; Soergel/Beuthin, BGB, § 666 Rdnr. 11. 263 RG JW 1911, 95; Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 15. 264 Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 15. 257 258
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§ 7 Anzeige- und Offenlegungspflichten
länger andauerndes Interessenwahrungsverhältnis handelt.265 In einigen Fällen ist eine Rechenschaftspflicht gesetzlich geregelt, in anderen Fällen wird sie mittels ergänzender Auslegung der vertraglichen Vereinbarung entnommen. So wird etwa vom Handelsvertreter (monatliche Abrechnung) 266 und vom Kommissionär, der mit einem Kommittenten in einer dauerhaften Geschäftsbeziehung steht und nach § 384 Abs. 2 , 2. Hs. HGB zur Rechenschaft verpflichtet ist, eine periodische Abrechnung verlangt.267 Vormund, Betreuer und Pfleger (vgl. den Verweis in § 1908i Abs. 1, 1915 BGB) haben dem Vormundschaftsgericht oder einem Gegenvormund (§ 1842 BGB) jährlich Rechenschaft abzulegen.268 Soweit nicht bereits durch die periodische Rechnungslegung geschehen, haben sie gemäß § 1892 BGB dem Vormundschaftsgericht (und ggf. einem Gegenvormund oder -betreuer, vgl. § 1891 BGB) außerdem am Ende der Vormundschaft, Betreuung oder Pflegschaft Rechenschaft über die Vermögensverwaltung zu leisten. Im Fall der Testamentsvollstreckung hat der Erbe gegen den Testamentsvollstrecker einen Anspruch auf Rechenschaft, §§ 2218 Abs. 1, 666 BGB. Für eine länger269 dauernde Verwaltung wird die Regelung jedoch insofern modifiziert, als der Erbe nicht nur am Ende der Testamentsvollstreckung sondern jährlich eine Rechnungslegung verlangen kann, vgl. § 2218 Abs. 2 BGB.
VI. Zusammenfassung Ein Interessenwahrer hat Interessenkonflikte, denen er unterliegt oder die sich abzeichnen, gegenüber seinem (auch zukünftigen) Geschäftsherrn unverzüglich, vollumfänglich und wahrheitsgemäß offenzulegen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass sich jemand, der über einen Interessenkonflikt seines Vertragspartners aufgeklärt worden ist, selbst ausreichend schützen kann. Im Rahmen des Vertragsrechts hat die Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten ihre allgemeine Rechtsgrundlage in § 666 Fall 1 BGB. Aufgrund 265 BGH WM 1984, 1164, 1165; Jauernig/Mansel, BGB, § 666 Rdnr. 4 ; RGRK/Steffen, BGB, § 666 Rdnr. 8; Soergel/Beuthin, BGB, § 666 Rdnr. 11; Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 12. 266 MüchKommHGB/v.Hoyningen-Huene, § 86 Rdnr. 53. 267 Staub/Koller, HGB, § 384 Rdnr. 110; vgl. auch Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 384 Rdnr. 29; Ehrenberg/Schmidt-Rimpler, Hdb des HandelsR, Bd. 5.1.1, S. 706. Sofern regelmäßig Rechenschaft geleistet worden ist (z. B. bei Kreditinstituten in Form kontinuierlicher Kontoauszüge), kann bei Ende des Interessenwahrungsverhältnisses keine komplette Rechnungslegung verlangt werden. Vgl. BGH NJW 1985, 2699, 2700. 268 Dies umfasst einen Bericht über die persönlichen Verhältnisse des Mündels, § 1840 Abs. 1 Satz 1 BGB, und eine Rechnungslegung über die Vermögensverwaltung, § 1840 Abs. 2 –4 BGB. Die Rechnung ist vom Vormundschaftsgericht zu prüfen, vgl. § 1843 Abs. 1 BGB. 269 Über ein Jahr, vgl. Soergel/Damrau, BGB, § 2218 Rdnr. 7.
VI. Zusammenfassung
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der gesetzlichen Verweisung in § 675 Abs. 1 BGB lassen sich die Offenlegungspflichten aller geschäftsbesorgerisch tätigen vertraglichen Interessenwahrer auf diese Vorschrift zurückführen. Für einzelne Vertragstypen geltende besondere Regelungen haben daher in der Regel nur deklaratorische Bedeutung. Die Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten gilt zudem bereits im vorvertraglichen Stadium, weil mit der Aufnahme von Vertragsverhandlungen bereits Rücksichtnahme- und Fürsorgepflichten entstehen, vgl. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB. Organschaftliche Interessenwahrer sind aufgrund ihrer organschaftlichen Treuebindung zur Offenlegung von Interessenkonflikten verpflichtet. Die Vorschrift in § 27 Abs. 3 i.V.m. § 666 BGB verankert diese Offenlegungspflicht für den Vereinsvorstand im Gesetz und kann als gesetzliche Grundlage auch für den Vorstand der AG und den Geschäftsführer der GmbH herangezogen werden. Bei gesetzlichen Interessenwahrern kann eine Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten aus §§ 675, 666 BGB analog abgeleitet werden, sofern bei den einzelnen Interessenwahrungsverhältnissen nicht ohnehin durch ausdrückliche gesetzliche Regelungen Anzeige- bzw. Offenlegungspflichten statuiert werden. Voraussetzung für eine Analogie ist, dass der jeweilige Interessenwahrer „materiell“ eine Geschäftsbesorgung erbringt. Die Offenlegung hat regelmäßig ex ante zu erfolgen. Nur so kann sie ihren Zweck erfüllen, dem Geschäftsherrn den Schutz seiner Interessen (selbst) zu gewährleisten. Sie kann aber auch ex post erforderlich sein, um zumindest eine nachträgliche Interessenwahrung sicherzustellen, wenn ein Interessenkonflikt bereits zu einer Beeinträchtigung der Interessen des Geschäftsherrn geführt hat. Hinsichtlich des Adressaten der Offenlegung bestehen beim Aufsichtsrat und bei gesetzlichen Interessenwahrern Besonderheiten. Anders als in den anderen Fällen ist hier nicht der eigentliche „Geschäftsherr“ Adressat, sondern ein Dritter. Im Fall des Aufsichtsrats ist dies der Aufsichtsratsvorsitzende, unter Umständen auch das Aufsichtsratsplenum. Im Fall der gesetzlichen Interessenwahrer ist Adressat regelmäßig derjenige, der über die Bestellung und Abberufung des Interessenwahrers zu entscheiden hat, in der Regel das Gericht – im Fall des Insolvenzverwalters aber auch die Gläubigerorgane. Inhalt und Umfang der Offenlegungspflicht richten sich grundsätzlich danach, was erforderlich ist, damit der Geschäftsherr eine informierte Entscheidung hinsichtlich der Wahrung seiner Interessen treffen kann. Mit Blick auf Interessenkonflikte bedeutet dies, dass der Interessenwahrer den Konflikt grundsätzlich so darstellen muss, dass der Geschäftsherr eine ausreichende Basis für seine Entscheidung erhält. Offenzulegen sind demzufolge insbesondere Art und Herkunft des Konflikts. Von der Art und Weise her ist die Aufklärung an einem durchschnittlich verständigen Geschäftsherrn auszurichten. Eine Offenlegung ist nicht erforderlich, wenn der Konflikt offensichtlich oder für den Geschäftsherrn erkennbar ist.
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§ 7 Anzeige- und Offenlegungspflichten
Offenlegungspflichten gelten nicht unbegrenzt. Ihre Grenzen finden sie in Verschwiegenheitspflichten und gesetzlichen Verboten, wie etwa dem Verbot, Insiderinformationen weiterzugeben. Die Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten kann nicht abbedungen werden. Sie gewährleistet einen grundlegenden Schutz der Interessen des Geschäftsherrn, weil sie diesem ermöglicht, seine Interessen selbst zu wahren. Zudem stellt die Offenlegungspflicht eine vorgelagerte Pflicht für weitere Schutzvorschriften dar, die ohne eine Offenlegung weitgehend leerliefen, weil es dem Geschäftsherrn vielfach nur sehr schwer möglich ist, Pflichtverletzungen aufgrund von Interessenkonflikten festzustellen. Ohne sie würde die Interessenwahrungspflicht dementsprechend weitgehend entkernt werden. Sie ist daher ein wesentliches Merkmal von Fremdinteressenwahrungsverträgen, sodass ein Abbedingen der Offenlegungspflicht den Fremdinteressenwahrungscharakter des jeweiligen Verhältnisses unmittelbar betreffen und diesen verändern würde.
Abschnitt 2: Konfliktvermeidung
§ 8 Organisationspflichten I. Einleitung Organisationspflichten stellen besondere Konkretisierungen der Interessenwahrungspflicht bzw. des Unabhängigkeitserfordernisses im Fall von Zusammenschlüssen von Interessenwahrern oder einem Unternehmen dar, das als Interessenwahrer agiert. Sie tragen der besonderen Situation bei Unternehmen bzw. Zusammenschlüssen mehrerer Personen Rechnung. Denn aufgrund der Vielzahl von Personen, die innerhalb solcher Vereinigungen zusammenwirken, kann es im Vergleich zu einzelnen Geschäftsbesorgern zu weitergehenden, besonderen Konfliktsituationen kommen. Im Vergleich zu den übrigen konflikt vermeidenden Regelungen beschränken Organisationspflichten den Betroffenen am wenigsten in seiner Handlungsfreiheit, weil sie lediglich gewisse organisatorische Vorgaben machen, nicht aber die Übernahme der Interessenwahrung verhindern.
II. Grundsatz und rechtliche Verankerung Um in einer vergleichbaren Weise wie ein einzelner Geschäftsbesorger die Interessen der Geschäftsherren wahren zu können bzw. die Interessen der Geschäftsherren nicht in einem größeren Maß zu gefährden, müssen solche Vereinigungen ihre (interne) Struktur in einer Weise organisieren, dass die Interessen ihrer Geschäftsherren nicht mehr gefährdet werden als wenn es sich bei ihnen um eine einzelne (natürliche) Person handeln würde. Die Interessen des Geschäftsherrn dürfen also weder dadurch beeinträchtigt werden, dass im Rahmen der Vereinigung mehrere Personen zusammenwirken, noch dadurch, dass die Vereinigung auch für andere Geschäftsherren tätig wird. Um dem gerecht zu werden, verlangt die Interessenwahrungspflicht bei Vereinigungen zusätzliche Organisationsanforderungen, um mit der in diesen Fällen besonderen Gefahr von Interessenkonflikten angemessen umgehen zu können. Diese Organisationspflicht geht über die allgemeinen Grundsätze für eine angemessene und wirksame Organisation und Kontrolle hinaus, die etwa für den Vorstand einer Aktiengesellschaft aus dessen Sorgfaltspflicht, § 91 Abs. 2
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AktG, abgeleitet werden.1 Vertragsrechtlich kann die Organisationspflicht aus der Interessenwahrungspflicht des Geschäftsbesorgers abgeleitet werden. So gebietet etwa die Pflicht zur interessewahrenden Ausführung gemäß § 384 Abs. 1, 2. Hs. HGB dem Kommissionär, im Vorfeld der Auftragsausführung Beeinträchtigungen des Kommittenten aufgrund von Interessenkonflikten entgegenzuwirken.2 Vergleichbares gilt für Unternehmen bzw. Kanzleien von Wirtschaftsprüfern oder Rechtsanwälten3 sowie Ratingagenturen. Besondere Bedeutung haben Organisationspflichten im Kapitalmarktrecht erlangt.4 Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG dazu verpflichtet, ihre Aufbau- und Ablauforganisation so zu strukturieren, dass Interessenkonflikte zwischen den eigenen Interessen des Unternehmens und denen seiner Kunden, aber auch konfligierende Interessen verschiedener Kunden erkannt und Beeinträchtigungen der Kundeninteressen vermieden werden.5 Für Ratingagenturen bestimmt die Rating-Verordnung in ihrem Anhang I Abschnitt A Abs. 2 Satz 1, dass diese „auf eine Art und Weise zu organisieren [sind], die gewährleistet, dass ihre Geschäftsinteressen die Unabhängigkeit und Korrektheit der Ratingtätigkeiten nicht gefährden“. Im Fall des Abschlussprüfers ermöglichen Organisationsmaßnahmen – als geeignete Schutzmaßnahmen – die Besorgnis der Befangenheit auszuräumen, soweit sie nicht wegen §§ 319 Abs. 3, 319a Abs. 1 HGB unwiderruflich vermutet wird.6 Auch in der Abschlussprüferrichtlinie7 werden sie als „Schutzmaßnahmen“ berücksichtigt: Nach Erwägungsgrund 11 der Abschlussprüferrichtlinie umfassen „Schutzmaßnahmen zur Eindämmung oder Beseitigung“ von Interessenkonflikten „Verbote, Einschränkungen, sonstige Maßnahmen und Verfahren sowie Offenlegungspflichten“.8 Noch deutlicher regelt die Be Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 113. Scharpf, Corporate Governance, S. 12 Fn. 48. 3 Siehe dazu etwa Kilian, WM 2000, 1366; Steuber, RIW 2002, 590,594. Zu organisatorischen Maßnahmen (inkl. Chinese walls) bei Anwaltskanzleien etwa BVerfG, 1 BvR 238/01 vom 3.7.2003, Absatz-Nr. 47. 4 Vgl. etwa § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG i.V.m. § 13 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 WpDVerOV sowie § 34b Abs. 4 WpHG i.V.m. § 5a FinAnV. 5 Für Unternehmen, die Finanzanalysen erstellen oder weitergeben, enthält § 34b Abs. 5 WpHG eine gesonderte Regelung zu Organisationspflicht in Bezug auf Interessenkonflikte. 6 RegE BilReG, BT-Drs. 15/3419, S. 38; Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 10; GroßkommHGB/Habersack/Schürnbrand, 5. Aufl., § 319 Rdnr. 24; MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 24. Vgl. dazu auch Art. 22 Abs. 2 Satz 2 der Abschlussprüferrichtlinie sowie § 21 Abs. 2 Satz 3 und § 22a Abs. 2 BS WP/vBP. 7 Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABlEU Nr. L 157 v. 9.6.3006, S. 87. 8 In diesem Zusammenhang definiert § 22 Abs. 1 Satz 1 BS WP/vBP Schutzmaßnahmen als „solche Maßnahmen oder Verfahren, die geeignet sind, die Gefährdung der Unbefangenheit des Prüfers soweit abzuschwächen, dass aus Sicht eines verständigen Dritten die Gefährdung insgesamt als unwesentlich zu beurteilen ist. 1 2
III. Vertraulichkeitsbereiche (Informationsbarrieren)
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rufssatzung der Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer Organisationspflichten. In § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 BS WP/vBP werden als Schutzmaßnahmen solche organisatorischen Maßnahmen definiert, „durch die sichergestellt wird, dass Informationen aus der zusätzlichen Tätigkeit, die zu einer Befangenheit als Abschlussprüfer führen können, den für die Abschlussprüfung Verantwortlichen nicht zur Kenntnis gelangen“.
III. Vertraulichkeitsbereiche (Informationsbarrieren) Als wesentliches Element einer konfliktreduzierendenden Organisation haben sich Vertraulichkeitsbereiche etabliert. Geregelt werden sie etwa in § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG i.V.m. § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 WpDVerOV. Sie werden dort umschrieben als „Vorkehrungen zur wirksamen Verhinderung oder Kontrolle eines Informationsaustauschs zwischen Mitarbeitern, deren Tätigkeiten einen Interessenkonflikt nach sich ziehen könnten, wenn dieser Informationsaustausch Kundeninteressen beeinträchtigen könnte“.9
1.) Funktion von Informationsbarrieren Vertraulichkeitsbereiche werden regelmäßig mit Hilfe von Informationsbarrieren, sog. Chinese walls,10 errichtet. Darunter versteht man aufbau- und ablauforganisatorische Maßnahmen und Regeln einer Organisation bzw. eines Unternehmens, die verhindern sollen, dass sensible Informationen, die in einem Geschäftsbereich anfallen oder erzeugt werden, unkontrolliert an Personen gelangen, die nicht zu diesem Geschäftsbereich gehören.11 Einzelne Informationsbereiche innerhalb eines Unternehmens werden auf diese Weise voneinander Ähnlich lautet § 5a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FinAnV, der § 34b Abs. 5 WpHG konkretisiert. Der Begriff „Chinese walls“ wurde zunächst im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht geprägt. Siehe Lipton/Mazur, 50 N.Y.U.L. Rev. 459 (1975); Greenberg/Mack/ Schulte, 1980 Duke L.J. 1063, 1089 ff.; Poser, 9 Michigan YBI Legal Stud., 91, 103 ff. (1988); Poser, 16 Brook. J. Int’l L. 111, 112 ff. (1990); Steinberg/Fletcher, 47 S.M.U. L. Rev. 1783, 1806 ff. (1994); außerden Dingeldey, RIW 1983, 81, 84 f. Zur Entwicklung des Begriffs und zu Informationsbarrieren generell Hollander/Salzedo, Conflicts of Interest, Rdnr. 7–001 ff. 11 MaComp AT 6.2 Nr. 3 a; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 107; KölnKommWpHG/ Meyer/Paetzel/Will, § 33 Rdnr. 174; Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 33 Rdnr. 39; Eisele/ Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 141; Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 226, 242 f.; Buck, Wissen, S. 499; Schweizer, Insiderverbote, S. 191; Scharpf, Corporate Governance, S. 7; Tippach, Insider-Handelsverbot, S. 232; Bülow, Die Bank 1997, 290; Herzel/Colling, 34 Bus. Law. 73, 74 und 79 f. (1978); Poser, 9 Company Lawyer 119 (1988); Poser, 9 Michigan YBI Legal Stud., 91, 12 f. (1988); Steinberg/Fletcher, 47 S.M.U. L. Rev. 1783, 1803 f. (1994); Watter, SJZ 1991, 109; Eisele, WM 1993, 1021, 1024. Rechtsvergleichend zu den Funktionen von Chinese walls Scharpf, Corporate Governance, S. 43 ff. 9
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abgegrenzt und der Informationsaustausch zwischen ihnen unterbunden, das Unternehmen auf diese Weise also hinsichtlich des in ihm vorhandenen Wissens in einzelne unabhängig operierende (nicht aber rechtlich selbständige) Einheiten unterteilt.12 Dies soll verhindern, dass Mitarbeiter in anderen Geschäftsbereichen diese Informationen zum eigenen oder zum Vorteil des Unternehmens und zum Nachteil von Kunden ausnutzen oder an andere weitergeben.13 Auf diese Weise können die Gefahr, dass Interessenkonflikte zwischen Unternehmen und Kunden und zwischen verschiedenen Kunden aufgrund der vertraulichen Informationen entstehen und die möglichen Auswirkungen solcher Konflikte erheblich verringert werden.14 Denn die abgegrenzten Geschäftsbereiche agieren geschäftspolitisch unabhängig voneinander: 15 Vertrauliche Informationen dürfen nur dann ausnahmsweise weitergegeben werden, wenn dies für die Aufgabenerfüllung notwendig ist; 16 denn die geschäftspolitische Unabhängigkeit der Geschäftsbereiche bedeutet, dass Entscheidungen innerhalb eines Geschäftsbereichs fallen und dabei nur die Interessen dieses Geschäftsbereichs und seiner Kunden berücksichtigt werden dürfen, nicht aber auch diejenigen anderer Geschäftsbereiche oder von deren Kunden.17 Auf diese Weise soll gewährleistet werden, dass die einzelnen Bereiche des betroffenen Unternehmens fortlaufend arbeitsfähig sind und ihre Tätigkeit nicht von Interessenkonflikten beeinträchtigt wird.18
2.) Aufbau und Elemente von Vertraulichkeitsbereichen Zu den (möglichen) Maßnahmen, um Vertraulichkeitsbereiche bzw. Informationsbarrieren zu errichten, gehören die räumliche, die geschäftliche oder aufgabenbezogene und die gedankliche Trennung von Geschäftsbereichen sowie besondere Regeln für den Personal- und Informationsaustausch zwischen von Buck, Wissen, S. 499 f.; Tippach, Insider-Handelsverbot, S. 233; Bülow, Die Bank 1997, 290. 13 Vgl. Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 141; Scharpf, Corporate Governance, S. 7. 14 BaFin, MaComp AT 6.2 Nr. 3 a; Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 33 Rdnr. 39; Buck, Wissen, S. 501; Bülow, Die Bank 1997, 290, 291; siehe auch Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 107. Im Kapitalmarktrecht dienen Chinese walls außerdem und vor allem auch der Verhinderung von Insidertrading, siehe Bülow, Die Bank 1997, 290, 291. 15 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 114, 141a; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 111; Eisele, WM 1993, 1021, 1025; siehe auch Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 243. 16 Zum sog. wall crossing siehe § 8 III.4.). 17 Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 243; Buck, Wissen, S. 501; Jerusalem, Die Regelung der Mitarbeitergeschäfte, S. 132; Scharpf, Corporate Governance, S. 24; Eisele, WM 1993, 1021, 1025. 18 MaComp AT 6.2 Nr. 3 a; Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 33 Rdnr. 39; siehe auch Hoffmann, Rechtliche Schranken, S. 162. 12
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einander abgeschotteten Geschäftsbereichen.19 Abschottungen erfolgen auch bei Projektgruppen, die aus Experten verschiedener Geschäftsbereiche bestehen und die im Rahmen des jeweiligen Projekts mit sensiblen Informationen in Berührung kommen.20 Informationsbarrieren können sowohl ad hoc als auch dauerhaft eingerichtet werden.21 Die räumliche Trennung erfolgt etwa durch Unterbringung in getrennten Räumen, Stockwerken oder Gebäuden, die durch Zutritts-, Zugriffs- und Kommunikationsbeschränkungen flankiert werden kann.22 Im Rahmen der geschäftlichen bzw. organisatorischen Trennung von Geschäftsbereichen wird das Unternehmen in einzelne Aufgabenbereiche untergliedert.23 Dabei ist sicherzustellen, dass gespeicherte vertrauliche Informationen nicht für Personen außerhalb des jeweiligen Vertraulichkeitsbereichs zugänglich sind.24 Zu der Aufgliederung in unterschiedliche Geschäftsbereiche (primäre Informationsbarrieren) kann die Bildung von Untergruppen innerhalb eines Vertraulichkeitsbereichs hinzukommen (sekundäre Informationsbarrieren).25 Dies ist dann sinnvoll, wenn innerhalb eines Vertraulichkeitsbereichs gegenläufige Interessenlagen auftreten können.26 Diese Trennung innerhalb eines Geschäftsbereichs kann sowohl in horizontaler als auch vertikaler Hinsicht erfolgen. Eine vertikale Trennung kann etwa vorsehen, dass vertrauliche Informationen nur auf der Ebene von leitenden Angestellten ausgetauscht werden.27 Eine gesellschaftsrechtliche Trennung, bei der Unternehmensbereiche lediglich rechtlich verselbständigt werden, ohne dass sie auch räumlich und geschäftlich von der Muttergesellschaft getrennt werden, genügt demgegenüber MaComp AT 6.2 a; Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 142 ff.; Scharpf, Corporate Governance, S. 58 ff.; Lösler, Compliance, S. 84 f.; Eisele, WM 1993, 1021, 1022; Bülow, Die Bank 1997, 290. 20 Scharpf, Corporate Governance, S. 61; Schweizer, Insiderverbote, S. 190. Zu den Regelungen zum Informations- und Personalaustausch siehe nachstehend unter § 8 III.4.). 21 Scharpf, Corporate Governance, S. 61 f.; Bülow, Die Bank 1997, 290. 22 MaComp AT 6.2 Nr. 3 a; Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 33 Rdnr. 55; KölnKommWpHG/Meyer/Paetzel/Will, § 33 Rdnr. 176; Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 33 Rdnr. 40; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 109; Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 142a; Schweizer, Insiderverbote, S. 184 f.; Scharpf, Corporate Governance, S. 62 f.; Tippach, Insider-Handelsverbot, S. 233; Herzel/Colling, 34 Bus. Law. 74, 91 (1978); Steinberg/Fletcher, 47 S.M.U. L. Rev. 1783, 1804 (1994). Zur praktischen Ausgestaltung von Chinese walls Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 142 ff. 23 Etwa Trennung von Eigen- und Kundenhandel. Dazu Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 33 Rdnr. 40; Scharpf, Corporate Governance, S. 60 f. 24 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 33 Rdnr. 56; Eisele/Faust, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 142b; Scharpf, Corporate Governance, S. 62 f.; Herzel/Colling, 34 Bus. Law. 73, 89 (1978). 25 Scharpf, Corporate Governance, S. 60; Bülow, Die Bank 1997, 290. 26 Scharpf, Corporate Governance, S. 60. 27 Scharpf, Corporate Governance, S. 60 f. 19
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nicht zur Gewährleistung von Vertraulichkeit.28 Dadurch wäre die tatsächlich mögliche Kommunikation noch nicht eingeschränkt und außerdem würden die Bereiche bzw. die einzelnen Tochterunternehmen dann im Rahmen des Wertpapierdienstleistungskonzerns denselben Anforderungen unterliegen, vgl. nur § 13 Abs. 2 Satz 2 WpDVerOV.29 Daher müsste im Anschluss an eine rechtliche Verselbständigung regelmäßig noch eine tatsächliche Verselbständigung bzw. Abschottung erfolgen. Mentale oder gedankliche Informationsbarrieren sind ebenfalls ungeeignet, um Vertraulichkeit zu gewährleisten und Interessenkonflikte zu verhindern. Denn in der Regel führen vertrauliche Informationen aus einem anderen Geschäftsbereich zu einer Befangenheit des Informierten, die wiederum dazu führt, dass er in dieser Situation Interessen und Informationen nicht mehr korrekt zuordnen kann.30 Dementsprechend finden mentale Barrieren ihre Grenze in der Unzulänglichkeit des Einzelnen, der im Falle eines Konfliktes eine solche mentale Barriere regelmäßig nicht mehr aufrechterhalten kann.31 Neben der räumlichen Trennung muss des Weiteren eine personelle Trennung erfolgen.32 Es darf nicht zu personellen Überschneidungen zwischen verschiedenen Geschäftsbereichen kommen.33 Auch dürfen Mitarbeiter nicht unkontrolliert von einem Vertraulichkeitsbereich in einen anderen wechseln.34 Vielmehr müssen für solche Personalwechsel besondere Regelungen und Vorkehrungen vorgesehen werden. Dasselbe gilt für das Verfahren zum Austausch vertraulicher Informationen.35 Weitere Elemente zur Flankierung von Informationsbarrieren sind die Dokumentation der sensiblen Informationen und der jeweils involvierten Personen sowie die Verpflichtung der Mitarbeiter, die sensiblen Informationen vertraulich zu behandeln bzw. die Regeln zum Umgang mit vertraulichen Informationen einzuhalten.36 28 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 33 Rdnr. 55; Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 33 Rdnr. 40; Scharpf, Corporate Governance, S. 59. Vgl. auch Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 109 (weder notwendig noch zumutbar); Poser, 9 Michigan YBI Legal Stud., 91, 139 (1988). 29 Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 33 Rdnr. 40. 30 Krit. auch Scharpf, Corporate Governance, S. 121 f.; vgl. auch Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 142d. 31 Daher müssen Mitarbeiter geschult werden, wie sie sich mittels Offenlegung, Vermeidung oder sonstiger Maßnahmen zu verhalten haben, falls Informationsbarrieren durchbrochen werden und muss ihr Verhalten sodann überwacht werden. Siehe Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 142d; Scharpf, Corporate Governance, S. 64 f. 32 Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 33 Rdnr. 40. 33 Scharpf, Corporate Governance, S. 61. 34 Tippach, Insider-Handelsverbot, S. 233; auch Herzel/Colling, 34 Bus. Law. 73, 90 (1978). Vgl. außerdem KölnKommWpHG/Meyer/Paetzel/Will, § 33 Rdnr. 176. 35 Zu diesen Regelungen und Vorkehrungen siehe nachstehend unter „Wall crossing“, § 8 III.4.). 36 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 137.
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3.) Keine Informationsbarrieren auf der Ebene der Geschäftsleitung Fraglich ist, ob Informationsbarrieren bis in die oberste Führungsebene reichen müssen oder ob die Geschäftsleitung davon ausgenommen sein muss.37 Für eine Etablierung von Informationsbarrieren auf der Geschäftsleitungsebene spricht, dass auf diese Weise die Vertraulichkeit umfänglich gesichert und In teressenkonflikte so sicher wie möglich vermieden werden können. Die Mitglieder der Geschäftsleitung verfügen aufgrund ihrer Stellung innerhalb des Unternehmens – bei ihnen laufen nahezu alle im Unternehmen vorhandenen Informationen zusammen – über zahlreiche vertrauliche Informationen und kommen daher leicht in Konfliktsituationen.38 Zwar untersagt ihnen ihre Treuepflicht, Informationen, die sie aufgrund ihrer Organstellung erlangt haben, zum eigenen Vorteil und zum Nachteil des Unternehmens auszunutzen.39 Aber dennoch wird verschiedentlich eine organisatorische Absicherung dieser Pflicht mittels Vertraulichkeitsbereichen für erforderlich gehalten, zumal der Vorstand die Beschränkungen für die Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen mittels eines entsprechenden Beschlusses lockern kann.40 Hinzukomme, dass andernfalls eine Wissenszurechnung erfolgen würde und die Informationsbarrieren nicht mehr glaubwürdig wären.41 Andererseits geraten Informationsbarrieren auf der Ebene der Geschäftsleitung in Konflikt mit der Gesamtverantwortung der Geschäftsleitung für unternehmerische Entscheidungen und dem Erfordernis von Kollegialentscheidungen.42 Denn um eine informierte und abgewogene Entscheidung treffen zu können, muss jedem Mitglied der Geschäftsleitung die vorherige umfassende Information bezüglich einer Beschlusslage möglich sein.43 Auch sind die Mitglieder eines Leitungsorgans zur gegenseitigen Überwachung verpflichtet. Diese aber wäre im Fall einer Trennung mittels Informationsbarrieren sehr schwie37 Für Informationsschranken auf Geschäftsleitungsebene etwa Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 148; a.A. z. B. Lösler, Compliance, S. 87 ff.; Dingeldey, RIW 1983, 81, 85. Für die Schweiz lehnt das Schweizer BG Chinese walls auf Geschäftsleitungsebene ab, siehe BG 2A.230/1999 v. 2.2.2000 Erw.5.d.; dem folgend Abegglen, Wissenszurechnung, S. 379 f. 38 Dazu Scharpf, Corporate Governance, S. 109; Schweizer, Insiderverbote, S. 185. Dies gilt ebenfalls für den Aufsichtsrat, der regelmäßig mit vertraulichen Informationen in Berührung kommt. Siehe Scharpf, Corporate Governance, S. 110. 39 Im Zusammenhang mit Insiderrecht vgl. z. B. Hopt, ZGR 1991, 17, 67. 40 Lösler, Compliance, S. 88. 41 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 148. 42 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 118; Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 33 Rdnr. 41; Lösler, Compliance, S. 90; Scharpf, Corporate Governance, S. 118 f., 128; Schweizer, Insiderverbote, S. 185. Gegen Chinese walls auf der Ebene der Geschäftsleitung im Schweizer Recht BG 2A.230/1999 v. 2.2.2000 Erw.5.d.aa) allerdings nur hinsichtlich solcher Informationen, die für das Unternehmen bzw. die Unternehmensgruppe ein Reputationsrisiko darstellen; der Schutz der Reputation wird in diesem Fall über das Interesse am Schutz des Bankgeheimnisses gestellt. Siehe Abegglen, Wissenszurechnung, S. 374. 43 Vgl. Scharpf, Corporate Governance, S. 128.
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rig, wenn nicht sogar im Einzelfall unmöglich.44 Informationsbarrieren, die Vorstandsmitglieder und deren jeweilige Zuständigkeitsbereiche voneinander separieren (vertikale Separierung),45 werden daher verbreitet abgelehnt. Erwogen werden dagegen Informationsbarrieren, die das Geschäftsführungsorgan als Ganzes abschirmen (horizontale Separierung): Danach sollen sich die Mitglieder der Geschäftsleitung nicht mit Fragen des Tagesgeschäfts befassen, sondern diese auf untergeordnete Ebenen delegieren; und sofern sie konfliktverursachende Informationen erhalten, dürfen sie diese nicht an ihre nachgeordneten Mitarbeiter weitergeben.46 Begründet wird dies damit, dass auch für die Geschäftsleitung der Grundsatz der Erforderlichkeit („need to know-Prinzip“) gelten müsse.47 Alle Geschäftsführungsmitglieder einzubinden, sei nur dann erforderlich und zulässig, wenn die Transaktion selbst nach Art und Umfang das Gesamtunternehmen betreffe sowie wenn die Überwachungsfunktion eine Einbindung des Gesamtvorstands erfordere.48 Eine solche Abtrennung der Geschäftsleitung von den nachgeordneten Ebenen berücksichtigt allerdings nicht die Pflicht der Geschäftsleitung zur sorgfältigen Unternehmensleitung. Diese verpflichtet die Geschäftsleitung auch dazu, das Unternehmen so zu organisieren, dass sie jederzeit einen Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Gesellschaft und ihres Unternehmens hat.49 Dann aber muss sie in alle Bereiche Einsicht nehmen können und darf nicht von ihnen durch Informationsbarrieren getrennt sein. Außerdem ist sie auf die Informationen aus den Geschäftsbereichen angewiesen, um die Unternehmensstrategie zu entwerfen.50 Sofern die Zuständigkeiten im Geschäftsleitungsorgan nach Ressorts verteilt sind, wandelt sich die gesellschaftsrechtliche Gesamtverantwortung der Organ mitglieder hinsichtlich der anderen Ressorts von einer Leitungs- in eine Kon trollverantwortung.51 Die Mitglieder eines Geschäftsführungsorgans müssen daher auch im Fall einer Ressortverteilung die Geschäftsbereiche im Blick haben, für die sie nach der Geschäftsverteilung nicht primär zuständig sind.52 Eine horizontale Separierung lässt sich damit nicht vereinbaren. Delegieren sie Verantwortung auf nachgeordnete Stellen, wandelt sich ihre Leitungspflicht in eine Pflicht zur Überwachung der Entscheidungen dieser nachgeordneten Vgl. auch Scharpf, Corporate Governance, S. 126. Siehe dazu Scharpf, Corporate Governance, S. 120 ff. 46 Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 33 Rdnr. 41; Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 148; Scharpf, Corporate Governance, S. 129 f.; Schweizer, Insiderverbote, S. 186 f.; vgl. auch Herzel/Colling, 34 Bus. Law. 73, 93 (1978); krit. dazu Lösler, Compliance, S. 90 f. 47 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 148. 48 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 148a. 49 BGH GmbHR 1995, 299; Lösler, Compliance, S. 91. 50 Lösler, Compliance, S. 91. 51 Lösler, Compliance, S. 90, 172 ff., insb. 176. 52 Lösler, Compliance, S. 90. 44 45
III. Vertraulichkeitsbereiche (Informationsbarrieren)
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Stellen; denn eine Delegierung hebt die Verantwortung des zuständigen Geschäftsleitungsmitglieds für das Geschehen in seinem Verantwortungsbereich nicht auf.53 Damit aber lässt sich eine vertikale Separierung nicht in Einklang bringen. Im Schweizer Aufsichtsrecht, wo Informationsbarrieren ebenfalls als grundsätzlich geeignet angesehen werden, um Informationsflüsse zwischen verschiedenen Abteilungen zu begrenzen,54 wird nicht verlangt, dass sie für die (oberste) Geschäftsleitung eingerichtet werden.55 Begründet wird dies damit, dass die Geschäftsleitung grundsätzlich alle Informationen erhalten müsse, die für das Unternehmen von Bedeutung sind. In dem Fall, dass es dadurch zu einem Interessenkonflikt komme, dürften die Geschäftsleiter nicht mehr selbst handeln oder mittels Weisungen auf die Tätigkeit abgeschotteter Abteilungen Einfluss nehmen; sofern dies gesichert sei, könnten Informationsbarrieren auf nachgeordneten Ebenen rechtlich anerkannt werden.56 Diese Lösung bietet sich auch für Deutschland als vermittelnde Lösung an. Damit ist sichergestellt, dass die Geschäftsleitung alle Informationen enthält und eine entsprechende Unternehmensstrategie entwerfen kann. Gleichzeitig kann sie aber die ihr zugegangenen vertraulichen Informationen nicht zum eigenen oder fremden Nutzen und zum Nachteil eines Kunden ausnutzen. Um eine wirksame Informationsbarriere zu errichten, muss daher sichergestellt werden, dass die Geschäftsleitung die vertraulichen Informationen nicht an andere Bereiche weiterleitet oder aufgrund dieser Informationen auf den abgeschotteten Bereich oder andere Bereiche einwirkt.
4.) Wall crossing Da arbeitsteilig organisierte Unternehmen auf effiziente Informationsstrukturen angewiesen sind und komplexe Geschäftsvorgänge die Beteiligung verschiedener Geschäftsbereiche notwendig machen können, kann es erforderlich werden, dass Mitarbeiter von einem Vertraulichkeitsbereich in einen anderen wechseln und/oder in einem Unternehmen auch einmal abteilungsübergreifend zusammengearbeitet wird.57 In solchen Fällen müssen Informationsbarrieren
Lösler, Compliance, S. 90. BG 2A.230/1999 v. 2.2.2000 Erw. 5. Siehe dazu auch Abegglen, Wissenszurechnung, S. 379 ff. 55 BG 2A.230/1999 v. 2.2.2000 Erw. 5.d.aa). 56 Abegglen, Wissenszurechnung, S. 379 f. 57 MaComp AT 6.2 Nr. 3 b; Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 33 Rdnr. 61; KölnKommWpHG/Meyer/Paetzel/Will, § 33 Rdnr. 177; Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 33 Rdnr. 43; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 112; Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 244; Schweizer, Insiderverbote, S. 188 f.; Scharpf, Corporate Governance, S. 79. 53
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in gewissem Umfang durchlässig sein.58 Der Informationsaustausch und die vorübergehende Einbeziehung von Personen aus anderen Geschäftsbereichen (sog. Wall crossing) müssen dann allerdings kontrolliert und gesteuert erfolgen.59 a.) Informationsaustausch Hinsichtlich des Austauschs von Informationen ist zu differenzieren. Öffentlich bekannte Informationen dürfen zwischen den abgeschotteten Geschäftsbereichen stets uneingeschränkt ausgetauscht werden.60 Deren Weitergabe muss sogar gewährleistet sein. 61 Denn nur so können alle Mitarbeiter die Informationspflichten erfüllen, die ihnen bzw. dem Unternehmen gegenüber den Kunden bzw. Mandanten obliegen – z. B. aus § 31 Abs. 3 bis 5 WpHG.62 Ebenfalls weitergegeben werden dürfen allgemeine Produkt- und Geschäftsbereichsinformationen.63 Zulässig ist eine Informationsweitergabe an andere Geschäftsbereiche schließlich auch dann, wenn sie Kunden betrifft und die betroffenen Kunden der Weitergabe zugestimmt haben.64 Bei sensiblen Informationen muss der Austausch hingegen auf die absolut erforderlichen Informationen begrenzt werden (sog. need to know-Prinzip). 65 Außerdem sind besondere Verfahren für den Informationsaustausch vorzusehen. Dabei müssen die am Informationsaustausch Beteiligten in der Hierarchie möglichst weit oben („supra Chinese wall“) stehen.66 Dies verhindert, dass schon die Person des Anfragenden und dessen Bedarf an Informationen Rückschlüsse auf geheim zu haltende Vorgänge in dessen Geschäftsbereich ermöglichen.67 Eine „supra Chinese wall“-Stellung hat eine Person dann, wenn sie aufgrund ihrer organisatorischen Stellung im Unternehmen vertrauliche Informationen aus verschiedenen voneinander durch Informationsbarrieren ge58 MaComp AT 6.2 Nr. 3 b; Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 33 Rdnr. 43; Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 244; Bülow, Die Bank 1997, 290, 291 f. 59 In der Regel geschieht dies durch Personen mit einem sog. „Supra Chinese Wall Status“, also für gewöhnlich durch die Geschäftsführung. Siehe Eisele/Faust, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 147. 60 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 33 Rdnr. 60; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 114; Bülow, Die Bank 1997, 290, 292. Ggf. ist der Rat der Bereichsleitung oder der Complianceabteilung einzuholen, um sicherzugehen, dass es sich um eine öffentlich bekannte Information handelt. 61 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 146. 62 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 114. 63 Bülow, Die Bank 1997, 290, 292. 64 Bülow, Die Bank 1997, 290, 292. Vgl. dazu auch Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 33 Rdnr. 62. 65 MaComp AT 6.2 Nr. 3 b; KölnKommWpHG/Meyer/Paetzel/Will, § 33 Rdnr. 177; Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 33 Rdnr. 43; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 113; Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 244. Dazu auch Scharpf, Corporate Governance, S. 82 ff. 66 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 33 Rdnr. 63; Bülow, Die Bank 1997, 290, 292. 67 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 115; Schweizer, Insiderverbote, S. 188.
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trennten Bereichen erhalten kann.68 Dies gilt insbesondere für die Geschäftsleitung und die Mitarbeiter der Complianceabteilung, aber auch die Bereichsleiter der betroffenen Geschäftsbereiche.69 Erfolgt über diese Personen der Informationsaustausch, dürfen sie nicht selbst operativ tätig sein und die mit der vertraulichen Information in Zusammenhang stehenden Geschäfte beeinflussen können; außerdem sind sie auch innerhalb ihres eigenen Geschäftsbereichs zu Stillschweigen verpflichtet und dürfen Informationen aus anderen Vertraulichkeitsbereichen nicht unbefugt an Mitarbeiter des eigenen Zuständigkeitsbereichs weitergeben oder gar für andere Geschäfte nutzen.70 Zur weiteren Absicherung sind besondere Abstimmungs- und Meldepflichten vorzusehen, um das Konfliktpotential abschätzen und die Informationsbarrieren besser überwachen zu können: 71 Jede Weitergabe von Informationen aus dem Vertraulichkeitsbereich (oder ein Mitarbeiterwechsel, dazu sogleich) ist mit dem für die Compliance Verantwortlichen und dem Management bzw. dem Leiter des Vertraulichkeitsbereichs abzustimmen und zu dokumentieren.72 b.) Personalwechsel Personalwechsel in oder aus abgeschotteten Bereichen können eine größere Signalwirkung haben als ein Informationsaustausch.73 Daher sollte ein Informationsaustausch einem Personalwechsel, wenn möglich, vorgezogen werden. Wird ein Personalwechsel in einen anderen Geschäftsbereich vorgenommen, sollte dieser erst dann erfolgen, wenn der Betreffende nicht mehr im Besitz sensibler Informationen ist74 bzw. die ihm bekannten Informationen nicht mehr vertraulich behandelt werden müssen. Vorab ist daher die Erlaubnis der Complianceabteilung einzuholen.75 Der hinzuzuziehende Mitarbeiter ist über seine Pflichten im Rahmen des Wall crossings zu unterrichten.76 Nach seinem Wechsel sollte er nur die unmittelbar mit dem geplanten Vorhaben zusammenhängenden Informationen erhalten.77 Außerdem ist er mittels sekundärer Informationsbarrieren von für ihn nicht relevanten vertraulichen Informationen Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 147a. Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 147a, einschränkend aber Rdnr. 148 f.; Bülow, Die Bank 1997, 290, 293. 70 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 147a. 71 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 146. 72 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 33 Rdnr. 63; Eisele/Faust, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 147; Scharpf, Corporate Governance, S. 89. Siehe auch Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 114. 73 Scharpf, Corporate Governance, S. 91. 74 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 33 Rdnr. 57; Scharpf, Corporate Governance, S. 61. 75 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 116. 76 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 116; Schweizer, Insiderverbote, S. 189. 77 Scharpf, Corporate Governance, S. 91. 68 69
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abzuschotten.78 Zugleich darf er, solange er an dem vertraulichen Projekt mitarbeitet, keinen Kontakt zu seinem bisherigen Geschäftsbereich haben und muss sich verpflichten, hinsichtlich der erhaltenen vertraulichen Informationen Stillschweigen zu bewahren.79 Kehrt der Mitarbeiter in den eigenen (bzw. früheren) Geschäftsbereich zu einem Zeitpunkt zurück, in dem die erhaltenen Informationen noch vertraulich zu behandeln sind, wird er seine Tätigkeit unter Umständen nur begrenzt ausüben können; auch ist er weiterhin zu strikter Verschwiegenheit gegenüber den anderen Mitarbeitern in seinem angestammten verpflichtet.80
5.) Zivilrechtliche Bedeutung von Informationsbarrieren Mit der aufsichtsrechtlichen Anerkennung81 und Verpflichtung zur Einrichtung von Informationsbarrieren ergibt sich die Frage, ob Informationsbarrieren auch zivilrechtliche Folgen haben. Insbesondere ist von Bedeutung, ob Informationsbarrieren die Wissenszurechnung in einem Unternehmen unterbrechen können. Denn ist das der Fall, hat dies Auswirkungen auf die Offenlegungs- und Aufklärungspflichten von interessenwahrend tätigen Unternehmen. Bei ihnen kommt es zu einem Konflikt zwischen den Interessen von Geschäftsherren an einer bestmöglichen Aufklärung und den Interessen anderer Geschäftsherren und des Unternehmens selbst an einer Geheimhaltung bestimmter Informationen. a.) Wissenszurechnung Aufgrund der immer stärkeren Arbeitsteilung und der damit einhergehenden zunehmenden Aufteilung und Verlagerung von Wissen erhält die Wissenszurechnung immer größere Bedeutung.82 Leitgedanke der Wissenszurechnung ist, dass eine arbeitsteilige Unternehmensorganisation nicht dazu führen darf, dass Dritte bzw. der Rechtsverkehr schlechter – oder besser – gestellt werden, Scharpf, Corporate Governance, S. 91; Schweizer, Insiderverbote, S. 189. Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 116; siehe auch Schweizer, Insiderverbote, S. 189. Siehe auch Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 33 Rdnr. 43. 80 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 116; Scharpf, Corporate Governance, S. 91 f.; siehe auch Bülow, Die Bank 1997, 290, 292. 81 In Deutschland durch § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3WpHG, § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 WpDVerOV, in der Schweiz durch BG 2A.230/1999 v. 2.2.2000. 82 Zur Wissenszurechnung etwa Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 125 Rdnr. 4; Buck, Wissen, insb. S. 104 ff.; Faßbender, Innerbetriebliches Wissen, S. 4 4 ff.; Schilken, Wissenszurechnung; Schüler, Wissenszurechnung; Tippach, Insider-Handelsverbot, S. 254 ff.; Siol, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 43 Rdnr. 22 ff.; Drexl, ZHR 161 (1997), 491; Faßbender/Neuhaus, WM 2002, 1253; Buck-Heeb, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 2 ; Grunewald, FS Beusch, 1993, S. 301; Nobbe, in: Bankrechtstag 2002, S. 121 ff.; Scheuch, GmbHR 1996, 828; Schröter, Bankrechtstag 2002, S. 163; Schultz, NJW 1990, 477; Waltermann, AcP 192 (1992), 181. 78
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als wenn sie nur einer einzigen natürlichen Person gegenüberstünden.83 Wer seine Arbeitskraft vervielfacht, soll durch die damit verbundene Wissensaufspaltung nicht begünstigt werden.84 Außerdem muss er das damit verbundene Risiko tragen.85 Andererseits darf er aber auch nicht schlechter gestellt werden, als er ohne die Vervielfachung seiner Arbeitskraft stünde.86 (i) Organmitglieder Im Fall von Organmitgliedern wurde insbesondere in der Rechtsprechung lange Zeit eine absolute Wissenszurechnung vertreten. Danach wurde einer juristischen Person das Wissen aller ihrer vertretungsberechtigten Organmitglieder zugerechnet, unabhängig davon, ob diese an dem betreffenden Rechtsgeschäft mitgewirkt bzw. davon gewusst hatten oder nicht.87 Von dieser absoluten Wissenstheorie und der damit verbundenen starren Zurechnung hat sich die Rechtsprechung – jedenfalls in Teilen – mittlerweile gelöst und sich einer stärker wertenden Beurteilung geöffnet.88 Abgestellt wird nunmehr verbreitet auf die Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation des Wissens innerhalb des Unternehmens bzw. der internen Kommunikation.89 Eine Wissenszurechnung erfolgt danach nur dann, wenn das wissende Organmitglied die juristische Per83 BGHZ 109, 327, 332; 117, 104, 108; 132, 30, 35; 135, 202, 205; BGH NJW 1999, 3777, 3778; 2001, 359, 360; Drexl, ZHR 161 (1997), 491, 505; Scheuch, GmbHR 1996, 828, 830; Waltermann, AcP 192 (1992), 181, 207 f.; krit. zu diesem Argument Faßbender/ Neuhaus, WM 2002, 1253, 1258. 84 BGHZ 117, 104, 108; Palandt/Ellenberger, BGB, § 166 Rdnr. 8; vgl. auch Richardi, AcP 169 (1969), 385, 389, 402; Schultz, NJW 1990, 477, 480; Waltermann, AcP 192 (1992), 181, 197 f. 85 Drexl, ZHR 161 (1997), 491, 505; Scheuch, GmbHR 1996, 828, 830. 86 BGHZ 135, 202, 205; Lösler, Compliance, S. 99. Deshalb bedarf es einer Gleichstellung mit natürlichen Personen, was auch zu einer Begrenzung der Zurechnung führt. Damit muss auch für eine juristische Person bzw. eine Organisation ein „Vergessen“ von Informationen möglich sein. Siehe Drexl, ZHR 161 (1997), 491, 505; Scheuch, GmbHR 1996, 828, 830. 87 Z. B. RG JW 1935, 2044; BGHZ 41, 282, 287; 109, 327, 330 f.; BGH WM 1955, 830, 832; WM 1959, 81; NJW-RR 1990, 1330, 1332; ebenso etwa RGRK/Steffen, BGB, § 166 Rdnr. 5 ; Richardi, AcP 169 (1969), 385, 388; ausführlich dazu Buck, Wissen, S. 208 ff.; außerdem Nobbe, in: Bankrechtstag 2002, S. 121, 126 ff. 88 Die Frage der Wissenszurechnung könne nicht mit „logisch-begrifflicher Stringenz“, sondern nur in wertender Beurteilung beantwortet werden. Siehe BGHZ 109, 327, 331; 132, 30, 35. Für eine wertende Zurechnung in der Literatur etwa Flume, AT BGB I/2, § 11 IV (S. 398 ff., insb. 403 ff.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 V 2 (S. 285 ff.). Vgl. dazu auch die krit. Würdigung von Waltermann, AcP 192 (1992), 181, 218 ff. 89 BGHZ 132, 30, 37; BGH NJW 1999, 3777, 3778; 2001, 359, 360; 2001, 2535, 2536; Grunewald, FS Beusch, 1993, S. 301 ff. Siehe außerdem Buck-Heeb, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 2 Rdnr. 9; Drexl, ZHR 161 (1997), 491, 503 ff.; Lösler, Compliance, S. 102 ff.; Nobbe, in: Bankrechtstag 2002, S. 121, 132 ff.; Scheuch, GmbHR 1996, 828, 831 f.; Taupitz, JZ 1996, 734 ff.; siehe auch Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 124. Zu einer (allerdings aufsichtsrechtlichen) konfliktbewältigenden Wissensorganisationspflicht zur Verhinderung von Benachteiligungen von Kunden im Fall von Interessenkonflikten in der Schweiz BG 2A.230/1999 v. 2.2.2000 Erw.5.b).
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son bei dem jeweiligen Geschäft vertritt oder daran in sonstiger Weise ähnlich einem Wissensvertreter beteiligt ist oder wenn der Schutz des Rechtsverkehrs dies gebietet und die daran anknüpfende Pflicht zur ordnungsgemäßen Orga nisation des Wissens innerhalb des Unternehmens bzw. der internen Kom munikation eine Weiterleitung dieses Wissens erfordert.90 Bei der in diesem Zusammenhang notwendigen Wertung ist zu berücksichtigen, dass die Aufspaltung von Geschäftsführungsfunktionen die Vertragspartner nicht benachteiligen darf, andererseits aber der Schutz des Rechtsverkehrs es auch erfordern muss, dass das dokumentierte Wissen von dem Handelnden berücksichtigt wird.91 Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation von Wissen konkretisiert sich in eine Informationsweiterleitungspflicht und eine Informationsabfragepflicht: 92 Danach muss zum einen dafür gesorgt werden, dass Informationen innerhalb eines Unternehmens an diejenigen weitergeleitet werden, für die sie – für die jeweils Wissenden erkennbar – bedeutsam sind (Informationsweiterleitungspflicht). Zum anderen ist zu gewährleisten, dass diejenigen, für die Informationen relevant sind, die erkennbar an einer anderen Stelle im Unternehmen verfügbar sind, diese Informationen abfragen (Informationsabfragepflicht). Verstößt eine juristische Person gegen diese Pflicht, so wird sie so behandelt, als ob sie das fragliche Wissen im entscheidenden Zeitpunkt tatsächlich zur Verfügung gehabt hätte.93 (ii) Mitarbeiter Bei der Zurechnung des Wissens von Mitarbeitern wurde lange Zeit § 166 Abs. 1 BGB analog angewendet bzw. auf den darin zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken abgestellt.94 Nunmehr misst die neuere Rechtsprechung auch in Bezug auf Mitarbeiter der Wissensorganisationspflicht eines Unternehmens (im Rahmen einer wertenden Analogie zu § 166 BGB) wesentliche Bedeutung zu: Entscheidend soll sein, ob der Rechtsverkehr annehmen durfte, dass die fragliche Information intern gespeichert und damit typischer Zusammenfassend Nobbe, in: Bankrechtstag 2002, S. 121, 132. Nobbe, in: Bankrechtstag 2002, S. 121, 132. 92 Bspw. BGHZ 132, 30, 37; 135, 202, 205; Taupitz, JZ 1996, 734, 736. Zu diesen Pflichten siehe auch z. B. Erman/Maier-Reimer, BGB, § 166 Rdnr. 18 ff.; MünchKommBGB/ Schramm, § 166 Rdnr. 20, 24 ff.; Soergel/Leptien, § 166 Rdnr. 9 ; Staudinger/Schilken, BGB § 166 Rdnr. 6 ; Bork, AT BGB, Rdnr. 1671 f.; Buck-Heeb, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 2 Rdnr. 18 ff. 93 Lösler, Compliance, S. 105. 94 Vgl. dazu BGHZ 55, 307, 311; 83, 293, 296; 106, 163, 167. Bzgl. „Wissensvertreter“ etwa BGHZ 117, 104, 106 f.; zur Wissensvertretung ausführlich Richardi, AcP 169 (1969), 385, 386 ff. Zur Rechtsprechung über die Zurechnung von Mitarbeiterwissen z. B. BuckHeeb, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 2 Rdnr. 11 ff. m.w.N.; Nobbe, in: Bankrechtstag 2002, S. 121, 140 ff. Für eine kritische dogmatische Aufarbeitung dieses Ansatzes Waltermann, AcP 192 (1992), 181, 191 ff. 90 91
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weise aktenmäßig festgehalten wird.95 Gerechtfertigt wird dies damit, dass bei Vertragsverhandlungen von einem Vertreter eines arbeitsteilig organisierten Unternehmens berechtigterweise erwartet werden kann, dass er die für die Verhandlungen bedeutsamen Tatsachen, die in Akten oder Speichern des Unternehmens festgehalten werden, kennt.96 Andernfalls könnten sich arbeitsteilig organisierte Unternehmen durch „organisierte Ahnungslosigkeit“ ihrer Mitarbeiter der Verantwortung für ihr Wissen entziehen und auf diese Weise besondere Vorteile erlangen.97 (iii) Gesellschafter von Personengesellschaften Auch im Zusammenhang mit Personengesellschaften stellt die neuere Rechtsprechung nunmehr auf die Wissensorganisationspflicht ab, behandelt diese also nach denselben Grundsätzen wie juristische Personen.98 Denn die Gefahr, dass ein Vertragspartner aufgrund einer arbeitsteiligen Strukturierung und der Aufspaltung von Zuständigkeiten benachteiligt wird, besteht unabhängig davon, welche Organisationsform ein Unternehmen hat.99 Für die Wissenszurechnung bei arbeitsteilig organisierten Unternehmen ist es daher irrelevant, ob es sich um eine juristische Person oder um eine Gesamthandsgemeinschaft handelt.100 Daher wird die Wissenszurechnung auch nicht mit der Organstellung oder einer vergleichbaren Stellung des Wissensvermittlers begründet, sondern mit dem Verkehrsschutz und der daran anknüpfenden Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation der gesellschaftsinternen Kommunikation.101 b.) Folgerungen für die Wirksamkeit von Informationsbarrieren (i) Äußere Grenzen für die Wissenszurechnung – Umsetzung von Weitergabeverboten Für die Wirksamkeit von Informationsbarrieren im Hinblick auf die Wissenszurechnung können zunächst die jeweils äußeren Grenzen bestimmt werden. 95 Etwa BGHZ 132, 30, 35 f.; 135, 202, 205; BGH NJW 2001, 2535, 2536. Dazu BuckHeeb, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 2 Rdnr. 14; Nobbe, in: Bankrechtstag 2002, S. 121, 148 ff. 96 Grunewald, FS Beusch, 1993, S. 301, 304; Nobbe, in: Bankrechtstag 2002, S. 121, 153; a.A. Faßbender/Neuhaus, WM 2002, 1253, 1258. 97 Nobbe, in: Bankrechtstag 2002, S. 121, 153. 98 BGHZ 140, 54, 61 f.; BGH WM 2000, 2515, 2516; MünchKommBGB/Schramm, § 166 Rdnr. 21; Nobbe, in: Bankrechtstag 2002, S. 121, 136 f.; siehe auch Grunewald, FS Beusch, 1993, S. 301, 319. 99 Scheuch, GmbHR 1996, 828, 831. Vgl. dazu auch BGH WM 2000, 2515, 2516. 100 Nobbe, in: Bankrechtstag 2002, S. 121, 137 f.; siehe auch Grunewald, FS Beusch, 1993, S. 301, 319; a.A. Reischl, JuS 1997, 783, 787. 101 BGH V ZR 149/98, Urt. Umdruck S. 5, unveröffentlichtes Urteil v. 8.10.1999 zitiert nach Nobbe, in: Bankrechtstag 2002, S. 121, 136.
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Auf der einen Seite kann eine Wissenszurechnung jedenfalls dann nicht möglich sein, wenn es dem Unternehmen gesetzlich verboten ist, die jeweiligen Informationen betriebsintern weiterzuleiten.102 Die gesetzlichen Weitergabeverbote, wie z. B. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, wären hinfällig, wenn alle Abteilungen ohnehin das entsprechende Wissen zugerechnet bekommen würden.103 Auch bei Verschwiegenheitspflichten von Organmitgliedern, die zugleich in anderen Gesellschaften tätig sind, muss eine Wissenszurechnung zu den anderen Gesellschaften ausscheiden – das gilt insbesondere dann, wenn sie, wie etwa beim Vorstand und Aufsichtsrat, strafbewehrt sind (vgl. §§ 93 Abs. 1 Satz 3, 116, § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG). 104 Gleiches gilt für datenschutzrechtliche Bestimmungen.105 Denn die rechtliche Pflicht zur innerbetrieblichen Wissensorganisation kann nicht zu einem unrechtmäßigen Wissensaustausch verpflichten.106 Im Verhältnis zur Aufklärungspflicht ist außerdem zu beachten, dass ein gesetzlich angeordnetes Weiterleitungs- bzw. Schweigegebot, wie etwa im Fall von Insiderinformationen, den vertraglichen Aufklärungs- und Warnpflichten sowie der Interessenwahrungspflicht gegenüber dem Vertragspartner vorgeht.107 Entsprechend müssen Informationsbarrieren auch eine Wissenszurechnung zwischen den voneinander abgeschotteten Vertraulichkeitsbereichen verhindern können, wenn sie dazu dienen, gesetzliche Vorgaben, Informationsweitergabeverbote oder datenschutzrechtliche Regelungen zu erfüllen.108 Verhindern sie aber eine Wissenszurechnung, kann es innerhalb des Unternehmens auch zu keinem Interessenknflikt kommen, weil das konfligierenden Eigenbzw. Fremdinteresse dem jeweiligen für das Unternehmen handelnden Mitarbeiter nicht bekannt ist und auch nicht bekannt sein muss. (ii) Anerkennung von Informationsbarrieren in Bezug auf Interessenkonflikte im Rahmen des kapitalmarktrechtlichen Aufsichtsrechts Viele Informationen, die in Unternehmen anfallen, unterliegen jedoch keinem ausdrücklichen gesetzlichen Weiterleitungsverbot, dennoch müssen daraus entstehende Interessenkonflikte von den Unternehmen im Rahmen ihrer Organisation gelöst werden.109 Klare Vorgaben enthält in diesem Zusammenhang das WpHG. Für den Wertpapierhandel sieht der Gesetzgeber Vertraulichkeitsberei102 Buck, Wissen, S. 506. Während öffentliche Informationen immer weiterzugeben sind, dürfen etwa Insiderinformationen nicht den jeweiligen Vertraulichkeitsbereich verlassen. Siehe dazu Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 125 f. Zum Verhältnis von Datenschutz und Wissensweiterleitung Schröter, in: Bankrechtstag 2002, S. 163, 169 ff. 103 Buck, Wissen, S. 506. 104 Dazu Buck, Wissen, S. 519 f.; Faßbender/Neuhaus, WM 2002, 1253, 1256. 105 Buck, Wissen, S. 519 f.; Faßbender/Neuhaus, WM 2002, 1253, 1256. 106 Faßbender/Neuhaus, WM 2002, 1253, 1256. 107 Siehe dazu die Ausführungen unter § 7 IV.4.)b.). 108 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 124; Schröter, in: Bankrechtstag 2002, S. 163, 184. 109 Lösler, Compliance, S. 113.
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che als ein sachgerechtes Instrument für den Umgang mit Interessenkonflikten an.110 Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG sind „wirksame Vorkehrungen für angemessene Maßnahmen [zu] treffen, um Interessenkonflikte […] zu erkennen und eine Beeinträchtigung der Kundeninteressen zu vermeiden“. Für den Informationsaustausch konkretisiert § 13 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 WpDVerOV, dass bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen Vorkehrungen zu treffen sind, die den Informationsaustausch zwischen Mitarbeitern verhindern oder kontrollieren, „deren Tätigkeiten einen Interessenkonflikt nach sich ziehen könnten, wenn dieser Informationsaustausch Kundeninteressen beeinträchtigen könnte“. Der Gesetzgeber erkennt also für den Anwendungsbereich des WpHG organisatorische Maßnahmen zur Verhinderung des Informationsaustauschs nicht nur an, sondern verlangt sie sogar. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber in § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG in Bezug auf Interessenkonflikte ausdrücklich eine Rangfolge zugunsten der Organisationspflichten festgelegt hat: Über Interessenkonflikte ist nur aufzuklären, „soweit“ die organisatorischen Vorkehrungen nicht ausreichen.111 Dies kann auch mit dem – bereits unter § 7 IV.4.)a.) erwähnten – Gedanken gerechtfertigt werden, dass ein Kunde nicht damit rechnen kann, dass ihm vertrauliche Informationen bzw. gewichtige Interessen aus anderen Geschäftsbeziehungen mitgeteilt werden, da er auch selbst eine Geheimhaltung seiner Daten erwartet. Da das Aufsichtsrecht zwingend ist, darf es im Rahmen vertraglicher Vereinbarungen nicht umgangen werden. Die aufsichtsrechtlichen Regelungen überlagern also die vertragsrechtlichen Bestimmungen. Ordnet das Aufsichtsrecht organisatorische Vorkehrungen, wie die Einrichtung von Vertraulichkeitsbereichen, an, um das Entstehen von Interessenkonflikten zu verhindern und unterbindet es somit, dass Informationen im Interesse des Kunden verwertet werden, muss dieses daher auch im Rahmen des Zivilrechts berücksichtigt werden. Somit muss auch eine zivilrechtliche Wissenszurechnung in diesem Zusammenhang ausscheiden.112
110 Siehe § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG, § 13 WpDVerOV. Auch andere Akteure auf dem Kapitalmarkt sind solchen Organisationspflichten unterworfen, für Ratingagenturen siehe etwa Anhang I Abschnitt A Absatz 7 Rating-Verordnung. 111 Für eine Vorrangigkeit der Organisationspflichten gegenüber den Aufklärungspflichten im Rahmen des Wertpapierhandelsrechts auch Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 174.; a.A. Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 33 Rdnr. 62, demzufolge eine Durchbrechung der Vertraulichkeit hinzunehmen ist, wenn die legitimen Vorteile der begünstigten Kunden die potentiellen Nachteile der gefährdeten Kunden weit überwiegen; siehe allerdings auch ders., a.a.O. § 31 Rdnr. 41 (primär geschuldete Organisationspflichten). Siehe außerdem Fuchs/ Fuchs,WpHG, § 133 Rdnr. 127 (Konflikt dieser Rechtskreise ist nicht durch bloße Abwägung und Gewichtung der Interessen zu klären). 112 Vgl. dazu Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 250; außerdem Eisele/ Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 116c.
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(iii) Übertragung auf andere Fälle des Berufs- und Aufsichtsrecht Die Lösungen des kapitalmarktrechtlichen Aufsichtsrechts lassen sich auf andere berufs- und aufsichtsrechtliche Bereiche übertragen. Denn dass Informationen, die einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen übermittelt werden, schützenswerter sein sollen als Informationen, die einem Anwalt anvertraut werden, lässt sich nicht vertreten. Für eine unterschiedliche Behandlung von geheimhaltungswürdigen Informationen im Rahmen des Wertpapierhandelsrechts und in anderen berufs- und aufsichtsrechtlichen Bereichen, wie etwa für Wirtschaftsprüfer oder Ratingagenturen, besteht daher weder ein Grund noch eine Rechtfertigung.113 Wie bei einer Geschäftsbeziehung mit einem Wertpapierhandelsunternehmen kann ein Geschäftsherr daher auch in anderen Fällen, in denen das jeweilige Berufs- oder Aufsichtsrecht eine besondere vertraulichkeitswahrende bzw. interessenkonfliktvermeidende Organisation vorsieht, nicht davon ausgehen, dass ihm Informationen oder Interessen anderer vom Geschäftsbesorger offengelegt werden. Wo daher der Gesetzgeber besondere berufs- bzw. aufsichtsrechtlichen Regelungen hinsichtlich vertraulichkeitswahrender bzw. interessenkonfliktvermeidender Organisationsmaßnahmen getroffen hat oder treffen lässt,114 müssen diese auch im Zusammenhang mit der Wissenszurechnung Beachtung finden. Hier überlagert das zwingende Berufsbzw. Aufsichtsrecht zivilrechtliche Wertungen. Wo daher das Berufs- oder Aufsichtsrecht Regelungen zur vertraulichkeitswahrenden Organisation vorsieht oder einen besonderen Geheimnisschutz statuiert, schließen Informationsbarrieren eine zivilrechtliche Wissenszurechnung aus. (iv) Absicherung mit Hilfe des Schweizer Ansatzes: Das bei Dritten geweckte Vertrauen Abgesichert wird dieses Ergebnis durch einen rechtsvergleichenden Blick in das Schweizer Recht. Das Schweizer Bundesgericht hat für die Frage der Wissenszurechnung (im Zusammenhang mit Banken) auf die Relevanz des bei Dritten geweckten Vertrauens und damit auf die Wahrnehmung ihres Verhaltens in der Öffentlichkeit abgestellt: 115 Die Vertrauenswürdigkeit einer Bank könne nicht losgelöst davon beurteilt werden, wie bestimmte Verhaltensweisen in der Öffentlichkeit beurteilt würden. Denn Vertrauen setze immer auch eine Wechselwirkung voraus zwischen denjenigen, die vertrauen, und denjenigen, denen vertraut wird. Geprägt wird die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit vor allem von dem Verhalten der einzelnen Unternehmen. Dieses Verhalten hat sich bei Unterneh Buck, Wissen, S. 509; siehe auch Hopt, FS Heinsius, 1991, S. 289, 307 ff., insb. 309. Siehe etwa bzgl. der Wirtschaftsprüfer die Satzungsermächtigung in § 57 Abs. 4 Nr. 1 lit. a und lit. c WiPrO. 115 BG 2A.230/1999 v. 2.2.2000 Erw. 5.b. 113 114
III. Vertraulichkeitsbereiche (Informationsbarrieren)
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men, die dem Aufsichtsrecht unterworfen sind, insbesondere an den aufsichtsrechtlichen Vorgaben zu orientieren. Diese aufsichtsrechtlichen Vorgaben werden von den Aufsichtsbehörden und damit vom Staat durchgesetzt. Dieser gewährleistet somit, dass die aufsichtsrechtlichen Vorschriften eingehalten und Unternehmen, die sie verletzen, mit Sanktionen belegt werden. Auf diese Weise wird das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Aufsichtsrecht und damit auch in das aufsichtsrechtskonforme Verhalten der dem Aufsichtsrecht unterworfenen Unternehmen geschützt und sichergestellt. Hat aber das Aufsichtsrecht Auswirkungen auf das Vertrauen der Öffentlichkeit, kann es auch deren Wahrnehmung prägen. Wo daher Informationsbarrieren dafür eingesetzt werden, um Informationsflüsse entsprechend den Vorgaben des Aufsichtsrechts zu steuern, entsteht eine berechtigte Erwartung und Wahrnehmung der Öffentlichkeit, dass dies auch geschieht.116 Geht die Öffentlichkeit wegen der aufsichtsrechtlichen Vorgaben aber nicht mehr von einer unternehmensweiten Kommunikation der jeweiligen Information aus, kann diesbezüglich auch keine Wissenszurechnung stattfinden. (v) Verallgemeinerung über das Aufsichts- und Berufsrecht hinaus: Informationsbarrieren und Wissensorganisationspflicht Die aufsichtsrechtliche Ausrichtung der Argumente hinsichtlich eines Ausschlusses der Wissenszurechnung macht ihre Verallgemeinerung über das Aufsichts- und Berufsrechts hinaus schwierig. Denn in Fällen, in denen keine solchen aufsichts- oder berufsrechtlichen Organisationsvorschriften bestehen, können sie auch nicht für die Ableitung einer entsprechenden öffentlichen Wahrnehmung oder einer Überlagerung des Zivilrechts herangezogen werden.117 Daher lässt sich mit einigem Recht vertreten, dass Informationsbarrieren, die über den aufsichts- bzw. berufsrechtlich untersagten Informationsaustausch hinaus den Wissensfluss innerhalb eines Unternehmens beschränken, eine Wissenszurechnung nicht unterbinden können, also keine konstitutive Wirkung entfalten.118 Geht man jedoch mit der im Vordringen begriffenen Ansicht von einer Wissensorganisationspflicht aus, ließe sich damit auch über das Aufsichts- und Berufsrecht hinaus eine die Wissenszurechnung verhindernde Wirkung von Informationsbarrieren begründen. Aufgrund der Wissensorganisationspflicht hat eine Gesellschaft das innerhalb ihres Unternehmens vorhandene Wissen orientiert an den Erwartungen des Rechtsverkehrs zu organisieren.119 Wird vom Vgl. dazu Abegglen, Wissenszurechnung, S. 387 f. Für eine Verhinderung der Wissenszurechnung nur im Fall sog. compliance-relevanter Informationen Buck, Wissen, S. 509; weniger eng aber anscheinend Buck-Heeb, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 2 Rdnr. 38. 118 Buck, Wissen, S. 509; Tippach, Insider-Handelsverbot, S. 263. 119 BGHZ 132, 30, 37. 116 117
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§ 8 Organisationspflichten
Rechtsverkehr erwartet, dass das Wissen innerhalb eines Unternehmens in einer bestimmten Weise organisiert wird und ist die Einrichtung von Informationsbarrieren dafür das geeignete Mittel, müssen diese auch eine entsprechende rechtliche Wirkung entfalten, also die Wissenszurechnung unterbrechen können.120 Zu untersuchen ist also, welche Erwartungen der Rechtsverkehr an Unternehmen im Hinblick auf deren Wissensorganisation hat. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Unternehmen, die als Interessenwahrer tätig sind, und Unternehmen, die dies nicht sind. Im Folgenden sollen lediglich die ersteren betrachtet werden, weil bei diesen die Organisationspflichten durch die Interessenwahrungspflicht geprägt werden bzw. dieser entspringen. Wer es übernimmt, die Interessen anderer zu wahren, verpflichtet sich insbesondere auch dazu, Informationen die der Geschäftsherr vertraulich behandelt sehen möchte, nicht an Dritte weiterzugeben. Wie unter § 7 IV.4.)a.) dargelegt, hat die Geheimhaltungspflicht grundsätzlich Vorrang vor der Informationspflicht.121 Dies ergibt sich bereits aus den vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Interessenwahrer und dem Geschäftsherrn. Denn da der Geschäftsherr von dem für ihn tätigen Interessenwahrer erwartet, dass dieser seine vertraulichen Informationen geheimhält, kann er auch nicht davon ausgehen, dass ihm der Interessenwahrer vertrauliche Informationen anderer Geschäftspartner mitteilt.122 Würde man in dieser Situation von einer Offenlegungspflicht ausgehen, wäre der Interessenwahrer gezwungen, seine Interessenwahrungspflicht gegenüber dem anderen Geschäftsherrn zu verletzen, dessen geheimzuhaltende Informationen er mitteilen müsste. Dementsprechend kann ein Geschäftsherr nicht davon ausgehen, dass ihm die vertraulichen Informationen anderer offengelegt werden. Da jeder Geschäftsherr ein Interesse am Schutz seiner Geheimnisse hat, wird man auch von einer entsprechenden Wahrnehmung der Öffentlichkeit ausgehen müssen.123 Da Informationsbarrieren ein geeignetes Mittel sind, um diese Geheimhaltung sicherzustellen, ist im Fall von Interessenwahrern von einer entsprechenden Erwartung der Öffentlichkeit auszugehen, dass Informationsbarrieren eingerichtet werden. Diese müssen daher jedenfalls im Hinblick auf die Verhinderung von Interessenkonflikten von In Lösler, Compliance, S. 117. Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 229; a.A. (im Hinblick auf das Bankgeheimnis) Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 466 ff. 122 Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 136; Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 229. Vgl. auch Buck-Heeb, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 2 Rdnr. 38. Vorsichtiger Fuchs/Fuchs,WpHG, § 133 Rdnr. 127. 123 Führt man diesen Gedanken weiter, so müsste es letztlich möglich sein, durch eine Offenlegung der Kommunikationsabläufe, insbesondere der Informationsbarrieren, die Erwartungen an die Informationsorganisation in Einklang mit den tatsächlichen Informationsflüssen zu bringen (Abegglen, Wissenszurechnung, S. 389). Mittels einer entsprechenden Aufklärung könnte somit ein besonderes Vertrauen der Kunden bzw. der Öffentlichkeit unterbunden werden, sodass eine Wissenszurechnung ganz generell ausgeschlossen werden könnte. 120 121
III. Vertraulichkeitsbereiche (Informationsbarrieren)
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ter essenwahrern eine die zivilrechtliche Wissenszurechnung ausschließende Wirkung haben.124 Dies gilt allerdings nur für Interessenkonflikte verschiedener Fremdinteressen. Denn nur der Schutz von Fremdinteressen findet seine Verankerung in der Interessenwahrungspflicht, die gegenüber dem jeweiligen Geschäftsherrn gilt. Wo demgegenüber Eigeninteressen des interessenwahrenden Unternehmens einen Konflikt begründen, müssen die Interessen des Geschäftsherrn Vorrang haben. Informationsbarrieren können insofern keine zivilrechtliche Wirkung entfalten und daher auch nicht die Wissenszurechnung unterbinden. In diesem Fall bliebe dem Interessenwahrer nur die Ablehnung der Übernahme der Interessenwahrung bzw. der interessenverträglich gestaltete Rückzug aus dem Inter essenwahrungsverhältnis.
6.) Auswirkung auf Offenlegungs- und Aufklärungspflichten Informationsbarrieren und die mit ihnen einhergehende Begrenzung des Informationsflusses stehen in einem Spannungsverhältnis zu Offenlegungs- und Aufklärungspflichten sowie der Pflicht zur (bestmöglichen) Beratung der Kunden bzw. Mandanten.125 Die zivilrechtliche Anerkennung von Informationsbarrieren hat somit Auswirkungen auf die Offenlegungs- und Informationspflicht gegenüber (anderen) Geschäftsherren.126 Voraussetzung für die Offenlegungs- und die Aufklärungspflicht ist, dass der Aufklärungsverpflichtete über Wissen verfügt, das dem anderen fehlt.127 Erfährt ein Mitarbeiter eines Unternehmens aber aufgrund von Informationsbarrieren bestimmte Informationen nicht, verfügt er selbst nicht über das diesbezügliche Wissen. Wenn er aber nicht selbst über das relevante Wissen bzw. die relevanten Informationen verfügt, kann ein „Wissensvorsprung“ nur im Zuge einer Wissenszurechnung angenommen werden. Da aber eine solche im Fall von Interessenwahrern im Hinblick auf Fremdinformationen mittels Informationsbarrieren ausgeschlossen ist, fehlt es dem Betroffenen im konkreten Fall am Wissensvorsprung und es besteht keine Aufklärungspflicht. Siehe auch Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 116c. 125 Dazu Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 121; Lösler, Compliance, S. 94 ff.; zum Spannungsverhältnis von Aufklärungs- und Organisationspflichten auch Lipton/Mazur, 50 N.Y.U.L. Rev. 459, 474 ff. (1975).Die Pflicht ergibt sich aus dem Beratungsvertrag, der auch konkludent abgeschlossen werden kann, insbesondere wenn Informationen erteilt werden, die für den Empfänger erkennbar von wesentlicher Bedeutung sind. Vgl. dazu etwa BGHZ 7, 371, 374 (in der Erteilung einer Auskunft liegt der Abschluss eines Auskunftsvertrages); 74, 103, 106; BGH NJW 1962, 1500; 1970, 1737; 1972, 678, 680; 1972, 1200; vgl. auch BGH NJW 1973, 321, 323. 126 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 116d. 127 Abegglen, Aufklärungspflichten, S. 178. 124
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Im Fall einer Beratung128 gilt, dass sich eine bestmögliche Beratung nur erreichen lässt, wenn der Berater möglichst viele Informationen in die Beratung einfließen lassen kann, die für den Geschäftsherrn entscheidungserheblich sind. Dementsprechend liegt es zunächst einmal im Interesse des Ratsuchenden, dass möglichst alle im Unternehmen vorhandenen Informationen in die Beratung einfließen.129 Auf den zweiten Blick ergibt sich dann aber aus den eigenen Interessen des Ratsuchenden eine Beschränkung der einzubeziehenden Informationen. Denn der Geschäftsherr möchte regelmäßig seine eigenen geheimhaltungswürdigen Informationen geschützt sehen und darf von dem Berater, von dem er weiß, dass dieser auch für andere Geschäftsherren tätig ist, keinen Treubruch gegenüber diesen Geschäftsherren erwarten. Aus diesem Grund beschränken sich die von ihm erwarteten Informationen auf solche, die der Interessenwahrer mitteilen kann, ohne eine Pflichtverletzung gegenüber anderen Geschäftsherren zu begehen. Informationsbarrieren steuern die Informationspflicht entsprechend dieser Erwartung, sodass sie auch in Beratungssituationen eine die Wissenszurechnung begrenzende Wirkung entfalten.
IV. Beobachtungsliste, Verbots- oder Sperrliste und Konfliktliste Vertraulichkeitsbereiche werden vielfach durch weitere Maßnahmen flankiert, um eine möglichst umfassende Überwachung und Vermeidung von Interessenkonflikten zu gewährleisten. Vielfach eingesetzt werden – vor allem von Wertpapierdienstleistungsunternehmen – Beobachtungslisten (watch lists) sowie Verbots- oder Sperrlisten (restricted lists).130 Werden solche Listen zur „Verstärkung“ von Informationsbarrieren herangezogen, wird dies mit dem Begriff „reinforced Chinese walls“ bezeichnet.131 Sie erhöhen die Glaubwürdigkeit der Trennung in Vertraulichkeitsbereiche und verringern die Gefahr von Verstößen gegen Verletzung von Insidervorschriften und Interessenwahrungspflichten.132
1.) Beobachtungsliste (watch list) Die Beobachtungsliste ist eine nicht öffentliche, laufend aktualisierte interne Liste bzw. Zusammenstellung von Finanzinstrumenten, zu denen dem jeweili Zur Abgrenzung von Aufklärung und Beratung Lang, Informationspflichten, § 3. Vgl. dazu Lösler, Compliance, S. 95. 130 BaFin, MaComp AT 6.2 Nr. 3.c. 131 Siehe nur Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 139. 132 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 139; Steinberg/Fletcher, 47 S.M.U. L. Rev. 1783, 1805 f. (1994); siehe auch Levine/Gardiner/ Swanson, 23 Wake Forest L. Rev. 41, 64 (1988). 128
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IV. Beobachtungsliste, Verbots- oder Sperrliste und Konfliktliste
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gen Unternehmen vertrauliche, nicht öffentliche Informationen133 vorliegen.134 Alle Informationen, bei denen das nicht unerhebliche Risiko von Manipulationen besteht, sind von den Mitarbeitern, bei deren Tätigkeit sie anfallen, zu melden und in die Beobachtungsliste aufzunehmen135 – dazu gehören nicht nur Tatsachen, sondern auch Gerüchte.136 Die Beobachtungsliste ist streng vertraulich zu führen und nur für die Tätigkeit der Complianceabteilung bestimmt.137 Andernfalls könnte die Aufnahme eines Finanzinstruments in diese Liste eine Signalwirkung entfalten, weil aus der Aufnahme auf das Vorhandensein sensibler Informationen geschlossen werden könnte.138 Da die Liste geheim gehalten wird, wird durch sie die laufende Geschäftstätigkeit des Unternehmens nicht behindert, insbesondere unterliegen die in der Liste aufgeführten Finanzinstrumente keiner Beschränkung im Hinblick auf Handel oder Beratung.139 Sie dient vor allem dazu, den Eigenund Mitarbeiterhandel in den dort spezifizierten Werten zu überwachen.140 Mit ihrer Hilfe sollen mögliche Interessenkonflikte sowie Missbräuche von Informationen erkannt und sodann verhindert werden.141 Notfalls können die Geschäfte in den aufgeführten Finanzinstrumenten untersagt oder nachträglich storniert werden.142 Außerdem ermöglichen sie eine Kontrolle von Informati133 Regelmäßig wird auch von Compliance relevanten Informationen gesprochen. Dazu Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 149. 134 MaComp AT 6.2 Nr. 3 c; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 133; Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 246; Hoffmann, Rechtliche Schranken, S. 155; Lösler, Compliance, S. 85; Schweizer, Insiderverbote, S. 209; Eisele, WM 1993, 1021, 1024; Levine/Gardiner/Swanson, 23 Wake Forest L. Rev. 41, 65 (1988). 135 Siehe dazu MaComp AT 6.2 Nr. 3 c; Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 33 Rdnr. 66 (im Fall von Finanzinstrumenten etwa Änderungen des Ertrags, der Liquidität, des Ratings, Dividenden, Kapitalerhöhungen, Übernahmegebote, Großorders etc.); Schwark/ Zimmer/Fett, KMRK, § 33 Rdnr. 29; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 135; Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 150; Lösler, Compliance, S. 86; Scharpf, Corporate Governance, S. 95 f. 136 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 149 Fn. 492. 137 MaComp AT 6.2 Nr. 3 c; Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 33 Rdnr. 67; KölnKommWpHG/Meyer-Paetzel/Will, § 33 Rdnr. 181; Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 33 Rdnr. 29; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 135; Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 150; Hoffmann, Rechtliche Schranken, S. 155; Lösler, Compliance, S. 85 f.; Grohnert, Rechtliche Grundlagen, S. 18; Eisele, WM 1993, 1021, 1024; Levine/Gardiner/Swanson, 23 Wake Forest L. Rev. 41, 65 (1988). 138 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 135. 139 MaComp AT 6.2 Nr. 3 c; Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 33 Rdnr. 67; Fuchs/ Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 134; Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 150; Lösler, Compliance, S. 86; Eisele, WM 1993, 1021, 1024; siehe auch Levine/Gardiner/Swanson, 23 Wake Forest L. Rev. 41, 65 (1988). 140 MaComp AT 6.2 Nr. 3 c; Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 150. 141 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 134. 142 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 150; Lösler, Compliance, S. 86; Eisele, WM 1993, 1021, 1024.
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onsbarrieren (mittels nachträglicher Offenlegung von Verstößen): Sofern Meldungen aus Vertraulichkeitsbereichen eingehen, die wegen einer Informationsbarriere über die entsprechenden Informationen eigentlich nicht verfügen dürften, können auf diese Weise „Lücken“ in der Informationsbarriere aufgedeckt und anschließend geschlossen werden.143
2.) Verbots- bzw. Sperrliste (restricted list) Bei der Verbotsliste handelt es sich um eine stets aktualisierte Liste von Sachverhalten bzw. – im Fall von Wertpapierdienstleistungsunternehmen – Finanzinstrumenten, bei denen ein im Vergleich zur Beobachtungsliste erheblich höheres Risiko von Interessenkonflikten besteht.144 Die Verbotsliste kann sowohl im Rahmen der „reinforced Chinese wall“ als auch unabhängig von bestehenden Vertraulichkeitsbereichen eingesetzt werden, um Handlungsbeschränkungen zu errichten.145 Im Zusammenhang mit der „reinforced Chinese wall“ kann die Sperrliste dafür eingesetzt werden, den Auswirkungen eines „Lecks“ in einer Informationsbarriere zu begegnen, indem die betroffenen Finanzin strumente in die Liste aufgenommen und damit gesperrt werden.146 Mit den in die Verbotsliste aufgenommenen Finanzinstrumenten dürfen weder Eigenhandel noch Mitarbeitergeschäfte durchgeführt werden; auch dürfen sie im Rahmen der Anlageberatung nicht den Kunden empfohlen werden.147 143 MaComp AT 6.2 Nr. 3 c; Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 33 Rdnr. 29; Fuchs/ Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 134; Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 150; Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 246; Hoffmann, Rechtliche Schranken, S. 154; Jerusalem, Die Regelung der Mitarbeitergeschäfte, S. 142; Lösler, Compliance, S. 86; Scharpf, Corporate Governance, S. 94; Schweizer, Insiderverbote, S. 210; Eisele, WM 1993, 1021, 1024; Levine/Gardiner/Swanson, 23 Wake Forest L. Rev. 41, 65 (1988). 144 MaComp AT 6.2 Nr. 3 c; siehe auch Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 137 f.; Schwark/ Zimmer/Fett, KMRK, § 33 Rdnr. 30; Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 151; Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 244 f.; Lösler, Compliance, S. 87; Schweizer, Insiderverbote, S. 192; Eisele, WM 1993, 1021, 1024; Lipton/ Mazur, 50 N.Y.U. L. Rev. 459, 467 f. (1975); siehe auch KölnKommWpHG/Meyer/Paetzel/ Will, § 33 Rdnr. 183; Levine/Gardiner/Swanson, 23 Wake Forest L. Rev. 41, 63 f. (1988). Da eine zu umfangreiche Verbotsliste das Unternehmen in seiner Tätigkeit sehr einschränken würde, muss sie nur für solche Fälle geführt werden, in denen die Gefahr eines Interessenkonflikts außerordentlich groß ist (z. B. wenn bei einem Finanzinstrument mit einer Aussetzung der Kursfeststellung zu rechnen ist). Siehe Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 33 Rdnr. 69. 145 Scharpf, Corporate Governance, S. 70. Vorsichtiger Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 139 f. 146 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 140. 147 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 33 Rdnr. 68; KölnKommWpHG/Meyer/Paetzel/Will, § 33 Rdnr. 183; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 138; Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 33 Rdnr. 30; Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 151; Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 244 f.; Grohnert, Recht liche Grundlagen, S. 18 f.; Hoffmann, Rechtliche Schranken, S. 156; Lösler, Compliance,
IV. Beobachtungsliste, Verbots- oder Sperrliste und Konfliktliste
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Die Ausführung von Kundenorders, die auf eine eigenständige Weisung des Kunden zurückgeht sowie die marktausgleichende Tätigkeit von Market Makern im Wertpapierhandel sind jedoch weiterhin erlaubt.148 Allerdings müssen diese Vorgänge als Ausnahmen gekennzeichnet und dokumentiert werden.149 Mit diesen durch die Verbotsliste auferlegten Beschränkungen sollen das Unternehmen und seine Kunden unter anderem auch vor Interessenkonflikten geschützt werden.150 Dies geschieht zum einen präventiv, indem die Verbotsliste in den aufgelisteten Fällen einen Handel verbietet. Zum anderen kann sie für die Verteidigung gegenüber den Kunden bzw. Mandanten genutzt werden, um den Vorwurf zu entkräften, dass Informationen unzulässig ausgenutzt worden seien oder in Unkenntnis neuerer Tatsachen (etwa wegen einer Informationsbarriere) falsch beraten worden sei.151 Um zu vermeiden, dass die Verbotsliste eine besondere Signalwirkung entfaltet, dürfen weder Art noch Gründe für die Aufnahme in die Verbotsliste bekannt gemacht werden.152 Unterschiedliche Ansichten gibt es darüber, ob die Verbotsliste unternehmensweit allen Mitarbeitern153 – und unter Umständen auch den Kunden154 – bekannt gemacht werden soll oder nicht. Für eine Veröffentlichung spricht, dass alle Mitarbeiter verpflichtet sind, eigene Geschäfte in den in die Verbotsliste aufgenommenen Finanzinstrumenten zu unterlassen.155 Nur wenn sie S. 87; Scharpf, Corporate Governance, S. 70; Eisele, WM 1993, 1021, 1024. Die Ausführung von Kundenaufträgen, die von den Kunden eigenständig erteilt wurden, bleibt jedoch möglich. Siehe Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 151; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 138; Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 33 Rdnr. 30. 148 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 138; Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 151; Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 245 (bzgl. Kundenorders); Eisele, WM 1993, 1021, 1024; Schröter, in: Bankrechtstag 2002, S. 163, 181 f.; für den Fall, dass Insiderinformationen vorliegen, Hopt, FS Heinsius, 1991, S. 289, 290 f. und 298 f. 149 Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 245; Scharpf, Corporate Governance, S. 70 f. 150 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 140. Vgl. auch Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 153; Eisele, WM 1993, 1021, 1024. 151 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 153; Hoffmann, Rechtliche Schranken, S. 158; Scharpf, Corporate Governance, S. 74; Eisele, WM 1993, 1021, 1024. Um dies angemessen zu gewährleisten, sind die konfliktträchtigen Umstände möglichst frühzeitig auf die Verbotsliste zu nehmen. Siehe Jerusalem, Die Regelung der Mitarbeitergeschäfte, S. 143; Scharpf, Corporate Governance, S. 74 f. 152 MaComp AT 6.2 Nr. 3 c; Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 154. Siehe auch Eisele, WM 1993, 1021, 1024. Vgl. auch Schwark/ Zimmer/Fett, KMRK, § 33 Rdnr. 30; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 139 mit Fn. 252; Jerusalem, Die Regelung der Mitarbeitergeschäfte, S. 143; Scharpf, Corporate Governance, S. 76 f. Zu Möglichkeiten der Vermeidung von Signaleffekten durch eine Verbotsliste Schweizer, Insiderverbote, S. 194 f. 153 Etwa MaComp AT 6.2 Nr. 3 c; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 137; Schröter, in: Bankrechtstag 2002, S. 163, 180 (muss in der Bank publik gemacht werden). 154 Siehe Dingeldey, RIW 1983, 81, 87. 155 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 137; dies als Argument nennend, ohne sich für eine unternehmensweite Veröffentlichung auszusprechen Scharpf, Corporate Governance, S. 75.
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§ 8 Organisationspflichten
wissen, mit welchen Finanzinstrumenten sie nicht handeln dürfen, können sie dieser Verpflichtung auch nachkommen. Demgegenüber wird für eine Geheimhaltung der Liste – bei der nur der Compliancebeauftragte und seine Mitarbeiter Zugang zu ihr haben – angeführt, dass die Sperrliste andernfalls eine nicht erwünschte Signalwirkung hinsichtlich der in ihr aufgeführten Finanzinstrumente haben könnte, was unzulässigen Geschäften in diesen Werten Vorschub leiste.156 Um sicherzustellen, dass es zu keinem Handel in den in der Verbotsliste aufgeführten Werten kommt, sollten sich die Mitarbeiter regelmäßig bei der Complianceabteilung erkundigen. Ein solches Erfordernis spricht allerdings gegen die von dieser Ansicht geforderte Geheimhaltung der Verbotsliste. Denn müssten sich Mitarbeiter bei der Complianceabteilung erkundigen, erfahren sie, welche Finanzinstrumente gesperrt sind. Ob ein Mitarbeiter aber die betroffenen Finanzinstrumente direkt der Verbotsliste entnehmen kann oder sie über die Complianceabteilung erfährt, macht keinen Unterschied.157 Damit ändert sich nichts an der möglichen Signalwirkung. Auch eine Beschränkung auf eine Bekanntmachung lediglich innerhalb des Geschäftsbereichs158 dürfte kaum ausreichen. Denn sind die Konflikte so erheblich, dass sie eine Aufnahme des jeweiligen Wertes in die Verbotsliste erfordern, muss gegenüber Außenstehenden jeder Eindruck vermieden werden, dass sich ein diesbezüglicher Interessenkonflikt manifestiert hat. Dies ist aber nicht möglich, wenn nicht zum betroffenen Geschäftsbereich gehörige Mitarbeiter im Unklaren über konfliktbetroffene Finanzinstrumente gelassen werden. Ein solcher Eindruck und die damit einhergehenden Gefahren lassen sich nur dadurch konsequent verhindern, dass in diesen schwerwiegenden Fällen allen Mitarbeitern ein Handeln mit und Beraten hinsichtlich solcher Werte untersagt wird.
3.) Konfliktliste Speziell für den Umgang mit Interessenkonflikten gibt es insbesondere in Kreditinstituten aber auch in Rechtsanwaltskanzleien, ein Konfliktinformationsoder -managementsystem, auch Konfliktliste genannt.159 In die sog. Konflikt
156 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 33 Rdnr. 68; ähnlich Schweizer, Insiderverbote, S. 193 (Veröffentlichung nur gegenüber den Führungskräften, die ihre Mitarbeiter individuell informieren sollen); vermittelnd Hoffmann, Rechtliche Schranken, S. 157 f. (Einblick für Mitarbeiter nur soweit notwendig für ihre Tätigkeit sowie ggf. Blockierungen im Handelsprogramm); Jerusalem, Die Regelung der Mitarbeitergeschäfte, S. 142 f. (Bekanntgabe (nur) an die betroffenen Mitarbeiter). 157 Scharpf, Corporate Governance, S. 76. 158 So als vermittelnde Lösung vorgeschlagen von Scharpf, Corporate Governance, S. 77. 159 Dazu und zum folgenden Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHdb, § 109 Rdnr. 155.
V. Compliance
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liste werden alle dauerhaften Interessenkonflikte160 und solche, die im Zusammenhang mit einzelnen Transaktionen entstehen, aufgezeichnet.161 Mit Hilfe dieser Konfliktliste sollen Interessenkonflikte möglichst frühzeitig erkannt werden, um Entscheidungen über das weitere Vorgehen und den Umgang mit dem jeweiligen Konflikt treffen zu können. Hierzu gehören die Entscheidungen, ob Mandatsbemühungen abgebrochen oder weiter fortgesetzt werden, ob der Kunde bzw. Mandant entsprechend informiert und ob Informationsbarrieren verstärkt oder neu eingerichtet werden müssen.
V. Compliance Die vorangehend beschriebenen organisatorischen Maßnahmen sind Bestandteile der sog. Compliance.162 Der Begriff Compliance stammt aus dem Englischen und bedeutet in etwa „Einhaltung, Befolgung, Übereinstimmung, Einhaltung bestimmter Gebote“; Compliance verlangt dementsprechend auch erst einmal nur, dass sich Gesellschaften und deren Organe an das geltende Recht halten.163 Zur Compliance gehören die Regelung, wie die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben und unternehmensinternen Richtlinien gewährleistet werden kann, und die Maßnahmen zur Risikofrüherkennung und -minimierung.164 Das umfasst die „Identifikation, Analyse und Steuerung der Risiken im Unternehmen und die Überwachung der Effektivität der Angemessenheit des Risikomanagements“.165 Rechtlichen Niederschlag hat das Compliance-Konzept etwa in § 91 Abs. 2 AktG, § 33 Abs. 1 WpHG, § 28 KAGB und im KWG gefunden. Nach § 91 Abs. 2 AktG ist der Vorstand verpflichtet, ein Überwachungssystems einzurichten, das gewährleistet, dass bestandsgefährdende Entwicklungen der Gesellschaft frühzeitig erkannt werden. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 KAGB muss eine Kapitalverwaltungsgesellschaft über eine „ordnungsgemäße Geschäftsorganisation verfügen, die die Einhaltung der von [ihr] zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen gewährleistet“. Dazu gehören etwa ein angemessenes Risikomanagement, Regelungen für Mitarbeitergeschäfte und für die Anlage des Vermögens der Kapitalverwaltungsgesellschaft, angemessene Kon-
160 Z. B. wichtige Kundenverbindungen, wesentliche Beteiligungen, Mandatsbeziehungen von Organmitgliedern etc. 161 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 33 Rdnr. 70; Eisele/Faust, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 155. 162 Dazu nur Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance; Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungsunternehmen, passim; ders., NZG 2005, 104; Hauschka, NJW 2004, 257. 163 Hauschka, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 1 Rdnr. 2 . 164 Hauschka, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 1 Rdnr. 2 . 165 Hauschka, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 1 Rdnr. 5.
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§ 8 Organisationspflichten
troll- und Sicherheitsvorkehrungen sowie eine ordnungsgemäße Verwaltung und Buchhaltung.166
VI. Ausschüsse als Organisationsmaßnahme gegen Interessenkonflikte im Gesellschaftsrecht Auch bei Gremien von Interessenwahrern bieten sich organisatorische Maßnahmen für den Umgang mit Interessenkonflikten an. Bei Gremien, wie dem Aufsichtsrat, können dafür etwa Ausschüsse eingerichtet werden.167 Ausschüsse dienen zwar vor allem dazu, die Effizienz der Verwaltung der Gesellschaft zu erhöhen.168 Mit ihrer Hilfe können jedoch auch Interessenkonflikte verhindert bzw. deren Einfluss verringert werden. Dies gilt vor allem für Ausschüsse, die selbständig Beschlüsse fassen dürfen,169 insbesondere den Prüfungsausschuss, der eine Überwachungsfunktion hat.170 Befindet sich ein Mitglied eines Gremiums in einem Interessenkonflikt, kann die Bedeutung des Konflikts für die Entscheidungsfindung des Gremiums beseitigt werden, wenn die Entscheidung – sofern rechtlich zulässig171 – einem Ausschuss übertragen wird, der ausschließlich mit unbefangenen Mitgliedern besetzt ist. In diesem Fall können die Fragen, die sich im Hinblick auf die Teilnahme des betroffenen Mitglieds an der Entscheidungsfindung, wie Enthaltung bei einer Abstimmung oder Nichtteilnahme an der Beratung, vermieden werden. Bedeutung im Hinblick auf Interessenkonflikte haben Ausschüsse vor allem bei monistisch organisierten Gesellschaften, die anders als dualistisch organisierte Gesellschaften keine Trennung von Geschäftsleitung und Überwachung kennen. Insbesondere das audit committee solcher Gesellschaften nähert sich funktional gesehen dem Aufsichtsrat in einer dualistisch organisierten Gesellschaft.172 Dementsprechend wird etwa im US-amerikanischen Securities Siehe dazu und zu weiteren Maßnahmen und Vorkehrungen § 28 Abs. 1 Satz 2 KAGB. Zu Ausschüssen beispielsweise MünchKommAktG/Kalss, § 107 Rdnr. 203 ff.; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 107 Rdnr. 80 ff.; Hoffmann-Becking, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 32; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb börsennot. AG, § 28; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rdnr. 3.184 ff.; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, passim; Theisen, in: Potthoff/Trescher, Aufsichtsratsmitglied, Rdnr. 1090 ff.; außerdem Hasselbach/Seibel, AG 2012, 114. 168 Ziff. 5.3.1 Satz 2 DCGK; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 107 Rdnr. 80. 169 Zu der Übertragung zur selbständigen Beschlussfasssung etwa MünchKommAktG/ Kalss, § 107 Rdnr. 218. 170 Zu den Aufgaben des Prüfungsausschusses siehe z. B. Ziff. 5.3.2 DCGK; MünchKomm AktG/Kalss, § 107 Rdnr. 204; Hoffmann-Becking, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 32 Rdnr. 10; Scheffler, ZGR 2003, 236. 171 Zu den Grenzen der Entscheidungsdelegation Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 107 Rdnr. 87 ff.; Hoffmann-Becking, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 32 Rdnr. 3 ff.; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb börsennot. AG, § 28 Rdnr. 8 ff. 172 Zum audit committee etwa Goerdeler, ZGR 1987, 219; Kersting, ZIP 2003, 2010; 166
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VI. Ausschüsse als Organisationsmaßnahme
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Exchange Act vorgeschrieben, dass die Mitglieder des audit committee, bei denen es sich um Mitglieder des board handeln muss, unabhängig sein müssen.173 Unabhängigkeit bedeutet in diesem Fall, dass ein Boardmitglied von der Gesellschaft keine „consulting, advisory, or other compensatory fee“ annehmen bzw. erhalten und keine „affiliated person“ der Gesellschaft oder einer ihrer Tochtergesellschaften sein darf.174 Andernfalls bestünde die Gefahr, dass ein Mitglied bei der Prüfung und Überwachung befangen sein könnte. Eine vergleichbare aufgabenspezifische Unabhängigkeit von Boardmitgliedern wird auch in England mit Hilfe von Ausschüssen erreicht.175 Dort sind etwa Prüfungs- und Vergütungsausschuss vollständig unabhängig zu besetzen.176 Wer nicht als unabhängig eingestuft werden kann, darf zwar Mitglied im Board sein, er darf dann jedoch nicht in die mit Unabhängigen zu besetzenden Ausschüsse gewählt werden. Würde man diesen Gedanken auf das deutsche Recht übertragen, so ließe sich auf diese Weise ermöglichen, dass z. B. den Unternehmen der Sachverstand ehemaliger Vorstandsmitglieder erhalten bliebe, zugleich aber verhindert würde, dass sie im Falle eines Interessenkonflikts die Arbeit des Aufsichtsrats nachteilig beeinflussen. Um dies zu erreichen, muss ausgeschlossen sein, dass sie in Ausschüsse gewählt werden, bei denen sie, wie insbesondere beim Prüfungsausschuss, möglicherweise einem Interessenkonflikt erliegen könnten.177 In diese Richtung geht auch der Deutsche Corporate Governance Kodex, der in Ziff. 5.3.2 Satz 3 empfiehlt, dass der Vorsitzende des Prüfungsausschusses „unabhängig und kein ehemaliges Vorstandsmitglied der Gesellschaft[…], dessen Bestellung vor weniger als zwei Jahren endete“, sein soll. Ein Ausschuss anderer Art ließe sich im Zusammenhang mit Interessenkonflikten in Unternehmensgruppen bzw. Konzernen erwägen. Für die Koordinierung und Abstimmung bei Interessenkonflikten könnte dort ein zentraler Ausschuss für das Konfliktmanagement eingerichtet werden, der aus Vertretern der gruppenzugehörigen Unternehmen zusammengesetzt ist.178 Aufgabe dieses Ausschusses würde es sein, Konfliktpotentiale zu ermitteln und entsprechende Empfehlungen an die Geschäftsführung zur Behandlung dieser Konflikte abzuWindbichler, ZGR 1985, 50, insb. 59 ff. Zu den Unterschieden zwischen angloamerikanischem audit committee und deutschem Prüfungsausschuss Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 107 Rdnr. 128 ff. 173 Section 10A (m)(3)(A) Securities Exchange Act, 15 U.S.C. 78j-1(m)(3)(A). 174 Section 10A (m)(3)(B) Securities Exchange Act, 15 U.S.C. 78j-1(m)(3)(B). 175 Im Einzelnen Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 291 ff., 324; ders., in: Allmendinger/Steffek, Corporate Governance nach der Finanz- und Wirtschaftskrise, S. 3, 14 f. Zum UK Corporate Governance Code Winner, ZGR 2012, 246. 176 Siehe UK Corporate Governance Code sections C.3.1 (audit committee), D.2.1 (remuneration committee), dazu Leyens, in: Allmendinger/Steffek, Corporate Governance, S. 3, 14 f. 177 Kumpan, AnwBl 2012, 704, 706. 178 Siehe IOSCO, Market Intermediary Management of Conflicts that Arise in Securities Offerings, Consultation Report, Feb. 2007, S. 11; Kumpan/Leyens, ECFR 2008, 72, 94.
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§ 8 Organisationspflichten
geben. Voraussetzung dafür ist vor allem ein uneingeschränkter Zugang zu Informationen sowie eine hohe Reputation des Ausschusses innerhalb der Gruppe.179 Erforderlich ist deshalb einerseits ein hoher Standard an Unabhängigkeit und andererseits eine unmittelbare Unterstellung unter die Geschäftsführungsebene.180
VII. Zusammenfassung Im Fall von Zusammenschlüssen von Interessenwahrern oder, wenn ein Unternehmen als Interessenwahrer auftritt, konkretisiert sich die Interessenwahrungspflicht in eine Pflicht zur interessenkonfliktvermeidenden Organisation. Denn aufgrund der Vielzahl von Personen, die innerhalb solcher Vereinigungen zusammenwirken, kann es im Vergleich zum einzelnen Geschäftsbesorger zu weiteren und speziellen Konfliktsituationen kommen. Zu den Organisationsmaßnahmen, mit deren Hilfe Organisationspflichten erfüllt werden können, gehören insbesondere die Einrichtung von Vertraulichkeitsbereichen mittels Informationsbarrieren (Chinese walls) sowie das Führen sog. Beobachtungs-, Verbots- und Konfliktlisten. Aus den genannten Listen ergibt sich, in welchen Situationen die Gefahr von Interessenkonflikten besteht und die entweder genau beobachtet werden müssen oder in denen ein Mitarbeiter gar nicht erst handeln darf. Informationsbarrieren dienen demgegenüber der Steuerung des Informationsflusses innerhalb eines Unternehmens und werden dazu verwendet, (Geschäfts-)Bereiche voneinander abzuschotten. Sie müssen spätestens unterhalb der Geschäftsleitungsebene enden. Denn die Geschäftsleitung muss grundsätzlich alle Informationen erhalten, die für das Unternehmen von Bedeutung sind. Für den Fall, dass es dadurch zu Interessenkonflikten kommen kann, muss sichergestellt sein, dass die Geschäftsleiter nicht mehr selbst handeln oder mittels Weisungen auf die Tätigkeit abgeschotteter Abteilungen Einfluss nehmen. In bestimmten Ausnahmefällen ist ein sog. wall crossing möglich, d. h. der Austausch von Informationen oder Personen zwischen voneinander abgeschotteten Geschäftsbereichen. Dafür sind jedoch besondere Sicherungen vorzusehen, um einen ungewollten Informationsfluss zu verhindern. Informationsbarrieren begrenzen die Wissenszurechnung und können damit auch Interessenkonflikte innerhalb eines Unternehmens verhindern. Dies gilt zunächst einmal für die Situationen, in denen sie dazu dienen, die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben, insbesondere von Informationsweiterleitungsverboten oder datenschutzrechtlichen Regelungen, zu gewährleisten. Des Weiteren ist Kumpan/Leyens, ECFR 2008, 72, 94. Kumpan/Leyens, ECFR 2008, 72, 94.
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VII. Zusammenfassung
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eine die zivilrechtliche Wissenszurechnung begrenzende Wirkung dann anzunehmen, wenn das Aufsichts- und Berufsrecht die Einrichtung von Informationsbarrieren vorsieht. Andernfalls würden zivilrechtliche Regelungen dazu führen, dass das betroffene Unternehmen gegen seine aufsichtsrechtlichen Pflichten sowie gegen die davon geprägte Interessenwahrungspflicht verstoßen müsste. Diese begrenzende Wirkung von Informationsbarrieren lässt sich darüber hinaus auch auf andere Unternehmen übertragen, die als Interessenwahrer tätig sind und für die keine aufsichts- oder berufsrechtlichen Regelungen hinsichtlich Informationsbarrieren gelten. Aufgrund der an sie herangetragenen Erwartungen der Öffentlichkeit und der jeweiligen einzelnen Geschäftsherren gehen jedenfalls bei diesen zur Interessenwahrung verpflichteten Unternehmen Geheimhaltungspflichten den Offenlegungs-, Aufklärungs- und Beratungspflichten vor. Dies gilt allerdings nur insofern, als es sich um Interessen anderer Geschäftsherren handelt. Eigene Interessen des Interessenwahrers begründen eine solche Rangfolge dagegen nicht. Hier haben die Interessen des Geschäftsherrn uneingeschränkt Vorrang. Im Fall von Gremien, wie dem Aufsichtsrat, können für den organisatorischen Umgang mit Interessenkonflikten Ausschüsse eingerichtet werden. Befindet sich ein Mitglied eines Gremiums in einem Interessenkonflikt, kann die Bedeutung des Konflikts für die Entscheidungsfindung des Gremiums beseitigt werden, wenn die Entscheidung – sofern rechtlich zulässig – einem Ausschuss übertragen wird, der ausschließlich mit unbefangenen Mitglieder besetzt ist.
§ 9 Beschränkung des Handlungsspielraums I. Einleitung Regelungen zur Beschränkung des Handlungsspielraums des Interessenwahrers, wie etwa das Verbot des Insichgeschäfts nach § 181 BGB, verbieten dem Interessenwahrer, bestimmte Geschäfte oder Tätigkeiten durchzuführen, untersagen aber nicht das jeweilige Interessenwahrungsverhältnis insgesamt. Damit begrenzen sie die Handlungsfreiheit des Interessenwahrers stärker als Organisationspflichten, haben aber weniger drastische Auswirkungen als etwa Inhabilitätsregelungen. Da sie nur einzelne Geschäfte bzw. Tätigkeiten betreffen, dienen sie der Vermeidung punktueller Interessenkonflikte. Geht von einem punktuellen Konflikt bzw. einem einzelnen Geschäft eine erhebliche Gefährdung für die Interessen des Geschäftsherrn aus, wird dem Interessenwahrer die Vornahme dieses einzelnen Geschäfts verboten. Dies ist ausreichend, sofern sich der Konflikt auf das einzelne Geschäft beschränkt. Andererseits ist dies aber auch erforderlich, wenn das jeweilige (verbotene) Geschäft die Interessen des Geschäftsherrn erheblich gefährden würde und organisatorische Maßnahmen nicht geeignet sind, diese Gefahr zu verhindern. Dementsprechend stellen handlungsbeschränkende Regelungen besonders „verdichtete“ Konkretisierungen der Interessenwahrungspflicht für erhebliche punktuelle Interessenkonflikte dar. Sie sind daher auch nur zulässig, wenn ein solcher erheblicher Interessenkonflikt vorliegt. Sie erfordern eine eindeutige und rechtssichere Regelung und knüpfen daher regelmäßig an abstrakte Interessenkonfliktsituationen an. Es kommt nicht darauf an, ob im Einzelfall tatsächlich ein konkreter Interessenkonflikt vorliegt oder nicht.
II. Verbot des Insichgeschäfts nach § 181 BGB 1.) Grundsatz und Zweck Eine wesentliche Norm für Beschränkungen im Fall punktueller Interessenkonflikte ist § 181 BGB. Gemäß § 181 BGB kann ein Vertreter, soweit ihm nicht ein anderes gestattet ist, im Namen des Vertretenen weder mit sich im eigenen Namen (Selbstkontrahieren) noch als Vertreter eines Dritten (Mehr-
II. Verbot des Insichgeschäfts nach § 181 BGB
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fachvertretung) ein Rechtsgeschäft vornehmen, sofern das Rechtsgeschäft nicht ausschließlich der Erfüllung einer Verbindlichkeit dient. Schon bei den Beratungen zum BGB wurde argumentiert, dass das „Selbstkontrahiren stets die Gefahr eines Konflikts der Interessen und einer Schädigung des einen oder anderen Theiles mit sich bringe und daß es deshalb, soweit nicht durch das Gesetz oder durch die Vollmacht (ausdrücklich oder stillschweigend) dem Vertreter ein Anderes gestattet sei, ausgeschlossen werden müsse“.1 Vorrangiger Zweck von § 181 BGB ist es, den Vertretenen vor Gefahren aufgrund von Interessenkonflikten des Vertreters und daraus entstehenden Benachteiligungen zu schützen, die sich aus einem Fehlgebrauch der Vertretungsmacht ergeben.2 Die Regelung soll verhindern, dass bei Vertretungsgeschäften verschiedene und einander widersprechende Interessen von ein und derselben Person vertreten werden. Dies sind einerseits die eigenen Interessen des Vertreters, andererseits, im Fall der Mehrfachvertretung, die sich gegenüberstehenden Interessen mehrerer Vertretener.3 Diese Situationen bergen die Gefahr von Interessenkonflikten und damit einer Schädigung des bzw. eines der Vertretenen.4 Zugleich nimmt die Norm mit ihrer formalen Konzeption aber auch die Verkehrssicherheit in den Blick, indem sie gerade nicht auf den Interessenkonflikt im konkreten Einzelfall abstellt, sondern von diesem abstrahiert.5 Schon in den Protokollen wird vor der Unbestimmtheit und Unerkennbarkeit gewarnt, die eine materielle Anknüpfung mit sich bringen würde. 6 Dementsprechend spielt es bei § 181 BGB keine Rolle, ob ein Insichgeschäft auch tatsächlich zu einem konkreten Interessenkonflikt bei dem jeweiligen Vertreter führt. § 181 BGB regelt also nicht den materiellen, konkreten Interessenkonflikt, sondern nur den Fall der formalen Beteiligung derselben Person auf beiden Seiten bei
1 Prot. I, S. 353 = Mugdan I, S. 759. Vgl. auch Mot. I, S. 224 = Mugdan I, S. 476 („Bei dem Widerstreite der Interessen liegt die Gefahr des Mißbrauchs nicht fern“). 2 Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 3; Bork, AT BGB, Rdnr. 1585; Hübner, Interessenkonflikt, S. 139; vgl. auch Prot. I, S. 352 f. = Mugdan I, S. 759; Flume, AT BGB II, § 48, 1 (S. 811). Blomeyer, AcP 172 (1972), 1, 4 stellt auf die Interessenverletzung als Schutzgut von § 181 BGB ab, dazu Schubert, WM 1978, 290. Für einen Vergleich mit dem englischen Recht siehe Festner, Interessenkonflikte, insb. S. 69 ff. 3 Für Überlegungen zu einer unterschiedlichen Gewichtung dieser beiden Fälle (aber wegen der Gesetzeslage letztlich verneinend) Hübner, Interessenkonflikt, S. 85. Zu praktischen Problemen der Mehrfachvertretung in Unternehmen Schmitt, WM 2009, 1784. 4 Prot. I, S. 353 = Mugdan I, S. 759; BGHZ 64, 72, 76 m.w.N. 5 Prot. I, S. 353 f. = Mugdan I, S. 759; MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 3 ; Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 4 ; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 4 f.; vgl. auch Blomeyer, AcP 172 (1972), 1, 4 (nicht der Interessenkonflikt, sondern die Interessenverletzung sei Schutzgut der Vorschrift); Schubert, WM 1978, 290. 6 Prot. I, S. 353 = Mugdan I, S. 759. Bei einer materiellen Anknüpfung wäre etwa darauf abgestellt worden, dass das Insichgeschäft nur soweit zugelassen werden kann, wie es der dem Vertreter obliegenden Fürsorge für den Vertretenen entspricht.
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§ 9 Beschränkung des Handlungsspielraums
einem Vertragsschluss.7 Demzufolge wird ein Vertrag, den ein Interessenwahrer trotz eines Interessenkonflikts für den von ihm vertretenen Geschäftsherrn abschließt, nicht in jedem Fall von § 181 BGB erfasst.8
2.) § 181 BGB als vertretungsbezogene Interessenkonfliktregelung a.) Keine allgemeine Interessenkonfliktregelung Als Vorschrift des Allgemeinen Teils des BGB bietet sich § 181 BGB grundsätzlich als allgemeine Regelung für Interessenkonflikte an. Dagegen spricht jedoch der begrenzte Tatbestand, der nicht jeden Interessenwahrer und nicht jeden Interessenkonflikt erfasst.9 Das Insichgeschäft stellt einen bestimmten (ab strakten) Interessenkonflikt dar, der für die Vertretung spezifisch ist. Aber nicht jeder Interessenwahrer handelt als Vertreter – wie etwa der (bloße) Berater. Andererseits kann ein Interessenwahrer aber auch in anderen Situationen als der Vertretung in Interessenkonflikte geraten, die die Interessen des Geschäftsherrn gefährden können. Für diese Konflikte muss eine Lösung, die für vertretungsspezifische Konflikte sachgerecht ist, nicht unbedingt angemessen sein. Die Unterscheidung zwischen der Vertretung und dem ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter wirkt sich daher auch hinsichtlich der möglichen Interessenkonflikte und deren Regelung aus. Aufgrund der im Wortlaut der Norm zum Ausdruck kommenden eindeutigen Begrenzung auf das Insichgeschäft (Selbstkontrahieren, Mehrfachvertetung) und seine damit zum Ausdruck kommende spezifische vertretungsbezogene Ausrichtung kann die Norm daher nicht als allgemeine Interessenkonfliktregelung herangezogen werden. Außerdem spricht gegen eine Einordnung als allgemeine Konfliktregel, dass Interessenkonflikte in der Regel bereits vor der Abgabe rechtsgeschäftlicher Erklärungen auftreten und nicht erst bei deren Abgabe selbst.10 Daher sind Regelungen nötig, die schon zu einem früheren Zeitpunkt als demjenigen, in dem § 181 BGB eingreift, zur Anwendung kommen, um Interessenkonflikte zu vermeiden. § 181 BGB ist somit lediglich als eng begrenzte Konfliktregelung für die Vertretung anzusehen. Ob der Vertreter darüber hinaus auch in anderer Hinsicht oder sogar generell zur Wahrung der Interessen des Vertretenen verpflichtet ist, muss sich aus dem zugrunde liegende Vertragsverhältnis ergeben.
7 BGHZ 21, 229, 231; 50, 8, 11; 113, 262, 270; HK-InsO/Kayser, 5. Aufl. 2008, § 80 Rdnr. 33. Siehe dazu auch Jacoby, Das private Amt, S. 363. 8 BGHZ 113, 262, 270. 9 Gegen eine Heranziehung von § 181 BGB als allgemeine Regelung für Interessenkonflikte bzw. als Grundlage für Analogien siehe die Nachweise in Fn. 92. 10 Graf/Wunsch, DZWIR 2002, 177, 178.
II. Verbot des Insichgeschäfts nach § 181 BGB
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b.) § 181 BGB als vertretungsspezifische Ausprägung allgemeiner Rechtsgedanken zur Interessenwahrung Auch wenn diese sehr gewichtigen Argumente gegen eine Heranziehung von § 181 BGB als allgemeine Regelung für Interessenkonflikte sprechen, so stellt die Vorschrift doch eine besondere vertretungsspezifische Ausprägung allgemeiner Rechtsgedanken der Interessenwahrung dar. So findet etwa in § 181 BGB der auch bei anderen Interessenkonfliktregeln wichtige Regelungsansatz Anwendung, dass Interessenkonfliktregelungen, die neben dem Schutz des Geschäftsherrn auch den Schutz des Rechtsverkehrs im Blick haben, abstrakt-generell an typisierte Fallgruppen anknüpfen. Darüber hinaus ergibt sich aus der Regelung in § 181 BGB ein den anderen Fällen der Interessenwahrung vergleichbares grundlegendes – wenn auch begrenztes – Pflichtenprogramm. Zunächst einmal ist es dem Vertreter nicht erlaubt, ein Insichgeschäft abzuschließen – es handelt sich um einen gesetzlich erzwungene „Abstandnahme“ von dem (Insich-)Geschäft. Möchte der Vertreter dennoch in dieser Situation handeln, muss er die Konfliktsituation dem Vertretenen gegenüber offenlegen. Andernfalls, d. h. ohne Kenntnis der Konfliktsituation, wäre der Vertretene gar nicht in der Lage, das Geschäft zu „gestatten“ – § 181 BGB setzt also in diesem Fall eine Offenlegung voraus. Der Vertretene wiederum behält die Deutungshoheit über seine Interessen in Bezug auf die Vertretung und kann daher entsprechende Geschäfte erlauben.
3.) Anwendungsbereich von § 181 BGB Auch wenn also § 181 BGB nicht als allgemeine Regelung für Interessenkonflikte anzusehen ist, kann die Norm doch auf solche Fälle mittelbar oder unmittelbar angewendet werden, in denen die zugrunde liegende Interessenkonfliktsituation der in § 181 BGB geregelten vergleichbar ist. So erfasst etwa die Norm neben zweiseitigen Rechtsgeschäften auch einseitige empfangsbedürftige Rechtsgeschäfte,11 insbesondere wenn sie unmittelbar nur die Rechtsbeziehungen zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter betreffen.12 In entsprechender Anwendung wird § 181 BGB auch auf formal amtsempfangsbedürftige Willenserklärungen angewendet, deren Adressat dann allerdings sachlich eine Privatperson sein muss.13 Weiterhin findet § 181 BGB Anwendung auf die
11 RGZ 143, 350, 352; BGH NJW-RR 1991, 1441; MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 13; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 13; Bork, AT BGB, Rdnr. 1586; Flume, AT BGB II, § 48, 2 (S. 812); Hübner, Interessenkonflikt, S. 94 ff. 12 Hübner, Interessenkonflikt, S. 98. 13 RGZ 143, 350, 352 f.; zu Einzelheiten MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 28; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 40; Flume, AT BGB II, § 48, 2 (S. 814).
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§ 9 Beschränkung des Handlungsspielraums
Entgegennahme von Willenserklärungen,14 den Abschluss und die Änderung von Gesellschaftsverträgen bzw. Satzungen,15 rechtsgeschäftsähnliche Handlungen16 und – so zum Teil vertreten – analog auf Prozesshandlungen17. Der persönliche Anwendungsbereich von § 181 BGB erstreckt sich auf rechtsgeschäftlich bestellte und gesetzliche Vertreter18 sowie auf Organe19. Fungiert eine juristische Person ihrerseits als Vertreter, wie z. B. bei der GmbH & Co. KG, vertreten ihre Organvertreter die Geschäftspartei (hier die KG) zwar nur mittelbar, aber das ist für die Anwendbarkeit von § 181 BGB unerheblich.20 Darüber hinaus gilt § 181 BGB in analoger Anwendung auch für Verwalter fremden Vermögens, wie etwa den Insolvenzverwalter,21 den Nachlassverwalter22 und den Testamentsvollstrecker23 .24 Kein Fall von § 181 BGB soll hingegen vorliegen, wenn jemand auf derselben Seite des Rechtsgeschäfts sowohl für sich selbst als auch für einen von ihm Vertretenen handelt, 25 auch wenn im Einzelfall ein Interessenkonflikt beste14 Hübner, Interessenkonflikt, S. 96 f. Vgl. dazu auch MünchKommBGB/Eickmann, § 1183 Rdnr. 9. 15 Dies gilt sowohl für Kapitalgesellschaften als auch für Personengesellschaften. Siehe BGHZ 38, 26, 31; BGH NJW 1961, 724; 1976, 1538; 1989, 168, 169 (GmbH); MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 19, 21; Palandt/Ellenberger, BGB, § 181 Rdnr. 11a; Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 19 ff.; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 22; siehe andererseits aber BGHZ 33, 189, 191; BGHZ 51, 209, 217; BGH NJW 1991, 172. 16 Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 14 (bspw. Mahnung, Fristsetzungen). 17 Für analoge Anwendung MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 40; Soergel/Lep tien, BGB, § 181 Rdnr. 23. Dieses Verbot dagegen als Verfahrensgrundsatz betrachtend, sodass keine Analogie nötig sei, Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 27. 18 Hinsichtlich gesetzlicher Vertreter z. B. RGZ 71, 162 ff.; BGHZ 33, 189, 190; 50, 8, 10 f.; MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 36; Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 18; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 18. 19 BGHZ 33, 189, 190; 56, 97, 101; BGH WM 1967, 1164; MünchKommBGB/ Schramm, § 181 Rdnr. 37; zumindest entsprechende Anwendung: Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 18; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 19. 20 BayObLG DB 1979, 1934; Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 12. Beim Handeln der GmbH durch ihre Geschäftsführer für die KG muss daher die KG als die von der GmbH Vertretene dieses Handeln der GmbH-Geschäftsführer gestatten. Vgl. BGHZ 58, 115, 117; Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 36; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 49. 21 BGHZ 30, 67, 69; 113, 262, 270; AG Halle-Saalkreis, ZIP 1993, 1912, 1913 f.; MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 32 und 38; Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 33; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 39. 22 MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 32 und 38; Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 33; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 39. 23 BGHZ 30, 67, 69; 51, 209, 214 f.; 108, 21, 24; BGH WM 1960, 1419; MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 32 und 38; Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 32; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 38; Staudinger/Reimann, BGB, Vorbem zu §§ 2197 ff. Rdnr. 15 und § 2205 Rdnr. 59 ff. 24 Außerdem für den Zwangsverwalter und den Wohnungeigentumsverwalter, siehe Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 39. 25 RGZ 127, 103, 105 f.; BGHZ 50, 8, 10; 94, 132; OLG Düsseldorf, NJW 1985, 390; MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 12; Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 2; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 1 und 8.
II. Verbot des Insichgeschäfts nach § 181 BGB
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hen könnte. Dies wäre z. B. möglich, wenn das Angebot begrenzt ist, sodass die Wünsche von dem Vertreter und dem Vertretenen zusammen nicht vollständig befriedigt werden können.26 In ersteren Fall fehle es jedoch an einer generell-abstrakt fassbaren, vom konkreten Einzelfall abstrahierenden Interessenkollision, die im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit erforderlich sei.27 Auch mit Hilfe der juristischen Methoden läßt sich dieses Ergebnis begründen. Sofern der Vertreter ausschließlich auf einer Marktseite steht und gleichzeitig für sich und den Vertretenen handelt, ergibt sich die Nichtanwendbarkeit von § 181 BGB schon aus dem Wortlaut der Norm.28 Dieser setzt voraus, dass der Vertreter beim Vertragsschluss auf beiden Marktseiten handelt. Tritt der Vertreter aber auf beiden Seiten auf und handelt auf der einen Seite sowohl für sich selbst als auch für den Vertretenen, reicht die formale Beteiligung auf beiden Seiten beim Vertragsschluss für die Anwendbarkeit von § 181 BGB aus. Ein weiterer Fall, in dem die Anwendung von § 181 BGB erwogen wird, ist derjenige, in dem zwei oder mehr Gesamtvertreter bevollmächtigt worden sind und diese sich sodann gegenseitig zur Vertretung bevollmächtigen.29 Vor dem Hintergrund, dass im ähnlich gelagerten Fall der Eltern im Rahmen von § 1795 BGB nicht nur die Vertretungsmacht des Betroffenen, sondern auch die des anderen Elternteils fortfällt, erscheint es zweifelhaft, dass hier – diametral entgegengesetzt – der eine den anderen dazu bevollmächtigen bzw. ermächtigen können soll, als Alleinvertreter ein Geschäft zwischen ihm und dem Vertretenen vorzunehmen. Dass die Interessen des Vertretenen für den so zum Alleinvertreter gewordenen maßgebend sind, ist zwar richtig.30 Aber aus diesem Grund eine einseitige Interessenwahrung zu Lasten des Vertretenen ganz auszuschließen,31 erscheint doch fraglich. Denn der Vertretene hat die Gesamtvertreter gerade nicht zu Einzelvertretern gemacht, sondern in ihrer Handlungsfähigkeit beschränkt. Stützen lässt sich dies zudem auf die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften § 125 Abs. 2 Satz 2 HGB, § 78 Abs. 4 Satz 1 AktG und § 25 Abs. 3 GenG, die im Fall einer Gesamtvertretung eine solche Ermächtigung einzelner durch die übrigen zulassen. Würde bei einer Gesamtvertretung Vgl. MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 12. OLG Jena NJW 1995, 3126, 3127; MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 12; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 8. 28 Diese Beschränkung von § 181 BGB im Hinblick auf Konflikte auf derselben Marktseite ist ein weiteres Argument gegen eine Einordnung von § 181 BGB als allgemeine Interessenkonfliktregelung. 29 Erman/Maier-Reimer, BGB, § 181 Rdnr. 12; Jauernig/Mansel, BGB, § 181 Rdnr. 8; Hübner, Interessenkonflikt, S. 236 ff.; Mestmäcker, Verwaltung, S, 249; Reinicke, NJW 1975, 1185; a.A. BGHZ 64, 72, 76 (Ermächtigung bewirke, dass Gesamtvertretungsmacht zur Einzelvertretung „erstarke“); BGH NJW-RR 1986, 778; Palandt/Ellenberger, BGB, § 181 Rdnr. 12; MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 22; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 17. 30 MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 22. 31 MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 22. 26 27
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eine solche Ermächtigung einzelner von vornherein zulässig sein, bedürfte es nicht dieser besonderen Vorschriften.32
4.) Ausnahmen von § 181 BGB § 181 BGB enthält zwei Ausnahmen vom Verbot des Insichgeschäfts. Die erste ist, dass dem Vertreter „ein anderes gestattet“ ist, die zweite, dass das Geschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. a.) Gestattung Die Gestattung kann mittels Rechtsgeschäft erfolgen; dies ist auch formularmäßig oder im Rahmen einer Satzung möglich.33 Sie kann aber auch – aufgrund der neutralen Formulierung dieser Ausnahme – auf gesetzlichen Regelungen basieren. Der Vertretene kann zudem das Rechtsgeschäft nachträglich genehmigen. Bei einer Genehmigung ist die Gefahr einer Übervorteilung des Vertretenen gering, weil er bei der Genehmigung den Inhalt des Vertrages in der Regel bereits kennt bzw. sich vor seiner Genehmigung darüber informieren kann.34 Auch schließt die Formulierung von § 181 BGB eine gerichtliche Genehmigung grundsätzlich nicht aus. In jedem Fall bleibt der Vertreter aber, auch wenn er vom Verbot des Insichgeschäfts befreit worden ist, weiterhin dazu verpflichtet, die Interessen des Vertretenen im Hinblick auf die Vertretung zu wahren.35 Die rechtsgeschäftliche Gestattung, bei der es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung handelt,36 kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent erfolgen. Insbesondere im letzteren Fall ist erforderlich, dass der Vertretene das Risiko eines Interessenkonflikts „unmissverständlich und eindeutig“ bzw. „unzweifelhaft“37 übernommen hat. Für die Auslegung ist in diesem Zusammenhang von maßgeblicher Bedeutung, dass die Interessen der Betroffenen sachgerecht abgewogen werden.38 Entsprechend wurde eine konkludente Gestattung oft dann angenommen, wenn die Interessen des Vertretenen ausreichend gewahrt waren und es daher nicht erforderlich war, das In sichgeschäft zu deren Schutz zu verbieten.39 Dies ging sogar soweit, dass eine stillschweigende Gestattung bereits dann angenommen wurde, wenn der Be Für weitere Argumente siehe Reinicke, NJW 1975, 1185 ff. Dazu Hübner, Interessenkonflikt, S. 108 f.; siehe dort auch die Hinweise und Verweise hinsichtlich des Umgangs mit den Gefahren der formularmäßigen Gestattung. 34 Hübner, Interessenkonflikt, S. 109. 35 BGH WM 1975, 456 (für Organmitglieder); Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 35. 36 MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 45. 37 RGZ 51, 422, 427; 68, 172, 177; BGH NJW 1983, 1186, 1187; MünchKommBGB/ Schramm, § 181 Rdnr. 48. Für Beispiele siehe Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 52. 38 Hübner, Interessenkonflikt, S. 6. 39 Vgl. bspw. KG JW 1931, 661. 32 33
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vollmächtigte keinem besonderen Interessenkonflikt unterlag.40 Eine solche „Korrektur“ einer abstrakt anknüpfenden Regelung mittels Abstellens auf das Nichtvorhandensein eines konkreten Konflikts beeinträchtigt jedoch die mit der abstrakten Regelung angestrebte Rechtssicherheit. Außerdem verträgt sich eine solche materielle Korrektur der formal anknüpfenden Regelung nicht mit den Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre.41 Eine konkludente Gestattung kann aber dann angenommen werden, wenn das jeweilige Geschäft, das der Vertreter abschließen soll, nur als Insichgeschäft vorgenommen werden kann.42 In diesem Fall muss sich der Vertretene der besonderen Situation seines Vertreters, der in diesem Fall einem Interessenkonflikt ausgesetzt ist, bewusst sein. Gleiches kann für den Fall gelten, dass dieselbe Person in verschiedenen Gesellschaften als Organmitglied bestellt wird.43 Zwar muss eine solche Stellung in verschiedenen Gesellschaften nicht zu Insichgeschäften führen. Wo dies aber abzusehen ist – z B. wenn zwei Gesellschaften, etwa in einem Konzern, dieselbe Person als Geschäftsleiter haben und ständig miteinander Geschäfte machen –, muss sich das bestellende Organ dieses Umstands bewusst sein, sodass zumindest in diesem Fall ebenfalls von einer konkludenten Gestattung der Insichgeschäfte auszugehen ist. Erklären muss die rechtsgeschäftliche Gestattung der Vertretene. Im Fall der Mehrfachvertretung muss jeder Vertretene (selbst) zustimmen.44 Bei Organen juristischer Personen erfolgt die Gestattung durch das jeweilige Bestellungsor gan45 oder bereits durch die Satzung46 , bei Personengesellschaften durch Gesellschafterbeschluss.47 Nach dem Tod des Vollmachtgebers oder bei Beschränkung seiner Geschäftsfähigkeit kann der Erbe bzw. der gesetzliche Vertreter das jeweilige Geschäft genehmigen. Handelt es sich um eine postmortale Vollmacht kann die letztwillige Verfügung eine Gestattung enthalten.48 Bei Testamentsvollstreckern kann die Gestattung für Insichgeschäfte bereits vom Hübner, Interessenkonflikt, S. 119 f. m.w.N. Löhnig, Treuhand, S. 510. Dementsprechend plädiert etwa Hübner für eine Normenrestriktion (für den Fall, dass die Vollmacht den Inhalt des Rechtsgeschäfts so genau bestimmt, dass eine Übervorteilung des Vertretenen ausgeschlossen ist), vgl. Hübner, Interessenkonflikt, S. 120, S. 159 ff. 42 MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 49 (dort auch zu Beispielen). 43 RG Warn.Rspr. 1931, Nr. 153; OLG Celle, NJW 1947/48, 300; a.A. Hübner, Interessenkonflikt, S. 118 f.; Das gilt insbesondere in dem Fall, dass ein Alleininhaber zweier Gesellschaften ein Insichgeschäft vornimmt. 44 Dazu Hübner, Interessenkonflikt, S. 116. 45 BGH WM 1960, 803; 1971, 1048; 1975, 157; MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 50; Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 36; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 53. 46 RGZ 80, 180, 183; BGHZ 87, 59, 60; Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 36; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 53. 47 MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 50; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 54. 48 Löhnig, Treuhand, S. 510. 40 41
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Erblasser erteilt worden sein49 oder durch die Erben erfolgen.50 Eine Gestattung durch die Erben wird nicht dadurch gehindert, dass die Testamentsvollstreckung die Befugnis der Erben einschränkt, für den Nachlass zu handeln. Denn in der Verfügung über den Nachlass sind die Erben „regelmäßig insoweit nicht mehr beschränkt, als der Testamentsvollstrecker an der Ausübung seines Amtes aus Rechtsgründen verhindert ist“.51 Da § 181 BGB den Testamentsvollstrecker in der Ausübung seines Amtes beschränkt, können die Erben zumindest diese Einschränkung (durch Gestattung) beseitigen.52 Erfolgt die Gestattung durch den Erblasser muss die „Gestattung“ im Testament deutlich zum Ausdruck kommen bzw. mittels Testamentsauslegung zu ermitteln sein, weil § 181 BGB im Fall von Insichgeschäften eine besondere Beschränkung vorsieht, die über die allgemeine Anforderung der ordnungsgemäßen Verwaltung nach § 2216 Abs. 1 BGB hinausgeht; sie kann nicht schon in einem nicht näher bestimmten „Vertrauensverhältnis“ zwischen Erblasser und Testamentsvollstrecker gesehen werden.53 Eine konkludente Befreiung für Insichgeschäfte, die im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung genommen werden, lässt sich jedoch in der gleichzeitigen Einsetzung eines Miterben als Testamentsvollstrecker sehen.54 Im Fall des Insolvenzverwalters kann eine Gestattung weder durch die Gläubiger55 noch durch den Schuldner erfolgen. Letzterer kann sie nicht (mehr) vornehmen, weil ihm nach § 80 Abs. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis entzogen ist.56 Allein durch die Gläubiger kann eine Gestattung aber auch nicht erfolgen, denn unter Berücksichtigung von § 1 InsO wird der Insolvenzverwalter nicht nur in ihrem, sondern auch im Interesse des Schuldners tätig. Vertreten wird daher, dass Schuldner und Gläubiger gemeinsam gestat-
49 BGHZ 30, 67, 69; Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 36; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 58; dazu auch von Lübtow, JZ 1960, 151, 154 f. 50 BGHZ 30, 67, 70 f.; 51, 209, 217 f.; Hübner, Interessenkonflikt, S. 113; von Lübtow, JZ 1960, 151, 157; a.A. Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 58; Löhnig, Treuhand, S. 517 f. m.w.N. Zum Teil wird eine Gestattung durch die Erben als zulässig betrachtet, soweit das Geschäft nicht dem Willen des Erblassers widerspricht. Siehe Bamberger/Roth/Valenthin, BGB, § 181 Rdnr. 10; MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 38; Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 36; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 58. Zu der Frage, ob eine Gestattung durch einen anderen Testamentsvollstreckers möglich ist, sofern es einen solchen gibt, Hübner, Interessenkonflikt, S. 113 f. 51 BGHZ 51, 209, 217. 52 Hübner, Interessenkonflikt, S. 113. 53 Dazu Hübner, Interessenkonflikt, S. 113. 54 BGHZ 30, 67, 70; BGH WM 1960 1420; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 58. 55 Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 59; a.A. Hübner, Interessenkonflikt, S. 114 f. (Gläubiger), auf S. 116 auch zu anderen Verwaltern, insb. dem Zwangsverwalter und dem Nachlassverwalter. 56 Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 59.
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ten können sollen,57 weil es bei § 181 BGB darauf ankomme, in wessen Interesse die jeweilige Person handeln soll.58 Dagegen spricht jedoch, dass der Insolvenzverwalter nicht vertraglich bestellt wird. Da § 181 BGB formal anknüpft und der Insolvenzverwalter als gerichtlich bestellter Interessenwahrer den gesetzlichen Interessenwahrern zuzurechnen ist und nicht den vertraglichen Interessenwahrern, kann es auch hier nicht darauf ankommen, wessen Interessen wahrgenommen werden,59 sondern nur darum, wer den Insolvenzverwalter bestellt. Das ist jedoch das Insolvenzgericht, nicht die Gläubiger oder der Schuldner. Das Insolvenzgericht bzw. dessen Interessen sind aber nicht selbst von der Gestattung betroffen, auch ist das Gericht nicht zur Vertretung der Gläubiger und des Schuldners befugt. Dieses Auseinanderfallen von Bestellungskompetenz und Betroffenheit führt dazu, dass zum Schutz der Interessen der Betroffenen und zur gleichzeitigen Wahrung der Rechtssicherheit in diesen Fällen immer ein „Ersatzmann“, d. h. ein Sonderinsolvenzverwalter, bestellt werden muss.60 Auch bei gesetzlichen Vertretern von geschäftsunfähigen und beschränkt geschäftsfähigen Personen scheidet eine rechtsgeschäftliche Gestattung durch den Vertretenen aus.61 Denn dieser kann eine solche bis zur Erreichung der (unbeschränkten) Geschäftsfähigkeit nicht erteilen. Auch das Vormundschaftsgericht kann keine Gestattung aussprechen.62 Dieses ist nicht zur Vertretung des gesetzlich Vertretenen befugt, sondern nimmt fürsorgerische Aufgaben wahr und ist nur in dringenden Ausnahmefällen zur selbständigen und unmittelbaren Wahrnehmung der Interessen des gesetzlich Vertretenen (siehe § 1846 BGB) berechtigt.63 Auch widerspräche es dem Grundsatz der Gewaltenteilung, wenn das Gericht selbst in die Verwaltung eingriffe. 64 Aber auch wo das Gericht rechtsgeschäftliche Handlungen vornehmen könnte, soll es ihm nicht möglich sein, gegen § 181 BGB verstoßende Rechtsgeschäfte vorzunehmen oder sie jemand anderem zu übertragen, weil es bei seinen Handlungen selbst Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 36 (wenn sie sich einig sind, grds. sei aber ein Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen); Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 59. 58 Dazu auch Hübner, Interessenkonflikt, S. 115. 59 Dies wäre ein materieller, kein formaler Ansatz. 60 Zur Bestellung von Ersatzleuten ausführlicher unter § 10. Siehe im hiesigen Zusammenhang Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 33 (siehe aber Rdnr. 36, Gestattung gemeinsam durch Schuldner und Gläubiger auch möglich); Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 59. 61 BGHZ 21, 229 ff.; MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 42; Löhnig, Treuhand, S. 510 f.; Hübner, Interessenkonflikt, S. 110. Vgl. dazu auch RGZ 71, 162 ff. 62 RGZ 71, 162, 166 f.. Der Rechtsprechung des RG hat sich der BGH angeschlossen, vgl. z. B. BGHZ 21, 229, 234; BGH FamRZ 1961, 473, 475; siehe z. B. auch MünchKommBGB/ Schramm, § 181 Rdnr. 42; MünchKommBGB/Wagenitz, § 1795 Rdnr. 18; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 57; a.A. insbesondere Hübner, Interessenkonflikt, S. 125 ff. 63 RGZ 71, 162, 167; siehe auch BGHZ 21, 229, 234; MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 42; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 57; a.A. Hübner, Interessenkonflikt, S. 125 ff. 64 RGZ 71, 162, 167. 57
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an § 181 BGB gebunden sei. 65 Legt man dieses zugrunde, so ist in solchen Fällen wie beim Insolvenzverwalter ein „Ersatzmann“ zu bestellen – in diesem Fall ein Ergänzungspfleger (§ 1909 BGB) –, der das Rechtsgeschäft vornehmen bzw. genehmigen kann.66 Ein solches Vorgehen bietet sich auch im Fall von Insichgeschäften von Pflegern, wie dem Abwesenheitspfleger, dem Pfleger für unbekannte Beteiligte oder dem Nachlasspfleger an, wenn man diese mit der Rechtsprechung als gesetzliche Vertreter ansieht.67 Während die gerichtliche Gestattung umstritten ist, 68 sind gesetzliche Gestattungen anerkannt. Solche enthalten bspw. § 125 Abs. 2 Satz 2 HGB, § 78 Abs. 4 Satz 1 AktG oder § 25 Abs. 3 GenG. b.) Erfüllung einer Verbindlichkeit Die in § 181 BGB enthaltene Ausnahme der Erfüllung einer Verbindlichkeit wird von einigen als ein Fall der gesetzlichen Gestattung eingeordnet. 69 Diese Ausnahme beschränkt sich auf die Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB.70 Erfüllungssurrogate werden nicht erfasst.71 Da es sich bei Erfüllungssurrogaten nicht ausschließlich um eine Erfüllung handelt,72 könnte dem Vertretenen andernfalls etwas als Surrogat aufgedrängt werden, das nicht in seinem Interesse liegt, bzw. könnte er übervorteilt werden. Der Interessenkonflikt ist daher in diesem Fall nicht vollkommen ausgeschlossen. Eine Ausnahme gilt jedoch für die Aufrechnung, sofern dem Vertretenen keine Einrede gegen die Gegenforderung zusteht, auf deren Geltendmachung der Vertreter damit für den Vertretenen verzichten würde.73 Demgegenüber kann der Vertreter jedoch auf eine ihm selbst zustehende Einrede zugunsten des Vertretenen verzichten. 65 RGZ 71, 162, 170 (auch wenn das Gericht in einem solchen Fall als Behörde tätig werde, handle es sich um eine rechtsgeschäftliche Gestattung). Ausführlich gegen diese Rspr. Hübner, Interessenkonflikt, S. 126 ff. Wegen der praktischen Vorteile gegen diese Rspr. auch Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 42. 66 Vgl. dazu auch z. B. RGZ 71, 162, 169; 67, 61, 63; vgl. auch BGHZ 21, 229, 234; MünchKomm/Schramm, § 181 Rdnr. 42 und 55; Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 42 und 45; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 47 und 55; Hübner, Interessenkonflikt, S. 110. 67 Vgl. dazu etwa BGHZ 5, 240, 242 (Abwesenheitspfleger); RG Warn.Rspr. 1915, Nr. 310 (Pfleger für unbekannte Beteiligte); RGZ 50, 394; 106, 46 (Nachlasspfleger). 68 Dazu oben. Außerdem ausführlich Hübner, Interessenkonflikt, S. 125 ff. 69 Etwa Löhnig, Treuhand, S. 509; vorsichtiger Hübner, Interessenkonflikt, S. 132. Ausführlich zu § 181 letzter Hs. BGB (Erfüllung einer Verbindlichkeit) Lobinger, AcP 213 (2013), 366. 70 Ausführlich zu ihrer Rechtfertigung und Tragweite Hübner, Interessenkonflikt, S. 133 ff. 71 Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 43; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 62; Flume, AT BGB II, § 48, 6 (S. 820). 72 MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 58; Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 43; siehe auch Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 57. 73 MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 57; Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 43; Staudinger/Schilken, BGB § 181 Rdnr. 62; Löhnig, Treuhand, S. 509; Hübner, Interessenkonflikt, S. 137.
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5.) Teleologische Korrektur von § 181 BGB Da § 181 BGB nicht nur Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen hat, sondern auch mittelbare Auswirkungen auf Dritte haben kann, wird die Vorschrift von dem Spannungsverhältnis zwischen der inneren Einstellung des Vertreters und ihrer äußerlich wahrnehmbaren Erscheinung geprägt. Denn einerseits soll der Vertretene vor Interessenkonflikten des Vertreters geschützt werden, andererseits aber auch der Rechtsverkehr davor, dass Vertretergeschäfte aus Gründen, die Dritte nicht erkennen können, unwirksam sind. Wie andere von diesem Spannungsverhältnis geprägte Vorschriften knüpft § 181 BGB daher an den abstrakten Konflikt an, der im Fall eines Insichgeschäfts vorliegt. Dies führt notwendigerweise dazu, dass Sinn und Zweck von § 181 BGB, den Vertretenen vor Schädigungen aufgrund von Interessenkonflikten des Vertreters zu schützen,74 nur zum Teil verwirklicht werden können. Einerseits ist § 181 BGB von seiner Konzeption her zu weit, weil er nicht voraussetzt, dass im Einzelfall tatsächlich ein (konkreter) Interessenkonflikt besteht,75 andererseits ist er aber auch zu eng, weil er nicht alle Fälle von Interessenkonflikten erfasst, die im Rahmen der Vertretung entstehen können. Zurückzuführen ist dies auf die formale und abstrahierende Formulierung von § 181 BGB, die der Verkehrssicherheit dient.76 Aufgrund dieser Unzulänglichkeit der Vorschrift ist immer wieder erwogen worden, den Anwendungsbereich der Vorschrift an die besondere Risikolage bei Interessenkonflikten anzupassen.77 Dabei sind hinsichtlich der überschießenden Tendenz der Regelung Einschränkungen vorgeschlagen worden, hinsichtlich der zu engen Konzeption hingegen Erweiterungen, die jeweils materiell anknüpfen. Die grundsätzliche Zulässigkeit von weiteren Ausnahmen wird damit begründet, dass § 181 BGB selbst Ausnahmen für Fälle zulässt, in denen kein Interessenkonflikt besteht oder der Vertretene nicht schutzbedürftig ist. Da allerdings Erweiterungen oder Ausnahmen rechtssicher ausgestaltet werden müssen, können sie nur für solche Fälle bzw. Fallgruppen erfolgen, die sich abstrakt-generell beschreiben lassen und bei denen typischerweise eine Interessenkollision vorliegt (bei Ausdehnung des Anwendungsbereichs) oder typischerweise ausgeschlossen ist (bei Beschränkung des Anwendungsbereichs).78 74 Dazu ausführlich Hübner, Interessenkonflikt, S. 9 ff. Außerdem MünchKommBGB/ Schramm, § 181 Rdnr. 2 . 75 MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 3; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 4 ; Bork, AT BGB, Rdnr. 1592; Flume, AT BGB II, § 48, 1 (S. 811). 76 MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 3; Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 4; Staudinger/Schilken, BGB § 181 Rdnr. 4 f. Vgl. dazu auch Prot. I, S. 353 f. = Mugdan I, S. 759. 77 Dazu ausführlich z. B. Hübner, Interessenkonflikt, S. 138 ff. 78 Vgl. BGHZ 56, 97, 102 (geschäftsführender Alleingesellschafter einer GmbH); 59, 236, 240 (lediglich rechtlicher Vorteil beim Insichgeschäft); 75, 358, 361 (alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ist zugleich einziger Kommanditist der
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In allen anderen Fällen, bei denen eine abstrakt-generelle Beschreibung nicht möglich ist, muss § 181 BGB aus Gründen der Rechtssicherheit formal angewendet werden; andernfalls würde die Vorschrift wegen unbestimmter Interessenbewertungen nicht mehr handhabbar sein.79 a.) Normrestriktion, Ausweitung der Ausnahmen Dementsprechend kann mit der Rechtsprechung eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 181 BGB dann angenommen werden,80 wenn „für einen ganzen in sich abgegrenzten Rechtsbereich […] nach der Rechts- und Interessenlage, wie sie dort typischerweise besteht, die Zielsetzung des § 181 niemals zum Zuge kommen kann“.81 Dazu gehören beispielsweise die Geschäfte, bei denen der Vertretene lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt82 – etwa bei Schenkungen an Minderjährige, wobei im Einzelfall allerdings eine Prüfung der Nachteilsfrage erforderlich ist – und gehörten – bis zur Einführung von § 35 Abs. 4 GmbHG a.F. (jetzt § 35 Abs. 3 GmbHG) – Geschäfte zwischen der GmbH und deren Alleingesellschafter.83 Bei der Herausarbeitung dieser Fallgruppen achtete die Rechtsprechung darauf, Ausnahmetatbestände nur in Form abstrakter Fallgruppen aufzustellen und nicht auf eine am Einzelfall anknüpfende Entscheidungsfindung überzugehen. Eine solche Vorgehensweise erweist sich auch deshalb als sachgerecht, weil § 181 BGB kein formalisierendes Verfahren vorsieht, um auch bei Anknüpfung an materielle Kriterien ausreichende Eindeutigkeit und Rechtssicherheit zu gewährleisten, die aufgrund der Auswirkungen auf Dritte erforderlich sind.84 KG in einer GmbH & Co. KG); MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 9; Staudinger/ Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 6, 7; Bork, AT BGB, Rdnr. 1593. 79 Vgl. Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 7. 80 Die frühe Rechtsprechung hat Beschränkungen aufgrund wertungsjuristischer Erwägungen noch abgelehnt. Siehe RGZ 68, 172 ff.; außerdem BGHZ 33, 189. Allerdings hat sie die formale Herangehensweise nicht vollkommen konsequent gehandhabt, wenn sie z. B. gegen § 181 BGB verstoßende Rechtsgeschäfte nicht als unwirksam (Wortlaut: „kann nicht“), sondern nur als schwebend unwirksam und damit genehmigungsfähig eingestuft hat. Z. B. RGZ 56, 104, 107 f.; vgl. auch RGZ 119, 114, 116; BGHZ 21, 229, 234; BGH NJW 1959, 1430. Die Annahme einer nachträglichen Genehmigungsfähigkeit erscheint allerdings konsequent, wenn es dem Vertretenen möglich ist, das Rechtsgeschäft zu „gestatten“ (im Vorhinein, wegen des Wortlauts „gestattet ist“). Vgl. dazu Hübner, Interessenkonflikt, S. 5. 81 BGHZ 56, 97, 102 f.; 59, 236, 240; BGH NJW 1976, 49, 50. 82 BGHZ 59, 236; 94, 232. Zu dieser Ausnahme und ihren Einzelheiten ausführlich z. B. Hübner, Interessenkonflikt, S. 139 ff.; außerdem Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 32; krit. gegenüber dieser Fallgruppe Löhnig, Treuhand, S. 512 f.; Schubert, WM 1978, 290, 291 ff. 83 BGHZ 56, 97, 102 f.; 59, 236, 239 f.; 94, 232, 235; später, vor dem Hintergrund von § 35 Abs. 4 GmbH a. F. (jetzt Abs. 3 n. F.), anders BGHZ 87, 59, 61 f. Dazu Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 25 f.; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 31; Schubert, WM 1978, 290, 295 ff. 84 Löhnig, Treuhand, S. 512.
II. Verbot des Insichgeschäfts nach § 181 BGB
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b.) Ausweitung von § 181 BGB Neben der Frage nach einer Restriktion von § 181 BGB stellt sich auch die Frage nach einer möglichen Ausweitung des Anwendungsbereichs von § 181 BGB auf Fälle, in denen aufgrund eines Interessenkonflikts des Vertreters die Gefahr einer Benachteiligung des Vertretenen besteht und die nicht in § 181 BGB aufgeführt werden. Aus der Regelung in § 181 BGB lässt sich ableiten, dass der Gesetzeszweck, d. h. der Schutz des Vertretenen, Abweichungen von der formalen Betrachtung zulässt bzw. erfordert, solange die Verkehrssicherheit nicht gefährdet wird.85 Dementsprechend kann der Schutz des Vertretenen vor Interessenkonflikten im Rahmen von § 181 BGB ausgedehnt werden, sofern dabei der Schutz des Rechtsverkehrs ausreichend sichergestellt ist. Ebenso wie im Fall der Restriktion ist es daher auch im Fall einer Ausweitung aufgrund der Normzwecke, insbesondere des Rechtsverkehrsschutzes, angezeigt, diese nur anhand abstrakt-genereller Fallgruppen durchzuführen.86 Zunächst sind hier diejenigen Fälle zu nennen, in denen die Betroffenen versuchen, die Vorschrift des § 181 BGB und ihre beschränkenden Auswirkungen zu umgehen. Hierzu gehören die Fälle der Bestellung eines Untervertreters oder Strohmanns allein zu Umgehungszwecken.87 In diesen Fällen dient die Einschaltung des Untervertreters lediglich dazu, die Personenidentität zu vermeiden, die den Tatbestand des Insichgeschäfts erfüllt.88 Zudem ließe sich eine Anwendung von § 181 BGB auch damit begründen, dass der Vertreter als Vollmachtgeber des Untervertreters auf dessen Seite an dem jeweiligen Geschäft mittelbar selbst mitwirkt.89 Denn § 181 BGB erfordert nicht, dass der Vertreter höchstpersönlich auftritt.90 Dieselben Argumente können für den Fall herangezogen werden, in dem der Vertreter einen Untervertreter für seine eigene Person bestellt.91 Ist dem Vertreter hingegen das Selbstkontrahieren gestattet, 85 BGHZ 56, 97; 64, 72, 76 ff.; 77, 9; vgl. dazu auch MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 9 f.; Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 5; Staudinger/Schilken, BGB § 181 Rdnr. 7. 86 MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 10; Löhnig, Treuhand, S. 514. 87 BGHZ 64, 72, 74 ff.; BGH NJW 1991, 691, 692; Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 29; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 36; vgl. auch Flume, AT BGB II, § 48, 4 (S. 816 ff.); Harder, AcP 170 (1970), 295 ff.; Blomeyer, AcP 172 (1972), 1, 15 ff. MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 10 und 24 hält in diesem Fall eine Analogie für erforderlich. Ebenso Palandt/Ellenberger § 181 Rdnr. 12. Genau genommen handelt es sich hierbei allerdings nicht um eine Ausweitung von § 181 BGB. Denn für diesen Fall kann der allgemeine Grundsatz herangezogen werden, dass Verhaltensweisen, die allein der Umgehung einer Vorschrift dienen, dennoch von dieser Norm erfasst werden. 88 Bei der rechtlichen Prüfung ist allerdings zunächst zu untersuchen, ob der Vertreter überhaupt dazu bevollmächtigt ist, eine Untervollmacht zu erteilen. 89 Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 36; Flume, AT BGB II, § 48, 4 (S. 818); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 II 3 e (S. 264). 90 Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 29. 91 Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 29.
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§ 9 Beschränkung des Handlungsspielraums
steht es ihm auch frei, einen Untervertreter einzuschalten, § 181 BGB kommt dann nicht zur Anwendung.92 Eine Ausweitung des Anwendungsbereichs von § 181 BGB mittels einer analogen Anwendung auf nicht unmittelbare erfasste Interessenkonfliktsituationen wird aus Gründen des Schutzes des Rechtsverkehrs verbreitet abgelehnt.93 Bejaht wurde eine Analogie nur in eng begrenzten Fällen, in denen jemand ähnlich einem Vertreter agiert. So ist § 181 BGB z. B. auf den Insolvenzverwalter94 oder den Testamentsvollstrecker95 entsprechend anwendbar. Der Insolvenzverwalter darf somit weder ein Geschäft mit sich selbst abschließen, noch darf er einen Dritten bei einem Geschäft mit der Masse vertreten oder bei einem Geschäft zwischen zwei Insolvenzmassen für beide handeln.96
6.) Rechtsfolge Während bei einem Verstoß gegen § 181 BGB zunächst noch die Nichtigkeit als Folge angenommen wurde,97 wird heute herrschend von einer schwebenden Unwirksamkeit ausgegangen.98 Zum einen handelt es sich dabei um die ge BGH WM 1960, 420; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 37. Siehe etwa schon RG Warn.Rspr. 1910, Nr. 144 und 1932, Nr. 200; außerdem z. B. RGZ 157, 24, 31; BGHZ 91, 334, 336 f.; MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 35. Dazu Hübner, Interessenkonflikt, S. 3, 196 ff.; Flume, AT BGB II, § 48, 5 (S. 819 f.); Grundmann, Treuhandvertrag, S. 245 f. Eine analoge Anwendung wird etwa für den Fall verneint, dass ein Vertreter für den Vertretenen ein ihm günstiges, z. B. ein seine Verbindlichkeit sicherndes, Rechtsgeschäft gegenüber Dritten vornimmt. Dazu MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 35; Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 34; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 43; Jacoby, Das private Amt, S. 364; a.A. Hübner, Interessenkonflikt, S. 206 ff. Vgl. auch RGZ 71, 219, 220 f.; in Bezug auf den Insolvenzverwalter z. B. MünchKommInsO/Ott/ Vuia, § 80 Rdnr. 61 ff. 94 BGHZ 113, 262, 270; OLG Frankfurt a. M., BB 1976, 570, 571; LG Halle ZIP 1994, 572, 576; Bamberger/Roth/Valenthin, BGB, § 181 Rdnr. 10; MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 38; Palandt/Ellenberger, BGB, § 181 Rdnr. 3 ; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 39; RGRK/Steffen, BGB, § 181 Rdnr. 8 (Konkursverwalter); Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 33; Graf/Wunsch, DZWIR 2002, 177, 178; a.A. Skrotzki, KTS 1955, 111, 112. Zur Anwendung von § 181 BGB auf Amtswalter Jacoby, Das private Amt, S. 362 f.; Hübner, Interessenkonflikt, S. 76 ff. 95 Bamberger/Roth/Valenthin, BGB, § 181 Rdnr. 10; RGRK/Steffen, BGB, § 181 Rdnr. 8 ; Soergel/Leptien, § 181 Rdnr. 32. Bspw. darf ein Testamentsvollstrecker nicht die Stimmen von Geschäftsanteilen aus dem Nachlass ausüben, wenn es um seine Bestellung zum Geschäftsführer geht, weil er hierbei als Interessenwahrer agiert und nicht aufgrund eigener Beteiligung zur Abstimmung berechtigt ist. Siehe BGHZ 51, 209, 216 f.; MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 32; siehe außerdem RGZ 143, 350. 96 Vgl. z. B. MünchKommInsO/Graeber, § 56 Rdnr. 148. Für die Genehmigung eines unter Verstoß gegen § 181 BGB vorgenommenen Rechtsgeschäfts durch den Insolvenzverwalter ist ein Sonderverwalter zu bestellen. Siehe Soergel/Leptien, BGB, § 181 Rdnr. 33; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 59. 97 RGZ 51, 422, 424, 426; vgl. dazu die Ausführungen bei Hübner, Interessenkonflikt, S. 102 f. 98 RGZ 56, 104, 107 f.; 67, 51, 54 ff.; 68, 37, 40; 68, 172, 180; 89, 368, 374; 93, 334, 92 93
III. Mit § 181 BGB vergleichbare Beschränkungen
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setzlich vorgesehene Folge des Handelns des Vertreters ohne Vertretungsmacht. Zum anderen erlaubt es eine interessenorientierte Lösung auch in dem Fall, dass der Geschäftsherr bzw. Vertretene trotz des Konflikts des Vertreters das jeweilige Geschäft als seinen Interessen entsprechend ansieht.99 In diesem Fall – auch bei einseitigen Rechtsgeschäften100 – kann er ihm mittels Genehmigung zur Wirksamkeit verhelfen und so nicht erlaubte Insichgeschäfte, die für ihn günstig sind, an sich ziehen.
III. Mit § 181 BGB vergleichbare Beschränkungen 1.) Selbsteintritt des Kommissionärs Auf die Kommission, bzw. auf die mittelbare Stellvertretung generell, ist § 181 BGB (seinem Wortlaut nach) nicht anwendbar, weil der Kommissionär nur für Rechnung des Kommittenten, nicht aber in dessen Namen den Vertrag schließt.101 Der Gedanke des § 181 BGB findet sich jedoch in dem grundsätzlichen Verbot des Selbsteintritts des mittelbaren Stellvertreters wieder, dass sich unter anderem e contrario aus den handelsrechtlichen Regelungen über den Selbsteintritt des Kommissionärs in §§ 400 ff. HGB ergibt.102 Der Umstand, dass dort eine ausdrückliche Erlaubnis ausgesprochen wird, zeigt, dass der Selbsteintritt im Allgemeinen unzulässig ist. Der Selbsteintritt103 ermöglicht es dem Kommissionär, selbst Vertragspartner zu werden – sofern für den Vertragsgegenstand ein amtlich festgestellter Börsen- oder Marktpreis existiert, § 400 Abs. 1 HGB. Denn es ist nicht immer sicher, dass er in angemessener Zeit einen Vertragspartner für das übernommene Geschäft findet. Bei einem Selbsteintritt gerät der Kommissionär unmittelbar in einen Interessenkonflikt. Denn da er Vertragspartner des Austauschvertrages wird, kollidiert sein Interesse direkt mit demjenigen des Kommittenten. Als Käufer will er einen möglichst niedrigen Preis, als Verkäufer einen möglichst hohen Preis erzielen. Der Kommittent, für dessen Rechnung er zugleich handelt, hat jeweils das entgegengesetzte Interesse. In diesem Fall greifen zwei unterschiedliche 337; 108, 405, 406; 119, 114, 116; BGHZ 65, 123, 125 f.; BGH NJW 1959, 1430; MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rdnr. 41; Soergel/Leptien, BGB, § 181, Rdnr. 45; Staudinger/ Schilken, BGB, § 181 Rdnr. 45; Bork, AT BGB, Rdnr. 1600; Flume, AT BGB II, § 48, 1 (S. 811); Hübner, Interessenkonflikt, S. 103 f.; Tebben, DNotZ 2005, 173. 99 Hübner, Interessenkonflikt, S. 104. 100 Hübner, Interessenkonflikt, S. 104. Vgl. dazu auch Mot. I, S. 245 = Mugdan I, S. 488. 101 Löhnig, Treuhand, S. 524. 102 Hübner, Interessenkonflikt, S. 89. 103 Selbsteintritt ist im Fall der Einkaufskommission die Lieferung des zu kaufenden Gutes bzw. im Fall der Verkaufskommission die Übernahme des zu verkaufenden Gutes durch den Kommissionär. Siehe Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 400 Rdnr. 1.
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§ 9 Beschränkung des Handlungsspielraums
Vertragstypen ineinander – ein Vertrag des Interessengegensatzes, der Kaufvertrag, und ein Vertrag mit Fremdinteressenwahrungscharakter, die Kommission. Damit besteht in diesem Fall eine gleichartige Gefahren- und Interessenlage wie im Fall des Insichgeschäfts eines unmittelbaren Vertreters. Ob der Vertreter/Kommissionär einen Vertrag mit sich selbst für den Vertretenen abschließt oder später selbst in die vertraglichen Pflichten eintritt, bedeutet für den Vertretenen bzw. Kommittenten nur einen geringen Unterschied. Die Gefahr der Übervorteilung des Vertretenen/Kommittenten ist vergleichbar.104 Um den Interessenkonflikt zu lösen, wird auf einen unabhängigen Umstand, dem amtlich festgestellten Börsen- oder Marktpreis, also einen nachprüfbaren Festpreis,105 Bezug genommen, der vom Kommissionär nicht beeinflusst werden kann.106 Der Kommissionär darf keinen für den Kommittenten ungünstigeren Preis als diesen ansetzen, vgl. § 400 Abs. 5 HGB. Hätte er einen günstigeren Preis erzielen können oder hat er bei einem Deckungsgeschäft für das von ihm übernommene Geschäft einen besseren Preis erzielt, so muss er dem Kommittenten diesen berechnen, vgl. § 401 HGB. Auf diese Weise wird das gewöhnliche Austauschverhältnis, der Kaufvertrag, durch das Interessenwahrungsverhältnis überlagert. Mit diesen Regelungen soll die Gefahr von Benachteiligungen des Kommittenten aufgrund von Interessenkonflikten des auf beiden Seiten agierenden Kommissionärs weitgehend minimiert werden.107 Darüber hinaus bleibt der Kommissionär auch beim Selbsteintritt weiterhin zur Interessenwahrung verpflichtet.108 Daher darf er nur dann selbst eintreten, wenn dies mit den Interessen des Kommittenten vereinbar ist, also z. B. die Erfüllung durch ihn selbst, den Kommissionär, nicht zweifelhaft ist.109
2.) Beschränkungen der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers Für den Testamentsvollstrecker finden sich besondere Regelungen zur Beschränkung des rechtlichen Könnens, um pflichtwidrige Lösungen möglicher Interessenkonflikte zu verhindern, in § 2205 Satz 3 und § 2206 Abs. 1 BGB. Die Vorschrift in § 2205 Satz 3 BGB enthält eine Einschränkung der Verfü-
Hübner, Interessenkonflikt, S. 88. K. Schmidt, Handelsrecht, § 31 VI 1 a. aa (S. 908). 106 Sofern der Kommissionär den amtlich festgestellten Börsen- oder Marktpreis beeinflussen kann, weil es sich um einen sehr illiquiden Markt handelt, greifen zusätzlich Schutzvorschriften ein, wie z. B. das Marktmanipulationsverbot nach § 20a WpHG. 107 Canaris, Handelsrecht, § 30 Rdnr. 95 (S. 481). 108 BGH WM 1959, 999, 1001; Staub/Koller, HGB, § 400 Rdnr. 64; MünchKommHGB/ Häuser, § 400 Rdnr. 11; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 400 Rdnr. 42. 109 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 400 Rdnr. 4; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Krüger, HGB, § 400 Rdnr. 8. 104 105
IV. Zeitpunktbezogene Verbote bestimmter Geschäfte
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gungsmacht des Testamentsvollstreckers hinsichtlich unentgeltlicher110 Verfügungen, § 2206 Abs. 1 BGB die entsprechende Beschränkung seiner Verpflichtungsmacht. Gegen § 2205 Satz 3 BGB verstoßende Verfügungen sind schwebend unwirksam.111 Da § 2205 Satz 3 BGB (nur) dem Schutz der Erben und möglicher Vermächtnisnehmer vor unentgeltlichen Verfügungen des Testamentsvollstreckers dient, können diese jedoch auf diesen Schutz verzichten und die unentgeltliche Verfügung genehmigen.112 Der Wille des Erblassers sei in diesem Fall, so der BGH, nur insoweit zu berücksichtigen als der Erbe vor der Willkür des Testamentsvollstreckers geschützt werden soll.113 Dies ergebe sich aus § 2207 Satz 2 BGB. Danach darf der Testamentsvollstrecker auch in dem Fall, dass der Erblasser angeordnet hat, dass er keinen Beschränkungen hinsichtlich der Eingehung von Verbindlichkeiten unterliegen soll, dennoch nur solche unentgeltlichen Verfügungen vornehmen, bei denen es sich um Pflichtoder Anstandsschenkungen handelt. Dem sei die Tendenz zu entnehmen, dass bei unentgeltlichen Verfügungen der Wille des Erblassers in jeder Weise auszuschalten sei.114
IV. Zeitpunktbezogene Verbote bestimmter Geschäfte Eine Beschränkung des Handlungsspielraums des Interessenwahrers, in der die Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten zum Ausdruck kommt, stellen auch zeitbezogene Verbote bestimmter Geschäfte dar, wie etwa das Verbot des sog. Vorlaufens oder front running.
1.) Verbotenes Vorlaufen (front running) Front running umschreibt den Erwerb oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten in Kenntnis kursrelevanter Kundenaufträge bevor diese zur Ausführung gelangen, sodass der „front runner“ von der durch sie verursachten Kursbeeinflussung profitieren kann.115 Anders als § 181 BGB stellt das Verbot des front running nicht auf die Beteiligung des Interessenwahrers auf beiden Zur Unentgeltlichkeit in diesem Zusammenhang u. a. RGZ 81, 364 ff.; 105, 246, 248 ff.; MünchKommBGB/Zimmermann, § 2205 Rdnr. 72 ff.; Staudinger/Reimann, BGB, § 2205 Rdnr. 42 ff. 111 BGH DNotZ 1972, 90; Staudinger/Reimann, BGB, § 2205 Rdnr. 40. 112 BGHZ 57, 84, 92; MünchKommBGB/Zimmermann, § 2205 Rdnr. 80; Staudinger/ Reimann, BGB, § 2205 Rdnr. 56; a.A. Löhnig, Treuhand, S. 538 f. 113 BGHZ 57, 84, 92; siehe auch Staudinger/Reimann, BGB, § 2205 Rdnr. 56. 114 BGHZ 57, 84, 93. 115 Siehe dazu die Regelung in § 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 WpHG; dazu etwa BaFin, Emittentenleitfaden, S. 34 f. Zum Frontrunning siehe Fuchs/Fuchs, WpHG, § 13 Rdnr. 3, 114, 167, § 14 Rdnr. 151 ff.; Schwark/Zimmer/Schwark/Kruse, KMRK, § 14 WpHG Rdnr. 33; Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 140 f.; Sethe, in: Assmann/ 110
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§ 9 Beschränkung des Handlungsspielraums
Seiten, sondern auf den Zeitpunkt der Vornahme des Geschäfts ab. Der Handlungsspielraum des Interessenwahrers wird somit nicht generell formal, sondern lediglich für einen bestimmten Zeitraum beschränkt. Das Verbot des front running kann unter bestimmten Umständen Ähnlichkeiten zum Verbot der Aneignung von Geschäftschancen aufweisen: 116 Wenn das Kredit- bzw. Finanzinstitut den Auftrag seines Kunden zum Anlass nimmt, sich vorweg schnell zu bedienen und es in der Folge zu einer Kursveränderung kommt, sodass der Auftrag des Kunden zu einem schlechteren Preis ausgeführt wird, nimmt das Institut dem Kunden die Gelegenheit, einen günstige(re)n Abschluss zu erzielen.117 Bei dem heutigen schnellen Wertpapierhandel können selbst kurze Verzögerungen zu Preisabweichungen führen. Entsprechend liegt bei einem sofort ausführbaren Kundenauftrag schon in der verursachten Verzögerung eine Verletzung der Interessen des Kunden.118 Da ein solches Verhalten gegen das Kundeninteresse gerichtet ist,119 verstößt es gegen die Wohlverhaltensregel des § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG120 sowie gegen die vertragliche Interessenwahrungspflicht.
2.) Abgrenzung zum erlaubten Eigenhandel und Eigengeschäft Abzugrenzen ist der Fall des verbotenen front running vom grundsätzlich erlaubten Eigenhandel und Eigengeschäft von Wertpapierdienstleistungsunternehmen.121 Auch hierbei geht es letztlich darum, dass ein Wertpapierhandels unternehmen besondere Chancen auf dem Kapitalmarkt mit Hilfe des Eigenhandels nutzen möchte, um Geld zu verdienen. Wenn es zugleich Kunden marktbezogene Dienstleistungen, insbesondere etwa die Abwicklung von Orders, anbietet, kann es auch in diesem Fall zu erheblichen Interessenkonflikten kommen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen und dessen Kunde dieselben Finanzinstrumente erwerben oder veräußern möchten und das zeitlich spätere Geschäft nur zu schlechteren Be-
Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 12 Rdnr. 31, 53; Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 487 ff.; Hopt, FS Heinsius, 1991, S. 289, 294 f.; Kümpel, WM 1993, 2025, 2027 f. 116 Zum Verbot der Aneignung von Geschäftschancen ausführlich § 15. 117 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 488. 118 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 488. 119 Kümpel, WM 1993, 2025, 2028. 120 Sofern im Fall des Vorlaufens der Kundenauftrag wegen seines Volumens Auswirkungen auf den Kurs hat, fällt dieses Verhalten zudem unter das Insiderhandelsverbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG. Dazu etwa MünchKommHGB/Ekkenga, Effektengeschäft, Bd. 5, 2. Aufl., Rdnr. 506; außerdem bereits Kümpel, WM 1993, 2025, 2027 f. 121 Dazu schon Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 488 f. Zur Abgrenzung von Eigenhandel und Eigengeschäft siehe etwa § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und § 2 Abs. 3 Satz 2 WpHG.
V. Exkurs: Vorgaben für die Art und Weise der Ausführung eines Geschäfts
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dingungen durchgeführt werden kann.122 In diesem Fall sind beide daran interessiert, dass ihre Aufträge schnellst- und bestmöglich ausgeführt werden.123 Verbreitet wird für diesen Fall ein Vorrang des Kundeninteresses angenommen.124 Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen müsse gewährleisten, dass gleichzeitig stattfindende eigene Transaktionen nicht das Interesse der Kunden verletzten: 125 Daher hätten die Eigenhandelsinteressen des Wertpapierhandelsunternehmens hinter den Interessen der Kunden zurückzustehen. Ausnahmen sollen nur dann zulässig sein, wenn der Eigenhandel bzw. das Eigengeschäft des Wertpapierdienstleistungsunternehmens zu Vorteilen für die Kunden führt, z. B. weil sie dadurch bessere Abschlussbedingungen auf der Marktgegenseite erhalten.126 Andere lehnen einen generellen Vorrang der Kundeninteressen vor den Eigenhandelsinteressen ab.127 Das Wertpapierhandelsunternehmen sei nur verpflichtet, auf seinen Interessenkonflikt hinzuweisen. Auch steigere der Eigenhandel bzw. das Eigengeschäft die Marktliquidität, was im Interesse der Kunden sei. Seine Grenze finde dieser Ansatz jedoch dort, wo das Wertpapierdienstleistungsunternehmen Kundenorders gezielt dazu einsetzt oder einplant, eigene Geschäftsabschlüsse zu verbessern.128 Vorzugswürdig ist eine differenzierende Lösung: Wo eine entsprechende Organisation des Interessenwahrers – bzw. des Wertpapierdienstleistungsunternehmens – besteht, werden Interessenkonflikte weitgehend vermieden, sodass Eigengeschäfte unter Beachtung des Prioritätsprinzips gleichzeitig mit Kundenaufträgen abgewickelt werden können. Wo eine solche Organisation jedoch nicht gegeben ist, ist die Missbrauchsgefahr zu groß und muss daher die inhaltliche Priorität (Kundenvor Eigenorder) der zeitlichen Priorität der Aufträge vorgehen und den Kundenaufträgen daher der Vorrang eingeräumt werden.129
V. Exkurs: Vorgaben für die Art und Weise der Ausführung eines Geschäfts Um das Risiko eines Interessenkonflikts zu verringern, kann der Entscheidungsspielraum des Interessenwahrers auch mittels Vorgabe von Beurteilungs Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 77. Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 77. 124 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31c Rdnr. 3 (sofern Interessenkonflikte nicht durch Einrichtung von Vertraulichkeitsbereichen – weitestgehend – ausgeschlossen werden); Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 218. 125 Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 218. 126 Siehe die Darstellung bei Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 77. 127 Etwa Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 77; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 78. 128 Zum Vorangegangenen Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 78. 129 Dazu ausführlicher unter § 14 III.6.). 122 123
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§ 9 Beschränkung des Handlungsspielraums
maßstäben eingeschränkt werden. Diese verbieten das jeweilige Geschäft jedoch nicht, sondern beinhalten lediglich Vorgaben, auf welche Art und Weise der Interessenwahrer seine Tätigkeit ausführen und Entscheidungen treffen soll. Damit verringern sie die Möglichkeiten für (unbeobachtbare) Einflussnahmen und wirken so in gewissem Umfang eventuellen Abhängigkeiten entgegen. Bereits die Nichteinhaltung dieser Beurteilungsmaßstäbe reicht dann für eventuelle Sanktionen aus. Ein Interessenkonflikt muss dann nicht mehr nachgewiesen werden. Beurteilungsmaßstäbe ermöglichen es somit, auch konkrete und im Einzelfall schwer nachweisbare Interessenkonflikte sichtbar zu machen. Beispiele hierfür sind etwa Vorgaben für Wirtschaftsprüfer hinsichtlich der Vorgehensweise bei ihren Prüfungen oder auch die Rechnungslegungsstandards, deren Einhaltung sie zu überprüfen haben. Wesentliche den Entscheidungsfreiraum beschränkende Vorgaben enthält insbesondere die Insolvenzordnung, z. B. die genauen Regelungen, in welcher Reihenfolge welche Gläubiger zu befriedigen sind, §§ 36–55 InsO. Darüber hinaus spielt ganz allgemein auch die Dichte der Bestimmungen, die im jeweiligen Entscheidungsfall zu beachten sind, eine wichtige Rolle. Je dichter die Regelungen sind, d. h. je weniger Entscheidungsfreiraum dem Entscheidenden verbleibt, desto geringer ist die Gefahr, dass sachfremde Gesichtspunkte Einfluss auf die Entscheidungen nehmen können.130 Regelungen zu Entscheidungsabläufen, Kontrollmechanismen, zum Umgang mit Interessenkonflikten, bei Unternehmen generell die Vorschriften zur Corporate Governance oder auch die Bestimmungen über die Rangfolge von Ansprüchen (InsO) wirken daher nicht nur unmittelbar beschränkend, sondern tragen aufgrund der durch sie geschaffenen Regelungsdichte zu einer Verringerung der Gefahr von Interessenkonflikten bei.131
VI. Zusammenfassung Regelungen zur Beschränkung des Handlungsspielraums des Interessenwahrers, wie etwa das Verbot des Insichgeschäfts nach § 181 BGB, verbieten dem Interessenwahrer, bestimmte Geschäfte oder Tätigkeiten durchzuführen, verbieten aber nicht das jeweilige Interessenwahrungsverhältnis als Ganzes. Damit stehen sie von ihrer Eingriffsintensität her zwischen Organisationspflichten und Inhabilitätsregelungen. Da sie nur einzelne Geschäfte bzw. Tätigkeiten betreffen, dienen sie der Vermeidung punktueller Interessenkonflikte. Geht von einem punktuellen Konflikt bzw. einem einzelnen Geschäft eine erhebliche Gefährdung für die Interessen des Geschäftsherrn aus, wird dem Interessenwah Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 162. Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 162.
130 131
VI. Zusammenfassung
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rer die Vornahme dieses einzelnen Geschäfts verboten. Dementsprechend stellen diese handlungsbeschränkenden Regelungen besonders „verdichtete“ Konkretisierungen der Interessenwahrungspflicht für erhebliche punktuelle Interessenkonflikte dar. Sie erfordern eine eindeutige und rechtssichere Regelung und knüpfen daher regelmäßig an abstrakte Interessenkonfliktsituationen an. Es kommt nicht darauf an, ob im Einzelfall tatsächlich ein konkreter Interessenkonflikt vorliegt oder nicht. Eine grundlegende Norm für Beschränkungen im Fall punktueller Interessenkonflikte ist § 181 BGB. Die Regelung in § 181 BGB soll verhindern, dass bei Vertretungsgeschäften verschiedene und einander widersprechende Interessen von ein und derselben Person vertreten werden. Zugleich berücksichtigt die Norm mit ihrer formalen Konzeption aber auch die Verkehrssicherheit, indem sie gerade nicht auf den Interessenkonflikt im konkreten Einzelfall abstellt, sondern von diesem abstrahiert. Bei § 181 BGB handelt es sich nicht um eine allgemeine Regelung zum Umgang mit Interessenkonflikten, ihr Anwendungsbereich beschränkt sich auf das Vertretungsrecht. Sie stellt allerdings eine besondere vertretungsspezifische Ausprägung allgemeiner Rechtsgedanken der Regelungen für Interessenkonflikte dar. So knüpft sie etwa an abstrakte Interessenkonflikte an, sieht eine begrenzte „Abstandnahme“ vor und erlaubt eine Gestattung, die nur möglich ist, wenn der Vertretene über die Situation Bescheid weiß, also ggf. aufgeklärt worden ist. Beschränkungen des Interessenwahrers können nicht nur formal an die Beteiligung an einem Geschäft anknüpfen, sondern auch zeitbezogen, wie etwa im Fall des Verbotes des „Vorlaufens“ (front running). In diesem Fall wird der Betroffene von dem jeweiligen Geschäft zu dem bestimmten Zeitpunkt abgehalten, weil die Rechtsordnung das konfliktbeladene Geschäft (zu diesem Zeitpunkt) missbilligt.
§ 10 Vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers I. Einleitung Eine besondere Form der Beschränkung des Handlungsspielraums des Interessenwahrers stellt die – zeitweilige – Ersetzung des Interessenwahrers durch einen anderen oder die Übertragung von Kompetenzen auf einen anderen Interessenwahrer dar. Gesetzlich geregelt ist diese Art des Umgangs mit Interessenkonflikten vor allem für gesetzliche Interessenwahrer, wie etwa dem Vormund, für den im Fall seiner Verhinderung ein Pfleger bestellt wird. Denn anders als bei vertraglichen Interessenwahrern kann bei diesen der „Geschäftsherr“, dessen Interessen gewahrt werden sollen, regelmäßig nicht darüber entscheiden, ob die Zuständigkeit für bestimmte ihn betreffende Angelegenheiten auf andere übertragen werden sollte. Aber auch die im Aktiengesetz geregelte abweichende Zuständigkeit des Aufsichtsrats für die Vertretung der Gesellschaft bei Geschäften mit Vorstandsmitgliedern gehört in diesen Zusammenhang, weil sie zur Ersetzung des eigentlich geschäftsführenden Organs durch ein anderes führt.
II. Gesetzliche Interessenwahrer 1.) Ergänzungspfleger Die Vorschrift des § 1795 BGB begrenzt in den aufgeführten Fällen die Vertretungsmacht von Eltern, Vormund, Pfleger oder Betreuer. Der jeweilige Interessenwahrer muss, wie bei § 181 BGB, von der Interessenwahrnehmung Abstand nehmen. Insofern lässt sich § 1795 BGB als eine besondere familienrechtliche Weiterung von § 181 BGB verstehen.1 Anders als bei § 181 BGB ist in diesem Fall jedoch ein Ergänzungspfleger nach § 1909 Abs. 1 BGB zu bestellen.2 Auch verdrängt die Regelung in § 1795 BGB die Vorschrift des § 181 BGB nicht, vgl. § 1795 Abs. 2 BGB. Eine Gestattung, wie sie § 181 BGB vorsieht, ist jedoch nicht möglich, weil § 1795 BGB dies nicht vorsieht 3 und die besondere Soergel/Zimmermann, BGB, § 1795 Rdnr. 20. Dazu Erman/Saar, BGB, § 1795 Rdnr. 13. 3 RGZ 71, 162, 169; vgl. auch BGHZ 21, 229, 234. 1 2
II. Gesetzliche Interessenwahrer
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Konstellation bei gesetzlichen Interessenwahrern dieses – wie erwähnt – ohnehin ausschließt. Wie § 181 BGB ist § 1795 BGB formal konzipiert und listet abstrakt-generelle Fallgruppen auf, in denen typischerweise Interessenkonflikte entstehen; 4 eine konkrete Gefährdung der Mündelinteressen ist nicht erforderlich.5 Zu diesen Fallgruppen gehören Rechtsgeschäfte, die ein Vormund für das Mündel mit seinem Ehegatten, Lebenspartner oder Verwandten in gerader Linie tätigt und die nicht lediglich eine Erfüllung einer Verbindlichkeit darstellen.6 Des Weiteren werden von der Vorschrift alle Rechtsgeschäfte des Mündels erfasst, die mit akzessorischen Sicherheiten gesicherte Forderungen gegen den Vormund betreffen.7 Und schließlich werden die Fälle geregelt, in denen das Mündel in den genannten Fällen in einem Rechtsstreit vertreten werden muss.8 Sind die Voraussetzungen von § 1795 Abs. 1 BGB erfüllt, verliert der Vormund seine Vertretungsmacht und es muss ein Ergänzungspfleger bestellt werden, § 1909 Abs. 1 BGB. Dieser nimmt dann die Interessen des Mündels wahr. Daneben enthält § 1796 BGB eine Regelung über die Entziehung der Vertretung, die an materielle Erwägungen anknüpft und ein formalisierendes (gerichtliches) Verfahren vorsieht. Mit Hilfe dieses Verfahrens wird Rechtssicherheit gewährleistet, die andernfalls beeinträchtigt werden könnte, weil im Rahmen von § 1796 BGB auch konkrete Interessenkonflikte herangezogen werden können (die Interessen sollen „in erheblichem Gegensatz“ zueinander stehen, vgl. § 1796 Ab. 2 BGB).
2.) Sonderinsolvenzverwalter Auch im Insolvenzrecht gibt es die Möglichkeit einer kurzfristigen Ersetzung. Ist der Insolvenzverwalter aufgrund eines punktuellen Interessenkonfliktes9 kurzfristig an einer unabhängigen Ausübung seines Amtes gehindert, kann das Insolvenzgericht einen Sonderinsolvenzverwalter einsetzen.10 Solche Konflik Vgl. dazu Staudinger/Engler, BGB, § 1795 Rdnr. 2 . BGHZ 50, 8, 11; Soergel/Zimmermann, BGB, § 1795 Rdnr. 21; vgl. auch Erman/Saar, BGB, § 1795 Rdnr. 1. Zu § 181 BGB BGHZ 21, 229, 230 f. 6 § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB. 7 § 1795 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Diese Regelung soll nach verbreiteter Ansicht auch auf nichtakzessorische Sicherheiten, wie Grundschuld oder Sicherungseigentum angewandt werden. Siehe MünchKommBGB/Wagenitz, § 1795 Rdnr. 32; Soergel/Zimmermann, BGB, § 1795 Rdnr. 36; Erman/Saar, BGB, § 1795 Rdnr. 10; a.A. Staudinger/Engler, BGB, § 1795 Rdnr. 27. 8 § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB. 9 Leonhardt/Smid/Zeuner/Rechel, InsO, § 56 Rdnr. 52. 10 BGHZ 113, 262; OLG Celle ZIP 2001, 1957, 1600; OLG Frankfurt a. M. BB 1976, 570, 571; OLG München, ZIP 1987, 656, 657; Braun/Blümle, InsO, § 56 Rdnr. 47; Dahl, ZInsO 2004, 1014. Die Sonderinsolvenzverwaltung ist in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt. Zur Rechtsprechung siehe etwa BGHZ 113, 262, 270; 165, 96, 99; BGH 4 5
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§ 10 Vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers
te können entstehen, wenn die persönlichen Belange des Verwalters mit den Belangen der Masse oder, bei der Verwaltung mehrerer Massen durch einen Verwalter, die Belange verschiedener Massen miteinander kollidieren.11 Voraussetzung für die gerichtliche Einsetzung12 eines Sonderinsolvenzverwalters ist, dass „der Insolvenzverwalter aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen an der Wahrnehmung seiner Aufgaben verhindert ist oder […] zur Befriedigung bestimmter Gläubigergruppen Sondermassen zu bilden sind“13 . Dass die Insolvenzordnung keine ausdrückliche Regelung zur Sonderinsolvenzverwaltung enthält, bedeutet nicht, dass der Gesetzgeber die Ernennung eines Sonderverwalters als unzulässig angesehen hat. Der Regierungsentwurf für die Insolvenzordnung hatte zunächst eine Regelung zur Sonderinsolvenzverwaltung enthalten (vgl. § 77 RegE InsO), allerdings wurde diese im Rechtsausschuss abgelehnt.14 Dies geschah jedoch nur deshalb, weil der Sonderverwalter für etwas Selbstverständliches gehalten und daher kein besonderer Regelungsbedarf gesehen wurde.15 Die gesetzliche Grundlage der Bestellung des Sonderverwalters wird zum Teil in § 56 Abs. 1 InsO i.V.m. §§ 1915, 1909, 1975 BGB gesehen,16 zum Teil aber auch in § 92 Satz 2 InsO17 oder gar – aufgrund der Einordnung der Sonderinsolvenzverwaltung als gerichtliche Aufsichtsmaßnahme, was allerdings weniger überzeugt – in § 58 Abs. 1 InsO18 . Gegen eine Verortung in § 58 Abs. 1 InsO spricht, dass der Sonderinsolvenzverwalter nicht zu einem Gehilfen des Gerichts im Rahmen einer „gemischten Funktionseinheit“ wird, nur weil er
NZI 2009, 238; 2006, 474, 475; 2004, 496; OLG Celle NZI 2001, 551, 553. Zur Literatur siehe z. B. Frege, Sonderinsolvenzverwalter, passim; außerdem Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56 Rdnr. 75 ff.; Leonhardt/Smid/Zeuner/Rechel, InsO, § 56 Rdnr. 49 ff.; MünchKommInsO/Graeber, § 56 Rdnr. 153 ff.; Nerlich/Römermann/Delhaes, InsO, § 56 Rdnr. 29 ff.; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 56 Rdnr. 66 ff.; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 232 ff.; Bork, NZI 2005, 530; Graeber/Pape, ZIP 2007, 991; Lüke, ZIP 2004, 1693; Pape, ZInsO 2005, 953, 961 ff. 11 Dazu BGHZ 113, 262, 270; OLG Frankfurt a.M. BB 1976, 570, 571; OLG München, ZIP 1987, 656, 657; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56 Rdnr. 75; Leonhardt/Smid/ Zeuner/Rechel, InsO, § 56 Rdnr. 52; Nerlich/Römermann/Delhaes, InsO, § 56 Rdnr. 30; Dahl, ZInsO 2004, 1014; Kesseler, KTS 2000, 491, 494. 12 Auf eine gerichtliche Einsetzung haben die Gläubiger keinen Anspruch, vgl. OLG Celle NZI 2001, 551, 553. 13 Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht (1985), Leitsatz 1.3.1.4, S. 130 f. 14 RechtsA, BT-Drs. 12/7302, S. 162. 15 RechtsA, BT-Drs. 12/7302, S. 162. Dazu etwa Nerlich/Römermann/Delhaes, InsO, § 56 Rdnr. 29; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 56 Rdnr. 66. 16 Jaeger/Gerhardt, InsO, § 56 Rdnr. 76; Kesseler, KTS 2000, 491, 494. Entsprechend für die Situation nach der KO seinerzeit OLG Frankfurt a. M. BB 1976, 570, 571 (§ 78 KO i.V.m. §§ 1915, 1909, 1795 BGB). Gegen eine analoge Anwendung von § 1909 BGB Graf/Wunsch, DZWIR 2002, 177, 180. 17 Z. B. Lüke, ZIP 2004, 1693, 1694. Vgl. dazu auch Pape, ZInsO 2005, 953, 961 f. 18 Vgl. AG Göttingen, ZInsO 2006, 50, 51; Frege, Sonderinsolvenzverwalter, Rdnr. 53.
III. Organschaftliche Interessenwahrer
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das Insolvenzgericht dabei entlastet, seine Aufsichtspflicht wahrzunehmen.19 Außerdem handelt der Sonderinsolvenzverwalter selbständig und ist nicht an Weisungen gebunden.20 Er ist auch kein Vertreter des Verwalters.21 Wie dieser unterliegt er dem Unabhängigkeitsgebot nach § 56 Abs. 1 InsO – auch im Verhältnis zum Insolvenzverwalter. Er hat die gleichen Rechte wie der Insolvenzverwalter, allerdings konkretisiert durch die ihm zugewiesene besondere Aufgabe.22
III. Organschaftliche Interessenwahrer Im Gesellschaftsrecht besteht die Möglichkeit, die Zuständigkeit für bestimmte Angelegenheiten von einem auf ein anderes Organ zu übertragen. In diesen Fällen muss der „Ersatzmann“ also nicht extra bestellt werden, sondern ist bereits vorhanden.
1.) Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern Eine Verlagerung der Zuständigkeit bei der Aktiengesellschaft vom Vorstand – als dem regelmäßigen Vertretungsorgan der Gesellschaft – auf den Aufsichtsrat, sieht § 112 AktG vor: Nach § 112 Satz 1 AktG vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich gegenüber den Vorstandsmitgliedern.23 Dasselbe gilt für die GmbH, wenn diese einen Aufsichtsrat hat, § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 112 Abs. 1 AktG, sowie für die Genossenschaft, § 39 Abs. 1 Satz 1 GenG. Ist nach der Satzung der Genossenschaft kein Aufsichtsrat zu bilden, wird sie in diesem Fall durch einen von der Generalversammlung gewählten Bevollmächtigten vertreten, § 39 Abs. 1 Satz 2 GenG. Würde der Vorstand die Gesellschaft auch bei Geschäften mit Vorstandsmitgliedern oder bei Prozessen gegen Vorstandsmitglieder vertreten, bestünde die Gefahr eines Interessenkonflikts, weil eines oder einige der Vorstandsmitglieder dabei auch auf der anderen Seite stünden bzw. aufgrund der Zusammenar19 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 233 f. Für eine „gemischte Funktionseinheit“ allerdings Preuß, Zivilrechtspflege, S. 56 f. 20 LG Frankfurt/Oder ZInsO 1999, 45; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56 Rdnr. 78; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 56 Rdnr. 71; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 56 Rdnr. 79; Lüke, ZIP 2004, 1693, 1697. 21 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 234; Dahl, ZInsO 2004, 1014, 1015. 22 Jaeger/Gerhardt, InsO, § 56 Rdnr. 79; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 234 (dieser etwa auch zur Einbindung der Gläubiger in das Bestellungs- und Entlassungsverfahren des Sonderinsolvenzverwalters); Lüke, ZIP 2004, 1693, 1697; Graeber/Pape, ZIP 2007, 991, 997. 23 Zur Kompetenzverlagerung bei Interessenkonflikten von Organmitgliedern etwa Borsdorff, Interessenkonflikte, S. 4 4 ff. Siehe in diesem Zusammenhang auch Baumanns, Rechtsfolgen, S. 63 ff.
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§ 10 Vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers
beit der Vorstandsmitglieder persönlich enge Beziehungen zwischen diesen entstanden sein können.24 Damit würde – jedenfalls im ersteren Fall – eine vergleichbare Situation eintreten wie im Fall des Insichgeschäfts eines Vertreters. Da § 112 AktG den Fall des Selbstkontrahierens regelt und insofern bereits § 78 AktG einschränkt, kommt § 181 BGB in diesem Fall nicht zur Anwendung.25 Zudem hindert der zwingende Charakter von § 112 AktG eine satzungsmäßige Gestattung des Selbstkontrahierens.26 Dagegen kann § 112 AktG nicht auf den Fall der Mehrfachvertretung angewendet werden, also wenn ein Vorstandsmitglied bei einem Geschäft sowohl für die Gesellschaft als auch für den beteiligten Dritten handelt. Denn der Vorstand vertritt die Gesellschaft in diesem Fall nicht „gegenüber Vorstandsmitgliedern“ sondern gegenüber dem Dritten.27 Auf die Mehrfachvertretung durch den Vorstand findet § 181 BGB daher Anwendung.28 § 112 AktG gilt auch hinsichtlich ehemaliger und künftiger (im Vorfeld der Bestellung) Vorstandsmitglieder29 sowie wenn sich das Vorstandsmitglied vertreten lässt und es daher letztlich die Rechtsfolgen zu tragen hat 30 . Teilweise wird vertreten, dass § 112 AktG außerdem auf die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Gesellschaft gegenüber Angehörigen eines Vorstandsmitglieds oder gegenüber mit einem Vorstandsmitglied wirtschaftlich identischen Dritten erstreckt werden sollte.31 Mit Blick auf den Zweck von § 112 AktG, eine unbefangene Wahrung der Gesellschaftsinteressen sicherzustel-
24 BGHZ 103, 213, 216 f.; 130, 108, 111 f.; BGH NJW 1989, 2055, 2056; Hüffer, AktG, § 112 Rdnr. 1; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 21; siehe auch Fischer, ZNotP 2002, 297, 299. 25 OLG Hamburg ZIP 1986, 1049, 1051; Hüffer, AktG, § 78 Rdnr. 6 ; KölnKommAktG/ Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 78 Rdnr. 71; MünchKommAktG/Spindler, § 78 Rdnr. 111; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 78 Rdnr. 11; ders., in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 21; Hübner, Interessenkonflikt, S. 230. 26 Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 21; weitergehend Hübner, Interessenkonflikt, S. 230 („Insichgeschäft“). Auch eine Ausnahme für geringwertige Geschäfte werden abgelehnt, siehe etwa Hüffer, AktG, § 112 Rdnr. 3 ; für eine solche Ausnahme aber Wiedemann, Organverantwortung, S. 19. 27 MünchKommAktG/Spindler, § 78 Rdnr. 112; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 78 Rdnr. 12. 28 Zu Einzelheiten in diesem Zusammenhang etwa MünchKommAktG/Spindler, § 78 Rdnr. 112 ff. 29 Ausführlich GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 112 Rn 19 f., (künftige) 25 ff. (ausgeschiedene); außerdem Hüffer, AktG, § 112 Rdnr. 2 ; MünchKommAktG/Habersack, § 112 Rdnr. 11 (künftige), 12 ff. (ausgeschiedene); Fischer, ZNotP 2002, 297, 299; Werner, ZGR 1989, 369, 376 (künftige), 377 ff. (ausgeschiedene). 30 KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 112 Rdnr. 14; MünchKommAktG/Habersack, § 112 Rdnr. 8. 31 Bzgl. mit einem Vorstandsmitglied wirtschaftlich identischen Dritten KölnKomm AktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 112 Rdnr. 14; MünchKommAktG/Habersack, § 112 Rdnr. 9 ; Werner, ZGR 1989, 369, 373 f.; dagegen Fischer, ZNotP 2002, 297, 300 ff.
III. Organschaftliche Interessenwahrer
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len,32 lässt sich eine Erstreckung auf Angehörige dann in Betracht ziehen, wenn diese Ansprüche gegen die Gesellschaft geltend machen, die auf das Vorstandsverhältnis zurückzuführen sind.33 Bei solchen Ansprüchen (etwa Witwenrente) dürfte die Gefahr eines Interessenkonflikts der Vorstandsmitglieder bei Geltendmachung durch Angehörige ebenfalls höher als gewöhnlich sein; gleichzeitig ist mit der Anknüpfung an das Vorstandsverhältnis als dem Entstehungsgrund für den Anspruch die erforderliche Rechtssicherheit gewahrt.34 Im Fall eines mit einem Vorstandsmitglied wirtschaftlich identischen Dritten ist das Potential für Interessenkonflikte ebenfalls vergleichbar mit der Situation der Vertretung gegenüber dem Vorstandsmitglied selbst. Denn die wirtschaftlichen Folgen des Geschäfts treffen in diesem Fall das Vorstandsmitglied selbst. Wie die frühere Rechtsprechung zu § 181 BGB hinsichtlich der (früher geltenden, vgl. jetzt hingegen § 35 Abs. 3 GmbHG) Ausnahme für den Alleingesellschafter einer GmbH zeigt, lässt sich die wirtschaftliche Identität – allerdings nur in dem klaren Fall des Alleininhabers – als für die Gewährleistung der Rechtssicherheit ausreichend formalisierter Ausnahmefall einstufen. Zudem führt wirtschaftliche Identität auch im Zusammenhang mit Stimmverboten etwa im Aufsichtsrat dazu, dass das betroffene Mitglied nicht mitstimmen darf.35 Dementsprechend kann auch im Fall der wirtschaftlichen Identität § 112 AktG zur Anwendung kommen.36 Einen prozedural orientierten Mittelweg verfolgt in diesem Zusammenhang der DCGK. Dieser empfiehlt eine „teilweise“ Verlagerung auf den Aufsichtsrat insofern, als dass dieser bei wesentlichen Geschäften zwischen einem Vorstandsmitglied oder ihm nahestehenden Personen und der Gesellschaft zustimmen soll, Ziff. 4.3.4 Satz 3 DCGK. Zudem haben die Geschäfte branchenüblichen Standards zu entsprechen, Ziff. 4.3.4. Satz 2 DCGK. Gemäß Ziff. 4.3.5 DCGK soll schließlich bei Nebentätigkeiten eines Vorstandsmitglieds, insbesondere bei Aufsichtsratsmandaten außerhalb des Unternehmens, ebenfalls eine Zustimmung des Aufsichtsrats erfolgen. Handelt der Vorstand entgegen § 112 AktG für die Gesellschaft, sind die so getätigten Geschäfte wegen Verstoßes gegen die aktienrechtliche Zuständigkeitsordnung nach § 134 BGB nichtig.37 Zwar muss nicht jedes entgegen § 112 Hüffer, AktG, § 112 Rdnr. 1. Zu Angehörigen (in begrenzten Fällen) siehe Fn. 33. Gegen eine allgemeine Erstreckung auf Angehörige MünchKommAktG/Habersack, § 112 Rdnr. 9. 33 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 112 Rdnr. 39; Hüffer, AktG, § 112 Rdnr. 2a (entscheidend ist die anstellungsvertragliche Wurzel); KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 112 Rdnr. 11; MünchKommAktG/Habersack, § 112 Rdnr. 16. Siehe dazu LG München AG 1996, 38 aufgehoben durch OLG München WM 1996, 1859. 34 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 112 Rdnr. 38 (dort auch zu weiteren Argumenten). 35 Siehe dazu § 16 IV.2.)e.). 36 MünchKommAktG/Habersack, § 112 Rdnr. 9 ; Werner, ZGR 1989, 369, 373 f. 37 OLG Hamburg, WM 1986, 972, 974; GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 112 Rdnr. 108; Hüffer, AktG, § 112 Rdnr. 7, § 82 Rdnr. 5 ; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 112 32
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§ 10 Vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers
AktG abgeschlossene Geschäft die Interessen der Gesellschaft beeinträchtigen und kann es sogar in ihrem Interesse liegen, ein solches Geschäft mittels Genehmigung an sich zu ziehen.38 Aber das Aktiengesetz weist solche Geschäfte zwingend dem Aufsichtsrat zu, ohne dass es ihm die Möglichkeit einer Übertragung auf andere Organe einräumt. Damit kommt es für ein wirksames Handeln der Aktiengesellschaft allein auf die Willensbildung des Aufsichtsrats an, weil dieser nach § 112 Satz 1 AktG das für die Vertretung der Aktiengesellschaft in diesem Fall zuständige Organ ist.39 Hat der Aufsichtsrat keinen Beschluss über das Geschäft der Gesellschaft mit einem Vorstandsmitglied gefasst, hat die Gesellschaft nicht rechtswirksam gehandelt.40 Sofern sich das Organmitglied vertreten lässt, um diese Folge zu vermeiden, ist dies mit den Umgehungsfällen bei § 181 BGB vergleichbar, sodass § 112 AktG mit den entsprechenden Folgen auch in diesen Fällen anzuwenden ist.41
2.) Zuständigkeitsverlagerung auch bei Geschäften mit Aufsichtsratsmitgliedern de lege ferenda Überlegenswert erscheint es, wie bei Geschäften zwischen Vorstandsmitgliedern und Gesellschaft nach § 112 AktG auch bei Geschäften von Aufsichtsratsmitgliedern mit der Gesellschaft gemäß § 114 AktG eine Zuständigkeitsverlagerung vorzusehen.42 Nach § 114 Abs. 1 AktG hängt die Wirksamkeit solcher Geschäfte de lege lata von der Zustimmung des Aufsichtsrats ab. Die Situation im Hinblick auf Interessenkonflikte ist hier aber nicht anders als bei Vorstandsmitgliedern, wenn dessen Vorstandskollegen über ein Geschäft der Gesellschaft mit ihm entscheiden müssten. Auch Aufsichtsratsmitglieder sind nicht vor Interessenkonflikten gefeit, wenn es darum geht, über ein Geschäft der Gesellschaft mit einem anderen Aufsichtsratsmitglied zu entscheiden. Die geRdnr. 5. Anders dagegen bei Verstoß gegen die innere Ordnung des Aufsichtsrats, also etwa für den Fall, dass ein Aufsichtsratsmitglied ohne Vertretungsmacht handelt (dann §§ 177 ff. BGB) GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 112 Rdnr. 108; Hüffer, AktG, § 112 Rdnr. 7. 38 Dementsprechend für eine Einordnung als Handeln eines Vertreters ohne Vertretungsmacht, § 177 ff. BGB, und damit schwebende Unwirksamkeit des Geschäftes bei Verstoß gegen § 112 AktG OLG Celle, BB 2002, 1438 (unzuständiger Vorstand); OLG Karlsruhe AG 1996, 224, 225 (unzuständiger Aufsichtsratsvorsitzender); MünchKommAktG/ Spindler, § 78 Rdnr. 111; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 112 Rdnr. 42; Werner, ZGR 1989, 369, 392 ff.; siehe auch MünchKommAktG/Habersack, § 112 Rdnr. 32. 39 Dazu BGHZ 89, 48, 54, 55 f.; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 112 Rdnr. 5, 22. 40 Stein, AG 1999, 28, 32, 39. 41 Werner, ZGR 1989, 369, 371. 42 Vgl. dazu Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Aktionsplan: Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance – ein moderner Rechtsrahmen für engagiertere Aktionäre und besser überlebensfähige Unternehmen, Brüssel, 12.12.2012, COM 2012, 740 final, Nr. 3.2.
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meinsame Tätigkeit der Mitglieder kann (muss aber nicht) zu einem kollegialen Miteinander der Mitglieder führen, wodurch diese geneigt sein können, sich gegenseitig Vorteile (zu Lasten der Gesellschaft) zukommen zu lassen (mutual back scratching). Eine Zuständigkeitsverlagerung hinsichtlich der Zustimmung könnte diesen Interessenkonflikt verhindern. Eine Verlagerung der Zuständigkeit für die Zustimmung darf aber nicht auf den Vorstand erfolgen, weil dies nur zu einem anderen Interessenkonflikt führen würde. Da der Vorstand vom Aufsichtsrat überwacht wird, würde er in einem solchen Fall in einen Interessenkonflikt geraten, da er geneigt sein wird, sich das Wohlwollen der Aufsichtsratsmitglieder zu sichern. Dass ein solcher Konflikt – Einflussnahme des Überwachten auf den Überwacher – ausgeschlossen werden muss, zeigt etwa § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AktG. Dementsprechend müsste de lege ferenda die Hauptversammlung die Zuständigkeit für die Zustimmung erhalten.43 Hierfür spricht auch der Gedanke der Regelung in § 113 AktG, wonach die Hauptversammlung für die Festsetzung der Vergütung zuständig ist, wenn die Satzung keine Regelung vorsieht. Problematisch an einem solchen Vorschlag ist allerdings, dass dies ein umständlicher, lang dauernder und mit erheblichen Risiken behafteter Prozess ist, der letztlich einem Verbot solcher Verträge nahekommen würde. Denn regelmäßig müsste die Hauptversammlung unter Berücksichtigung aller Formalitäten und Fristen einberufen werden und es wäre mit Beschlussanfechtungen zu rechnen. Sachgerechter dürfte daher in diesem Fall die Einbeziehung eines neutralen Dritten sein, der unabhängig begutachtet,44 ob ein Geschäft der Gesellschaft mit einem Aufsichtsratsmitglied die Interessen der Gesellschaft verletzt. Dieser Dritte sollte vorzugswürdigerweise der Abschlussprüfer sein, der ohnehin bereits das Unternehmen prüft und daher einen entsprechenden Einblick in das Unternehmen hat. Diesem könnte im Rahmen eines Hauptversammlungsbeschlusses die Aufgabe übertragen werden, im kommenden Geschäftsjahr alle Geschäfte zwischen Aufsichtsratsmitgliedern und Gesellschaft zu begutachten. Da es sich hierbei um eine Prüfungsaufgabe handeln würde, käme es dabei auch nicht zu einem Konflikt mit der von ihm durchgeführten Abschlussprüfung.
3.) Wahl und Bestellung des Abschlussprüfers Im Fall der Wahl bzw. Bestellung des Abschlussprüfers sehen die gesetzlichen Vorschriften eine Verlagerung der Zuständigkeit von dem für gewöhnlich mit der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft betrauten Organ auf andere Organe der Gesellschaft vor. Diese Zuständigkeitsregelungen haben Europäische Kommission, Aktionsplan (Fn. 42), a.a.O. Europäische Kommission, Aktionsplan (Fn. 42), a.a.O.
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gleich in zweifacher Hinsicht interessenkonfliktbezogene Wirkung: Zum einen beschränken sie den Handlungsspielraum des zur Interessenwahrung verpflichteten Vorstands bzw. Geschäftsführers, zum anderen sollen sie die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers sichern. In letzterer Hinsicht stellen sie eine indirekte Regelung dar. Denn sie setzen nicht bei dem Betroffenen selbst an, wirken sich aber auf ihn aus. a.) Grundsatz Für die Wahl bzw. Bestellung des Abschlussprüfers sind die Gesellschafter, § 318 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. HGB, bzw. die Hauptversammlung, § 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG,45 zuständig. Diese können bei ihrer Wahl frei entscheiden; sie sind weder an Vorschläge gebunden noch abhängig von der Zustimmung anderer Organe.46 Vorstandsmitglieder, die zugleich Aktionäre sind, bzw. Geschäftsführer der GmbH, die zugleich Gesellschafter sind,47 dürfen bei dieser Wahl zwar mitstimmen, aber sie dürfen niemanden für die Wahl vorschlagen.48 Für die KGaA sieht § 285 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 AktG mit Blick auf die Vorstandsfunktion der Komplementäre hingegen zwingend49 vor, dass für diese das Stimmrecht auf der Hauptversammlung bei der Wahl des Abschlussprüfers ausgeschlossen ist.50 Im Fall der Aktiengesellschaft kommt als weitere Absicherung hinzu, dass die Erteilung des Prüfauftrages sodann Sache des Aufsichtsrats ist, § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG. Zudem hat der Abschlussprüfer den Prüfbericht nicht dem Vorstand sondern dem Aufsichtsrat (unmittelbar) zuzuleiten, § 321 Abs. 5 Satz 2 HGB.51 Diese Zuständigkeitsregelungen erschweren es dem Vorstand, auf den Abschlussprüfer Druck auszuüben, indem sie die wegen des privatrechtli45 Diese Regelung ist wegen § 23 Abs. 5 AktG zwingend. Anders dagegen bei der GmbH, für die § 318 Abs. 1 Satz 2 HGB erlaubt, im Rahmen des Gesellschaftsvertrages Abweichungen vorzunehmen. Die Zuständigkeit kann somit auf ein anderes Organ der Gesellschaft übertragen werden. Dazu Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 7. 46 Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 5 ; MünchKommHGB/Ebke, § 318 Rdnr. 4. 47 § 47 Abs. 4 GmbHG erfasst diesen Fall nicht, zumal es sich bei der Abschlussprüfung nicht um eine Geschäftsführerprüfung handelt. Siehe dazu Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 6; MünchKommHGB/Ebke, § 318 Rdnr. 6; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Wiedmann, HGB, § 318 Rdnr. 7; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 318 Rdnr. 118 (auch eine Analogie zu § 285 AktG – Komplementäre der KGaA – sei nicht geboten). 48 Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 5. 49 Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 9; Hüffer, AktG § 285 Rdnr. 1; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 318 Rdnr. 112; MünchKommHGB/Ebke, § 318 Rdnr. 5. 50 Sofern sie allerdings alle Aktien halten, sind sie als Kommanditaktionäre stimmberechtigt. Siehe Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 9 ; vgl. dazu Hüffer, AktG, § 136 Rdnr. 5. 51 Auch ist er nach § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG dazu verpflichtet, an der Bilanzsitzung des Aufsichtsrates oder des Prüfungsausschusses teilzunehmen.
IV. Zusammenfassung
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chen Vertrages mit der zu prüfenden Gesellschaft bestehende Abhängigkeit des Abschlussprüfers52 ausnutzen oder ihm gar damit drohen, ihn nicht mehr wieder zu bestellen. b.) Grenzen abweichender Satzungsbestimmungen bei der GmbH Im Fall der GmbH ist die Regelung einer abweichenden Zuständigkeit für die Wahl des Abschlussprüfers wegen § 318 Abs. 1 Satz 2 HGB zwar zulässig.53 Eine Übertragung auf den bzw. die Geschäftsführer ist jedoch ausgeschlossen, weil dies wegen des dann drohenden Interessenkonflikts weder mit der Funktion der Abschlussprüfung noch mit dem Bestreben des Gesetzgebers, die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers zu gewährleisten, vereinbar ist.54 Selbst getroffene Zuständigkeitsregelungen dürfen die Funktion der Abschlussprüfung, eine unabhängige Überprüfung der von der Geschäftsführung zu verantwortenden Rechnungslegung zu gewährleisten, nicht unterlaufen, sondern müssen sich vielmehr an ihr orientieren.55 Denn die diesbezüglichen Regelungen stellen wesentliche organisationsrechtliche Vorgaben dar, um Interessenkonflikte bzw. von der Sphäre der Überprüften ausgehende Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers zu verhindern. Gestützt wird dies durch Art. 37 Abs. 2 der Abschlussprüferrichtlinie, wonach für den Fall einer Delegation des Bestellungsrechts auf ein anderes Organ sichergestellt sein muss, dass die Unabhängigkeit des Prüfers von den Geschäftsführern gewährleistet ist.56 Das vorangegangene muss auch dann gelten, wenn der Geschäftsführer Mehrheitsgesellschafter ist und somit bestimmenden Einfluss auf die Wahl des Abschlussprüfers nehmen kann, denn der Mehrheitsgesellschafter soll sich zumindest dem Abstimmungsprozess stellen und in der Versammlung seine Wahl begründen müssen.57
IV. Zusammenfassung Die zeitweilige Übertragung von Kompetenzen auf einen anderen Interessenwahrer bzw. die zeitweilige Ersetzung des Interessenwahrers durch einen ande52 Insbesondere wegen des von der Gesellschaft an ihn zu zahlenden Honorars, Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 163. 53 Im Fall der AG ist dies wegen des zwingenden Charakters von § 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG nicht möglich. Siehe MünchKommHGB/Ebke, § 318 Rdnr. 4. 54 Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 318 Rdnr. 1; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh. zu § 42 Rdnr. 16; MünchKommHGB/Ebke, § 318 Rdnr. 6; Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 8; a.A. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 318 Rdnr. 126; BeckBilKomm/Förschle/Heinz, § 318 Rdnr. 6. 55 Vgl. Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 8. 56 Zu diesem Argument Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 8. 57 Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 8.
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§ 10 Vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers
ren stellt eine besondere Form der Beschränkung des Handlungsspielraums des Interessenwahrers dar. Sie kommt dann zur Anwendung, wenn der Geschäftsherr ein erhebliches Interesse an der Ausführung eines Geschäfts hat, die Rechtsordnung aber dessen Vornahme durch den jeweiligen Interessenwahrer missbilligt, weil dieser sich in einem Interessenkonflikt befindet. Da es sich um eine zeitlich befristete Maßnahme handelt, kommt eine vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers nur bei punktuellen Interessenkonflikten in Betracht. Gesetzlich geregelt ist diese Art des Umgangs mit Interessenkonflikten vor allem für gesetzliche Interessenwahrer, weil bei diesen der „Geschäftsherr“ in der Regel nicht selbständig für eine zeitweise Auswechslung sorgen kann. Beispiele dafür sind die Bestellung eines Pflegers für den verhinderten Vormund oder die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters. Aber auch die im Aktiengesetz geregelte abweichende Zuständigkeit des Aufsichtsrats für die Vertretung der Gesellschaft bei Geschäften mit Vorstandsmitgliedern sowie die Verlagerung der Zuständigkeit im Fall der Wahl bzw. Bestellung des Abschlussprüfers lassen sich hierzu zählen. Letztere dient dabei nicht nur der Beschränkung des Vorstands bzw. Geschäftsführers, sondern zugleich auch der Sicherung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers.
§ 11 Wettbewerbsverbote I. Einleitung Wettbewerbsverbote ähneln in ihrer beschränkenden Wirkung den in § 9 diskutierten Handlungsbeschränkungen. Anders als bei diesen geht es hier jedoch nicht um die Beschaffenheit eines Geschäfts, das der Interessenwahrer für den Geschäftsherrn schließt, sondern um die Zuordnung von Geschäften, die der Interessenwahrer gerade nicht für den Geschäftsherrn schließen will. Wettbewerbsverbote verfolgen somit einen anderen Regelungsansatz als die in in § 9 diskutierten Handlungsbeschränkungen und kommen nur bei Interessenwahrern zur Anwendung, die im Wirtschaftsverkehr Geschäfte für ihren Geschäftsherrn tätigen.
II. Grundsatz, Schutzzwecke und dogmatische Verankerung 1.) Grundsatz und rechtliche Verankerung Wettbewerbsverbote verbieten dem Interessenwahrer, eigene oder andere fremde geschäftliche Interessen in der Interessensphäre des Geschäftsherrn wahrzunehmen und so zu diesem in Konkurrenz zu treten. Bei ihnen handelt es sich somit um eine geschäftsbezogene Ausprägung des Gebotes, Interessenkonflikte zu vermeiden, und damit um besondere Konkretisierungen der Treue- bzw. Interessenwahrungspflicht.1 Gesetzlich normierte Wettbewerbsverbote für Fremdinteressenwahrer bestehen für den Handlungsgehilfen (§ 60 Abs. 1 HGB) und für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft (§ 88 Abs. 1 AktG). Da rüber hinaus gelten auch für Gesellschafter Wettbewerbsverbote: für persön1 Vgl. in diesem Zusammenhang OLG Frankfurt a. M. AG 2000, 518, 519; OLG Oldenburg NZG 2000, 738, 740; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 164; ders., ZGR 2004, 1, 11; GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 3 ; Hüffer, AktG, § 88 Rdnr. 1; MünchKommAktG/ Spindler, § 88 Rdnr. 1; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 88 Rdnr. 2 ; ders., in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 8 ; Rusch, Gewinnhaftung, S. 220; Grigoleit, ZGR 2010, 662, 665; Schiessl, GmbHR 1988, 53; Röhricht, WpG 1992, 766, 768; vgl. auch Kübler, FS Werner, 1984, S. 437, 438. Zur Drittwirkung von Wettbewerbsverboten z. B. Altmeppen, ZIP 2008, 437; Grigoleit, ZGR 2010, 662; Hellgardt, ZIP 2007, 2248; Hoffmann-Becking, ZHR 175 (2011), 597; Weller, ZHR 175 (2011), 110.
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§ 11 Wettbewerbsverbote
lich haftende Gesellschafter der OHG (§ 112 Abs. 1 HGB), der KG (§§ 161 Abs. 2, 112 Abs. 1 HGB) sowie der KGaA (§ 284 Abs. 1 AktG).2 Diese wurzeln allerdings in der mitgliedschaftlichen, nicht in der (fremd-)organschaftlichen Treuepflicht, was ihre etwas andere Ausrichtung erklärt. So zielen sie, anders als das Wettbewerbsverbot in § 88 AktG, nicht darauf ab, auch die volle Arbeitskraft des vom Verbot Betroffenen sicherzustellen.3 Auch gehen die Wettbewerbsverbote in § 60 Abs. 1 HGB und § 88 Abs. 1 AktG über die personengesellschaftsrechtlichen Wettbewerbsverbote hinaus, indem sie auch den Betrieb eines Handelsgewerbes untersagen.4 Da die mitgliedschaftlichen Wettbewerbsverbote den Verträgen der Interessengemeinschaft zuzuordnen sind und nicht den Fremdinteressenwahrungsverhältnissen, werden sie im Folgenden ausgeklammert. Verstößt der Interessenwahrer gegen ein Wettbewerbsverbot, so ist er insbesondere zum Schadensersatz oder stattdessen – wenn es der Geschäftsherr verlangt – zur Herausgabe des erlangten Gewinns verpflichtet, vgl. § 61 Abs. 1 2. Hs. HGB, § 88 Abs. 2 Satz 2 AktG.
2.) Schutzzwecke des Wettbewerbsverbots Den für Interessenwahrer geltenden Wettbewerbsverboten liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass ein Interessenwahrer im Tätigkeitsfeld des Geschäftsherrn nicht in geschäftliche Konkurrenz zu diesem treten soll, weil er sonst einen besonderen Anreiz hätte, dessen Interessen zum eigenen Vorteil zu benachteiligen. Im Einzelnen verfolgen die Wettbewerbsverbote mehrere Schutzzwecke: Erstens sollen sie die Interessen des Geschäftsherrn im Hinblick auf seine Informationen schützen.5 Denn mit der Öffnung der Interessensphäre ermöglicht der Geschäftsherr dem Interessenwahrer regelmäßig den Zugriff auf seine Informationen, die dieser dann zu Lasten des Geschäftsherrn ausbeuten könnte, um eigene Interessen oder die von Dritten zu verfolgen. Zweitens sollen Wettbewerbsverbote verhindern, dass ein Interessenwahrer, sofern er für den Geschäftsherrn Entscheidungen treffen kann, seine Befugnisse zum eigenen Vorteil und zum Nachteil des Geschäftsherrn ausübt, z. B. indem er Geschäftschancen für den Geschäftsherrn nicht nutzt.6 Drittens können Wettbewerbsverbote, wie etwa im Fall von § 88 Abs. 1 AktG, dazu dienen sicherzustellen, dass der Interessenwahrer seine gesamte Arbeitskraft vollumfänglich in den 2 Zu Wettbewerbsverboten im Fall von Personengesellschaften etwa Armbrüster, ZIP 1997, 261. 3 Armbrüster, ZIP 1997, 1269 f.; außerdem MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 2 . 4 MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 2 . 5 Vgl. dazu BGHZ 89, 162, 166; BGH NJW 2002, 1046, 1047 (zu § 112 HGB); Grigoleit, ZGR 2010, 662, 665 f.; Weller, ZHR 175 (2011), 110, 111. 6 Grigoleit, ZGR 2010, 662, 665; Weller, ZHR 175 (2011), 110, 111 f.; vgl. auch BGH NJW 1988, 2737, 2738.
II. Grundsatz, Schutzzwecke und dogmatische Verankerung
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Dienst des Geschäftsherrn bzw. der Gesellschaft stellt.7 Insbesondere bei Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern ist dies wichtig, weil die Gesellschaften nur durch sie – als die geschäftsführenden Organe – handlungsfähig sind.
3.) Der präventive Charakter von Wettbewerbsverboten Wettbewerbsverbote wirken präventiv.8 Sie sollen verhindern, dass sich der Interessenwahrer in eine Situation begibt, in der von vornherein Gewissheit besteht, dass es zu einem Interessenkonflikt kommt. Sie sollen also bereits die Entstehung eines Interessenkonflikts verhindern, indem sie im Vorfeld Situa tionen abwenden, in denen die Interessen des Geschäftsherrn beeinträchtigt werden könnten.9 Dementsprechend verlagern Wettbewerbsverbote den Anknüpfungspunkt für eine Pflichtwidrigkeit auf den Zeitpunkt vor der Konfliktentstehung10 und knüpfen bereits an die abstrakte Gefahr einer Pflichtverletzung zu Lasten des Geschäftsherrn an.11 Zudem greifen sie weiter aus, als eigentlich erforderlich wäre. Denn sie setzen nicht voraus, dass dem Geschäftsherrn ein konkreter Nachteil entstanden ist.12 Der Geschäftsherr kann somit vom Interessenwahrer eine Unterlassung der Konkurrenztätigkeit auch dann verlangen, wenn dessen anderweitige Tätigkeit nicht mit einer konkreten Geschäftschance des Geschäftsherrn kollidiert.13 Dies vereinfacht es dem Geschäftsherrn, seine Interessen zu schützen. Denn zum einen wird der für den Geschäftsherrn schwer kontrollierbare Freiraum des Interessenwahrers für opportunistisches Verhalten erheblich verengt und zum anderen die Schwierigkeiten für den Geschäftsherrn verringert, die sich ergeben, wenn er dem Interessenwahrer eine konkrete Verletzung der Interessenwahrungspflicht nachweisen müsste.14
7 BGH NJW 2001, 2476; BGH ZIP 1997, 1063, 1064; GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 1; Hüffer, AktG, § 88 Rdnr. 1; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rdnr. 2 ; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 1; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 88 Rdnr. 1; Armbrüster, ZIP 1997, 1269 f.; Grigoleit, ZGR 2010, 662, 666; Hopt, FS Doralt, 2004, S. 213, 218; Mertens/Cahn, FS Heinsius, 1991, S. 545, 554; Weller, ZHR 175 (2011), 110, 112; Wiedemann/Hirte, ZGR 1986, 163, 166. Für die GmbH etwa GroßkommGmbHG/Paefgen, § 43 Rdnr. 82. 8 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 248; Grigoleit, ZGR 2010, 662, 667; Weller, ZHR 175 (2011), 110, 112. 9 Vgl. Weller, ZHR 175 (2011), 110, 120. 10 Löhnig, Treuhand, S. 402. 11 Vgl. Grigoleit, ZGR 2010, 662, 667; Weller, ZHR 175 (2011), 110, 112. 12 Grigoleit, ZGR 2010, 662, 667 („überschießende Wirkung“). 13 Grigoleit, ZGR 2010, 662, 667; vgl. dazu auch Weller, ZHR 175 (2011), 110, 112. 14 Grigoleit, ZGR 2010, 662, 667 f.
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§ 11 Wettbewerbsverbote
4.) Das Wettbewerbsverbot als „verdichtete“ Interessenwahrungspflicht Aufgrund des besonders intensiven Eingriffs von Wettbewerbsverboten in die Handlungs- und Berufsfreiheit von Interessenwahrern15 ist bei ihnen eine besondere „Verdichtung“16 der Interessenwahrungspflicht erforderlich. Sie stellen daher keine generelle Antwort auf das Vorliegen von Interessenkonflikten dar, sondern gelten nur für bestimmte Konfliktsituationen, in denen der Interessenwahrer für den Geschäftsherrn wirtschaftlich tätig ist (bzw. sein sollte). Insbesondere reicht die Stellung als Interessenwahrer für die Begründung von Wettbewerbsverboten allein nicht aus,17 wie sich etwa an § 105 Abs. 2 Satz 4 AktG zeigt.18 Die Stärke der Maßnahmen zur Konfliktlösung korrespondiert vielmehr mit dem Ausmaß der Gefährdung der Interessen des Geschäftsherrn durch einen pflichtwidrig gelösten Interessenkonflikt.19 Darin zeigt sich die unterschiedliche Intensität der Interessenwahrungspflichten verschiedener Interessenwahrer, die in der unterschiedlichen Weite der Öffnung der Interessensphäre des Geschäftsherrn und den damit einhergehenden (unterschiedlich großen) Gefahren für dessen Interessen begründet ist. Eine Verdichtung der Interessenwahrungspflicht zu einem Wettbewerbsverbot kommt daher nur in Betracht, wenn die Konkurrenztätigkeit des Interessenwahrers mit seiner Vertrauensstellung nicht zu vereinbaren ist und den mit seiner Bestellung verbundenen Zweck nachhaltig gefährden würde.20 Dies ist nur dann der Fall, wenn das Interessenwahrungsverhältnis auf eine ausschließliche Bindung des Interessenwahrers an den Geschäftsherrn – bei entsprechender Vergütung des Interessenwahrers – gerichtet ist und der Interessenwahrer für den Geschäftsherrn geschäftliche Entscheidungen mit Außenwirkung treffen kann. Fehlt es an ersterem, hat der Geschäftsherr also nicht die gesamte Arbeitskraft des Interessenwahrers „gekauft“, kann er diese auch nicht vollumfänglich an sich binden.21 Fehlt es, wie etwa im Fall des Aufsichtsrats, am zweiten, kann der Interessenwahrer das geschäftliche Handeln des Geschäftsherrn nicht eigenmächtig steuern. Damit hat er aber wesentlich weniger Mög15 Außerdem sind sie als wettbewerbsbeschränkende – allerdings funktionsnotwendinge und damit zulässige – Vereinbarungen im Sinne des Kartellrechts einzustufen. Dazu BGHZ 38, 306, 311 ff.; 70, 331 (jeweils bzgl. § 112 HGB); Weller, ZHR 175 (2011), 110, 113. 16 Weller, ZHR 175 (2011), 110, 126. 17 So aber Weller, ZHR 175 (2011), 110, 127. 18 Für Aufsichtsräte gilt kein Wettbewerbsverbot und § 88 AktG ist auf sie auch nicht entsprechend anwendbar. Siehe GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 14; Hüffer, AktG, § 88 Rdnr. 2 . 19 Vgl. dazu § 3 IV.3.)c.). 20 Vgl. Mertens/Cahn, FS Heinsius, 1991, S. 545, 555; außerdem BGHZ 70, 331, 335 („Das Wettbewerbsverbot ist Ausfluss und notwendiger Bestandteil der Verpflichtung“ des Geschäftsführers). 21 Vgl. dazu etwa Löhnig, Treuhand, S. 404.
III. Gesetzlich normierte Wettbewerbsverbote
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lichkeiten für (schwer nachweisbares) opportunistisches Verhalten, was die Gefährdung der Interessen des Geschäftsherrn erheblich verringert. Ein breitflächiges, präventives Wettbewerbsverbot wäre dann ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Handlungs- und Berufsfreiheit des Interessenwahrers.
III. Gesetzlich normierte Wettbewerbsverbote Bei den gesetzlich normierten Wettbewerbsverboten lässt sich ein sog. Geschäftsverbot und ein sog. Beteiligungsverbot unterscheiden. Beim Beteiligungsverbot handelt es sich um das Verbot, sich an einer anderen „gleichartigen“ Gesellschaft als persönlich haftender Gesellschaft zu beteiligten (§§ 88 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 AktG, für den Handlungsgehilfen wird dies auf § 60 Abs. 1 Fall 1 HGB gestützt).22 Beim Geschäftsverbot handelt es sich um das Verbot, ohne Einwilligung des Geschäftsherrn in dessen Handels- oder Geschäftszweig für eigene Rechnung oder Rechnung Dritter Geschäfte zu tätigen (§§ 60 Abs. 1 Fall 2 HGB, §§ 88 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 AktG) oder ein Handelsgewerbe zu betreiben (§ 60 Abs. 1 Fall 1 HGB, § 88 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 AktG). Im Einzelnen gibt es aber jeweils Besonderheiten, die kurz beleuchtet werden sollen.
1.) Das Wettbewerbsverbot für Vorstände im Aktienrecht Nach § 88 Abs. 1 Satz 1 AktG dürfen Vorstandsmitglieder „weder ein Handelsgewerbe betreiben noch im Geschäftszweig der Gesellschaft für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen“. „Handelsgewerbe“ ist eine auf Gewinn gerichtete oder zumindest wirtschaftliche und auf Dauer angelegte selbständige Tätigkeit.23 Andere Tätigkeiten, wie etwa freiberufliche, wissenschaftliche oder künstlerische Tätigkeiten, werden – soweit es um deren Kernbereich geht – nicht erfasst.24 Da es in diesem Zusammenhang vor allem um den Schutz der Arbeitskraft des Vorstandsmitglieds für die Gesellschaft geht, ist es unerheblich, ob das Handelsgewerbe dem Geschäftszweig der AG angehört oder nicht.25 „Geschäftemachen“ umfasst jede Teilnahme am geschäftlichen Verkehr, die auf eine Gewinnerzielung gerichtet ist und nicht nur „persönlichen Charakter“ Dazu Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 60 Rdnr. 2 . Maßgeblich sind §§ 1 ff. HGB. Zum Gewerbebegriff BGHZ 33, 321, 325; 53, 222, 223; 83, 382, 386; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 1 Rdnr. 12; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 10. 24 GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 20. Eine erweiternde oder analoge Auslegung von § 88 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 AktG scheitert grundsätzlich an Art. 12 GG. Eine Ausnahme ist nur möglich, wenn der erforderliche Arbeitseinsatz mit demjenigen bei einem Handelsgewerbe vergleichbar ist. MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 10. 25 GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 25; siehe auch Hüffer, AktG, § 88 Rdnr. 3. 22 23
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§ 11 Wettbewerbsverbote
hat, wie dies z. B. bei der Anlage eigenen Vermögens der Fall ist.26 Das Verbot, Geschäfte zu machen, ist darauf gerichtet, eine Konkurrenztätigkeit des Vorstands zu verhindern,27 was sich der Beschränkung auf den Geschäftszweig der Gesellschaft entnehmen lässt.28 Es umfasst sowohl das Handeln für eigene wie auch für fremde Rechnung, etwa als Handelsvertreter oder Kommissionär.29 Ob die Geschäfte in den „Geschäftszweig“ der Gesellschaft fallen, ergibt sich zunächst aus dem in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstand.30 Sofern die Gesellschaft ihre Tätigkeit darüber hinaus ausgeweitet hat, kommt es auf den tatsächlichen Tätigkeitsbereich an.31 Da dieser auf die Tätigkeit des Vorstands zurückgeht, liegt diese Ausweitung des Wettbewerbsverbots letztlich in seiner Hand, sodass er dadurch nicht unangemessen benachteiligt wird. Gleichzeitig ist die Gesellschaft auch über den satzungsmäßig festgelegten Unternehmensgegenstand hinaus schutzwürdig, wenn die Geschäftsleitung ihre Tätigkeit ausweitet und dementsprechend Ressourcen der Gesellschaft in diesem Bereich investiert. Eine Einengung des Tätigkeitsbereichs im Vergleich zu dem in der Satzung festgeschriebenen Unternehmensgegenstand hat demgegenüber für das Wettbewerbsverbot keine Bedeutung.32 Andernfalls bestünde für den Vorstand der Anreiz, als geschäftsführungsbefugtes Organ der Gesellschaft deren Tätigkeit zum eigenen Vorteil einzuschränken.33 26 BGH WM 1997, 1015, 1016; Hüffer, AktG, § 88 Rdnr. 3 ; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 12; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 88 Rdnr. 20; etwas abweichend GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 31 (Gewinnerzielungsabsicht sei nicht erforderlich). Gegenüber § 88 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 AktG ist lex specialis zu § 88 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 AktG, GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 39. 27 BGH WM 2001, 1067, 1068; GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 31; MünchKomm AktG/Spindler, § 88 Rdnr. 12; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 88 Rdnr. 20. 28 MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 12. 29 GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 35; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rdnr. 11; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 13; vgl. auch Hüffer, AktG, § 88 Rdnr. 3 ; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rdnr. 101. 30 MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 14. Für die GmbH Lutter/Hommelhoff/ Kleindiek, GmbHG, Anh. zu § 6 Rdnr. 22; Röhricht, Wpg 1992, 766, 769. 31 MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 14; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rdnr. 101; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 163; Röhricht, Wpg 1992, 766, 769; vorsichtig Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 88 Rdnr. 21; so für die GmbH Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh. zu § 6 Rdnr. 22; a.A. KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rdnr. 13 (tatsächlicher Geschäftsbereich nur insoweit maßgeblich, als er innerhalb des satzungsmäßig festgelegten Unternehmensgegenstandes liegt). Nur den tatsächlichen Geschäftszweig für relevant haltend GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 28; Hüffer, AktG, § 88 Rdnr. 3 ; Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1270. 32 MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 15; Spindler/Stilz/Fleischer, § 88 Rdnr. 21; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rdnr. 101; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 163; Röhricht, Wpg 1992, 766, 769; a.A. RGZ 109, 355, 356 (zu §§ 60, 61 HGB); BGHZ 70, 331, 332 (zu § 112 HGB); 89, 162, 170 (zu § 112 HGB); GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 28; Hüffer, AktG, § 88 Rdnr. 3 ; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rdnr. 13; vgl. auch Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1270. 33 MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 15.
III. Gesetzlich normierte Wettbewerbsverbote
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Nach § 88 Abs. 1 Satz 2 AktG dürfen Vorstandsmitglieder „nicht Mitglied des Vorstands oder Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer anderen Handelsgesellschaft sein“.34 Diese Vorschrift dient vor allem der Sicherung der Arbeitskraft des Vorstandsmitglieds für die Gesellschaft, sodass es keine Rolle spielt, ob die andere Handelsgesellschaft ein Konkurrenz unternehmen führt oder nicht.35 Nicht ausgeschlossen ist hingegen eine Aufsichtratsmitgliedschaft in einer anderen Gesellschaft, weil eine solche keinen der Tatbestände des § 88 Abs. 1 AktG erfüllt.36 Aufgrund des Zwecks von § 88 AktG, Interessenkonflikte von Vorständen, die sich aufgrund anderweitiger gewerblicher Tätigkeit oder zeitlichem Eingebundensein ergeben, umfänglich zu verhindern, ist der Anwendungsbereich von § 88 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 und Abs. 1 Satz 2 AktG über die ausdrücklich genannten Tätigkeiten hinaus weiter zu fassen.37 Erfasst werden müssen auch alle anderen Tätigkeiten, die die Interessenwahrung zugunsten der Gesellschaft in Frage stellen könnten.38 Ein Beispiel hierfür ist die Vermögensverwaltung für einen maßgeblichen Anteilseigner, weil dieser möglicherweise ein besonderes Interesse am Aktienkurs hat, das mit dem Gesellschaftsinteresse in Konflikt geraten kann.39 Diesen Gedanken greift Ziff. 4.3.1 DCGK auf, wo von einem „umfassenden Wettbewerbsverbot“ für Vorstandsmitglieder gesprochen wird. Darüber hinaus empfiehlt Ziff. 4.3.5 DCGK, dass Vorstandsmitglieder Nebentätigkeiten, vor allem in Aufsichtsräten nicht konzernzugehöriger Gesellschaften, nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats übernehmen sollen.
34 Aufgrund des Schutzzwecks ist der Begriff der Handelsgesellschaft weit zu verstehen und umfasst auch unternehmerisch tätige BGB-Gesellschaften und ausländische Gesellschaften. Siehe dazu GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 42; KölnKommAktG/Mertens/ Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rdnr. 15; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 18; Spindler/ Stilz/Fleischer, § 88 Rdnr. 25; Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1270. Nach Wortlaut und Zweck wird zudem die Stellung als geschäftsführender Kommanditist erfasst (mit „Geschäftsführer“ muss nicht zwingend ausschließlich der GmbH-Geschäftsführer gemeint sein), siehe GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 47. 35 GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 4 4; Hüffer, AktG, § 88 Rdnr. 4; MünchKomm AktG/Spindler, § 88 Rdnr. 18. Vgl. auch BGH WM 2001, 1067, 1068 (Schutz vor anderweitigem Einsatz der Arbeitskraft). 36 GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 46 (bzgl. Aufsichtsratsposition bei Konkurrenzgesellschaften Rdnr. 49 ff.); MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 18; Spindler/Stilz/Fleischer, § 88 Rdnr. 25. Auch andere Positionen, die nicht mit einer Geschäftsführungsbefugnis einhergehen, fallen nicht unter das Wettbewerbsverbot nach § 88 Abs. 1 Satz 2 AktG. 37 Vgl. dazu auch OLG Frankfurt a. M. AG 2000, 518, 519 (etwa auch freiberufliche Tätigkeiten); KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rdnr. 10, 15; Helms, Gewinnherausgabe, S. 407 ff.; a.A. Hüffer, AktG, § 88 Rdnr. 3 (mit der Kritik, die Reichweite der Norm werde so unsicher). 38 KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 97; Löhnig, Treuhand, S. 411. 39 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 157; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 97.
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§ 11 Wettbewerbsverbote
2.) Das Wettbewerbsverbot für den Handlungsgehilfen Wettbewerbsverbote für den Handlungsgehilfen sind in §§ 60 f. HGB (für die Zeit des Bestehens des Vertragsverhältnisses) und in §§ 74 ff. HGB (nach dem Ende des Vertragsverhältnisses) geregelt. Nach § 60 Abs. 1 HGB darf ein Handlungsgehilfe „ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweig des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen“.40 Die Vorschrift wird als spezielle Ausprägung der Interessenwahrungspflicht des Handlungsgehilfen verstanden.41 Für das Eingreifen des Wettbewerbsverbots ist es nicht erforderlich, dass der Prinzipal geschädigt wird oder seine Interessen zumindest konkret gefährdet werden; es reicht aus, dass die Konkurrenz durch den Handlungsgehilfen die unternehmerischen Interessen des Prinzipals berühren kann.42 Zweck des Wettbewerbsverbots des Handlungsgehilfen ist es, den Prinzipal vor der Konkurrenz der eigenen Angestellten in derselben Branche zu schützen; dagegen dient es nicht dazu, dem Prinzipal die volle Arbeitskraft seiner Gehilfen zu erhalten.43 Das unterscheidet dieses Wettbewerbsverbot von dem für den Vorstand geltenden Wettbewerbsverbot. Dementsprechend ist es von seinem Wortlaut her übermäßig weit formuliert, denn es beschränkt den Handlungsgehilfen auch außerhalb des Geschäftszweigs des Prinzipals. Mit Hilfe der verfassungskonformen Auslegung44 wird die Regelung in § 60 Abs. 1 Fall 1 HGB daher auf Tätigkeiten45 im Handelszweig des Prinzipals beschränkt, weil nur diese dessen Interessen beeinträchtigen können.46 Anderweitige Tätigkeiten, die mit den Interessen des Prinzipals nicht tatsächlich in Berührung kommen, werden nicht erfasst.47 Des Weiteren erstreckt sich das Wettbewerbsverbot auch auf Konkurrenztätigkeiten, die von Bevollmächtigten vorgenommen werden; außerdem soll es 40 Handlungsgehilfen sind nach § 59 Abs. 1 HGB Personen, die in einem Handelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste gegen Entgelt angestellt sind. Dazu ausführlich MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 59 Rdnr. 49 ff. Das Wettbewerbsverbot soll darüber hinaus auch für sonstige Arbeitnehmer gelten. A.a.O. Rdnr. 8 ff. 41 BAG BB 1970, 1095; Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 60 Rdnr. 1; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 60 Rdnr. 1; Heymann/Henssler, HGB, § 60 Rdnr. 1; Schlegelberger/Schröder, HGB, § 60 Rdnr. 1; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 392. 42 Staub/Weber, HGB, § 60 Rdnr. 11. 43 MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 60 Rdnr. 2; siehe auch Staub/Weber, HGB, § 60 Rdnr. 9. 44 Dazu Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 159 ff. 45 Zum Begriff des Handelsgewerbes siehe §§ 1 ff. HGB. MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 60 Rdnr. 33; Staub/Weber, HGB, § 60 Rdnr. 8. 46 BAG NJW 1970, 941; BAG NJW 1984, 886; Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 60 Rdnr. 2 ; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 60 Rdnr. 3, 32; Staub/Weber, HGB, § 60 Rdnr. 10. 47 BAG BB 1972, 1056; Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 60 Rdnr. 2 ; MünchKommHGB/ von Hoyningen-Huene, § 60 Rdnr. 32; Staub/Weber, HGB, § 60 Rdnr. 15.
IV. Analoge Anwendung der Wettbewerbsverbote
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die aktive Beteiligung an Handelsgesellschaften, also etwa als persönlich haftender Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft oder als leitendes Organ einer Kapitalgesellschaft erfassen.48 Vor dem Hintergrund der gesonderten Erwähnung der aktiven Beteiligung als persönlich haftender Gesellschafter oder als Geschäftsführer oder Vorstand in § 88 Abs. 1 Satz 2 AktG scheint eine solche weite Auslegung allerdings fragwürdig. Auch § 60 Abs. 1 Fall 2 HGB wird insofern eng ausgelegt, als nur Geschäfte im Tätigkeitsbereich des Prinzipals erfasst werden.49 Dazu gehören allerdings auch Geschäfte, die im Rahmen einer Geschäftserweiterung nach der Anstellung des Handlungsgehilfen neu hinzukommen.50 Hinzu kommt, dass der Begriff „Geschäftemachen“ im Sinne von § 60 Abs. 1 Fall 2 HGB recht weit verstanden wird. Wie bei Vorständen umfasst dies jede auf Gewinn gerichtete Teilnahme am Geschäftsverkehr, die nicht nur der Befriedigung der eigenen privaten Bedürfnisse dient.51 Dadurch soll der Prinzipal schon vor einer bloßen Gefährdung seiner Geschäftsinteressen geschützt werden.52 Es kommt in diesem Zusammenhang daher maßgeblich darauf an, welches Ziel der Handlungsgehilfe mit seiner geschäftlichen Tätigkeit verfolgt.53 Auch reicht bereits ein konkurrierendes Geschäft aus; das „Geschäftemachen“ muss nicht von Dauer sein.54
IV. Analoge Anwendung der Wettbewerbsverbote Da Wettbewerbsverbote für Interessenwahrer nur im Fall des Handlungsgehilfen und des Vorstands der AG ausdrücklich normiert sind, werden sie auf andere Interessenwahrer vielfach analog angewandt. Nicht in allen Fällen überzeugt dies jedoch.55 Insbesondere reicht die bloße Existenz einer Interessenwahrungspflicht für einen Analogieschluss nicht aus.56 Die für eine Analogie erforderliche Vergleichbarkeit ist nur dann gegeben, wenn es sich – wie beim Handlungsgehilfen und beim Vorstand – um ein Dauerinteressenwahrungsverhältnis handelt. Denn nur in einem solchen können dauerhafte oder strukturel48 Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 60 Rdnr. 2; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 60 Rdnr. 35; Staub/Weber, HGB, § 60 Rdnr. 16 f. 49 Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 60 Rdnr. 3; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 60 Rdnr. 43. 50 Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 60 Rdnr. 3; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 60 Rdnr. 4 4; Staub/Weber, HGB, § 60 Rdnr. 24. 51 MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 60 Rdnr. 41; Staub/Weber, HGB, § 60 Rdnr. 23. 52 MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 60 Rdnr. 42. 53 MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 60 Rdnr. 42. 54 Staub/Weber, HGB, § 60 Rdnr. 25. 55 Vgl. dazu sogleich unter § 11 IV.1.). 56 Vgl. auch Grundmann, Treuhandvertrag, S. 253.
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§ 11 Wettbewerbsverbote
le Interessenkonflikte entstehen, für die das Wettbewerbsverbot eine angemessene Regelung darstellt. Punktuelle geschäftsbezogene Interessenkonflikte sind hingegen mithilfe der Geschäftschancenlehre zu lösen.57 Des Weiteren muss das Interessenwahrungsverhältnis auf eine ausschließliche Bindung (mit entsprechender Vergütung) des Interessenwahrers an den Geschäftsherrn gerichtet sein und der Interessenwahrer für den Geschäftsherrn geschäftliche Entscheidungen mit Außenwirkung treffen können. Nur dann kann eine Abwägung der Interessen des Geschäftsherrn und des Interessenwahrers vor dem Hintergrund der Handlungs- und Berufsfreiheit des letzteren zu einer Verdichtung der Interessenwahrungspflicht im Sinne eines präventiv wirkenden Wettbewerbsverbots führen. Darüber hinaus muss es Anhaltspunkte dafür geben, dass der Gesetzgeber in dem jeweiligen Regelungszusammenhang eine präventive Regelung von Interessenkonflikten grundsätzlich für zulässig erachtet. Daraus ließe sich zudem ein argumentum a maiore für ein Wettbewerbsverbot ableiten: 58 Dieses setzt voraus, dass in dem jeweiligen Regelungszusammenhang eine Regelung existiert, die zumindest einen partiellen Interessenunterschied zwischen dem Interessenwahrer und dem Geschäftsherrn präventiv verhindern soll. Sieht der Gesetzgeber schon einen lediglich partiellen Interessenunterschied für präventiv regelungsbedürftig an, muss dies erst recht für den Fall gelten, dass der Interessenwahrer in einen generellen und dauerhaften bzw. immer wieder neu entstehenden (strukturellen) Interessenkonflikt gerät.59
1.) Keine Analogie im Fall des Kommissionärs Ein Beispiel für ein Interessenwahrungsverhältnis, bei dem ein Wettbewerbsverbot abzulehnen ist, ist die Kommission. 60 Bei der Kommission handelt es sich vom Typus her nicht um ein Dauerinteressenwahrungsverhältnis (siehe etwa § 384 Abs. 1 HGB: „das Geschäft“). Zudem bietet der Kommissionär in der Regel weder an, für einen Kommittenten exklusiv tätig zu werden, noch kann der Kommittent davon ausgehen, dass sein Auftrag den Kommissionär vollkommen auslastet.61 Dementsprechend ist das für dauerhafte Interessenwahrungsverhältnisse ausgelegte Wettbewerbsverbot hier ungeeignet. Interessenkonflikte aufgrund von Kundengeschäften sind im Rahmen der Kommis
Siehe dazu insbesondere § 15 III.2.). Siehe Grundmann, Treuhandvertrag, S. 253. 59 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 253. 60 Für ein „begrenztes Wettbewerbsverbot“ Staub/Koller, HGB, § 384 Rdnr. 47; zurückhaltender aber ders., BB 1978, 1733, 1736 f. 61 Koller, BB 1978, 1733, 1737. 57 58
IV. Analoge Anwendung der Wettbewerbsverbote
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sion mit Hilfe des Verbots des front running62 , der Geschäftschancenlehre63 oder des Prioritätsprinzips64 zu vermeiden bzw. zu lösen.
2.) GmbH-Geschäftsführer Ein Beispiel für ein Interessenwahrungsverhältnis, bei dem ein Wettbewerbsverbot im Wege der Analogie hergeleitet werden kann, ist das des GmbH-Geschäftsführers. Für diesen gibt es keine ausdrückliche gesetzliche Regelung über ein Wettbewerbsverbot, nicht zuletzt deshalb, weil eine solche Vorschrift gerade nicht in das GmbH-Recht aufgenommen worden ist.65 Für GmbH-Geschäftsführer gilt jedoch ein Wettbewerbsverbot in Analogie zu § 88 AktG.66 Er ist das Vertretungsorgan der GmbH und übt eine vergleichbare Funktion aus wie der Vorstand der AG. Als Organ der GmbH ist ihm – wie dem Vorstand der AG – die Interessensphäre der Gesellschaft weitestmöglich zugänglich, sodass er sowohl auf ihre Informationen zugreifen67 als auch ihr Handeln (durch ihn) unmittelbar und mit Außenwirkung beeinflussen kann. Entsprechend sind bei ihm die Voraussetzungen für eine Verdichtung der Interessenwahrungspflicht zu einem Wettbewerbsverbot erfüllt.68 Daher kann die „Lücke“ in Form des fehlenden Wettbewerbsverbots mittels einer Analogie geschlossen werden.69 Wie im Fall der gesetzlich normierten Wettbewerbsverbote kommt es aufgrund dieser Herleitung nicht darauf an, ob die Gesellschaft
Dazu § 9 IV.1.). Dazu § 15. 64 Dazu § 14 III. 65 Eine solche Vorschrift ist zwar vorgeschlagen, wurde dann aber nicht Gesetz. Siehe BT-Drs. 6/3088, S. 20 und S. 124 (der dort vorgeschlagene § 71 RegE GmbHG lehnte sich an § 88 AktG an). 66 BGHZ 49, 30, 31; BGH NJW-RR 1989, 1255, 1256; vgl. auch BGH WM 1964, 1320, 1321 (augrund seiner Treuepflicht); WM 1976, 77 (verbotener Wettbewerb); WM 1977, 194 (allgemeines Wettbewerbsverbot); aus der Literatur GroßkommGmbHG/Paefgen, § 43 Rdnr. 82. Gegen eine analoge Anwendung von § 88 AktG und für eine Ableitung direkt aus der Treuepflicht ausdrücklich Polley, Wettbewerbsverbot, S. 125 f.; Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1276 f. Für eine Ableitung aus der Treuepflicht auch Baumbach/Hueck/Zöllner/ Noack, GmbHG, § 35 Rdnr. 41; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rdnr. 97; Roth/ Altmeppen/Altmeppen, § 43 Rdnr. 29; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 153 ff., insb. 157; Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 902; Lutter, GmbHR 2000, 301, 306. 67 Vgl. dazu Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh. zu § 6 Rdnr. 20; krit. Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 902 (das greife zu kurz). 68 Auch im Fall des GmbH-Geschäftsführers wurzelt das Wettbewerbsverbot in dessen Treuepflicht. Siehe Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 153; Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 902. 69 Helms, Gewinnherausgabe, S. 417; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 434. Für ein auf den Geschäftszweig der GmbH beschränktes Wettbewerbsverbot unter direktem Rückgriff auf die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht Scholz/Schneider, GmbHG § 43 Rdnr. 153, 155; Polley, Wettbewerbsverbot, S. 120 ff., insb. S. 125 f.; Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1276. 62
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§ 11 Wettbewerbsverbote
durch eine (Konkurrenz-)Tätigkeit ihres Geschäftsführers tatsächlich geschädigt wird.70
3.) Handelsvertreter Grundsätzlich möglich ist die Herleitung eines Wettbewerbsverbots auch im Fall des Handelsvertreters, weil es sich beim Handelsvertreterverhältnis um ein Dauerinteressenwahrungsverhältnis handelt. Ein Wettbewerbsverbot des Handelsvertreters während der Vertragslaufzeit71 wird verbreitet aus § 86 Abs. 1 2. Hs. HGB abgeleitet, wo die Interessenwahrungspflicht des Handelsvertreters geregelt ist.72 Danach darf der Handelsvertreter, während er für einen Unternehmer tätig ist, ohne dessen (in der Regel ausdrückliche) Zustimmung73 weder mit dem Unternehmer in dem von ihm betreuten Geschäftsbereich konkurrieren74 noch für einen Konkurrenten des Unternehmers tätig werden75. Diese Ableitung lediglich aus der Interessenwahrungspflicht greift jedoch zu kurz, weil sie keine Begründung für die Verdichtung der Interessenwahrungspflicht zu einem Wettbewerbsverbot liefert. Bemüht man sich um eine Analogie zu den für andere Interessenwahrer geltenden Wettbewerbsverboten, bietet sich zunächst einmal ein Vergleich mit der Situation von Vorstandsmitgliedern an, für die ein ausdrückliches Wettbewerbsverbot gilt. Hierzu wird vorgebracht, dass die Einwirkungsmacht des Handelsvertreters bei weitem nicht so stark sei, weil er nur einen sachlich und räumlich abgegrenzten Interessenbereich des Unternehmers betreue, und außerdem erhalte er keine vergleichbare Vergütung und Absicherung wie (angemessen zu vergütende, vgl. § 87 AktG) Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft.76 Die Öffnung der Interessensphäre des Unternehmers gegenüber dem Handelsvertreter ist also geringer als diejenige der Aktiengesellschaft gegenüber dem Vorstand. Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 902. Für die Zeit nach Vertragsende enthält § 90 HGB besondere ausdrückliche Bestimmungen. 72 Z. B. BGHZ 42, 59, 61; 52, 171, 177; 112, 218, 221; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 26; ders., Handelsvertreterrecht, § 86 Rdnr. 26; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 86 Rdnr. 33; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, § 86 Rdnr. 16; Canaris, Handelsrecht, § 15 Rdnr. 41 (S. 258); K. Schmidt, Handelsrecht, § 27 IV 1 c (S. 731 f.); Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 901. Zum Teil wird sogar von einem „gesetzlichen Wettbewerbsverbot“ gesprochen. Vgl. Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, HGB § 86 Rdnr. 16 und 19. Einschränkend Grundmann, Treuhandvertrag, S. 386 ff. (nur bzgl. Kontroll- und Einflusspositionen, nicht bzgl. Informationspositionen). 73 OLG Hamm NJW-RR 1992, 364, 365; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 30. 74 BGH DB 1958, 512; OLG Hamm NJW-RR 1987, 1114. 75 BGHZ 42, 59, 61; 52, 171, 177; BGH NJW 1984, 2101, 2102; Baumbach/Hopt/ Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 26. 76 Löhnig, Treuhand, S. 420. 70
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Eine solch weite Öffnung der Interessensphäre ist aber auch nicht erforderlich, um ein Wettbewerbsverbot zu begründen, wie das Wettbewerbsverbot für den Handlungsgehilfen zeigt. Auch eine geringere Öffnung der Interessensphäre als bei Vorstandsmitgliedern kann für ein Wettbewerbsverbot ausreichen. Im Fall des Handelsvertreters ist die Öffnung der Interessensphäre durch den Unternehmer zwar auf den sachlichen und räumlichen Teilbereich des Geschäfts, der dem Handelsvertreter zugeteilt wird, begrenzt. Aber innerhalb dieses Bereichs kann der Handelsvertreter durch ein Fehlverhalten den Unternehmer erheblich schädigen, z. B. durch Abwerbung von Kunden oder durch Nutzung von Geschäftsinformationen des Unternehmers für sich oder Dritte. Sofern ihm außerdem – was nicht unüblich ist – ein Alleinvertriebsrecht oder ein Gebietsschutz gewährt worden ist, erhält er nicht nur eine starke Rechtsposition sondern auch einen erheblichen Freiraum für schwer zu entdeckende, eigensüchtige Beeinträchtigungen der Unternehmerinteressen. Dies rechtfertigt eine präventive Sicherung der Interessen des Unternehmers mittels eines Wettbewerbsverbots. Dem steht nicht entgegen, dass der Handelsvertreter vom Unternehmer keine vorstandsähnliche Vergütung erhält. Denn die Gewährung des Alleinvertriebsrechts stellt eine adäquate Kompensation dar. Ein Anhaltspunkt für eine Verdichtung der Interessenwahrungspflicht zu einem während der Vertragslaufzeit geltenden Wettbewerbsverbot ergibt sich aus der Regelung in § 90 HGB. Nach § 90 HGB darf der Handelsvertreter Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Unternehmers grundsätzlich nicht (für sich) verwerten. Genau dies ist die wesentliche Gefahr von geschäftsbezogenen Interessenkonflikten, die mittels Wettbewerbsverboten verhindert werden sollen. Der Gesetzgeber hat also auch im Fall des Handelsvertreters diese Gefahr für die Interessen des Unternehmers erkannt. Dass er dennoch keine ausdrückliche gesetzliche Regelung eines während des Vertragsverhältnisses geltenden Wettbewerbsverbots vorgesehen hat, spricht nicht gegen das Bestehen eines solchen Wettbewerbsverbots. Vielmehr muss ein solches während des Vertragsverhältnisses erst recht gelten, wenn Wettbewerbsverbote sogar für den nachvertraglichen Zeitraum zulässig und ausdrücklich anerkannt sind, vgl. § 90a HGB. Dass für letztere besondere Regelungen gelten, ergibt sich aus dem zwischen den beiden Arten von Wettbewerbsverboten bestehenden Stufenverhältnis: Da die Öffnung der Interessensphäre des Unternehmers während des Bestehens des Vertragsverhältnisses erheblich weiter geht als nach dem Ende des Vertragsverhältnisses, müssen im letzteren Fall die Interessen des Handelsvertreters besonders berücksichtigt werden. Denn dann ist die Gefahr für die Interessen des Unternehmers im Vergleich zu einem bestehenden Vertragsverhältnis regelmäßig geringer. Dies greift die Regelung in § 90a HGB auf. Wegen der räumlich und sachlich eher geringeren Vergleichbarkeit der Situation des Handelsvertreters mit der von Vorständen und der größeren Ähnlichkeit mit der Situation des Handlungsgehilfen, kann das Wettbewerbsverbot für
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den Handelsvertreter nicht umfassend gelten,77 sondern nur bezogen auf den von ihm betreuten sachlichen und räumlichen Bereich.78 In sachlicher Hinsicht muss sich das konkurrierende Angebot (zumindest zum Teil79 ) mit demjenigen des Unternehmers decken.80 Ob dies der Fall ist und daher von einem Wettbewerb auszugehen ist, muss aus der Sicht der Kunden ermittelt werden, weil nur dann der Wettbewerb die Situation des Unternehmers beeinträchtigen kann.81 In räumlicher Hinsicht bezieht sich das Wettbewerbsverbot auf das gesamte Absatz- und Einzugsgebiet des Unternehmers, sofern nicht etwas anderes vereinbart wurde.82 Zudem bezieht sich das Wettbewerbsverbot nicht nur auf die aktuellen Kunden des Unternehmers, sondern auch auf zukünftige Kunden, deren Gewinnung erkennbar bevorsteht.83 Keine Wettbewerbssituation liegt dagegen vor, wenn sich das Angebot an verschiedene Käuferkreise richtet, die nicht gleichartig sind84 oder die andere Tätigkeit außerhalb des räumlichen Gebietes liegt, auf das der Vertrieb des Unternehmers gerichtet ist.85 Ohne Bedeutung für die Annahme eines präventiv geltenden Wettbewerbsverbots ist es schließlich, ob die Interessen des Unternehmers durch eine Konkurrenztätigkeit tatsächlich beeinträchtigt werden oder nicht.86 Da das Wettbewerbsverbot solche Beeinträchtigungen bereits im Vorfeld verhindern soll, kann es – wie in den anderen Fällen auch – lediglich an die abstrakte Gefährdung anknüpfen.
V. Beschränkungen und Abdingbarkeit von Wettbewerbsverboten 1.) Enge Auslegung und zeitliche Grenzen Wegen ihrer beschränkenden Wirkung sind Wettbewerbsverbote im Zweifel eng auszulegen.87 Auch wenn sie abstrakt anknüpfen, muss die Gefährdung der BGHZ 112, 218, 221; BGH BB 1954, 647 f. Krit. zu dieser Formulierung K. Schmidt, Handelsrecht, § 27 IV 1 c (S. 732). 78 K. Schmidt, Handelsrecht, § 27 IV 1 c (S. 732). In den übrigen Bereichen darf er hingegen mit dem Unternehmer in Wettbewerb treten, siehe BGHZ 112, 218, 221 f.; BGH BB 1954, 647; 1968, 60; Helms, Gewinnherausgabe, S. 422. 79 OLG Celle BB 1970, 228 (Marktlücken hat der Handelsvertreter zugunsten seines Geschäftsherrn nutzbar zu machen). 80 BGH DB 1958, 512 („gleiche oder verwandte Artikel)“. 81 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 27; siehe auch Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Löwisch, HGB, § 86 Rdnr. 20 82 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 27. 83 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 27. 84 BGH BB 1968, 60, 61; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 86 Rdnr. 35; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, § 86 Rdnr. 17. 85 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, § 86 Rdnr. 17. 86 So aber BGH NJW 1984, 2101, 2102; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 30. 87 GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 24. 77
V. Beschränkungen und Abdingbarkeit von Wettbewerbsverboten
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Interessen des Geschäftsherrn, die verhindert werden soll, grundsätzlich möglich sein. Dies ist z. B. nicht der Fall bei der bloßen Vorbereitung einer Konkurrenztätigkeit, die nach dem Ende des Interessenwahrungsverhältnisses aufgenommen werden soll, sofern die entsprechenden Handlungen nicht unmittelbar selbst Konkurrenztätigkeiten darstellen.88 In zeitlicher Hinsicht sind die Wettbewerbsverbote auf die Dauer des jeweiligen Interessenwahrungsverhältnisses begrenzt.89 Denn nur während dessen Dauer steht dem Interessenwahrer die Interessensphäre des Geschäftsherrn derart offen, dass die Verletzbarkeit seiner Interessen eine Verdichtung seiner Treuepflicht zu einem Wettbewerbsverbot begründen kann. Nach Beendigung des Rechtsverhältnisses ist ihm dies nicht mehr in der Weise möglich, sodass auch das besondere Interessenkonfliktrisiko nicht mehr besteht.90 Denn die Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses führt dazu, dass der Geschäftsherr seine Interessensphäre gegenüber dem Interessenwahrer für zukünftige Ereignisse wieder schließt. Damit steht der Interessenwahrer dem Geschäftsherrn bei zukünftigen Ereignissen wieder wie jeder andere Dritte gegenüber. Nachwirkende (abgeschwächte) Interessenwahrungspflichten, denen die Betroffenen unterliegen,91 können ein umfassendes Wettbewerbsverbot nicht mehr rechtfertigen92 – es sei denn, die Parteien haben ein solches ausdrücklich vertraglich vereinbart.93 So gilt etwa das Wettbewerbsverbot des Vorstands nach § 88 AktG nur für die Dauer der Bestellung.94 Mit der Beendigung der 88 OLG Frankfurt a. M. AG 2000, 518, 519; außerdem OLG Oldenburg NZG 2000, 1038, 1039; aus der Literatur GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 24, 37; KölnKommAktG/ Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rdnr. 14; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 20; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 88 Rdnr. 13. Zulässig sind etwa das Einholen der Berufs zulassung, das Anmieten von Geschäftsräumen oder die Beschaffung von Gegenständen für die Ausstattung. Siehe für den Handelsvertreter z. B. Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 26; für den Handlungsgehilfen MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 60 Rdnr. 37 ff.; Staub/Weber, HGB, § 60 Rdnr. 18 ff., 26. 89 Z. B. für die AG GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr 108; Hüffer, AktG, § 88 Rdnr. 2 ; für die GmbH Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rdnr. 46; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh. zu § 6 Rdnr. 21; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rdnr. 32. 90 Helms, Gewinnherausgabe, S. 424. Sofern der Interessenwahrer vor- oder nachvertraglich über wesentliche Informationen verfügt, reicht demgegenüber eine Pflicht zur Geheimhaltung und zum Unterlassen anderweitiger Nutzung aus. Vgl. Löhnig, Treuhand, S. 413. 91 Zur Nachwirkung organschaftlicher Pflichten BGH WM 1977, 194 f.; Palzer, Fortwirkende organschaftliche Pflichten, passim. 92 Vgl. BGH WM 1977, 194; OLG Oldenburg NZG 2000, 1038, 1039; OLG Düsseldorf NZG 1999, 495; OLG Frankfurt a.M. GmbHR 1998, 376, 378; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 183; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rdnr. 104; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 47. 93 Dabei sind insbesondere die Grenzen der Sittenwidrigkeit, § 138 BGB, und des allgemeinen Kartellverbots, § 1 GWB, zu beachten. Dazu Helms, Gewinnherausgabe, S. 424. 94 Der Abschluss des Anstellungsvertrages spielt keine Rolle. Siehe MünchKommAktG/ Spindler, § 88 Rdnr. 8 ; Spindler/Stilz/Fleischer, § 88 Rdnr. 8 f.; außerdem GroßkommAktG/
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§ 11 Wettbewerbsverbote
Bestellung endet auch das Wettbewerbsverbot, unabhängig vom Grund für die Beendigung.95 Vergleichbares gilt für das Wettbewerbsverbot des Handlungsgehilfen nach § 60 Abs. 1 HGB, auch dieses gilt nur für die Dauer der Anstellung.96 Es beginnt mit dem vereinbarten Termin der Arbeitsaufnahme97 und endet mit der rechtlichen Beendigung des Anstellungsverhältnisses98 .
2.) Befreiung von Wettbewerbsverboten a.) Einwilligung des Aufsichtsrats bzw. des Prinzipals Die gesetzlichen Regelungen sehen vor, dass vom Wettbewerbsverbot in Einzelfällen abgewichen werden kann. Voraussetzung dafür ist die Einwilligung des Geschäftsherrn bzw. bei Gesellschaften des zuständigen Organs.99 Einwilligung bedeutet, dass der Geschäftsherr bzw. das zuständige Organ im Vorhinein zustimmen muss, vgl. § 183 BGB.100 In den Einzelheiten unterscheiden sich die Regelungen jedoch hinsichtlich der Freigabe von Geschäftsmöglichkeiten. Sie sind strikter im Fall des Organmitglieds, das die Interessen der Gesellschaft umfänglich beeinflussen kann, und weniger strikt im Fall des Handlungsgehilfen, der nur begrenzte Einflussmöglichkeiten hat. So muss der Aufsichtsrat seine befreiende Einwilligung nach § 88 Kort, § 88 Rdnr. 108. Das Wettbewerbsverbot gilt sogar für die Vorgesellschaft, nicht aber für die Vorgründungsgesellschaft. Siehe GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 108; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 8 ; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 88 Rdnr. 8 ; Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1270. 95 MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 9; differenzierend KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rdnr. 7 (das gelte nicht, wenn der Anstellungsvertrag weiterläuft). Sofern ein Vorstandsmitglied sein Amt selbst niederlegt, erlischt das Wettbewerbsverbot nur dann, wenn die Niederlegung berechtigt war. RG JW 1915, 653; GroßkommAktG/ Kort, § 88 Rdnr. 112; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 9; Spindler/Stilz/Fleischer, § 88 Rdnr. 12; a.A. KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rdnr. 7; Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1270 f. 96 MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 60 Rdnr. 1; Staub/Weber, HGB, § 60 Rdnr. 31. 97 MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 60 Rdnr. 13. 98 MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 60 Rdnr. 19. Zur Auswirkung von Kündigungsschutzprozessen a.a.O. Rdnr. 20 ff. Zum Ende des Wettbewerbsverbots ausführlich auch Staub/Weber, HGB, § 60 Rdnr. 33 ff. 99 Im Fall des § 88 AktG ist dies der Aufsichtsrat. Bei der GmbH mit Aufsichtsrat ist dies ebenfalls der Aufsichtsrat, siehe Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rdnr. 42. Bei der GmbH ohne Aufsichtsrat ist in Anlehnung an § 88 Abs. 1 AktG für die Einzelfallfreigabe ein Beschluss der Gesellschafterversammlung als dem die Geschäftsführung kontrollierenden Organ erforderlich. Zum Teil wird auch eine generelle Freigabe durch Gesellschafterbeschluss für zulässig gehalten. Siehe dazu Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rdnr. 42; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 191; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 445 f. Größtenteils wird jedoch für die allgemeine Freigabe eine Grundlage in der Satzung für erforderlich gehalten. Siehe nur Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rdnr. 106, 108 f. m.w.N. 100 GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 55; Hüffer, AktG, § 88 Rdnr. 5; MünchKomm AktG/Spindler, § 88 Rdnr. 23.
V. Beschränkungen und Abdingbarkeit von Wettbewerbsverboten
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AktG im Rahmen eines Beschlusses äußern, vgl. § 108 Abs. 1 AktG.101 Bloß konkludentes Verhalten oder gar eine Duldung reichen nicht aus.102 Auch eine Genehmigung im Nachhinein ist für zurückliegende Sachverhalte ohne Bedeutung.103 Im Gegensatz dazu wird es im Fall des Handlungsgehilfen für zulässig erachtet, dass die Einwilligung des Prinzipals durch konkludentes Handeln, insbesondere durch Dulden der Konkurrenztätigkeit, erfolgt.104 Zudem fingiert § 60 Abs. 2 HGB eine Einwilligung hinsichtlich des Betriebes eines Handelsgewerbes für den Fall, dass dieses dem Prinzipal bei der Anstellung bekannt war und er nicht ausdrücklich die Aufgabe des Betriebes vereinbart hat.105 Im Fall des Vorstands sieht § 88 Abs. 1 Satz 3 AktG des Weiteren vor, dass die Einwilligung des Aufsichtsrats nicht pauschal erfolgen darf, sondern nur für bestimmte Handelsgewerbe, Handelsgesellschaften oder bestimmte Arten von Geschäften.106 Dadurch soll sichergestellt werden, dass sich der Aufsichtsrat eindeutig bewusst ist, in welcher Weise und in welchem Umfang er dem Vorstandsmitglied eine Konkurrenztätigkeit erlaubt.107 Eine solche ausdrückliche Vorschrift besteht im Fall des Handlungsgehilfen nicht. Diese Unterschiede sind zum einen auf die unterschiedliche Struktur der Interessenwahrungsverhältnisse – hier kontrollierendes Organ einer Gesellschaft, dort untergeordneter Interessenwahrer – zurückzuführen. Zum anderen und vor allem spiegeln sie aber die unterschiedlich weite Öffnung der Interessensphäre des jeweiligen Geschäftsherrn gegenüber den jeweiligen Interessenwahrern wider. Diese unterschiedliche Behandlung verschiedener Interessenwahrer muss bei den im Wege der Analogie hergeleiteten Wettbewerbsverboten berücksichtigt werden. Wo die Öffnung der Interessensphäre des Geschäftsherrn ähnlich weit geht wie beim Vorstand, müssen an die Einwilligung höhere Anforderungen gestellt werden. Dies ist etwa bei GmbH-Geschäftsführern der Fall. Wo die Öffnung der Interessensphäre nicht ganz so weit geht, aber ein 101 GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 56; Hüffer, AktG, § 88 Rdnr. 5; MünchKomm AktG/Spindler, § 88 Rdnr. 23. 102 GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 56; Hüffer, AktG, § 88 Rdnr. 5 ; KölnKommA ktG/ Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rdnr. 16; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 23; Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1270. 103 GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 55; Hüffer, AktG, § 88 Rdnr. 5; MünchKomm AktG/Spindler, § 88 Rdnr. 25; Spindler/Stilz/Fleischer, § 88 Rdnr. 26. Weder kann sie zurückwirken noch kann sie wegen § 93 Abs. 4 Satz 2 AktG Bedeutung für bereits entstandene Ersatzansprüche der AG haben. Lediglich in Bezug auf zukünftige Betätigungen kann sie als Einwilligung angesehen werden. 104 MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 60 Rdnr. 26; Staub/Weber, HGB, § 60 Rdnr. 28. 105 Erforderlich ist positive Kenntnis. Siehe MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 60 Rdnr. 28; Staub/Weber, HGB, § 60 Rdnr. 29. 106 Dazu GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 4, 58; Hüffer, AktG, § 88 Rdnr. 5 ; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 3 und 24 (das gelte auch im Hinblick auf den Anstellungsvertrag); Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1270. 107 GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 58.
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§ 11 Wettbewerbsverbote
Wettbewerbsverbot dennoch gerechtfertigt ist, wie etwa im Fall des Handelsvertreters, können die Anforderungen an die Einwilligung, wie beim Handlungsgehilfen, geringer sein. b.) Verschärfung oder Abbedingen von Wettbewerbsverboten Wettbewerbsverbote können, wie die Interessenwahrungspflicht, eingeschränkt oder verschärft werden, das gilt sowohl für § 88 AktG als auch für § 60 HGB.108 So kann etwa das Wettbewerbsverbot für Vorstände auch auf die Übernahme von Aufsichtsratsmandaten in anderen Gesellschaften erstreckt werden.109 Bei einer Ausweitung des Wettbewerbsverbots muss allerdings wegen der damit verbundenen zusätzlichen Einschränkung der Handlungs- und Berufsfreiheit des Interessenwahrers ein berechtigtes Interesse des Geschäftsherrn bestehen110 und auf schutzwürdige Belange des Interessenwahrers Rücksicht genommen werden.111 Daher können nicht sämtliche gewerblichen und freiberuflichen Tätigkeiten untersagt werden.112 Das Erfordernis einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen des Interessenwahrers im Rahmen von Wettbewerbsabreden bringt auch § 74 Abs. 2 HGB zum Ausdruck.113 Danach muss die Ausweitung eines Wettbewerbsverbots dem Interessenwahrer abgegolten werden. Die stärkere Bindung an den Geschäftsherrn („Monopolisierung“ des Interessenwahrers) und der damit einhergehende Verlust anderer Verdienstmöglichkeiten darf somit den Interessenwahrer nicht einseitig belasten. Soll demgegenüber das Wettbewerbsverbot abbedungen werden, so ist wie folgt zu unterscheiden: Da das Wettbewerbsverbot dem Schutz der Interessen des Geschäftsherrn dient, kann dieser grundsätzlich darüber disponieren.114 108 Für § 88 AktG: GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 115 ff.; MünchKommAktG/ Spindler, § 88 Rdnr. 5 und 26. Für § 60 HGB: Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 60 Rdnr. 1; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 60 Rdnr. 4 ; Staub/Weber, HGB, § 60 Rdnr. 6. Für die GmbH Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rdnr. 43, 44. 109 MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 5. 110 MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 60 Rdnr. 4. 111 BGH BB 1968, 60. Außerdem darf bei der Ausweitung nicht gegen das Kartellrecht verstoßen werden. Vgl. BGH NJW 1984, 2101, 2102; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 34. 112 MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 5. 113 Nach § 74 Abs. 2 HGB ist ein Wettbewerbsverbot nur dann verbindlich, „wenn sich der Prinzipal verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht“. 114 So kann etwa bei der GmbH das Wettbewerbsverbot im Rahmen der Satzung abbedungen werden. Siehe z. B. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rdnr. 43; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rdnr. 31 (auch durch formlose Zustimmung der Gesellschafter). Bei der AG muss hingegen beachtet werden, dass eine Blankoeinwilligung nach § 88 Abs. 1 Satz 3 AktG nicht zulässig ist. Da ein gänzliches Abbedingen des Wettbewerbsverbots im Voraus mit einer Blankoeinwilligung funktional vergleichbar ist, muss ein solches nach Sinn und Zweck von § 88 Abs. 1 Satz 3 AktG ebenfalls ausgeschlossen
V. Beschränkungen und Abdingbarkeit von Wettbewerbsverboten
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Aus diesem Schutzzweck ergibt sich aber zugleich, dass sichergestellt sein muss, dass der Geschäftsherr seine Entscheidung frei und nur mit Blick auf seine Interessen fällt und nicht unter dem Druck des Interessenwahrers. Zulässig ist daher ein Abbedingen nur dann, wenn zwischen dem Interessenwahrer und dem Geschäftsherrn typischerweise ein Verhandlungsgleichgewicht besteht oder der Geschäftsherr sich in einer stärkeren Verhandlungsposition befindet.115 Wenn hingegen der Interessenwahrer dem Geschäftsherrn aufgrund besserer Kenntnisse, größerer Erfahrung etc. überlegen ist, sperrt der Schutzzweck des Wettbewerbsverbots ein Abbedingen. Ökonomisch kann das gänzliche Abbedingen sinnvoll sein, weil Wettbewerbsverbote aufgrund ihrer einschneidenden und breitflächigen Wirkung zu Effizienzverlusten führen können.116 Im Vergleich zur Freigabe im Einzelfall ist ein gänzliches Abbedingen zweckmäßiger, weil es geringere Transaktionskosten verursacht. Es müssen lediglich einmal und nicht in jedem Einzelfall erneut Verhandlungen geführt und Lösungen gefunden werden. Verhaltensökonomisch ist andererseits zu berücksichtigen, dass bei Verhandlungen über abstrakte Interessenkonflikte immer die Gefahr besteht, dass die Beteiligten den Wert ihrer Positionen, auf die sie verzichten, unterschätzen117 und einer overconfidence bias erliegen. Dies ist insbesondere im Hinblick auf nicht-professionelle Teilnehmer im Rechtsverkehr nicht zu vernachlässigen. Dieser Gedanke unterstützt das aus dem WpHG ableitbare Argument, dass Interessenwahrer in Bezug auf nicht-professionelle Geschäftsherren einer stärkeren Bindung unterliegen müssen,118 sowie die Ansicht, dass das Wettbewerbsverbot bei unterlegenen Geschäftsherren nicht abbedungen werden kann.
sein. Dies muss auch für eine gänzliche Aufhebung des Wettbewerbsverbots im Rahmen der Satzung gelten, sofern man satzungsmäßige Änderungen des Wettbewerbsverbots im Fall der Aktiengesellschaft für zulässig erachtet. Für die Zulässigkeit satzungsmäßiger Änderungen des Wettbewerbsverbots z. B. MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 28; Spindler/Stilz/ Fleischer, AktG, § 88 Rdnr. 30. 115 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 252. 116 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 252. 117 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 781. Im Fall eines gänzlichen Abbedingens kommt allerdings erschwerend hinzu, dass sich die Parteien im Vorhinein darüber klar sein müssen, was ihnen zukünftige Geschäftschancen (Interessenwahrer) bzw. zukünftig entgehende Geschäftschancen (Geschäftsherr) wert sind. 118 Der aufsichtsrechtlichen Wertung in § 31a WpHG zufolge, die sich an verschiedenen Stellen im WpHG niederschlägt, ist zwischen den Marktteilnehmern zu differenzieren und gilt je nach Kategorie der Marktteilnehmer ein unterschiedliches Schutzniveau mit unterschiedlich intensiven Pflichten für die Wertpapierdienstleistungsunternehmen.
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§ 11 Wettbewerbsverbote
VI. Wettbewerbsverbote und Konzern Fraglich ist, ob sich im Fall eines Konzerns das für Vorstände bzw. GmbH-Geschäftsführer einer herrschenden Gesellschaft geltende Wettbewerbsverbot auch auf die beherrschten Unternehmen und deren Tätigkeitsbereiche erstreckt.
1.) Kein unmittelbares Wettbewerbsverbot gegenüber den beherrschten Unternehmen Der Wortlaut des gesetzlich geregelten Wettbewerbsverbots in § 88 AktG („Gesellschaft“) spricht zunächst einmal gegen eine konzernweite Erstreckung des Wettbewerbsverbots.119 Auch hat der Vorstand der herrschenden Gesellschaft, sofern kein Beherrschungsvertrag besteht, gegenüber der abhängigen Gesellschaft kein Weisungsrecht und die herrschende Gesellschaft damit gegenüber beherrschten Gesellschaften keine rechtlich fundierte Konzernleitungsmacht.120 Der Vorstand der abhängigen Gesellschaft leitet diese eigenverantwortlich und muss „Weisungen“ der herrschenden Gesellschaft nicht befolgen.121 Fehlt es aber an einer besonderen Weisungsmacht gegenüber dem beherrschten Unternehmen, fehlt es auch an einer besonderen Öffnung von dessen Interessensphäre. Diese aber wäre die Mindestvoraussetzung dafür, dass der Vorstand der herrschenden Gesellschaft gegenüber der beherrschten Gesellschaft einer Interessenwahrungspflicht unterliegen würde, die so intensiv ist, dass sie sich zu einem Wettbewerbsverbot verdichtet. Zudem ist es dem herrschenden Unternehmen nach § 311 Abs. 1 AktG grundsätzlich erlaubt, das beherrschte Unternehmen nachteilig zu beeinflussen. Negative Auswirkungen auf das beherrschte Unternehmen, wie sie auch im Fall eines Wettbewerbs auftreten, werden also gerade nicht ausgeschlossen. Darin unterscheidet das Konzernverhältnis ganz wesentlich von Interessenwahrungsverhältnissen. Das gilt nach dem Wortlaut von § 311 Abs. 1 AktG zwar zunächst einmal nur für das herrschende Unternehmen. Doch kann von dessen Vorstand nicht mehr verlangt werden als von dem durch ihn vertretenen herrschenden Unternehmen selbst. Fehlt es somit sowohl an einer besonderen Öffnung der Interessensphäre der beherrschten Gesellschaft als auch an einer Regelung, die dem herrschenden Unternehmen und dessen Organwaltern negative Einflussnahmen ausdrücklich Ablehnend daher etwa OLG Frankfurt a. M. AG 2000, 518, 519. Z.B. Emmerich/Habersack/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 Rdnr. 10; siehe auch Hüffer, AktG, § 76 Rdnr. 17; MünchKommAktG/Altmeppen, § 311 Rdnr. 391; KölnKommAktG/Mertens/Cahn § 76 Rdnr. 65; K. Schmidt/Lutter/Seibt, AktG § 76 Rdnr. 16; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rdnr. 86; a.A. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S 43 ff., 165 ff. 121 Emmerich/Habersack/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 Rdnr. 10. 119
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VI. Wettbewerbsverbote und Konzern
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verbietet, fehlt es an den Voraussetzungen für eine (verdichtete) Interessenwahrungspflicht gegenüber dem beherrschten Unternehmen. Daher kann der Vorstand bzw. GmbH-Geschäftsführer der herrschenden Gesellschaft gegenüber der beherrschten Gesellschaft auch keinem Wettbewerbsverbot unterliegen.
2.) Ausweitung des Wettbewerbsverbots gegenüber der herrschenden Gesellschaft Allerdings kann das Wettbewerbsverbot, dem der Vorstand gegenüber seiner eigenen (herrschenden) Gesellschaft unterliegt, ihm eine Konkurrenztätigkeit im Bereich der Geschäftsfelder der Tochterunternehmen verbieten. Denn zu den Aufgaben der Geschäftsleiter (Vorstand bzw. GmbH-Geschäftsführer) im Rahmen ihrer Geschäftsführung für die herrschende Gesellschaft gehören auch die Verwaltung des Beteiligungsbesitzes und die Kontrolle der Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft.122 Damit erhalten ihre Leitungsaufgaben eine konzernweite Ausrichtung.123 Mit dieser Ausweitung der Aufgaben geht eine korrespondierende Ausweitung der Interessenwahrungspflicht gegenüber ihrer Gesellschaft einher: 124 Ist ein Geschäftsleiter der herrschenden Gesellschaft gegenüber seiner eigenen Gesellschaft dazu verpflichtet, den Beteiligungsbesitz zu verwalten, so hat er aufgrund seiner Interessenwahrungspflicht alles zu unterlassen, was die Interessen seiner Gesellschaft im Hinblick auf diesen Beteiligungsbesitz beeinträchtigen könnte. Dazu gehört auch eine Konkurrenz gegenüber den beherrschten Gesellschaften. Denn eine solche würde deren Geschäftstätigkeit und damit den Beteiligungsbesitz der herrschenden Gesellschaft beeinträchtigen. Dementsprechend ist der Geschäftsleiter gegenüber seiner eigenen Gesellschaft verpflichtet, auch von solchen Tätigkeiten abzusehen, die in Konkurrenz zur Geschäftstätigkeit der beherrschten Gesellschaften stehen.125 Dieses Ergebnis deckt sich mit der zu Ziff. 4.3.1 DCGK vertretenen Ansicht, dass sich das dort als „umfassend“ bezeichnete Wettbewerbsverbot auch auf den Konzern beziehe.126 Emmerich/Habersack/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 Rdnr. 87. Emmerich/Habersack/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 Rdnr. 87; MünchKommAktG/Altmeppen, § 311 Rdnr. 391. 124 Spindler/Stiltz/Fleischer, AktG, § 88 Rdnr. 24 stellt auf die Amtspflicht der Vorstandsmitglieder zur Konzernleitung ab, die eine kongruente Pflichtenbindung zur Unterlassung von Wettbewerb einschließe; vgl. auch MünchKommAktG/Altmeppen, § 311 Rdnr. 391 („Konzernleitungspflicht“ ausschließlich im Verhältnis zum herrschenden Unternehmen); KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rdnr. 13 (Pflicht zur „getreuen Konzernleitung“ gegenüber der herrschenden Gesellschaft). 125 Vgl. auch GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 30; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rdnr. 13; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 22; Spindler/Stilz/ Fleischer, AktG, § 88 Rdnr. 24. 126 Ringleb/Kremer/Lutter/v.Werder/Ringleb, DCGK, Rdnr. 808. 122 123
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§ 11 Wettbewerbsverbote
VII. Zusammenfassung Wettbewerbsverbote verbieten dem Interessenwahrer, eigene oder andere fremde geschäftliche Interessen in der Interessensphäre des Geschäftsherrn wahrzunehmen und so zu diesem in Konkurrenz zu treten. Sie dienen dem Schutz des Interesses des Geschäftsherrn an der Verwertung seiner (geschäftlichen) Informationen, dem Schutz vor missbräuchlicher Ausnutzung von Entscheidungsbefugnissen durch den Interessenwahrer und in einigen Fällen auch der Erhaltung von dessen Arbeitskraft. Sie haben präventiven Charakter und knüpfen an die abstrakte Gefährdung der Interessen des Geschäftsherrn an. Damit führen auch sie zu einem intensiven Eingriff in die Handlungsfreiheit von Interessenwahrern. Vor diesem Hintergrund sind Wettbewerbsverbote als besonders „verdichtete“ Konkretisierungen der Interessenwahrungspflicht einzuordnen. Das bloße Bestehen einer Interessenwahrungspflicht reicht daher für die Annahme eines Wettbewerbsverbots nicht aus. Zusätzlich muss das Interessenwahrungsverhältnis auf eine ausschließliche Bindung (mit entsprechender Vergütung) des Interessenwahrers an den Geschäftsherrn gerichtet sein und der Interessenwahrer für den Geschäftsherrn geschäftliche Entscheidungen mit Außenwirkung treffen können. Gesetzlich normierte Wettbewerbsverbote gibt es im Aktienrecht für den Vorstand, § 88 AktG, und im Handelsrecht für den Handlungsgehilfen, § 60 HGB. Darüber hinaus können Wettbewerbsverbote im Wege der Analogie auf andere Interessenwahrer übertragen werden. Dazu gehören etwa der GmbHGeschäftsführer und der Handelsvertreter, nicht aber der Kommissionär. Wettbewerbsverbote sind wegen ihres einschränkenden und „überschießenden“ Charakters eng auszulegen und sind zeitlich auf die Dauer des Interessenwahrungsverhältnisses begrenzt. Sie können sowohl verschärft als auch eingeschränkt und sogar ganz abbedungen werden. Letzteres ist jedoch mit dem Schutzzweck der Wettbewerbsverbote nur zu vereinbaren, wenn sichergestellt ist, dass der Geschäftsherr dem Interessenwahrer nicht unterlegen ist.
§ 12 Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen im Berufsrecht I. Einleitung Besonders strenge Regelungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten sehen die Berufsrechte der Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater für den Fall der „Vertretung widerstreitender Interessen“ vor. Im Fall eines solchen – qualifizierten1 – Interessenkonflikts hat der jeweilige Berufsträger das Mandat niederzulegen bzw. es gar nicht erst zu übernehmen. Neben der besonderen Intensität des Konflikts spielt dabei auch der rechtliche Zusammenhang eine wichtige Rolle. Da es sich um berufsrechtliche Regelungen handelt, setzen die jeweiligen Vorschriften voraus, dass der verbotene Loyalitätskonflikt durch berufliches Handeln herbeigeführt wird.2 Bei der folgenden Untersuchung dieses Vertretungsverbots in den verschiedenen Berufsrechten ist zu berücksichtigen, dass – verfassungsgerichtlich bestätigt – die drei wirtschaftsnahen Beratungsberufe – Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer – wegen ihrer Wesensverwandtheit grundsätzlich gleich zu behandeln sind.3 Dementsprechend lassen sich Erkenntnisse aus einem Berufsrecht auf die anderen Berufsrechte übertragen. Dies spielt etwa für das Berufsrecht der Steuerberater eine wichtige Rolle, weil hier das Vertretungsverbot im Gesetz selbst nicht ausdrücklich geregelt ist.
Siehe § 1 II.4.)d.). Siehe etwa Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 56; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 98; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO § 43a Rdnr. 186; Knöfel, Grundfragen, S. 743; sehr weitgreifend ders., NJW 2005, 6, 7 (jegliche Aktivität, die sachlich nicht zum Bereich der Berufstätigkeit zählt, werde ausgeblendet); Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 87. 3 Vgl. dazu die Ausführungen in BVerfGE 98, 49, 63 ff.; außerdem Henssler, ZIP 1998, 2121, 2124 f.; ders., JZ 1998, 1065, 1067; Deckenbrock, BB 2002, 2453, 2457. 1 2
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§ 12 Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen im Berufsrecht
II. Vertretungsverbot für den Rechtsanwalt nach § 43a Abs. 4 BRAO Für Rechtsanwälte ist das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen in § 43a Abs. 4 BRAO sowie in § 3 BORA geregelt.4 Daneben enthält § 45 Abs. 3 BRAO Tätigkeitsverbote für Situationen, bei denen der Anwalt bereits im Rahmen einer zweitberuflichen Betätigung außerhalb seines Rechtsanwaltsberufes in derselben Rechtssache oder Angelegenheit tätig war. Diese Regelung soll verhindern, dass der Anwalt aufgrund einer solchen vorherigen Betätigung in Interessenkonflikte gerät.5 § 46 BRAO regelt bestimmte Vertretungs- und Tätigkeitsverbote für Syndikusanwälte.
1.) Zweck der Regelung in § 43a Abs. 4 BRAO Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen in § 43a Abs. 4 BRAO dient zum einen dem Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Mandant und Rechtsanwalt zum anderen der Wahrung der Unabhängigkeit des Rechtsanwaltes und der im Interesse der Rechtspflege gebotenen Geradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung.6 Das Verbot hat demzufolge zwei Schutzrichtungen, die gleichberechtigt nebeneinander stehen: einerseits die individuelle Vertrauensbeziehung zwischen Mandant und Rechtsanwalt, andererseits die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, die das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Zuverlässigkeit der Anwaltschaft voraussetzt.7 Das individuelle Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt ist zentrale Voraussetzung für die Tätigkeit des Anwalts. Denn nur dann wird der Mandant dem Anwalt seine Interessensphäre öffnen und die Vertretung seiner Interessen übertragen sowie ihm die benötigten vertraulichen Informationen überlassen.8 Ein Vertrauensverhältnis kann aber nur entstehen, wenn der Mandant sicher sein kann, dass der Rechtsanwalt seine – des Mandanten – Interessen unabhängig und vollumfänglich vertritt, keine anderen Interessen 4 Dazu ausführlich Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 147 ff. Im Folgenden gilt es zu beachten, dass die Tatbestandsmerkmale von § 43a Abs. 4 BRAO und § 356 StGB grundsätzlich gleich auszulegen sind, Henssler/Deckenbrock, NJW 2012, 3265; vgl. auch Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 166. 5 Deckenbrock, BB 2002, 2453, 2454. 6 BT-Drs. 12/4993, S. 27. 7 Vgl. dazu BVerfGE 108, 150, 161; BVerfG NJW 2006, 2469, 2470; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 147; Kleine-Cosack, AnwBl 2003, 539, 541; Schramm, DStR 2003, 1316, 1320. 8 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 161; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 85; Deckenbrock, BB 2002, 2453, 2459. Der Schutz des Vertrauensverhältnisses geht allerdings über den Schutz vertraulicher Informationen hinaus.
II. Vertretungsverbot für den Rechtsanwalt nach § 43a Abs. 4 BRAO
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bevorzugt und insbesondere nicht zugleich für den Gegner tätig ist.9 Das Vertrauensverhältnis kann nur durch ein – im Vergleich zu anderen Maßnahmen bei Interessenkonflikten sehr strenges, weil völliges – Verbot der Übernahme bzw. Weiterführung des Interessenwahrungsverhältnisses geschützt werden, da der Geschäftsherr bzw. Mandant bei der rechtlichen Vertretung ganz besonders auf den Interessenwahrer bzw. Anwalt angewiesen ist. Denn die rechtliche Auseinandersetzung stellt die stärkste Form der Konfrontation bei Konflikten dar, die in einem Rechtsstaat zulässig ist, so dass einem Interessenwahrer in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle zukommt. Der weitere Schutzzweck, die Sicherung der Geradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung, zielt auf den Schutz des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Zuverlässigkeit der Rechtsanwälte als Sachwalter fremder Interessen,10 d. h., dass ein Rechtsanwalt ausschließlich eine Seite unterstützt.11 Damit dient § 43a Abs. 4 BRAO zugleich dem Schutz eines Teilaspekts der anwaltlichen Unabhängigkeit: Ein Rechtsanwalt, der zum Diener gegenläufiger Interessen wird, verliert jede unabhängige Sachwalterstellung im Dienst des Rechtssuchenden.12 Denn wenn er sich gleichzeitig für die Interessen beider Seiten einsetzen soll, fehlt es ihm an der notwendigen Unabhängigkeit, um sich für die jeweils andere Seite einzusetzen.13
2.) „Vertreten“ Neben dem Vorliegen „widerstreitender Interessen“14 setzt § 43a Abs. 4 BRAO auch eine „Vertretung“ dieser widerstreitenden Interessen durch den Rechtsanwalt voraus. Dafür ist Voraussetzung, dass ein Mandatsverhältnis begründet worden ist. Erst dann unterliegt der Rechtsanwalt der besonderen Interessenwahrungspflicht gegenüber dem Mandanten und der Pflicht, als Organ der Rechtspflege im Interesse von deren Glaubwürdigkeit und Lauterkeit die mit der Mandatierung übernommene Ausrichtung seiner Tätigkeit grundsätzlich beizubehalten.15
Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 148. Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 161; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 85; dies., DStR 2003, 1316, 1320. 11 BVerfGE 108, 150, 161; BVerfG NJW 2006, 2469, 2470. 12 BVerfGE 108, 150, 160 f.; BVerfG NJW 2006, 2469, 2470; Kleine-Cosack, AnwBl 2003, 539, 541; ders., AnwBl 2006, 13, 15. 13 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 148 und S. 259. 14 Sie dazu § 1II.4.). 15 BGH NJW 1981, 1211, 1212; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 159; vgl. dazu auch Knöfel, Grundfragen, S. 740. 9
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§ 12 Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen im Berufsrecht
a.) Weites Begriffsverständnis Der Begriff „Vertreten“ in § 43a Abs. 4 BRAO ist anders, d. h. weiter, zu verstehen als der Begriff der „Vertretung“ in §§ 164 ff. BGB; auch beschränkt er sich nicht auf die gerichtliche „Prozessvertretung“.16 Vielmehr umfasst er außerdem die außergerichtliche Beratung17 und generell jedes berufliche Tätigwerden des Rechtsanwalts hinsichtlich des Mandates.18 Darüber hinaus handelt es sich auch um ein „Vertreten“, wenn der mit der Interessenvertretung betraute Rechtsanwalt in Situationen nicht tätig wird, in denen sein Tätigwerden erforderlich wäre, also das Unterlassen von gebotenen Handlungen.19 Für ein solches weites Verständnis spricht schon der (übrige) Wortlaut von § 43a Abs. 4 BRAO, der keine Außenwirkung der – wegen eines Interessenwiderstreits verbotenen – „Vertretung“ fordert20 sowie die Gesetzesbegründung.21 Auch aus systematischen Gründen ist ein weites Verständnis angezeigt, wie die Zusammenschau mit § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO zeigt. Hinsichtlich des Merkmals „rechtsbesorgend tätig geworden“ in § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO, das eine spätere Anwaltstätigkeit in derselben Rechtssache verhindert, hat der BGH ausdrücklich klargestellt, dass dieses schon dann erfüllt ist, wenn sich der Anwalt im Rahmen der Ersttätigkeit darauf beschränkt hat, lediglich Rechtsrat zu erteilen.22 Wenn aber schon in diesem Fall eine bloße Beratung das (spätere) Tätigwerden hindert, muss dies erst recht bei § 43a Abs. 4 BRAO für die gleichzeitige („interne“) reine Rechtsberatung eines Mandanten gelten.23 Schließlich spricht auch der Normzweck für eine weite Auslegung. Denn eine enge Auslegung, wonach nur ein Handeln mit Außenwirkung, nicht aber die Beratung vom § 43a Abs. 4 BRAO erfasst werden würde, wäre mit dem Norm16 Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 90; Kütemann, Interessenkollision des Anwalts, S. 63; Henssler, NJW 2001, 1521, 1524. 17 Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 66; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 98; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 90; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 160; ders., BB 2002, 2453 f.; Kilian, WM 2000, 1366, 1368; Offermann-Burckhart, AnwBl 2005, 312, 313. 18 BGH NJW 2001, 1572, 1573 („im weitesten Sinne zu verstehen“); ausführlich Knöfel, Grundfragen, S. 736 ff.; außerdem Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 66; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 186; Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 638; ders., WM 2000, 1366, 1368; Kütemann, Interessenkollision des Anwalts, S. 63; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 90; Offermann-Burckhart, AnwBl 2005, 312, 313. 19 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 187; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 161; a.A. Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 91. 20 Knöfel, Grundfragen, S. 737. 21 BT-Drs. 12/4993, S. 27, wonach die anwaltliche Berufspflicht nach § 43a Abs. 4 BRAO über die Strafbestimmung von § 356 StGB hinausgehen soll. 22 BGHZ 141, 69, 73 f. 23 Knöfel, Grundfragen, S. 737.
II. Vertretungsverbot für den Rechtsanwalt nach § 43a Abs. 4 BRAO
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zweck von § 43a Abs. 4 BRAO nicht zu vereinbaren.24 Der Konflikt zweier vom Anwalt wahrzunehmender entgegengesetzter Interessen belastet diesen und seine Entscheidungen – und damit letztlich auch das Vertrauen des Mandanten und der Öffentlichkeit – in gleicher Weise, unabhängig davon, auf welche Art und Weise der Rechtsanwalt tätig wird, um diesen Interessen zur Durchsetzung zu verhelfen. Dementsprechend bestimmt § 3 Abs. 1 BORA – insofern deutlicher –, dass ein Rechtsanwalt nicht tätig werden darf, wenn er eine andere Partei in derselben Rechtssache im widerstreitenden Interesse „beraten oder vertreten“ hat oder „mit der jeweiligen Rechtssache in sonstiger Weise im Sinne der §§ 45, 46 BRAO beruflich befasst war“. Klargestellt wird außerdem, dass das Verbot auch für die Fälle gilt, in denen die Beratung oder Vertretung im widerstreitenden Interesse nicht gleichzeitig, sondern sukzessive erfolgt. b.) Keine Erstreckung auf die Anbahnung von Mandatsbeziehungen Nicht von § 43a Abs. 4 BRAO erfasst werden solche Handlungen, die auf die Anbahnung des Mandatsverhältnisses gerichtet sind. Zwar gehört grundsätzlich auch die Mandatsanbahnung zur Berufsausübung. Vor Abschluss des Mandatsvertrages kann der Mandant aber nicht davon ausgehen, dass der Anwalt gewillt ist, sich einseitig zu binden und so auf eventuell wirtschaftlich bedeutende Mandate der Gegenseite zu verzichten.25 Außerdem reichen die vertraglichen Schutz- und Rücksichtnahmepflichten, die im Rahmen der Vertrags anbahnung gelten, nicht so weit wie die strenge Interessenwahrungspflicht, die mit dem Vertragsabschluss entsteht. Sie reichen daher auch nicht aus, um den intensiven Eingriff von § 43a Abs. 4 BRAO in die Vertragsfreiheit des Anwalts zu rechtfertigen.26 Im Vorfeld des Vertragsschlusses hat sich der Anwalt gerade noch nicht auf die Interessenvertretung festgelegt. Da er somit weder seine Unabhängigkeit noch die anwaltliche Geradlinigkeit gefährdet, wenn er sich anders entscheidet, sind die Schutzzwecke von § 43a Abs. 4 BRAO nicht berührt.27 Zur Vertragsanbahnung gehört auch die Teilnahme an einem Mandatswettbewerb.28 Bei einem solchen Wettbewerb soll erst entschieden werden, wer die Interessenvertretung des (potentiellen) Mandanten letztlich tatsächlich übernehmen darf.29 Dieser Einordnung steht eine eventuelle Honorarzahlung für die Teilnahme an einem solchen Mandatswettbewerb nicht entgegen.30 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 160; Henssler, NJW 2001, 1521, 1524. Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 191. 26 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 192. 27 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 193. 28 Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 59; Knöfel, Grundfragen, S. 740. 29 Ausführlich Knöfel, Grundfragen, S. 740 ff. 30 Vorsichtiger Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 190 (dies „könne“ ein Argument für ein Vertretungsverbot sein). 24
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§ 12 Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen im Berufsrecht
Solange das Honorar lediglich für diese Teilnahme gezahlt wird, ist die Entstehung eines Interessenkonflikts nicht wahrscheinlich. Denn die Entgegennahme von Entgelt für eine Anwaltsleistung erhöht für sich allein genommen nicht die Gefahr von Interessenkonflikten.31 c.) Durch den Rechtsanwalt Weiterhin ist erforderlich, dass der Rechtsanwalt mit der Vertretung gerade der widerstreitenden Interessen betraut worden ist; es genügt nicht, dass nur die beiden Mandanten selbst widerstreitende Interessen verfolgen.32 Haben sie aber den Rechtsanwalt beauftragt, spielt es wiederum keine Rolle, ob die betroffenen Mandanten des Rechtsanwalts voneinander oder dem zwischen ihnen bestehenden Interessengegensatz wussten.33 Außerdem bedarf es eines spezifischen Tätigwerdens (oder Untätigbleibens trotz gebotener Handlung) des Rechtsanwaltes im Interesse seines Mandanten.34 d.) Unabdingbarkeit des Vertretungsverbots Unerheblich ist auch, ob die Mandanten in die Vertretung trotz widerstreitender Interessen eingewilligt haben. Zwar kann der Mandant entscheiden, was seine Interessen sind und wie diese genauer zu bestimmen sind, nicht aber darüber, dass ein Anwalt trotz bestehenden Interessenkonflikts (auch) für die andere Partei tätig wird.35 Ob ein Konflikt zwischen zwei oder mehreren (von den Mandanten subjektiv bestimmten) Interessen besteht, ist – anders als die Interessenbestimmung – objektiv zu ermitteln.36 Ist ein objektiver Interessengegensatz festgestellt worden, kann es auf eine Einwilligung des Mandanten in eine Vertretung totz Interessenwiderstreits nicht ankommen.37 Denn das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen schützt sowohl den Mandanten als auch das Vertrauen der Allgemeinheit in die Anwaltschaft und dieser Schutz Knöfel, Grundfragen, S. 742. BGH NJW 1981, 1211, 1212; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 186; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 107; Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 638; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 91. 33 Bzgl. § 356 StGB: RGSt 71, 114, 115; BayObLG NJW 1959, 2223, 2224. 34 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 186; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 160. 35 Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 67; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 203; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 110; siehe auch Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 113; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 51. 36 Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 110; ders., AnwBl 2005, 338, 339; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 165. 37 BGHSt 4, 80, 82; 15, 332, 335 f.; 17, 305, 307; 18, 192, 198; Henssler/Deckenbrock, NJW 2012, 3265, 3269. 31
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II. Vertretungsverbot für den Rechtsanwalt nach § 43a Abs. 4 BRAO
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darf nicht leerlaufen. Andernfalls müsste der Anwalt, um die Interessen angemessen wahren zu können, zwischen den ihm zugeleiteten Informationen exakt unterscheiden und sie – je nach Partei – getrennt voneinander verwerten können. Innerhalb ein und derselben Person sind jedoch eine solche Abschottung von Informationen und die Trennung nach ihrer Herkunft nicht möglich.38 Zumindest kann ein unbewusster Einsatz vertraulicher Informationen zulasten eines Mandanten nie völlig ausgeschlossen werden.39 Dementsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht davon gesprochen, dass „die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben […] den unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichteten Rechtsanwalt“ voraussetzt und diese Eigenschaft nicht zur Disposition des Mandanten stünde.40 Dies spiegelt sich in § 3 BORA wider. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BORA ist im Fall einer gemeinschaftlichen Berufsausübung das Einverständnis des Mandanten mit einer Vertretung im widerstreitenden Interesse unter bestimmten Umständen erheblich. Da eine vergleichbare Regelung für den Einzelanwalt fehlt, muss daraus geschlossen werden, dass bei diesem eine Einwilligung keine Bedeutung hat.41 Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Mandant seine (subjektiv zu bestimmenden) Interessen anders definiert und es aus diesem Grund nicht zu einem „Widerstreit“ mit den Interessen der anderen Partei kommt. Eine „Einwilligung“ des Mandanten ist also zumindest dann beachtlich, wenn sie (vorgelagert) den Interessengegensatz aufhebt.42 Im Gegenzug greift das Vertretungsverbot bei einer Änderung der Interessen einer Partei, wenn diese Änderung der Interessen nunmehr zu einem Interessenwiderstreit mit den Interessen einer anderen, vom selben Rechtsanwalt vertretenen Partei führt.43 Der Anwalt hat dann beide Mandate niederzulegen. Eine solche Interessenänderung ist auch beachtlich, wenn der Anwalt die Vertretung seines (ersten) Mandanten bereits abgeschlossen hat. Hat dieser an der vom Anwalt (zunächst für ihn) betreuten Rechtssache kein Interesse mehr, darf der Anwalt auch für den (bisherigen) Gegner seines Mandanten tätig werden.44 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 109; ders., BB 2002, 2453, 2460. Deckenbrock, BB 2002, 2453, 2460. 40 BVerfGE 108, 150, 161 f.; siehe auch BGHZ 174, 186, 189. 41 Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 3 BORA Rdnr. 12; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 168; a.A. Grunewald, ZEV 2006, 386, 387. 42 BGHSt 15, 332 (zu § 356 StGB); Feuerich in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 64; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 113; siehe auch Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 203 f.; vgl. auch Henssler/Deckenbrock, NJW 2012, 3265, 3268. 43 Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 65; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 112 m.w.N. 44 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 113. Beispiel ist etwa, wenn der Anwalt zunächst in einem Schadensersatzprozess den Geschädigten vertritt und nach dem erstrittenen Urteil den Schädiger in einem Regressprozess vertritt – zumindest wenn dieser alle gegen ihn bestehenden offenen Forderungen des Geschädigten erfüllt hat. 38 39
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§ 12 Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen im Berufsrecht
Nicht erfasst wird dagegen der Fall, dass der Anwalt einen Ausgleich zwischen den Interessen der Mandanten anstrebt.45 In diesem Fall wird er nicht gegen die eine oder andere Partei tätig, sondern bemüht sich darum, einen Rechtsstreit zu vermeiden bzw. beizulegen, also für Rechtsfrieden zu sorgen.46
3.) „Dieselbe Rechtssache“ Anders als § 3 Abs. 1 BORA und die Vorgängerregelungen von § 43a Abs. 4 BRAO, aber auch im Unterschied zu §§ 45, 46 BRAO („dieselbe Angelegenheit“) und § 356 StGB, enthält § 43a Abs. 4 BRAO keine ausdrückliche Beschränkung auf „dieselbe Rechtssache“. Dennoch ist weitgehend anerkannt, dass der Gesetzgeber das Vertretungsverbot, das er im Rahmen der Berufsrechtsnovelle47 in § 43a Abs. 4 BRAO geregelt hat, nicht ausweiten wollte; außerdem werden verfassungsrechtliche Gründe (insbesondere die Berufsfreiheit, Art. 12 GG) für ein insofern enges Verständnis des Vertretungsverbotes herangezogen, sodass dieses Tatbestandsmerkmal auch bei § 43a Abs. 4 BRAO zu berücksichtigen ist.48 Rechtssachen sind alle rechtlich erheblichen Sachverhalte, bei denen mehrere Beteiligte mit (möglicherweise) entgegengesetzten Interesse einander gegenüberstehen können – unabhängig davon, ob es sich um zivil-, straf- oder verwaltungsrechtliche Sachverhalte handelt oder um solche der freiwilligen Gerichtsbarkeit.49 Dabei ist der Begriff der Rechtssache weiter als der des Rechtsstreits.50 Er umfasst das gesamte „sachlich-rechtliche Rechtsverhältnis in sei Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 65; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 203; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 109. 46 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 109. 47 Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 02.09.1994, BGBl. 1994 I, S. 2278 v. 08.09.1994. 48 Ein Rückgriff auf § 3 BORA, der in der Normenhierarchie unter § 43a Abs. 4 BRAO steht, ist mithin nicht erforderlich. Für eine Berücksichtigung des Tatbestandsmerkmal „dieselbe Rechtssache“ etwa OLG Hamburg, NJW-RR 2002, 61, 62 f. (dem Begriff „widerstreitende Interessen“ immanent); Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 199; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 90 f.; ders., AnwBl 1998, 417, 418; ders., AnwBl 2006, 13, 14; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 161 f.; Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 631; ders., WM 2000, 1366, 1367; Kütemann, Interessenkollision des Anwalts, S. 6 ff.; Henssler, NJW 2001, 1521, 1523 (mit krit. Anmerkungen dazu). A.A. Knöfel, Grundfragen, S. 733; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 95 („keine eigenständige Bedeutung“, „entbehrlich“); Schiffer, AnwBl 1959, 138 ff. 49 BGH NJW-RR 2008, 795; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 92; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 162; Kütemann, Interessenkollision des Anwalts, S. 10; Offermann-Burckhart, AnwBl 2005, 312, 313. Siehe auch Aigner, Der Tatbestandskomplex „Dieselbe Rechtssache“, S. 31 ff., 78 ff. Bzgl. des gleich zu verstehenden Begriffs in § 356 StGB: BGHSt 5, 301, 304; 18, 192; BGH NJW 2008, 2723, 2724; OLG Karlsruhe, NJW 2002, 3561, 3562; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 86. 50 RGSt 66, 316, 320; BGHSt 7, 17, 19. 45
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nen tatsächlichen Grundlagen wie in seinen Rechtsbeziehungen“.51 Dementsprechend erfasst der Begriff der Rechtssache nicht nur forensische Streitigkeiten sondern etwa auch außergerichtliche Beratungen.52 Von „derselben“ Rechtssache ist auszugehen, wenn die gesamten tatsäch lichen Umstände, die der rechtlichen Beurteilung unterliegen, bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitlicher Sachverhalt anzusehen sind.53 Die widerstreitenden Interessen müssen daher auf denselben – innerlich zusammengehörigen, einheitlichen – Sachverhalt zurückzuführen sein.54 Dafür reicht es schon aus, wenn sich die dem Anwalt von den verschiedenen Mandanten anvertrauten Sachverhalte teilweise überschneiden.55 Zugleich wird mit diesem Merkmal klargestellt, dass der Anwalt in anderen, nicht bereits von ihm vertretenen Rechtssachen die Interessen der Gegenpartei eines aktuellen und früheren Mandanten wahrnehmen darf.56 Sofern es sich jedoch um dieselbe Rechtssache handelt, darf der Anwalt – auch nach Abschluss eines Mandats – kein anderes Mandat in dieser Rechtssache übernehmen, bei dem er widerstreitende Interessen vertreten müsste.57 51 Bzgl. § 356 StGB Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 87. Vgl. auch RGSt 60, 298, 299; BGHSt 9, 341, 345. 52 Bzgl. § 356 StGB: RGSt 45, 305, 306; 62, 289, 291; siehe auch BGHSt 7, 17, 19. 53 BGH NJW-RR 2008, 795; Kalsbach, AnwBl 1954, 187, 188 f.; siehe auch Schramm, DStR 2003, 1316, 1318; außerdem Kütemann, Interessenkollision des Anwalts, S. 10 f. Ausführlich Aigner, Der Tatbestandskomplex „Dieselbe Rechtssache“, S. 37 ff.; 86 ff. Im Zusammenhang mit § 356 StGB Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 87. 54 BGH NJW-RR 2008, 795; Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 61; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 93; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 162 (ausführlich im Zusammenhang mit § 356 StGB a.a.O., S. 87 ff.); Offermann-Burckhardt, AnwBl 2005, 312, 313; siehe auch BayObLG NJW 1995, 606 (hins. § 356 StGB); OLG München NJW 1997, 1313; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 201 („Identität der Lebenssachverhalte“); Groß, in: Münchener Anwaltshandbuch Familienrecht, § 2 Rdnr. 25; Passarge, Die Aktiengesellschaft als neue Rechtsform für anwaltliche Zusammenschlüsse, S. 130; Hamm, in: Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, A 2 Rdnr. 7 („derselbe historische Vorgang“). Bzgl. der parallelen Problematik bei § 356 StGB z. B. BGHSt 18, 192; 34, 190, 191. 55 OLG Hamburg, NJW-RR 2002, 61, 63; Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 60; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 199; Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 632; ders., WM 2000, 1366, 1367; Kleine-Cosack, AnwBl 2005, 338; Offermann-Burckhart, AnwBl 2005, 312, 313. Dies führt zu einer eher extensiven Auslegung dieses Merkmal, sodass sich die mittels dieses Merkmals erfolgende Einschränkung des Tatbestandes in Grenzen hält. Hinsichtlich der Frage, inwieweit dieses Tatbestandsmerkmal eigene Bedeutung hat Deckenbrock, Strafrechterlicher Parteiverrat, S. 161 Fn. 645. 56 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 199; ders., NJW 2001, 1521, 1523; Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 632 und 633; ders., WM 2000, 1366, 1367; vgl. auch Dingfelder/Friedrich, Parteiverrat und Standesrecht, S. 199; Passarge, Die Aktiengesellschaft als neue Rechtsform für anwaltliche Zusammenschlüsse, 2003, S. 130. 57 Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 634; Passarge, Die Akti-
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§ 12 Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen im Berufsrecht
Aufgrund der Beschränkung auf „dieselbe Rechtssache“ sind Schutzlücken nicht völlig auszuschließen. So kann es sein, dass ein Anwalt im Zusammenhang mit einer anderen von ihm betreuten Rechtssache vertrauliche Informationen erhält, die für den neuen Mandanten nutzbringend wären.58 Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit nach § 43a Abs. 2 BRAO hilft dann wenig, weil sie lediglich verbietet, vertrauliche Informationen unbefugt weiterzugeben, nicht aber bloß unter Ausnutzung dieser Informationen ohne irgendeine Kundgabe zu handeln.59 Zwar können in diesem Fall vertragliche Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden – etwa wegen Verletzung der im Rahmen des Anwaltsvertrages übernommenen Verpflichtung, Nachteile für den Mandanten abzuwehren60 und vertrauliche Informationen nicht zum Nachteil des Mandanten zu verwenden61. Meist wird es aber nicht leicht sein, die Verwertung von vertraulichen Informationen nachzuweisen, weil die Verwertung ein innerer Vorgang ist, der sich nicht nach außen manifestiert und der auch dem Anwalt nicht unbedingt immer bewusst sein muss. Besseren Schutz dürfte in diesem Zusammenhang die von der Rechtsprechung angeführte Möglichkeit bieten, dem Anwalt nach den Grundsätzen der §§ 627 Abs. 1, 628 Abs. 1, Satz 2 BGB das Mandat zu entziehen und den Vergütungsanspruch zu kürzen, wenn er den Mandanten bei der Mandatierung nicht ausreichend darauf hingewiesen hat, dass er gleichzeitig auch noch Interessen Dritter gegen ihn, den Mandanten, wahrnimmt.62 Selbst wenn kein rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang mit den Aufträgen besteht, die der Gegner des (neuen) Mandanten dem Rechtsanwalt erteilt hat, soll ein Anwalt, der häufig von dem Gegner mandatiert wird, gegenüber dem (neuen) Mandanten auf diesen Umstand hinweisen müssen.63
4.) Nichtanwaltliche Vorbefassung Zum Teil wird vertreten, dass das Vertretungsverbot in § 43a Abs. 4 BRAO nicht nur bei vorangegangener anwaltlicher Tätigkeit eingreift, sondern auch im Fall einer nichtanwaltlichen, anderen beruflichen Vorbefassung, wenn diese einen Interessenkonflikt hervorrufen könnte und der Handelnde Rechtsanwalt engesellschaft als neue Rechtsform für anwaltliche Zusammenschlüsse, 2003, S. 130. Bzgl. der parallelen Problematik bei § 356 StGB BGHSt 7, 261, 263. 58 § 204 StGB, der die Verwertung fremder Geheimnisse verbietet, schützt nur zum Teil, da er Vorsatz erfordert, § 43 Abs. 2 BRAO aber auch fahrlässiges Handeln erfasst. 59 Das Gleiche gilt für § 203 StGB. Vgl. Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 162. 60 Herrmann, DB 1997, 1017, 1019. 61 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 163; Grunewald, JZ 2008, 691, 692. 62 BGH NJW 1985, 41. 63 BGHZ 174, 186. Krit. dazu Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 164; siehe auch Henssler/Deckenbrock, NJW 2008, 1275, 1276 ff.
II. Vertretungsverbot für den Rechtsanwalt nach § 43a Abs. 4 BRAO
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sei.64 Damit würde jede (auch nichtanwaltliche) Berufstätigkeit zu einem „Vertreten“ und § 43a Abs. 4 BRAO aus dem spezifischen Berufsrechtsrahmen für Rechtsanwälte herausgezogen werden; die Norm würde damit zu einem „umfassenden Koordinationsgebot“ hinsichtlich jeder wie auch immer gearteten beruflichen Tätigkeit.65 Dem Wortlaut von § 43a Abs. 4 BRAO lässt sich keine eindeutige Lösung entnehmen. Einerseits weicht er von dem insofern deutlicheren und engeren Wortlaut des § 356 StGB („in dieser Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten“) ab. Andererseits wird vertreten, dass die Verwendung des Begriffs „Rechtsanwalt“ auf die ausschließlich anwaltliche Vorbefassung hindeute, zumal sonst auch die private Vorbefassung einbezogen und ein Vertretungsverbot nach sich ziehen würde.66 Systematisch spricht für eine enge Auslegung von § 43a Abs. 4 BRAO, dass es andernfalls der Regelungen in §§ 45, 46 BRAO nicht bedurft hätte. 67 Diese Vorschriften regeln gerade solche Fälle, in denen der Anwalt mit einer Angelegenheit bereits in einer anderen Funktion befasst war. Bei einer weiten Auslegung von § 43a Abs. 4 BRAO würden diese Fälle bereits von dieser Norm erfasst werden und das gesondert geregelte Tätigkeitsverbot nach §§ 45, 46 BRAO wäre unnötig. Weniger überzeugend ist das systematische Argument, dass ein Vergleich mit § 43a Abs. 2 BRAO ebenfalls für eine enge Auslegung streite, weil nur so ein Gleichklang zwischen Verschwiegenheitspflicht und Vertretungsverbot hergestellt werden könne.68 Nach § 43a Abs. 2 BRAO ist der Anwalt nur hinsichtlich solcher (geheimhaltungsbedürftiger) Tatsachen zur Verschwiegenheit verpflichtet, die ihm „in Ausübung seines Berufs bekanntgeworden“ sind. § 43a Abs. 4 BRAO enthält keine Einschränkung mittels „in Ausübung“ oder eines ähnlichen Merkmals, sodass eine systematische Betrachtung in diesem Fall im Gegenteil eher für eine weite Auslegung sprechen würde. 64 Siehe dazu OLG Frankfurt a. M. NJW 1990, 2131, 2132; Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 56; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 100; Offermann-Burckhart, AnwBl 2005, 312, 313; beschränkt auf Zweittätigkeiten, die nicht berufsrechtlich geregelt sind, Knöfel, Grundfragen, S. 745 ff.; ders., NJW 2005, 6, 7 f. Ausführlich zu diesem Problem Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 153. 65 Knöfel, Grundfragen, S. 746; krit. auch ders., NJW 2005, 6, 7. 66 Der privat erteilte Rechtsrat soll aber gerade nicht zu einem Vertretungsverbot führen. Vgl. Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 56; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 198; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 98; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 154; Passarge, Die Aktiengesellschaft als neue Rechtsform für anwaltliche Zusammenschlüsse, 2003, S. 131; a.A. Groß, in: Münchener Anwaltshandbuch Familienrecht, § 2 Rdnr. 24. 67 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 154 f. §§ 45, 46 BRAO als speziellere Regelungen für berufsfremde Tätigkeiten einordnend Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 87. 68 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 155.
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§ 12 Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen im Berufsrecht
Nicht überzeugend ist auch das systematische Argument, dass in § 43a BRAO lediglich berufsbezogene Pflichten geregelt sind und daher nur Anwalts tätigkeiten erfasst werden könnten. 69 Die Einordnung des Vertretungsverbots nach § 43a Abs. 4 BRAO als berufsbezogenes Verbot, das den Anwalt in seiner Rolle als Rechtsanwalt trifft, sagt nichts darüber aus, welche in welcher beruflichen Situation an ihn herangetragene Interessen ein Vertretungsverbot begründen. Regelungsrelevant ist vielmehr der Interessenkonflikt, dem der Anwalt ausgesetzt ist. Dieser aber unterscheidet nicht danach, in welcher beruflichen Eigenschaft eine Person Interessen wahrgenommen hat. Hat er sich nach außen sichtbar, also im Rahmen einer Berufsausübung, mit den Interessen eines anderen identifiziert, indem er sie (auch nicht anwaltlich) wahrgenommen hat, würde eine anwaltliche Tätigkeit Misstrauen beim Mandanten und der Öffentlichkeit hervorrufen. Diese Argumente sprechen dafür, dass für das Vertretungsverbot ausreichen muss, wenn der Rechtsanwalt eine Dienstleistung erbringt, die auch ein Nichtanwalt erbringen kann – d. h. es muss sich nicht um eine spezifisch anwaltliche Tätigkeit handeln –, sofern er aufgrund seiner Stellung als Anwalt konsultiert worden ist.70
III. Steuerberater Anders als in der BRAO ist das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen im Steuerberatungsgesetz nicht ausdrücklich geregelt. Aber auch der Steuerberater, der ja Interessenvertreter seiner Mandanten ist,71 kann in die Situation kommen, widerstreitende Interessen wahrnehmen zu müssen. Denn wenn mehrere Auftraggeber gegensätzliche Interessen verfolgen, besteht auch im Fall des Steuerberaters die Gefahr, dass die Ausführung eines Auftrags die Durchführung eines anderen Auftrages hindert.72 Dies kann etwa geschehen, wenn der Steuerberater mehrere Mandanten, die in besonderer Weise miteinander verbunden sind, etwa ein Ehepaar oder eine Gesellschaft mit ihren Gesellschaftern, gleichzeitig vertritt; in diesen Fällen können sich unter Umständen Entscheidungen, die für den einen Mandanten günstig sind, für den anderen Mandanten nachteilig auswirken.73 Zu diesem Argument Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 154. Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 186. 71 Mittelsteiner/Gilgan/Späth/Späth, Berufsordnung der Steuerberater, § 6 Rdnr. 2 . 72 Mittelsteiner/Gilgan/Späth/Späth, Berufsordnung der Steuerberater, § 6 Rdnr. 4; Schramm, DStR 2003, 1364, 1365. 73 Dazu Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 155; Maxl, in: Beck’sches Steuerberater-Handbuch 2006/2007, U Rdnr. 140; Mittelsteiner/Gilgan/Späth/Späth, Berufsordnung der Steuerberater, § 6 Rdnr. 21, 32; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 148, weitere Bsp. S. 155; dies., DStR 2003, 1364, 1365; Mittelsteiner, DStR 1997, Beihefter zu Heft 43, S. 5. 69
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III. Steuerberater
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Der Gesetzgeber hat in solchen Fällen ein Vertretungsverbot für Steuerberater für selbstverständlich gehalten.74 In der Literatur wird das für den Steuerberater geltende Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen auf das in § 57 Abs. 1 StBerG statuierte Unabhängigkeitserfordernis zurückgeführt.75 Da Interessenkonflikte den Steuerberater daran hindern, seinen Beruf frei von sachfremden Einflüssen auszuüben, beeinträchtigen sie dessen Unabhängigkeit.76 Der Mandant könne dann nicht mehr darauf vertrauen, dass der Steuerberater nur dem Auftrag verpflichtet sei und seine Unabhängigkeit nicht wegen anderer Interessen oder Bindungen aufgebe. Dementsprechend folge aus dem Unabhängigkeitsverbot das Verbot, die Interessenvertretung für einen Mandanten zu übernehmen, wenn sich der Steuerberater deswegen einem Interessenkonflikt ausgesetzt sehen würde.77
1.) Beschränkung auf „dieselbe Steuerrechtssache“ Dieses Verbot ist allerdings dahingehend eng auszulegen, dass es nur solche Interessenkonflikte erfasst, die sich auf dieselbe Angelegenheit beziehen.78 Dieses Verständnis entspricht demjenigen der entsprechenden Regelung für den Rechtsanwalt und berücksichtigt somit die „Wesensverwandtheit“ der wirtschaftsnahen Beratungsberufe. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass im Fall des Steuerberaters eine ausdrückliche Regelung fehlt, der gesetzgeberische Wille sich also weniger deutlich manifestiert hat. Eine strengere Regelung im Vergleich zu Rechtsanwälten, wo ein solches Verbot ausdrücklich normiert ist, wäre daher nicht nachzuvollziehen. Schließlich ist zu bedenken, dass aufgrund des Fehlens einer ausdrücklichen Regelung die Grenzen des Vertretungsverbots für Steuerberater nicht leicht bestimmt werden können. Wegen der freiheitsbeschränkenden Wirkung des Verbots ist daher eine eher vorsichtige Anwendung geboten. All dies spricht dafür, das Vertretungsverbot für Steuerberater eben-
74 BT-Drs. 16/7077, S. 31 Das BVerfG meinte vor einiger Zeit allerdings noch, dass eine solche Pflicht für Steuerberater nicht bestünde, vgl. BVerfG NJW 2002, 2163, 2164. Krit. dazu Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 155. 75 Mittelsteiner/Gilgan/Späth/Späth, Berufsordnung der Steuerberater, § 6 Rdnr. 2; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 156; dies., DStR 2003, 1364. 76 BGH NJW-RR 1997, 761, 762 (für den Fall eines Konfliktes mit eigenen Interessen); siehe auch Gehre/Koslowski/Koslowski, StBerG, § 57 Rdnr. 17; Mittelsteiner, DStR 1997, Beihefter zu Heft 43, S. 4. 77 Maxl, in: Beck’sches Steuerberater-Handbuch 2006/2007, U Rdnr. 138; Gehre/Koslowski/Koslowski, StBerG, § 57 Rdnr. 17; Mittelsteiner/Gilgan/Späth/Späth, Berufsordnung der Steuerberater, § 6 Rdnr. 4 ; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 179; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 156; dies., DStR 2003, 1364. 78 Für eine insofern enge Auslegung siehe Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 180.
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falls auf Konflikte zwischen Interessen zu beschränken, die sich auf dieselbe Angelegenheit beziehen.79
2.) Unabdingbarkeit des Vertretungsverbots Beim Steuerberater sind hinsichtlich des Einverständnisses des Mandanten in eine Vertretung im widerstreitenden Interesse dieselben Maßstäbe anzulegen, wie beim Rechtsanwalt – zumindest soweit es um seine Tätigkeit im Vorbehaltsbereich der Steuerrechtshilfe geht.80 In diesem Teilbereich der Rechtsberatung räumt der Gesetzgeber den Steuerberatern dieselben Befugnisse ein wie den Rechtsanwälten. Daher sind auch vergleichbare Berufspflichten für den Steuerberater erforderlich, um das Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Steuerberater zu schützen und die Funktionsfähigkeit der (Steuer-)Rechtspflege zu wahren.81 Letzterer Schutzzweck ergibt sich insbesondere aus der zentralen Bedeutung der Steuerberater für die Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Steuerzahler, das angesichts des immer komplexer werdenden Steuersystems stetig zunimmt und von der Finanzverwaltung nicht mehr angemessen bewältigt werden kann.82 Demzufolge kann der Mandant seine Interessen zwar selbst – subjektiv – bestimmen, sofern dann jedoch ein Widerstreit dieser Interessen – nach objektiven Gesichtspunkten – gegeben ist, kann eine Einwilligung in eine dennoch vorzunehmende Vertretung das Verbot nicht überwinden.83 Eine zulässige bloße Interessenbestimmung ist z. B. dann gegeben, wenn sich Mandanten, die miteinander verbunden sind und deren Interessen der Steuerberater übernimmt, damit einverstanden erklären, dass der Steuerberater die steuerrechtlich zulässigen Gestaltungsspielräume ausnutzt, auch wenn eine steuerliche Entlastung des einen zu einer steuerlichen Belastung des anderen führen würde.84 Widerstreitend werden die Interessen erst, wenn sich der Belastete gegen die Ausnutzung der Gestaltungsspielräume ausspricht.85 Ab diesem Zeitpunkt hat sich der Steuerberater jeder weiteren Beratung und Betreuung der beiden (oder mehreren) Mandanten zu enthalten.86 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 180. Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 181. 81 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 181. Siehe auch Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 162 f. 82 Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 163. Entsprechend besteht ein öffentliches Interesse daran zu gewährleisten, dass die Öffentlichkeit in den Beruf des Steuerberaters als unabhängigen Experten in steuerlichen Fragen und Vertreter der Mandanteninteressen vertraut. Schramm, a.a.O. 83 Dazu Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 180 Fn. 712. 84 Dazu Schramm, DStR 2003, 1364, 1365. 85 Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 160; dies., DStR 2003, 1364, 1365. 86 Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 160. 79
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III. Steuerberater
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3.) Bedeutung für Tätigkeiten außerhalb des Vorbehaltsbereichs Für Tätigkeiten außerhalb des Vorbehaltsbereichs der Steuerrechtshilfe sollen diese Erwägungen nicht in gleicher Weise gelten und daher weniger strenge Maßstäbe zur Anwendung kommen.87 Dies wird damit begründet, dass die Berufspflichten gerade wegen der besonderen beruflichen Tätigkeiten gerechtfertigt sind.88 Bei anderen Tätigkeiten, wie etwa der rein wirtschaftlichen Beratung, handele es sich demgegenüber nicht um besonders vorbehaltene Tätigkeiten, sodass dort die besonderen Berufspflichten nicht greifen könnten.89 Dagegen spricht jedoch das Argument der „Wesensverwandtschaft“ der wirtschaftsnahen Beratungsberufe sowie der über das einzelne Mandantenverhältnis hinausreichende Schutzzweck des Unabhängigkeitsgebots bzw. des Verbots der widerstreitenden Interessen. Auch im Fall des Rechtsanwalts hat das Vertretungsverbot – wie oben dargelegt90 – dann zu gelten, wenn der Rechtsanwalt eine nicht spezifisch anwaltliche Tätigkeit erbringt, sofern er aufgrund seiner Stellung als Anwalt konsultiert worden ist. Entsprechendes muss daher – wegen der „Wesensverwandtheit“ – auch für den Steuerberater gelten. Denn ein Mandant, der den Steuerberater in dessen Funktion als Steuerberater aufsucht, wird kaum danach unterscheiden, ob der Steuerberater zuvor das nun widerstreitende Interesse im Rahmen seiner Steuerberatertätigkeit wahrgenommen hat oder „nur“ wirtschaftlich beraten hat. Es kommt aber gerade auf die Perspektive des Mandanten bzw. der Öffentlichkeit an und darauf, ob sie aufgrund der Vortätigkeit einen Konflikt des Beraters sehen oder nicht.
4.) Interessenkonfliktregelung in § 6 BOStB Neben dem in § 2 BOStB näher ausgeformten Unabhängigkeitsgebot,91 enthält die BOStB in § 6 Abs. 1 eine allgemeine Regelung dahingehend, dass Steuerberater nicht tätig werden dürfen, wenn eine „Interessenkollision“ besteht. Der Begriff der „Interessenkollision“ ist hierbei weit zu verstehen. Davon sollen alle Konflikte erfasst werden, die durch ein konfligierendes Eigeninteresse des Steuerberaters entstehen oder zu denen die Doppelvertretung mehrerer Man Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 181; dagegen eine Dispositionsmöglichkeit generell verneinend Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 160 ff.; dies., DStR 2003, 1364, 1365 f. 88 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 181. 89 Nicht vergessen werden darf jedoch, dass Steuerberater als Interessenvertreter in jedem Fall der allgemeinen Interessenwahrungspflicht unterliegen. 90 Siehe § 12 II.4.). 91 Nach § 86 Abs. 2 Nr. 2 StBerG ist die Bundessteuerkammer dazu ermächtigt, eine Berufssatzung zu erlassen, die nach § 86 Abs. 4 Nr. 1 StBerG zur Ausführung der gesetzlichen Vorschriften nähere Regelungen hinsichtlich der unabhängigen […] Berufsausübungen enthalten kann. Hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit von § 6 BO StB siehe nur Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 182 f. 87
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danten führt.92 Ein Steuerberater darf aber grundsätzlich mehrere Auftraggeber in derselben Sache beraten und vertreten, sofern ihm ein gemeinsamer Auftrag erteilt wurde oder alle Auftraggeber einverstanden sind, vgl. § 6 Abs. 2 Satz 1 BOStB.93 Für den besonderen Fall widerstreitender Interessen94 bestimmt § 6 Abs. 2 Satz 2 BOStB jedoch, dass ein Steuerberater nur vermittelnd tätig werden darf. Ihm ist in einem solchen Fall lediglich die Wahrung des gemeinsamen Interesses an der Vermittlung, also an der Vermeidung des Konflikts, übertragen worden, nicht die Vertretung der jeweiligen (Einzel-)Interessen der Mandanten. Sofern die Vermittlung scheitert, darf der Steuerberater keine der beiden Parteien weiter beraten und vertreten.95 Da § 6 BOStB nicht zwischen der gleichzeitigen und nacheinander erfolgenden – sukzessiven – Vertretung mehrerer Auftraggeber unterscheidet, wird auch letztere von seinem Wortlaut und damit von dem Verbot nach § 57 Abs. 1 StBerG i.V.m. § 86 Abs. 4 Nr. 1 StBerG i.V.m. § 6 BOStB erfasst.96 Dies kann damit gerechtfertigt werden, dass der Steuerberater auch gegenüber ehemaligen Mandanten noch gewisse Schutzpflichten hat und seine Unabhängigkeit bedroht wäre, wenn vormalige Mandate im widerstreitenden Interesse zu einem neuen Mandat stünden, sodass er an einer unbefangenen Bearbeitung des neuen Mandates gehindert werden könnte.97 Schließlich ergibt sich auch aus § 6 Abs. 2 BOStB, dass eine Zustimmung der betroffenen Mandanten das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nicht überwinden kann.98 Denn nur § 6 Abs. 2 Satz 1 BOStB erklärt das Einverständnis für relevant, § 6 Abs. 2 Satz 2 BOStB, der den besonderen Fall der widerstreitenden Interessen regelt, hingegen nicht.
Mittelsteiner/Gilgan/Späth/Späth, Berufsordnung der Steuerberater, § 6 Rdnr. 21; Schramm, Die Vertretung widerstreitender Interessen, S. 158; siehe auch Maxl, in: Beck’sches Steuerberater-Handbuch, 2006/2007, U Rdnr. 139 f. 93 Hinsichtlich Sozietäten siehe § 6 Abs. 3 BO StB. 94 Dieser Fall ist im § 86 Abs. 4 StBerG nicht ausdrücklich aufgeführt. Da aber die Vertretung widerstreitender Interessen die Unabhängigkeit des Steuerberaters gefährdet, kann auch diese Regelung auf § 86 Abs. 4 Nr. 1 StBerG zurückgeführt werden. Das bringt jedoch die Einschränkung mit sich, dass das Verbot nur bei tatsächlichen Gefährdungen der Unabhängigkeit gerechtfertigt ist und dementsprechend ein darüber hinaus gehendes Verbot unwirksam ist. Vgl. Schramm, DStR 2003, 1364, 1365. 95 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 183. 96 Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 160; dies., DStR 2003, 1364, 1365. 97 Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 160; dies., DStR 2003, 1364, 1365. 98 Dazu Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 160 ff.; dies., DStR 2003, 1364, 1365. 92
IV. Wirtschaftsprüfer
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IV. Wirtschaftsprüfer Für den Wirtschaftsprüfer ist das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen in § 53 1. Hs. WiPrO und § 3 Satz 1 BS WP/vBP geregelt. Unmittelbaren Bezug zu Interessenkonflikten hat außerdem § 49 WiPrO, wonach im Fall der Besorgnis der Befangenheit die Tätigkeit zu versagen ist. Ähnlich wie bei § 43a Abs. 4 BRAO ist auch die Formulierung des Verbotes in § 53 1. Hs. WiPrO ungenau. So ist unter den Begriff des „Vertretens“ auch und insbesondere bei § 53 1. Hs. WiPrO die Beratung zu fassen.99 Dies ergibt sich beim Wirtschaftsprüfer aus dem Schutzzweck der Norm. Diese soll das Vertrauen in den Wirtschaftsprüfer schützen, der bei seiner Tätigkeit als Prüfer eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, die eine wesentliche Bedeutung für die durch die Wirtschaftsordnung geschützten Marktprozesse hat.100 Da die Öffentlichkeit jedoch nicht unterscheidet, ob der Wirtschaftsprüfer prüfend oder beratend tätig wird, wirkt sich ein widersprüchliches Verhalten bei der Beratung insgesamt auf das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Prüfer und damit auch auf den Bereich der Prüfung aus.101 Daher darf der Wirtschaftsprüfer auch bei der Beratung das Vertrauen der Öffentlichkeit nicht enttäuschen. Des Weiteren ist auch bei § 53 WiPrO – vergleichbar der Auslegung von § 43a Abs. 4 BRAO – das Tatbestandsmerkmal „in derselben Angelegenheit“ hineinzulesen.102 Dies macht auch § 3 Satz 1 BS WP/vBP deutlich, der die Vertretung widerstreitender Interessen „in derselben Sache“ verbietet.103
1.) Unabdingbarkeit des Vertretungsverbots vor dem Hintergrund des Wortlauts von § 53 WiPrO Auslegungsschwierigkeiten bereitet § 53 2. Hs. WiPrO aufgrund seiner Einleitung mit dem Wort „insbesondere“. Denn das Verständnis dieser Einleitung hat Auswirkungen auf die Frage, welche Bedeutung die Regelung in diesem zweiten Halbsatz hat, wonach ein Einverständnis der Auftraggeber zu einer Ausnahme vom Vertretungsverbot führt. Regelmäßig bedeutet eine Einleitung durch „insbesondere“, dass es sich um eine besonders bedeutende Fallgruppe
99 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 194; vgl. auch Richter, in Hense/Ulrich, WPO Kommentar, § 53 Rdnr. 3, 7. 100 Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 189; dies., DStR 2003, 1364, 1367. 101 So schon zur früheren Regelung in § 3 Abs. 1 BS WP/vBP Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 189; dies., DStR 2003, 1364, 1367. 102 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 194; siehe auch Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 185; a.A. Richter, in: Hense/Ulrich, WPO Kommentar, § 53 Rdnr. 6. 103 § 3 BS WP/vBP stützt sich auf die Satzungsermächtigung in § 57 Abs. 4 Nr. 1 c WiPrO.
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handelt, dass aber kein zusätzlicher Tatbestand geschaffen wird.104 Dann aber könnte auch die im zweiten Halbsatz genannte Möglichkeit eines Einverständnisses der Auftraggeber mit der Vertretung im widerstreitenden Interesse so verstanden werden, dass sich diese auch auf andere Sachverhalte bezieht, die von Interessenkonflikten geprägt sind.105 Das würde insbesondere auch die gleichzeitige Vertretung erfassen. Andererseits lässt der Wortlaut aber auch das Verständnis zu, dass diese Regelung ausschließlich zeitlich hintereinander, nicht aber parallel erfolgende „Vertretungen“ im Blick hat; hierfür spricht der Satzteil „bereits tätig waren“.106 Er lautet nicht „tätig sind oder waren“, wodurch die parallele Vertretung eindeutig erfasst werden würde. Vor diesem Hintergrund kann der Wortlaut auch so verstanden werden, dass ein Einverständnis mit einer gleichzeitigen Vertretung bei widerstreitenden Interessen nicht beachtlich ist.107 Anders als bei den entsprechenden Vertretungsverboten beim Rechtsanwalt und beim Steuerberater würde dann im Fall des Wirtschaftsprüfers zwischen gleichzeitiger und sukzessiver Vertretung unterschieden werden.108 Dagegen spricht, dass der Gesetzgeber im Zuge der Überarbeitung der WiPrO keine inhaltliche Änderung von § 53 WiPrO a.F. vornehmen wollte.109 § 53 WiPrO a.F. behandelte jedoch die parallele und die sukzessive Vertretung gleich; 110 denn auch wenn dort nur die sukzessive Vertretung geregelt war, so musste das dort festgelegte Tätigkeitsverbot – nebst Möglichkeit der Einwilligung durch die Auftraggeber – doch erst recht für die parallele Vertretung gelten, weil die Gefahr von Interessenkonflikten bei gleichzeitiger Beratung mehrerer Geschäftsherren noch größer war als bei einer nachfolgenden Beratung.111 Auch hätte es, da andere Berufsrechte, wie etwa das der Rechtsanwälte, eine solche Unterscheidung nicht kennen, zumindest eines Hinweises des Gesetzgebers bedurft, wenn er eine solche Unterscheidung beim Wirtschaftsprüfer nunmehr hätte einführen wollen.112 All dies zeigt, dass die gegenwärtige Formulierung von § 53 WiPrO, vor allem die Verbindung der beiden Halb Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 194. Dazu Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 195. 106 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 194; für § 53 WiPrO a.F. Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 185; dies., DStR 2003, 1364, 1366. 107 Richter, in: Hense/Ulrich, WPO Kommentar, § 53 Rdnr. 11; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 194. 108 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 195. 109 BT-Drs. 16/2858, S. 27 („Im Übrigen bleibt die Norm inhaltlich unverändert.“). 110 Bei § 53 WiPrO a.F. (in der bis 6.9.2007 geltenden Fassung) kam es nur darauf an, ob derselbe historische Vorgang von rechtlicher oder wirtschaftlicher Bedeutung war (dazu Schramm, DStR 2003, 1364, 1366). 111 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 191 f.; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 185; dies., DStR 2003, 1364, 1367. 112 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 195. Dort auch weitere Ausführungen. 104 105
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sätze mit Hilfe des Wortes „insbesondere“, missglückt ist und auf einem Versehen des Gesetzgebers beruhen muss. § 3 Satz 1 BS WP/vBP ist demgegenüber klarer, indem er Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern die Tätigkeit verbietet, wenn sie einen anderen Auftraggeber in derselben Sache im widerstreitenden Interesse „beraten oder vertreten bzw. beraten oder vertreten haben“. Aufgrund seines Wortlauts problematisch ist die Regelung in § 53 WiPrO auch im Hinblick auf das Berufsrecht der Steuerberater.113 Denn ein Verständnis dieser Regelung dahingehend, dass der Wirtschaftsprüfer bei Vorliegen des Einverständnisses aller Auftraggeber auch bei widerstreitenden Interessen tätig werden kann, würde dazu führen, dass der Wirtschaftsberater etwa bei der Steuerrechtsberatung, die nach § 2 Abs. 2 WiPrO zu seinen Tätigkeitsfeldern gehört, ohne Einschränkung tätig werden kann. Der Steuerberater darf dies jedoch nicht. Auch ist der Wirtschaftsprüfer in diesem Zusammenhang als Organ der (Steuer-)Rechtspflege einzuordnen. Die neue Fassung von § 53 WiPrO erfordert somit zumindest eine teleologische Reduzierung dahingehend, dass das Einverständnis jedenfalls im Bereich der Steuerrechtsberatung entgegen dem Wortlaut keine Bedeutung hat.114 Darüber hinaus wird man die Regelung in § 53 2. Hs. WiPrO aber noch weiter teleologisch reduzieren müssen. Entsprechend den Regelungen in den anderen Berufsrechten – und wegen der „Wesensverwandtheit“ der wirtschaftsnahen Beratungsberufe – muss § 53 WiPrO so ausgelegt werden, dass im Fall widerstreitender Interessen das Einverständnis der Mandanten ohne Bedeutung ist, unabhängig davon, ob die Vertretung gleichzeitig oder nacheinander erfolgt.115 Zu rechtfertigen ist diese Auslegung, die § 53 1. Hs. WiPrO über den zweiten Halbsatz dieser Norm stellt und letzteren entgegen seinem Wortlaut teleologisch reduziert, damit, dass der Wirtschaftsprüfer bei seiner Tätigkeit als Prüfer eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, die eine wesentliche Bedeutung für die von der Wirtschaftsordnung geschützten Marktprozesse hat.116 Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen schützt dabei nicht nur den einzelnen Mandanten und dessen Interessen. Es schützt auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Wirtschaftsprüfer, das notwendig ist, da Dazu Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 196. Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 196. 115 Schramm, DStR 2003, 1364, 1368.; a.A. Richter, in: Hense/Ulrich, WPO Kommentar, § 53 Rdnr. 11; hinsichtlich § 53 WiPrO a.F. Deckenbrock, BB 2002, 2453, 2456. Für § 3 BS WP/vBP begründete die WPK die Bedeutungslosigkeit des Einverständnisses des Auftraggebers damit, dass auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des Parteiverrats nicht durch das Einverständnis der Parteien beseitigt werden können, vgl. Begründung der WPK, S. 33, abrufbar unter www.wpk.de/pdf/bs-wpvbp.pdf (Stand 28.07.2014). Zur gleichlautenden Begründung der alten Fassung in WPK-Mitt. 1996, 176, 184 krit. Schramm, DStR 2003, 1364, 1367. 116 Schramm, DStR 2003, 1364, 1367. 113 114
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mit dieser seine ihm von der Wirtschaftsordnung zugeordnete Funktion angemessen erfüllen kann.117 Weder für den Mandanten noch für die Öffentlichkeit besteht ein Unterschied, ob der Prüfer gleichzeitig oder sukzessive im widerstreitenden Interesse tätig wird, sofern sich diese Interessen auf dieselbe Angelegenheit beziehen. In beiden Fällen hat er Interessen wahrzunehmen, die einander kontradiktorisch widersprechen, sodass die Gefahr einer Beeinträchtigung der Vertretung und damit der Interessen erheblich ist. Die Situation ist hier nicht anders als beim Rechtsanwalt und beim Steuerberater.
2.) Vertretung mehrerer Mandanten, deren Interessen nicht widerstreiten Auf der anderen Seite wird aufgrund der Verknüpfung der beiden Halbsätze in § 53 WiPrO der Fall, dass ein Wirtschaftsprüfer, der verschiedene Auftraggeber vertritt, deren Interessen nicht widerstreitend sind, vom Wortlaut des § 53 WiPrO nicht geregelt.118 Dieser Fall wurde jedoch von § 53 WiPrO a.F. erfasst119 und nach der Gesetzesbegründung war eine inhaltliche Änderung nicht beabsichtigt.120 § 3 Satz 2 BS WP/vBP enthält hierzu die Regelung, dass eine Vertretung mehrerer Auftraggeber in derselben Sache bei fehlendem Interessenwiderstreit („im Übrigen“) nur dann zulässig ist, wenn alle Auftraggeber zugestimmt haben bzw. einen gemeinsamen Auftrag erteilt haben.121 Dies lässt sich mit § 53 WiPrO nicht vereinbaren. Wie oben dargelegt müssen die beiden Halbsätze in § 53 WiPrO als einheitliche Regelung verstanden werden, die sich auf widerstreitende Interessen bezieht – angesichts dessen muss die Absicht des Gesetzgebers an einer unveränderten Rechtslage in den Hintergrund treten. Da § 53 WiPrO die Mehrfachvertretung in derselben Sache ohne widerstreitende Interessen somit nicht regelt, stellt die Satzungsvorschrift für diesen Fall im Vergleich zu § 53 WiPrO zusätzliche Anforderungen. Nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 lit. c WiPrO darf die Wirtschaftsprüferkammer das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen jedoch nur „im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes näher regeln“. Eine über eine (bloße) Konkretisierung hinausgehende Beschränkung von Freiräumen, die die WiPrO einräumt, ist daher unzulässig.122 Dem-
Schramm, DStR 2003, 1364, 1367 f. Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 195 f. 119 Siehe Fn. 110. Bei § 53 WiPrO a.F. spielte es keine Rolle, ob die beiden Auftraggeber widerstreitende Interessen verfolgten. Dazu (sowie zur Möglichkeit des Einverständnisses) Deckenbrock, BB 2002, 2453, 2456. 120 BT-Drs. 16/2858, S. 27 („Im Übrigen bleibt die Norm inhaltlich unverändert.“). 121 Vgl. dazu § 6 Abs. 2 Satz 1 BO StB. 122 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 197; Henssler, ZIP 1998, 2121, 2124 (in Bezug auf die Situation von BRAO und BORA). 117
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V. Erstreckung auf Mitglieder einer Berufsausübungsgemeinschaft
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entsprechend steht § 3 BS WP/vBP im Widerspruch zur höherrangigen Regelung in § 53 WiPrO und ist mithin als unzulässig anzusehen. Dagegen hat die Regelung in § 3 Satz 3 BS WP/vBP, wonach eine vermittelnde Tätigkeit im Auftrag aller Beteiligten zulässig ist, vor allem klarstellende Funktion.123 Denn da in diesem Fall das gemeinsame Interesse an der Vermittlung besteht, findet keine Beratung im widerstreitenden Interesse statt. Des Weiteren ist ein Auftrag aller Beteiligten erforderlich, sodass auch die Voraussetzungen von § 3 Satz 2 BS WP/vBP erfüllt sind.
V. Erstreckung auf Mitglieder einer Berufsausübungsgemeinschaft Arbeiten mehrere Interessenwahrer zusammen bzw. haben sie sich, wie etwa Rechtsanwälte im Rahmen einer Anwaltssozietät, zusammengeschlossen, um ihre Dienste gemeinsam anzubieten, kann der Fall eintreten, dass die Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten zu kurz greifen. Denn diese haben lediglich den einzelnen Interessenwahrer im Blick. Im Fall einer Sozietät ist etwa zu überlegen, wie damit umzugehen ist, wenn ein Rechtsanwalt dieser Sozietät einen Mandanten vertritt und nun ein anderer Rechtsanwalt derselben Kanzlei einen anderen Mandanten vertreten möchte, dessen Interessen mit denen des ersten Mandanten im Widerstreit stehen. Da es sich bei den Anwälten um Kollegen handelt, die im Rahmen einer Berufsausübungsgemeinschaft zusammen arbeiten, könnten die Mandanten in Sorge geraten, ob ihr jeweiliger Anwalt auch weiterhin allein ihre Interessen verfolgt oder nicht, und daher möglicherweise das Vertrauen in ihren jeweiligen Anwalt verlieren.
1.) Rechtsanwälte Anders als §§ 45 Abs. 3, 46 Abs. 3 BRAO enthält § 43a Abs. 4 BRAO keine ausdrückliche Regelung, die das für den einzelnen Anwalt geltende Vertretungsverbot auf alle Anwälte einer Sozietät ausdehnt. Lediglich für Rechtsanwaltsgesellschaften bestimmt § 59m Abs. 2 BRAO die sinngemäße Anwendung von § 43a BRAO. Zu überlegen ist daher, ob das Vertretungsverbot nach § 43a Abs. 4 BRAO auch auf Sozietäten Anwendung findet. Nach dem BVerfG soll eine Erstreckung von § 43a Abs. 4 BRAO auf Fälle der gemeinschaftlichen Berufsausübung grundsätzlich möglich sein.124 Dafür bedürfe es einer umfassen123 Siehe Begründung der WPK, S. 33, abrufbar unter www.wpk.de/pdf/bs-wpvbp.pdf (Stand 28.07.2014). 124 BVerfGE 108, 150, 159 f. und 167 (allerdings sind die für die Außenhaftung und für die Außenvollmacht der Angehörigen einer Sozietät entwickelten Grundsätze der zivilgerichtlichen Rechtsprechung nicht maßgeblich, weil der Schutzzweck von § 43a Abs. 4 BRAO
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den Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls dahingehend, ob die Normzwecke von § 43a Abs. 4 BRAO gefährdet seien. Eine Analogie zu §§ 45 Abs. 3, 46 Abs. 3 BRAO kommt allerdings nicht in Betracht, denn die in §§ 45, 46 BRAO geregelten Tätigkeitsverbote betreffen den Rollenwechsel zwischen der anwaltlichen und der nicht anwaltlichen Tätigkeit, was zu ganz anders gelagerten Risiken für den Anwalt führt.125 a.) Teleologische Extension von § 43a Abs. 4 BRAO In Betracht kommt eine teleologische Extension126 von § 43a Abs. 4 BRAO.127 Der Wortlaut von § 43a Abs. 4 BRAO hindert eine Erstreckung auf Sozietätsmitglieder nicht.128 Auch die für diese Rechtsfortbildung notwendige planwidrige Lücke129 liegt vor. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der Gesetzgeber hier Regelungsbedarf gesehen hat. Denn laut der Gesetzesbegründung gewinnt das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen in Sozietätskonstellationen immer mehr an Bedeutung.130 Dass trotz dieser Einschätzung des Gesetzgebers keine Regelung erfolgt ist, deutet auf ein Versehen hin.131 Gestützt wird diese Einschätzung durch die Existenz der Regelungen in § 45 Abs. 3 und § 46 Abs. 3 BRAO sowie zur Satzungskompetenz in § 59b ein anderer ist); BVerfG NJW 2006, 2469, 2470; zust. Grunewald, AnwBl 2005, 437, 441. Damit ist das BVerfG der anders lautenden Ansicht entgegengetreten. Dennoch wird diese auch nach dem Urteil des BVerfG immer noch vertreten, vgl. Kleine-Cosack, BRAO, § 43a, Rdnr. 124, 128 ff. (Erstreckung nur über § 3 Abs. 2 und Abs. 3 BORA); ders., AnwBl 2003, 539, 544 f.; ders., AnwBl 2005, 95, 99 f.; ders., AnwBl 2005, 338, 341; ders., AnwBl 2006, 13; Knöfel, Grundfragen, S. 756 f. 125 Deckenbrock, BB 2002, 2453, 2454; siehe auch Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 248 unter Hinweis auf Art. 103 Abs. 2 GG; Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 630; ders., WM 2000, 1366, 1368; Knöfel, Grundfragen, S. 736; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 102; dies., DStR 2003, 1316, 1319. 126 Dabei wird eine Regelung auf einen von dem geregelten verschiedenen Fall erstreckt, der in die Regelung hätte einbezogen werden müssen, damit der Zweck der Regelung auch in diesem Fall erreicht wird. Dadurch unterscheidet sich die teleologische Extension von der Analogie. Zur teleologischen Extension Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 216; Würdinger, AcP 206 (2006), 946, 963 ff. Eine Analogie lässt sich im vorliegenden Fall nicht ziehen, weil der Fall des Einzelanwalts, der im widerstreitenden Interesse tätig wird, sich nur schwer mit demjenigen vergleichen lässt, bei dem der Sozius für die Gegenseite tätig wird und kein eigener aktiver Einsatz für die Gegenseite erfolgt. Siehe Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 246. 127 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 245; Müller, AnwBl 2001, 491, 492; a.A. Maier-Reimer, NJW 2006, 3601, 3602 (bewusst keine Regelung getroffen); gegen eine Anwendung von § 43a Abs. 4 BRAO auf Sozietätssachverhalte auch Knöfel, Grundfragen, S. 752 ff. 128 Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 100; a.A. Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 129. 129 Dazu etwa Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 191 ff., 202. 130 BT-Drs. 12/4993, S. 34 f. 131 So auch Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 246; Kleine-Cosack, NJW
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Abs. 2 Nr. 1 lit. e BRAO.132 So wird in der Regierungsbegründung zu § 45 Abs. 3 BRAO betont, dass „die gemeinsame Berufsausübung zwangsläufig zu einer Erstreckung im Einzelfall bestehender Verbote auf alle führt“.133 Die Erstreckung des Vertretungsverbots auf Sozietätssachverhalte ist zur Erreichung des Regelungszwecks von § 43a Abs. 4 BRAO auch erforderlich.134 Dies ergibt sich aus der Situation des Einzelanwalts als Interessenvertreter und den in § 43a Abs. 4 BRAO geschützten Rechtsgütern.135 Ein erster wesentlicher Zweck von § 43a Abs. 4 BRAO ist der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Mandant und Rechtsanwalt. Im Hinblick auf die Sozietät ist daher zu überlegen, ob neben dem Anwalt, der das Mandat unmittelbar bearbeitet, auch die anderen in der Sozietät arbeitenden Anwälte in dieses Vertrauensverhältnis einbezogen werden.136 Sofern der Mandant nicht ausdrücklich einen bestimmten Anwalt innerhalb der Sozietät beauftragen möchte, ist für gewöhnlich von einer Gesamtbeauftragung der Sozietät auszugehen.137 Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass nicht die Sozietät als solche Interessenvertreter des Mandanten wird – sie ist nicht postulationsfähig –, sondern die ein1994, 2249, 2252; ders., AnwBl 1998, 417, 418; ders., AnwBl 2003, 539, 541; ders., AnwBl 2005, 95, 99; Müller, AnwBl 2001, 491, 492. 132 Siehe außerdem die Ausführungen in der Regierungsbegründung zur Berufsrechtsnovelle hinsichtlich der zwangsläufigen Erstreckung der im Einzelfall bestehenden Verbote auf alle Berufsträger im Fall der gemeinsamen Berufsausübung, BT-Drs. 12/4993, S. 30. 133 BT-Drs. 12/4993, S. 30. 134 Von einigen wird auf die in einer Sozietät vorhandenen vertraglichen Beziehungen zwischen den Mandanten und jedem der einzelnen Anwälten abgestellt. Siehe BGH NJW 2001, 1572, 1573; Westerwelle, Rechtsanwaltssozietäten, S. 99 f. Nach Aufgabe der Doppelverpflichtungslehre durch den BGH dürfte dies allerdings kaum noch überzeugen, vgl. nur Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 105; Grunewald, AnwBl 2005, 437, 441. Von anderen wird eine Zurechnung ähnlich den Regeln der Wissenszurechnung bei juristischen Personen und Gesamthandsgesellschaften erwogen. Kilian, WuB, VIII B, § 43a BRAO 1.01, S. 621; Westerwelle, Rechtsanwaltssozietäten, S. 105 ff.; gegen einen solchen Ansatz Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 103. 135 Dazu Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 249; Henssler, NJW 2001, 1521, 1525; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 105; dies., DStR 2003, 1316, 1319. 136 Der BGH hat etwa eine Ausdehnung des Begriffs des „Vertretens“ dahingehend erwogen, dass ein Anwalt auch dann dem Mandanten „diene“, wenn er ein Mandat durch einen Sozietätspartner bearbeiten lasse, vgl. BGH NJW 2001, 1572, 1573; Feuerich, in: Feuerich/ Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 66. Dazu krit. Henssler, NJW 2001, 1521, 1524. Dies gilt aber nicht für Mandate, die ein in die Sozietät neu eintretender Anwalt mitbringt – hier bedarf es zumindest einer stillschweigenden Einbeziehung der Sozien in das bisherige Mandat, siehe OLG Düsseldorf NJW 2012, 1892. 137 Dabei ist auf den entsprechenden (mutmaßlichen) Mandantenwillen abzustellen. Siehe Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 227 ff. (insb. S. 228). Dieser Ansatz ist abzugrenzen von demjenigen, der auf die früher insbesondere vom BGH vertretene Doppelverpflichtungslehre bei der Außen-GbR abstellte. Für letzteren Ansatz etwa wohl noch BGH NJW 2001, 1572, 1573; außerdem Westerwelle, Rechtsanwaltssozietäten, S. 99 f. Auch im Berufsrecht kann nicht (mehr) auf eine Doppelverpflichtung abgestellt werden, vgl. nur Müller, AnwBl 2001, 491, 492; Schramm, DStR 2003, 1316, 1319.
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zelnen Rechtsanwälte.138 Welcher der Anwälte dann das Mandat bearbeitet, ist in diesem Fall für den Mandanten regelmäßig von untergeordneter Bedeutung; aufgrund des einheitlichen Auftritts einer Sozietät wird er oft auch gar nicht wissen, wer dies letztlich tun wird.139 Er vertraut seine Interessen den in einer Sozietät verbundenen Rechtsanwälten an und erwartet von diesen, dass sie die Vertretung seiner Interessen so unter sich aufteilen, dass diese bestmöglich gewahrt werden.140 In der BRAO spiegelt sich dies etwa in § 51a Abs. 2 Satz 1 BRAO wider, wonach die Mitglieder einer Sozietät gegenüber dem Mandanten grundsätzlich als Gesamtschuldner haften. Indem es der Mandant den in der Sozietät verbundenen Anwälten überlässt zu bestimmen, wer seine Interessen vertritt, wird aus seiner Sicht zunächst einmal jeder Anwalt mit der Vertretung seiner Interessen betraut.141 Sieht der Mandant aber im Allgemeinen alle Anwälte einer Sozietät als seine Interessenvertreter an, so würde dieses Vertrauen enttäuscht werden, wenn plötzlich einer oder einige dieser Anwälte für die Gegenseite tätig werden würden – unabhängig davon, ob sie vertrauliche Informationen des Mandanten verwenden oder nicht.142 Würden die Vertrauensverhältnisse zwischen Mandanten und Rechtsanwälten solchermaßen beeinträchtigt, würde dies auch generell zu einem Vertrauensverlust der Öffentlichkeit in die Anwaltschaft führen. Denn die Öffentlichkeit könnte es kaum nachvollziehen, wenn Anwälte, die nach außen einheitlich auftreten, für verschiedene Parteien gegeneinander tätig würden.143 b.) Ausnahme bei Beauftragung eines bestimmten Sozietätsmitglieds durch den Mandanten Anders liegt der Fall, wenn sich der Mandant einen bestimmten Anwalt einer Sozietät aussucht bzw. aufgrund besonderer Umstände feststeht, dass nicht jeder Anwalt einer Sozietät die Interessen des Mandanten wahrnehmen soll.144 Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 105 f. Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 106; dies., DStR 2003, 1316, 1319. 140 Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 106; dies., DStR 2003, 1316, 1319. Zu diesem Interesse des Mandanten und dessen Schutzwürdigkeit siehe auch die Ausführungen des BGH, BGHZ 174, 186, 189 f.; BGH NJW 1985, 41. 141 Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 106; dies., DStR 2003, 1316, 1319; siehe auch Offermann-Burckhart, AnwBl 2005, 312, 317. 142 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 253. Siehe auch Henssler, NJW 2001, 1521, 1525 (allerdings nur hinsichtlich Rechtsanwälten am selben Standort, nicht bei unterschiedlichen Standorten). 143 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 254. Die Größe der Sozietät spielt dabei keine Rolle, auch nicht ob es sich um einen Partner oder einen angestellten Anwalt oder sogar einen freien Mitarbeiter handelt. Hinsichtlich freier Mitarbeiter sieht dies (im Zusammenhang mit § 3 BORA) anders Kleine-Cosack, AnwBl 2006, 13, 15. 144 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 255. Siehe auch Westerwelle, Rechtsanwaltssozietäten, S. 101 (Mandat muss erkennbar auf einen Sozius übertragen werden). 138 139
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Dann möchte der Mandant, dass dieser Anwalt seine Interessen vertritt und nicht auch andere. Möchte er aber, dass die anderen Anwälte seine (des Mandanten) Interessen nicht wahrnehmen, kann er nicht voraussetzen, dass sie nicht für die Gegenseite tätig werden dürfen; dann aber kann auch sein Vertrauen nicht enttäuscht werden, wenn einer der anderen Anwälte für die gegnerische Partei tätig wird.145 Ähnlich gelagert ist der Fall, wenn ein neu in eine Sozietät eintretender Anwalt ein Mandat mitbringt: Damit sich der zunächst dem einzelnen Anwalt erteilte Auftrag nach dessen Eintritt in eine Sozietät auch auf die Sozietätsmitglieder erstreckt, müssen diese zumindest stillschweigend einbezogen worden sein.146 Aus dem Umstand, dass der Mandant bestimmen kann, wer genau sein Interessenvertreter sein soll und wer nicht, folgt des Weiteren, dass es ihm auch möglich sein muss, in die Vertretung widerstreitender Interessen durch verschiedene Anwälte einer Sozietät (nicht aber durch denselben Anwalt) einzuwilligen.147 In diesem Fall ist weder sein Vertrauen im konkreten Fall, noch das der Allgemeinheit in die Integrität der Anwaltschaft beeinträchtigt. Auch die Geradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung wird durch eine solche Einwilligung nicht gehindert. Denn jeder der betroffenen Anwälte würdigt den Sachverhalt aus seiner Perspektive und nicht aus zwei (oder mehr) verschiedenen – gegensätzlichen – Perspektiven. Damit wird jeder Anwalt für sich gesehen geradlinig tätig; dass auch die Sozietät als solche geradlinig tätig werden muss, lässt sich § 43a Abs. 4 BRAO dagegen nicht entnehmen.148 Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung des Mandanten ist jedoch eine vorherige wahrheitsgemäße Aufklärung und umfassende Information durch seinen Rechtsanwalt.149 Demgegenüber greift das Argument nicht, dass bei einer Vertretung widerstreitender Interessen durch verschiedene Sozietätsmitglieder deren Unabhän145 Dazu ausführlich Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 255. Siehe zu § 3 BORA Kleine-Cosack, BRAO, § 3 BORA Rdnr. 47. 146 OLG Düsseldorf NJW 2012, 1892. 147 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 256 f. Nach Kleine-Cosack soll eine Vertretung im widerstreitenden Interesse ggf. sogar ohne Einverständnis des Mandanten möglich sein, wenn Belange der Rechtspflege einer solchen Vertretung nicht entgegen stehen, vgl. Kleine-Cosack, AnwBl 2006, 13, 17. 148 Ausführlich Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 257 f. Siehe dazu auch BVerfGE 108, 150, 162 (wo auch mit Blick auf die geradlinige Interessenvertretung der Einschätzung des Mandanten eine hervorgehobene Rolle zugesprochen wird); zu entgegenstehenden Belangen der Rechtspflege des Weiteren Kleine-Cosack, AnwBl 2006, 13, 16 f. 149 BVerfGE 108, 150, 162; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 285. Ders., a.a.O. S. 286 ff. zu der Frage der Widerrufbarkeit des Einverständnisses (im Interesse der Rechtssicherheit und zum Schutz des Gegners vor – vom Einwilligenden steuerbarer – Benachteiligung dann nicht möglich, wenn das Einverständnis die Wahrnehmung gegensätz licher Interessen erst ermöglicht hat und nach ordnungsgemäßer Aufklärung erfolgt ist). Für eine jederzeitige Widerrufbarkeit dagegen z. B. Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 652; Grunewald, ZEV, 2006, 386, 388.
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gigkeit beeinträchtigt würde. Denn das in § 43a Abs. 4 BRAO angeordnete Tätigkeitsverbot soll nur vor den Gefahren für die anwaltliche Unabhängigkeit schützen, die sich daraus ergeben, dass der Anwalt widerstreitende Interessen verschiedener Personen berücksichtigen und vertreten muss.150 Dieser Konflikt besteht hier nicht, denn hier muss sich jeder Anwalt nur für ein Interesse, das seines jeweiligen Mandanten, einsetzen. Nicht erfasst wird demgegenüber etwa der Fall, dass sich ein angestellter Junganwalt für seinen Mandanten nicht ausreichend engagiert, weil sein Chef einen wichtigen Mandanten mit widerstreitenden Interessen vertritt. In diesem Fall kollidieren eigene (Karriere-)Interessen des Anwalts mit denen seines Mandanten. Diese sind aber nicht kontradiktorisch aufeinander bezogen151 und fallen daher nicht unter die Regelung in § 43a Abs. 4 BRAO.152 Solche und andere Gefahren für die Unabhängigkeit des Anwalts sind über §§ 1, 43a Abs. 1 BRAO zu lösen. Insgesamt ist somit festzuhalten, dass die Schutzzwecke von § 43a Abs. 4 BRAO grundsätzlich eine Erstreckung des Vertretungsverbots auf die gesamte Sozietät bzw. Berufsausübungsgemeinschaft erfordern; eine Vertretung widerstreitender Interessen durch verschiedene Anwälte einer Sozietät ist jedoch möglich, wenn der Mandant eingewilligt hat.153 c.) Übertragung auf andere Rechtsformen der beruflichen Zusammenarbeit Diese Grundsätze gelten auch für andere Rechtsformen der beruflichen Zusammenarbeit, wie die Partnerschaftsgesellschaft, die Anwalts-AG und die An59m Abs. 2 walts-GmbH.154 Hinsichtlich der beiden letzteren bestimmt § BRAO die sinngemäße Anwendung von § 43a Abs. 4 BRAO. Da es um eine „sinngemäße“ Anwendung geht, sollen keine neuen Haftungstatbestände geschaffen, sondern lediglich die im Zusammenhang mit § 43a Abs. 4 BRAO gel150 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 259 f. Dort auch zu weiteren Argumenten. Das umfasst auch einen Konflikt mit widerstreitenden eigenen Interessen, also wenn etwa der Anwalt für einen Mandanten gegen sich selbst prozessieren müsste. Denn § 43a Abs. 4 BRAO spricht nur von „widerstreitenden Interessen“. Eine Einschränkung auf ausschließlich fremde kollidierende Interessen ergibt sich weder aus dem Wortlaut, noch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift. 151 Sie betreffen nicht denselben Gegenstand: Während das Interessen des Mandanten auf den Streitgegenstand gerichtet ist, geht es dem Anwalt um seine Karriere. Diese Interessen können, müssen aber nicht zwangsläufig miteinander kollidieren. 152 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 259. Hinsichtlich Differenzierungen zwischen gerichtlicher und beratender Tätigkeit oder gleichzeitiger und sukzessiver Vertretung krit. ders., a.a.O., S. 262 f. 153 Darüber hinaus hat das BVerfG auf die „Belange der Rechtspflege“ abgestellt, die eine Nichtannahme des Mandats begründen könnten. Siehe BVerfGE 108, 150, 164. Zu diesem Merkmal etwa Sahan, AnwBl 2008, 698, 701; krit., weil dieses Merkmal ohne weitere – vom BVerfG nicht vorgenommene – Konkretisierungen zu unbestimmt sei, Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 288 ff. 154 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 264 ff.; vgl. dazu Westerwelle, Rechtsanwaltssozietäten, S. 104 ff.
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tenden Grundsätze angewendet werden. Dementsprechend können die für Sozietäten abgeleiteten Grundsätze auf die Anwalts-AG und die Anwalts-GmbH übertragen werden.155 Damit gilt auch dort zwar ein grundsätzliches Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen durch verschiedene Anwälte, aber auch dort führt die Einwilligung der Mandanten zu einer Ausnahme von diesem Verbot.156 Anderes gilt hingegen für die bloße Bürogemeinschaft und die Kooperation.157 Bei der Bürogemeinschaft handelt es sich nicht um eine Form der gemeinschaftlichen Berufsausübung, sondern lediglich um eine Innengesellschaft zur gemeinsamen Nutzung von Betriebsmitteln.158 Aufgrund der beruflichen Selbständigkeit jedes Anwalts – gegenüber den anderen Bürogemeinschaftspartnern besteht z. B. die uneingeschränkte Pflicht zur Verschwiegenheit159 – kann der Mandant nur den von ihm beauftragten Rechtsanwalt als seinen Interessenvertreter betrachten.160 Zu anderen Bürogemeinschaftspartnern kann dagegen kein besonderes Vertrauensverhältnis entstehen, sofern der Mandant sie nicht in die Bearbeitung des Falles einbezieht. Das gleiche gilt für die Kooperation, wenn der Mandant den Kooperationspartner nicht mitbeauftragt, da auch die Kooperationspartner berufsrechtlich und unternehmerisch selbständig bleiben.161 In diesen Fällen greift § 43a Abs. 4 BRAO nicht. Im Fall von sog. Scheinsozietäten, bei denen nur der Anschein einer gemeinsamen Berufsausübung in Form einer Außengesellschaft besteht,162 muss das Vertretungsverbot hingegen gelten.163 Da der Mandant keinen Einblick in die Ausgestaltung des Innenverhältnisses hat, geht er in diesem Fall aufgrund des Außenauftritts der Anwälte davon aus, dass sie sich alle für seine Interessen einsetzen werden. Dieses Vertrauen würde enttäuscht werden, wenn einer von
Ausführlich Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 265. Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 116; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 265; dem folgend Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 59m Rdnr. 8. 157 Ausführlich Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 267 ff. Hinsichtlich § 3 Abs. 3 BORA siehe unter § 12 V.1.)e.). 158 Kleine-Cosack, BRAO, Vor § 59a Rdnr. 63; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 267. 159 KG NJW 1992, 2771, 2772; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 232; a.A. Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 50, Vor § 59a Rdnr. 67. 160 Siehe aber OLG Köln, NJW-RR 2004, 279, 280 (der Zusatz „Kanzleigemeinschaft“ sei nicht geeignet, den Rechtsschein einer Sozietät zu zerstören). Dazu krit. Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 267 Fn. 997 m.w.N. 161 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 269. 162 Dazu (insb. hinsichtlich Haftungsfragen) BGHZ 70, 247, 249; 172, 169, 174; BGH NJW 1991, 1225; 1999, 3040, 3041; 2008, 2330. Außerdem BGHSt 46, 154, 156 f. 163 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 271; a.A. wohl BGHSt 46, 154, 157 (nur bzgl. Haftung relevant). Für eine Erstreckung im Fall des Außensozius BGH NJW 2001, 1572, 1573; dagegen BVerfGE 108, 150, 167. 155
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ihnen später ohne Zustimmung des Mandanten im widerstreitenden Interesse für die Gegenseite tätig werden würde.164 d.) Wechsel der Berufsausübungsgemeinschaft – „Sozietätswechsel“ Besondere Fragen in Bezug auf den Umgang mit Interessenkonflikten werfen die immer häufiger werdenden Fälle des Sozietätswechsels auf.165 Strenge Tätigkeitsverbote in diesem Zusammenhang gehen zulasten wechselwilliger Anwälte. Denn sie können dazu führen dass Berufsausübungsgemeinschaften wechselwillige Anwälte nur zögerlich aufnehmen, weil sie damit rechnen müssen, dass ein Wechsel größere Mandatsverluste nach sich zieht.166 Mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG ist daher eine vorsichtige Handhabung geboten.167 (i) Wechsel des vorbefassten Anwalts Unproblematisch ist der Fall, dass der vorbefasste Anwalt zu einer anderen Kanzlei wechselt. Er darf in der neuen Kanzlei nicht im widerstreitenden Interesse tätig werden; insofern gilt nichts anderes als beim Einzelanwalt.168 Das gleiche gilt für die Anwälte der den vorbefassten Anwalt aufnehmenden Sozietät, wenn einer von ihnen – und nicht der vorbefasste wechselnde Anwalt – das Mandat betreut. Auch sie dürfen das widerstreitende Mandat nicht weiter betreuen und müssen es ablehnen bzw. niederlegen.169 Denn wird der wechselnde 164 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 270 f. Diese Fehlvorstellung des Mandanten führt jedoch nicht zu einer Erweiterung der Rechte des Mandanten etwa hinsichtlich der Informationsweitergabe an einen Scheinsozius, weil die Setzung eines Rechtsscheins dem Verursacher nicht zugute kommen kann. Deckenbrock, a.a.O., S. 271. 165 Siehe etwa OLG Düsseldorf NJW 2012, 1892; AnwGH München NJW 2012, 2596; außerdem Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 297 ff.; Hartung, NJW 2006, 2721, insb. 2725 ff.; Kilian, BB 2003, 2189. 166 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 297 f.; siehe auch (im Zusammenhang mit § 3 BORA) Henssler, NJW 2001, 1521, 1528; Maier-Reimer, NJW 2006, 3601, 3603; siehe auch Kleine-Cosack, AnwBl 1998, 417, 420. 167 Vgl. BVerfGE 108, 150, 164 ff. 168 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 3 BORA, Rdnr. 30; Kleine-Cosack, BRAO, § 3 BORA Rdnr. 22 (zu § 3 BORA); Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 656; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 298; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 117 und 119; Müller, AnwBl 2001, 491, 493; Maier-Reimer, NJW 2006, 3601, 3604 (zu § 3 BORA). 169 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 3 BORA, Rdnr. 30; Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 657; ders., AnwBl 2012, 597; Kleine-Cosack, BRAO, § 3 BORA Rdnr. 24 (zu § 3 BORA); Hartung, NJW 2006, 2721, 2725; Müller, AnwBl 2001, 491, 493; Maier-Reimer, NJW 2006, 3601, 3604 (im Zusammenhang mit § 3 BORA). Ähnlich ist der Fall des Zusammenschlusses mehrerer Sozietäten. Eine solche Fusion ist mit einem kollektiven Sozietätswechsel vergleichbar, sodass entsprechende Regeln gelten müssen. Entsprechend begründet auch der Zusammenschluss mehrerer Sozietäten regelmäßig die Pflicht, alle widerstreitenden Mandate niederzulegen. Aber auch und gerade in diesem Fall muss es den Mandanten möglich sein, mittels einer (wirksamen) Einwilligung diese Regel zu durchbrechen. Schon in „normalen“ Fällen der Doppelmandatierung einer Kanzlei ist
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Anwalt, der in seiner alten Sozietät für einen Mandanten tätig war, nunmehr Teil des Beratungsteams des Gegners dieses Mandanten, würde dies zu einer erheblichen Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Anwalt und seinem (alten) Mandanten führen und auch Rückwirkung auf das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Geradlinigkeit der Anwaltschaft haben. Dies ist insbesondere, aber nicht nur, der Fall, wenn der Anwalt von seinem alten Mandanten vertrauliche Informationen erhalten hat und dieser nun argwöhnt, dass sie gegen ihn verwendet werden könnten.170 Eine solche Erstreckung des Verbots auf alle Anwälte der aufnehmenden Sozietät entspricht der Regel im US-amerikanischen Recht, wonach sich das für einen Anwalt geltende Tätigkeitsverbot auf alle mit ihm in einer Sozietät verbundenen Berufsträger erstreckt.171 Allerdings kann ein wirksames Einverständnis des alten Mandanten die Bearbeitung des gegnerischen (neuen) Mandates durch andere Anwälte der neuen Sozietät des Wechslers ermöglichen. Denn die Konstellation ist mit derjenigen vergleichbar, bei der zwei verschiedene Rechtsanwälte einer Sozietät nacheinander für verschiedene Mandanten im widerstreitenden Interesse tätig werden. Wenn aber eine solche sukzessive Vertretung im widerstreitenden Interesse bei der Bearbeitung innerhalb derselben Kanzlei möglich ist, muss dies erst recht bei einer sukzessiven Betreuung durch zwei verschiedene Kanzleien – im Fall des Wechsels – möglich sein.172 Für die alte Kanzlei, bei der das Erstmandat verbleibt, bleibt der Kanzleiwechsel einer ihrer (dann ehemaligen) Anwälte ohne Folgen, da keiner der zurückbleibenden Anwälte ein Mandat im widerstreitenden Interesse bearbeitet.173 Nimmt der Kanzleiwechsler hingegen das Mandat mit, dürfen die Anwälte der ehemaligen Sozietät des ausgeschiedenen Anwalts nicht daraufhin im widerstreitenden Interesse tätig werden.174 Denn der Erstmandant konnte die zurückbleibenden Anwälte als seine Interessenvertreter ansehen und der wecheine Einwilligung der Mandanten zu beachten. In diesem Fall kommt hinzu, dass den Mandanten aufgrund der Fusion die Anwälte ihres Vertrauens entzogen würden, möglicherweise in einer Situation, in denen sie sie besonders dringend benötigen. Dadurch könnten Mandanten massiv belastet werden. Vgl. Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 307; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 127 ff.; Henssler, NJW 2001, 1521, 1526 f. 170 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 299. 171 Sog. imputed disqualification. Siehe Rule 1.10(a) Model Rules of Professional Conduct. Dazu Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 356 ff. 172 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 299 f. Dort auch zu daran anschließenden Maßnahmen zur Sicherung der Vertraulichkeit von Informationen des Erstmandanten. Allerdings sind diese nicht geeignet, an die Stelle eines wirksames Einverständnisses zu treten. 173 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 301. Dabei ist auch zu bedenken, dass die abgebende Kanzlei auch gar nicht auf die Informationen zum im widerstreitenden Interesse stehenden Mandat der aufnehmenden Kanzlei zugreifen kann. Die Gefahr des Informationsflusses besteht lediglich in der anderen Richtung. 174 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 3 BORA, Rdnr. 29 (zu § 3 BORA); Kleine-Cosack, BRAO, § 3 BORA Rdnr. 23 (zu § 3 BORA); Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Be-
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selnde Anwalt durfte während der Bearbeitung des Mandats in der alten Kanzlei mit ihnen Informationen über das Mandat austauschen. Entsprechend sind sie ebenfalls in das Vertrauensverhältnis mit dem Mandanten einbezogen gewesen.175 Dies gilt jedoch nicht für nach dem Weggang des befassten Anwalts neu in die Altkanzlei eintretende Anwälte, da sie nie mit dem von dem Verbot unmittelbar selbst betroffenen Anwalt verbunden waren.176 (ii) Wechsel des nicht vorbefassten Anwalts Wechselt ein nicht vorbefasster Anwalt zu einer anderen Kanzlei, darf er dort kein Mandat übernehmen, das im widerstreitenden Interesse zu einem Mandat steht, das während seiner Zeit bei der ersten Kanzlei durch andere Anwälte der ersten Kanzlei betreut wurde.177 Da er vom Erstmandanten bei dessen Mandatierung der Kanzlei – sofern dieser nicht einen bestimmten Anwalt ausschließlich bestimmt hat – ebenfalls als sein Interessenvertreter angesehen wurde und daher in den Informationsaustausch innerhalb der Erstkanzlei einbezogen werden durfte, würde ein Tätigwerden im widerstreitenden Interesse auch nach Ausscheiden zu einer Vertrauensstörung führen. Dementsprechend gilt auch in diesem Fall das Vertretungsverbot nach § 43a Abs. 4 BRAO.178 Die Anwälte der aufnehmenden Sozietät sind demgegenüber nicht daran gehindert, Mandate zu betreuen, die im widerstreitenden Interesse mit dem betreffenden Mandat der abgebenden Kanzlei stehen.179 Denn sie sind nicht mit rufsrecht, B Rdnr. 655; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 310 f.; ders., AnwBl 2012, 594, 596 (zu § 3 Abs. 3 BORA). 175 Dies gilt allerdings nicht für später von der (alten) Kanzlei aufgenommene Anwälte, die niemals mit dem (ersten) Mandat in Berührung gekommen sind. Siehe Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 302. 176 Deckenbrock, AnwBl 2012, 594, 596 (zu § 3 BORA); krit. dagegen OffermannBurckart, NJW 2012, 2553, 2555 f. Es muss jedoch gewährleistet werden, dass der neu eintretenden Anwalt nicht auf die in der Sozietät verbliebenen Mandatsakten zugreifen kann. Deckenbrock, a.a.O. 177 Kleine-Cosack, BRAO, § 3 BORA Rdnr. 26 (zu § 3 BORA); Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 658 (mit Blick auf § 3 Abs. 2 BORA); Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 302. 178 AnwG Köln, AnwBl 2000, 200, 201; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 302; siehe auch Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 3 BORA Rdnr. 32 (zu § 3 BORA); ders., 2001, 1521, 1529; Maier-Reimer, NJW 2006, 3601, 3604 (zu § 3 BORA); Müller, AnwBl 2001, 491, 493 (mit dem zusätzlichen Argument in Bezug auf Sozien, dass der ausscheidende Sozius auch nach dem Kanzleiwechsel noch für bis zu seinem Ausscheiden begründete Pflichtverletzungen seiner ehemaligen Sozien hafte und somit u. U. vor einer konsequenten Ausnutzung solcher Fehler zugunsten seines neuen Mandanten zurückschrecke). 179 Henssler, NJW 2001, 1521, 1526. So im Zusammenhang mit § 3 Abs. 2, Abs. 3 BORA AnwG Köln, AnwBl 2000, 200, 201; AnwGH München NJW 2012, 2596; zust. Deckenbrock, AnwBl 2012, 594, 595; in diesem speziellen Fall ablehnend OffermannBurckart, NJW 2012, 2553. Ebenfalls für ein enges Verständnis (mit Blick auf § 3 Abs. 3 BORA) Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 660; siehe außerdem Knöfel, Grundfragen, S. 745. Zu Bedenken bei § 3 BORA in Bezug auf Wortlaut und Systematik Kleine-Cosack, BRAO, § 3 BORA Rdnr. 27.
V. Erstreckung auf Mitglieder einer Berufsausübungsgemeinschaft
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einem Anwalt verbunden, der in derselben Rechtssache bereits im widerstreitenden Interesse selbst als Berater oder Vertreter tätig war.180 Zwar konnte der Mandant der Altkanzlei davon ausgehen, dass auch der wechselnde Anwalt zu seinen Interessenvertretern gehört.181 Wenn aber der wechselnde Anwalt selbst weder für ihn noch für die Gegenseite tätig geworden ist bzw. tätig werden wird, wird sein Vertrauen zu dem das Mandat tatsächlich bearbeitenden Anwalt in der Erstkanzlei nicht belastet. Sofern ein Anwalt selbst weder für die eine noch für die andere Partei tätig wird, kann dieser auch seine Pflicht zur Unabhängigkeit und Geradlinigkeit nicht verletzen. Er steht dann lediglich in einer mittelbaren Verbindung zu den Mandanten, und eine Beeinträchtigung von deren Rechten und Interessen ist grundsätzlich ausgeschlossen. Denn anders als bei der sukzessiven Vertretung durch zwei verschiedene Anwälte einer Kanzlei, wird bei einem Kanzleiwechsel die Verbindung zu den Rechtsanwälten der ersten Sozietät vollständig beendet. Dadurch sinkt das Risiko eines eventuellen (zufälligen) Austauschs vertraulicher Informationen erheblich. Auch kann der nicht in das Mandat eingebundene Wechsler das ihm zwar zugerechnete, aber nicht tatsächlich vorhandene Wissen nicht – auch nicht unbewusst – seinen neuen Sozien zukommen lassen.182 Im Fall eines Wechsels des nicht vorbefassten Anwalts kann daher ein eventuell verlorengegangenes Vertrauen des Mandanten in den das Mandat bearbeitenden (anderen) Anwalt grundsätzlich nicht schützenswert sein. e.) Regelung in § 3 Abs. 2 und Abs. 3 BORA Anders als § 43a BRAO enthält § 3 Abs. 2 Satz 1 BORA eine ausdrückliche Regelung, nach der das für den Einzelanwalt geltende Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen auf „alle mit ihm in derselben Berufsausübungsoder Bürogemeinschaft gleich welcher Rechts- oder Organisationsform verbundenen Rechtsanwälte“ erstreckt wird. Dies umfasst alle Partner, Ange stellten und freien Mitarbeiter von Partnerschaftsgesellschaften, AnwaltsGenmbH , Anwalts-AGen, ausländischen Anwaltskanzleien – und sogar die Scheinsozietät wird erfasst183 . An dieser Regelung hatte das BVerfG seinerzeit Kritik geübt und diese für nichtig erklärt, weil sie keinen Raum für eine Einzelfallabwägung lasse und daher einen übermäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit Deckenbrock, AnwBl 2012, 594, 595. Hierzu und zum Folgenden Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 303 ff. 182 Maier-Reimer, NJW 2006, 3601, 3604. 183 Kleine-Cosack, BRAO, § 3 BORA Rdnr. 8 ; Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 3 BORA Rdnr. 11; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 3 BORA Rdnr. 11; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 318; dazu auch Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 645 f. Zu verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Erstreckung auch auf Bürogemeinschaften und Kooperationen siehe Deckenbrock, a.a.O. S. 317 und S. 323 f; krit. auch Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 646. 180 181
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darstelle.184 Diese Kritik nimmt nunmehr die Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 2 BORA mit einer Lockerung des Vertretungsverbots auf, wonach Satz 1 nicht gilt, wenn die Mandanten in die Vertretung im widerstreitenden Interesse „nach umfassender Information“ eingewilligt haben „und Belange der Rechtspflege nicht entgegenstehen“.185 Um der Regelung Genüge zu tun, wird es regelmäßig erforderlich sein, im Fall der Vertretung zweier Mandanten im widerstreitenden Interesse durch zwei Anwälte derselben Kanzlei eine strikte Trennung der Informationen sicherzustellen, um Vertraulichkeit zu gewährleisten und die Gefahr zu verringern, dass der Gegner über die Sozietät an Informationen gelangt.186 Auch muss der Öffentlichkeit gegenüber klar sein, dass die betroffenen Anwälte in der Lage sind, ausschließlich die Interessen der von ihnen jeweils vertretenen Mandanten wahrzunehmen.187 Auch in Bezug auf den Sozietätswechsel, der in § 3 Abs. 3 BORA geregelt wird, ergeben sich keine Unterschiede zu § 43a Abs. 4 BRAO. Mit seinem Verweis auf § 3 Abs. 1 und Abs. 2 BORA nimmt § 3 Abs. 3 BORA auch auf das dortige Regelungsgefüge Bezug. Aus dem Verweis auf § 3 Abs. 1 BORA in § 3 Abs. 2 Satz 1 BORA ergibt sich, dass nur der persönlich, d. h. unmittelbar selbst, für den Mandanten rechtsbesorgend tätig gewordene Anwalt Ausgangspunkt für ein auf andere Anwälte zu erstreckendes Vertretungsverbot sein kann.188 Daher kann im Fall des nicht vorbefassten Wechslers nur der Wechsler selbst von dem Vertretungsverbot betroffen sein, weil er mit dem persönlich tätigen Anwalt in der alten Kanzlei zusammengearbeitet hat. Für seine Neusozien gilt dies jedoch nicht, weil der Wechsler nicht unmittelbar selbst für den Mandanten rechtsbesorgend tätig war und somit nicht den Tatbestand von § 3 Abs. 1 BORA erfüllt.189 Und zu seinem Altsozius haben die Neusozien keine eigene Verbindung, sodass es an dem erforderlichen Anknüpfungspunkt für eine Erstreckung des Vertretungsverbots nach § 3 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 BVerfGE 108, 150, insb. 164 ff. Für eine generelle Nichtigkeit von § 3 Abs. 2 BORA (bzgl. der alten Fassung, aber auch auf die neue Fassung übertragbar) Knöfel, Grundfragen, S. 753 ff. 185 Diese Regelung ist vom BVerfG als verfassungsgemäß eingeordnet worden, vgl. BVerf- G NJW 2006, 2469. Dazu Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 3 BORA Rdnr. 8, 12, 34; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 320; Maier-Reimer, NJW 2006, 3601, 3603; Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 644 (Neuschaffung eines nicht existierenden Verbots). Krit. zum Merkmal „Belange der Rechtspflege“ KleineCosack, BRAO, § 3 BORA Rdnr. 12 ff. 186 Schramm, DStR 2003, 1316, 1320. 187 Erwogen wird daher, dass die Anwälte nicht im Namen der Sozietät, sondern im eigenen Namen auftreten sollten. Siehe Schramm, DStR 2003, 1316, 1320. 188 Vgl. dazu auch Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 3 BORA Rdnr. 11; KleineCosack, BRAO, § 3 BORA Rdnr. 8. 189 AnwGH München NJW 2012, 2596; Deckenbrock, AnwBl 2012, 594, 595; siehe auch schon Maier-Reimer, NJW 2006, 3601, 3604. Siehe außerdem die Verweise im Zusammenhang mit § 3 BORA in Fn. 179. 184
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und Abs. 1 BORA fehlt. Im Fall des vorbefassten Wechslers gilt § 3 Abs. 2 BORA, sodass die Neusozien nur dann für die Gegenseite tätig sein dürfen, wenn die betroffenen Mandanten eingewilligt haben.190
2.) Steuerberater Das aus dem Unabhängigkeitsgebot für Steuerberater hergeleitete Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen wird verschiedentlich so ausgelegt, dass es auch eine Vertretung kollidierender Interessen durch verschiedene Steuerberater einer Sozietät erfasst.191 Zum einen würden die gesellschaftsrechtlichen Bindungen zwischen den Sozien dazu führen, dass im Falle eines belasteten Sozius auch die anderen Sozien aus Sicht eines objektiven Dritten nicht mehr unabhängig seien; zum anderen müsse ein Steuerberater, um seine Pflicht aus § 57 Abs. 1 StBerG zu erfüllen, dafür sorgen, dass diese Verpflichtung auch innerhalb der Sozietät eingehalten werde.192 Ausnahmslos kann dies allerdings nicht gelten, denn eine generelle Er streckung des Vertretungsverbots ohne Ausnahmeregelung für den Einzelfall erscheint problematisch.193 Im vergleichbaren Fall von § 43a Abs. 4 BRAO – für den „wesensverwandten“ Beratungsberuf des Rechtsanwalts – hat das BVerfG eine generelle Verbotserstreckung für unzulässig erachtet. Hinzukommt, dass angesichts der im Vergleich zur BRAO viel geringer ausgeprägten Regelungen im StBerG, wo auf das Unabhängigkeitsgebot zurückgegriffen werden muss, eine strengere Regelung nicht zu rechtfertigen wäre.194 Auch ist die gesellschafts- und berufsrechtliche Bindung bei einer beruflichen Zusammenarbeit von Steuerberatern nicht so stark, dass sie schon für sich allein genommen –
190 Aus § 3 Abs. 3 BORA kann keine weitergehende Beschränkung abgeleitet werden, denn diese Vorschrift soll lediglich sicherstellen, dass das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen im Fall eines Sozietätswechsels weiterhin gilt, soll es aber nicht darüber hinaus ausdehen. Siehe Deckenbrock, AnwBl 2012, 594, 595. Soweit § 3 Abs. 3 BORA über die von § 43a Abs. 4 BRAO gesetzten Grenzen hinausgeht, ist die Vorschrift wegen fehlender Regelungskompetenz als unzulässig einzustufen. Hinsichtlich der kompetenzrechtlichen Beschränkung der Satzungsversammlung bei § 3 BORA auf die Konkretisierung von §§ 43 ff. BRAO Henssler, NJW 2001, 1521, 1528 f. 191 Hinsichtlich der Erstreckung des Vertretungsverbots auf Steuerberatungsgesellschaften aufgrund von § 72 Abs. 1 StBerG, Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 165. 192 Späth, in: Mittelsteiner/Gilgan/Späth, Berufsordnung der Steuerberater, § 6 Rdnr. 37. 193 Siehe Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 348 f.; Schramm, DStR 2003, 1364, 1366. 194 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 349. Dies gilt auch für Steuerberatungsgesellschaften, auf die gemäß § 72 StBerG die Regelung in § 57 StBerG sinngemäß anzuwenden ist. Eine „sinngemäße Anwendung“ bedeutet, dass auf die Gesellschaften die Grundsätze zu übertragen sind, die für die in anderen Rechtsformen organisierten Steuerberater gelten. Dazu Deckenbrock, a.a.O.
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ohne weitere Anzeichen – zum Verlust der persönlichen Unabhängigkeit der einzelnen Sozietätsmitglieder führen kann.195 Aus diesen Gründen ist wie bei § 43a Abs. 4 BRAO zu differenzieren. Demzufolge ist auch bei Steuerberatern davon auszugehen, dass ein Mandat regelmäßig der Sozietät als Ganzes übertragen wird, sofern sich der Mandant nicht einen bestimmten Steuerberater aussucht.196 Wird das Mandat der Sozietät als Ganzes übertragen, werden alle Sozietätsmitglieder zum Vertreter des Mandanteninteresses, sodass keiner von ihnen ein Mandat mit widerstreitenden Interessen übernehmen darf. Wird das Mandat jedoch von Anfang an auf einen bestimmten Berater beschränkt, dürfen die übrigen Sozietätsmitglieder auch widerstreitende Interessen vertreten, solange darin keine Umgehung liegt.197 Auch aus der Sozietätsklausel in § 6 Abs. 3 BOStB ergibt sich dazu nichts Gegenteiliges. Danach dürfen „Sozietäten, Steuerberatungsgesellschaften, (…) oder sonstige Formen der Zusammenarbeit (…) nicht zu einer Umgehung eines Betätigungsverbots (…) führen“. Der Begriff „Umgehung“ deutet darauf hin, dass nur solche Konstellationen verboten sein sollen, bei denen die Situation mit derjenigen vergleichbar ist, bei der im Fall eines Einzelberaters ein Vertretungsverbot greifen würde.198 Eine „Umgehung“ wäre in diesem Fall dann anzunehmen, wenn die berufliche Zusammenarbeit dazu dienen soll, eine an sich unzulässige Vertretung widerstreitender Interessen dennoch durchzuführen. Beispiel hierfür ist der Fall, dass ein Sozietätsmitglied lediglich der Form halber als Steuerberater eingesetzt wird, tatsächlich aber derselbe Steuerberater für beide Mandanten tätig wird.199 Dementsprechend kann im Falle einer Vertretung widerstreitender Mandate durch verschiedene Sozien innerhalb einer Sozietät von Steuerberatern nur dann von einem Pflichtverstoß ausgegangen werden, wenn dadurch die Unabhängigkeit dieser Sozien gefährdet werden würde.200 Im Fall eines Wechsels der Sozietät durch einen Steuerberater ist – entsprechend der Regelung im Berufsrecht der Rechtsanwälte – zu unterscheiden: Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen kommt nicht zur Anwendung, wenn ein zu der Sozietät gewechselter Steuerberater in seiner alten Sozietät nicht selbst vorbefasst war und auch in der aufnehmenden Sozietät mit dieser Angelegenheit nicht betraut wird; war er dagegen in seiner ehemaligen Schramm, DStR 2003, 1364, 1366. Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 165. 197 Schramm, DStR 2003, 1364, 1366. 198 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 350 unter Hinweis auf die vergleichbare Situation bei § 43a Abs. 4 BRAO. 199 Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 163; dies., DStR 2003, 1364, 1366. 200 Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 164. Im Fall des Steuerberaters wird das Verbot der widerstreitenden Interessen aus dem Unabhängigkeitsgebot abgeleitet. 195
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Kanzlei selbst im widerstreitenden Interesse mit einer Angelegenheit befasst, erstreckt sich das Vertretungsverbot nicht nur auf ihn, sondern auch auf die anderen Sozien in der neuen Kanzlei – sofern keine Einverständniserklärung der betroffenen Mandanten vorliegt, dass die neuen Sozien – nicht aber der vorbefasste Steuerberater – tätig werden dürfen.201
3.) Wirtschaftsprüfer Im Fall der Wirtschaftsprüfer findet sich eine Regelung zum Vertretungsverbot in Bezug auf Sozietäten in § 53 2. Hs. WiPrO. Danach dürfen Wirtschaftsprüfer „insbesondere in einer Sache, in der sie oder eine Person oder eine Personengesellschaft, mit der sie ihren Beruf gemeinsam ausüben, bereits tätig waren, für andere Auftraggeber nur tätig werden, wenn die bisherigen und die neuen Auftraggeber einverstanden sind“. Der Begriff der „gemeinsamen Berufsausübung“ ermöglicht ein weites, am Schutzzweck der Norm – der eine Unterscheidung nach dem Status der Prüfer verbietet – orientiertes Verständnis, wonach nicht nur Sozien, sondern auch angestellte Wirtschaftsprüfer, Mitarbeiter und freie Mitarbeiter erfasst werden.202 Die Verknüpfung mittels „oder“ in § 53 2. Hs. WiPrO deutet darauf hin, dass es keinen Unterschied macht, ob die widerstreitenden Mandate von einem einzelnen oder von verschiedenen Wirtschaftsprüfern vertreten werden.203 Für Einzelprüfer ist bereits dargelegt worden, dass sich nicht aufrechterhalten lässt, dass Mandanten in die Vertretung im widerstreitenden Interesse einwilligen können, und daher – vor allem, aber nicht nur für den Fall der Steuerrechtsberatung – eine teleologische Reduzierung der Norm erforderlich ist.204 Für die gemeinschaftliche Berufsausübung führt diese Regelung dagegen zu keinen Problemen. Denn solange nicht derselbe Prüfer für beide Mandanten (im widerstreitenden Interesse) tätig wird, kann die Ausdehnung des grundsätzlich umfassenden Vertretungsverbots auf alle Wirtschaftsprüfer einer Sozietät durch Einholung des Einverständnisses der betroffenen Mandanten im Einzelfall vermieden werden.205 Voraussetzung für ein wirksames Einverständnis ist – vergleichbar den Grundsätzen, die laut dem Bundesverfassungsgericht für das anwaltliche Vertretungsverbot gelten, auch wenn dies in der Wirtschaftsprüferordnung nicht explizit geregelt ist – eine ausdrückliche und umfassende Aufklärung der betroffenen Mandanten.206 Darüber hinaus darf aber auch im Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 350. Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 352; ders., BB 2002, 2453, 2457 (zu § 53 WiPrO a.F.). 203 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 351. 204 Siehe § 12 IV.1.). 205 Damit werden die Grundsätze berücksichtigt, wie sie das BVerfG in BVerfGE 108, 150 ff. für Rechtsanwälte herausgearbeitet hat. 206 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 352. 201
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Fall des Wirtschaftsprüfers – wegen dessen besonderer Funktion für den Markt und die wirtschaftlichen Abläufe generell – das Vertretungsverbot nicht völlig zur Disposition der Parteien stehen; vielmehr sind für die Aufhebung des Verbotes im Einzelfall auch in dieser Hinsicht die für Rechtsanwälte und Steuerberater entwickelten Kriterien entsprechend anzuwenden.207 Darüber hinaus sieht § 56 Abs. 1 WiPrO eine sinngemäße Anwendung von § 53 WiPrO auf Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und auf Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer, Partner und persönlich haftende Gesellschafter einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vor, die nicht Wirtschaftsprüfer sind. Die Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer enthält hingegen keine Regelungen zur Frage der Erstreckung des Vertretungsverbotes bei Sozietäten. § 3 Satz 1 BS WP/vBP regelt nur den Fall der direkten Interessenvertretung durch ein und denselben WP/vBP. Die Begründung zu § 3 BS WP/vBP enthält lediglich den Hinweis, dass es eine Frage des Einzelfalls ist, ob „im Fall eines Sozietätswechsels, des Zusammenschlusses von Sozietäten oder einer Interessenvertretung gegnerischer Parteien innerhalb derselben Sozietät, einer Berufsgesellschaft oder verbundener Unternehmen von einer unzulässigen Vertretung widerstreitender Interessen auszugehen ist, … bei der auch die Beurteilung der zuvor umfassend informierten Mandanten zu berücksichtigen ist“.208
VI. Zusammenfassung Das berufsrechtliche Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen knüpft an den qualifizierten Interessenkonflikt, den Interessenwiderstreit, an, bei dem die Interessen der zu Vertretenden kontradiktorisch aufeinander bezogen sind, also unmittelbar darauf gerichtet sind, das jeweils andere Interesse auszuschließen. Das Verbot schützt zum einen die individuelle Vertrauensbeziehung zwischen Mandant und Berufsträger, zum anderen das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Zuverlässigkeit der Gesamtheit der jeweiligen Berufsträger. Dieses Vertrauen ist eine wesentliche Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der dem jeweiligen Beruf zugrundeliegenden Funktion. Daher erfasst dieses Verbot das gesamte betroffene Interessenwahrungsverhältnis und nicht nur Teile davon. Außerdem ist der Kreis der erfassten beruflichen Tätigkeiten weit zu ziehen. So erfasst das „Vertreten“ im Fall des Rechtsanwalts etwa auch die reine Beratung sowie Vortätigkeiten, die nicht unmittelbar berufliche Tätigkeiten darstellen, deren Übernahme dem Berufsträger jedoch aufgrund seiner Berufsstellung angetragen worden sind. Das berufsrechtliche Verbot gilt erst ab Vertragsschluss und beschränkt sich in allen Fällen, auch in dem nicht ge Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 189. Siehe die Begründung der Wirtschaftsprüferkammer zu § 3 BS WP/vBP, S. 33, abrufbar unter www.wpk.de/pdf/bs-wpvbp.pdf (Stand 28.07.2014). 207
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VI. Zusammenfassung
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regelten Fall des Steuerberaters, auf Konflikte von Interessen, die sich auf dieselbe Angelegenheit beziehen. Sofern ein solcher Konflikt vorliegt, kann das Vertretungsverbot nicht durch eine Einwilligung der Mandanten überwunden werden. Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gilt auch für Sozietäten und andere Formen der beruflichen Zusammenarbeit. Allerdings ist eine Vertretung widerstreitender Interessen durch verschiedene Berufsträger einer Sozietät möglich, wenn der Mandant eingewilligt hat. Im Fall eines Wechsels der Sozietät durch einen Berufsträger ist zu unterscheiden: Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen trifft nur den zu der neuen Sozietät gewechselten Berufsträger und nicht auch seine Neusozien, wenn der Wechsler in seiner alten Sozietät nicht selbst mit der Angelegenheit vorbefasst war und auch in der aufnehmenden Sozietät mit dieser Angelegenheit nicht betraut wird. War er dagegen in seiner ehemaligen Kanzlei selbst im widerstreitenden Interesse mit derselben Angelegenheit befasst, erstreckt sich das Vertretungsverbot nicht nur auf ihn, sondern auch auf die anderen Sozien in der neuen Kanzlei – sofern keine Einverständniserklärung der betroffenen Mandanten vorliegt, dass diese – nicht aber der vorbefasste Berufsträger – für die Gegenseite tätig werden dürfen.
§ 13 Inhabilitätsvorschriften und Eignungsprüfungen I. Inhabilitätsvorschriften Inhabilitätsvorschriften gehören zu denjenigen Regelungen, die die Handlungsfreiheit des Interessenwahrers am stärksten beschränken. Sie bestimmen, dass ein Interessenwahrer in bestimmten Situationen ein Interessenwahrungsverhältnis insgesamt nicht eingehen kann. Es handelt sich dabei also um präventive Regelungen, die dem (möglichen) Interessenwahrer in bstimmten Fällen die Fähigkeit, fremde Interessen wahrzunehmen, vollständig absprechen. Inhabilitätsvorschriften gelten etwa für den Abschlussprüfer (I.1.), die Aufsichtsratsmitglieder (I.2.) und die Mitglieder des WEG-Verwaltungsbeirats (I.3.).
1.) Abschlussprüfer Von zentraler Bedeutung sind Inhabilitätsvorschriften beim Abschlussprüfer.1 Bei der Abschlussprüfung ist der Anreiz für den Geprüften zu versuchen, auf die Prüfung Einfluss zu nehmen, besonders hoch. Zugleich können die Auswirkungen von Fehlverhalten des Abschlussprüfers erheblich sein. Denn die Abschlussprüfung dient insbesondere auch dazu, Gläubiger, (künftige) Geschäftspartner, Mitarbeiter sowie den Kapitalmarkt und andere unternehmensexterne Adressaten (wie „die Öffentlichkeit“) mit verlässlichen Informationen zu versorgen und das Vertrauen in die ordnungsgemäße öffentliche Rechnungslegung zu schützen.2 a.) Rechtliche Verankerung und Schutzzweck Daher enthalten §§ 319 Abs. 2 , Abs. 3, 319a, 319b HGB für Abschlussprüfer umfangreiche Inhabilitätsvorschriften. Diese stellen auf die „äußere“ Unabhängigkeit ab, knüpfen also an abstrakt bestehende Interessenkonflikte an. Wer die Voraussetzung einer dieser Bestimmungen erfüllt, ist von der Ab-
1 Sie geraten daher immer wieder in den Fokus der Regulierung. Siehe zuletzt den Vorschlag für eine Verordnung „über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse“, KOM(2011) 779 endg. vom 30.11.2011. 2 Siehe dazu bereits § 5 IV.2.).
I. Inhabilitätsvorschriften
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schlussprüfung ausgeschlossen. Er darf dann nicht zum Abschlussprüfer bestellt werden. Geschieht dies dennoch, so ist der Bestellungsakt nichtig.3 § 319 Abs. 2 HGB enthält den allgemeinen Grundtatbestand4 und schreibt eine Inhabilität vor, wenn „Gründe, insbesondere Beziehungen geschäftlicher, finanzieller oder persönlicher Art, vorliegen, nach denen die Besorgnis der Be319 fangenheit besteht“.5 Konkretisiert werden diese Beziehungen in §§ Abs. 3, 319a und 319b HGB. Liegt einer der dort genannten Tatbestände vor, wird unwiderleglich vermutet, dass der Prüfer befangen ist.6 Es kommt nicht darauf an, ob der Prüfer tatsächlich befangen ist. Unerheblich ist auch, ob er wusste oder wissen musste, dass er einen der Tatbestände verwirklicht.7 Denn schon die Verwirklichung eines der Tatbestände als solchen führt zu einer Gefährdung der Vertrauenswürdigkeit der Abschlussprüfung. Dies rechtfertigt es, dem Prüfer jegliche Möglichkeit zu nehmen, das Gegenteil zu beweisen oder sich auf Schutzmaßnahmen (sog. Safeguards) gegen die Gefahren zu stützen.8 (i) Die Regelbeispiele in § 319 Abs. 3 HGB Nach § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB ist ein Wirtschaftsprüfer9 von der Abschlussprüfung ausgeschlossen, wenn er10 „Anteile oder andere nicht nur unwesentliche finanzielle Interessen an der zu prüfenden Kapitalgesellschaft oder eine Beteiligung an einem Unternehmen besitzt, das mit der zu prüfenden Kapitalgesellschaft verbunden ist oder von dieser mehr als zwanzig vom Hundert der Anteile besitzt“.11 Erforderlich ist, dass das jeweilige finanzielle Interesse von der wirtschaftlichen Verfassung der zu prüfenden Gesellschaft beeinflusst Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Wiedmann, HGB, § 319 Rdnr. 26. Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 18. 5 Vgl. dazu und zu weiteren Fällen RegE BilReG, BT-Drs 15/3419, S. 38; MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 27. Außerdem Erwägungsgrund 11 und Art. 22 Abs. 2 Satz 2 der Abschlussprüferrichtlinie; §§ 21 ff. BS WP/vBP. 6 Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 18; MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 45. Vgl. auch RegE BilReG, BT-Drs. 15/3419, S. 38. Dies gilt in gleicher Weise auch für das Berufsrecht, vgl. § 22a Abs. 2 Satz 1 BS WP/vBP. 7 Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 25. 8 Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 25; vgl. auch MünchKommHGB/ Ebke, § 319 Rdnr. 45. 9 Im Folgenden wird der Kürze halber nur der Wirtschaftsprüfer genannt. § 319 Abs. 2 und Abs. 3 HGB gelten jedoch auch für den vereidigten Buchprüfer. 10 Dem Wortlaut der Norm zufolge gilt dies auch, wenn eine Person, mit der er seinen Beruf gemeinsam ausübt, der Ehegatte bzw. Lebenspartner (Satz 2) oder ein Mitglied seines Netzwerkes (siehe § 319b HGB) die Anteile etc. besitzt. 11 Auf Personengesellschaften und sonstige Unternehmen, die nach § 264a HGB oder dem PublG prüfungspflichtig sind, ist die Vorschrift entsprechend anwendbar. Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 38. Der Begriff „Anteile an der Kapitalgesellschaft“ ist mit Blick auf Nicht-Kapitalgesellschaften sinngemäß als Mitgliedschaftsrecht zu verstehen, wie etwa der Kommanditanteil. Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 77. 3 4
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wird.12 Denn dann schließen sowohl unmittelbare als auch nur mittelbare finanzielle Interessen des Abschlussprüfers eine unbefangene Prüfung aus.13 Nach § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB ist ein Wirtschaftsprüfer von der Abschlussprüfung ausgeschlossen, wenn er14 „gesetzlicher Vertreter, Mitglied des Aufsichtsrats oder Arbeitnehmer der zu prüfenden Kapitalgesellschaft oder eines Unternehmens ist, das mit der zu prüfenden Kapitalgesellschaft verbunden ist oder von dieser mehr als zwanzig vom Hundert der Anteile besitzt“.15 Im Fall des gesetzlichen Vertreters besteht die Gefahr, dass der Betroffene wegen seiner Organstellung Eigeninteressen verfolgt (etwa die Erzielung eines höheren Einkommens, Sozialprestige oder zusätzlichen Einfluss), weil für ihn ein möglichst positives Ergebnis der Rechnungslegung vorteilhaft ist – verstärkt wird dies, wenn er erfolgsabhängig vergütet wird.16 Zudem würde der Betroffene in diesem Fall sich selbst prüfen, weil er sowohl Prüfer als auch Geprüfter wäre.17 Auch der Aufsichtsrat hat als Organ der Gesellschaft grundsätzlich ein wirtschaftliches Interesse an einer vorteilhaften Darstellung der Unternehmenslage im Jahresabschluss, weil diese auch eine Beurteilung seiner eigenen Tätigkeit ermöglicht.18 In § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 HGB steht das Verbot der Selbstprüfung im Mittelpunkt. Der Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, dass ein Prüfer nicht unbefangen prüfen kann, wenn er selbst den Gegenstand der Prüfung mitgestaltet oder erarbeitet hat, indem er Funktionen der Rechnungslegung übernommen hat.19 Dadurch soll verhindert werden, dass der Prüfer in die Situation kommt, seine eigene Arbeit prüfen zu müssen. Denn es ist regelmäßig schwierig, sich ein objektives und kritisches Bild von Sachverhalten zu machen, wenn man selbst an deren Entstehung mitgewirkt hat.20 In einem solchen Fall ist die 12 Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 42; MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 50. 13 Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 38; Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 76. 14 Wie bei Nr. 1 gilt dies dem Wortlaut der Norm zufolge auch, wenn eine Person, mit der er seinen Beruf gemeinsam ausübt, der Ehegatte bzw. Lebenspartner (Satz 2) oder ein Mitglied seines Netzwerkes (siehe § 319b HGB) eine solche Stellung innehat. 15 § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB ist auch auf prüfungspflichtige Personen- und sonstige Gesellschaften sowie deren gesetzliche Vertreter entsprechend anwendbar. Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 45. Bei Kommanditgesellschaften gilt dies etwa für die Komplementäre, aber auch für einen Kommanditisten, wenn im Rahmen des Gesellschaftsvertrages vereinbart worden ist, dass er entgegen § 164 HGB die Geschäftsführungsbefugnis hat. 16 Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 223, 225. 17 Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 226. 18 Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 231. 19 Vgl. dazu OLG Brandenburg GmbHR 2001, 865, 866 ff. (zu § 319 Abs. 2 Nr. 5 HGB a.F.); BeckBilKomm/Schmidt, § 319 Rdnr. 46; Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 49. 20 Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 253.
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eigene Wahrnehmungsfähigkeit regelmäßig verringert und der Betroffene erliegt – unbemerkt – einer self-serving bias, die seine Urteilsbildung beeinflusst.21 Aufgrund dieses Einflusses würde ein Prüfer einen Jahresabschluss, der – zumindest zum Teil – auf ihn zurückgeht, eher als den gesetzlichen Anforderungen gemäß ansehen, als wenn er an dessen Erstellung nicht beteiligt war. § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 HGB verbietet daher die Mitwirkung 22 bei der Führung der Bücher oder Aufstellung des zu prüfenden Jahresabschlusses (lit. a) und bei der Durchführung der internen Revision in verantwortlicher Position (lit. b), 23 die Erbringung von Unternehmensleitungs- 24 und Finanzdienstleistungen 25 (lit. c) und die Erbringung von eigenständigen versicherungsmathematischen oder Bewertungsleistungen, die sich auf den zu prüfenden Jahresabschluss nicht nur unwesentlich auswirken (lit. d). Aber nicht nur Interessenkonflikte des Abschlussprüfers selbst können Gefahren für die unbefangene und neutrale Abschlussprüfung darstellen. Auch die Interessenkonflikte von Mitarbeitern, die an der Prüfung materiell beteiligt sind, können das Ergebnis der Prüfung sachwidrig beeinflussen, auch wenn sie nicht nach außen für den Bestätigungsvermerk verantwortlich sind.26 . Dem trägt § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 HGB Rechnung, wonach jemand als Abschlussprüfer auch dann ausgeschlossen ist, wenn er bei der Prüfung eine Person beschäftigt, die nach Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 nicht Abschlussprüfer sein darf. Beschäftigt ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift als „bei der Prüfung einge21 Bazerman/Morgan/Loewenstein, Sloan Mgmt. Rev. 1997, 89, 91. Ein kritische Kontrolle, die zur Aufdeckung von (eigenen vorangegangenen) Fehlern führt, wird auch dadurch beeinträchtigt, dass dies den Mandanten auf Schadensersatzansprüche wegen Sorgfaltspflichtverletzungen des Prüfers bei der Erfüllung des (vorangegangenen) Beratungsvertrages hinweisen würde. Siehe Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 253. 22 Zur Abgrenzung von Mitwirkung und Beratung siehe § 13 I.1.)b.). 23 Im Rahmen seiner Prüftätigkeit hat der Prüfer zumindest den Teil der internen Revision zu überprüfen, der sich auf die Rechnungslegung bezieht. Dazu RegE BilReG, BT-Drs. 15/3419, S. 39; MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 63; vgl. auch Koller/Roth/Morck/ Morck, HGB, § 319 Rdnr. 5. 24 Wer Managementfunktionen in einer Gesellschaft übernimmt oder ihr gegenüber Finanzdienstleistungen erbringt, baut regelmäßig besonders enge berufliche Beziehungen zu der zu prüfenden Gesellschaft auf. Siehe Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 60. Auch wird derjenige häufig als Interessenwahrer der Gesellschaft tätig. Siehe RegE BilReG, BT-Drs. 15/3419, S. 39. 25 Der Begriff „Finanzdienstleistungen“ ist nicht wie im KWG oder WpHG zu verstehen, weil es bei § 319 Abs. 3 HGB um Abhängigkeitsfaktoren und Interessenkonflikte geht. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Tätigkeit zu einem unmittelbaren finanziellen Interesse an der zu prüfenden Gesellschaft führt, das sich auf die Unvoreingenommenheit des Prüfers auswirken könnte. Dies umfasst etwa Makler- und Vermittlertätigkeiten, die Übernahme von Finanzinstrumenten der zu prüfenden Gesellschaft, um diese zu vertreiben, die Übernahme treuhänderischer Funktionen und die Vornahme von Anlageentscheidungen. Siehe dazu Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 61; MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 66; Henssler, ZHR 171 (2007), 10, 16 ff. 26 Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 63.
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setzt“ zu verstehen.27 Zudem ist erforderlich, dass der jeweilige Mitarbeiter im Rahmen seiner Tätigkeit auch tatsächlich die Möglichkeit hat, auf das Ergebnis der Prüfung oder ihren Ablauf einzuwirken. Denn wer zwar im Rahmen der Prüfung beschäftigt ist, aber das Ergebnis nicht beeinflussen kann, wie etwa Schreibkräfte und Boten, wird von dieser Vorschrift nicht erfasst.28 Da es nur auf die tatsächliche Möglichkeit der Einwirkung auf den Jahresabschluss abkommt,29 spielt es keine Rolle, in welchem Rechtsverhältnis der Mitarbeiter zum Abschlussprüfer steht; es werden also sowohl freie Mitarbeiter als auch Angestellte,30 aber auch Partner erfasst, die die Ergebnisse intern überprüfen31. Nach § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HGB ist auch die Umsatzabhängigkeit eines Prüfers ein Ausschlussgrund: Danach ist ein Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer von der Abschlussprüfung ausgeschlossen, wenn er oder eine Person, mit der er seinen Beruf gemeinsam ausübt, „in den letzten fünf Jahren jeweils mehr als dreißig vom Hundert der Gesamteinnahmen aus seiner beruflichen Tätigkeit von der zu prüfenden Kapitalgesellschaft und von Unternehmen, an denen die zu prüfende Kapitalgesellschaft mehr als zwanzig vom Hundert der Anteile besitzt, bezogen hat und dies auch im laufenden Geschäftsjahr zu erwarten ist“.32 Diese Begrenzung des relativen Honorarvolumens soll eine Umsatz- bzw. Kundenabhängigkeit verhindern.33 Denn erhält ein Prüfer einen Großteil seiner Einnahmen von einem einzigen Mandanten und kann er den Verlust dieses Mandats nur schwer oder gar nicht durch andere Mandate kompensieren, wird er seine Wiederwahl als Prüfer und seine sonstigen Mandatsbeziehungen als besonders wichtig empfinden.34 Dies kann so weit gehen, dass er die Prüfung nicht mehr mit der erforderlichen Objektivität durchführen wird, Meinungsverschiedenheiten mit den Organmitgliedern der 27 Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 23; Koller/Roth/Morck/Morck, HGB, § 319 Rdnr. 5 ; MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 68. 28 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 319 Rdnr. 144; Staub/Habersack/ Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 63. 29 Denn Zweck der Vorschrift ist es, Umgehungen der Nr. 1–3 mit Hilfe des Einsatzes von Arbeitnehmern zu verhindern, siehe Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 23. 30 Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 64. 31 Reg BilReG, BT-Drs. 15/3419, S. 40; Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 23; Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 64. 32 Wie Abs. 3 Satz 1 Nr. 1–3 ist auch Nr. 5 in seiner Anwendung nicht auf Kapitalgesellschaften beschränkt, sondern ist auf alle Gesellschaften anzuwenden, die der Pflichtprüfung unterliegen. Siehe Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 65. Zu den Gesamteinnahmen gehören alle Einnahmen, die eine Vergütung des Prüfers für seine berufliche Tätigkeit für den jeweiligen Auftraggeber darstellen, unabhängig davon, für welche Tätigkeit er sie erhalten hat. Siehe BeckBilKomm/Schmidt, § 319 Rdnr. 70; Baumbach/Hopt/Hopt/ Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 24; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Wiedmann, HGB, § 319 Rdnr. 23; MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 69. 33 Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 86. Vgl. dazu auch Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Wiedmann, HGB, § 319 Rdnr. 23. 34 Zur vergleichbaren Problematik beim Rechtsanwalt siehe Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 160.
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zu prüfenden Gesellschaft aus dem Weg geht und auch nicht das Testat einschränken oder verweigern wird, um ein bedeutendes Mandat nicht zu verlieren.35 Diese Gefahr besteht nicht nur, bei einer unmittelbaren finanziellen Abhängigkeit von der Gesellschaft, sondern auch dann, wenn sie die Auftragsvergabe durch Dritte beeinflussen kann. Dementsprechend bezieht die Vorschrift auch Geschäftsbeziehungen zu Unternehmen ein, an denen die zu prüfende Gesellschaft mehr als 20% der Anteile besitzt. Darüber hinaus findet auch der Einfluss von Ehegatten oder Lebenspartnern Berücksichtigung, vgl. § 319 Abs. 3 Satz 2 HGB – allerdings nur im Hinblick auf bestimmte Ausschlussgründe (§ 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1–3 HGB, nicht aber Nr. 4–5). Da die Aufzählung in §§ 319 Abs. 3, 319a Abs. 1 HGB jedoch nicht abschließend ist, können darüber hinaus weitere Fälle der Besorgnis der Befangenheit bestehen, die dann mittels § 319 Abs. 2 HGB zu erfassen sind – hier müssen dann allerdings weitere Umstände hinzutreten.36 (ii) Die Regelbeispiele in § 319a Abs. 1 HGB Im Rahmen des BilReG wurde für Abschlussprüfer eine abgestufte Inhabilitätsregelung eingeführt. Danach gelten bei der Prüfung von Unternehmen, die einen organisierten Markt i.S.v. § 2 Abs. 5 WpHG in Anspruch nehmen (vgl. § 319a Abs. 1 i.V.m. § 264d HGB), strengere Anforderungen an die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers: Er hat neben den Vorgaben in § 319 Abs. 2 und Abs. 3 HGB auch noch die Vorgaben in § 319a HGB zu beachten. Diese Abstufung basiert zum einen auf den Ausführungen des BGH, wonach die Besorgnis der Befangenheit aus der Perspektive eines „vernünftig und objektiv denkenden Dritten“ zu beurteilen ist.37 Zum anderen bringt dies die entsprechende Unterscheidung in der Abschlussprüferrichtlinie zum Ausdruck. Diese schlägt an verschiedenen Stellen vor, bei „Unternehmen von öffentlichem Interesse“ besondere Anforderungen an die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers zu stellen.38 Begründet wird diese abgestufte Regelung damit, dass bei Unternehmen, die einen organisierten Markt in Anspruch nehmen, der „Kreis der an einem Abschluss interessierten Personen größer“ sei39 und daher strengere Maßstäbe anzulegen seien40 . Denn neben den Anteilseignern sind z. B. auch
35 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 319 Rdnr. 151; Staub/Habersack/ Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 65; Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 86. Vgl. dazu auch Müller, Unabhängigkeit, S. 117. 36 Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 18, zu Anwendungsfällen siehe Rdnr. 22; MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 21, 27. 37 Siehe BGH BB 2003, 462, 465. 38 Z. B. Erwägungsgründe 12, 23, 26 der Abschlussprüferrichtlinie. 39 RegE BilReG, BT-Drs. 15/3419, S. 41. 40 RegE BilReG, BT-Drs. 15/3419, S. 40.
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potentielle Anleger und Finanzanalysten sowie – etwa im Fall von Banken und Versicherungen – breite Bevölkerungskreise an dem Abschluss interessiert.41 Auch im Fall von § 319a Abs. 1 HGB wird bei einer Verwirklichung einer der dort genannten Tatbestände die Besorgnis der Befangenheit unwiderleglich vermutet.42 Eventuelle Schutzmaßnahmen werden nicht berücksichtigt.43 Die Regelungen in § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1–3 HGB verschärfen die in § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 5 geregelten Ausschlusstatbestände der Mitwirkung und der finanziellen Abhängigkeit. Darüber hinaus schreibt § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HGB einen Ausschluss des verantwortlichen Prüfers nach sieben Jahren und damit eine interne Rotation vor. Nach § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB ist ein Wirtschaftsprüfer ausgeschlossen, wenn er „in den letzten fünf Jahren jeweils mehr als fünfzehn vom Hundert der Gesamteinnahmen aus seiner beruflichen Tätigkeit von der zu prüfenden Kapitalgesellschaft oder von Unternehmen, an denen die zu prüfende Kapitalgesellschaft mehr als zwanzig vom Hundert der Anteile besitzt, bezogen hat und dies auch im laufenden Geschäftsjahr zu erwarten ist“. Gegenüber dem Ausschlussgrund in § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HGB, bei dem die Schwelle bei 30% liegt, ist die Grenze bei Unternehmen von öffentlichem Interesse also erheblich herabgesetzt. Auch fehlt eine Härtefallklausel, wie sie in § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 2. Hs. HGB zu finden ist. Weiterhin ausgeschlossen ist ein Wirtschaftsprüfer nach § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB, wenn er „in dem zu prüfenden Geschäftsjahr über die Prüfungstätigkeit hinaus Rechts- oder Steuerberatungsleistungen erbracht hat, die über das Aufzeigen von Gestaltungsalternativen hinausgehen und die sich auf die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage in dem zu prüfenden Jahresabschluss unmittelbar und nicht nur unwesentlich auswirken“. Im Umkehrschluss ergibt sich aus dieser Vorschrift, dass die parallele Erbringung von Rechts- und Steuerberatungsleistungen auch für Prüfer von Unternehmen von öffentlichem Interesse erlaubt ist, sofern sie im Aufzeigen von Gestaltungsalternativen besteht und sich die Beratungsleistungen auf die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens lediglich mittelbar und nur unwesentlich auswirken.44 Das Erfordernis der Wesentlichkeit soll zum Ausdruck bringen, dass kleinere Fälle keinen Anlass zur Besorgnis der Befangenheit bieten.45 RegE BilReG, BT-Drs. 15/3419, S. 41. Staub/Habersack/Schürnband, HGB, § 319a Rdnr. 7; MünchKommHGB/Ebke, § 319a Rdnr. 9 ; siehe auch § 22a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 BS WP/vBP. 43 MünchKommHGB/Ebke, § 319a Rdnr. 9 ; Gelhausen/Heinz, WPg 2005, 693, 697; siehe auch § 22a Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 BS WP/vBP. 44 MünchKommHGB/Ebke, § 319a Rdnr. 15. 45 RegE BilReG, BT-Drs. 15/3419, S. 42. Wesentlich sind solche Auswirkungen, die wegen ihrer Größenordnung oder ihrer Bedeutung für Entscheidungen für die Adressaten der Rechnungslegung erheblich sind. Siehe MünchKommHGB/Ebke, § 319a Rdnr. 19. 41
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Über das Aufzeigen von Gestaltungsalternativen hinaus gehen Beratungsleistungen, „wenn der Abschlussprüfer konkrete Vorschläge oder Empfehlungen gemacht und nicht lediglich Hinweise auf eine bestehende Rechtslage (einschließlich Steuerrechtslage) zu bestimmten Situationen gegeben hat, die ein Handeln des Mandanten nahe legen oder es – zur Wahrung von Vorteilen – sogar erfordern“.46 Das Tatbestandsmerkmal „Aufzeigen von Gestaltungsalternativen“ greift die vom BGH entwickelten Grundsätze zur funktionalen Entscheidungszuständigkeit auf und erstreckt diese auf Rechts- und Steuerberatungsleistungen, die für Unternehmen von öffentlichem Interesse erbracht werden.47 Mit „Hinweise auf eine bestehende Rechtslage“ wird demgegenüber die sog. prüfungsnahe Beratung beschrieben, die für zulässig erachtet wird. Weiterhin ausgeschlossen ist ein Wirtschaftsprüfer, wenn er „über die Prüfungstätigkeit hinaus in dem zu prüfenden Geschäftsjahr an der Entwicklung, Einrichtung und Einführung von Rechnungslegungsinformationssystemen mitgewirkt hat, sofern diese Tätigkeit nicht von untergeordneter Bedeutung ist“, vgl. § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB. Eine Mitwirkung würde in diesen Fällen die Besorgnis der Befangenheit entstehen lassen, weil der Prüfer diese Systeme im Rahmen der Jahresabschlussprüfung zu untersuchen hat.48 § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HGB ordnet schließlich einen Ausschluss an, wenn ein Wirtschaftsprüfer bei der Abschlussprüfung bei einem Unternehmen bereits in sieben oder mehr Fällen verantwortlich war.49 In diesem Fall muss ein Prüfer mindestens zwei Jahre aussetzen, bevor er sich erneut bei der Prüfung dieses Unternehmens beteiligen darf. b.) Der Interessenkonflikt des „Richtens in eigener Sache“ – Abgrenzung von „Mitwirkung“ und „Beratung“ Von zentraler Bedeutung im Fall der Abschlussprüfung ist der Interessenkonflikt aufgrund des „Richtens in eigener Sache“ bzw. der „Selbstprüfung“. Wann ein solcher angenommen werden kann bzw. wann er entsteht, ist nicht immer leicht zu bestimmen. Paradigmatisch dafür ist die – insbesondere im Rahmen von § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 HGB wesentliche – Abgrenzung zwischen der unzulässigen „Mitwirkung“ an dem zu prüfenden Sachverhalt und den zulässigen Beratungs- oder Korrekturleistungen im Rahmen der Prüfungstätigkeit.
RegE BilReG, BT-Drs. 15/3419, S. 42. MünchKommHGB/Ebke, § 319a Rdnr. 17. 48 MünchKommHGB/Ebke, § 319a Rdnr. 22; vgl. auch BeckBilKomm/Schmidt, §§ 319a Rdnr. 24. 49 Sog. interne Rotation. Dazu Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319a Rdnr. 7; Naumann, in: IDW, WP-Handbuch, Kapitel A Rdnr. 323 ff.; ausführlich MünchKomm HGB/Ebke, § 319a Rdnr. 24 ff. 46 47
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Für eine sachgerechte Abgrenzung ist auf die Gefahr abzustellen, die von einer Selbstprüfung ausgeht. Diese besteht darin, dass die Selbstprüfung Anreize setzt, die den Prüfer davon abhalten könnten, Fehler aufzuzeigen, kritisch zu berichten oder auch von einer möglicherweise notwendigen Einschränkung seines Testats abzusehen.50 Denn eine mögliche Kritik der vorangegangenen eigenen Leistungen erhöht das Haftungsrisiko wegen einer eventuellen vorangegangenen Fehlberatung und das Risiko, dass der Beratungsvertrag gekündigt und der Prüfungsauftrag in den Folgejahren anderweitig vergeben wird.51 Bestehen solche Risiken nicht, weil sich eine im Rahmen der Prüfung eventuell zu äußernde Kritik nicht auf frühere Beratungsleistungen beziehen kann, besteht auch nicht die Gefahr, dass der Betroffene deswegen einem Interessenkonflikt erliegt. Erforderlich ist daher, dass „Mitwirkung“ und Prüfung denselben Gegenstand betreffen52 und die betreffende als „Mitwirkung“ einzuordnende Tätigkeit des Abschlussprüfers (unmittelbare) materielle Auswirkungen auf den Prüfungsgegenstand hat.53 In zeitlicher Hinsicht kommen zudem nur solche Tätigkeiten in Betracht, die im zu prüfenden Geschäftsjahr oder bis zur Erteilung des Bestätigungsvermerks erbracht worden sind und damit den Prüfungsstoff betreffen.54 Für die Vorgängernorm zu § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 lit. a HGB55 hat der BGH im Rahmen seiner Entscheidung „Allweiler“56 einen Ansatz für die Abgrenzung von unzulässiger Mitwirkung und zulässiger Beratung entwickelt.57 Demzufolge stellt die Beratung58 (in wirtschaftlichen und steuerlichen Ange Marx, ZGR 2002, 292, 295. Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 288. 52 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 319 Rdnr. 113; Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 89. Für eine Übersicht über zulässige und unzulässige Tätigkeiten des Abschlussprüfers vor dem Hintergrund des Mitwirkungsverbots Löcke, GmbHR 1997, 1052, 1055 f. 53 Vgl. BGHZ 159, 234, 241; Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 56. 54 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 319 Rdnr. 111; Staub/Habersack/ Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 50; MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 54; Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 89. 55 § 319 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 a.F. Zur Überführung der Regelung nach § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 lit. a) n.F. im Rahmen des BilReG RegE BT-Drs. 15/3419, S. 39. 56 BGHZ 135, 260. Bestätigt durch BGHZ 153, 32. 57 BGHZ 135, 260, 263 ff.; siehe in der Folge auch BGHZ 153, 32, 40; 159, 234, 240 f. Dazu Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 319 Rdnr. 119 ff.; BeckBilKomm/ Schmidt, § 319 Rdnr. 47; Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 92 ff.; Ebke/ Paal, ZGR 2005, 894, 906 f.; Röhricht, WPg 1998, 153 ff. Krit. Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2118 ff.; Hommelhoff, ZGR 1997, 550, 554 f.; außerdem MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 58. 58 Beratung wird definiert als „Abgabe oder Erörterung von Empfehlungen durch sachverständige Personen im Hinblick auf künftige Entscheidungen des Ratsuchenden; sie ist dadurch gekennzeichnet, dass Handlungsmöglichkeiten und ihre Konsequenzen aufgezeigt werden, während die Entscheidung selbst dem Beratenen vorbehalten bleibt“ (BGHZ 135, 260, 264). 50 51
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legenheiten) dann eine unzulässige Mitwirkung bei der Buchführung und der Aufstellung des Jahresabschlusses dar, wenn sie über das Aufzeigen von Gestaltungsalternativen hinausgeht und insbesondere der Berater selbst statt des Mandanten eine unternehmerische Entscheidung in Bezug auf den zu prüfenden Jahresabschluss trifft.59 Denn dies führe dazu, dass die „funktionale Entscheidungskompetenz“ nicht mehr beim Beratenen verbleibe. Zwar hat der Gesetzgeber diesen Grundsatz der funktionalen Entscheidungszuständigkeit nur für Unternehmen von öffentlichem Interesse im Rahmen von § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB aufgegriffen. Er kann jedoch auch mit Blick auf die Prüfung anderer Unternehmen zur Konkretisierung des Mitwirkungsverbots mit Blick auf das Selbstprüfungsverbot herangezogen werden.60 Sachlich eingeschränkt wird die unzulässige Mitwirkung mittels des Tatbestandsmerkmals „über die Prüfungstätigkeit hinaus“.61 Dadurch werden vom Mitwirkungsverbot nur solche Tätigkeiten erfasst, die außerhalb der Prüfungstätigkeit liegen, also nicht Tätigkeiten, die wesensmäßig Bestandteil der Prüfungstätigkeit sind.62 Der Prüfer darf also in einem gewissen Umfang, d. h. solange die funktionale Entscheidungszuständigkeit der Unternehmensleitung gewahrt bleibt, eine korrektive Tätigkeit wahrnehmen, d. h. prüfungsbegleitend beraten.63 Denn im Rahmen der Abschlussprüfung wird nicht nur die Richtigkeit der vom prüfungspflichtigen Unternehmen vorgenommenen Rechnungslegung kontrolliert, sondern der Gesellschaft soll auch die Möglichkeit gegeben werden, erkannte Fehler zu korrigieren, um so die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung herbeizuführen. 64 Dementsprechend liegt keine unzulässige Mitwirkung vor, wenn der Prüfer bei seiner Prüfungstätigkeit die Geschäftsführung darauf hinweist, dass Fehler und Unstimmigkeiten zu korrigieren oder Lücken zu schließen sind, damit er den Bestätigungsvermerk erteilen kann.65 Über eine solche Fehlerkorrektur und Lückenschließung hinausgehende inhaltliche Veränderungen des Jahresabschlusses sind dem Prüfer dage BGHZ 135, 260, 264. Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 20; MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 59. 61 Siehe § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB. 62 Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 88. Siehe dazu auch Adler/ Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 319 Rdnr. 112; Röhricht, WPg 1998, 153, 156; Fleischer, DStR 1996, 758, 760. Siehe aber Heni, DStR 1997, 1210, 1211. 63 Siehe dazu etwa Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 319 Rdnr. 125 f.; Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 99 f. Nicht zulässig sind jedoch „flächendeckende“ Empfehlungen des Prüfers, um den Jahresabschluss in eine korrekte Form zu bringen; denn dann würde der Abschluss letztlich zu seinem „Werk“. Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 273. 64 Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 90; Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 270. 65 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 319 Rdnr. 125 f.; MünchKommHGB/ Ebke, § 319 Rdnr. 57; Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 99 f.; ausführlich Röhricht, WPg 1998, 153, 156 f. 59
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gen nicht gestattet.66 Daher ist es unzulässig, wenn der Prüfer die beanstandeten Maßnahmen selbst vornimmt, etwa einen nicht prüffähigen Jahresabschluss vervollständigt, und dann prüft67 oder wenn er sogar die zunächst nicht existierende Bilanz oder Gewinn- und Verlustrechnung erstellt68 . Eine Ausnahme vom Verbot der Mitwirkung lässt sich in den Fällen vertreten, in denen die negativen Anreizwirkungen ersichtlich zu gering sind, um sich ernsthaft auswirken zu können.69 In diesen Fällen können die Vorteile einer Verbindung von Prüfung und Beratung überwiegen.70 Damit das Selbstprüfungsverbot greift, dürfen die prüfungsfremden Tätigkeiten nicht von nur untergeordneter Bedeutung (vgl. § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 HGB) sein, d. h. es darf sich nicht lediglich um bloße Hilfsleistungen ohne den Abschluss beeinflussende und gestaltende Wirkung handeln.71 Sofern eine Beratung keine „Mitwirkung“ am Jahresabschluss darstellt, wird sie von § 319 Abs. 3 Satz 1 lit. a HGB nicht erfasst, da diese Vorschrift nur die Gefahr der Selbstprüfung, nicht aber auch die Gefahr der wirtschaftlichen Abhängigkeit aufgrund der Erbringung prüfungsfremder Tätigkeiten betrifft.72 Dies zeigt der Vergleich mit § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB sowie mit § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HGB und § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB. Unternehmensberatung, Rechtsberatung oder gutachterliche Tätigkeiten sind daher neben einer Prüfungstätigkeit zulässig, wenn sie keinen Einfluss auf die Buchführung oder den Jahresabschluss haben oder im Fall eines Einflusses nicht die funktionale Entscheidungszuständigkeit verletzen.73 c.) Das Spannungsverhältnis zwischen Interessenkonflikt und Sachkunde Die bestehenden und geplanten74 Inhabilitätsregelungen für den Abschlussprüfer zeigen besonders deutlich, dass Interessenkonflikte häufig die Kehrseite einer besonderen Sachkunde sind. Beide gehen auf das Näheverhältnis zur Ge Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 57; a.A. Moxter, BB 1996, 683, 684. 67 OLG Brandenburg, GmbHR 2001, 865, 866; MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 60; Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 100; Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 270. 68 OLG Köln BB 1992, 2108 (zu § 319 Abs. 2 Nr. 5 HGB a.F.); MünchKommHGB/ Ebke, § 319 Rdnr. 60 (dort auch zu weiteren Fällen). 69 Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 289. 70 Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 289 f. 71 Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 50; siehe auch MünchKommHGB/ Ebke, § 319 Rdnr. 54. 72 Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 53. 73 Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 101 f.; vgl. auch Röhricht, WPg 1998, 153, 159 f. 74 Siehe den Vorschlag für eine Verordnung „über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse“, KOM(2011) 779 endg. vom 30.11.2011. 66
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sellschaft zurück, sodass eine entsprechende Regulierung stets beide gleichzeitig betreffen wird. Da aber sowohl die Konfliktfreiheit – bzw. Unabhängigkeit – als auch die Sachkunde Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige Prüfung sind, zugleich aber beide regelmäßig nur zu Lasten des jeweils anderen verwirklicht werden können, müssen diesbezügliche Regelungen auf die besondere Balance zwischen beiden Anforderungen achten. (i) Verhaltensökonomische Befunde Dabei sind die verhaltensökonomischen Befunde zu berücksichtigen, die zeigen, dass selbst das nur auf die Prüfung zurückgehende Näheverhältnis zwischen Prüfer und Geprüftem Auswirkungen hat. Denn auch ohne von einem kollusiven Zusammenwirken zwischen Prüfer und Mandant auszugehen – wie es die auf dem Modell des homo oeconomicus basierenden Ansätze zumindest stillschweigend tun –, kommen verhaltensökonomische Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass das Näheverhältnis zwischen Prüfer und Geprüftem zu einer gewissen meist unbewussten Parteilichkeit des Prüfers zugunsten des Geprüften führt.75 Dies wird auf das verhaltensökonomische Konzept der self-serving bias zurückgeführt, d. h. die menschliche Tendenz, in Zweifelsfällen im Sinne des eigenen Interesses zu handeln.76 Diese self-serving bias ergibt sich daraus, dass ein Prüfer regelmäßig ein erhebliches ökonomisches Interesse daran hat, seinen Mandanten zufrieden zu stellen – nicht zuletzt auch deshalb, um wiedergewählt zu werden.77 Des Weiteren wird für parteiliches Verhalten des Prüfers die menschliche Tendenz zum Überoptimismus verantwortlich gemacht,78 oder auch eine „rational ignorance“.79 Letztere bezieht sich darauf, dass es vorteilhafter sein kann, genauere Nachforschungen zu unterlassen, weil die Grenzkosten einer weitergehenden Prüfung zu hoch im Hinblick auf den geringen zusätzlichen Nutzen sind, um das Urteil noch genauer werden zu lassen.80 Die Parteinahme für den Geprüften wird dadurch begünstigt, dass die verschiedenen Daten und Ermessensentscheidungen im Rahmen der Rechnungslegung regelmäßig einer – subjektiven – Beurteilung unterzogen werden müssen. Zwar kann die Gefährdung der Reputation den Prüfer vorsichtiger werden lassen, aber sie wird dann keine ausreichende Wirkung entfalten, wenn 75 Siehe insb. die Untersuchungen von Bazerman/Morgan/Loewenstein, Sloan Mgmt. Rev. 1997, 89, 91 ff.; Bazerman/Lowenstein/Moore, 11 Harv. Bus. Rev. 97, insb. 100 (2002); Moore/Tanlu/Bazerman, 5 Judgement and Decision Making 37, 39 f. (2010); Moore/Tetlock/Tanlu/Bazerman, 31 The Academy of Management Review 10, 17 (2006). 76 Bazerman/Morgan/Loewenstein, Sloan Mgmt. Rev. 1997, 89, 91; Prentice, 61 Ohio St. L. J. 1597, 1608 f. (2000). Dazu auch Moore/Tetlock/Tanlu/Bazerman, 31 The Academy of Management Review 10, 16 f. (2006). 77 Prentice, 61 Ohio St. L. J. 1597, 1631 ff. (2000). 78 Prentice, 95 Nw. U. L. Rev. 133, 154 (2000). 79 Prentice, 95 Nw. U. L. Rev. 133, 144 f. (2000). 80 Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 43.
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der Prüfer ein eigenes Interesse an einem möglichst günstigen Prüfungsergebnis hat und zugleich mehrdeutige Bilanzierungsstandards existieren, die Reputations- und Haftungssanktionen eher unwahrscheinlich erscheinen lassen.81 (ii) Parallele Beratung Diese Situation wird noch verschärft, wenn ein Prüfer neben seinem Prüfungsmandat, den Geprüften zusätzlich berät. Da Beratungsmandate häufig lukrativer sind als Prüfungsmandate, haben die Prüfer regelmäßig großes Interesse daran, den Mandanten nicht nur zu prüfen sondern auch zu beraten. Mittlerweile hat sich die EU nun auf ein Verbot der Erbringung von Nichtprüfungsleistungen verständigt.82 (1) Gefahren der Beratung für die Abschlussprüfung Bei einer gleichzeitigen Beratungstätigkeit, so die Sorge, könnte die kritische Distanz zur Unternehmensleitung verloren gehen. Denn diese vergibt regelmäßig die Beratungsaufträge.83 Die Sorge besteht vor allem dann, wenn der Anteil der Beratungshonorare am Gesamthonorarumsatz besonders groß ist oder wenn der Prüfer seine Prüfungsleistungen unter den Selbstkosten anbietet, weil er hofft, dies mittels lukrativer Beratungsaufträge mehr als ausgleichen zu können.84 In diesen Fällen kann das Prüfungs- bzw. das Beratungsmandat eine solche Bedeutung für den Prüfer erhalten, dass er glaubt, sich den Verlust dieses Mandats nicht leisten zu können. Denn der Verlust dieses Mandats bedeutet eine Umsatzeinbuße, die sich oft nur schwer kompensieren lässt.85 Da die Geschäftsleitung die Beratungsaufträge vergibt, verfügt sie damit über ein wirksames Druckmittel, um den Abschlussprüfer zu motivieren, nicht nur eine gute Beratung zu erbringen, sondern auch ein günstiges Prüfungsergebnis anzustreben. Prentice, 61 Ohio St. L. J. 1597, 1656 ff. (2000); außerdem Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 43. 82 Siehe Art. 5 der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlußprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/909/EG der Kommission, ABlEU Nr. L 158 v. 27.05.2014, S. 77. Bisher gab es jedenfalls in Deutschland noch keine generelle Trennung von Prüfung und Beratung, dazu z. B. Baumbach/Hopt/ Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 5. 83 Siehe dazu und zu möglichen Änderungen hinsichtlich der Vergabe und deren möglichen Auswirkungen Max Planck Institute Working Group, EBOR 13 (2012), 89, 92 ff. Zum Einfluss der Beratung auf die Unabhängigkeit siehe auch Ostrowski/Söder, BFuP 51 (1999), 554. 84 Bormann, BB 2002, 190, 192. Dazu auch Hönle, Unabhängigkeit, S. 157. Vgl. außerdem Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2121. 85 Denn die Neigung zum Wechsel des Abschlussprüfers ist bei den Unternehmen in Deutschland nicht sehr ausgeprägt. Siehe Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2121; Bormann, BB 2002, 190, 192. Dazu auch Hönle, Unabhängigkeit, S. 157 f. 81
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Aber auch wenn die Gefahr einer solchen Abhängigkeit von dem Mandat nicht besteht, bleibt zu bedenken, dass eine sachgerechte Beratung immer eine enge Zusammenarbeit und damit ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Berater und dem Beratenen erfordert und sich einseitig an den Interessen des zu Beratenden – in diesem Fall also an denen der Unternehmensleitung86 – zu orientieren hat.87 Wenn schon in der Prüfungssituation ein parteiliches Verhalten nicht völlig ausgeschlossen werden kann,88 in der der Abschlussprüfer verpflichtet ist, die Interessen aller Abschlussadressaten einzubeziehen und somit eine strikte Interessenunabhängigkeit zu wahren, 89 ist dies im Fall einer Beratung erst recht und in noch größerem Maße zu erwarten. Es besteht daher die Gefahr, dass sich der Prüfer aufgrund des Beratungsmandats auch bei der Prüfung bewusst oder unbewusst an den Interessen der Geschäftsleitung orientiert, und daher bei seiner Prüfung nicht mehr unbefangen ist oder zumindest nicht mehr so erscheint.90 Dieser Umstand kann bei den Adressaten des Jahresabschlusses Bedenken hervorrufen, was sich nachteilig auf die Glaubhaftigkeit des Prüfungsurteils auswirken wird.91 Denn auch wenn der Prüfer noch so integer und pflichtbewusst ist, können sich die Adressaten dessen in diesem Fall nicht sicher sein, weil sie lediglich den äußeren Eindruck, der auf eine besondere Verbindung hindeutet, wahrnehmen können, nicht aber was im Kopf des Prüfers vorgeht.92 (2) Ablehnung eines Beratungsverbots Der Prüfer muss somit Signale aussenden, die andere von seiner Glaubwürdigkeit und Integrität überzeugen. Nach der „signaling“-Theorie sind Signale dann besonders glaubwürdig, wenn sie teuer sind und so Nachahmungen abschrecken.93 Die Unabhängigkeit als Signal des Prüfers in Bezug auf seine Glaubwürdigkeit und die Integrität seiner Prüfungsergebnisse, würde durch Marx, Unabhängige Abschlussprüfung, S. 52. Vgl. dazu etwa Marx, Unabhängige Abschlussprüfung, S. 52 f.; Fleischer, DStR 1996, 758, 760; Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2122. 88 Siehe unter § 13 I.1.)c.)(i). 89 Marx, Unabhängige Abschlussprüfung, S. 52; Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2122; Simitis, FS Reinhardt, 1972, S. 329, 331. 90 Vgl. dazu Lanfermann, FS Havermann, 1995, S. 373, 388 f.; vgl. auch Lenz, WPg 1999, 540, 548. Für empirische Studien, die eine Voreingenommenheit des Abschlussprüfers in diesen Fällen konstatieren etwa Bazerman/Loewenstein/Moore, 80 Harv. Bus. Rev. 97 (2002); Moore/Tetlock/Tanlu/Bazerman, 31 Academy of Management Rev. 10 (2006). 91 Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 254; Ballwieser, in: Lutter, Der Wirtschaftsprüfer, S. 99, 104; siehe auch Marx, ZGR 2002, 292, 295. 92 Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 254. 93 Zum Signaling siehe § 2 III.1.). Da es sich bei der Unabhängigkeit bei der Abschlussprüfung um eine Vertrauenseigenschaft handelt, lässt sich diese anders als bei sog. Such- und Erfahrungseigenschaften auch bei mehrmaliger Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsprüfer nicht ohne weiteres wahrnehmen. Dementsprechend müssen Wirtschaftsprüfer ihre Unabhängigkeit den Abschlussadressaten signalisieren, wenn sie verhindern wollen, dass es zu ei86 87
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eine Einschränkung der Beratung, insbesondere aber durch ein Verbot jeglicher Beratung, erheblich verteuert werden.94 Entsprechend würde eine Einschränkung der Beratung durch Prüfer, vor allem aber ein völliges Beratungsverbot, die Glaubwürdigkeit der Unabhängigkeit des Prüfers erhöhen, unabhängig davon, ob er abhängig ist oder nicht.95 Für ein vollständiges Verbot spricht außerdem, dass auch in anderen Bereichen für Prüfende Beratungsverbote bestehen, wie die Verordnung über Rating agenturen zeigt.96 Der Vorschlag der Europäischen Kommission überträgt dieses Verbot nun auf Abschlussprüfer. Ein solches Verbot erscheint jedoch als ein allzu scharfes Schwert. Denn eine parallele Beratung hat nicht nur negative Auswirkungen, sondern auch positive. So kann die gleichzeitige Beratung dem Prüfer besondere unternehmensbezogene Kenntnisse vermitteln, die eine kenntnisreichere (und damit eine qualitativ bessere) Prüfung erlauben; zudem führt die gleichzeitige Prüfung und Beratung zu Informations- und Kostenvorteilen, die auch dem Mandanten zugutekommen können; und schließlich genießt der Prüfer – jedenfalls beim Mandanten – gegenüber anderen Beratern besonderes Vertrauen.97 Ein prüfungspflichtiges Unternehmen wird entsprechend eher geneigt sein, einem Wirtschaftsprüfer mehr als die gesetzlich erforderlichen Informationen zukommen zu lassen, wenn er das Unternehmen gleichzeitig berät, was zu einem besseren unternehmensbezogen Wissen des Prüfers beiträgt.98 Sind die Kosten bei einer gemeinsamen Erbringung von Dienstleistungen geringer als bei einer separaten Erbringung,99 kann dies sowohl dem Unternehmen nützen, das weniger Kosten hat,100 als auch für die Öffentlichkeit positiv sein, die von einer kenntnisreicheren Prüfung ausgehen kann. Demgegenüber kann ein Verbot der parallelen Beratung zu einer zusätzlichen Kostenbelastung der prüfungspflichtigen Unternehmen führen,101 weil
ner Negativauslese (adverse selection, dazu Akerlof, 84 Q.J.Econ 488 (1970)) kommt. Dazu Ballwieser, in: Lutter, Der Wirtschaftsprüfer, S. 99, 111 f. 94 Für ein Verbot (prüfungsfremder) Leistungen Art. 5 der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 vom 16.04.2014 (siehe Fn. 82); auch Prentice, 61 Ohio St. L. J. 1597, 1666 ff. (2000). Kritisch hinsichtlich eines (vollständigen) Verbots von Beratungsleistungen etwa Max Planck Institute Working Group, EBOR 13 (2012), 89, 94. 95 Ballwieser, in: Lutter, Der Wirtschaftsprüfer, S. 99, 104. 96 Siehe Anhang I, Section B, Abs. 4 und Abs. 5 Rating-Verordnung. 97 Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 255 f.; Ballwieser, in: Lutter, Der Wirtschaftsprüfer, S. 99, 105, zu weiteren Argumenten siehe S. 109 f.; Pfitzer/Orth/Hettich, DStR 2004, 328, 331. 98 Fleischer, DStR 1996, 758, 762. 99 Arrunada, 19 Int.’l Rev. L. & Econ. 513 ff. (1991). Das Kostenargument bezweifelnd Fleischer, DStR 1996, 758, 762. 100 Siehe Arrunada, 19 Int.’l Rev. L. & Econ. 513, 514 (1999). 101 Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 87.
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die Abschlussprüfer sich dann u. a. länger und intensiver einarbeiten müssten und nicht (mehr) ihr im Rahmen der Beratung gewonnenes Wissen heranziehen könnten. Auch wäre ein Verbot der gleichzeitigen Beratung in vielen Fällen nur schwer zu überwachen und durchzusetzen.102 Entsprechend wird ein völliges Verbot von Beratungsdienstleistungen neben der Prüfung verbreitet als unzumutbare Einschränkung für Prüfer angesehen und abgelehnt.103 (3) Offenlegungspflicht und Beschränkung der möglichen Einnahmen Eine weniger drastische, aber dennoch wirksame Maßnahme stellt eine Verbindung aus Offenlegungspflicht und Beschränkung der durch eine parallele Beratung erzielbaren Einnahmen dar.104 Die periodische Offenlegung der Beratungstätigkeit bzw. der (aufgeschlüsselten) Honorare des Abschlussprüfers hat bereits jetzt im Anhang des Jahresabschlusses zu erfolgen, § 285 Nr. 17 HGB. Dies ermöglicht es den Aktionären und den Marktteilnehmern, die Beauftragung oder Nichtfortsetzung von Beratungsleistungen zu bewerten.105 Auch können sie den Jahresabschluss auf besser informierter Grundlage bewerten und so bestehende Rechtsschutzmöglichkeiten, z. B. die gerichtliche Bestellung eines anderen Prüfers, besser durchsetzen.106 Als weitere Lösung kommt außerdem eine inhaltliche oder eine an der Höhe der Vergütung orientierte Beschränkung der Beratungstätigkeit bei gleichzeitiger Prüfungstätigkeit107 in Betracht. Erwogen wird auch, die Höhe der Einnahmen aus solchen Beratungsverträgen zu beschränken108 oder die Zuständigkeit für den Abschluss von Beratungsverträgen dem Aufsichtsrat zu übertragen oder den Abschluss zumindest von seiner Zustimmung abhängig zu machen109. Wird die Vergütung für prüfungsfremde Leistungen auf die Höhe der Vergütung für Prüfungsleistungen begrenzt, könnte dadurch verhindert werden, dass die prüfungsfremden Leistungen ein Übergewicht erhalten. Dadurch würde die Gefahr erheblich verringert, dass der Prüfer im Falle eines 102 RechtsA BiRiLiG, BT-Drs. 10/4268, S. 118; Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 88. 103 Max Planck Institute Working Group, EBOR 13 (2012), 89, 94 f.; Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 83 u. a. mit Hinweis auf das „Allweiler“-Urteil des BGH (BGHZ 135, 260). 104 Siehe Max Planck Institute Working Group, EBOR 13 (2012), 89, 95. Zur Offenlegung von Beratungsmandaten bzw. Beratungshonoraren etwa auch Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 264; Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2127 ff.; Marx, ZGR 2002, 292, 310 ff.; Niehus, WPg 2002, 616, 619 ff. (krit. dazu insb. S. 623 f.). 105 Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 264; a.A. Niehus, WPg 2002, 616, 624. Krit. auch Pfitzer/Orth/Hettich, DStR 2004, 328, 332. 106 Marx, ZGR 2002, 292, 310. 107 Max Planck Institute Working Group, EBOR 13 (2012), 89, 95. 108 Siehe etwa Max Planck Institute Working Group, EBOR 13 (2012), 89, 95; Baums, Bericht der Regierungskommission, Rdnr. 306. 109 Zu diesen Vorschlägen Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2125.
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Falles seinem Beratungsmandat den Vorzug vor seinem Prüfungsmandat geben und sein Prüfungsmandat nur unzureichend erfüllen würde. (4) Keine Übertragung der Zuständigkeit auf den Aufsichtsrat Keine sachgerechte Lösung ist es hingegen, den Aufsichtsrat mit dem Abschluss von Beratungsverträgen zu betrauen. Dies scheitert daran, dass der Vorstand einen besseren Überblick darüber hat, welche Beratungsleistungen notwendig sind, und nur er bestimmen kann, wann er externen Sachverstand hinzuziehen will.110 Außerdem wird es regelmäßig um eine Beratung bezüglich Aufgaben gehen, die der Geschäftsführung zugeordnet sind, wie die Unternehmensführung und -organisation, und die daher nach § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG nicht dem Aufsichtsrat übertragen werden können.111 Überlegenswert erscheint es jedoch, eine Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats in Bezug auf Beratungsverträge des Abschlussprüfers zu statuieren.112 Dadurch könnte die Abhängigkeit des Prüfers vom Vorstand begrenzt oder jedenfalls vom Aufsichtsrat besser überwacht werden.113 Einigen Stimmen in der Literatur zufolge soll sich eine solche Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats bereits jetzt, mit Hilfe einer analogen Anwendung von § 114 AktG herleiten lassen.114 Gegen eine solche Analogie spricht jedoch, dass § 114 AktG eine spezifische Regelung im Hinblick auf das Organ Aufsichtsrat darstellt. Die Zustimmungspflicht nach § 114 AktG ermöglicht es den Aufsichtsratsmitgliedern zum einen zu prüfen, ob die ins Auge gefasste Tätigkeit nicht bereits im Rahmen des Aufsichtsratsmandats geschuldet wird und falls nicht, ob der Vertrag im Interesse des Unternehmens ist. Zum anderen – und dies bezieht sich auf die Eigenschaft des Aufsichtsrats als Gesamtorgan – dient die Zustimmungspflicht nach § 114 AktG der Absicherung der internen Willensbildung des Aufsichtsrats.115 Die damit verbundene Transparenz stellt sicher, dass die Aufsichtsratsmitglieder Kenntnis darüber haben, ob jemand besondere Interessen hat, die die Willensbildung des Gesamtorgans beeinflussen könnten und die ihn veranlassen könnten, Diskussionen im Aufsichtsrat in eine bestimmte Richtung zu lenken. Da der Abschlussprüfer jedoch nicht Mitglied im Aufsichtsrat ist, kann er die Willensbildung des Aufsichtsrats nicht (in vergleichbarem Maße) steuern oder auf sie einwirken. Eine analoge Anwendung von § 114 AktG ist somit ausgeschlossen, so dass eine Zustimmungspflicht de lege lata nicht in Betracht kommt. Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2125. Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2125. 112 Max Planck Institute Working Group, EBOR 13 (2012), 89, 96; Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2125 ff.; Marx, ZGR 2002, 292, 313 f.; Veltins, DB 2004, 445, 447. 113 Marx, ZGR 2002, 292, 313. 114 Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2125 ff.; siehe dazu auch Marx, ZGR 2002, 292, 313 f. 115 Vgl. dazu MünchKommAktG/Habersack, § 114 Rdnr. 2 . 110 111
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(iii) Prüferrotation Eine weitere mögliche Maßnahme zur Verhinderung einer allzu großen Nähe von Prüfer und dem Geprüften ist die Einführung einer Rotation, bei der der Prüfer nach einigen Jahren durch einen anderen ausgetauscht wird. Dadurch soll verhindert werden, dass eine über die Jahre gewachsene Nähebeziehung zwischen dem Prüfer und dem geprüften Unternehmen die Unabhängigkeit des Prüfers beeinträchtigt oder bei ihm zu einer „Betriebsblindheit“ führt.116 Nachdem die interne Prüferrotation, also die Rotation der Prüfungspartner innerhalb einer Prüfungsgesellschaft, bereits in § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HGB verankert ist, hat die EU für Unternehmen von öffentlichem Interesse nun auch eine externe Rotation, d. h. eine Rotation der Prüfungsgesellschaften, eingeführt.117 Gegen eine externe Prüferrotation wird vorgebracht, dass sie zu höheren Kosten und einer qualitativ geringerwertigen Prüfung führen würde. Denn es müssten sich immer wieder neue Prüfer einarbeiten, was Zeit erfordere und zusätzliche Kosten verursache; außerdem leide die Prüfungsqualität, weil Prüfer nicht mehr – wie noch momentan möglich – bei späteren Prüfungen auf eigene Vorarbeiten aufbauen und dadurch effizienter prüfen könnten.118 Eine Minderung der Prüfungsqualität im Fall eines Wechsels des Abschlussprüfers hat das American Institute of Certified Public Accountants in den USA empirisch nachgewiesen: Danach ist die Zahl der Haftungsfälle, die auf Prüfungsfehler zurückgehen, bei Erst- und Zweitprüfungen signifikant höher als bei Dritt- und weiteren Folgeprüfungen.119 Diese Tendenz könnte bei einer externen Rotation noch dadurch verstärkt werden, dass dann der Anreiz für besondere Investitionen in das Prüfungsmandat (etwa die Aufbereitung spezifischer 116 Erwägungsgrund 27 des Vorschlags der Europäischen Kommission für eine Verordnung „über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse“, KOM(2011) 779 endg. vom 13.11.2011; Ballwieser, in: Lutter, Der Wirtschaftsprüfer, S. 99, 110: Haller/Reitbauer, DB 2002, 2229, 2233. 117 Art. 17 Abs. 1 Uabs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 v. 16.04.2014 (siehe Fn. 82); siehe bereits Europäische Kommission, Grünbuch – Weiteres Vorgehen im Bereich der Abschlussprüfung: Lehren aus der Krise, KOM(2010) 561 endg, vom 13.10.2010, S. 13. Dazu Max Planck Institute Working Group, EBOR 13 (2012), 89, 96 ff. Zu einem solchen Vorschlag schon Dorn-Zachertz, Unabhängigkeit, S. 104 ff. Zur externen Rotation etwa Ballwieser, in: Lutter, Der Wirtschaftsprüfer, S. 99, 110 ff.; Doralt, in: Allmendinger/Steffek et. al., Corporate Governance nach der Krise, S. 179; Ewert, Der Konzern 2003, 528; Haller/ Reitbauer, DB 2002, 2229. 118 Ballwieser, in: Lutter, Der Wirtschaftsprüfer, S. 99, 110; Ewert, Der Konzern 2003, 528, 536. Siehe auch Windmöller, FS Ludewig, 1996, S. 1089, 1118 (zunehmende Erfahrung des Abschlussprüfers durch wiederholte Bestellung führt zu einer besseren Prüfungsqualität). 119 American Institute of Certified Public Accountants, Statement of Position Regarding Mandatory Rotation of Audit firms of Publicly Held Companies, 1992 zitiert von Haller/ Reitbauer, DB 2002, 2229, 2234.
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Unternehmensinformationen zur weiteren Nutzung) erheblich geringer würde, sodass diese daher möglicherweise reduziert werden würden.120 Denn die Investitionen in das Mandat würden sich nicht mehr rentieren, wenn die Anzahl der Folgeprüfungen von vornherein beschränkt wäre.121 Weiterhin soll die Gefahr bestehen, dass der Markt (noch) stärker konzentriert würde, weil Gesellschaften, die sich einen neuen Abschlussprüfer suchen müssten, mit größerer Wahrscheinlichkeit von einer kleinen zu einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wechseln als umgekehrt.122 Dies lässt sich empirischen Untersuchungen entnehmen, die den (freiwilligen) Wechsel des Abschlussprüfers untersucht haben: Danach wechselten die zu prüfenden Unternehmen signifikant häufiger zu einer größeren Wirtschaftprüfungsgesellschaft als zu einer kleineren.123 Demgegenüber soll das Argument der Gefahr einer „Betriebsblindheit“ geringer wiegen, weil dieser auch durch eine – weniger einschneidende – interne Rotation begegnet werden könne.124 Ein interner Prüferwechsel wirkt einer ggf. bestehenden Mandantenabhängigkeit jedoch nicht entgegen.125 Dagegen würde eine gesetzlich vorgegebene Höchstdauer für ein Mandat zu einer Begrenzung der möglichen Gewinne aus der jeweiligen Mandantenbeziehung führen, was die Bedeutung des Mandats für den Prüfer verringern und es ihm daher leichter machen würde, sich einer eventuellen Druckausübung durch die Unternehmensleitung zu widersetzen.126 Entsprechend geringer ist der verhaltensökonomische Besitzeffekt und die Verlustaversion. Eine externe Rotation, insbesondere wenn sie mit einer längeren Bestellungsdauer verbunden ist,127 ist daher aus verhaltensökonomischer Sicht geeignet, diese die Prüfung beeinträchtigenden Verhaltensanomalien zurückzudrängen.128 Auf diese Weise kann eine externe Rotation dazu führen, dass die Glaubhaftigkeit von Prüfungsurteilen erhöht wird. 120 Ballwieser, in: Lutter, Der Wirtschaftsprüfer, S. 99, 110; Haller/Reitbauer, DB 2002, 2229, 2234 (Unterinvestition in ein neues Mandat). 121 Haller/Reitbauer, DB 2002, 2229, 2234. 122 Doralt, in: Allmendinger/Steffek et. al., Corporate Governance nach der Krise, S. 179, 197; Ballwieser, in: Lutter, Der Wirtschaftsprüfer, S. 99, 110; Haller/Reitbauer, DB 2002, 2229, 2234. Siehe dazu die Studie des General Accounting Office der USA, Mandated Study on Consolidation and Competition, Juli 2003, abrufbar unter www.gao.gov/assets/240/ 239226.pdf (Stand: 28.07.2014). 123 Haller/Reitbauer, DB 2002, 2229, 2234. 124 Haller/Reitbauer, DB 2002, 2229, 2233. 125 Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2122. 126 Haller/Reitbauer, DB 2002, 2229, 2233; für eine empirische Bestätigung dieses Arguments siehe Dopuch/King/Schwartz, 39 J. Acct. Res. 93 (2001). 127 So noch Art. 33 Abs. 1 des Vorschlags der Europäischen Kommission für eine Verordnung „über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse“, KOM(2011) 779 endg. vom 13.11.2011; Doralt, in: Allmendinger/ Steffek et. al., Corporate Governance nach der Krise, S. 179, 203; Max Planck Institute Working Group, EBOR 13 (2012), 89, 97. Den Mitgliedstaaten eine längere Laufzeit freistellend jetztArt. 17 Abs. 2 lit a) der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 v. 16.04.2014 (siehe Fn. 82). 128 Dazu § 2 V.5.)a.)(iii).
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Dagegen sind die Argumente gegen eine externe Rotation letztlich nicht durchschlagend. So ist bereits bei der gegenwärtig angeordneten internen Rotation die Einarbeitung eines neuen Prüfers notwendig. Damit fallen bereits heute zusätzliche Kosten für die Einarbeitung des Nachfolgers an. Die darüber hinausgehenden Mehrkosten im Fall der externen Rotation stellen dann den Preis für die Unbefangenheit des neuen Prüfers dar. Da eine neue unbefangene Prüfung mögliche Haftungsfälle eher aufdecken wird und so verhindert, dass eventuell sehr viel höhere Kosten entstehen, eignen sich die vergleichsweise nicht sehr gravierenden Mehrkosten 129 nicht als Argument gegen eine externe Rotation.130 Verpflichtet man zudem die Prüfer gesetzlich, ihrem Nachfolger ihre Prüfungsunterlagen zur Verfügung zu stellen und ihm ggf. Informationen zu ihrer Prüfung zukommen zu lassen131 bzw. ihn einzuarbeiten, bekommt auch das Argument der geringeren Prüfungsqualität weniger Gewicht. Ohnehin sind die genannten Studien, die eine Verringerung der Prüfungsqualität bei einem Wechsel nachweisen sollen, mit Vorsicht zu behandeln. Denn die momentan eher seltenen Prüferwechsel erfolgen gerade bei solchen Unternehmen, die immanent fehleranfällig sind und daher die Möglichkeit nutzen, von einem strengen zu einem weniger strengen Prüfer zu wechseln.132 Die wirtschaftlichen Gründe für die Konzentration der Mandate bei großen Prüfungsunternehmen im Falle einer externen Rotation sind noch nicht ausreichend untersucht. Auch ist der Markt für Prüfungsunternehmen bereits heute erheblich konzentriert, sodass auch ohne die Einführung einer externen Rotation Maßnahmen zur Anfachung des Wettbewerbs zu erwägen sind. In jedem Fall ist sicherzustellen, dass nicht ganze Prüfergruppen die Prüfungsgesellschaften wechseln (hin zu großen, besonders zahlungskräftigen Prüfungsunternehmen) und dann dieselben natürlichen Personen die wechselnden Unternehmen weiterprüfen, nur eben dann für ein anderes Prüfungsunternehmen. Hier bedarf es einer längeren cooling off-Periode für die einzelnen individuellen Prüfer.133
129 Siehe Doralt, in: Allmendinger/Steffek et. al., Corporate Governance nach der Krise, S. 179, 201 (ca. 3,3%–8,3% verteilt auf sechs Jahre). 130 Vgl. auch Max Planck Institute Working Group, EBOR 13 (2012), 89, 97 (diese Kosten müssen denjenigen gegenüber gestellt werden, die im Falle eines Vertrauensverlusts wegen fehlender Unabhängigkeit entstehen würden). 131 Doralt, in: Allmendinger/Steffek et. al., Corporate Governance nach der Krise, S. 179, 203. 132 Doralt, in: Allmendinger/Steffek et. al., Corporate Governance nach der Krise, S. 179, 202. 133 Doralt, in: Allmendinger/Steffek et. al., Corporate Governance nach der Krise, S. 179, 203.
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d.) Wiederkehrende Bestellung, Honorar und sog. low balling Zu Interessenkonflikten des Abschlussprüfers kann auch die Praxis des sog. low balling führen.134 Mit low balling wird ein Verhalten bezeichnet, bei dem die Erstprüfung zu einem Honorar durchgeführt wird, das die Prüfungskosten nicht deckt.135 Diese zunächst nicht gedeckten Kosten müssen dann durch Überschüsse bei den Folgeprüfungen wettgemacht werden. Dementsprechend hat der Abschlussprüfer ein erhebliches Interesse daran, seinen Mandanten nicht zu verlieren, sodass er gewillt sein kann, dem Mandanten hinsichtlich bestimmter Bilanzierungsmaßnahmen entgegenzukommen.136 Andererseits hat der Abschlussprüfer nach der einmal erfolgten Einarbeitung für die Erstprüfung bei den Folgeprüfungen geringere Kosten. Da dem Mandanten bei einem Prüferwechsel Kosten entstehen würden – z. B. für die Suche eines neuen Prüfers oder für die Umstellung auf den neuen Prüfer –, kann der Prüfer dann bei den Folgeprüfungen ökonomische Vorteile, sog. Quasirenten, realisieren.137 Den modelltheoretischen ökonomischen Untersuchungen zum low balling138 lässt sich nicht zwingend entnehmen, dass Quasirenten negative Auswirkungen auf die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers haben. Sofern den Gesellschaftern eine aktive Rolle bei der Bestellung des Abschlussprüfers eingeräumt wird, sollen Quasirenten sogar eine positive Rolle spielen.139 Eindeutiger ist der oben beschriebene verhaltensökonomische Befund, wonach eine gewisse Ausrichtung des Prüfers auf den Geprüften hin zu konstatieren ist, insbesondere wenn er wiedergewählt werden möchte.140 Vor diesem Hintergrund gingen die Überlegungen der Europäischen Kommission in die richtige Richtung, wonach ein Abschlussprüfer für mindestens zwei Jahre bestellt werden sollte.141 Dies ließ auch eine längere Bestellung zu, die zur Vermeidung der Gefahr einer zu großen Fixierung auf die Wiederbe Grundlegend DeAngelo, 3(3) JAE 183 (1981); DeAngelo, 3(2) JAE 113 (1981). Weiterentwickelt von Lee/Gu, 73 Acct. Rev. 533 (1998); Magee/Tseng, 65 Acct. Rev. 315 (1990); Gigler/Penno, 70 Acct. Rev. 317 (1995). Dazu Stefani, Abschlussprüfung, S. 110 ff.. Für einen Überblick Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 30 ff.; Müller, Unabhängigkeit, S. 25 ff.; Ballwieser, in: Lutter, Der Wirtschaftsprüfer, S. 99, 105 ff. Für eine Kritik am Low-Balling/Quasirenten-Modell etwa Fischel, 52 Brooklyn L. Rev. 1051, 1053 f. (1987). Krit. auch Ewert, Der Konzern 2003, 528, 529 ff. (unter Heranziehung empirischer Untersuchungen). 135 Müller, Unabhängigkeit, S. 25. 136 Müller, Unabhängigkeit, S. 26. 137 Müller, Unabhängigkeit, S. 25. 138 Siehe Fn. 134. 139 Siehe Lee/Gu, 73 Acct. Rev. 533, 535, 548 (1998). 140 Siehe unter § 13 I.1.)c.)(i). 141 Art. 33 Abs. 1 des Vorschlags der Europäischen Kommission für eine Verordnung „über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse“, KOM(2011) 779 endg. vom 13.11.2011. 134
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stellung grundsätzlich zu bevorzugen gewesen wäre.142 Gleichzeitig sah der Vorschlag der Kommission vor, dass der Abschlussprüfer bei Unternehmen von öffentlichem Interesse nur einmal wiederbestellt werden durfte.143 Dies hätte zum einen eine allzu oft bestehende Möglichkeit zur Einflussnahme auf den Prüfer im Rahmen des Bestellungsvorgangs, zum anderen eine zu groß werdende Nähe zwischen Prüfer und Geprüften aufgrund einer jahrelangen Prüfungsbeziehung zueinander verhindert. Die Einführung einer längeren Bestellungsperiode hätte dementsprechend zu einer Stärkung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers führen können.144
2.) Aufsichtsrat Auch für Aufsichtsratsmitglieder sieht das Gesetz besondere Inhabilitäts- sowie Inkompatibilitätsvorschriften vor. Diese Regelungen sind in § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1–4 und § 105 AktG niedergelegt. Sie betreffen dauerhafte Interessenkonflikte aufgrund anderweitiger Tätigkeiten außerhalb der Gesellschaft (§ 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1–3) sowie aufgrund gleichzeitiger (§ 105 AktG) oder vorangegangener (§ 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG) Tätigkeit im Vorstand. Diese Inhabilitäts- und Inkompatibilitätsregelungen sind zwingend.145 § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AktG soll im Folgenden nicht näher betrachtet werden, da diese Vorschrift nicht die Vermeidung von Interessenkonflikten bezweckt. Zwar erhöht sich die Gefahr eines Interessenkonflikts mit jedem zusätzlichen Mandat. Aber wenn es das Ziel der Vorschrift wäre, diese Gefahr zu verhindern, hätte bereits ein einziges anderes Aufsichtsratsmandat genügen müssen, um zu einem Ausschluss zu führen. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es vielmehr sicherzustellen, dass Aufsichtsratsmitglieder ausreichend Zeit für die von ihnen übernommenen Aufsichtsratsmandate haben, und zu verhindern, dass sich zahlreiche Mandate auf einen kleinen Kreis von Personen konzentrieren.146 142 Dazu Max Planck Institute Working Group, EBOR 13 (2012), 89, 97. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Simitis, FS Reinhardt, 1972, S. 329, 342 (die Befürchtung, den Auftrag zu verlieren, gefährdet die Objektivität des Prüfers). Eine längere Laufzeit den Mitgliedstaaten freistellend nun Art. 17 Abs. 2 lit a der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 v. 16.04.2014 (siehe Fn. 82), 143 Art. 33 Abs. 1 UAbs. 2 des Vorschlags der Europäischen Kommission für eine Verordnung „über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse“, KOM(2011) 779 endg. vom 13.11.2011. Siehe bereits Max Planck Institute Working Group, EBOR 13 (2012), 89, 97 (Bestellungszeitraum 4 Jahre, eine Wiederbestellung, Wechsel des Prüfers nach 8 Jahren). Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 v. 16.04.2014 (siehe Fn. 82) sieht nun nur noch eine Höchstlaufzeit von zehn Jahren insgesamt vor. 144 Siehe auch Windmöller, FS Ludewig, 1996, S. 1089, 1117. 145 Hüffer, AktG, § 100 Rdnr. 1, § 105 Rdnr. 1. Dies ergibt sich aus dem Gebot der Satzungsstrenge in § 23 Abs. 5 AktG und daraus, dass keine Abweichungen erlaubt sind. 146 MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 14.
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§ 13 Inhabilitätsvorschriften und Eignungsprüfungen
a.) Der Interessenkonflikt wegen Richtens in eigener Sache Eine wesentliche Rolle spielt auch im Fall des Aufsichtsrats der Interessenkonflikt wegen Richtens in eigener Sache. Sowohl die Regelungen in § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2–4 AktG, als auch § 105 AktG enthalten Regelungen zur Vermeidung dieses Konflikts, der sowohl unmittelbar (Selbstüberwachung) als auch mittelbar (Überwachung des eigenen Überwachers, Überkreuzüberwachung) auftreten kann. Dabei knüpft das Gesetz regelmäßig an den abstrakten Interessenkonflikt an. Auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines konkreten Interessenkonflikts im Einzelfall kommt es nicht an. Auch wenn daher im Einzelfall ein Betroffener für die Übernahme eines Aufsichtsratsamtes geeignet sein sollte, bleibt er dennoch ausgeschlossen.147 Dies dient – wie bei anderen an den abstrakten Konflikt abknüpfenden Bestimmungen – vor allem der Rechts sicherheit.148 (i) Keine Selbstüberwachung Der Interessenkonflikt wegen Richtens in eigener Sache entsteht unmittelbar dann, wenn derjenige der überwacht werden soll, die Überwachungsfunktion selbst wahrnimmt. Um diesen Konflikt zu vermeiden sieht das Aktienrecht für die Aktiengesellschaft eine Trennung von Geschäftsführung und deren Überwachung vor und schreibt entsprechend die Einrichtung zweier verschiedener Organe, Vorstand und Aufsichtsrat, vor. Diese Funktionstrennung wird durch die – zwingende149 – Regelung in § 105 Abs. 1 AktG abgesichert, die eine Inkompatibilität zwischen der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat und der Mitgliedschaft im Vorstand vorsieht. Danach können, von temporären Ausnahmen abgesehen, vgl. § 105 Abs. 2 AktG, Aufsichtsratsmitglieder nicht gleichzeitig Vorstand, dauernde Stellvertreter von Vorständen, Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter150 sein. Dadurch soll die Funktionstrennung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat in personeller Hinsicht sichergestellt werden, die sich insbesondere in § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG zeigt.151 Geschäftsführung und Überwachung können danach nicht von denselben Personen durchgeführt werden, 152 sodass verhindert wird, dass Kontrolleur und Kontrollierter identisch GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 52. Vgl. GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 52. 149 Hüffer, AktG, § 105 Rdnr. 1; MünchKommAktG/Habersack, § 105 Rdnr. 3. 150 Dies ist, wer Generalvollmacht i.S.d. § 54 Abs. 1 Fall 1 HGB hat. Siehe Hüffer, AktG, § 105 Rdnr. 4 ; MünchKommAktG/Habersack, § 105 Rdnr. 14; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 105 Rdnr. 11; Hoffmann-Becking, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 30 Rdnr. 6. 151 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 105 Rdnr. 6 ; Hüffer, AktG, § 105 Rdnr. 1; MünchKommAktG/Habersack, § 105 Rdnr. 1. 152 Hüffer, AktG, § 105 Rdnr. 1; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 105 Rdnr. 2 ; für die GmbH Michalski/Gedinghagen, GmbHG, § 52 Rdnr. 65; Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdnr. 256; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rdnr. 28. 147
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sind und der Betreffende als Richter in eigener Sache fungieren könnte. Mit der Erfassung auch des Prokuristen und des Handlungsbevollmächtigten wird berücksichtigt, dass beide in ihrer Stellung vom Vorstand unmittelbar abhängig sind, sodass nicht zu erwarten ist, dass sie den Vorstand unvoreingenommen überwachen.153 Für die GmbH, bei der aufgrund des Gesellschaftsvertrages ein Aufsichtsrat zu bestellen ist, verweist § 52 Abs. 1 GmbHG auf § 105 AktG. § 105 Abs. 1 AktG gilt auch für den umgekehrten Fall, dass Vorstände zu Mitgliedern des Aufsichtsrats derselben Gesellschaft bestellt werden sollen.154 Andernfalls könnte die Vorschrift leicht umgangen werden.155 Die Regelung betrifft aber nur die aktuelle Mitgliedschaft in den beiden Organen. Sie verbietet nicht, dass ein Vorstandsmitglied nach Beendigung des Mandats in den Aufsichtsrat wechselt.156 Des Weiteren untersagt § 105 Abs. 1 AktG nicht die Mitgliedschaft im Vorstand einer anderen Gesellschaft, selbst wenn es sich dabei um die Muttergesellschaft handelt.157 Auch ist § 105 AktG keine Rangfolge von Aufsichtsratsmandat und Vorstandsmandat sowie den sonstigen Tätigkeiten zu entnehmen.158 Weder der Wortlaut („ein Aufsichtsratsmitglied kann nicht zugleich … sein“) noch der Umstand, dass der Aufsichtsrat den Vorstand bestellt und abberuft, erfordern zwingend den Schluss, dass das Aufsichtsratsmandat vorgeht.159 Grundsätzlich gilt, dass das jeweils später begründete Interessenwahrungsverhältnis wegen Verstoßes gegen § 105 AktG unwirksam ist.160 Dies gilt allerdings erst ab dem Zeitpunkt des Amtsantritts, wenn das Mandat nicht zuvor niedergelegt worden ist.161 Bis dahin ist die Bestellung schwebend unwirksam.162 Auf die Frage, ob eine gleichzeitige Innehabung beider Mandate gewollt ist oder nicht, MünchKommAktG/Habersack, § 105 Rdnr. 11. BGH NJW 1975, 1657, 1658; GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 105 Rdnr. 23; Hüffer, AktG, § 105 Rdnr. 2 ; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 105 Rdnr. 5 ; MünchKomm AktG/Habersack, § 105 Rdnr. 9. 155 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 105 Rdnr. 23. 156 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 105 Rdnr. 19; Hüffer, AktG, § 105 Rdnr. 2 ; MünchKommAktG/Habersack, § 105 Rdnr. 9. Siehe dazu aber § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG. 157 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 105 Rdnr. 27; Hüffer, AktG, § 105 Rdnr. 2 ; MünchKommAktG/Habersack, § 105 Rdnr. 10. Für den umgekehrten Fall siehe § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AktG. 158 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 105 Rdnr. 18; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 105 Rdnr. 5 ; MünchKommAktG/Habersack, § 105 Rdnr. 18. 159 MünchKommAktG/Habersack, § 105 Rdnr. 18. 160 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 105 Rdnr. 21; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 105 Rdnr. 5; MünchKommAktG/Habersack, § 105 Rdnr. 19, 20. Sind die beiden Interessenwahrungsverhältnisse gleichzeitig begründet worden, sind beide unwirksam. Siehe nur GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 105 Rdnr. 18. 161 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 105 Rdnr. 21; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 105 Rdnr. 7; MünchKommAktG/Habersack, § 105 Rdnr. 20. 162 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 105 Rdnr. 21; Hüffer, AktG, § 105 Rdnr. 6 (jedoch nur für den Fall, dass die gleichzeitig Innehabung nicht von vornherein gewollt ist). 153
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kommt es demgegenüber in diesem Zusammenhang nicht an.163 Denn ob ein solcher Wille vorliegt oder nicht, lässt sich von außen nur schwer beurteilen, sodass eine solche Anknüpfung der Rechtssicherheit abträglich wäre.164 Eine eindeutige Regelung ist aber insbesondere deshalb notwendig, weil § 105 Abs. 1 AktG zu einer Unwirksamkeit des später übernommenen Mandats führt, ohne dass es eines besonderen weiteren Aktes, etwa einer Gerichtsentscheidung, bedürfte. In solchen Fällen muss das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen äußerlich eindeutig feststellbar sein. Die Übernahme des Vorstandsamtes kann allerdings in der Regel als konkludente Erklärung verstanden werden, das Aufsichtsratsmandat niederzulegen.165 Denn Aufsichtsratsmitglieder sind frei, ihr Mandat niederzulegen, und es ist regelmäßig anzunehmen, dass sich ein Aufsichtsratsmitglied nicht über die Inkompatibilitätsregel in § 105 AktG hinwegsetzen möchte.166 Im Fall des Vorstands stellt die Wahl in den Aufsichtsrat einen wichtigen Grund für die Niederlegung des Vorstandsmandats dar.167 Allerdings wird man eine konkludente Niederlegung – angesichts der erheblich höheren Vorstandsvergütung – nur dann in der Annahme der Bestellung als Aufsichtsrat sehen können, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen.168 Die gerade im Fall von scharfen Regeln, wie der Inkompatibilität, notwendige Rechtsklarheit gebietet es, § 105 AktG als abschließende Regelung der Inkompatibilität aufzufassen.169 Daher kann § 105 AktG nur auf die dort genannten Ämter und Tätigkeiten angewendet und nicht darüber hinaus auf andere, etwa auf leitende Angestellte, ausgeweitet werden.170 (ii) Keine Überwachung des übergeordneten eigenen Überwachers Ein Unterfall des Interessenkonflikts wegen Richtens in eigener Sache stellt der Konflikt dar, der entsteht, wenn jemand denjenigen überwachen soll, dem er untergeordnet ist und der ihn überwacht. Die eigene abhängige Stellung kann hier zu einem Interessenkonflikt führen, der die Überwachungstätigkeit des 163 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 105 Rdnr. 21; MünchKommAktG/Habersack, § 105 Rdnr. 20; a.A. Hüffer, AktG, § 105 Rdnr. 6. 164 Vgl. GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 105 Rdnr. 21 165 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 105 Rdnr. 22; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 105 Rdnr. 8. 166 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 105 Rdnr. 22. 167 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 105 Rdnr. 24. 168 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 105 Rdnr. 24; MünchKommAktG/Habersack, § 105 Rdnr. 19. 169 MünchKommAktG/Habersack, § 105 Rdnr. 15. 170 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 105 Rdnr. 41; Hüffer, AktG, § 105 Rdnr. 5. Um Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden, wurde bewusst davon abgesehen, „leitende Angestellte“ einzubeziehen, und damit Unklarheiten der Vorgängerregelung in § 90 Abs. 1 Satz 2 AktG 1937 („Angestellte, welche die Geschäfte der Gesellschaft führen“) vermieden. Siehe MünchKommAktG/Habersack, § 105 Rdnr. 15; Löhnig, Treuhand, S. 429.
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Betroffenen beeinträchtigen kann.171 Dieser Konflikt kann insbesondere im Rahmen eines Konzerns auftreten, wenn der gesetzliche Vertreter der abhängigen Gesellschaft das Leitungsorgan der Obergesellschaft überwachen müsste. Dementsprechend schreibt § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AktG vor, dass ein „gesetzlicher Vertreter172 eines von der Gesellschaft abhängigen Unternehmens“ nicht zugleich Mitglied des Aufsichtsrat der herrschenden Gesellschaft sein darf.173 Andernfalls wäre es möglich, dass der „Untergebene“ seinen „Vorgesetzten“ – das herrschende Unternehmen kann dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft gemäß § 308 Abs. 1 Satz 1 AktG Weisung erteilen – überwacht.174 Aufgrund der vergleichbaren Abhängigkeitsverhältnisse bei mehrstufigen Konzernen gilt § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AktG auch dort, erfasst also auch den gesetzlichen Vertreter von Enkelgesellschaften.175 Anders liegt hingegen der Fall bei Vorstands-Doppelmandaten. Bei diesen kann ein spezifischer, sich gerade aus dem Doppelmandat ergebender Konflikt wegen Richtens in eigener Sache nicht eintreten und auch keine Auswirkung auf die Kontrolle im Konzern haben. Entsprechend sind diese zulässig, auch mit Blick auf § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AktG.176 Ebenfalls erlaubt ist es, wenn ein Organmitglied der Obergesellschaft ein Aufsichtsratsmandat in der Tochtergesellschaft übernimmt.177 Aufgrund der Möglichkeit der Obergesellschaft der abhängigen Gesellschaft Weisungen zu erteilen, § 308 Abs. 1 Satz 1 AktG, besteht hier nicht die Gefahr, dass die beiden Ämter zu einem Interessenkonflikt führen. (iii) Keine Überkreuzüberwachung Die gleichstufige gegenseitige (Überkreuz-)Überwachungsbeziehung regelt § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AktG. Danach kann nicht Mitglied des Aufsichtsrats sein, wer „gesetzlicher Vertreter einer anderen Kapitalgesellschaft ist, deren 171 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 51; MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 24. 172 Gesetzliche Vertreter sind die Vorstandsmitglieder der AG, die geschäftsführenden Direktoren der SE und die Geschäftsführer der GmbH, bei OHG, KG und GbR nur die vertretungsbefugten Gesellschafter sowie bei der KGaA die Komplementäre. Die Mitglieder des Aufsichtsrats und die leitenden Angestellten des abhängigen Unternehmens werden somit nicht erfasst. Siehe MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 25 i.V.m. 19; Spindler/Stilz/ Spindler, AktG, § 100 Rdnr. 24. 173 Es genügt ein Abhängigkeitsverhältnis i.S.v. § 17 Abs. 1 AktG. Siehe MünchKomm AktG/Habersack, § 100 Rdnr. 24. Zur Anwendung auf die GmbH siehe nur Michalski/Gedinghagen, GmbHG, § 52 Rdnr. 54 ff. 174 Löhnig, Treuhand, S. 429. 175 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 52; MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 24. 176 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 55. Zu Doppelmandaten ausführlicher unter § 13 I.2.)d.). Zu Doppelmandanten im Konzern siehe stv. Hoffmann-Becking, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 30 Rdnr. 10. 177 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 55; MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 26.
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Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied der Gesellschaft angehört“. Andernfalls käme es zwangsläufig zu einem Interessenkonflikt, weil ein Überwacher durch den von ihm Überwachten selbst überwacht würde.178 Beide könnten in dieser Situation geneigt sein, den jeweils anderen mit Rücksicht auf die eigene Überwachung weniger streng zu überwachen.179 Wo es dagegen an einer solchen gegenseitigen Überwachungsbeziehung fehlt, kann dieser spezifische Interessenkonflikt nicht auftreten. Entsprechend schließt die Stellung als Aufsichtsratsmitglied in zwei Unternehmen nicht aus, dass auch jemand anderes in beiden Unternehmen ein Aufsichtsratsmandat bekleidet. Aufsichtsratsmitglieder werden daher von dem Begriff des gesetzlichen Vertreters auch zu recht nicht erfasst.180 Ebenso wenig erfasst wird etwa der Fall, dass ein GmbH-Gesellschafter Vorstandsmitglied einer AG ist und ein Aufsichtsratsmitglied dieser AG der GmbH-Geschäftsführer.181 In diesem Fall ist der GmbH-Gesellschafter von einem Fehlverhalten des Geschäftsführers im Rahmen seiner Beteiligung unmittelbar selbst (finanziell) betroffen, sodass für ihn ein besonderer Anreiz für eine angemessene Überwachung besteht. Einer zusätzlichen gesetzlichen Regelung bedarf es daher in diesem Fall nicht. Da der GmbH-Geschäftsführer dies weiß, besteht für ihn wiederum kein Anreiz, sich darum zu bemühen, in seiner Rolle als Aufsichtsrat den GmbH-Gesellschafter in dessen Rolle als Vorstand durch eine weniger intensive Überwachung gewogen zu stimmen, um seine eigene Überwachung zu verringern. § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AktG ist auf alle Fällen anzuwenden, in denen ein Aufsichtsorgan (bei Kapitalgesellschaften) zwingend vorgeschrieben ist – so auf die KGaA, die SE, die mitbestimmte GmbH, nicht aber wegen des insofern eindeutigen Wortlauts in § 52 Abs. 1 GmbHG auf die GmbH ohne gesetzlich vorgeschriebenen Aufsichtsrat.182 b.) Interessenkonflikt versus Sachkunde: Der Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat Während § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AktG und § 105 AktG den Interessenkonflikt aufgrund paralleler eigener Überwachung (Richten in eigener Sache) re Vgl. GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 58; Hüffer, AktG, § 100 Rdnr. 6 ; außerdem MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 27; Hoffmann-Becking, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 30 Rdnr. 11a. 179 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 58. 180 MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 29; auch GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 60. 181 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 59; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 100 Rdnr. 25. 182 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 59; Hüffer, AktG, § 100 Rdnr. 7; a.A. MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 31; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 100 Rdnr. 27; Hoffmann-Becking, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 30 Rdnr. 10. 178
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geln, liegt der Fokus bei § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG auf dem Interessenkonflikt, den eine ex post Kontrolle des eigenen früheren Tuns (Richtens in eigener Sache) verursachen kann. Nach § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG darf grundsätzlich nicht Aufsichtsratsmitglied sein, wer „in den letzten zwei Jahren Vorstandsmitglied derselben börsennotierten Gesellschaft war“. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass der Betroffene „auf Vorschlag von Aktionären, die mehr als 25 Prozent der Stimmrechte an der Gesellschaft halten“, gewählt wird.183 Gleichzeitig zeigt sich an dieser Vorschrift das besondere Spannungsverhältnis zwischen der für die Gesellschaften notwendigen Sachkunde eines Organmitglieds und seiner (übermäßigen) Nähe zu den von ihm zu kontrollierenden Vorgängen im Unternehmen: 184 Auf der einen Seite steht der Wunsch, dass die beratenden und überwachenden Aufsichtsratsmitglieder über eine besonderer Sachkunde verfügen. Dies kommt etwa in Ziff. 5.4.1 DCGK zum Ausdruck, wonach „der Aufsichtsrat so zusammenzusetzen [ist], dass seine Mitglieder über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen.“ Eine solche besondere Sachkunde haben gerade die ehemaligen Vorstandsmitglieder, nicht zuletzt weil sie mit ihrem Unternehmen und seinen Chancen und Risiken im Wettbewerb besonders gut vertraut sind.185 Daher wechselten früher viele ehemalige Vorstandsmitglieder nach dem Ende ihres Mandats in den Aufsichtsrat der Gesellschaft, um ihre Fachkompetenz der Gesellschaft auch weiterhin zur Verfügung zu stellen.186 Auf der anderen Seite besteht das Bedürfnis, dass der Vorstand von den Aufsichtsratsmitgliedern unbefangen und allein am Unternehmensinteresse ausgerichtet beraten und überwacht wird. Die Praxis des nahtlosen Wechsels vom Vorstand in den Aufsichtsrat kann jedoch zu einer Beeinträchtigung der Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats führen, sei es, dass eine enge Beziehung zu den früheren Vorstandskollegen eine zu genaue Kontrolle durch den Betroffenen hindert, sei es, dass der Aufsichtsrat Vorgänge kontrollieren möchte, die in die Amtszeit als Vorstand eines nunmehrigen Aufsichtsratsmitglied zurückrei183 Diese Vorschrift findet sich auch in der Empfehlung in Ziff. 5.4.4 Satz 1 DCGK wieder. Darüber hinaus zielt auch Ziff. 5.4.2 Satz 3 DCGK auf eine Begrenzung des Einflusses ehemaliger Vorstände ab, indem empfohlen wird, dass die Zahl ehemaliger Vorstandsmitglieder, die dem Aufsichtsrat angehören, nicht größer als zwei sein soll. Zu Besonderheiten bei Aktiengesellschaften ohne Hauptaktionär im Zusammenhang mit § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG Löbbe/Fischbach, AG 2012, 580. 184 Siehe dazu auch Ziff. 5.4.2 Satz 3, 5.4.4 Satz 2 und 5.3.2 Satz 3 DCGK. 185 Frühauf, ZGR 1998, 407, 417; Schäfer, ZGR 2004, 416, 417 f.; Wirth, ZGR 2005, 327, 340, 342. Vgl. auch Berrar, NZG 2001, 1113, 1118; Velte, WM 2012, 537, 539. 186 Hüffer, ZIP 2006, 637, 642 f.; Jaspers, AG 2009, 607; siehe auch Berrar, NZG 2001, 1113, 1118. Für empirische Daten zu diesem Phänomen G.H. Roth/Wörle, ZGR 2004, 565, 584 ff. Dies schon vor der Einführung von § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG für unzulässig haltend Lange, NZG 2004, 265, 268 f.; gegen ihn seinerzeit Wirth, ZGR 2005, 327, 341 f.
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chen.187 Denn bei einem zu schnellen Wechsel können diese Bindungen noch sehr stark sein, sodass noch keine ausreichende innere Distanz zum Vorstand besteht.188 Verstärkt werden diese Probleme dann, wenn das ehemalige Vorstandsmitglied sogar den Aufsichtsratsvorsitz übernimmt. Dieser hat eine faktische Vormachtstellung, aufgrund der er maßgeblichen Einfluss auf Personal entscheidungen für die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat und für den Vorstand ausüben kann.189 § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG – ebenso Ziff. 5.4.4 Satz 1 DCGK sowie für den Vorsitz des Prüfungsausschusses Ziff. 5.3.2 Satz 3 DCGK – löst diesen Konflikt zugunsten der Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder.190 Mit der Zweijahresfrist ist die Vorschrift allerdings weniger streng als die Empfehlung der Europäischen Kommission, die hier eine Sperrfrist von fünf Jahren verlangt.191 Bei einer Sperrfrist von fünf Jahren wird die besondere Sachkunde des ehemaligen Vorstands jedoch aufgrund der schnellen Veränderungen des heutigen Wirtschaftslebens regelmäßig verloren sein.192 Der Sinn des Funktionswechsels ist dann obsolet.193 Die Ausnahme, die § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG für den Fall eines Aktionärsvorschlags erlaubt, nimmt zwar grundsätzlich auf den Umstand Rücksicht, dass in bestimmten Fällen ein unmittelbarer Wechsel sinnvoll sein kann, etwa wenn ein kompliziertes operatives Geschäft überwacht werden soll und dafür besonderer Sachverstand benötigt wird, den (nur) das ausgeschiedene Vorstandsmitglied einbringen kann.194 Aber die Hürde von 25% ist so hoch, dass
187 K. Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 100 Rdnr. 49; Habersack, Gutachten E, 69. DJT 2012, E 80; Jaspers, AG 2009, 607; Lieder, NZG 2005, 569, 572 f.; Möllers/Christ, ZIP 2009, 2278, 2279; Peltzer, NZG 2011, 281, 284 f.; Scholderer, NZG 2012, 168, 169; Velte, WM 2012, 537, 538; zu weiteren Nachteilen des Ämterwechsels Lange, NZG 2004, 265, 266 ff. 188 Hüffer, ZIP 2006, 637, 642. Dies muss nicht immer nur deshalb der Fall sein, weil der wechselnde Vorstand eigene Fehler vertuschen möchte. Auch bei besten Absichten können Kontrolldefizite bestehen. Dazu G. H. Roth/Wörle, ZGR 2004, 565, 586. Vergleichbare Überlegungen gelten bezüglich aktiver oder ehemaliger Mitarbeitern der Gesellschaft unterhalb der Vorstandsebene, die leitenden Stellen in den Bereichen Rechnungslegung, interne Revision oder Controlling inne haben bzw. hatten. Siehe K. Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 100 Rdnr. 49. 189 Lange, NZG 2004, 265, 267 f.; Lieder, NZG 2005, 569, 573. 190 Habersack, Gutachten E, 69. DJT 2012, E 82. 191 Siehe Anhang II Nr. 1 Satz 4 lit a der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 15.02.2005. Krit. zu dieser Länge der cooling-off Periode Hüffer, ZIP 2006, 637, 642 f. Dagegen für eine fünfjährige Periode Möllers/Christ, ZIP 2009, 2278. 192 Hüffer, ZIP 2006, 637, 643. 193 Eine Möglichkeit zur Erhaltung der Sachkunde ausgeschiedener Vorstandsmitglieder besteht in dem Abschluss eines Beratervertrages, weil eine externe Beraterposition das Organgefüge nicht berüht, siehe Berrar, NZG 2001, 1113, 1119; Lange, NZG 2004, 265, 270; Möllers/Christ, ZIP 2009, 2278, 2281. 194 Hüffer, ZIP 2006, 637, 642.
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sie mit Ausnahme von Familienunternehmen oder im Falle eines entsprechenden Großaktionärs nur höchst selten erreicht werden dürfte.195 Ob eine solche cooling off-Periode, wie sie jetzt gesetzlich geregelt ist, und damit die Bevorzugung der Unabhängigkeit tatsächlich die bestmögliche Lösung darstellt, ist zu bezweifeln.196 Sogar in den USA, wo die Unabhängigkeit der directors als besonders wichtig angesehen wird, ist man diesbezüglich mittlerweile etwas ernüchtert.197 Zum einen führt auch eine cooling off-Periode nicht mit Sicherheit zu einem Ausschluss von Interessenkonflikten aufgrund vorangegangener Vorstandstätigkeit. Die beschriebenen Gefahren können unter Umständen auch noch dann bestehen, wenn die cooling off-Periode (2 bzw. 5 Jahre ab dem Ende seiner Vorstandstätigkeit) für das ehemalige Vorstandsmitglied abgelaufen ist oder es aufgrund eines qualifizierten Minderheitenverlangens nach § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG schon vor deren Ablauf in den Aufsichtsrat gerückt ist.198 Gleichzeitig besteht aber die Gefahr, dass die sachkundigen, gerade ausgeschiedenen Vorstandsmitglieder in den Aufsichtsrat einer konkurrierenden Gesellschaft wechseln und damit deren Kenntnisse für das Unternehmen verloren gehen.199 Sachgerechter erscheint es in diesem Zusammenhang, ähnlich wie in England, stärker auf eine aufgabenspezifische Unabhängigkeit zu setzen.200 Danach könnten Vorstandsmitglieder durchaus in den Aufsichtsrat gewählt werden und so ihre Sachkunde für das Unternehmen erhalten bleiben. Sie dürften jedoch nicht zum Aufsichtsratsvorsitzenden und nicht in Ausschüsse, insbesondere in den Prüfungsausschuss, gewählt werden, bei denen die Gefahr besteht, dass sie einem Interessenkonflikt erliegen könnten.201
Habersack, Gutachten E, 69. DJT 2012, E 81. Siehe nur Habersack, Gutachten E, 69. DJT 2012, E 82; Weber-Rey, NZG 2013, 766, 767. Empirischen Studien lässt sich bisher noch kein genereller Nachweis der Vor- oder Nachteilhaftigkeit eines sofortigen Wechsels vom Vorstand in den Aufsichtsrat entnehmen, siehe Velte, WM 2012, 537, 539 ff., insb. 541. Zu Anwendungsproblemen von § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG Schulenburg/Brosius, WM 2011, 58, 59 ff. 197 Siehe nur Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 485 f. m.w.N. 198 K. Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 100 Rdnr. 49. 199 Habersack, Gutachten E, 69. DJT 2012, E 82. 200 Im Einzelnen mit Rechtsvergleichung Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 291 ff., 324; ders., in: Allmendinger/Steffek, Corporate Governance nach der Finanz- und Wirtschaftskrise, S. 3, 14 f. Zum UK Corporate Governance Code Winner, ZGR 2012, 246. 201 Habersack, Gutachten E, 69. DJT 2012, E 82; Kumpan, AnwBl 2012, 704, 706. Siehe außerdem Bachmann, AG 2012, 565, 574; Weber-Rey, NZG 2013, 766, 767; außerdem Hohenstatt, ZIP 2009, 1349, 1355. Zu Ausschüssen als Mittel zur Vermeidung von Interessenkonflikten siehe § 8 VI. 195
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c.) Inhabilität bei der KGaA Eine besondere Inhabilitätsvorschrift für die Kommanditgesellschaft auf Aktien enthält § 287 Abs. 3 AktG. Danach können Komplementäre202 nicht Aufsichtsratsmitglieder sein. Andernfalls könnten sie sich selbst überwachen und wären damit dem Interessenkonflikt aufgrund Richtens in eigener Sache ausgesetzt. Zudem ist es bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien Aufgabe des Aufsichtsrats, die Belange der Kommanditaktionäre gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern zu vertreten.203 Auch hierbei käme es zu einem Interessenkonflikt, wenn die Komplementäre die Interessen der Kommanditaktionäre gegenüber sich selbst zu vertreten hätten. Handelt es sich bei einem Komplementär um eine Gesellschaft, so wird die Inkompatibilität auf die Geschäftsführer oder anderen gesetzlichen Vertreter sowie auf beherrschende Gesellschafter der Komplementärgesellschafter erstreckt.204 d.) Keine ungeschriebene Inhabilität am Beispiel der Aufsichtsratsmandate in Konkurrenzunternehmen Über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus sind Inhabilitätsregelungen für Aufsichtsräte auch in anderen Fällen erwogen worden, in denen es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Interessenkonflikten kommt, wie insbesondere die parallele Mitgliedschaft im Aufsichtsrat oder Vorstand einer konkurrierenden Gesellschaft.205 In solchen Konstellationen gerät der Betroffene immer wieder in Konflikte, weil er jeweils im besten Interesse beider Gesellschaften zu handeln hat, was sich aber häufig ausschließen kann. So kann ein Aufsichtsratsmitglied z. B. in die Situation kommen, dass es die eine Gesellschaft bestmöglich zu be-
202 Dies umfasst auch nicht geschäftsführende Komplementäre, siehe OLG München, AG 2004, 151, 153. 203 Siehe § 287 Abs. 2 Satz 1 AktG. 204 Hüffer, AktG, § 287 Rdnr. 4; MünchKommAktG/Perlitt, § 278 Rdnr. 321; K. Schmidt/Lutter/K. Schmidt, AktG, § 287 Rdnr. 9; Spindler/Stilz/Bachmann, AktG § 287, Rdnr. 5 ; Herfs, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 78 Rdnr. 49. 205 Etwa Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 236 f.; Lutter, FS Beusch, 1993, S. 509 ff.; Reichert/Schlitt, AG 1995, 241, 244 ff.; Scheffler, DB 1994, 793, 795; Heermann, WM 1997, 1689, 1692; außerdem Wardenbach, Interessenkonflikte, S. 62 ff. Gegen solche weiteren Inhabilitätsregelungen BGH ZIP 2006, 177, 179; GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 78 ff., § 105 Rdnr. 9 ; Hüffer, AktG, § 100 Rdnr. 5, § 105 Rdnr. 5 ; KölnKommAktG/ Mertens, 2. Aufl. 1996, § 100 Rdnr. 11; MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 58 ff., § 105 Rdnr. 1, 15; Häuser, Interessenkollisionen, S. 91 f.; Dreher, JZ 1990, 896, 901; Kübler, FS Claussen, 1997, S. 239, 241 ff.; Krebs, Interessenkonflikte, S. 280 ff.; Oulds, Auflösung von Interessenkonflikten, S. 102 ff. Vgl. in diesem Zusammenhang auch RGZ 165, 68, 79 f. sowie die Empfehlung 5.4.2 Satz 4 DCGK, wonach Aufsichtsratsmitglieder börsennotierter Gesellschaften keine Organfunktion oder Beratungsaufgaben bei wesentlichen Wettbewerbern des Unternehmens ausüben sollen.
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raten und zu informieren hat,206 gleichzeitig aber gegenüber der anderen Gesellschaft verpflichtet ist, keine für diese relevanten Informationen preiszugeben. Ähnliche Probleme ergeben sich beispielsweise bei einem Bankvertreter im Aufsichtsrat, der über ein Darlehensangebot eines anderen Kreditinstituts zu befinden hat und dabei sowohl die Interessen der Gesellschaft aber auch seiner Bank zu wahren hat.207 Da es sich hierbei um dauerhafte Konflikte handelt, scheinen vorübergehende oder punktuelle Maßnahmen, wie die temporäre Ersetzung des Aufsichtsratsmitglieds oder Stimmverbote, als zur Lösung des Konfliktes nicht ausreichend. Dementsprechend wird in der Literatur vertreten, dass Aufsichtsratsmandate in Konkurrenzgesellschaften in analoger Anwendung zu §§ 100 Abs. 2, 105 AktG nicht miteinander vereinbar sein sollen.208 Dabei wird nicht unbedingt auf die Wettbewerbssituation allgemein abgestellt, sondern darauf, ob der Bereich, in dem die Gesellschaften konkurrieren, für die betroffene Gesellschaften zum Kernbereich der Tätigkeit209 gehört oder aber nur von so untergeordneter Bedeutung ist, dass sie sich daraus ohne Änderung ihres Charakters zurückziehen können.210 Sofern „abstrakt betrachtet, ein Interessenkonflikt vorliegt, der eine korrekte Ausübung des Aufsichtsratsamtes per se, von vornherein und auf Dauer unmöglich macht“, 211 sei von einer Inkompatibilität der beiden Mandate auszugehen. Gegen eine Inhabilität wegen einer Wettbewerbssituation wird vorgebracht, dass ein Wettbewerbsverbot im Fall großer, diversifizierter Unternehmen, insbesondere bei Holdinggesellschaften, zwischen relevantem Wettbewerb im Kernbereich und irrelevantem Wettbewerb in Randbereichen unterscheiden müsste, um praktikabel zu sein.212 Das aber ist mit Unsicherheiten verbunden und lässt sich häufig nicht zweifelsfrei feststellen.213 Eine solche Inhabilitätsregelung wäre daher wenig eindeutig – anders als die Regelungen in § 100 Abs. 2 AktG und § 105 AktG. Auch bei einer eingeschränkten Betrachtung (Kernbe206 Zur Verpflichtung der Aufsichtsratsmitglieder zur Beratung und Überwachung Hüffer, AktG, § 111 Rdnr. 5 ; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rdnr. 62 ff. 207 Zu Bankenvertretern im Aufsichtsrat Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (zum Fall des Darlehens S. 232). 208 Etwa Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 237; Lutter, FS Beusch, 1993, S. 509, 518; Reichert/Schlitt, AG 1995, 241, 247; siehe auch Wardenbach, Interessenkonflikte, insb. S. 75 ff.; Scheffler, DB 1994, 793, 795. 209 Erwogen wurde, das „Kerntätigkeitsfeld der Gesellschaft“ zu definieren als Tätigkeitsbereich der Gesellschaft, der nach dem Anhang der Jahresbilanz mindestens 15% zu den Umsatzerlösen der Gesellschaft beiträgt. Siehe BT-Drs. 13/9716 (damals neuer § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG). 210 Lutter, FS Beusch, 1993, S. 509, 514. 211 Lutter, FS Beusch, 1993, S. 509, 515 (Hervorhebung im Original). 212 Marsch-Barner, in: v. Schenk, ArbAR, § 13 Rdnr. 146. 213 Dazu BGHZ 39, 116, 124; GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 80; Deckert, DZWIR 1996, 406 f.; Dreher, JZ 1990, 896, 899.
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reich), bleibt das Kriterium wenig greifbar, sodass der Aufsichtsrat ständig damit rechnen müsste, anfechtbare Beschlüsse zu fassen. Denn es lässt sich nicht immer eindeutig feststellen, ob die Gesellschaft mit einer anderen in einem wesentlichen (Kern-)Bereich konkurriert.214 Zudem können Doppelmandate positive Auswirkungen für die betroffenen Gesellschaften haben, sei es, dass sie der Absicherung der Zusammenarbeit dienen, sei es, dass sie zur Anbahnung einer Fusion gedacht sind.215 Des Weiteren akzeptiert das Aktiengesetz Wettbewerbssituationen des Aufsichtsratsmitglieds, wie sich an der ausschließlich auf Vorstände bezogenen Regelung in § 88 AktG zeigt.216 Diese Vorschrift gilt für Aufsichtsratsmitglieder nicht analog; zudem sieht § 105 Abs. 2 Satz 4 AktG sogar ausdrücklich vor, dass § 88 AktG für in den Vorstand entsandte Aufsichtsratsmitglieder nicht gilt; dann aber kann eine Konkurrenztätigkeit nicht von vornherein zu einer Inhabilität führen.217 Da die Inhabilität und die sich daran anknüpfenden Folgen sowohl für die Gesellschaft als auch für das einzelne Aufsichtsratsmitglied sehr einschneidend sind (Nichtigkeit der Wahl, § 250 Abs. 1 Nr. 4 AktG), bedarf sie besonders klarer Voraussetzungen. Die für ungeschriebene Inkompatibilitäten erwogenen Kriterien, wie das der „Konkurrenzsituation“, sind dagegen zu unbestimmt.218 So lässt sich nicht immer eindeutig feststellen, ob eine Konkurrenzsituation vorliegt, da die Kriterien dafür zu vage sind.219 Die Rechtsunsicherheit, die sich daraus vor dem Hintergrund der möglichen Nichtigkeit der Wahl des Mitglieds wegen § 250 Abs. 1 Nr. 4 AktG ergibt, lässt sich mit dem Interesse der Gesellschaft an der Rechtsklarheit darüber, wie ihre Organe zusammengesetzt sind, nicht vereinbaren.220 Daher ist eine ungeschriebene Inhabilitätsregelung abzulehnen.
3.) Mitglieder des WEG-Verwaltungsbeirats Inhabilitätsregelungen finden sich weiterhin im Zusammenhang mit dem Verwaltungsbeirat nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Allerdings sind diese Regelungen nicht gesetzlich niedergelegt, sondern durch Rechtsfortbildung geschaffen worden. Der nach § 29 WEG fakultativ einzurichtende Verwaltungsbeirat ähnelt dem im Aktiengesetz geregelten Aufsichtsrat. Er unterstützt und kontrolliert den Verwalter der Eigentümergemeinschaft, vgl. § 29 Abs. 2 und 3 WEG. Der Verwalter wiederum handelt in breitem Umfang für Löhnig, Treuhand, S. 429. Krebs, Interessenkonflikte, S. 286 f. 216 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 81. 217 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 81; a.A. Wardenbach, Interessenkonflikte, S. 99. 218 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 80; Deckert, DZWIR 1996, 406, 407. 219 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 80 m.w.N. 220 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 80. 214
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die Gemeinschaft und gibt für diese Willenserklärungen ab, vgl. § 27 WEG. Er handelt dabei also als Interessenwahrer für die Gemeinschaft, ebenso wie der ihn überwachende Verwaltungsbeirat. Auch wenn keine entsprechende gesetzliche Regelung existiert, wird vielfach angenommen, dass beide Ämter einander ausschließen.221 Wer Verwalter ist, kann nicht Mitglied des Verwaltungsbeirats sein und umgekehrt. Diese im Wege der Rechtsfortbildung geschaffene Regelung kann sich auf den Grundsatz stützen, dass niemand Richter in eigener Sache und daher Überwacher und Überwachter nicht identisch sein dürfen. Gleichzeitig wird aber auch auf ein formales Kriterium abgestellt (Wahl zum Verwalter bzw. Mitglied des Verwaltungsbeirats), sodass keine Rechtsunsicherheit zu befürchten ist.222
4.) Allgemeine Folgerungen für Inhabilitätsvorschriften Inhabilitätsvorschriften gehören zu denjenigen Regelungen, die den stärksten Eingriff in die Freiheit des Interessenwahrers vornehmen. Sie bestimmen, dass ein Interessenwahrer in bestimmten Situationen ein Interessenwahrungsverhältnis nicht eingehen kann. Es handelt sich um präventive Regelungen, die dem (möglichen) Interessenwahrer die „Befähigung zur Wahrnehmung bestimmter Interessen absprechen“.223 Sie gelten insbesondere224 in den Fällen, in denen der Interessenwahrer eine Überwachungsaufgabe – Prüfungsaufgabe – übernehmen soll und in diesem Zusammenhang in Interessenkonflikte geraten könnte. In diesen Fällen wird der jeweilige Interessenkonflikt als so erheblich angesehen, dass eine interessenwahrende – und ggf. unabhängige – Auf gabenerfüllung regelmäßig nicht mehr möglich scheint. Wo Inhabilitätsvorschriften, wie im Fall der Abschlussprüfung, das Unabhängigkeitserfordernis konkretisieren, dient die Inhabilität auch dem Schutz übergeordneter Belange, die über die Interessen der an dem jeweiligen Interessenwahrungsverhältnis unmittelbar beteiligten Personen hinausgehen, wie z. B. die Integrität der Abschlussprüfung – dies ist jedoch keine notwendige Voraussetzung für eine Inhabilität.225 221 OLG Zweibrücken, OLGE 1983, 438; OLG Frankfurt OLGE 1988, 188, 189; Weitnauer/Lüke, WEG, § 29 Rdnr. 3 ; Bärmann/Pick, WEG, § 29 Rdnr. 4. 222 Dazu und zum Vorangegangenen Löhnig, Treuhand, S. 439. 223 Löhnig, Treuhand, S. 426. Treten Interessenkonflikte erst später auf, bedarf es besonderer Konfliktlösungsmechanismen, die in § 17 im Zusammenhang mit der nachträglichen Konfliktauflösung erörtert werden. 224 Aber nicht nur, wie sich am Alleinerben zeigt, der nicht Testamentsvollstrecker sein können soll. Dazu RGZ 77, 177; Staudinger/Reimann, BGB, § 2197 Rdnr. 53; Löhnig, Treuhand, S. 4 41. Anders aber jetzt BGH ZEV 2005, 204, wonach der Alleinerbe dann Testamentsvollstrecker sein kann, wenn sich die Testamentsvollstreckung auf die sofortige Erfüllung eines Vermächtnisses beschränkt und das Nachlassgericht bei groben Pflichtverletzungen einen anderen Testamentsvollstrecker bestimmen kann. 225 Löhnig, Treuhand, S. 439.
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Da Inhabilitätsvorschriften einen besonders weitreichenden Eingriff in die Freiheit des Interessenwahrers bedeuten, müssen sie so eindeutig wie möglich gefasst sein. Sie werden daher grundsätzlich mit Hilfe konkreter, notwendigerweise typisierender Tatbestandsmerkmale formuliert226 und regeln regelmäßig nur solche Sachverhalte, die leicht umschrieben werden können 227. Dadurch wird gewährleistet, dass eindeutig sichergestellt ist, wann von einer Inhabilität auszugehen ist und wann nicht. Die auf diese Weise mit Inhabilitätsregeln zu erreichende Rechtsklarheit und Rechtssicherheit wird jedoch damit erkauft, dass diese Regelungen regelmäßig einerseits ungenügende und andererseits überschießende Wirkungen haben.228 Beispielsweise nehmen solche Regelungen oft Bezug auf nahe Angehörige, um zu verhindern, dass familiäre Beziehungen Entscheidungen beeinflussen.229 Einflüsse von Freunden, die möglicherweise sogar von größerer Bedeutung sind, werden demgegenüber nicht beachtet. Diese Regelungen sind somit im Hinblick auf den Einfluss von Freunden zu eng; dagegen schießen sie in Bezug auf Angehörige über das Ziel hinaus, wenn zwischen diesen und dem Entscheidungsträger keine über das bloße Verwandtschaftsverhältnis hinausgehende Beziehung besteht und daher von ihnen auch kein die Entscheidungen verzerrender Einfluss zu befürchten ist. Diese Ungenauigkeit von Inhabilitätsregelungen liegt in ihrer Natur, denn sie dienen dazu, eine bloße Gefahr zu bekämpfen, 230 und diese kann, muss sich aber nicht manifestieren. Dennoch kann auf Inhabilitätsvorschriften trotz solcher Mängel nicht verzichtet werden. Denn aufgrund ihrer Radikalität und Objektivität haben sie eine besondere vertrauensbildende Wirkung.231 Würde hingegen auf das materielle Kriterium des Vorliegens eines dauerhaften Interessenkonflikts abgestellt, ginge die Eindeutigkeit der jeweiligen Inhabilitätsregelung in der Regel verloren.232 Lässt sich aber nicht leicht und schnell überprüfen, ob eine Inhabilität anzunehmen ist, würde dies eine erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge haben. Denn es wäre in vielen Fällen unklar, ob überhaupt ein Interessenwahrungsverhältnis besteht oder nicht. Dies würde in der Folge zu Unsicherheit über die Wirksamkeit der Rechtshandlungen des Interessenwahrers führen und damit gewichtige Folgewirkungen haben, die über das unmittelbare rechtlich relevante Handeln des Interessenwahrers hinausgingen (z. B. Anfechtbarkeit von Beschlüssen).
Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 81. Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 76. 228 Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 158. 229 Siehe bspw. § 319 Abs. 3 Satz 2 HGB oder § 4 Abs. 2 Satz 1 lit. a-c der Berufsgrundsätze der Insolvenzverwalter mit ihren Verweisen auf § 138 InsO. 230 Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 158. 231 Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 158. 232 Zu den Schwierigkeiten, die bei einer Anknüpfung an materielle Vorgaben entstehen können, am Beispiel des § 319 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 HGB a.F., siehe Löhnig, Treuhand, S. 434 ff. 226 227
II. Gerichtliche Eignungsprüfungen
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II. Gerichtliche Eignungsprüfungen Anders als vertragliche und organschaftliche Interessenwahrer werden gesetzliche Interessenwahrer in der Regel von einem Gericht bestellt. Der „Geschäftsherr“ ist in diesen Fällen häufig nicht in der Lage, seinen Interessenwahrer nicht selbst auszusuchen und zu bestellen. Im Rahmen der Bestellung des Interessenwahrers hat das Gericht regelmäßig die „Eignung“ – oder sogar die „Unabhängigkeit“, vgl. § 56 Abs. 1 InsO – des Interessenwahrers zu prüfen. „Eignung“ bedeutet unter anderem auch, dass der Interessenwahrer nicht mit einem (erheblichen) Interessenkonflikt belastet ist. In einigen Fällen ergibt sich dies ausdrücklich aus dem Gesetz (bspw. § 1897 Abs. 5 BGB), in anderen Fällen aus einer systematischen Zusammenschau mit anderen Vorschriften. Damit soll von vornherein vermieden werden, dass jemand zum Interessenwahrer bestellt wird, bei dem abzusehen ist, dass bestehende oder sich abzeichnende dauerhafte und erhebliche Interessenkonflikte eine angemessene Interessenwahrung verhindern. Damit tritt die Eignungsprüfung bei solchermaßen bestellten gesetzlichen Interessenwahrern an die Stelle von Inhabilitätsregelungen, ist sie doch umgänglicher als diese. Eignungsprüfungen erfolgen bspw. beim Vormund (§ 1779 Abs.2 Satz 1 BGB), Betreuer (§ 1897 Abs. 1 BGB), Pfleger (§ 1915 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1779 Abs. 2 Satz 1 BGB) oder Insolvenzverwalter (§ 56 Abs. 1 Satz 1 InsO). Fehlt es an der Eignung, kann der Betreffende nicht bestellt werden.233
1.) Vormund Für den Vormund gilt hinsichtlich der Eignung eine abgestufte Regelung, die sich nach der persönlichen Nähebeziehung zwischen ihm und dem Mündel richtet. Grundsätzlich muss eine als Vormund auszuwählende Person nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen sowie nach den sonstigen Umständen für dieses Amt geeignet sein, § 1779 Abs. 2 Satz 1 BGB. Diese Voraussetzungen sind immer im Hinblick auf die konkreten Interessen des Mündels zu sehen.234 Denn Eignung ist in diesem Zusammenhang zu verstehen als die Fähigkeit, das Amt im Interesse des Mündels zu führen.235 Besteht daher die Gefahr eines dauerhaften Interessenkonflikts zwischen den Interessen des Mündels und denjenigen des potentiellen Vormunds, ist der Betroffene als Vormund ungeeignet.236 Dies gilt insbesondere dann, wenn zu erwarten ist, dass 233 Ist er dennoch fälschlicherweise bestellt worden oder sind nach seiner Bestellung Gründe eingetreten, die (nunmehr) gegen seine Eignung sprechen, ist er zu entlassen. 234 Staudinger/Engler, BGB, § 1779 Rdnr. 6. 235 BayObLG FamRZ 1965, 283; Palandt/Götz, BGB, § 1779 Rdnr. 5. 236 MünchKommBGB/Wagenitz, § 1779 Rdnr. 5. Vgl. in diesem Zusammenhang auch BayObLG FamRZ 1993, 241 (Nachlaßpfleger); 1997, 1289 (Pfleger).
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§ 13 Inhabilitätsvorschriften und Eignungsprüfungen
der Vormund für eine nicht unwesentliche Zahl von Fällen von der Vertretung nach §§ 181, 1795 Abs. 1 BGB ausgeschlossen sein wird oder ihm diese gar nach § 1796 BGB entzogen werden müsste.237 Ob ein Interessenkonflikt entstehen kann, muss nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden.238 Diese Geeignetheitsprüfung entfällt, wenn jemand von den Eltern als Vormund benannt worden ist, § 1776 Abs. 1 BGB, und deshalb eine besondere Nähebeziehung angenommen wird. Der Benannte ist daher grundsätzlich zum Vormund zu berufen. Ausgenommen davon sind jedoch die Fälle, in denen einer der in § 1778 Abs. 1 BGB genannten besonderen Hinderungsgründe besteht. Ein solcher ist nach § 1778 Abs. 1 Nr. 4 BGB gegeben, wenn das Wohl des Mündels gefährdet werden würde. Dafür genügt eine objektive Gefährdung, die sich auf das geistige, sittliche oder gesundheitliche Wohl, aber auch auf die Vermögensinteressen des Mündels beziehen kann.239 Die lediglich abstrakte Möglichkeit einer Beeinträchtigung reicht in diesem Zusammenhang nicht aus, es genügt aber, wenn sie sich voraussichtlich später auswirken wird.240 Das Wohl des Mündels stellt hier eine Parallele zur Gefährdung des Kindeswohls dar, das im Zusammenhang mit der elterlichen Sorge von Bedeutung ist, vgl. § 1666 BGB.241 Dementsprechend sind Interessenkonflikte des Vormunds in Bezug auf die Gefährdung des Kindeswohls unbeachtlich, solange sie nicht eine vergleichbare Intensität erreichen, wie diejenigen im Zusammenhang mit § 1666 BGB.242 Diese höhere Schwelle für die Beachtlichkeit von Interessenkonflikten ist damit zu rechtfertigen, dass das Verhältnis zwischen Vormund und Mündel ähnlich wie die Eltern-Kind-Beziehung besondere Vorteile für das Kind mit sich bringt, die die Nachteile von weniger bedeutenden Interessenkonflikten des Vormunds aufwiegen. Mit der Vertrauensbezeugung der Eltern durch die Benennung nach § 1776 Abs. 1 BGB erhält deren Nähebeziehung zu ihrem Kind auch für den Vormund Bedeutung. Entsprechend erhält die persönliche Bindung ein größeres Gewicht und drängt eventuelle Interessenkonflikte im Zusammenhang mit der Interessenwahrung in wirtschaftlichen Angelegenheiten in gewissem Umfang in den Hintergrund. Daraus ergibt sich, dass der Interessengegensatz im Fall des § 1778 Abs. 1 Nr. 4 BGB243 gravierender sein muss als derjenige, der im Rahmen der gerichtlichen Eignungsprüfung zum Ausschluss führen kann. Denn ein Vormund, der von den Eltern vorgeschlagen worden ist, darf nur im äußersten Fall – nämlich bei Gefährdung des Wohls des Mündels – übergangen werden. Eine solche be237 MünchKommBGB/Wagenitz, § 1779 Rdnr. 5; Staudinger/Engler, BGB, § 1779 Rdnr. 10. 238 Staudinger/Engler, BGB, § 1779 Rdnr. 10. 239 Staudinger/Engler, BGB, § 1778 Rdnr. 22. 240 Staudinger/Engler, BGB, § 1778 Rdnr. 25. 241 Löhnig, Treuhand, S. 458. 242 Löhnig, Treuhand, S. 458. 243 Dazu BayObLG FamRZ 1992, 1346, 1348.
II. Gerichtliche Eignungsprüfungen
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sondere Schranke besteht bei der Auswahl durch das Vormundschaftsgericht und der dabei durchzuführenden Eignungsprüfung des Vormunds nach § 1779 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht, sodass dort jegliche Interessenkonflikte zu berücksichtigen sind.
2.) Betreuer Wie der Vormund darf auch der Betreuer nicht bestellt werden, wenn er ungeeignet ist, § 1897 Abs. 1 BGB. Ähnlich wie im Fall des Vormunds hat das Gericht einen Vorschlag (in diesem Fall allerdings) des Betreuten 244 aufzugreifen, § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB. Denn der Wille des zu Betreuenden hat grundsätzlich Vorrang, soweit dies nicht im konkreten Fall seinem Wohl zuwiderläuft.245 Letzteres ist im Hinblick auf Interessenkonflikte des Vorgeschlagenen nur dann anzunehmen, wenn die Gefahr eines schwerwiegenden Konflikts besteht, der zu erheblichen Zweifeln Anlass gibt, ob der Vorgeschlagene tatsächlich das Wohl des Betreuten im Auge haben wird.246 Dabei muss sich das Vorliegen des Interessenkonflikts aus konkreten Umständen ergeben 247 und dieser so schwerwiegend sein, dass von einer ernsthaften Gefahr für das Wohl des Betroffenen ausgegangen werden kann.248 Demgegenüber reicht ein unbedeutsamer Interessenkonflikt oder eine bloß abstrakte Gefahr nicht aus.249 Dementsprechend führen bei einem Vorschlag des Betreuten Interessenkonflikte des Betreuers dann nicht zu dessen Ungeeignetheit, wenn sie die Schwelle zum „Wohl zuwiderlaufen“ nicht überschreiten.250 Der vorgeschlagene Betreuer wird somit wie der benannte Vormund behandelt. Auch beim Verhältnis zwischen dem vorgeschlagenen Betreuer und dem Betreuten nimmt das Gesetz 244 Dabei handelt es sich nicht um eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung, sodass der Vorschlagende nicht geschäftsfähig sein muss. Siehe BayObLGZ 1996, 136, 137 m.w.N.; BayObLG FamRZ 1993, 1110; 1994, 530; 2002, 1145; Staudinger/Bienwald, BGB, § 1897 Rdnr. 10. 245 BayObLG FamRZ 1994, 530; 1999, 49; 2002, 1145; OLG Köln FamRZ 1999, 811; 2000, 513; MünchKommBGB/Schwab, § 1897 Rdnr. 20; Staudinger/Bienwald, BGB, § 1897 Rdnr. 10. 246 KG FamRZ 1995, 1442, 1443; BayObLG FamRZ 1993, 1225, 1226 (geringfügige Gefahren sind hinzunehmen); 1996, 1374, 1375 (Interessenkonflikte von geringerem Gewicht genügen nicht); 1999, 49, 50 (wie vorgehend); OLG Zweibrücken FamRZ 2005, 832, 833 (wie vorgehend); MünchKommBGB/Schwab, § 1897 Rdnr. 26. 247 BGH FamRZ 2010, 1897, 1899; BayObLG FamRZ 1996, 1374, 1375; 1997, 246; 1999, 49, 50; OLG Schleswig FamRZ 2005, 1860; OLG Zweibrücken FamRZ 2005, 832, 833; MünchKommBGB/Schwab, § 1897 Rdnr. 26. 248 OLG Schleswig FamRZ 2005, 1860; OLG Brandenburg FamRZ 2001, 936; MünchKommBGB/Schwab, § 1897 Rdnr. 26; Soergel/Zimmermann, BGB, § 1897 Rdnr. 45; Staudinger/Bienwald, BGB, § 1897 Rdnr. 10. 249 Siehe die Verweise in Fn. 246, außerdem RegE BtG, BT-Drs. 11/4528 S. 127; Soergel/ Zimmermann, BGB, § 1897 Rdnr. 45. 250 Dazu BayObLG FamRZ 1996, 1374, 1375; Soergel/Zimmermann, BGB, § 1897 Rdnr. 45.
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somit Rücksicht auf besondere persönliche Bindungen, deren Vorteile bis zu einem gewissen Grad die Nachteile von (geringer gewichtigen) Interessenkonflikten überwiegen.251 Hat der Betreute keinen Betreuer vorgeschlagen, muss das Gericht bei der Prüfung der Eignung des potentiellen Betreuers die Gefahr von Interessenkonflikten berücksichtigen, § 1897 Abs. 5 BGB. Aus der unterschiedlichen Wortwahl in § 1897 Abs. 4 und Abs. 5 BGB („Wohl zuwiderlaufen“ bzw. „Interessenkonflikt“) ergeben sich – wie beim Vormund – unterschiedliche Anforderungen an die Eignung, je nachdem ob der potentielle Betreuer vorgeschlagen wurde oder nicht.252 In Bezug auf Interessenkonflikte führt dies zu einer abgestuften Erfassung: 253 Während bei einem fehlenden Vorschlag des Betreuten (Abs. 5) jegliche Interessenkonflikte bei der Eignungsprüfung zu berücksichtigen sind, führen im Fall einer vom Betreuten vorgeschlagenen Person (Abs. 4) lediglich konkrete Interessenkonflikte zum Ausschluss der Eignung, wenn sie schwerwiegend und länger andauernd sind.254 Interessenkonflikte, wie sie gewöhnlich unter Verwandten vorkommen können, schließen die Eignung auch bei fehlendem Vorschlag regelmäßig nicht aus. Dies ergibt sich aus § 1897 Abs. 5 BGB, wo ausdrücklich erwähnt wird, dass auf verwandtschaftliche Bindungen Rücksicht genommen werden soll.255 In den anderen in § 1897 BGB erwähnten Fällen begründet das Risiko von Pflichtverletzungen aufgrund von Interessenkonflikten hingegen die Ungeeignetheit des Betreffenden. So schließt § 1897 Abs. 3 BGB ausdrücklich diejenigen als ungeeignet aus, die „zu einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung, in welcher der Volljährige untergebracht ist oder wohnt, in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer anderen engen Beziehung“ stehen. Dies zielt insbesondere auf Interessenkonflikte, die entstehen würden, wenn der Betreuer gegen die Einrichtung vorgehen muss, um Rechte des Betreuten durchzusetzen.256 Beispiele für eine Ungeeignetheit im Rahmen von § 1897 Abs. 5 BGB sind der Prozessgegner des Betreuten, 257 der Rechtsanwalt, der früher einmal den Prozessgegner des Betreuten vertreten hat 258 oder wer gegen den Betreuten Pflichtteilsergänzungsansprüche gelten macht.259 Demgegenüber ist ein Betreu-
Löhnig, Treuhand, S. 459; vgl. auch RegE BtG, BT-Drs. 11/4528, S. 127. Vgl. Löhnig, Treuhand, S. 459. 253 Siehe dazu auch KG FamRZ 1995, 1442, 1443. 254 Siehe dazu die Verweise in Fn. 247 und 248 bzgl. Abs. 5 ; außerdem BayObLG FamRZ 1999, 51, 52; OLG Hamm FamRZ 1993, 988, 990. 255 Löhnig, Treuhand, S. 461. 256 Palandt/Götz, BGB, § 1897 Rdnr. 8 ; Löhnig, Treuhand, S. 461. 257 BayObLG FamRZ 1995, 1232, 1234. 258 OLG Köln FamRZ 1999, 54; MünchKommBGB/Schwab, § 1897 Rdnr. 26. 259 BayObLG FamRZ 1999, 49, 50. 251
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III. Aufsichtsbehördliche Eignungsprüfungen
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er nicht deshalb ungeeignet, weil er (lediglich) gegen den Betreuten eine Forderung hat, ohne dass ein Prozess stattfindet.260
3.) Pfleger Aufgrund des Verweises auf die Vorschriften des Vormundschaftsrechts in § 1915 Abs. 1 Satz 1 BGB werden Interessenkonflikte von Pflegern wie die des Vormunds behandelt. Dementsprechend kann jemand nicht zum Pfleger bestellt werden, wenn er sich in einem „erheblichen dauerhaften Interessenwiderstreit“ mit dem Pflegebefohlenen befindet.261 Ein solcher Interessenkonflikt kann etwa vorliegen, wenn das Interessenkonfliktrisiko der Partei (z. B. der Eltern), die durch den (Ergänzungs-)Pfleger ersetzt werden soll, bei diesem weiterbesteht.262 In diesen Fällen ist der Pfleger als ungeeignet anzusehen. Von einem erheblichen Interessenkonflikt ist ebenfalls auszugehen, wenn ein Nachlassgläubiger als Nachlasspfleger bestellt werden soll.263
4.) Insolvenzverwalter Im Fall des Insolvenzverwalters prüft das Insolvenzgericht vor der Bestellung, ob der Kandidat geeignet ist. Dies bemisst sich auch danach, ob der potentielle Insolvenzverwalter unabhängig ist, wobei insbesondere auch bestehende oder mögliche Interessenkonflikte zu berücksichtigen sind.264
III. Aufsichtsbehördliche Eignungsprüfungen Eignungsprüfungen werden auch von Aufsichtsbehörden vorgenommen. Insbesondere im Bank- und Kapitalmarktrecht ist für zahlreiche Ämter und Positionen erforderlich, dass die Personen, die sie besetzen sollen, „zuverlässig und fachlich geeignet“ sind. Nach § 32 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und Nr. 4 KWG gilt dies etwa für die Geschäftsleiter von Kreditinstituten. Deren Zuverlässigkeit und fachliche Eignung muss im Erlaubnisantrag diesbezügliche Angaben enthalten. Erfüllen die Geschäftsleiter diese Voraussetzungen nicht, ist die Erlaubnis zu versagen, § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Nr. 4 KWG. Gleiches gilt für Kapitalverwaltungsgesellschaften. Auch deren Geschäftsleiter müssen zuverlässig und fachlich geeignet sein, § 21 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 KAGB. Sind sie dies nicht, muss
Löhnig, Treuhand, S. 460. Dazu BayObLGZ 1981, 44, 48 f.; Löhnig, Treuhand, S. 461. 262 BayOLG NJW 1964, 2306; OLG Frankfurt a. M. FamRZ 1997, 571. 263 BayObLG FamRZ 1993, 241, 242. 264 Zur Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters ausführlich § 5 VI. 260 261
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§ 13 Inhabilitätsvorschriften und Eignungsprüfungen
der Kapitalverwaltungsgesellschaft die Erlaubnis versagt werden, § 23 Nr. 3 KAGB. Während sich die fachliche Eignung auf die theoretischen und praktischen Kenntnisse in den betreffenden Geschäften sowie die Leitungserfahrung bezieht, nimmt § 33 Abs. 2 KWG das Kriterium der Zuverlässigkeit das Verhalten und die Persönlichkeit des Betroffenen in den Blick. Der Betreffende wird als unzuverlässig eingestuft, wenn er „nach dem Gesamtbild seines Verhaltens und seiner Persönlichkeit nicht die Gewähr dafür bietet, dass er seine Tätigkeit ordnungsgemäß ausüben wird“.265 Im Fall von Kredit- und Finanzdienstleistungsunternehmen ist dabei die besonders hohe Empfindlichkeit der Finanzmärkte, wenn es um Vertrauen geht, zu berücksichtigen.266 Da Interessenkonflikte nahezu immer dazu geeignet sind, das Vertrauen in den Betroffenen in Zweifel zu ziehen, müssen sie bei der Zuverlässigkeitsprüfung Beachtung finden, soweit sie mit der Tätigkeit des jeweiligen Unternehmens im Zusammenhang stehen. Konflikte im privaten Bereich können nur dann die Zuverlässigkeit ausschließen, wenn sie negative Rückwirkungen auf die Tätigkeit des Unternehmens haben. Liegen solche beachtenswerte Interessenkonflikte vor, müssen sie jedenfalls im Zusammenhang mit Kredit- und Finanzdienstleistungen zum Ausschluss der Zuverlässigkeit des Betroffenen führen. Für Aufsichtsratsmitglieder von Kreditinstituten und Finanzholding-Gesellschaften schreibt § 36 Abs. 3 Satz 1 KWG vor, dass diese zuverlässig sein müssen. Gleiches gilt nach § 7 Abs. 4 Satz 1 VAG für Aufsichtsratsmitglieder von Versicherungsunternehmen.267 Der BaFin zufolge können insbesondere Interessenkonflikte die Zuverlässigkeit ausschließen, beispielsweise wenn der Betroffene oder die Gesellschaft, für die er tätig ist, ausfallgefährdeter Darlehensnehmer der zu überwachenden Gesellschaft ist.268 Ist ein Aufsichtsratsmitglied als nicht zuverlässig einzustufen, kann die BaFin von den Organen des betroffenen Unternehmens verlangen, dass das betreffende Mitglied abberufen wird.269
BVerwGE 65,1. Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, § 33 Rdnr. 35. 267 Sowie von Pensionsfonds, Versicherungs-Holdinggesellschaften im Sinne des § 104a Abs. 2 Nr. 4 VAG sowie gemischten Finanzholding-Gesellschaften im Sinne des § 104k Nr. 3 VAG. 268 BaFin, Merkblatt zur Kontrolle von Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und VAG Geschäftszeichen BA 53, VA 5, 22. Februar 2010, I. 2. 269 § 36 Abs. 3 Satz 3 KWG (Kreditinstitute) bzw. § 87 Abs. 8 Satz 1 und § 121c Abs. 6 Satz 1 VAG (Versicherungsunternehmen). 265
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IV. Zusammenfassung
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IV. Zusammenfassung Inhabilitätsvorschriften gehören zu denjenigen Regelungen, die die Handlungsfreiheit des Interessenwahrers am stärksten beschränken. Sie bestimmen, dass ein Interessenwahrer in bestimmten Situationen ein Interessenwahrungsverhältnis nicht eingehen kann. Es handelt sich um präventive Regelungen, die dem (möglichen) Interessenwahrer die Befähigung zur Wahrnehmung bestimmter Interessen absprechen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob im Einzelfall ein konkreter Interessenkonflikt vorliegt oder nicht. Sie gelten insbesondere in den Fällen, in denen der Interessenwahrer eine Überwachungsaufgabe – Prüfungsaufgabe – übernehmen soll und in diesem Zusammenhang in Interessenkonflikte geraten könnte. Da Inhabilitätsvorschriften einen besonders weitreichenden Eingriff in die Freiheit des Interessenwahrers bedeuten, müssen sie so eindeutig und klar wie möglich gefasst sein. Sie werden daher grundsätzlich mit Hilfe typisierender Tatbestandsmerkmale formuliert und regeln regelmäßig nur solche Sachverhalte, die abstrakt umschrieben werden können. Dadurch wird gewährleistet, dass es eindeutig ist, wann von einer Inhabilität auszugehen ist und wann nicht. Dementsprechend können Inhabilitätsregelungen, wie es etwa von einigen im Hinblick auf den Aufsichtsrat erwogen wurde, nicht über die jeweils gesetzlich geregelten Fälle hinaus ausgeweitet oder im Wege der Analogie hergeleitet werden. Inhabilitätsregeln stehen im Spannungsverhältnis zwischen der Sachkunde einerseits und der Freiheit von Interessenkonflikten andererseits. Dies zeigt sich etwa am gleichzeitig beratenden Abschlussprüfer und am Vorstandsmitglied, das nach dem Ende seiner Vorstandstätigkeit in den Aufsichtsrat wechselt. In beiden Fällen ist derselbe Umstand – die Nähe zum Unternehmen – für die Vorund die Nachteile verantwortlich. Für ehemalige Vorstandsmitglieder ist vor diesem Hintergrund eine regelmäßige Karenzzeit (coolig off-Periode) von zwei Jahren nach ihrem Ausscheiden aus dem Vorstand eingeführt worden, bevor sie in den Aufsichtsrat wechseln dürfen. Für Abschlussprüfer werden eine vollständige Trennung von Beratungs- und Prüfungstätigkeit sowie eine externe Rotation erwogen. In beiden Fällen gibt es jedoch bessere Lösungen, die weniger Kosten verursachen und anders als die erwähnten Maßnahmen nicht zu einer Verringerung der Prüfungsqualität führen. So erscheint es in Bezug auf den Aufsichtsrat sachgerechter, ähnlich wie in England, stärker auf eine aufgabenspezifische Unabhängigkeit zu setzen. Danach könnten Vorstandsmitglieder durchaus in den Aufsichtsrat gewählt werden und so ihre Sachkunde für das Unternehmen erhalten bleiben. Sie dürfen jedoch nicht zum Aufsichtsratsvorsitzenden und nicht in Ausschüsse, insbesondere den Prüfungsausschuss, gewählt werden, bei denen die Gefahr besteht, dass sie einem Interessenkonflikt erliegen könnten. In Bezug auf den Abschlussprüfer wäre es sachgerechter,
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eine Pflicht zur Offenlegung der erbrachten Beratungsleistungen und der damit eingenommenen Honorare nebst deren Anteil an den Gesamteinnahmen einzuführen. Verstärkt werden könnte die damit verfolgte Verringerung des Interessenkonfliktpotentials, wenn eine Beschränkung der mittels gleichzeitiger Beratung erzielbaren Einnahmen eingeführt würde. Anders als vertragliche und organschaftliche Interessenwahrer werden gesetzliche Interessenwahrer in der Regel von einem Gericht bestellt. Im Rahmen der Bestellung des Interessenwahrers hat dieses regelmäßig zu prüfen, ob der Interessenwahrer nicht mit einem (erheblichen) Interessenkonflikt belastet ist. In einigen Fällen ergibt sich dies ausdrücklich aus dem Gesetz (bspw. § 1897 Abs. 5 BGB), in anderen aus einer systematischen Zusammenschau mit anderen Vorschriften. Damit soll von vornherein vermieden werden, dass jemand zum Interessenwahrer bestellt wird, bei dem abzusehen ist, dass bestehende oder sich abzeichnende dauerhafte und erhebliche Interessenkonflikte eine angemessene Interessenwahrung verhindern. Hinsichtlich der Anforderung an die Intensität des Konflikts wird danach unterschieden, ob der „Geschäftsherr“ bzw. die für ihn handelnden Personen (insb. Eltern) den Interessenwahrer vorgeschlagen haben oder nicht. Im ersteren Fall sind die gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich der Interessenkonflikte großzügiger. Eignungsprüfungen gibt es zudem im Rahmen des Aufsichtsrechts. Dort werden Personen in verantwortlichen Stellungen darauf hin überprüft, ob sie zuverlässig und fachlich geeignet sind. Im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung sind auch (tätigkeitsbezogene) Interessenkonflikte in den Blick zu nehmen.
Abschnitt 3: Konfliktlösung
§ 14 Formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen I. Einleitung Bei konkreten punktuellen Interessenkonflikten, die sich (etwa durch Organisationspflichten) nicht vermeiden lassen und bei denen ein Verbot oder eine Mandatsniederlegung nicht im Interesse der Geschäftsherren wäre, bedarf es Regelungen für eine Konfliktlösung bei Aufrechterhaltung des Interessenwahrungsverhältnisses. Wesentliche Regelungen für die Konfliktlösung, die einen geringstmöglichen Eingriff in die Handlungsfreiheit des Interessenwahrers vornehmen, sind formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen. Diese kommen insbesondere (aber nicht nur) in Situationen in Betracht, in denen es nicht ausreichend Interessenwahrer gibt, um für jeden Geschäftsherrn eine konfliktlose Interessenwahrung sicherzustellen. Die betroffenen Interessenwahrer müssen es dann übernehmen, gleichzeitig mehrere miteinander kollidierende Interessen verschiedener Geschäftsherren zu wahren. Entsprechend sind solche Interessenkonflikte in ihrem Geschäftsmodell angelegt. Ein Beispiel dafür sind Banken mit ihren zahlreichen Kunden. Da jede Bank zahlreiche Kunden hat, wird es immer Kunden mit gegenläufigen Interessen geben, so dass selbst ein Wechsel der Bank regelmäßig keine Lösung für den betroffenen Kunden darstellt.
II. Regelung von Verteilungskonflikten 1.) Konflikte zwischen Interessen verschiedener Geschäftsherren auf derselben „Marktseite“ Formale Konfliktlösungsprinzipien dienen vor allem dem Umgang mit Konflikten zwischen Interessen verschiedener Geschäftsherren, die sich auf der gleichen Marktseite befinden (Verteilungskonflikte). Solche Interessenkonflikte entstehen dann, wenn der Interessenwahrer die Ansprüche seiner Geschäftsherren, deren Interessen in die gleiche Richtung gehen, nicht alle gleichzeitig erfüllen kann, weil die dafür zur Verfügung stehenden Ressourcen begrenzt sind. Beispiel hierfür ist etwa eine Emission von Wertpapieren, bei der die
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§ 14 Formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen
Nachfrage größer ist als das Angebot, d. h. die emissionsbegleitende Bank nicht ausreichend Wertpapiere zur Verfügung hat, um diese an die interessierten Anleger zu verteilen. Da der Interessenwahrer nicht alle Geschäftsherren befriedigen kann, würde es in einer solchen Situation zwangsläufig dazu kommen, dass er seine Pflicht gegenüber mindestens einem Geschäftsherrn verletzen muss. Ein solches Ergebnis ist jedenfalls dann nicht hinnehmbar, wenn das gleichzeitige Eingehen mehrerer Interessenwahrungsverhältnisse grundsätzlich volkswirtschaftlich sinnvoll ist und von der Rechtsordnung als zulässig angesehen wird, wie dies etwa bei Banken der Fall ist. Deren Geschäftsmodell ist darauf angelegt, eine Vielzahl von Kunden gleichzeitig zu bedienen. Das Paradebeispiel des Verteilungskonflikts ist jedoch das Insolvenzverfahren. Hier treffen die Interessen aller Gläubiger eines Schuldners aufeinander und sollen möglichst umfänglich befriedigt werden. Für die Lösung der dabei entstehenden Konflikte hält die Insolvenzordnung ein umfangreiches Regelungssystem bereit, das speziell auf diese Konflikte ausgerichtet ist. Da eine Behandlung aller dieser speziellen insolvenzrechtlichen Regelungen den Umfang dieser Untersuchung sprengen würde, sollen sie hier ausgeklammert werden. Hinzu kommt, dass im Fall des Insolvenzverwalters der große eigentliche Verteilungskonflikt bereits entstanden ist und er diesen nur vorfindet und nun lösen muss. Anders als bei Interessenwahrern, die mehrere Interessenvertretungen gleichzeitig übernehmen, trägt er zu der Entstehung dieses großen Verteilungskonflikts nicht selbst bei.1
2.) Überblick über die Lösungsmöglichkeiten Für die Lösung von Verteilungskonflikten bieten sich verschiedene Lösungen an. Zum einen kann auf das Prioritätsprinzip abgestellt werden.2 Danach haben die Interessen des Geschäftsherrn des zuerst eingegangenen Interessenwahrungsverhältnisses immer Vorrang.3 Denn bei Übernahme der zweiten Interessenvertretung kann der Interessenwahrer nicht mehr zusagen, als ihm aufgrund der bereits übernommenen Interessenvertretung überhaupt noch möglich ist, und dem Geschäftsherr ist dies bewusst (bzw. muss es bewusst sein), wenn er von dem ersten Interessenwahrungsverhältnis erfährt bzw. die Übernahme mehrerer Interessenwahrungsverhältnisse durch den Interessenwahrer üblich ist. Eine zweite Lösungsmöglichkeit besteht darin, die Entscheidung dem Interessenwahrer selbst zu überlassen.4 Dies würde sich an die Regelung in § 315 1 Interessenkonflikte des Insolvenzverwalters können diesen bestehenden Konflikt jedoch später verschärfen. 2 Dazu § 14 III. 3 Besonderheiten gelten für Dauer-Interessenwahrungsverhältnisse. Dazu § 14 III.4.). 4 Wiedemann, Organverantwortung, S. 29; Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 248; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 437.
II. Regelung von Verteilungskonflikten
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BGB anlehnen, wonach ein Vertragspartner, der die Leistung bestimmen darf, nach billigem Ermessen zu entscheiden hat. Eine solche Beschränkung wäre das Mindesterfordernis bei einer solchen Lösung. Eine dritte Lösungsmöglichkeit stellt darauf ab, im Rahmen welcher Tätigkeit der Interessenwahrer eine Information erhält. Erfährt er von einem Umstand, während er gerade nur für einen Geschäftsherrn tätig ist, so ist er zur Weitergabe an diesen Geschäftsherrn verpflichtet.5 An den anderen Geschäftsherrn dürfte er sie hingegen wegen seiner Schweigepflicht nicht weitergeben (z. B. für Vorstandsmitglieder § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG). Sofern der Interessenwahrer die Information erhält, ohne dass sie einer Tätigkeit für einen Geschäftsherrn zugeordnet werden kann, soll er verpflichtet sein, die Information beiden Geschäftsherren zukommen zu lassen.6 Bekleidet der Interessenwahrer eine unterschiedliche Stellung bei den verschiedenen Geschäftsherren, wie in dem Fall, dass ein Vorstandsmitglied einer Gesellschaft Mitglied im Aufsichtsrat einer anderen Gesellschaft ist, soll die Stellung als Vorstandsmitglied vorgehen.7 Besteht die Möglichkeit einer Teilung, das heißt, dass die Ansprüche der Geschäftsherren anteilig befriedigt werden könnten, bietet sich als vierte Lösung an, eine quotenmäßige Verteilung vorzunehmen. Schließlich ist noch die Lösung mittels Losentscheids denkbar. Die unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten eignen sich nicht in gleicher Weise für die verschiedenen Interessenwahrungsverhältnisse. So ist ein strenger Prioritätsgrundsatz für die Lösung von Konflikten aufgrund kollidierender organschaftlicher Interessenwahrungspflichten ungeeignet. Denn er würde eine effektive und vertrauliche Zusammenarbeit innerhalb der Organe behindern. Da viele Organmitglieder in mehreren Gesellschaften tätig sind, wäre in vielen Fällen immer ein Mitglied dabei, für das diese Gesellschaft die „zweite“ ist, für die es tätig wird. Eine tätigkeitsbezogene Zuordnung eignet sich wiederum nicht für Interessenwahrungsverhältnisse, wie etwa das Kommissionsverhältnis, bei denen ein einzelner Interessenwahrer in immer gleicher Weise für verschiedene Geschäftsherren tätig wird. Die Lösungsmöglichkeiten müssen sich daher nach der Beschaffenheit der Interessenwahrungsverhältnisse richten. Näher untersucht werden im Folgenden das Prioritätsprinzip (unter III.) sowie der Gleichbehandlungsgrundsatz und die quotenmäßige Verteilung (unter IV.)
GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 150; Weisser, Corporate Opportunities, S. 188. GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 150; Weisser, Corporate Opportunities, S. 190. 7 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 150; a.A. Weisser, Corporate Opportunities, S. 190. 5
6
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§ 14 Formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen
III. Prioritätsprinzip Das Prioritätsprinzip („prior tempore potior iure“) 8 kann herangezogen werden, wenn eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Interessenwahrungsverhältnissen anhand des Zeitpunktes ihrer Eingehung möglich ist und sich daher eine zeitliche Reihen- oder Rangfolge ermitteln lässt.9 Dieses Prinzip, bei dem es sich um ein allgemeines Rechtsprinzip handelt, konkretisiert den Gedanken, dass niemand mehr Rechte übertragen kann, als er selbst hat.10 Es spielt vor allem dort eine Rolle, wo aufgrund begrenzter Ressourcen nicht alle, die auf diese Ressourcen zugreifen möchten, befriedigt werden können.11 Die „zeitliche“ Priorität bestimmt, dass derjenige, der als erster sein Interesse artikuliert oder einen Auftrag erteilt hat etc., gegenüber später auftretenden Geschäftsherren privilegiert wird. Ausschlaggebend ist allein der Zeitpunkt, zu dem die Beauftragung erfolgt ist12 . Insbesondere im Wertpapierhandel wird die zeitliche Priorität noch um die „inhaltliche“ Priorität13 ergänzt bzw. von dieser überlagert: Vorrang hat danach derjenige Auftrag, der nach der Marktsituation zuerst erledigt werden kann, auch wenn er zeitlich später erteilt wurde14 und sich dadurch die Ausführungsbedingungen für den ersten Auftrag verschlechtern.15 Das Prioritätsprinzip ermöglicht es dem Interessenwahrer, Interessenkonflikte aufgrund konkurrierender Kundenaufträge zu beherrschen Allgemein dazu Staudinger/Wiegand, BGB, § 1209 Rdnr. 1; Neuner, AcP 203 (2003),
8
46. 9 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31c Rdnr. 4; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Krüger, HGB, § 384 Rdnr. 11; Heymann/Herrmann, HGB, § 384 Rdnr. 11; KölnKommWpHG/Möllers, § 31 Rdnr. 139; Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 WpHG Rdnr. 61; Staub/Koller, HGB, § 384 Rdnr. 45; Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 139; Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 26b, 32; Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 226 f.; Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 485; K. Schmidt, Handelsrecht, § 31 IV 1a (S. 873 f.); Sethe, Vermögensverwaltung, S. 808; Koller, BB 1978, 1733, 1735; Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 918 f. Dies als Instrument der Konfliktvermeidung ansehend Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 63, 89; Sethe, Vermögensverwaltung, S. 808. 10 Nemo plus iuris ad alium transferre potest quam ipse habet, Dig 50 17 54 (Ulpian); siehe auch Mot. I, S. 275 = Mugdan I, S. 505; Preuß. ALR Einl. §101. 11 So kann etwa der Schuldner, der mehreren die Übereignung einer bestimmten Sache schuldet, diese nur einmal wirksam übereignen, §§ 873, 929 ff. BGB. 12 Vgl. dazu (im Zusammenhang mit Pfandrechten) BGHZ 52, 99, 107 f.; 86, 340, 347; 93, 71, 76. Außerdem Neuner, AcP 203 (2003), 46, 48. 13 Dazu MünchKommHGB/Ekkenga, Effektengeschäft, Bd. 5, 2. Aufl., Rdnr. 518. 14 Z. B. wird eine Marketorder vor einer Limitorder ausgeführt, wenn letztere mit einem bestimmten Limitpreis versehen ist, der noch nicht erreicht worden ist. Dazu Assmann/ Schneider/Koller, WpHG, § 31c Rdnr. 4; KölnKommWpHG/Möllers, § 31 Rdnr. 140; MünchKommHGB/Ekkenga, Effektengeschäft, Bd. 5, 2. Aufl., Rdnr. 518 f. (sofortige Durchführbarkeit ist das oberste Kriterium). 15 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31c Rdnr. 4; MünchKommHGB/Ekkenga, Effektengeschäft, Bd. 5, 2. Aufl., Rdnr. 518.
III. Prioritätsprinzip
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und dabei „neutral“ zu bleiben.16 Es kann sowohl auf einzelne punktuelle Interessenwahrungsverhältnisse als auch auf Dauer-Interessenwahrungsverhältnisse angewendet werden.
1.) Ökonomische Bedeutung Ökonomisch ist das Prioritätsprinzip sinnvoll, weil es den Einzelnen dazu motiviert, möglichst schnell allgemein erwünschte Handlungen vorzunehmen, wie z. B. Investitionen zu tätigen, die Rechtslage zu klären, einen Schuldner zu überwachen etc.17 Ein Interessenwahrer, der sich strikt an die Reihenfolge der Aufträge hält, greift nicht in die Verteilung der Chancen zwischen seinen Geschäftsherren ein.18 Denn diese Verteilung gleicht dann derjenigen, die erfolgen würde, wenn die Geschäftsherren zu den jeweiligen Zeitpunkten selbst handeln würden. Außerdem schützt die Anwendung des Prioritätsprinzips das Vertrauen der Beteiligten in den Bestand der von ihnen erlangten Positionen. Würden diese dagegen durch neue Positionen „jüngerer“ Geschäftsherren beeinträchtigt werden können, würde dies zu einem Vertrauensverlust führen.19 Dieser Vertrauensverlust würde sich wiederum nachteilig auf die Vornahme von Investitionen, Leistung von Diensten etc. auswirken, was die Volkswirtschaft beeinträchtigen würde. Eine strenge Anwendung des Prioritätsprinzips verhindert schließlich, dass der Verdacht entsteht, dass bestimmte Kunden oder Kundengruppen bevorzugt werden.20 Dementsprechend sind Ausnahmen vom Prioritätsprinzip, die nicht evident sind,21 grundsätzlich ausdrücklich zu regeln.
2.) Rechtliche Verankerung Das Prioritätsprinzip ist in einer Vielzahl von Rechtsgebieten gesetzlich verankert. Beispielhaft erwähnt seien nur die Auslobung, das Pfandrecht, 22 die Zwangsvollstreckung 23 und das Handelsrecht. Diesbezüglich finden sich 16 Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 227. Vgl. auch MünchKommHGB/Ekkenga, Effektengeschäft, Bd. 5, 2. Aufl., Rdnr. 517. 17 Siebert, Prioritätsprinzip, S. 175; Neuner, AcP 203 (2003), 46, 72; Stürner, ZZP 99 (1986), 291, 324. 18 Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 WpHG Rdnr. 61. 19 Vgl. dazu Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, S. 723 (Möglichkeit der Bevorzugung Einzelner verringert Nutzen der Vermögensverwaltung für die Kunden ex ante wegen der nicht abschätzbaren Unsicherheit). 20 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 89. 21 Etwa wenn zwei Geschäftsherren zur exakt gleichen Zeit ihren Auftrag geben. 22 Siehe dazu etwa BGHZ 52, 99, 107 f.; 86, 340, 347; 93, 71, 76; Staudinger/Wiegand, BGB, § 1209 Rdnr. 1 ff. 23 Zum Prioritätsgrundsatz in der (Einzel-)Zwangsvollstreckung z. B. Siebert, Prioritätsprinzip, S. 3 ff.; Stürner, ZZP 99 (1986), 291, 322 ff.
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etwa in § 659 Abs. 1 BGB, § 1209 BGB oder für die Zwangsvollstreckung z. B. in § 804 Abs. 3 ZPO, § 11 Abs. 2 ZVG, §§ 17, 45 GBO, § 879 BGB und für das Handelsrecht etwa in § 30 HGB Regelungen, die das Prioritätsprinzip verankern.24 Das Prioritätsprinzip gewährleistet, wie z. B. an § 519 Abs. 2 BGB zu sehen ist,25 eine Art Bestandsschutz, indem länger bestehende Ansprüche begünstigt werden. Auch für die Lösung von Interessenkonflikten im Rahmen von Interessenwahrungsverhältnissen kann das Prioritätsprinzip herangezogen werden, sofern es sich dabei um Verteilungskonflikte zwischen mehreren Fremdinteressen handelt. In diesen Fällen tritt der Interessenwahrer jeweils an die Stelle seiner (mehreren) Geschäftsherren, sodass es zu einer Internalisierung der zwischen den Geschäftsherren bestehenden Konkurrenzsituation kommt. Interessenkonflikte des Interessenwahreres entstehen in dieser Situation dann, wenn seine zeitlichen, personellen oder strukturellen Ressourcen nicht ausreichen, um seine Pflichten gegenüber mehreren Geschäftsherren zu erfüllen.26 Dies ist etwa der Fall, wenn nicht alle Aufträge zu einem Vertragsgegenstand zu den gleichen Bedingungen ausgeführt werden können.27 a.) Rechtliche Verankerung im Fall der Kommission Wesentliche Bedeutung hat das Prioritätsprinzip insbesondere bei der Kommission. Eine ausdrückliche rechtliche Regelung gibt es im Kommissionsrecht dazu jedoch nicht. Als Begründung für seine Geltung wird daher auf das allgemein anerkannte Prinzip „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ bzw. „first come, first served“ verwiesen. Zum Teil wird das Prioritätsprinzip – etwa im Zusammenhang mit der Kommission – als „normaler Geschäftsgang“ bezeichnet.28 Abweichungen vom „normalen Geschäftsgang“ kämen nicht in Frage, weil der Kommissionär allen Kommittenten in gleichem Maße zur Interessenwahrung verpflichtet ist29 und der ältere Kommittent die „besseren Rechte“ habe30 . Eine weitere Begründung lautet, dass jeder damit rechnen müsse, dass ein anderer Kommittent schon vor ihm eine Order erteilt hat.31 24 Zu weiteren Verankerungen des Prioritätsprinzips im Privatrecht ausführlich Neuner, AcP 203 (2003), 46, 49 ff.; für die Zwangsvollstreckung außerdem z. B. Stürner, ZZP 99 (1986), 291, 322 f. 25 Nach § 519 Abs. 2 BGB gilt, dass im Fall der Notbedarfseinrede bei mehreren Schenkungsversprechen der früher entstandene Anspruch vorgeht. 26 Löhnig, Treuhand, S. 371. 27 Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 84. 28 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 485. 29 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 485. 30 K. Schmidt, Handelsrecht, § 31 IV 1 a (S. 873 f.). 31 Staub/Koller, HGB, § 384 Rdnr. 45; siehe auch Heymann/Herrmann, HGB, § 384 Rdnr. 11. Ein Abweichen vom Prioritätsprinzip, um die Geschäftsherren gegeneinander auszuspielen, sodass sie einander überbieten, ist vertragswidrig. Siehe K. Schmidt, Handelsrecht, § 31 IV 1a (S. 874).
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Eindeutiger begründen lässt sich die Geltung des Prioritätsprinzips mit den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Kommissionär und Kommittent. Aufgrund der besonderen Situation bei der Kommission ist der Einstandswille des Kommissionärs begrenzt; denn es hängt von der Marktsituation ab, wie viele Stücke einer bestimmten Gattung innerhalb eines bestimmten Zeitraums gehandelt werden und somit dem Kommissionär zur Verfügung stehen.32 Dies kann der Kommissionär weder vorhersehen noch beeinflussen. Dementsprechend kann auch ein späterer Kommittent, wenn die Annahme mehrerer Kommittenten üblich ist, vom Kommissionär nur erwarten, dass sich dieser ihm gegenüber insoweit verpflichten möchte, als er dadurch nicht seine Verpflichtungen gegenüber früheren Kommittenten verletzt.33 Dieser begrenzte Rechtsbindungs- und Einstandswille des Kommissionärs, der auch für andere Kommittenten tätig ist, ist offenkundig und damit auch für den „neuen“ Kommittenten zu erkennen; daher kann dieser die Willenserklärung des Kommissionärs beim Vertragsschluss auch nur so verstehen, §§ 133, 157 BGB.34 Haben Kommissionär und Kommittent daher keine besondere, hiervon abweichende, Vereinbarung getroffen, wird daher in diesem Fall der Anspruch des letzteren auf die Wahrnehmung seiner Interessen regelmäßig durch die Interessenwahrungspflicht des Kommissionärs gegenüber den anderen Geschäftsherren begrenzt.35 b.) Übertragung auf andere vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse Diese für die Kommission geltende Begründung des Prioritätsprinzips lässt sich auf andere Interessenwahrungsverhältnisse, bei denen es um Verteilungskonflikte geht, übertragen.36 Aufgrund der Beschaffenheit von Interessenwahrungsverhältnissen, bei denen sich oft erst im Laufe der Zeit herausstellt, was für die Interessenwahrung erforderlich ist, weiß der Interessenwahrer bei Vertragsschluss häufig nicht, in welchem Umfang für ihn Pflichten aus diesem Interessenwahrungsverhältnis (sowie anderen von ihm eingegangenen Interessenwahrungsverhältnissen) entstehen und auf welche Ressourcen außerhalb seines Einflussbereichs er zurückgreifen kann. Risiken, die er weder beeinflussen Löhnig, Treuhand, S. 387. Koller, BB 1978, 1733, 1735 (in Ausnahmesituationen müsse der Kommissionär allerdings aufklären oder die Übernahme der Kommission ablehnen). Vgl. auch mit Bezug zum Vermögensverwalter Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, S. 723 und S. 724. 34 Löhnig, Treuhand, S. 387. 35 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, S. 723 (in Bezug auf Vermögensverwalter). 36 Für die Lösung bei Dauer-Interessenwahrungsverhältnissen ist das Prioritätsprinzip ungeeignet. Jedenfalls kann nicht auf die Eingehung des Gesamtverhältnisses abgestellt werden. Andernfalls müsste immer wieder derselbe Geschäftsherr bevorzugt werden, der als erster das Dauerverhältnis mit dem Interessenwahrer eingegangen ist. Herangezogen werden kann das Prioritätsprinzip aber für punktuelle Sachverhalte innerhalb dieses Verhältnisses (siehe dazu unter § 14 III.4.). 32 33
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noch beherrschen kann, wird ein Interessenwahrer regelmäßig nicht übernehmen wollen. Dementsprechend wird er – wie der Kommissionär – ein Interessenwahrungsverhältnis in der Regel nur dann eingehen, wenn er Ansprüche nur soweit erfüllen muss wie ihm dies angesichts bereits zuvor entstandener Ansprüche anderer Geschäftsherren möglich ist.37 Dieser insofern beschränkte Bindungswillen ist dem Geschäftsherrn regelmäßig bewusst. Denn er kann ihn entweder aus den Umständen entnehmen, weil es üblich ist, dass Interessenwahrer dieser Art auch die Interessen anderer Geschäftsherren wahrnehmen, oder weil er weiß, dass „sein“ Interessenwahrer auch für andere Geschäftsherren tätig ist.38 Darüber hinaus hat er in vielen Fällen, auch wenn er grundsätzlich möchte, dass der Interessenwahrer seine Interessen vor anderen fördert, doch ebenfalls ein Interesse daran, dass der Interessenwahrer seine Dienstleistungen auch für andere erbringt. Denn oftmals ergeben sich erst dadurch besondere Größenvorteile für den Interessenwahrer, die dann – etwa in Form niedrigerer Entgelte – den Geschäftsherren zugutekommen.39 Entsprechend ist der Vertrag zwischen dem Geschäftsherrn und dem Interessenwahrer nach §§ 133, 157 BGB dahingehend auszulegen, dass sie sich vertraglich auf die Geltung des Prioritätsprinzips geeinigt haben. Will der Geschäftsherr dies ausschließen, muss er mit dem Interessenwahrer eine diesbezügliche ausdrückliche Abrede treffen. Entsprechend kann das Prioritätsprinzip überall dort herangezogen, wo ein Interessenwahrer die Ansprüche mehrerer Geschäftsherren, die miteinander konkurrieren, erfüllen muss und dafür nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung hat; dies gilt insbesondere wenn es um die Beschaffung bzw. Vermittlung nur begrenzt vorhandener Dienstleistungen, Waren oder generell Geschäftschancen geht, deren Menge der Interessenwahrer nicht beeinflussen kann, wie dies etwa beim Kommissionär, Abschlussmakler oder Testamentsvollstrecker vorkommt.40 c.) Der Prioritätsgrundsatz im WpHG Für Kommissionsgeschäfte aber auch andere Dienstleistungen, die in den Anwendungsbereich des WpHG fallen, ist der Prioritätsgrundsatz in § 31c Abs. 1 Nr. 2 WpHG aufsichtsrechtlich verankert. Danach hat ein Wertpapierhandels unternehmen Vorkehrungen zu treffen, um vergleichbare Kundenaufträge nach der Reihenfolge ihres Eingangs auszuführen. Allerdings steht diese aufsichtsrechtliche Verpflichtung unter dem Vorbehalt „vorherrschender Marktbedingungen oder eines anderweitigen Interesses des Kunden“. Der Gesetzge Löhnig, Treuhand, S. 396. Löhnig, Treuhand, S. 397. 39 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, S. 723 (für die Vermögensverwaltung). 40 Löhnig, Treuhand, S. 399. 37
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ber hat damit in einem gewissen Umfang Abweichungen von der zeitlichen Rangfolge ausdrücklich zugelassen und das Erfordernis einer „inhaltlichen Priorität“ berücksichtigt.
3.) Geltungsgrund im Fall gesetzlicher Interessenwahrungsverhältnisse Auch im Rahmen gesetzlicher Interessenwahrungsverhältnisse kann das Prioritätsprinzip zum Umgang mit Interessenkonfliktsituationen angewendet werden. In diesem Fall kann allerdings nicht auf den Willen der Beteiligten und ihre vertragliche Vereinbarung abgestellt werden. Denn gesetzliche Interessenwahrer übernehmen ihre Interessenwahrungspflicht nicht im Rahmen eines Rechtsgeschäfts. Die Geltung des Prioritätsprinzips kann jedoch aus den gesetzlichen Regelungen und Wertungen abgeleitet werden, die den gesetzlich begründeten Interessenwahrungsverhältnissen zugrunde liegen.41 Soweit es um Ereignisse, Leistungen, Ressourcen etc. geht, die weder der „Geschäftsherr“ noch der Interessenwahrer beeinflussen können, kann der „Geschäftsherr“, für den ein (gesetzlicher) Interessenwahrer bestellt worden ist, nicht allein wegen der Einschaltung eines Interessenwahrers besser gestellt werden, als er stünde, wenn er selbst für sich handeln würde.42 Wenn er selbst für sich handelte, würde er das Risiko tragen, mit seinem Handeln keinen Erfolg zu haben, weil ein anderer vor ihm an der Reihe war. In gleicher Weise muss er auch das Risiko tragen, dass sein Interessenwahrer keinen Erfolg hat, weil dieser später an die Reihe kommt als ein anderer. Denn der Interessenwahrer tritt an die Stelle des „Geschäftsherrn“. Er soll nicht die bestehenden Risiken besser beherrschen können.43 Übernimmt nun der Interessenwahrer die Interessenwahrung mehrerer „Geschäftsherren“, so tritt er jeweils an die Stelle des jeweiligen „Geschäftsherrn“. Soweit diese, handelten sie für sich selbst, hinter einem anderen zurückstehen müssten, müssen sie dies auch tun, wenn sie und der andere von demselben Interessenwahrer vertreten werden. Denn dieser kann ihre Interessen nur in der Reihenfolge wahrnehmen, wie die „Geschäftsherren“ es tun würden, würden sie selbst für sich handeln.44 Zeitlich später entstehende Verpflichtungen des Interessenwahrers gegenüber einem „Geschäftsherrn“ entstehen mit der inhaltlichen Beschränkung, dass sie hinter bereits bestehenden Verpflichtungen gegenüber anderen „Geschäftsherren“ zurückstehen müssen, nicht aber umgekehrt. Denn andernfalls würde die Rechtsposition des „Geschäftsherrn“, demgegenüber der Interessenwahrer zeitlich früher verpflichtet wurde, eingeschränkt werden.45 Dies würde sich mit Löhnig, Treuhand, S. 397. Dazu und zum Folgenden Löhnig, Treuhand, S. 397 f. 43 Löhnig, Treuhand, S. 400. 44 Zum Vorangehenden Löhnig, Treuhand, S. 398. 45 Vgl. Löhnig, Treuhand, S. 398. 41
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der rechtlichen Wertung nicht vereinbaren lassen, dass der Interessenwahrer an die Stelle des „Geschäftsherrn“ tritt und dessen Interessen wahrzunehmen hat, wie dieser selbst es tun würde. Denn in diesem Fall würden sich spätere Verpflichtungen zu Lasten früher entstandener Verpflichtungen auswirken, die gegenüber Dritten bestehen, die an dem späteren Rechtsverhältnis nicht beteiligt sind.46
4.) Bestimmung des für das Prioritätsprinzip relevanten Zeitpunkts Das Prioritätsprinzip knüpft an die Entstehung der konkreten Verpflichtung an. Im Fall eines punktuellen Interessenwahrungsverhältnisses ist dies der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, weil in diesem Zeitpunkt die Pflicht des Interessenwahrers gegenüber dem Geschäftsherrn entsteht. Anders ist dies bei Interessenwahrungsverhältnissen, die auf eine gewisse Dauer eingegangen werden und für die daher ein Rahmenvertrag geschlossen wurde. Würde hier auf den Zeitpunkt der Eingehung des Interessenwahrungsverhältnisses abgestellt werden, müsste immer wieder derselbe Geschäftsherr bevorzugt werden, der als erster das Dauer-Interessenwahrungsverhältnis abgeschlossen hat.47 Das aber würde in vielen Fällen das Geschäftsmodell des Interessenwahrers untergraben, denn eine konstante Benachteiligung „jüngerer“ Geschäftsherren würde diese zur Abwanderung bewegen und damit für den Interessenwahrer ökonomisch negative Folgen haben. Sachgerechter ist es daher, auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem ein konkretes Geschäft in Auftrag gegeben wird und somit die konkrete Pflicht entsteht.48 Der Interessenwahrer hat mithin den Anspruch desjenigen Geschäftsherrn als erstes zu erfüllen, der zuerst eine entsprechende Weisung im Rahmen des Dauer-Interessenwahrungsverhältnisses erteilt.49 Denn die konkrete Pflicht des Interessenwahrers entsteht bei einem Dauerinteressenwahrungsverhältnis deshalb, weil er sich im Rahmenvertrag verpflichtet hat, den Weisungen des Geschäftsherrn zu folgen.50 Ein Befolgen ist ihm aber erst möglich, wenn der Geschäftsherr seine Weisung erteilt hat. Entsprechend konkretisiert sich seine Pflicht auch erst zu diesem Zeitpunkt. Anders sieht es hingegen aus, wenn der Interessenwahrer seine Interessenwahrungspflicht im Rahmen des Dauer-Interessenwahrungsverhältnisses selbständig konkretisieren und selbständig die Entscheidung über Vornahme eines Löhnig, Treuhand, S. 398. Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31 Rdnr. 40 (hinsichtlich der Vermögensverwaltung). 48 Löhnig, Treuhand, S. 391. 49 Vgl. Löhnig, Treuhand, S. 391. 50 Vgl. dazu nur Staudinger/Martinek, § 665 Rdnr. 1 (Weisungbindung folgt bereits unmittelbar aus der Interessenwahrungspflicht). 46 47
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bestimmten (punktuellen) Geschäfts treffen muss, wie dies z. B. im Rahmen der Vermögensverwaltung der Fall ist. In diesen Fällen ist das Prioritätsprinzip auch im Hinblick auf das einzelne Geschäft ungeeignet,51 denn es fehlt in diesem Fall regelmäßig an einem objektiven Maßstab, der zur Bestimmung der Priorität herangezogen werden kann.52
5.) Pflicht zur „ranggerechten“ Erfüllung und ihre Grenzen Da der „neue“ Geschäftsherr den beschränkten Verpflichtungswillen des Interessenwahrers kennt bzw. kennen muss,53 stellt die vorrangige Erfüllung einer früher begründeten Verpflichtung gegenüber einem „älteren“ Geschäftsherrn und die Zurückstellung der Verpflichtung gegenüber dem „neueren“ Geschäftsherrn grundsätzlich keine Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB dar.54 Denn der Interessenwahrer schuldet insofern keine unbedingte, sondern nur eine „ranggerechte“ Pflichterfüllung.55 Der Interessenwahrer ist aber weiterhin zur Wahrung der Interessen seiner Geschäftsherren verpflichtet. Kann er seine Verpflichtung nicht erfüllen – etwa, weil der Vertragsgegenstand solcher Art ist, dass nicht alle Geschäftsherren diesen erhalten können, oder eine Pflichterfüllung sehr lange dauern würde oder ihre Erfolgschancen sehr gering wären, weil er sich bereits gegenüber vielen „älteren“ Geschäftsherren verpflichtet hat – muss er daher den potentiellen „neuen“ Geschäftsherrn über die Situation vorab aufklären.56 Dann kann dieser entscheiden, ob er unter diesen Umständen tatsächlich den Interessenwahrer beauftragen will. Kann der Interessenwahrer absehen, dass die Pflichterfüllung unzumutbar lang dauern würde oder nur unzumutbar geringe Erfolgschancen hat, muss er von dem Geschäft Abstand nehmen.57 Die Reduzierung des Standards der Pflichterfüllung (nur „ranggerecht“) wird auf diese 51 Für die Vermögensverwaltung Sethe, Vermögensverwaltung, S. 808; a.A. Löhnig, Treuhand, S. 392. 52 Dann kann unter Umständen auf den Gleichbehandlungsgrundsatz zurückgegriffen werden – zu diesem siehe § 14 IV. 53 Siehe § 14 III.2.)a.) und § 14 III.2.)b.). 54 Löhnig, Treuhand, S. 392, ggf. muss er vorher allerdings den „neueren“ Kommittenten entsprechend benachrichtigen. Demgegenüber begeht der Interessenwahrer eine Pflichtverletzung, wenn er eine Vielzahl von miteinander konkurrierenden Pflichten verschiedener Geschäftsherren übernommen hat, deren Erfüllung er grundsätzlich voll beherrschen kann, aber er dennoch nicht alle erfüllen kann (Löhnig, Treuhand, S. 400). Denn grundsätzlich muss, wer Pflichten übernimmt, für ihre Erfüllung einstehen, auch wenn diese miteinander kollidieren (Mestmäcker, Verwaltung, S. 255). 55 Löhnig, Treuhand, S. 392. 56 Für eine Aufklärungspflicht etwa K. Schmidt, Handelsrecht, § 31 IV 1a (S. 873 f.); Löhnig, Treuhand, S. 392; Koller, BB 1978, 1733, 1735 (wenn Annahme mehrerer Kommittenten üblich, dann nur in Ausnahmesituationen); siehe auch Heymann/Herrmann, HGB, § 384 Rdnr. 11 (bei Konflikten durch zeitlich nachrangige Aufträge). 57 Löhnig, Treuhand, S. 392.
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Weise aufgewogen mit einer Aufklärungs- bzw. Abstandnahmepflicht, die verhindert, dass die Verringerung des Standards zu einer unangemessenen Beeinträchtigung der Interessen des betroffenen Geschäftsherrn führt. Solange sich allerdings die Anzahl der Geschäftsherren im Rahmen des Üblichen bewegt, ist eine zusätzliche Sicherung der Interessen des Geschäftsherrn nicht erforderlich und bedarf es daher keiner Aufklärungs- oder Abstandsnahmepflicht.58 Denn der Einschränkung seiner Interessen, die durch im Rahmen des Üblichen vorhandene „ältere“ Geschäftsherren entsteht, hat der „neuere“ Geschäftsherr im Rahmen des Vertragsschlusses bereits zugestimmt.
6.) Das Prioritätsprinzip und Eigeninteressen des Interessenwahrers Verbreitet wird vertreten, dass eine Interessenwahrungspflicht nicht zu einer pauschalen und generellen Bevorzugung aller Kundenaufträge verpflichtet, sondern dem Interessenwahrer auch Raum lasse, seine eigenen Interessen zu verfolgen.59 Der Interessenwahrer dürfe sich daher auch selbst in die Rangfolge aufnehmen und somit vom Prioritätsprinzip profitieren. Hier ist zu differenzieren. Zulässig sind in jedem Fall solche eigenen Geschäfte des Interessenwahrers, die besondere Bedeutung für die Allgemeinheit bzw. den Markt haben und ggf. sogar eine rechtliche Verankerung erfahren haben, wie dies etwa bei Geschäften von sog. Market Makern der Fall ist.60 Deren Geschäfte sollen den Handel in bestimmten Finanzinstrumenten aufrechterhalten und so die Allokationsfunktion des Marktes sicherstellen. Das Vertrauen in die Integrität der Market Maker wird in diesem Fall durch die besondere Handelsaufsicht der Börsen geschützt. Für den Wertpapierhandel allgemein ergibt sich aus § 31c Abs. 1 Ziff. 1 WpHG und § 10 Abs. 2 Satz 1 WpDVerOV, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht daran gehindert ist, neben Kundeninteressen auch eigene Handelsinteressen wahrzunehmen. Allerdings sind Eigengeschäfte und Aufträge von Dritten nicht gleichgestellt: Letztere sind nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpDVerOV gegenüber Eigengeschäften grundsätzlich61 zu bevorzugen. 58 Dies gilt insbesondere für das Massengeschäft. Zurückhaltender Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Krüger, HGB, § 384 Rdnr. 11 (Aufklärungspflicht nur, wenn Kommittent nicht mit anderen Kommittenten rechnen musste). Zuzustimmen ist allerdings Löhnig, Treuhand, S. 385, dem zufolge auch in diesem Fall eine Ausnahme gilt, „wenn die „Warteliste“ vorrangiger Kommittenten bereits unüblich lang ist und dadurch die Chance zur erfolgreichen und zügigen Durchführung des Auftrags unzumutbar niedrig wird“. 59 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 64; Löhnig, Treuhand, S. 392; Sethe, Vermögensverwaltung, S. 809; vgl. auch Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 139. Zu den positiven Auswirkungen des Eigenhandels auf dem Kapitalmarkt etwa Kümpel, WM 1993, 2025, 2027. 60 Siehe Z. B. § 23 Abs. 4, § 2a Abs. 1 Nr. 8 lit. c WpHG, aber auch genereller § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG. 61 Siehe die Ausnahme in § 10 Abs. 2 Satz 2 WpHG, wonach Eigengeschäftsaufträge
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Des Weiteren ist die Verfolgung von eigenen Interessen durch ein als Interessenwahrer tätiges Unternehmen auch außerhalb des Kapitalmarktrechts als zulässig anzusehen, wenn die bestmögliche Interessenwahrung sichergestellt ist und das Missbrauchsrisiko mit Hilfe einer entsprechenden Organisation – insbesondere der organisatorischen Trennung von Eigen- und Fremdgeschäften – verringert oder sogar ganz vermieden werden kann.62 In einem solchen Fall erhalten die für die Zulässigkeit von Eigengeschäften ins Feld geführten Argumente, wie insbesondere die Zuführung notwendiger Liquidität, die auch den Kunden zugutekommt, 63 mehr Gewicht. Für (einzelne) natürliche Personen, die als Interessenwahrer tätig sind, kann dieses Argument nicht unmittelbar herangezogen werden, weil bei ihnen vergleichbare organisatorische Vorkehrungen nicht möglich sind. Allerdings lässt sich dieses Argument insofern verallgemeinern, als die Verfolgung von eigenen Interessen immer dann als zulässig angesehen werden kann, wenn die Gefahr von Manipulationen und einer Schädigung des Geschäftsherrn gering oder sogar ausgeschlossen ist. 64 Bei schwächeren Interessenkonflikten mit geringen Manipulations- und Schädigungsgefahren genügt es, wenn diese unter Beachtung des grundsätzlich geltenden Vorrangs der Interessen des Geschäftsherrn gelöst werden.65 Denn grundsätzlich können Interessenwahrer und Geschäftsherr auch vereinbaren, dass der Interessenwahrer gleichzeitig für eigene Rechnung handeln darf; in diesem Fall gewichtet der Geschäftsherr seine Interessen geringer, um andere Vorteile, wie etwa niedrigere Kosten, zu erlangen.66 Eine bloße Information des Interessenwahrers, dass er möglicherweise auch für eigene Interessen tätig wird, reicht allerdings nicht aus. Denn der Geschäftsherr wird dann noch nicht unbedingt annehmen, dass der Interessenwahrer seine eigenen Interessen auch einmal vorrangig verfolgen wird.67 Wo hingegen eine größere Manipulationsgefahr besteht, muss zu der zeitlichen Priorisierung von Eigen- und Fremdinteressen zusätzlich auch eine inhaltliche Priorisierung dergestalt hinzukommen, dass der Interessenwahrer die für seine Geschäftsherren auszuführenden Geschäfte stets vor seinen eigenen Geanteilig zugeteilt werden können, wenn durch eine Zusammenlegung mit ihnen die Kundenorders überhaupt oder wesentlich vorteilhafter ausgeführt werden konnten. 62 Nach Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 64 liegt im Falle entsprechender organisatorischer Vorkehrungen schon kein Interesse vor, sodass sich die Frage der Priorität nicht mehr stellt. Ähnlich Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 232; Sethe, Vermögensverwaltung, S. 809. Vgl. dazu auch Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 912 f. 63 Z. B. Sethe, Vermögensverwaltung, S. 809. 64 Dazu Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 913 f. 65 Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 913, dort auch für Beispiele, wie etwa der Einzug von eigenen und Fremdforderungen durch ein Inkassounternehmen. 66 Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 909 (siehe dort auch zu den Grenzen solcher Vereinbarungen). 67 Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 910.
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schäften abzuwickeln hat. 68 So zeigen etwa die Praktiken des sog. Vor-, Mitoder Gegenlaufens (front running) 69 und Scalping70 , dass bei der Kommission im Wertpapierhandel ein besonderes Missbrauchsrisiko besteht.71 Will man daher in diesem Fall dem Interessenwahrer Eigengeschäfte nicht völlig verbieten, so lässt sich dieses Missbrauchsrisiko nur angemessen eindämmen, wenn der Interessenwahrer verpflichtet ist, Eigengeschäfte stets hinter die für seine Geschäftsherren auszuführenden Geschäfte (bezüglich gleicher Handelsgegenstände) zurückzustellen.72 Dies ergibt sich aus der Interessenwahrungspflicht, die den Interessenwahrer dazu verpflichtet, die Interessen des Geschäftsherrn bestmöglich zu wahren und eigene Interessen hintanzustellen.73 Ein zumindest zeitweise geltendes Abstandsnahmegebot hinsichtlich eigener Geschäfte des (Einzel-)Interessenwahrers wird verschiedentlich als eine zu große Beschränkung angesehen. Es soll ausreichen, dass im Einzelfall die Eigengeschäfte des Kommissionärs daraufhin kontrolliert werden, ob sie die Interessen des Kommittenten ausreichend wahren, und dass sie nach dem Prioritätsprinzip abgewickelt werden.74 Wollte man sich dem anschließen, was jedenfalls bei unentgeltlich handelnden Interessenwahrern, die also auch noch anderweitig tätig sein müssen, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, eine gewisse Berechtigung hat,75 müsste man das Missbrauchsrisiko zumindest mit Hilfe einer Beweislastumkehr eindämmen. Der Interessenwahrer muss danach beweisen, dass er sich an die Prioritätsregel gehalten hat; denn der Geschäftsherr Koller, BB 1978, 1733, 1737; ders., FS Piper, 1996, S. 899, 913. Front running umschreibt den Erwerb oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten in Kenntnis kursrelevanter Kundenaufträge bevor diese zur Ausführung gelangen, sodass der „front runner“ von der durch sie verursachten Kursbeeinflussung profitieren kann. Siehe dazu die Regelung in § 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 WpHG; dazu bereits § 9 IV 1,); außerdem etwa 34 f.; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 13 Rdnr. 3, 114, 167, § 14 BaFin, Emittentenleitfaden, S. Rdnr. 151 ff.; Schwark/Zimmer/Schwark/Kruse, KMRK, § 14 WpHG Rdnr. 33; Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 140 f.; Sethe, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 12 Rdnr. 31, 53; Hopt, FS Heinsius, 1991, S. 289, 294 f.; Kümpel, WM 1993, 2025, 2027 f. 70 Beim Scalping werden zunächst (meist marktenge) Finanzinstrumente auf eigene Rechnung gekauft und sodann anderen zum Kauf empfohlen. Durch die so hervorgerufene Nachfrage, steigt der Kurs dieser Finanzinstrumente und die Verursacher nutzen dies, um ihre vorher gekauften Finanzinstrumente nun mit Gewinn zu verkaufen. Siehe dazu die Regelung in § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV; BGH NJW 2004, 302; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 14 Rdnr. 154 ff.; Sethe, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 12 Rdnr. 31 mit Fn. 74; Kümpel, WM 1993, 2025, 2028. Scalping wird z. T. auch als Unterfall des Frontrunnings einordnet, siehe etwa Schwark/Zimmer/Schwark/Kruse, KMRK, § 14 WpHG Rdnr. 33; Assmann, WM 1996, 1337, 1345; Hopt, FS Heinsius, 1991, S. 289, 294; a. A. dagegen BGH NJW 2004, 302, 303. 71 Siehe etwa Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 229 ff. m.w.N. 72 Siehe auch Heymann/Herrmann, HGB, § 384 Rdnr. 11. 73 Siehe dazu oben § 3 V. 74 Roth, in: Assmann/Schütze, § 11 Rdnr. 139; krit. Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 905. 75 Bezüglich Interessenwahrern, die über die Interessenwahrung hinaus eine besondere Funktion für den Markt haben, siehe vorstehend. 68 69
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hat keinen Zugriff auf die Geschäftsunterlagen, aus denen sich die Reihenfolge ergibt, und kann daher ein Abweichen nicht beweisen.76 Eine solche Beweislast umkehr würde den Interessenwahrer weniger einschränken als ein zeitweises Wettbewerbsverbot.77
7.) Erlaubte Abweichungen vom Prioritätsprinzip Der Interessenwahrer darf vom Prioritätsprinzip abweichen, wenn er dadurch keinen seiner Geschäftsherren (per Saldo) benachteiligt und gleichzeitig für mindestens einen der Geschäftsherren Vorteile entstehen.78 Dies kann etwa der Fall sein, wenn die Zusammenlegung mehrerer Aufträge Synergieeffekte mit sich bringt,79 z. B. bessere Konditionen für größere Aufträge bzw. Mengenrabatte oder die Nutzung von Märkten, die erst ab einer bestimmten gehandelten Menge zugänglich sind80 . Vorteile, die der Interessenwahrer durch die Bündelung der Aufträge erzielt, muss er an seine Geschäftsherren weitergeben.81 Daher liegt eine solche Bündelung von Aufträgen regelmäßig im Interesse der Geschäftsherren, die von einer Senkung der Transaktionskosten profitieren.82 Dennoch sollten die betroffenen Geschäftsherren über die Möglichkeit einer Zusammenlegung von Aufträgen aufgeklärt werden,83 weil eine Zusammenlegung auch immer ein gewisses Risiko mit sich bringt, dass der Sammelauftrag nicht vollständig ausgeführt werden kann oder es zu Teil ausführungen mit unterschiedlichen Preisen kommt. Außerdem können für „frühere“ Geschäftsherren Nachteile entstehen, wenn die Bündelung die Auftragsausführung verzögert und daher ihre Aufträge zu einem ungünstigeren Zeitpunkt ausgeführt werden.84 Über diese begrenzte Möglichkeit einer Schlechterstellung „älterer“ Geschäftsherren hinaus ist eine weitergehende Löhnig, Treuhand, S. 392. Löhnig, Treuhand, S. 392 f. 78 Z. B. Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 915. 79 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 65 (dann Gleichbehandlungsgrundsatz); Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 232; Löhnig, Treuhand, S. 394; Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 914; siehe dazu auch Kienle, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 111 Rdnr. 23; Balzer, Vermögensverwaltung, S. 114; Staub/Koller, HGB, § 384 Rdnr. 47 (wenn Ausführung zum Börsenkurs oder die Bündelung zu keinen wesentlichen Kursänderungen führt); ders., BB 1978, 1733, 1735. 80 Vgl. Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 914. Hierzu zählen etwa außerbörsliche Handelssysteme, die nur für Anleger zugänglich sind, deren Order einen bestimmten Umfang, etwa 100.000 Euro, aufweisen. 81 Vgl. Staub/Koller, HGB, § 384 Rdnr. 45 Fn. 134 (Vorteile des gemeinsamen Ausführungsgeschäfts müssen allen Kommittenten anteilig zugute kommen). 82 Kienle, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 111 Rdnr. 23; vgl. dazu auch Balzer, Vermögensverwaltung, S. 114. 83 Siehe etwa auch § 10 Abs. 1 Nr. 2 WpDVerOV; MünchKommHGB/Ekkenga, Effektengeschäft, Bd. 5, 2. Aufl., Rdnr. 520. 84 Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 915. 76
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Aufweichung des Prioritätsprinzips abzulehnen.85 Dies ließe sich mit der Bindung des Interessenwahrers an die Interessen des Geschäftsherrn nicht vereinbaren.86 Dass eine begrenzte Schlechterstellung von Geschäftsherren grundsätzlich zulässig ist, ergibt sich aufsichtsrechtlich aus § 10 Abs. 1 Nr. 2 WpDVerOV. Zwar schreibt § 10 Abs. 1 Nr. 1 WpDVerOV ausdrücklich vor, dass eine Benachteiligung der betroffenen Kunden unwahrscheinlich sein muss. Aber die ebenfalls in § 10 Abs. 1 Nr. 2 WpDVerOV vorgesehene Aufklärung, dass eine Zusammenlegung nachteilig sein kann, wäre unnötig, wenn Benachteiligungen nicht auch grundsätzlich für möglich – und erlaubt – gehalten würden.87 Die Möglichkeit der Abweichung vom Prioritätsprinzip durch Zusammenlegung von Aufträgen, wie sie im Fall der Kommission für zulässig erachtet wird, 88 lässt sich auf andere Interessenwahrungsverhältnisse übertragen.89 Eine Bündelung von Aufträgen darf die Auftragsausführung nicht verzögern, sofern eine Bündelung nicht auch im Interesse des Geschäftsherrn ist (z. B. wenn nur bei einer Bündelung der Zugang zu einem besseren Markt möglich ist). Hier hat der Interessenwahrer seine Pflicht zur bestmöglichen Ausführung eines Auftrages zu beachten.90 Ist sichergestellt, dass keiner der Geschäftsherren durch die Auftragsbündelung benachteiligt wird, so sind die erzielten Vorteile auf sie zu verteilen. Dies ergibt sich aus § 667 Fall 2 BGB – für die Kommission aus § 384 Abs. 2 2. Hs. Fall 2 HGB –, wonach der Beauftragte alles, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben hat. Dies gilt auch dann, wenn der Geschäftsbesorger die Aufträge nicht durch jeweils passende Ausführungsgeschäfte einzeln erledigt, sondern die Aufträge gesammelt ausführt.91
85 Dagegen auch Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 65; MünchKommHGB/Ekkenga, Effektengeschäft, Bd. 5, 2. Aufl., Rdnr. 520; Löhnig, Treuhand, S. 394 Fn. 136; siehe aber etwa Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 232 (nach entsprechender Aufklärung). 86 MünchKommHGB/Ekkenga, Effektengeschäft, Bd. 5, 2. Aufl., Rdnr. 520. 87 Dies lässt sich auch mit § 33a WpHG vereinbaren, der die bestmögliche Ausführung von Kundenaufträgen vorsieht. Zum einen sieht § 33a Abs. 3 WpHG vor, dass sich im Fall von Privatkunden das bestmögliche Ergebnis am Gesamtentgelt orientieren soll. Insofern können anderweitige Benachteiligungen (etwa eine spätere Ausführung) hingenommen werden, wenn die Transaktionskosten durch einen Sammelauftrag verringert werden. Zum anderen sieht § 33a Abs. 2 WpHG vor, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Kriterien zur bestmöglichen Auftragsausführung gewichten soll. Entsprechend können auch hier kleine negative Abweichungen bei einem Kriterium durch positive Abweichungen bei einem anderen Kriterium aufgewogen werden. 88 Siehe die Verweise in Fn. 79. 89 Löhnig, Treuhand, S. 394. 90 Siehe zu den Einflussfaktoren für diese Entscheidung im Fall von Wertpapierdienstleistungsunternehmen § 33a Abs. 2 und Abs. 3 WpHG. 91 Dalwigk zu Lichtenfels, Effektenkommission, S. 38.
IV. Gleichbehandlungsgrundsatz und Pro rata Verteilung
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IV. Gleichbehandlungsgrundsatz und Pro rata Verteilung Nicht in allen Fällen kann der Prioritätsgrundsatz eine Konfliktlage befriedigend lösen. In diesen Fällen kann unter Umständen auf den Gleichbehandlungsgrundsatz zurückgegriffen werden. Dieser verbietet allerdings nur die sachlich nicht gerechtfertigte willkürliche Ungleichbehandlung, er zielt nicht auf eine schematische oder formale Gleichstellung der Gleichzubehandelnden ab.92
1.) Beschränkte Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes Bisher ist der Gleichbehandlungsgrundsatz jedoch nur in bestimmten Bereichen anerkannt,93 etwa im Arbeitsrecht,94 im Gesellschaftsrecht95 und im Kapitalmarktrecht. Gesetzlich verankert ist er z. B. in § 53a AktG und § 30a Abs. 1 Nr. 1 WpHG. Nach § 53a AktG hat eine Aktiengesellschaft Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln. Nach § 30a Abs. 1 Nr. 1 WpHG haben die Emittenten von Finanzinstrumenten die Inhaber ihrer zugelassenen Wertpapiere unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln. Für Wertpapierhandelsdienstleistungsunternehmen wird aus § 31 Abs. 1 WpHG abgeleitet, dass sie Kunden nicht ohne sachlichen Grund gegenüber anderen Kunden bevorzugen dürfen.96 Unabhängig von einem bestehenden Rechtsverhältnis gilt für marktbeherrschende Unternehmen eine Gleichbehandlungspflicht nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 GWB. Ansonsten gibt es im Zivilrecht grundsätzlich keine generelle Pflicht zur Gleichbehandlung verschiedener Geschäftsherren.97 Denn es besteht – zumindest vor Vertragsschluss – normalerweise kein Abhängigkeitsverhältnis98 92 MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer, § 705 Rdnr. 245; G. Hueck, Grundsatz, S. 179 ff., insb. 182 ff.; siehe auch Balzer, Vermögensverwaltung, S. 116. 93 Hopt, FS Steindorff, 1990, S. 341, 373. 94 Siehe z. B. Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 18 (S. 193 ff.); L. Raiser, ZHR 111 (1948), 75, 84 ff. 95 Siehe z. B. MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer, § 705 Rdnr. 244 ff.; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, passim; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II 4 b (S. 462 ff.), § 28 I 2 (S. 798 f.); Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 427 ff.; L. Raiser, ZHR 111 (1948), 75, 81 ff. 96 Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 WpHG Rdnr. 62 (mit Verweis auf die entsprechende Aussage in Teil B 3. Teil der Richtlinie des BAWe gem. § 35 Abs. 6 WpHG zur Konkretisierung der §§ 31 und 32 WpHG für das Kommissionsgeschäft, den Eigenhandel für andere und das Vermittlungsgeschäft der Wertpapierdienstleistungsunternehmen vom 23.8.2001, deren Aufhebung dieses Verständnis unberührt lasse). 97 Schäfer, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 23 Rdnr. 40; Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, S. 728; Sethe, Vermögensverwaltung, S. 803; Kübler, ZHR 145 (1981), 204, 210 f.; grundlegend L. Raiser, ZHR 111 (1948), 75 ff.; G. Hueck, Grundsatz, insb. S. 22. 98 Zu diesem Ansatz als Begründung für eine Gleichbehandlung etwa L. Raiser, ZHR 111 (1948), 75, insb. 91 f., 94.
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zwischen dem Interessenwahrer und dem Geschäftsherrn.99 Auch besteht zwischen verschiedenen Geschäftsherren, die individuell betreut werden, in der Regel kein Gemeinschaftsverhältnis.100 Außerdem kann es wirtschaftlich sinnvoll sein, zwischen verschiedenen Geschäftsherren nach Art und Umfang der Kundenbeziehung zu unterscheiden, sodass ein Interessenwahrer nicht alle Geschäftsherren nach rein quantitativen Kriterien mechanisch gleich behandeln muss.101
2.) Gleichbehandlungspflicht des Interessenwahrers Die grundsätzliche Möglichkeit des Interessenwahrers, Geschäftsherren unterschiedlich zu behandeln, wird durch seine Interessenwahrungspflicht gegenüber dem einzelnen Geschäftsherrn begrenzt. Diese kann sich im Fall konkurrierender Interessen verschiedener Geschäftsherren zu einer Gleichbehandlungspflicht verfestigen.102 Insbesondere bei Verteilungskonflikten ist dies möglich.103 a.) Keine Rechtfertigung mittels Vergleichs mit beschränkten Gattungsschulden Nicht gerechtfertigt werden kann dies allerdings mit einem Vergleich mit beschränkten Gattungsschulden, bei denen der Vorrat aufgrund späterer Ereignisse plötzlich nicht mehr ausreicht.104 Das Argument für einen solchen Vergleich lautet, dass sich die Gläubiger im Fall der begrenzten Gattungsschulden in einer Interessengemeinschaft befänden, die den Schuldner zu einer gleichmä99 Schäfer, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 23 Rdnr. 40; Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, S. 722 (im Hinblick auf das Verhältnis Kunde – Vermögensverwalter); desgleichen Ulmer, Vertragshändler, S. 389 f. (für das Verhältnis Hersteller – Vertragshändler). 100 Benicke, Wertpapiervermögensvermögensverwaltung, S. 722 (im Hinblick auf das Verhältnis Kunde – Vermögensverwalter); desgleichen Ulmer, Vertragshändler, S. 389 f. (für das Verhältnis Hersteller – Vertragshändler). Zu diesem Begründungsansatz für eine Gleichbehandlung – der sich bisher jedoch nicht durchgesetzt hat – G. Hueck, Grundsatz, insb. S. 149 ff. (Interessengemeinschaft), 222 ff. (Gemeinschaftsverhältnis). 101 Schäfer, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 23 Rdnr. 40 (bzgl. Vermögensverwalter). 102 Schäfer, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 23 Rdnr. 40; vgl. etwa auch Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, S. 724. Durch die Gleichbehandlung aller Geschäftsherren ist der Interessenwahrer in der Lage zu gewährleisten, dass er seine Interessenwahrungspflicht nicht wegen Bevorzugung einzelner Kunden gegenüber den anderen verletzt. Siehe Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, S. 724 f. 103 Siehe etwa Kienle, in: Schimansky/Bunte/Lwowsk, Bankrechts-Hdb, § 111 Rdnr. 26b, 68a, 73; Schneiders, Anlegerschutz, S. 51 f. 104 Siehe aber Schneiders, Anlegerschutz, S. 51; siehe auch schon Dalwigk zu Lichtenfels, Effektenkommission, S. 36 f. (diesen Ansatz allerdings letztlich verwerfend).
IV. Gleichbehandlungsgrundsatz und Pro rata Verteilung
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ßigen Kürzung verpflichte.105 Bei der Kommission bestehe eine vergleichbare Situation, wenn der Kommissionär mehrere Kommittenten gleichzeitig bedienen müsse. Denn auch der Kommissionär müsste bei Ausführung eines Teils der Aufträge die anderen Aufträge benachteiligen. Gegen einen solchen Vergleich spricht jedoch, dass der Interessenkonflikt zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten eintritt. Im Fall der beschränkten Gattungsschulden entsteht der Konflikt erst nachträglich, während er im Fall der Vereinbarung mehrerer Kommissionen von vornherein besteht.106 Auch ergeben sich aus der unterschiedlichen „Struktur“ von Kaufvertrag und Geschäftsbesorgung unterschiedliche Anforderungen an den Verkäufer und an den Geschäftsbesorger bzw. Kommissionär: Während der erstere dazu verpflichtet ist, eine „neutrale“ Leistung zu erbringen, die sich beliebig zuordnen lässt, hat der letztere „die individuellen Interessen der Kommittenten mit allen zumutbaren Mitteln zu verfolgen“.107 Im Fall von Interessenwahrungsverhältnissen fehlt es dementsprechend an der Grundlage für eine Gleichbehandlungspflicht, wenn die Knappheit der Mittel von Anfang an vorhanden ist und die Parteien sich dessen bewusst sind.108 Denn in diesem Fall ergibt sich bereits aus der Vereinbarung der Parteien, dass der Interessenwahrer nur soweit zu leisten verpflichtet sein soll, wie ihm das möglich ist, nachdem er die „älteren“ Geschäftsherren befriedigt hat. Anders kann dies allerdings bei unerwarteten Verknappungen sein. Aber auch bei diesen wird vertreten, dass grundsätzlich an dem Prioritätsprinzip festgehalten und „jüngere“ Geschäftsherren über die Verknappung lediglich informiert werden sollten. 109 b.) Im selben Zeitpunkt entstandene gleichgerichtete Pflichten Der Gleichbehandlungsgrundsatz kann jedoch dann herangezogen werden, wenn eine zeitliche Rangfolge der Ansprüche der Geschäftsherren nicht mehr festgestellt werden kann, z. B. wenn zwei miteinander konkurrierende gleichgerichtete Pflichten gegenüber verschiedenen Geschäftsherren im selben Zeitpunkt entstehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es dem Interessenwahrer obliegt, die Interessenwahrungspflicht in eine bestimmte Handlungspflicht zu konkretisieren, wie etwa bei der Vermögensverwaltung.110 Eine solche Kon Schneiders, Anlegerschutz, S. 50. Koller, BB 1978, 1733, 1734; vgl. dazu auch die Darstellung bei Kümpel, WM 1993, 2025, 2027. 107 Koller, BB 1978, 1733, 1735. Siehe außerdem die Bedenken von Dalwigk zu Lichtenfels, Effektenkommission, S. 36 f. 108 Vgl. auch Löhnig, Treuhand, S. 560 f. 109 Löhnig, Treuhand, S. 561. 110 Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 WpHG Rdnr. 61; Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, S. 719; Sethe, Vermögensverwaltung, S. 804 und 808; Balzer, Vermö105
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kretisierung seiner Interessenwahrungspflicht muss ein Vermögensverwalter z. B. dann vornehmen, wenn ihm bestimmte Finanzinstrumente angeboten werden, die sich für die Depots mehrerer seiner Geschäftsherren eignen würden111 oder er eine Blockorder aufgegeben hat, mit der er für mehrere Kunden gemeinsam Finanzinstrumente gekauft hat112 . Da er jedem der betroffenen Kunden gegenüber zur bestmöglichen Interessenwahrung verpflichtet ist, kann er diesen Interessen nur dann optimal gerecht werden, wenn er alle Kunden gleich behandelt.113 Er ist dann allen seinen Geschäftsherren gegenüber zum Erwerb der Finanzinstrumente verpflichtet, in deren Depot diese Werte bei ordnungsgemäßer Verwaltung aufzunehmen wären.114 Voraussetzung dafür ist allerdings, dass nicht aufgrund der von den Kunden jeweils bevorzugten Anlageausrichtung ihrer Depots eine unterschiedliche Zuteilung möglich oder gar geboten ist.115 Aus der Interessenwahrungspflicht folgt allerdings nicht, dass der Interessenwahrer in jedem Einzelfall sicherstellen muss, dass ein Kunde mit anderen Kunden gleichbehandelt wird.116 Es reicht aus, dass gewährleistet ist, dass einzelne Geschäftsherren nicht systematisch besser oder schlechter gestellt werden.117 Zudem erlaubt es der Gleichbehandlungsgrundsatz, eine sachgerechte Gruppenbildung vorzunehmen und zwischen verschiedenen Arten von Geschäftsherren bzw. Kunden zu unterscheiden.118 Eine Gleichbehandlung muss dann nur innerhalb der jeweiligen Gruppe erfolgen.119 c.) Vertraglich übernommene Verpflichtung zur Gleichbehandlung Überdies kann sich der Interessenwahrer auch vertraglich dazu verpflichten, Geschäftsherren gleich zu behandeln.120 So ist etwa die standardisierte Vermögensverwaltung darauf angelegt, dass alle so verwalteten Depots (verschiedener Kunden) nach einheitlichen Anlagerichtlinien verwaltet werden. In diegensverwaltung, S. 116 f.; vgl. dazu auch Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31 Rdnr. 40. Zur standardisierten Vermögensverwaltung sogleich. 111 Löhnig, Treuhand, S. 393. Eine Gleichbehandlung in diesem Fall wegen fehlender Sonderbeziehung ablehnend Sethe, Vermögensverwaltung, S. 807. 112 Sethe, Vermögensverwaltung, S. 805. 113 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 65; Sethe, Vermögensverwaltung, S. 804 (aber nur für die Blockorder). 114 Löhnig, Treuhand, S. 393. 115 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, S. 725. 116 So kann etwa eine anteilmäßige Verteilung, um alle Kunden gleich zu behandeln, aus ökonomischen Gründen fragwürdig sein, wenn eine solche Aufteilung zu Mini-Posten führen würde oder zu Kosten, bei denen Aufwand und Ertrag außer Verhältnis stehen. 117 Balzer, Vermögensverwaltung, S. 116 f.; Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, S. 725. 118 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 65. 119 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 65. 120 Dazu etwa Sethe, Vermögensverwaltung, S. 804.
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sem Fall darf der Verwalter nicht einzelne Kunden bevorzugen, sondern ist, falls er nicht genügend der von ihm ins Auge gefassten Finanzinstrumente beschaffen kann, zu einer gleichmäßigen Verteilung verpflichtet.121 Das Gleiche gilt, wenn der Interessenwahrer mit seinen Geschäftsherren vereinbart hat, dass er deren Aufträge mit anderen Aufträgen zu Sammelaufträgen zusammenlegen kann. Wenn er dies tut, führt dies zu einer Rangangleichung. In diesem Fall, d. h. insbesondere wenn es zu Teilausführungen gekommen ist, hat der Interessenwahrer die Geschäftsherren gleich zu behandeln – so wie wenn sie von vornherein denselben Rang eingenommen hätten.122 d.) Auswirkung von organisatorischen Trennungen auf den Gleichbehandlungsgrundsatz Führt eine organisatorische Trennung innerhalb eines als Interessenwahrer tätigen Unternehmens dazu, dass diejenige Abteilung, die Kunden des Unternehmens betreut, z. B. die Vermögensverwaltung, nicht über die Zuteilung von Geschäftsabschlüssen, Gegenständen etc. an die Kunden entscheidet, sondern eine organisatorisch von ihr getrennte Abteilung (z. B. die für Neuemissionen von Wertpapieren zuständige Abteilung), so ist die Vermögensverwaltung nicht zur Gleichbehandlung verpflichtet.123 Denn sie kann keinen Einfluss auf die Zuteilung nehmen. Auch die zuteilende Abteilung ist nicht dem Gleichbehandlungsgrundsatz unterworfen.124 Denn die Organisationspflichten erlauben dem Unternehmen gerade Trennungen vorzunehmen, um Interessenkonflikte weitgehend zu vermeiden. Dann aber ist für eine Unterwerfung der zuteilenden Abteilung unter den Gleichbehandlungsgrundsatz erforderlich, dass diese selbst eine eigene die Gleichbehandlung fordernde Bindung zu den Kunden hat, denen sie die Finanzinstrumente zuteilt.125 Hat sie eine solche nicht, sollte sie grundsätzlich nicht in einen Interessenkonflikt geraten, der sie einzelne Kunden bevorzugen lässt, sodass auch nicht deren Gleichbehandlung geboten ist. e.) Quotenmäßige Verteilung, Losentscheid Ist der Interessenwahrer mehreren Geschäftsherren gleichzeitig (also nicht nacheinander) und in gleicher Weise verpflichtet und kann er ihre Ansprüche nicht gleichzeitig befriedigen, so gebietet der Gleichbehandlungsgrundsatz eine Verteilung, die anteilig nach Quote erfolgt.126 So ist etwa bei einem aus meh Sethe, Vermögensverwaltung, S. 804. Löhnig, Treuhand, S. 395; Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 915. Vgl. dazu auch Sethe, Vermögensverwaltung, S. 805. Zur Verteilung nach Quote und Durchschnittskursberechnung siehe sogleich unter d. 123 Sethe, Vermögensverwaltung, S. 806. 124 Sethe, Vermögensverwaltung, S. 806. 125 Sethe, Vermögensverwaltung, S. 806. 126 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31 Rdnr. 40; Sethe, Vermögensverwaltung, 121
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reren Aufträgen verschiedener Geschäftsherren bestehenden Sammelauftrag, der nicht vollständig ausgeführt werden konnte, eine gleichmäßige anteilige Verteilung pro rata vorzunehmen.127 Für diese Verteilung kann § 659 Abs. 2 BGB als Orientierung herangezogen und daraus für unteilbare Leistungen abgeleitet werden, dass in diesen Fällen in der Regel das Los zu entscheiden hat, vgl. § 659 Abs. 2 Satz 2 BGB.128 Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass Geschäftschancen ständig per Los verteilt werden; 129 vielmehr hat der Interessenwahrer in diesem Fall über einen längeren Zeitraum auf eine gleichmäßig Zuordnung zu achten. Bedeutung erlangt der Gleichbehandlungsgrundsatz auch, wenn Aufträge von mehreren Geschäftsherren oder fremde mit eigenen Aufträgen zusammengelegt werden. Kommt es in einem solchen Fall zu Teilausführungen des Sammelauftrages mit unterschiedlichen Preisen muss für alle Geschäftsherren der Durchschnittspreis der Teilausführungen berechnet werden.130 Im Rahmen seiner Berichtspflicht hat der Interessenwahrer diese Mischkalkulation gegenüber den Geschäftsherren im Nachhinein offen zu legen.131 Im Fall einer Zusammenlegung von Fremd- und Eigenaufträgen muss der Interessenwahrer bei Teilausführungen die Fremdaufträge vorrangig bedienen; nur soweit sein Eigenauftrag die Bedingungen für das Geschäft verbessert hat, darf er an den Ergebnissen des Sammelauftrags teilhaben.132 Besonderheiten bestehen im Fall des Handelsvertreters, der vergleichbare Produkte verschiedener Unternehmen gleichzeitig vertreibt und dabei keinem Wettbewerbsverbot unterworfen ist. Grundsätzlich muss er ein Verfahren für eine sachgerechte Verteilung betreiben, wenn keine besonderen Vereinbarungen getroffen worden sind; denn ihm steht es nicht schlechthin frei, die Kunden dem einen oder anderen Unternehmer zuzuweisen.133 Ein sachgerechtes VerteiS. 805. Aufsichtsrechtlich ist dies für den Wertpapierhandel in § 10 Abs. 1 Nr. 3 WpDVerOV festgehalten. Dazu etwa Kienle, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 111 Rdnr. 23. Für Sammelaufträge mehrerer Einzelorders siehe § 10 Abs. 1 Nr. 4 WpDVerOV. 127 Balzer, Vermögensverwaltung, S. 114; Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 915, 919. Hinsichtlich derjenigen Geschäftsherren, deren Aufträge zu einem Sammelauftrag zusammengefasst worden sind, unterliegt der Interessenwahrer somit dem Gleichbehandlungsgrundsatz. 128 Löhnig, Treuhand, S. 393. 129 Vgl. dazu Assmann/Schneider/Koller, WpHG, 5. Auflage 2009, § 31 Rdnr. 9. 130 Balzer, Vermögensverwaltung, S. 114; Schneiders, Anlegerschutz, S. 51 f.; Sethe, Vermögensverwaltung, S. 805; Löhnig, Treuhand, S. 395; siehe auch Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 401 Rdnr. 11 (verhältnismäßige Aufteilung); Kienle, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 111 Rdnr. 23. Nach Dalwigk zu Lichtenfels, Effektenkommission, S. 38 soll der Geschäftsbesorger zwar nicht völlig frei sein, aber doch wählen können, ob er bei der Verteilung die Aufträge nach Eingangszeitpunkt oder ihrer Limitierung berücksichtigt. Allerdings hat auch er eine Präferenz für eine Durchschnittskursberechnung, siehe a.a.O. S. 38 f. 131 Sethe, Vermögensverwaltung, S. 805. 132 Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 915. 133 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 24.
V. Zusammenfassung
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lungsverfahren kann etwa darin bestehen, dass er – da sich Geschäftsabschlüsse in der Regel nicht anteilig auf verschiedene Unternehmer verteilen lassen – die einzelnen Geschäftsabschlüsse so auf die verschiedenen Unternehmer verteilt, dass es in Bezug auf das Gesamtvolumen der Geschäftsabschlüsse zu einer pro rata-Verteilung kommt.134
V. Zusammenfassung Formale Konfliktlösungsprinzipien kommen bei konkreten punktuellen Interessenkonflikten zum Einsatz, die sich (etwa durch Organisationspflichten) nicht vermeiden lassen und bei denen ein Verbot oder eine Mandatsniederlegung nicht im Interesse der betreffenden Geschäftsherren ist. Dabei geht es regelmäßig um Konflikte zwischen Interessen verschiedener Geschäftsherren, die sich auf derselben Marktseite befinden (Verteilungskonflikte). Verteilungskonflikte entstehen dann, wenn der Interessenwahrer die Ansprüche seiner Geschäftsherren, deren Interessen in die gleiche Richtung gehen, nicht alle gleichzeitig erfüllen kann, weil die dafür zur Verfügung stehenden Ressourcen begrenzt sind. Ein wesentliches Konfliktlösungsprinzip ist der Grundsatz der Priorität. Dieser konkretisiert die Interessenwahrungspflicht zu einer Pflicht zur ranggerechten Erfüllung. Es ermöglicht dem Interessenwahrer, Interessenkonflikte aufgrund konkurrierender Kundenaufträge zu beherrschen und dabei „neutral“ zu bleiben. Die „zeitliche“ Priorität bestimmt, dass derjenige, der als erster sein Interesse artikuliert oder einen Auftrag erteilt hat etc., gegenüber später auftretenden Geschäftsherren privilegiert wird. Die „inhaltliche“ Priorität stellt auf den Inhalt des Auftrags ab und kann z. B. bestimmen, dass derjenige Auftrag, der nach der Marktsituation zuerst erledigt werden kann, bevorzugt wird, auch wenn er zeitlich später erteilt wurde. Bei vertraglichen Interessenwahrungsverhältnissen wird das Prioritätsprinzip in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Geschäftsherrn und dem Interessenwahrer verankert. Aufgrund der besonderen Beschaffenheit von Interessenwahrungsverhältnissen hat der Interessenwahrer, der mehrere Interessenwahrungsverhältnisse gleichzeitig eingeht, nur einen beschränkten Einstandswillen. Denn er wird Ansprüche nur soweit erfüllen wollen, wie ihm dies angesichts bereits zuvor entstandener Ansprüche anderer Geschäftsherren möglich ist. Dies ist dem Geschäftsherrn regelmäßig bewusst, insbesondere wenn er weiß, dass „sein“ Interessenwahrer auch die Interessen anderer Geschäftsherren vertritt. Daher ergibt eine Vertragsauslegung, §§ 133, 157 BGB,
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dass die Einstandsverpflichtung des Interessenwahrers beschränkt ist und das Prioritätsprinzips gelten soll. Im Fall gesetzlicher Interessenwahrungsverhältnisse kann die Geltung des Prioritätsprinzips aus den gesetzlichen Regelungen und Wertungen abgeleitet werden, die den gesetzlich begründeten Interessenwahrungsverhältnissen zugrunde liegen. Daraus ergibt sich, dass der Interessenwahrer der die Interessenwahrung für mehrere „Geschäftsherren“ übernimmt, jeweils an die Stelle des jeweiligen „Geschäftsherrn“ tritt. Soweit diese, handelten sie für sich selbst, hinter einem anderen zurückstehen müssten, müssen sie dies auch tun, wenn sie und der andere „Geschäftsherr“ von demselben Interessenwahrer vertreten werden. Denn dieser kann ihre Interessen nur in der Reihenfolge wahrnehmen, wie die „Geschäftsherren“ es tun würden, würden sie selbst für sich handeln. Zeitlich knüpft das Prioritätsprinzip an die Entstehung der konkreten Verpflichtung an. Im Fall eines punktuellen Interessenwahrungsverhältnisses ist dies der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, im Fall von Dauer-Interessenwahrungsverhältnissen der Zeitpunkt, in dem ein konkretes Geschäft in Auftrag gegeben wird bzw. eine entsprechende Weisung erteilt wird. Neben dem Prioritätsprinzip stellt der Gleichbehandlungsgrundsatz einen zweiten wesentlichen Ansatz zur Lösung von Interessenkonflikten dar. Zur Anwendung kommt er insbesondere, wenn sich der Interessenwahrer vertraglich zu einer Gleichbehandlung verpflichtet hat, Interessenwahrungspflichten im gleichen Zeitpunkt entstehen oder der Interessenwahrer selbst für die Konkretisierung seiner Interessenwahrungspflicht im Rahmen von Dauerinteressenwahrungsverhältnissen zu sorgen hat. Kann der Interessenwahrer in diesen Fällen die Ansprüche der Geschäftsherren nicht gleichzeitig befriedigen, gebietet der Gleichbehandlungsgrundsatz eine Verteilung, die anteilig nach Quote erfolgt.
§ 15 Geschäftschancenlehre I. Einleitung Das Wettbewerbsverbot für dauerhafte, abstrakte Interessenkonflikte findet im Fall punktueller, konkreter Interessenkonflikte seine Entsprechung in der Geschäftschancenlehre.1 Diese stellt weitgehend rezipiertes Recht dar, 2 das auf die corporate opportunities doctrine in den USA zurückgeht.3 Ihren Ausgang nahm die corporate opportunities doctrine im angloamerikanischen Rechtskreis im Trustrecht,4 erst später fand sie ihren Niederschlag im Gesellschaftsrecht,5 das mittlerweile zu ihrem Hauptanwendungsgebiet geworden ist. Nach der corporate opportunities doctrine darf ein director keine Geschäftschancen wahrnehmen, die der Gesellschaft zustehen. Dabei handelt es sich um eine Konkretisierung der „duty of loyalty“, die die directors und officers nach angloamerikanischem Recht der Gesellschaft schulden. 6
1 Vgl. Kort, ZIP 2008, 717, 719 („Zwillingsschwester“). Monographisch zur Geschäftschancenlehre insb. Polley, Wettbewerbsverbot, passim; Reinhardt, Interessenkonflikte, passim; Schuhknecht, Schranken, passim; Weisser, Corporate Opportunities, passim. 2 Insbesondere Mestmäcker, Verwaltung, S. 166 ff. und Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 156 ff. Siehe aber auch schon die Entscheidungen des Reichsgerichts in RGZ 89, 99; RG JW 1929, 654. 3 Zur Corporate Opportunities Doctrine in den USA bspw. Clark, Corporate Law, Ch. 7, S. 223 ff.; Polley, Wettbewerbsverbot, S. 21 ff.; Weisser, Corporate Opportunities, S. 19 ff.; Davis, 84 Iowa L. Rev. 211 (1999); Talley, 108 Yale J. 277 (1998); rechtsvergleichend mit dem englischen Recht Kershaw, 25 Oxford J. Leg. Studies 603 ff. (2005); ders., 25 Legal Studies 533 (2005); außerdem Güthoff, Organhandeln, S. 151 ff. 4 Keech v. Sandford, 25 E.R. 223 (1726). 5 Lagarde v. Anniston Lime & Stone Co., 126 Ala. 496, 28 So. 199 (Sup. Ct. Ala. 1900); Crittenden & Cowler Co. v. Cowler, 66 A.D. 95, 72 N.Y.S. 701 (App. Div. 1901). Siehe auch schon Blake v. Buffalo Creek R.R.Co., 11 Sickels 485, 56 N.Y. 485, 491 (Ct. App N.Y. 1874). 6 Guth v. Loft, Inc., 23 Del. Ch. 255, 271, 5 A. 2d 503, 510 (Sup. Ct. Del. 1939). Abzugrenzen ist die corporate opportunities doctrine vom sog. self-dealing. Unter den Begriff „self-dealing“ werden im angloamerikanischen Recht Sachverhalte gefasst, bei denen ein Verwaltungsmitglied zu seiner Gesellschaft in rechtsgeschäftliche Beziehung tritt. Dagegen geht es bei der corporate opportunities doctrine darum, dass ein Verwaltungsmitglied mit einem Dritten ein Geschäft abschließt, das die Gesellschaft für sich in Anspruch nimmt.
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§ 15 Geschäftschancenlehre
II. Grundsatz und rechtliche Verankerung Im deutschen Recht hat sich die Geschäftschancenlehre bzw. das für Interessenwahrer geltende Verbot, sich Geschäftschancen des Geschäftsherrn anzueignen,7 vor allem im Gesellschaftsrecht entwickelt und wird dort herrschend als eine Ausprägung der (organschaftlichen) Treuepflicht angesehen.8 Mittlerweile hat sie sogar ihren Niederschlag in Ziff. 4.3.3 und 5.5.1 DCGK gefunden. Ihr Gedanke lässt sich jedoch über das Gesellschaftsrecht hinaus verallgemeinern. Das Verbot, Geschäftschancen der Gesellschaft bzw. allgemeiner des Geschäftsherrn wahrzunehmen, dient der Lösung von konkreten Interessenkonflikten, die entstehen, wenn Interessenwahrer mit ihrem Geschäftsherrn um Gelegenheiten zum Geschäftsabschluss (sog. Geschäftschancen) konkurrieren. Solche Konflikte sind nicht spezifisch für das Gesellschaftsrecht, sondern können überall dort entstehen, wo ein Interessenwahrer im Wirtschaftsverkehr Geschäfte für einen Geschäftsherrn besorgt. Die Geschäftschancenlehre ist damit eine geschäftsbezogene Ausprägung des Gebotes, Interessenkonflikte zu vermeiden. Verstößt der Interessenwahrer gegen das Verbot, Geschäftschancen des Geschäftsherrn wahrzunehmen, ist er wegen der damit erfolgten Verletzung seiner Interessenwahrungspflicht insbesondere zu Schadensersatz oder stattdessen – je nach Verlangen des Geschäftsherrn – zur Herausgabe des erlangten Gewinns verpflichtet.9
III. Schutzzweck im Vergleich zu Wettbewerbsverboten Die Geschäftschancenlehre dient vor allem dem Schutz der Interessen des Geschäftsherrn an der Verwertung seiner (geschäftlichen) Informationen.10 In 7 Die Geschäftschancenlehre verbietet die Wahrnehmung von Erwerbschancen durch Interessenwahrer nicht vollständig, sondern nur von Erwerbschancen, die dem Geschäftsherrn zustehen. Dies zeigen nicht zuletzt die in der Rechtsprechung und weiten Teilen der Literatur unternommenen Zuordnungs- und Abgrenzungsversuche. 8 BGH NJW 1986, 584, 585; 1986, 585, 586; WM 1989, 1335, 1339; 2013, 320, 322; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 166; Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rdnr. 38; Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 41 ff.; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 24; ders., WM 2003, 1045, 1054; ders., NZG 2003, 985; ders., NZG 2013, 361; Kübler, FS Werner, 1984, S. 437, 438; Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 166; Lawall, NJW 1997, 1742, 1743; Röhricht, WPg 1992, 766, 767 f.; Schiessl, GmbHR 1988, 53; Timm, GmbHR 1981, 177, 178; siehe auch Verse, in: Krieger/Schneider, Hdb Managerhaftung, § 22 Rdnr. 2 ; Sieg/Zeidler, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 4 Rdnr. 2 . Mittlerweile hat der BGH die Geschäftschancenlehre sogar auf die GbR angewandt, siehe BGH WM 2013, 320; dazu Fleischer, NZG 2013, 361; Kaya, DStR 2013, 1088. 9 Weisser, Corporate Opportunities, S. 233 ff.; Veil, ZGR 2005, 155, 180. 10 Siehe dazu Grundmann, Treuhandvertrag, S. 423.
III. Schutzzweck im Vergleich zu Wettbewerbsverboten
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gewissem Umfang schützt sie ihn zudem vor einem Missbrauch von Entscheidungsbefugnissen des Interessenwahrers, sofern dieser solche hat. Anders als Wettbewerbsverbote dient das Verbot der Geschäftschancenwahrnehmung jedoch nicht der Sicherung der Arbeitskraft des Interessenwahrers. Rechtsökonomisch betrachtet zielt das Verbot der Geschäftschancenwahrnehmung darauf ab, das Principal-Agent-Problem zwischen Interessenwahrer und Geschäftsherr in Bezug auf mögliche Geschäftsabschlüsse zu lösen. Denn dadurch werden die opportunistischen Verhaltensspielräume des Interessenwahrers verringert und die Kontrollkosten des Geschäftsherrn gesenkt.11 Die Zuordnung der Verwertungsrechte an den Geschäftschancen zum Geschäftsherrn12 nebst der Pflicht zur Offenlegung ist effizienter, als wenn die Parteien entsprechende Vertragsabsprachen treffen und diese dann noch überwachen müssten.13
1.) Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Geschäftschancenlehre und Wettbewerbsverbot Sowohl dem Verbot, Geschäftschancen des Geschäftsherrn an sich zu ziehen, als auch dem Wettbewerbsverbot liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass der Interessenwahrer im Tätigkeitsfeld des Geschäftsherrn nicht in geschäftliche Konkurrenz zu diesem treten soll, weil er dann einen besonderen Anreiz hätte, dessen Interessen zum eigenen Vorteil zu benachteiligen. Aufgrund dieser Gemeinsamkeiten wurde die Geschäftschancenlehre zum Teil als Unterfall des Wettbewerbsverbots14 oder auch umgekehrt das Wettbewerbsverbot als Unterfall der Geschäftschancenlehre angesehen15. Andere wiederum sehen beide trotz der Ähnlichkeiten als nebeneinander stehende, eigenständige Rechtsintitute an.16 Für Letzteres wird ins Feld geführt, dass das 11 Bainbridge, Corporate Law & Economic, S. 322; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 25; ders., NZG 2003, 985, 986; ders., NZG 2013, 361, 362; vgl. auch ders., ZGR 2001, 1, 7 f. Siehe außerdem die Erwägungen bei Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 31 f. 12 Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 25; ders., NZG 2003, 985, 986. 13 Bainbridge, Corporate Law & Economic, S. 322. 14 Siehe bspw. Polley, Wettbewerbsverbot, S. 131 mit Fn. 19; wohl auch Löffler, NJW 1986, 223, 227. 15 Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 120; Weisser, Corporate Opportunities, S. 147 f.; Kübler, FS Werner, 1984, S. 437, 440; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 434 und 449; Schiessl, GmbHR 1988, 53 (sieht bei beiden allerdings unterschiedliche Ansatzpunkte und Zielrichtungen); Timm, GmbHR 1981, 177; wohl auch Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A. Rdnr. 21 und 1. C. Rdnr. 9 ; Goette, DStR 1998, 1137, 1139. Vorsichtig noch Hopt, in: Hopt/ Teubner, Corporate Governance, S. 285, 300 f.; deutlich dagegen GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 167. 16 BGH WM 2013, 320, 322; GroßkommGmbHG/Paefgen, § 43 Rdnr. 98; Michalski/ Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rdnr. 118; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 201; Löhnig, Treuhand, S. 373; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 24; Kübler/Wal-
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Wettbewerbsverbot einerseits weiter, andererseits auch wieder enger als die Geschäftschancenlehre sei: Es gehe weiter, weil es z. B. nicht voraussetze, dass der Geschäftsherr aufgrund der anderweitigen Tätigkeit des Interessenwahrers auch tatsächlich Konkurrenz oder sogar einen Schaden befürchten muss.17 Andererseits sei es enger, denn es erfasse nicht die Fälle, in denen ein Interes senwahrer privat Chancen nutzt, die eigentlich dem Geschäftsherrn zustehen.18 Auch erfassen die Wettbewerbsverbote Handlungen, die sich nicht auf eine konkrete Geschäftschance beziehen, wie etwa die Beteiligung an einer konkurrierenden Gesellschaft.19 Die Geschäftschancenlehre gibt andererseits vor, wie ein Interessenwahrer mit Erwerbschancen des Geschäftsherrn umzugehen hat, die außerhalb des Anwendungsbereichs des Wettbewerbsverbots liegen. Und schließlich unterscheiden sich beide hinsichtlich ihrer Dauer: Während das Wettbewerbsverbot grundsätzlich mit dem Ende des Interessenwahrungsverhältnisses, des Organverhältnisses bzw. der Vertragsbeziehung, aufhört, wirkt die Geschäftschancenlehre über dieses Ende hinaus, sodass der Interessenwahrer keine Geschäftschancen „mitnehmen“ darf, die während des Interessenwahrungsverhältnisses angebahnt wurden.20
2.) Geschäftschancenlehre und Wettbewerbsverbote als unterschiedliche Verbote von geschäftsbezogenen Interessenkonflikten Die Unterschiede zwischen Wettbewerbsverboten und dem Verbot, Geschäftschancen des Geschäftsherrn wahrzunehmen, sind insbesondere auf die unterschiedliche Zielsetzung im Hinblick auf die Regelung von Interessenkonflikten zurückzuführen. Während das Wettbewerbsverbot abstrakt-generell anknüpft, bezieht sich das Verbot, Geschäftschancen an sich zu ziehen, immer nur auf einzelne konkrete Geschäfte. Wettbewerbsverbot und Geschäftschancenlehre – als jeweils besondere Ausprägungen der Interessenwahrungspflicht – regeln somit unterschiedliche Arten von Interessenkonflikten. Das Wettbewerbsverbot dient dazu, Situationen zu verhindern, in denen eine dauerhafte Gefahr von Interessenkonflikten besteht, sei es, dass die Interessenkonflikte selbst von Dauer sind, sei es, dass immer wieder (gleichgelagerte) punktuelle Interessentermann, ZGR 1991, 162, 173 f.; Schuhknecht, Schranken, S 17 (zwei Ausprägungen der Treupflicht); vgl. auch Mertens/Cahn, FS Heinsius, 1991, S. 545, 547 f.; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh. zu § 6 Rdnr. 20 (es „steht an der Seite“ der Geschäftschancenlehre); Staub/Schäfer, HGB, § 112 Rdnr. 23. 17 Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 24; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 4 43. 18 Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 24. 19 Rusch, Gewinnhaftung, S. 189. 20 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 183 f.; GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 194; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 59; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 450. Zur Nachwirkung der Geschäftschancenlehre insb. BGH WM 1977, 194; NJW 1986, 585.
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konflikte (also ein struktureller Interessenkonflikt) entstehen. Diese Interessenkonflikte soll das Wettbewerbsverbot bereits präventiv verhindern. Demgegenüber dient das Verbot, Geschäftschancen an sich zu ziehen, der Lösung punktueller Interessenkonflikte, die nicht von Dauer sind und nur in einzelnen Fällen entstehen. Aufgrund seiner präventiven Ausrichtung muss das Wettbewerbsverbot notwendig abstrakt anknüpfen und ist daher von einer gewissen Unschärfe geprägt.21 Demgegenüber kann die Geschäftschancenlehre den einzelnen konkreten Interessenkonflikt genauer in den Blick nehmen. Diese Einordnung von Wettbewerbsverboten und Geschäftschancenlehre erlaubt es, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden sachgerecht einzuordnen. Soweit daher die gesetzlichen Regelungen zu den Wettbewerbsverboten nicht auf dauerhafte bzw. immer wieder neu entstehende (also strukturelle) Interessenkonflikte zugeschnitten sind, können sie auf das Verbot, Geschäftschancen an sich zu ziehen, übertragen werden.22 Dies gilt etwa für die Gewinnabschöpfung bzw. das Eintrittsrecht nach § 88 Abs. 2 Satz 2 AktG sowie auch für die übrigen Rechtsfolgen.23
IV. Zuordnung der Geschäftschance zur Gesellschaft Der Umstand, dass es sich bei der corporate opportunities doctrine um rezipiertes Recht handelt, zeigt sich insbesondere im Hinblick auf die Argumentation über die Zuordnung der Geschäftschancen.
1.) Zuordnung im US-amerikanischen Recht Zur Ermittlung, wann eine Geschäftschance der Gesellschaft zusteht, sind verschiedene Tests entwickelt worden. Von Bedeutung sind insbesondere der „Interest or Expectancy“-Test und der „Line of Business“-Test. Beim „Interest or Expectancy“-Test wird darauf abgestellt, ob die Gesellschaft bereits über ein konkretes „Interesse“ (interest) oder eine konkrete „Erwartung“ (expectancy) hinsichtlich der Geschäftschance verfügt.24 Dabei Siehe dazu § 11 II.3.). Für eine analoge Anwendung von § 88 AktG auf die Geschäftschancenlehre GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 167; GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 195; MünchKomm AktG/Spindler, § 88 Rdnr. 56; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 445; wohl für eine direkte Anwendung (da Wettbewerbsverbot als Unterfall der Geschäftschancen eingestuft) Kübler, FS Werner, 1984, S. 437, 440. 23 KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rdnr. 5. 24 Siehe etwa bereits Lagarde v. Anniston Lime & Stone Co., 126 Ala. 496, 28 So. 199, 201 (Sup. Ct. Ala. 1900); später z. B. Farber v. Servan Land Co., Inc., 662 F.2d 371, 378 (5th Cir. 1981); Abbott Redmont Thinlite Corp. v. Redmont, 475 F.2d. 85, 88 (2nd Cir. 1973); Burg v. Horn, 380 F.2d 897, 899 (2nd. Cir. 1967); Fayes Inc. v. Kline, 136 F. Supp. 871, 873 (S.D.N.Y. 1955); Southeast Consultants Inc. v. McCrary Engineering Corp., 246 Ga. 503, 21
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wurde ein „Interesse“ ursprünglich erst dann angenommen, wenn aufgrund der Bemühungen der Gesellschaft bereits irgendwelche Rechte begründet worden waren.25 In ähnlicher Weise sollte es, um von einer schützenswerten Erwartung ausgehen zu können, erforderlich sein, dass diese einem „bereits bestehenden Recht“ entnommen werden konnte.26 Später wurde der Test so verändert, dass auch rechtlich nicht geschützte Erwerbsaussichten erfasst wurden, wenn diese ausreichend greifbar waren.27 Danach sollte von einem Interesse bzw. einer Erwartung ausgegangen werden können, wenn die Gesellschaft die Geschäftschance benötigte oder diese unter Einsatz ihres Gesellschaftsvermögens erarbeitet worden war oder aber wenn die directors ihretwegen bereits im Namen der Gesellschaft Vertragsverhandlungen geführt hatten.28 Dies wurde in der Folgezeit dahin erweitert, dass es ausreichen sollte, dass eine Gesellschaft die Wahrnehmung einer bestimmten Geschäftschance beschlossen hatte, ohne dass bereits Verhandlungen geführt wurden.29 Auch sollte es genügen, dass die Geschäftschance der Gesellschaft angeboten worden war30 oder das Verwaltungsmitglied von einer Geschäftschance nur aufgrund seiner Position erfahren hatte.31 Nach dem „Line of Business“-Test wird eine Geschäftschance dann der Gesellschaft zugeordnet, wenn sie im Tätigkeitsbereich der Gesellschaft liegt oder zumindest in einem Bereich, auf den die Gesellschaft ihre Tätigkeit erstrecken kann.32 Dies soll sich danach bemessen, ob die Gesellschaft in dieser Hinsicht über entsprechendes Fachwissen und praktische Erfahrung sowie über die erforderlichen finanziellen und tatsächlichen Fähigkeiten verfügt, um die jeweilige Erwerbschance zu verfolgen, wobei auch Expansionsbestrebungen der Gesellschaft berücksichtigt werden.33 Zum Teil wird der Tätigkeitsbereich aber auch begrenzt und nur auf die zum jeweiligen Zeitpunkt tatsächlich ausgeübten Aktivitäten bezogen,34 zum Teil aber auch erweitert und auf alle Aktivitä273 S.E.2d 112, 17 A.L.R. 4th 470, 477 (Sup. Ct. Geo. 1980); Pioneer Oil & Gas Corp. v. Anderson, 168 Miss. 334, 151 So. 161, 163 (Sup. Ct. Miss. 1933); Litwin v. Allen, 25 N.Y.S. 2d 667, 685, 686 (Sup. Ct. N.Y. 1940). 25 Lagarde v. Anniston Lime & Stone Co., 126 Ala. 496, 28 So. 199, 201 (Sup. Ct. Ala. 1900). 26 Lagarde v. Anniston Lime & Stone Co., 126 Ala. 496, 28 So. 199, 201 (Sup. Ct. Ala. 1900). 27 De Bardeleben v. Bessemer Land & Improvement Co., 140 Ala. 621, 37 So. 511, 514, 515 (Sup. Ct. Ala. 1904). 28 Litwin v. Allen, 25 N.Y.S. 2d 667, 685, 686 (Sup. Ct. N.Y. 1940). 29 Burg v. Horn, 380 F.2d 897, 899 (2d Cir. 1967). 30 Kelly v. 74 & 76 West Tremont Ave. Corp., 4 Misc. 2d 533, 535, 536, 151 N.Y. S.2d 900, 903 (Sup. Ct. N.Y. 1956). 31 In re McCrory Stores Corp., 12 F. Supp. 267, 269 (S.D.N.Y. 1935). 32 Siehe insb. Guth v. Loft Inc., 23 Del. Ch. 255, 279 5 A.2d 503, 514 (Sup. Ct. Del. 1939). 33 Guth v. Loft Inc., 23 Del. Ch. 255, 279, 5 A.2d 503, 514 (Sup. Ct. Del. 1939). 34 Siehe etwa Lancaster Loose Leaf Tobacco Co. v. Robinson, 199 Ky 313, 250 S.W. 997, 999 (Ct. App. Kentuky 1923).
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ten erstreckt, die laut der charter Gegenstand der Tätigkeit der Gesellschaft sind35. Darüber hinaus werden zahlreiche weitere Tests zur Ermittlung der Zuordnung von Geschäftschancen herangezogen. So wird etwa die Zuordnung danach beurteilt, ob unter Würdigung aller Umstände des konkreten Falles die Ergreifung einer Geschäftschance durch ein Verwaltungsmitglied gegenüber der Gesellschaft fair war.36 Auch werden verschiedene Tests kombiniert, etwa wenn zunächst nach dem „Interest or Expectancy“-Test und dem „Line of Business“-Test ermittelt wird, ob es sich um eine Geschäftschance der Gesellschaft handelt, und sodann untersucht wird, ob die Aneignung dieser Geschäftschance fair war (sog. Zwei-Stufen-Test).37 Andere wiederum wollen darauf abstellen, ob der Entzug entsprechender Geschäftschancen letztlich die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit der Gesellschaft gefährden würde,38 d. h. ob die Geschäftschancen „necessary“,39 „essential“,40 „of peculiar value“41 oder „of utmost importance“42 für die Gesellschaft sind. Schließlich wird Verwaltungsmitgliedern ein Zugriff auf Geschäftschancen verwehrt, wenn sie in diesem Zusammenhang gerade im Auftrag der Gesellschaft handeln43 oder die Geschäftschance dem Verwaltungsmitglied nur wegen seines Amtes angeboten wurde44. In zeitlicher Hinsicht werden der Gesellschaft nach der corporate opportunities doctrine alle Geschäftschancen zugeordnet, die ihr schon während der Amtszeit des jeweiligen Verwaltungsmitglieds zugestanden haben, unabhängig
Weisman v. Snyder, 338 Mass. 502, 156 N.E.2d 21, 23 (Sup. Ct. Mass 1959); Rosenblum v. Judson Engineering Corp., 99 N.H. 267, 272, 273, 109 A.2d 558, 562, 563 (Sup. Ct. N.H. 1954). 36 Durfee v. Durfee & Canning, 323 Mass. 187, 199, 80 N.E.2d 522, 529 (Sup. Jud. Ct. Mass. 1948); siehe außerdem Ballantine, On Corporations, S. 205, dort zu Kriterien zur Bestimmung, wann von Fairness ausgegangen werden kann. 37 Miller v. Miller, 301 Minn. 207, 224, 222 N.W.2d 71, 81 (Sup. Ct. Minn. 1974). 38 H.C. Girard Co. v. Lamoureux, 227 Mass. 277, 279, 116 N.E. 572, 573 (Sup. Jud. Ct. Mass. 1917); Thilco Timber Co. v. Sawyer, 236 Mich. 401, 403, 210 N.W. 204, 205 (Sup. Ct. Mich. 1926). 39 Thilco Timber Co. v. Sawyer, 236 Mich. 401, 403, 210 N.W. 204, 205 (Sup. Ct. Mich. 1926); Nebraska Power Co. v. Koenig, 93 Neb. 68, 139 N.W. 839, 842 (Sup. Ct. Neb. 1913). 40 Kaplan v. Fenton, 278 A.2d 834, 836 (Sup. Ct. Del. 1971); Equity Corp. v. Milton, 43 Del. Ch. 160, 164, 221 A.2d 494, 497 (Sup. Ct. Del. 1966); Sauer v. Moffitt, 363 N.W. 2d 269, 273 (Ct. App. Ia. 1984); Weisman v. A. Weisman, Inc., 374 Pa 470, 474, 97 A.2d 870, 872 (Sup. Ct. Pa. 1953). 41 H.C. Girard Co. v. Lamoureux, 227 Mass. 277, 279, 116 N.E. 572, 573 (Sup. Jud. Ct. Mass. 1917). 42 News-Journal Corp. v. Gore, 147 Fla. 217, 224, 2 So.2d 741, 745 (Sup. Ct. Fla. 1941). 43 Kroegher v. Calivada Colonization Co., 119 F. 641, 647 (CCA 3rd 1902). 44 H.C. Girard Co. v. Lamoureux, 227 Mass. 277, 279, 116 N.E. 572, 573 (Sup. Jud. Ct. Mass. 1917). 35
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davon, ob das Verwaltungsmitglied sie erst nach seinem Ausscheiden nutzt.45 Insofern wirkt die duty of loyalty des Verwaltungsmitglieds nach.
2.) Zuordnung im deutschen Recht Im deutschen Recht haben sich ähnliche Ansätze für die Zuordnung von Geschäftschancen entwickelt wie im angloamerikanischen Rechtskreis. Dafür wird verbreitet – in Anlehnung an den US-amerikanischen „Interest or Expectancy“-Test und den „Line of Business“-Test – zwischen Geschäftschancen aufgrund konkreter Geschäftsaussichten und solchen aufgrund abstrakter Geh. im Tätigkeitsbereich der Gesellschaft, unterschieden.46 schäftsfelder, d. Zum Teil wird auch darauf abgestellt, ob die Geschäftschance „wesentlich“ o. ä. für die Gesellschaft ist. a.) Abgrenzung anhand konkreter Geschäftsaussichten Für die Abgrenzung wird verbreitet das Kriterium der konkreten Geschäftsaussichten herangezogen. Solche liegen dann vor, wenn sich die Aussichten, ein Geschäft abzuschließen, aufgrund bestimmter Umstände bereits nach außen eindeutig manifestiert haben.47 Die Interessen der Gesellschaft lassen sich auf diese Weise konkret bestimmen, sodass auch von einem konkreten Interessenkonflikt ausgegangen werden kann, wenn der Interessenwahrer bzw. das Verwaltungsmitglied diese Geschäftschance wahrnehmen möchte. Konkrete Geschäftsaussichten und damit ein manifestiertes Interesse der Gesellschaft sind etwa angenommen worden, wenn zwischen der Gesellschaft und dem möglichen Vertragspartner ein besonderer Kontakt besteht, der die Geschäftschance zum Gegenstand hat. Dies ist beispielsweise anzunehmen, wenn eine Gesellschaft bereits einen Vertrag geschlossen hat48 oder die Verhandlungen so weit gediehen sind, dass der Vertragsschluss lediglich noch eine „Formsache“ ist49. Dahinter zurückbleibend soll es auch schon ausreichen, wenn die Gesellschaft wegen der Geschäftschance Vertragsverhandlungen 45 Southeast Consultants Inc. v. McCrary Engineering Corp., 246 Ga. 503, 509, 273 S.E.2d 112, 117, 17 A.L.R. 4th 470 (Sup. Ct. Geo. 1980). 46 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 168; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 203; Weisser, Corporate Opportunities, S. 146 ff.; 164 ff.; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 26; Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 168 ff.; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 430. 47 Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 117 (der dafür den Begriff einer „bestehenden Beziehung“ wählt); Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 28; Sieg/Zeidler, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 4 Rdnr. 7, zu Einzelfällen Rdnr. 10; dazu auch MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 57; Weisser, Corporate Opportunities, S. 164 ff. 48 Vgl. BGH WM 1977, 194, 195; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 244; Schuhknecht, Schranken, S. 36. 49 BAG BB 1968, 504; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 27; ders., NZG 2003, 985, 986.
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führt,50 insbesondere wenn dabei das betreffende Verwaltungsmitglied für die Gesellschaft auftritt 51 oder von der Gesellschaft zur Anbahnung eines einigermaßen konkreten Geschäftes beauftragt worden ist.52 Es reicht des Weiteren aus, wenn die Gesellschaft einen Beschluss gefasst hat, dass sie die Geschäftschance wahrnehmen will,53 und sogar, wenn die Gesellschaft lediglich ihr Interesse an Geschäften der entsprechenden Art geäußert hat 54. Keine Wirkung in dieser Hinsicht entfalten jedoch nichtige Beschlüsse, mit denen die Gesellschaft ihren Unternehmensgegenstand zu Lasten des betroffenen Verwaltungsmitglieds einseitig erweitert.55 Von konkreten Geschäftsaussichten wird schließlich ausgegangen, wenn die Gesellschaft ein konkretes Angebot erhalten hat,56 unabhängig davon, ob sie dem Verwaltungsmitglied in seiner Eigenschaft als Vertretungsorgan57 oder der Gesellschaft auf anderem Wege angeboten wurden. Denn hinsichtlich der Frage, ob es sich dabei um eine Geschäftschance der Gesellschaft handelt, kann es nicht darauf ankommen, ob sich der Geschäftsleiter für oder gegen eine Annahme entscheidet.58 Andernfalls könnte er auf die Zuordnung der Geschäftschance Einfluss nehmen, indem er entscheidet, welches Angebot er für die Gesellschaft annimmt und welches er für die Gesellschaft ablehnt und damit sich selbst vorbehält.
50 BGH NJW 1989, 2687, 2688; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 169; KölnKomm AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 105; Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 117; Schuhknecht, Schranken, S. 39 f.; Weisser, Corporate Opportunities, S. 165 ff.; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 27; Kübler, FS Werner, 1984, S. 437, 439; Schiessl, GmbHR 1988, 53, 54. 51 BGH NJW 1989, 2687, 2688 (bzgl. Kommanditist, der (bloß) einer gesellschafterlichen Treuepflicht unterliegt); Weisser, Corporate Opportunities, S. 167; Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 168. 52 Schuhknecht, Schranken, S. 42; Weisser, Corporate Opportunities, S. 168 f. 53 BGH NJW 1989, 2687, 2688; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 169; Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 117; Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 168; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 439. 54 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 169; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 105; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 27; ders., NZG 2013, 361, 364. 55 BGH NJW 1995, 1358, 1359; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 169; Fleischer, NZG 2003, 985, 986. 56 BGH GmbHR 1968, 141; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 169; KölnKommAktG/ Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 105; Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 117; a.A. Weisser, Corporate Opportunities, S. 166. 57 Dazu BGH GmbHR 1968, 141; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 169; Kübler, FS Werner, 1984, S. 437, 439; Schiessl, GmbHR 1988, 53, 54. 58 Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 117.
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b.) Keine Abgrenzung anhand des Tätigkeitsbereichs Des Weiteren wird vertreten, dass (auch) solche Geschäftschancen der Gesellschaft zugeordnet werden sollen, die in einem sachlichen Zusammenhang zu ihrer Geschäftstätigkeit stehen.59 Das soll sowohl Geschäftschancen im bisherigen Tätigkeitsbereich der Gesellschaft60 als auch in angrenzenden Geschäftsbereichen umfassen61. Begründet wird dies damit, dass es gerade die Aufgabe von Verwaltungsmitgliedern sei, im Geschäftszweig der Gesellschaft für diese Geschäftschancen zu ermitteln und wahrzunehmen.62 Dabei wird verbreitet auf den tatsächlichen Tätigkeitsbereich abgestellt, nicht auf den in der Satzung festgelegten, weil andernfalls je nach Satzungsklausel die Gefahr eines zu engen oder zu weiten Schutzbereichs bestünde.63 Eine solche von der konkreten Geschäftschance abstrahierende Betrachtung lässt sich mit der Einordnung der Geschäftschancenlehre und ihrer Abgrenzung zu Wettbewerbsverboten nicht vereinbaren. Das Tätigwerden – und damit die Nutzung von Geschäftschancen – im „Handelszweig“ der Gesellschaft wird bereits durch Wettbewerbsverbote geregelt.64 Diese stellen besondere Anforderungen auf, auch gelten sie in der Regel nur bis zum Ende des Bestellungszeitraums bzw. des Organverhältnisses. Diese gesetzgeberische Wertung darf bei der Ausformung der Geschäftschancenlehre nicht unbeachtet bleiben.65 Andernfalls würden die vom Gesetz vorgesehenen Einschränkungen in Bezug auf Wettbewerbsverbote – insbesondere auch die gesetzliche Entscheidung, für Aufsichtsratsmitglieder keine Wettbewerbsverbote vorzusehen – durch eine zu breite Anwendung der Geschäftschancenlehre ausgehebelt werden. Im US-amerikanischen Recht ist die Situation dagegen eine andere, weil 59 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 168 (das Merkmal des Tätigkeitsbereichs soll weit gefasst werden); KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 105; Scholz/ Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 203 f.; Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 118; Weisser, Corporate Opportunities, S. 146 f.; Fleischer, NZG 2003, 985, 987; ders., NZG 2013, 361, 364; Kübler, FS Werner, 1984, S. 437, 439 (Geschäftszweig); Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 169 f.; Timm, GmbHR 1981, 177, 181. Zurückhaltender BGH WM 2013, 320, 322 (Geschäftschance, die in den Geschäftsbereich der Gesellschaft fällt und ihr bereits zugeordnet ist). 60 Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 29; ders., NZG 2003, 985, 987. 61 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 168; Weisser, Corporate Opportunities, S. 150 ff.; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 29; ders., NZG 2003, 985, 987; Röhricht, WPg 1992, 766, 770. Siehe dazu auch Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 121 f. 62 Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 118. 63 Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 121; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 29; ders., NZG 2003, 985, 987; Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 170; siehe auch Timm, GmbHR 1981, 177, 181. Zu dieser Kritik auch Schiessl, GmbHR 1988, 53, 54, der aber darüber hinaus auch branchenfremde Geschäfte einbeziehen will und daher eine Beschränkung auf den „üblichen Tätigkeitsbereich“ ablehnt. 64 Dazu und zum Folgenden Löhnig, Treuhand, S. 379. 65 Fleischer, NZG 2003, 985, 992.
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dieses keine Wettbewerbsverbote kennt und dementsprechend andere Lösungen als das deutsche Gesellschaftsrecht finden musste.66 Bei einer Anknüpfung an den tatsächlichen Tätigkeitsbereich ist zudem problematisch, dass dieser vor allem durch die Geschäftsleiter bestimmt wird und damit von denjenigen, für die gerade das Verbot, Geschäftschancen wahrzunehmen, gelten soll.67 Es wäre also nicht auszuschließen, dass diese den Interessenkonflikt „wegdefinieren“, indem sie den tatsächlichen Tätigkeitsbereich der Gesellschaft so verändern, dass dieser die Geschäftschance nicht mehr umfasst. c.) Keine Abgrenzung anhand der „Wesentlichkeit“ für die Gesellschaft Mit Unterschieden in der Formulierung wird des Weiteren ähnlich wie im US-amerikanischen Recht vertreten, dass alle für die Gesellschaft „wesentlichen“, „betriebsnotwendigen“ o. ä. Geschäftschancen dieser zugeordnet werden sollen.68 Es soll sogar ausreichen, dass ein Geschäft der Gesellschaft Vorteile bringen würde.69 Wann Geschäftschancen „wesentlich“ etc. für die Gesellschaft sind, ist aber – gerade auch in den Grenzbereichen, in denen nicht bereits anhand formaler Kriterien entschieden werden kann – kaum rechtssicher festzustellen.70 Stellt man hingegen auf die Vorteilhaftigkeit ab, würde dies dazu führen, dass im Verhältnis zwischen Geschäftsleiter und Gesellschaft jede Erwerbschance, so es sich tatsächlich um eine „Chance“ handelt, der Gesellschaft zugeordnet werden muss.71 Dies würde auch solche Geschäftschancen umfassen, die bei einer formalen Betrachtung dem Geschäftsleiter zugeordnet werden müssten, wie bspw. persönliche Informationen und Kontakte, die der Geschäftsleiter bereits vor der Übernahme seines Amtes besaß.72 Auch wenn Geschäftsleiter regelmäßig gerade wegen ihres besonderen fachlichen 66 Löhnig, Treuhand, S. 379. Zudem gibt es auch im US-amerikanischen Recht Differenzierungen, die die funktionale Nähe des „Line of Business“-Test zum deutschen Wettbewerbsverbot zeigen. So wird in der Rechtsprechung vertreten, dass der „Line of Business“Test nicht auf „former officers“ angewendet werden kann, sondern nur der „Interest or exectancy“-Test, siehe Southeast Consultants, Inc. v. McCrary Engineering Corp., 246 Ga. 503, 509, 273 S.E.2d 112, 117, 17 A.L.R. 4th 470 (Sup. Ct. Geo. 1980). Würde man in diesem Fall im deutschen Recht nur auf den Tätigkeitsbereich des Geschäftsherrn bzw. der Gesellschaft abstellen, würde man hierüber hinausgehen. Auch der BGH sieht daher eine konkrete Zuordnung als Voraussetzung an, siehe BGH WM 2013, 320, 322 (Geschäftschance, die in den Geschäftsbereich der Gesellschaft fällt und ihr bereits zugeordnet ist). 67 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 168; vgl. auch ders., in: Hopt/Teubner, Coporate Governance, S. 285, 300. 68 BGH NJW 1986, 584, 585; Lawall, NJW 1997, 1742, 1745 („betriebsnotwendig“). 69 BGH NJW 1986, 585, 586. 70 Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 122; Weisser, Corporate Opportunities, S. 170 (bzgl. „lebensnotwendig“); Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 170; siehe auch Löhnig, Treuhand, S. 380. 71 Schuhknecht, Schranken, S. 33; Löhnig, Treuhand, S. 380. 72 Genau dies fordernd Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 205.
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und persönlichen Hintergrundes angestellt werden, so geschieht dies doch mit Blick auf den jeweiligen Handelszweig der Gesellschaft. Und in dieser Hinsicht wird die Gesellschaft bereits durch das Wettbewerbsverbot geschützt, das auch in diesem Fall ansonsten ausgehebelt werden würde. Auch die Rechtsprechung ist bisher vor einer allzu weiten Anwendung der Geschäftschancenlehre anhand solcher ausfüllungsbedürftiger Kriterien zurückgeschreckt und hat regelmäßig konkret angeknüpft.73 d.) Geschäftschancen und Konzern Die Frage der Anwendung der Geschäftschancenlehre im Rahmen von Konzernsachverhalten ist in gleicher Weise zu lösen, wie die der Anwendung des Wettbewerbsverbots.74 Entsprechend erstreckt sich das Verbot, Geschäftschancen wahrzunehmen, im Rahmen von Konzernsachverhalten auch auf solche Geschäftschancen, die zwar nicht für die (herrschende) Gesellschaft selbst in Frage kommen, wohl aber für eine von ihr beherrschte Gesellschaft.75 e.) Abgrenzung zu anderen Interessenwahrungspflichtverletzungen Ganz auszugrenzen aus dem Anwendungsbereich der Geschäftschancenlehre sind diejenigen Fälle, in denen Verwaltungsmitglieder Gesellschaftsressourcen zur Durchführung eigener Geschäfte verwenden.76 Die widerrechtliche Verwendung fremder Mittel ändert nichts an der Zuordnung des Geschäfts, für das die Mittel verwendet werden.77 Der Missbrauch erfolgt in diesem Fall „aus Anlass“ des Wahrnehmens einer Geschäftschance, nicht aber „in der Form“ des Wahrnehmens dieser Geschäftschance.78 Auch unter Schutzzweckgesichtspunkten ist eine Verortung in der Geschäftschancenlehre nicht erforderlich. Denn auch die widerrechtliche Verwendung von Gesellschaftsmitteln – an denen die Gesellschaft daher als Rechtsinhaberin die umfassende Nutzungs- und Verwertungsbefugnis hat – stellt eine Interessenwahrungspflichtverletzung dar und ermöglicht daher entsprechende Sanktionen.79 Ebenfalls Siehe dazu auch Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 440. Siehe dazu § 11 VI. 75 Scholz/Schneider/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 206; Spindler/Stiltz/Fleischer, AktG, § 93 Rdnr. 142; Weisser, Corporate Opportunities, S. 150; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 442. 76 Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 122 f.; Schuhknecht, Schranken, S. 58; Weisser, Corporate Opportunities, S. 172; Löhnig, Treuhand, S. 377; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 28; ders., NZG 2003, 985, 986 f.; vgl. auch Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rdnr. 39; a.A. Polley, Wettbewerbsverbot, S. 134; Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 168; Röhricht, WPg 1992, 766, 775; Schiessl, GmbHR 1988, 53, 54. 77 Schuhknecht, Schranken, S. 58; Löhnig, Treuhand, S. 377. 78 Löhnig, Treuhand, S: 377. 79 Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 123. Siehe dazu auch z. B. BGH WM 1978, 1205, 73 74
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keine Geschäftschance, wohl aber eine Interessenwahrungspflichtverletzung ist es, wenn ein Interessenwahrer ein für ihn vorteilhaftes Angebot annimmt, das ihm gerade wegen seiner Stellung als Interessenwahrer unterbreitet worden ist.80 Darunter fallen etwa Provisionen, Vergünstigungen oder Schmiergelder, die das Verwaltungsmitglied dazu bewegen sollen, seinen Einfluss innerhalb der Gesellschaft zugunsten des Zuwendenden geltend zu machen.81 Solche „Provisionen“ u. ä. hat das Verwaltungsmitglied an die Gesellschaft weiterzureichen.82
3.) Differenzierte Anwendung der Geschäftschancenlehre Da sich die Geschäftschancenlehre aus der Interessenwahrungspflicht ableitet, muss sie auch deren unterschiedlich intensive Ausprägung bei verschiedenen Interessenwahrern berücksichtigen. Demzufolge haben nicht alle Interessenwahrer Geschäftschancen in gleichem Maße ihrem Geschäftsherrn zu überlassen, wie etwa der Vergleich von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern in der Aktiengesellschaft zeigt. a.) Nicht nach Gesellschaftsformen Zum Teil wird vertreten, dass hinsichtlich der Wahrnehmung von Geschäftschancen im Gesellschaftsrecht zwischen Geschäftsleitern personalistischer Gesellschaften und solchen von Publikumsgesellschaften unterschieden werden müsse und für letztere ein völliges Verbot der Geschäftschancenwahrnehmung gelten müsse.83 Eine solche unterschiedliche Behandlung ließe sich auf den ersten Blick aufgrund der unterschiedlichen Vertragstypen – Verträge des Interessengegensatzes, Verträge der Fremdinteressenwahrung – rechtfertigen. Die 1206; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rdnr. 39; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 241; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 28, 41; ders., WM 2003, 1045, 1056. 80 BGH WM 1967, 679; 1977, 361, 362; Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 123; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 27; Timm, GmbHR 1981, 177, 179; unter das Verbot der Geschäftschancenwahrnehmung subsumierend KölnKommAktG/Mertens/ Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 105; Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 168. 81 RGZ 96, 53, 54 f.; BGH GmbHR 1968, 141, 142; Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 124. 82 RGZ 96, 53, 56; BGH GmbHR 1983, 300. 83 Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 101 ff.; 115 ff.; Kübler, FS Werner, 1984, S. 437, 446 f.; Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 167. Ausgenommen werden sollen auch im Fall der Publikumsgesellschaft allerdings Geschäfte des persönlichen Lebensbedarfs und die private Vermögensanlage, vgl. Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 115 f.; Kübler, FS Werner, 1984, S. 437, 447; Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 167. Dieser Ansatz, nach der Gesellschaftsform zu unterscheiden, lehnt sich an entsprechende Vorschläge zum US-amerikanischen Recht an, siehe Brudney/Clark, 94 Harv. L. Rev. 998, insb. 1001 ff. (1981). Ablehnend Hopt in Hopt/Teubner, Corporate Governance, S. 285, 297 ff.; Weisser, Corporate Opportunities, S. 114 f.; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 30.
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dogmatische Verortung der Geschäftschancenlehre und ihre Abgrenzung zum Wettbewerbsverbot sprechen jedoch dagegen. Das Wettbewerbsverbot würde seines Anwendungsbereichs beraubt werden, wenn sich das Verbot, Geschäftschancen der Gesellschaft wahrzunehmen, generell auf alle Geschäftschancen der Gesellschaft erstrecken würde.84 Ein völliges Verbot würde dem im Wettbewerbsverbot zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Ziel einer abgewogenen Lösung widersprechen, nicht zuletzt weil es die Freiheit der Aufsichtsratsmitglieder zu stark beschränken würde; außerdem würde es den Struktur unterschieden des deutschen gegenüber dem US-amerikanischen Recht nicht ausreichend gerecht werden.85 b.) Nach der Stellung des Interessenwahrers Zu differenzieren ist dagegen im Hinblick auf die Stellung der verschiedenen Organmitglieder gegenüber der Gesellschaft. Für Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer, die hauptamtlich für die Gesellschaft tätig sind und vergleichsweise großen Einfluss auf diese ausüben, müssen höhere Anforderungen in Bezug auf die Wahrung von Geschäftschancen für die Gesellschaft gelten als für Aufsichtsratsmitglieder, sofern mit letzteren nichts anderes vereinbart worden ist.86 Denn Aufsichtsratsmitglieder sind lediglich im Nebenamt tätig, nehmen nicht an der Unternehmensleitung teil und werden entsprechend geringer vergütet.87 Grundsätzlich sind aber auch sie dazu verpflichtet, Geschäftschancen der Gesellschaft nicht im eigenen Interesse auszunutzen.88 Dementsprechend dürfen sie jedenfalls solche Geschäftschancen nicht nutzen, von denen sie im Rahmen ihrer Aufsichtsratstätigkeit, etwa bei Aufsichtsratssitzungen Siehe Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 115. Fleischer, NZG 2003, 985, 987. 86 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 116 Rdnr. 194; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 116 Rdnr. 29; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 30; Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, 423, 437; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb börsennot. AG, § 29 Rdnr. 26; Gofferje, Unabhängigkeit, S. 106 f.; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 434 f.; Fleck, FS Heinsius, 1991, S. 89, 90 ff.; wohl nicht differenzierend Hanau/Wackerbarth, Unternehmensmitbestimmung, S. 52. – Die fehlende Möglichkeit einer Analogie des Wettbewerbsverbots steht einer Anwendung der Geschäftschancenlehre auf Aufsichtsratsmitglieder nicht entgegen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil der Anwendungsbereich der Wettbewerbsverbote und der Geschäftschancenlehre nicht vollständig übereinstimmen. Siehe GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 15. Allerdings muss dabei beachtet werden, dass die gesetzliche Wertung, Aufsichtsratsmitglieder keinem Wettbewerbsverbot zu unterwerfen, nicht „durch die Hintertür“ mittels einer zu weit ausgreifenden Geschäftschancenlehre unterlaufen werden darf. 87 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 116, Rdnr. 190; Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 130; siehe auch Fleck, FS Heinsius, 1991, S. 89, 90; vgl. außerdem Ulmer, NJW 1980, 1603, 1604. Ähnlich für die unterschiedliche Anwendung im Hinblick auf Gesellschaft und Geschäftsführer bei der GmbH Lawall, NJW 1997, 1742, 1744. 88 Siehe nur KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 116 Rdnr. 30. 84 85
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oder sonst aufgrund ihrer Informationsrechte, erfahren haben.89 Das gleiche gilt, wenn sie von der Gesellschaft mit deren Wahrnehmung beauftragt worden sind.90 Auch nur auf solche Geschäftschancen, die dem jeweiligen Mitglied im Rahmen seiner Aufsichtsratstätigkeit bekannt werden, soll sich das in Ziff. 5.5.1 DCGK erwähnte Verbot für Aufsichtsratsmitglieder beziehen, Geschäftschancen der Gesellschaft auszunutzen.91 c.) Nach der Öffnung der Interessensphäre Diese Unterscheidung nach der Stellung lässt sich verallgemeinern. Da die Geschäftschancenlehre in der Interessenwahrungspflicht verankert ist, kann sie nur so weit reichen wie diese. Da die Interessenwahrungspflicht wiederum mit der Öffnung der Interessensphäre durch den Geschäftsherrn korrespondiert, kann ein Interessenwahrer nur so weit zur Überlassung von Geschäftschancen verpflichtet sein, wie seine Kenntnisse und Möglichkeiten, diese zu nutzen, auf die Öffnung der Interessensphäre durch den Geschäftsherrn zurückgehen.92 Hat er also beispielsweise Ressourcen des Geschäftsherrn eingesetzt, um von der Geschäftschance zu erfahren, oder hat er dafür oder für die Nutzung der Geschäftschance eigene Arbeitskraft oder Kontakte eingesetzt, die er jedoch zuvor in den Dienst des Geschäftsherrn gestellt hat, so sind diese Geschäftschancen dem Geschäftsherrn zuzuordnen.93 d.) Geschäftschancenlehre und Kollision mehrerer Interessenwahrungsverhältnisse am Beispiel kollidierender Aufsichtsratsmandate Damit lässt sich auch die Frage nach der Zuordnung von Geschäftschancen klären, wenn der Interessenwahrer mehreren gleichberechtigten Geschäftsherren zugleich dient. Ein vieldiskutiertes Beispiel ist in diesem Zusammenhang der Fall eines Aufsichtsratsmitglieds, das in den Aufsichtsräten verschiedener Gesellschaften sitzt und das von einer Geschäftschance erfährt, die für mehrere „seiner“ Gesellschaften interessant ist.94 Dies ist möglich, weil anders als 89 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 116, Rdnr. 194; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rdnr. 880 (nur wenn außerhalb des Amtes von der Geschäftschance erfahren); Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 130; vgl. auch Ulmer, NJW 1980, 1603, 1606; differenzierend Fleck, FS Heinsius, 1991, S. 89, 99 f. 90 Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 130 f. 91 Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder/Kremer, DCGK, Rdnr. 1096. 92 Auf die unterschiedlichen Einfluss- und Beeinträchtigungsmöglichkeiten der einzelnen abstellend Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 167. 93 Vgl. dazu Grundmann, Treuhandvertrag, S. 431 und 445 f.; 94 Kein Problem wirft hingegen die Kollision eines Aufsichtsrats- und eines Vorstandsmandats auf. Sofern der Betroffene nicht gerade unmittelbar als Mitglied des Aufsichtsrats handelt (siehe Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605), hat er in diesem Fall die Gesellschaft zu unterrichten, bei der er zum Vorstand bestellt worden ist. Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 437 Fn.
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für Vorstandsmitglieder für Aufsichtsratsmitglieder das Wettbewerbsverbot nach § 88 AktG nicht gilt, siehe § 105 Abs. 2 Satz 4 AktG. Daher muss die Frage beantwortet werden, welcher Gesellschaft das Aufsichtsratsmitglied die Geschäftschance offenlegen muss. Stellt man auf die Öffnung der Interessensphäre ab, kommt es darauf an, in welchem Zusammenhang das Aufsichtsratsmitglied von der Geschäftschance erfahren hat und wessen Ressourcen es in diesem Zusammenhang eingesetzt hat.95 Daraus lässt sich in der Regel ableiten, welcher Gesellschaft die Geschäftschance „näher“ steht. Da allenthalben bekannt ist, dass nebenamtlich tätige Aufsichtsratsmitglieder sehr häufig für mehrere Gesellschaften tätig sind und die Gesellschaften von solchen Kontakten profitieren können und wollen, ist – sofern nicht besondere Umstände vorliegen – davon auszugehen, dass die „entferntere“ Gesellschaft mit der Bestellung des jeweiligen Aufsichtsratsmitglieds in eine solche Konfliktlösung eingewilligt hat. Sofern möglich, ist daher danach zu entscheiden, in welchem Tätigkeitszusammenhang das Aufsichtsratsmitglied von der Geschäftschance erfahren hat. Die Geschäftschance ist dann derjenigen Gesellschaft zuzuordnen, für die das betroffene Aufsichtsratsmitglied in dem Moment tätig war, als es von der Geschäftschance erfahren hat. Hat das Aufsichtsratsmitglied dagegen in seinem privaten Umfeld von der Geschäftschance erfahren, ohne dass es in seiner Stellung als Aufsichtsratsmitglied einer der Gesellschaften angesprochen worden ist oder deren Ressourcen genutzt hat, steht ihm die Geschäftschance privat zu. Es ist dann nicht verpflichtet, die Chance einer der Gesellschaften mitzuteilen, sondern kann sie selbst nutzen. Denn in diesem Fall ist die Kenntnis und Nutzungsmöglichkeit der Geschäftschance nicht auf die Öffnung der Interessensphäre der Gesellschaft zurückzuführen. Will das Aufsichtsratsmitglied diese Geschäftschance dennoch einer der Gesellschaften mitteilen oder ist es dazu gegenüber mehreren Gesellschaften verpflichtet, weil sich eine „nähere“ Gesellschaft nicht ermitteln ließ, muss es die Treuepflicht gegenüber jeder „seiner“ Gesellschaften beachten. Da in diesem Fall eine sachgerechte, an objektiven Gesichtspunkten orientierte Zuordnung nicht möglich ist, kommt der oben96 behandelte Gleichbehandlungsgrundsatz 49. Denn bei Vorstandsmandaten ist die Treuebindung stärker ausgeprägt. Siehe Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 437; Gofferje, Unabhängigkeit, S. 107 f. 95 Vgl. dazu GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 116, Rdnr. 195; vgl. in diesem Zusammenhang auch die Fallgruppenbildung mit Blick auf die einzelne Gesellschaft bei Ulmer, NJW 1980, 1603, 1604 (innerhalb oder außerhalb der Geschäftssphäre, Mischfälle); dazu Deckert, DZWIR, 1996, 406, 408. Bei der hier vorgenommenen Zuordnung kann die eigene Arbeitskraft des Aufsichtsratsmitglieds nicht berücksichtigt werden, weil das Aufsichtsratsmitglied (anders als hauptberufliche Vorstandsmitglieder) nur nebenamtlich tätig ist und seine Arbeitskraft daher nicht in vollem Umfang der Gesellschaft überlassen hat (und dafür auch nicht entsprechend vergütet wird). 96 Siehe § 14 IV.
V. Zuordnung von Geschäftschancen zum Interessenwahrer
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zur Anwendung.97 Denn dieser tritt immer dann an die Stelle kollidierender Interessenwahrungspflichten, wenn die jeweiligen Interessenwahrungsverhältnisse zulässigerweise parallel eingegangen worden sind und gleichberechtigt nebeneinander stehen, sodass sich eine Rangfolge zwischen ihnen nicht bilden lässt. Da das Aufsichtsratsmitglied – wie dargelegt – die Aufsichtsratsmandate zulässigerweise parallel übernommen hat und sich hinsichtlich der Geschäftschance keine Rangfolge zwischen den Gesellschaften bilden lässt, muss es die Gesellschaften gleich behandeln. Legt es daher eine Geschäftschance gegenüber einer Gesellschaft pflichtgemäß offen, muss es diese Geschäftschance auch der anderen Gesellschaft gegenüber im gleichen Umfang offenlegen und beide Gesellschaften auf seinen Interessenkonflikt hinweisen. So haben beide Gesellschaften die Möglichkeit, sich um die Geschäftschance zu bemühen.98 Aufgrund seiner Verpflichtung zur Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verletzt das Aufsichtsratsmitglied durch eine solche Offenlegung gegenüber verschiedenen Gesellschaften nicht seine Treuepflicht.99
V. Zuordnung von Geschäftschancen zum Interessenwahrer Nimmt der Interessenwahrer eine dem Geschäftsherrn zugeordnete Geschäftschance selbst wahr, verletzt er seine Interessenwahrungspflicht, sofern er sein Handeln nicht rechtfertigen kann.
1.) Unvermögen der Chancennutzung, insbesondere nicht ausreichende Finanzmittel Als Rechtfertigungsgrund untauglich ist das Vorbringen, dass der Geschäftsherr nicht in der Lage sei, die Geschäftschance zu nutzen.100 So kann sich etwa ein Geschäftsleiter nicht darauf berufen, dass der Gesellschaft die notwendigen 97 Vergleichbares geschieht etwa im Insolvenzrecht, wo die Interessen der Gläubiger nicht jeweils zu einzelnen Interessenwahrungspflichten führen, sondern die par conditio creditorum eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger verlangt. 98 Die „Verteilungsfrage“, die nach Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 437 in diesem Fall noch nicht beantwortet sei, wird dann durch den Wettbewerb der beiden Gesellschaften um diese Geschäftschance gelöst. 99 A.A. Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 437, der bei seiner Argumentation allerdings nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz in Erwägung zieht. 100 BGH NJW 1986, 584, 585; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 171; Weisser, Corporate Opportunities, S. 228 f.; Timm GmbHR 1981, 177, 182; siehe auch Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 208; vorsichtiger Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 170 f.; anders aber Schiessl, GmbHR 1988, 53, 55 (Beweislast dafür, dass Gesellschaft die Chance nicht nutzen konnte, liege beim Geschäftsführer und an diese seien hohe Anforderungen zu stellen). In den USA etwa Kelly v. 74 & 76 West Tremont Ave. Corp., 4 Misc. 2d 533, 536, 151 N.Y. S.2d 900, 903 (Sup. Ct. N.Y. 1956).
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Finanzmittel fehlten und daher die Gesellschaft gar nicht in der Lage war, die Geschäftschance wahrzunehmen.101 In diesem Fall ist der Geschäftsleiter verpflichtet, einen geeigneten Ausweg zu suchen, indem er etwa Kredite aufnimmt oder neue Gesellschafter veranlasst, der Gesellschaft beizutreten102 oder ein Gemeinschaftsunternehmen mit der Gesellschaft zu gründen103 . Stehen einem Geschäft gesetzliche Hinderungsgründe entgegen oder ist ein Geschäftspartner nicht bereit, mit der Gesellschaft das jeweilige Geschäft abzuschließen, muss die Gesellschaft zunächst die Möglichkeit haben, die Hinderungsgründe zu beseitigen oder den Geschäftspartner umzustimmen.104 Andernfalls hätte es der Geschäftsleiter in der Hand, durch ein entsprechendes Handeln für die Gesellschaft die Zuordnung zu beeinflussen; dann bestünde für ihn der Anreiz, lediglich halbherzig zu versuchen, die Hindernisse für die Gesellschaft zu überwinden.105 Dadurch würde der Interessenkonflikt nicht beseitigt, sondern durch fehlerhafte Anreizsetzung aufrecht erhalten. Meist wird es sich ohnehin nur um einen Vorwand handeln.106 Denn insbesondere hinsichtlich fehlender Finanzmittel wäre es nur schwer nachzuvollziehen, dass die Gesellschaft vorteilhafte Investitionen nicht finanzieren können sollte – insbesondere wenn ihr Geschäftsleiter dazu in der Lage ist.107 Das Vorangegangene lässt sich auf andere Interessenwahrer übertragen. Hat ein Interessenwahrer es übernommen, für den Geschäftsherrn Geschäfte zu besorgen, umfasst dies auch vorgelagerte Tätigkeiten, die notwendig sind, um die Geschäftsbesorgung überhaupt erbringen zu können. Dementsprechend muss der Interessenwahrer alles tun, um die von ihm übernommene Geschäftsbesorgung durchführen zu können. Insbesondere hat er bestehende Hindernisse für die Geschäftsbesorgung – soweit es ihm möglich ist – zu beseitigen.
2.) Private Kenntniserlangung Auch die private Kenntniserlangung wird von der Rechtsprechung nicht als Rechtfertigungsgrund für eine Wahrnehmung von Geschäftschancen durch 101 BGH NJW 1986, 584, 585; WM 1977, 361, 362; 2013, 320, 323; GroßkommAktG/ Hopt, § 93 Rdnr. 171; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 34; ders., NZG 2013, 361, 365; Schiessl, GmbHR 1988, 53, 55; Timm, GmbHR 1981, 177, 183; vgl. dazu auch Schuhknecht, Schranken, S. 78 ff. 102 BGH NJW 1986, 584, 585; WM 2013, 320, 323. 103 BGH WM 1977, 361, 362. 104 Polley, Wettbewerbsverbot, S. 145; Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 142; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 34; ders., NZG 2003, 985, 988; siehe auch Kübler/ Waltermann, ZGR 1991, 162, 171. 105 Clark, Corporate Law, § 7.6 (S. 243); Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 34; ders., NZG 2003, 985, 988; ders., NZG 2013, 361, 365; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 443 f. 106 Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 34; ders., NZG 2003, 985, 988. 107 Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 34; ders., NZG 2003, 985, 988.
V. Zuordnung von Geschäftschancen zum Interessenwahrer
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den Interessenwahrer angesehen. So soll es unerheblich sein, ob von der Geschäftschance dienstlich oder privat Kenntnis erlangt wurde.108 Denn ihre Loyalitätspflichten seien unteilbar109 und die Geschäftsleiter bzw. Verwaltungsmitglieder daher „immer im Dienst“110 . Für einen solchen umfassenden Ansatz spricht, dass dadurch opportunistisches Verhalten von Geschäftsleitern bzw. Verwaltungsmitgliedern weiträumig ausgeschlossen werden kann. Denn so werden mögliche Manipulationen umfänglich verhindert.111 Zudem werden auf diese Weise schwierige Abgrenzungen zwischen dienstlichem und privatem Bereich vermieden, die ansonsten entstehen würden, weil sich die genaue zeitliche Geltung der Interessenwahrungspflicht nicht bestimmen lässt.112 Dieser Ansatz geht jedoch zu weit.113 Für Aufsichtsratsmitglieder scheitert eine solche umfassende Einbindung in die Gesellschaft bereits daran, dass ihr Amt lediglich ein Nebenamt ist.114 Da sie – anders als Vorstände und Geschäftsführer – keine umfängliche Vergütung erhalten, kann von ihnen auch nicht verlangt werden, dass sie ausschließlich für die Gesellschaft tätig werden und keine eigenen Geschäfte betreiben. Wie oben dargelegt ist bei ihnen die Treuepflicht aufgrund der geringeren Öffnung der Interessensphäre der Gesellschaft weniger intensiv ausgeprägt als bei Vorständen, was sich im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Geschäftschancen niederschlägt. Bei Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern ist eine vollumfängliche Überlassung von Geschäftschancen eher denkbar. Diese haben ihre Arbeitskraft und ihre Kontakte an die Gesellschaft „verkauft“, sodass auch Geschäftschancen, die damit im Zusammenhang stehen, der Gesellschaft zustehen.115 Das Argument, dass es nur schwer denkbar sei, dass Vorstandsmitglieder ohne 108 BGH NJW 1986, 585, 586; WM 2013, 320, 323; OLG Frankfurt a. M. GmbHR 1998, 376, 378; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG § 35 Rdnr. 41; Michalski/ Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rdnr. 121; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rdnr. 30; Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 145; Schiessl, GmbHR 1988, 53, 55. 109 BGH WM 2013, 320, 323; OLG Frankfurt a.M. GmbHR 1998, 376, 378; Michalski/ Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rdnr. 121; Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 169; Röhricht, WPg 1992, 766, 771; Schiessl, GmbHR 1988, 53, 55. Vgl. auch BGH NJW 1986, 585, 586. 110 Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 205; Weisser, Corporate Opportunities, S. 171 (Geschäftsleiter); Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 169. Ablehnend in Bezug auf Aufsichtsratsmitglieder Hopt, in: Hopt/Teubner, Corporate Governance, S. 285, 297; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1606; Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 169 Fn. 33. 111 Schiessl, GmbHR 1988, 53, 55. Dies konzedierend Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 36. 112 Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 36; ders., NZG 2003, 985, 989. 113 MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 61; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 36; ders., NZG 2013, 361, 365. 114 Ulmer, NJW 1980, 1603, 1606; vgl. auch Hopt in: Hopt/Teubner, Corporate Governance, S. 285, 297. 115 Dazu Grundmann, Treuhandvertrag, insb. S. 432 und 434.
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Gegenleistung (in Form einer zusätzlichen Vergütung) einer Verpflichtung zur uneingeschränkten Weitergabe privat erlangter Informationen zugestimmt hätten,116 überzeugt nur in bestimmten Fällen. Stellt man auf die Vergütung ab, so dürften sehr hohe Vergütungen, wie sie zum Teil bei großen Unternehmen gezahlt werden, als eine entsprechende Gegenleistung angesehen werden können. Da sich allerdings weder eine absolute noch eine unternehmensspezifische Vergütungsgrenze bestimmen lässt, ab der Geschäftschancen als abgegolten angesehen werden können, könnte nur auf die Abreden im individuellen Anstellungsvertrag abgestellt werden. Für eine allgemeine Lösung wäre damit nichts gewonnen. Vor diesem Hintergrund dürfte es am sachgerechtesten sein, im Fall von hauptberuflich tätigen (und entsprechend vergüteten) Interessenwahrern alle Geschäftschancen zunächst einmal grundsätzlich der Gesellschaft bzw. dem Geschäftsherrn zuzuordnen. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus der Ausrichtung von Fremdinteressenwahrungsverhältnissen am Interesse des jeweiligen Geschäftsherrn, die bei Geschäftsleitern aufgrund ihrer Stellung besonders ausgeprägt ist. In einem zweiten Schritt kann dem Interessenwahrer in besonderen Ausnahmefällen die Geschäftschance zugestanden werden, wenn er ein Geschäftsangebot privat, etwa von Freunden oder Familienmitgliedern, erhalten hat.117 Dafür trägt er die Darlegungs- und Beweislast, d. h. er hat die Vermutung zu widerlegen, dass die Geschäftschance dem Geschäftsherrn zuzuordnen ist.118
3.) Wahrnehmung nach Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses Bei Geschäftschancen, die nach der Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses vom Interessenwahrer wahrgenommen werden, ist zu differenzieren.119 Geschäftschancen des Geschäftsherrn bzw. der Gesellschaft, die bereits während des Interessenwahrungsverhältnisses konkret entstanden sind, kann der Interessenwahrer auch nach dem Ende des Interessenwahrungsverhältnis116 Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 36; ders., NZG 2003, 985, 989; siehe auch MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 61. 117 Scholz/Schneider, GmbHG § 43 Rdnr. 205; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 169 Fn. 593; Schuhknecht, Schranken, S. 66 f.; Fleischer, NZG 2003, 985, 989; ders., NZG 2013, 361, 365; Timm, GmbHR 1981, 171, 181; ablehnend aber BGH NJW 1986, 585, 586; WM 2013, 320, 323; OLG Frankfurt a.M. GmbHR 1998, 376, 378; Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rdnr. 38; Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 144 f.; Schiessl, GmbHR 1988, 53, 54 f. 118 Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 36; ders., NZG 2003, 985, 989; Timm, GmbHR 1981, 177, 181 Fn. 50; dies für unzureichend haltend Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 145. 119 GroßkommAktG/Hopt § 93 Rdnr. 183. Zur insoweit nachwirkenden Treuepflicht BGH WM 1977, 194.
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ses nicht nutzen.120 Dementsprechend ist es ihm untersagt, bei seinem Ausscheiden bzw. am Ende des Interessenwahrungsverhältnisses Geschäftschancen oder gar abgeschlossene Verträge des Geschäftsherrn an sich zu ziehen und mitzunehmen.121 Dies steht spiegelbildlich zu den Geschäftschancen, die der Interessenwahrer bereits vor Beginn des Interessenwahrungsverhältnisses erhalten hat und die er dann auch nach seinem Amtsantritt wahrnehmen darf.122 Anderes muss gelten, wenn es um Geschäftschancen geht, die nach dem Vorhergehenden als privat einzustufen sind oder wenn es um Geschäftschancen geht, die sich aus der allgemeinen Berufs- und Branchenerfahrung des Interessenwahrers ergeben.123 Diese stehen nach dem Ende des Interessenwahrungsverhältnisses allein dem Interessenwahrer zu. Eine zeitlich befristete Anstellung durch den Geschäftsherrn bzw. die Gesellschaft kann nicht zu einer unbefristeten Beanspruchung aller zukünftigen Geschäftschancen gegenüber dem Interessenwahrer führen.124 Das hätte auch volkswirtschaftlich negative Auswirkungen, denn es würde etwa die Neugründung von Unternehmen erheblich erschweren und zu einer Verringerung des Wettbewerbs führen.125 Zudem spricht hiergegen die im Rahmen des Wettbewerbsverbots erfolgte Interessenbewertung: 126 Danach genießen die Interessen der Gesellschaft nur während der Dauer der Organstellung einen solchen Vorrang, dass ein Wettbewerbsverbot gerechtfertigt ist. Für die Zeit nach dem Ausscheiden besteht – zumindest für Organmitglieder – kein Wettbewerbsverbot. Wo ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gilt oder vereinbart wurde, muss der Interessenwahrer, wie sich aus § 74 Abs. 2 und § 90a Abs. 1 Satz 3 HGB ergibt, eine Kompensation erhalten. Diese gesetzlichen Wertungen dürfen im Rahmen der Geschäftschancenlehre nicht unterlaufen werden.127
120 BGH NJW 1986, 585, 586; Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 128. In den USA etwa Abbott Redmont Thinlite Corp. v. Redmont, 475 F.2d 85, 88 (2nd Cir. 1973); Southeast Consultants v. McCrary, 246 Ga. 503, 509, 273 S.E. 2d 112, 117, 17 A.L.R. 4th 470 (Sup. Ct. Geo. 1980). 121 BGH WM 1977, 194; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 38; ders., NZG 2003, 985, 990; ders., WM 2003, 1045, 1058. 122 Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 38. 123 GroßkommAktG/Hopt § 93 Rdnr. 169; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 40; ders., NZG 2003, 985, 992 (rechtsvergleichend mit englischem Recht). 124 Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 40. 125 GroßkommAktG/Hopt § 93 Rdnr. 169; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 40. 126 Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 40. Siehe § 88 AktG für Vorstände; für GmbH-Geschäftsführer siehe § 11 IV.2.). 127 Vgl. Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 40.
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4.) Freigabe durch den Geschäftsherrn bzw. die Gesellschaft Eine rechtssichere Zuordnung von Geschäftschancen zum Interessenwahrer, die zudem vermeidet, dass die Interessen der Gesellschaft gefährdet werden, ist letztlich nur möglich, wenn der Geschäftsherr der Wahrnehmung durch den Interessenwahrer vorher zustimmt und damit die Geschäftschance freigibt.128 . Dies lässt sich auf eine entsprechende Anwendung von § 88 Abs. 1 AktG und § 60 Abs. 1 HGB stützen, wonach eine Konkurrenztätigkeit dann zulässig ist, wenn sie mit Einwilligung des Aufsichtsrats (für die Gesellschaft) bzw. des Prinzipals erfolgt.129 Denn wenn der Aufsichtsrat die Vorstandsmitglieder und der Prinzipal den Handlungsgehilfen schon vom Wettbewerbsverbot befreien dürfen, muss es ihnen erst recht möglich sein, eine einzelne Geschäftschance freizugeben.130 Da es sich bei diesen Fällen um besondere Vertypungen geschäftsbesorgerischer Tätigkeiten handelt, kann dies darüber hinaus, wie die Geschäftschancenlehre generell, auf andere Interessenwahrungsverhältnisse mit geschäftsbesorgerischem Charakter übertragen werden. Da in diesem Fall Interessenkonflikte des Interessenwahrers zu seinen Gunsten aufgelöst werden, muss verfahrensmäßig sichergestellt werden, dass die Interessen des Geschäftsherrn nicht gefährdet werden. Daher muss gewährleistet sein, dass der Geschäftsherr die Geschäftschance auf keinen Fall wahrnehmen möchte und ihm auch kein Schaden entsteht, wenn der Interessenwahrer die Geschäftschance wahrnimmt.131 Außerdem muss er (bzw. das zuständige Or gan) umfassend informiert sein – der Interessenwahrer hat daher alles offenzulegen, was die Entscheidung des Geschäftsherrn beeinflussen könnte.132 Der Interessenwahrer muss also insbesondere seinen Interessenkonflikt offenlegen, sodass der Geschäftsherr diesen bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen kann.133 Um dies zu gewährleisten, darf der Geschäftsherr seine Zustimmung – wie der Aufsichtsrat beim Wettbewerbsverbot nach § 88 Abs. 1 Satz 3 AktG – nicht pauschal, sondern nur für bestimmte Geschäftschancen erteilen und muss dies zudem im Vorhinein tun.134 128 Dazu MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 62; ausführlich dazu Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 158 ff.; siehe auch KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 105; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 37. 129 Hinsichtlich Aktiengesellschaften GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 167; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 37. 130 Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 37. 131 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 167. 132 BGH WM 1976, 77; 1977, 361, 362; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 167; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rdnr. 125; Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 159 f. (mit Einzelheiten); Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 37; Röhricht, WPg 1992, 766, 770; Timm, GmbHR 1981, 177, 183. Eine bloße Inkenntnissetzung soll wohl ausreichen. Siehe BGH NJW 1989, 2687, 2688; a.A. Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 37. 133 Vgl. Hopt, in: Hopt/Teuber, Corporate Govnernance, S. 285, 318. 134 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 167; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 62;
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Im Fall von Gesellschaften muss die Freigabe – unabhängig von der Rechtsform der Gesellschaft – durch Beschluss erfolgen.135 Für den Aufsichtsrat ergibt sich dies aus § 108 Abs. 1 AktG. Auch bei anderen Gremien spricht die dadurch geschaffene Rechtsklarheit für eine Beschlussfassung, weil so vermieden wird, dass es zu Uneinigkeit über die Bewertung eines bestimmten Verhaltens des Entscheidungsgremiums kommt.136 Sofern der Betroffene Mitglied des Gremiums ist, unterliegt er bei der entsprechenden Abstimmung einem Stimmverbot.137 Fehlt es an einer der genannten Voraussetzungen, ist die Freigabe nicht wirksam erteilt worden.138 Nimmt der Interessenwahrer die Geschäftschance dennoch war, verletzt er seine Interessenwahrungspflicht.
5.) Abdingbarkeit des Verbots, Geschäftschancen wahrzunehmen Über die Freigabe einzelner Geschäftschancen hinaus, ist eine Wahrnehmung von Geschäftschancen durch den Interessenwahrer dann gerechtfertigt, wenn das entsprechende Verbot wirksam abbedungen worden ist. Da die Geschäftschancenlehre gesetzlich nicht geregelt ist, fehlt es auch an einer ausdrücklichen Bestimmung, aus der sich ergibt, ob das Verbot, Geschäftschancen des Geschäftsherrn wahrzunehmen, gänzlich abbedungen werden kann. Für die Beantwortung dieser Frage kann die im Fall des Wettbewerbsverbots geltende Regelung herangezogen werden. Die Regelung des § 88 Abs. 1 Satz 3 AktG139 gewährleistet, dass sich der Aufsichtsrat bei der Freigabe einer Geschäftschance nicht mit dem abstrakten Konflikt beschäftigt, sondern die konkrete Situation und damit den konkreten Interessenkonflikt in den Blick nimmt. Bei dem gänzlichen Abbedingen des Wettbewerbsverbots kann demgegenüber nur über den abstrakten Interessenkonflikt entschieden werden. Dennoch ist dies zulässig. Ist es aber beim Wettbewerbsverbot möglich, trotz der Vorgabe, dass sich die Entscheidung am konkreten Einzelfall orientieren soll, eine Entscheidung über den abstrakten Interessenkonflikt zu treffen, ist nicht ersichtlich, warum dies bei der Geschäftschancenlehre anders sein sollte. In beiden Fällen bedeutet das gänzliche Abbedingen der Regelung gegenüber der individuellen Freigabe Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 37; ders., NZG 2003, 985, 990; Kübler, FS Werner, 1984, S. 437. 440; differenzierend (außer für Publikumsgesellschaften auch pauschale Freigabe möglich) Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 172 f. 135 Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 163; für die GmbH Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 210 (auch durch Satzung). 136 Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 163. 137 Ausführlich Reinhardt, Interessenkonflikte, S. 165 ff. 138 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 167. 139 Danach kann der Aufsichtsrat seine Einwilligung nicht pauschal, sondern nur für bestimmte Handelsgewerbe oder Handelsgesellschaften oder für bestimmte Arten von Geschäften erteilen.
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den Übergang von der Lösung des konkreten Konflikts zur Lösung des abstrakten Konflikts. Denn auch im Fall der Geschäftschancenlehre müssten sich die Beteiligten im Rahmen der Abbedingensvereinbarung über die Zuordnung aller zukünftigen Geschäftschancen einigen, also ihre Interessen im Hinblick auf abstrakt mögliche Interessenkonflikte einschätzen. Die Situation ist also mit derjenigen beim Abbedingen von Wettbewerbsverboten vergleichbar.
VI. Zusammenfassung Das Verbot, Geschäftschancen des Geschäftsherrn wahrzunehmen, stellt für konkrete punktuelle Interessenkonflikte das Pendant zum Wettbewerbsverbot dar. Es dient vor allem dem Schutz der Interessen des Geschäftsherrn an der Verwertung seiner (geschäftlichen) Informationen. Während das Wettbewerbsverbot abstrakt-generell anknüpft, bezieht sich das Verbot, Geschäftschancen an sich zu ziehen, auf einzelne konkrete Geschäfte. Als Ausprägung der Interessenwahrungspflicht kann das Verbot, Geschäftschancen des Geschäftsherrn auszunutzen, auf alle Interessenwahrungsverhältnisse übertragen werden, in denen ein Interessenwahrer Geschäfte für den Geschäftsherrn besorgt. Die Zuordnung von Geschäftschancen erfolgt danach, ob bereits konkrete Geschäftsaussichten bestanden. Auf den Tätigkeitsbereich – insbesondere bei Gesellschaften – und damit letztlich auf abstrakte Interessenkonflikte als Abgrenzungskriterium kann demgegenüber nicht abgestellt werden. Dies könnte unter anderem allzu leicht zu einer Aushebelung der gesetzlichen Wertung führen, wonach z. B. für Aufsichtsratsmitglieder gerade kein Wettbewerbsverbot gelten soll. Auch die „Wesentlichkeit“ und vergleichbare, wenig konkrete Merkmale sind als Kriterium ungeeignet. Bei der Zuordnung von Geschäftschancen ist zu berücksichtigen, wie weit der Interessenwahrer seine Interessensphäre dem Interessenwahrer geöffnet hat und ob Kenntnis oder Nutzungsmöglichkeit auf diese Öffnung zurückzuführen sind. Eine Geschäftschance kann dem Interessenwahrer zugeordnet werden, wenn der Geschäftsherr die Geschäftschance wirksam – insbesondere nach vollumfänglicher Offenlegung durch den Interessenwahrer – freigegeben hat. Bei weniger stark gebundenen Interessenwahrern, insbesondere bei Aufsichtsräten, kann für eine Zuordnung zugunsten des Interessenwahrers bereits die private Kenntniserlangung ausreichen. Darüber hinaus gilt für alle Interessenwahrer, dass sie nach dem Ende des Interessenwahrungsverhältnisses grundsätzlich frei sind, Geschäftschancen wahrzunehmen, sofern diese nicht bereits während des Bestehens des Interessenwahrungsverhältnisses entstanden sind. Im Zweifelsfall, wenn eine Zuordnung der Geschäftschancen nicht eindeutig möglich ist, gilt aufgrund der Ausrichtung von Interessenwahrungsverhältnissen am Interesse des Geschäftsherrn die Vermutung, dass Geschäftschancen dem Ge-
VI. Zusammenfassung
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schäftsherrn zustehen. Diese Vermutung kann der Interessenwahrer widerlegen. In dem besonderen Fall, dass jemand Mitglied in den Aufsichtsräten mehrerer Gesellschaften ist, kommt es – vor dem Hintergrund der Öffnung der Interessensphäre – darauf an, in welchem Zusammenhang das Aufsichtsratsmitglied von der Geschäftschance erfahren und wessen Ressourcen es in diesem Zusammenhang eingesetzt hat. Ist es nicht möglich, auf diese Weise zu ermitteln, welche Gesellschaft der Geschäftschance „näher“ steht, und sind die Gesellschaften auch ansonsten vollkommen gleichberechtigt und übt das Mitglied die entsprechenden Aufsichtsratsmandate zulässigerweise parallel aus, „verschmelzen“ die kollidierenden Treuepflichten zum Gleichbehandlungsgrundsatz. Dann hat das Aufsichtsratsmitglied die Geschäftschance allen (gleichberechtigten) Gesellschaften offenzulegen.
§ 16 Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen I. Einleitung Erfolgt die Interessenwahrung nicht durch eine Person bzw. einen Interessenwahrer, sondern durch ein Gremium, d. h. eine Mehrzahl von zusammenwirkenden Interessenwahrern, sind besondere Mechanismen zur Lösung von Interessenkonflikten erforderlich. Dies gilt insbesondere für punktuelle Konflikte. Bei diesen wäre eine Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses, etwa in Form der Abberufung wie bei Aufsichtsräten nach § 103 Abs. 3 AktG,1 nur selten angemessen und oft auch nicht im Interesse des Geschäftsherrn.2 Sachgerechter sind hier punktuelle Lösungen, wie Stimmverbote, die weniger intensiv in die Rechte des im Rahmen eines Gremiums handelnden Interessenwahrers eingreifen. Auch in den Fällen, in denen es keine ausdrückliche Regelung für ein Stimmverbot gibt, kommen sie als weniger intensiver Eingriff verglichen mit einer möglichen Abberufung für den Umgang mit Interessenkonflikten grundsätzlich in Frage.3
II. Allgemeines zu Stimmverboten 1.) Willensbildung bei Gremien – Beschluss und Stimmrecht Regelmäßig handeln die Mitglieder eines Gremiums gemeinsam, wenn sie nicht aufgrund einer besonderen Geschäftsverteilung für bestimmte Bereiche ausschließlich zuständig sind. Die Willensbildung des Gremiums, die für das gemeinsame Handeln erforderlich ist, erfolgt in der Regel durch Beschlüsse der Mitglieder des jeweiligen Gremiums. So können etwa Kollegialorgane, wie der Aufsichtsrat, nur mittels Beschlüssen ihre Rechte wahrnehmen und ihre Pflichten ausüben, vgl. für den Aufsichtsrat § 108 Abs. 1 AktG.4 Für die Beschluss Siehe Matthießen, Stimmrecht, S. 260. Vgl. Krebs, Interessenkonflikte, S. 170. Vgl. auch Wardenbach, Interessenkonflikte, S. 49. 3 A.A. Matthießen, Stimmrecht, S. 260. 4 Dazu KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 8; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rdnr. 714; Matthießen, Stimmrecht, S. 213. 1 2
II. Allgemeines zu Stimmverboten
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fassung gelten bestimmte Regeln, die zum Teil gesetzlich statuiert sind, zum Teil im Rahmen einer Geschäftsordnung festgelegt werden können.5 Die Beschlussfassung ermöglicht eine qualifizierte Willensbildung auf breiter Grundlage, in die verschiedene Meinungen einfließen können und die dazu dient, Meinungsverschiedenheiten und Konflikte zwischen den Mitgliedern hinsichtlich der Interessenwahrnehmung zu lösen.6 Die Beschlussfassung kann durch Mehrheitsbeschluss oder durch einstimmigen Beschluss7 erfolgen.8 Im Fall von Mehrheitsbeschlüssen kann eine Minderheit der Gremiumsmitglieder überstimmt und demzufolge die Interessenwahrnehmung nur von einem Teil des Gremiums bestimmt werden.9 An der Beschlussfassung nimmt das einzelne Gremiumsmitglied durch Abgabe seiner Stimme teil. Entsprechend hat jedes Gremiumsmitglied ein Stimmrecht, d. h. das Recht zur Teilnahme an der Beschlussfassung.10 Die Verknüpfung zwischen Stimmrecht und Gremiumsmitgliedschaft zeigt sich etwa beim Aufsichtsrat, wo das Stimmrecht nicht an die Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft anknüpft, sondern an die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat bzw. die verliehene Organfunktion.11 Entsprechend hat das Stimmrecht eine ganz wesentliche Bedeutung für die Mitgliedschaft im Gremium und bedarf sein Ausschluss, d. h. ein Stimmverbot, einer besonderen Rechtfertigung.12
2.) Zweck von Stimmverboten Stimmverbote sollen verhindern, dass der im Rahmen des Beschlusses gebildete Wille des Gremiums durch nicht sachbezogene Einflüsse, insbesondere Sonderinteressen von Mitgliedern, verfälscht wird.13 Eine Verfälschung der Willensbildung eines Gremiums ist insbesondere in Situationen möglich, in denen eines oder mehrerer seiner Mitglieder in einen Interessenkonflikt gerät bzw. geraten. Der Konflikt zeigt sich in diesem Fall nicht erst – wie beim einzelnen Interessenwahrer – beim interessewahrenden Handeln, sondern bereits bei der 5 Die Satzung muss von den Gremiumsmitgliedern nach pflichtgemäßem Ermessen errichtet worden und zur interessengerechten Beratung und Beschlussfassung geeignet sein. Löhnig, Treuhand, S. 566. 6 Löhnig, Treuhand, S. 566 f. 7 Siehe etwa § 77 Abs. 1 Satz 1 AktG. 8 Zum Einstimmigkeits- und Mehrheitsprinzip Zöllner, Schranken, S. 93 ff. 9 Dies entlässt die überstimmten Gremiumsmitglieder jedoch nicht aus ihrer Verantwortung. Löhnig, Treuhand, S. 566. 10 Matthießen, Stimmrecht, S. 213. 11 Matthießen, Stimmrecht, S. 222; Ulmer, NJW 1982, 2288. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats nicht Aktionäre der AG sein müssen. Siehe Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Geßler, AktG, § 100 Rdnr. 10; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 100 Rdnr. 6. 12 Matthießen, Stimmrecht, S. 230. 13 Siehe nur Hüffer, FS Heinsius, 1991, S. 337, 341.
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§ 16 Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen
diesem vorangehenden Willensbildung; daher ist er bereits an dieser Stelle zu lösen.14 Da der einzelne an der Willensbildung des Gremiums durch seine Abstimmung teilnimmt, muss er bei Ausübung seines Stimmrechts die Interessen des Geschäftsherrn wahren. Eine nachgelagerte Kontrolle, ob der Betroffene bei der Ausübung seines Stimmrechts seine Interessenwahrungspflicht beachtet hat, reicht in diesem Fall häufig nicht aus.15 In diesen Fällen sind daher Maßnahmen erforderlich, die von vornherein verhindern, dass sich Interessenkonflikte auf die Beschlussfassung negativ auswirken können. Dies geschieht mittels Stimmverboten. Stimmverbote bestehen in solchen Fällen, in denen aufgrund des Konflikts zwischen den vom Gremium wahrzunehmenden Interessen des Verbands oder sonstigen Zusammenschlusses und den (eigenen oder fremdbezogenen) Sonderinteressen eines Gremiumsmitglieds, von diesem typischerweise nicht erwartet werden kann, dass es sich ausschließlich am Verbandsinteresse orientiert16 und daher typischerweise eine Verfälschung des Gremiums- bzw. Verbandswillens zu erwarten ist. Nur in diesen Fällen ist ein solch erheblicher Eingriff in die Rechte der Gremiumsmitglieder gerechtfertigt.17 Denn greift ein Stimmverbot, ist die Stimme nichtig gemäß § 134 BGB.18
3.) Stimmverbot als Maßnahme bei punktuellen Interessenkonflikten Stimmverbote eignen sich allerdings nur als Maßnahme für punktuelle Konflikte, die eine bestimmte zur Abstimmung stehende Entscheidung betreffen. Für dauerhafte Konflikte eignet sich das Stimmverbot dagegen nicht. Denn fortgesetzte Stimmverbote würden dazu führen, dass das jeweilige Gremiumsmitglied seine Aufgabe im Gremium nicht mehr wahrnehmen könnte, gleichzeitig aber sein Platz auch nicht mit einem nichtbelasteten neuen Mitglied neu besetzt werden kann. Insbesondere bei Aufsichtsratsmitgliedern können Interessenkonflikte häufig vorkommen, weil sie in der Regel über viele Verbindun Löhnig, Treuhand, S. 568. Löhnig, Treuhand, S. 568. Siehe aber Behr, AG 1984, 281, 285 f. (Stimmverbote nicht erforderlich). 16 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 II 2 a (S. 608); Zöllner, Schranken, S. 158; Krebs, Interessenkonflikte, S. 127; siehe auch BGHZ 65, 93, 98 (bzgl. Gesellschafter). 17 Aber auch erforderlich , so dass Stimmverbote nicht abbedungen werden können, siehe BGH NJW 1989, 2694, 2696; a.A. RGZ 122, 159, 162. In Bezug auf Gesellschafter siehe Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 47 Rdnr. 76; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rdnr. 100. 18 MünchKommAktG/Habersack, § 108 Rdnr. 33, 74; Löhnig, Treuhand, S. 568. Sofern die Nichtigkeit der Stimmabgabe nicht erkannt worden ist und die abgegebene Stimme für das Beschlussergebnis kausal war, ist der Beschluss fehlerhaft. Vgl. z. B. RGZ 106, 258, 263; BGHZ 12, 327, 331; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 74; Münch KommAktG/Habersack, § 108 Rdnr. 33, 75. Zu den Auswirkungen ausführlicher unter § 16 IX.3.). 14
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III. Rechtsgrundlage für Stimmverbote
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gen zu Dritten außerhalb der Gesellschaft verfügen, was vielfach gerade der Grund für ihre Wahl ist.19 Diese Verbindungen und oft auch die fachlichen Kenntnisse eines Aufsichtsratsmitglieds führen zugleich dazu, dass eine dauerhafte Trennung von dem betroffenen Aufsichtsratsmitglied regelmäßig nicht im Interesse der Gesellschaft ist. Daher besteht ein besonderes Bedürfnis Konflikte möglichst punktuell mit Hilfe von Stimmverboten zu lösen.
III. Rechtsgrundlage für Stimmverbote Stimmverbote finden sich in §§ 34, 28 Abs. 1 BGB (Mitglieder und Vorstand des Vereins), § 47 Abs. 4 GmbHG (Gesellschafter der GmbH), § 136 Abs. 1 AktG (Aktionäre), § 43 Abs. 6 GenG (Genossen), § 36 Satz 1 VAG i.V.m. § 136 AktG und § 53 Abs. 2 Satz 1 VAG i.V.m. § 34 BGB (Mitglieder des Versicherungsvereins).
1.) Stimmverbot für den Vereinsvorstand Von den gesetzlich geregelten Stimmverboten betrifft nur das für den Vorstand eines Vereins nach §§ 28 Abs. 1, 34 BGB unmittelbar Interessenwahrer. Nach §§ 28 Abs. 1, 34 BGB ist ein Vorstandsmitglied nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und dem Verein betrifft. Darunter werden von einigen auch Entlastungen und die Befreiung von einer Verbindlichkeit gefasst.20 Folgt man dem, wird man neben dem Gedanken des Verbots von Insichgeschäften auch das Verbot des Richtens in eigener Sache in §§ 28 Abs. 1, 34 BGB verankert sehen.21 Andernfalls muss man auf den allgemeinen Rechtsgedanken des Verbots des Richtens in eigener Sache abstellen.22 Diese beiden Grundgedanken prägen das Stimmverbot.23 Wie bei § 181 BGB wird damit an bestimmte formal verallgemeinerte Situationen angeknüpft, in denen es typischerweise zu Interessenkonflikten kommt.24 Zweck der Regelung ist es, in diesen Situationen den Interessenkonflikt des betroffenen Vorstandsmitglieds zwischen seinen Eigeninteressen und den von Krebs, Interessenkonflikte, S. 127. Siehe nur Matthießen, Stimmrecht, S. 13; diese Fälle unter den allgemeinen Rechtgedanken des Verbots des Richtens in eigener Sache fassend MünchKommBGB/Reuter, § 34 Rdnr. 16. 21 A. A. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 II 2 b (S. 610). 22 MünchKommBGB/Reuter, § 34 Rdnr. 16. Die Notwendigkeit einer institutionellen Rechtsfortbildung sehen K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 II 2 b (S. 611). Vgl. dazu auch noch § 16 III.2.)e.). 23 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 II 2 a (S. 608). 24 Löhnig, Treuhand, S. 569. 19
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ihm zu wahrenden Interessen des Vereins aufzulösen. Das Stimmverbot entzieht dem betroffenen Vorstandsmitglied für diese besonderen Konfliktfälle die Aufgabe, die Interessen des Vereins zu wahren. Dadurch kann dieser nunmehr seine eigenen Interessen vertreten, ohne dass dadurch die Interessen des Vereins, der nun nur durch die übrigen Vereinsvorstände vertreten wird, gefährdet würden.25 Der Stimmrechtsausschluss erfolgt somit sowohl im Interesse des Vereins als auch zum Schutz des vom Interessenkonflikt betroffenen Vorstandsmitglieds. Letzteres wird von dem Interessenkonflikt befreit, der ansonsten eventuell dazu geführt hätte, dass es eine Pflicht verletzt hätte.26 Die Interessen des Vereins werden geschützt, da wegen der besonderen Situation nicht mehr damit gerechnet werden kann, dass der Betroffene eine Entscheidung trifft, die sich allein an sachgerechten Kriterien orientiert.27
2.) Stimmverbote für Aufsichtsratsmitglieder und ihre Rechtsgrundlage Die Stimmverbote in §§ 34 BGB, 47 Abs. 4 GmbHG, 136 Abs. 1 AktG und 43 Abs. 6 GenG, § 36 Satz 1 VAG i.V.m. § 136 AktG und § 53 Abs. 2 VAG i.V.m. § 34 BGB betreffen nur die jeweiligen Mitglieder, Aktionäre, Gesellschafter bzw. Genossen. Für die Mitglieder der geschäftsführenden Organe anderer juristischer Personen als dem Verein sowie für Aufsichtsratsmitglieder gibt es hingegen keine ausdrücklich gesetzlich normierten Stimmverbote. Dennoch sollen auch für sie bei bestimmten Interessenkonflikten Stimmverbote gelten.28 Umstritten ist allerdings die rechtliche Herleitung dieser Stimmverbote. Als mögliche Grundlage werden der Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB, eine Analogie zu § 181 BGB, eine Gesetzesanalogie zu § 34 BGB bzw. § 28 Abs. 1 i.V.m. § 34 BGB oder eine Rechtsanalogie zu den mitglied Zum Vorangegangen Löhnig, Treuhand, S. 569. Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 71 (bzgl. Aufsichtsratsmitglied und Gesellschaft). 27 Vgl. Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 59 (bzgl. Aufsichtsratsmitglied und Gesellschaft). 28 Vgl. etwa Hüffer, AktG, § 108 Rdnr. 9; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 49 ff.; Raiser/Veil, MitbestG, § 25 Rdnr. 37; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/ Geßler, AktG, § 108 Rdnr. 29; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rdnr. 899; Hoffmann-Becking, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 31 Rdnr. 66; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 58 f.; Deckert, DZWIR 1996, 406, 409; Dreher, JZ 1990, 896, 900 f.; Fleck, FS Heinsius, 1991, S. 89, 95 f.; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 3; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605; a.A. (Stimmverbote ablehnend) Behr, AG 1984, 281, 285 f. Siehe außerdem Gofferje, Unabhängigkeit, S. 114 (der Gesetzgeber gehe für bestimmte Situationen davon aus, dass es unzumutbar sei, seine eigenen Interessen ganz auszublenden, zudem sei die Konfliktsituation mit derjenigen bei Mitgliederversammlungen vergleichbar und gerade im Aufsichtsrat bestehe häufig ein konfliktträchtiges Beziehungsnetzwerk, eine evtl. Beschlussunfähigkeit könne durch gerichtliche Bestellung eines weiteren Mitglieds nach § 104 Abs. 1 AktG entschärft werden). 25 26
III. Rechtsgrundlage für Stimmverbote
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schaftlichen Stimmverboten in § 34 BGB, § 47 Abs. 4 GmbHG, § 43 Abs. 6 GenG, § 136 Abs. 1 AktG, §§ 36 Satz 1 und 53 Abs. 2 VAG genannt.29 a.) Stimmverbote nach § 142 Abs. 1 AktG und § 285 Abs. 1 AktG Ein Stimmrechtsausschluss wegen eines Interessenkonflikts ist ausdrücklich in § 142 Abs. 1 Satz 2 AktG vorgeschrieben. Danach darf ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats (das zugleich Aktionär ist) an der Beschlussfassung der Hauptversammlung nicht mitwirken, wenn diese einen Sonderprüfer bestellen möchte und die Prüfung Vorgänge betrifft, die mit der Entlastung eines Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieds oder der Einleitung eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft und einem Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieds zusammenhängen. In dieser Vorschrift kommt der Grundsatz des Verbotes des Richtens in eigener Sache zum Ausdruck. Denn könnten Vorstandsoder Aufsichtsratsmitglieder über die Bestellung von Personen entscheiden, von denen sie kontrolliert werden sollen, bestünde die Gefahr, dass sie die Wahl zu ihren eigenen Gunsten beeinflussen und auf die Bestellung von ihnen genehmen Personen hinwirken. Und bei der Einleitung eines Rechtsstreits gegen sie könnten sie versucht sein, diesen durch Beeinflussung der Abstimmung abzuwenden. Weitere Stimmverbote finden sich in § 285 Abs. 1 AktG für Komplementäre einer KGaA. Diese dürfen bei der Wahl, der Abberufung und der Entlastung von Aufsichtsratsmitgliedern nicht mitstimmen (§ 285 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AktG), damit sie nicht die Zusammensetzung des Aufsichtsrats beeinflussen und so die Überwachungsmöglichkeiten der Kommanditaktionäre einschränken. Auch bei ihrer eigenen Entlastung (§ 285 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AktG), bei der Geltendmachung von oder dem Verzicht auf Ersatzansprüche (§ 285 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 und 5 AktG) und der Bestellung von Sonderprüfern und Abschlussprüfern (§ 285 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 6 AktG) dürfen sie nicht mitstimmen. Auch bei diesen Vorschriften findet sich – wie bei § 142 Abs. 1 AktG – der Gedanke des Verbots des Richtens in eigener Sache.30 Beide Normen, § 142 und § 285 AktG, regeln Stimmverbote für bestimmte Ausprägungen von Interessenkonflikten. Für eine Analogie eignen sie sich jedoch aufgrund des engen Zuschnitts (§ 142 AktG) bzw. der besonderen Situation der Gesellschaftsform (§ 285 AktG) 31 nicht.
29 Offen gelassen dagegen von Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 58 ff.; Dreher, JZ 1990, 896, 900 f. 30 Mit Blick auf die besondere Situation der KGaA einschränkend Matthießen, Stimmrecht, S. 100. 31 Matthießen, Stimmrecht, S. 100.
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§ 16 Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen
b.) Grundsatz von Treu und Glauben sowie § 181 BGB Auch der Grundsatz von Treu und Glauben ist als Rechtsgrundlage für Stimmverbote nicht geeignet.32 Denn nicht jeder Konflikt führt zu einer missbräuchlichen Rechtsausübung, wie sie für die Anwendung von § 242 BGB erforderlich wäre – auch wenn dies bei einer ganzen Reihe von Konflikten der Fall ist.33 Auch § 181 BGB eignet sich nicht als dogmatische Grundlage für ein Stimmverbot von Organmitgliedern: 34 Zum einen handelt es sich bei § 181 BGB um eine spezifisch vertretungsrechtliche Regelung mit einem eingeschränkten Anwendungsbereich. Bei der Abstimmung im Aufsichtsrat geht es hingegen regelmäßig nicht um Insichgeschäfte oder Mehrfachvertretungen sondern um eine innerverbandliche Willensbildung.35 Zum anderen passt auch die Rechtsfolge von § 181 BGB nicht: Die Stimme wäre nicht nichtig, wie dies etwa bei mitgliedschaftlichen Stimmrechten der Fall ist, sondern schwebend unwirksam.36 Die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand, könnte also die Stimmabgabe genehmigen – ein mit der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung kaum zu vereinbarendes Ergebnis, das zugleich auch zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen würde.37 Gestützt wird diese Argumentation schließlich durch die historische Auslegung des § 181 BGB.38 Bei den Beratungen zum BGB lehnte die zweite Kommission einen Antrag ab, § 45 des Entwurfs, der dem heutigen § 34 BGB entsprach, zu streichen.39 Der Antrag war damit begründet worden, dass die in der Vorschrift behandelte Problematik bereits durch § 126a des Entwurfs (heute § 181 BGB) geregelt werde.
Giesen, Organhandeln, S. 109; außerdem Baumanns, Rechtsfolgen, S. 112. Für eine solche Anknüpfung etwa Redding, NJW 1956, 48, 50. 33 Siehe Giesen, Organhandeln, S. 109; außerdem Matthießen, Stimmrecht, S. 15. 34 Für eine Herleitung aus § 181 BGB Hübner, Interessenkonflikt, S. 265 ff.; siehe auch Wilhelm, JZ 1976, 674 ff.; Stimmverbote als Ausprägung von § 181 BGB (und leges speciales) einordnend Flume, BGB AT I/1, § 14 IX (S. 248, 250); ders., BGB AT I/2, § 7 V 2 (S. 221, 223). Zu Gegenargumenten etwa Baumanns, Rechtsfolgen, S. 97 ff. 35 Krebs, Interessenkonflikte, S. 133; Matthießen, Stimmrecht, S. 60 (auf S. 58 ff. ausführlich zu einer möglichen Analogie zu § 181 BGB); siehe auch Giesen, Organhandeln, S. 105. Siehe dagegen im Hinblick auf die Stimmrechtsausübung durch Gesellschafter differenzierend Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 47 Rdnr. 60. 36 Matthießen, Stimmrecht, S. 61. Zur schwebenden Unwirksamkeit bei § 181 BGB siehe nur BGHZ 65, 123, 125 f.; Palandt/Ellenberger, BGB, § 181 Rdnr. 15; MünchKommBGB/ Schramm, § 181 Rdnr. 41; Hübner, Interessenkonflikt, S. 289 f. 37 Krebs, Interessenkonflikte, S. 133; Matthießen, Stimmrecht, S. 61 f. 38 Siehe Giesen, Organhandeln, S. 106. 39 Prot. I, S. 1041 ff. = Mugdan I, S. 616 f. 32
III. Rechtsgrundlage für Stimmverbote
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c.) Gesetzesanalogie zu § 34 BGB Die Gesetzesanalogie40 zu § 34 BGB bzw. §§ 28 Abs. 1 i.V.m. 34 BGB wird damit begründet, dass das Fehlen einer Regelung über Stimmverbote im Aktienrecht eine planwidrige Regelungslücke darstelle, die mittels einer Analogie zu § 34 BGB zu schließen sei.41 Zum einen sei das Vereinsrecht strukturell vergleichbar mit dem Recht anderer juristischer Personen, insbesondere der AG.42 Die Vorschriften des Vereinsrechts könnten daher entsprechend herangezogen werden, um Lücken des Aktienrechts zu schließen, soweit dies nicht mit dem Sinn aktienrechtlicher Bestimmungen unvereinbar sei.43 Auch bei anderen juristischen Personen bzw. deren Gremien bestehe die Gefahr, dass Eigeninteressen die jeweilige Entscheidung beeinflussen könnten, auch wenn aufgrund der Organstellung der jeweilige Interessenwahrer verpflichtet sei, dies nicht zuzulassen. Dies gelte insbesondere auch für den Aufsichtsrat, der vergleichbare Aufgaben und damit eine vergleichbare (u. a. Kontroll-)Funktion übernehme, wie die Mitgliederversammlung beim Verein, für die § 34 BGB unmittelbar gelte.44 Zum Teil wird zusätzlich § 181 BGB in entsprechender Anwendung herangezogen,45 zum Teil wird § 34 BGB als eine Ausprägung des Verbots des Insichgeschäfts gesehen.46
40 Dazu Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 204 („Einzelanalogie“); Würdinger, AcP 206 (2006), 946, 953 f. 41 Für eine solche Gesetzesanalogie BayObLGZ 2003, 89, 92; GroßkommAktG/Hopt/ Roth, § 108 Rdnr. 54 (anders aber wohl Hopt, ZGR 2004, 1, 32); Hüffer, AktG, § 108 Rdnr. 9 ; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 49; MünchKommAktG/Habersack, § 108 Rdnr. 15 und 29; Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdnr. 414; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb börsennot. AG, § 27 Rdnr. 61; Mestmäcker, Verwaltung, S. 250; Giesen, Organhandeln, S. 110; Häuser, Interessenkollisionen, S. 40 Fn. 1; Wardenbach, Interessenkonflikte, S. 40; Ensch, Institutionelle Mitbestimmung, S. 191; R. Fischer, in: Lutter/Stimpel/Fischer, Fischer. Gesammelte Schriften, S. 323, 333; Deckert, DZWIR 1996, 406, 409; Fischer, in: Gaugler u. a., Gesellschaft, Recht, Wirtschaft, Band 6, S. 55, 65; Fleck, FS Heinsius, 1991, S. 89, 95; Semler/Stengel, NZG 2003, l, 3; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605; Werner, ZHR 145 (1981), 252, 266; außerdem Raiser/Veil, MitbestG, § 25 Rdnr. 37; Ulmer/Habersack/Henssler/Ulmer/Habersack, MitbestR, § 25 Rdnr. 27; Schneider, FS Goette, 2011, S. 475, 482; wohl auch Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge/ Koberski, MitbestR, § 25 Rdnr. 33 (§ 34 BGB und § 136 AktG); a.A. Behr, AG 1984, 281, 284 ff. (gegen eine Anwendung von § 34 BGB). Ausführliche Erörterungen zu dieser Gesetzesanalogie bei Matthießen, Stimmrecht, S. 52 ff. 42 Giesen, Organhandeln, S. 110; Häuser, Interessenkollisionen, S. 40 Fn. 1. 43 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 93; Giesen, Organhandeln, S. 110. 44 Giesen, Organhandeln, S. 110. Gegen einen solchen Analogieschluss u. a. Engfer, Ausschluss, S. 84 f., dagegen wiederum Giesen, Organhandeln, S. 111. 45 Hübner, Interessenkonflikt, S. 265 ff., insb. 276 f., 282 ff., 288 f.; Wilhelm, NJW 1983, 912, 913 ff. 46 Flume, BGB AT I/1, § 14 IX (S. 248, 250); ders., BGB AT I/2, § 7 V 2 (S. 223); Wilhelm, JZ 1976, 674, 675; ders., NJW 1983, 912, 913.
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§ 16 Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen
d.) Rechtsanalogie Die Rechtsanalogie47 zu § 34 BGB, § 47 Abs. 4 GmbHG, § 43 Abs. 6 GenG, § 136 Abs. 1 AktG, §§ 36 Satz 1 und 53 Abs. 2 VAG (außerdem § 25 Abs. 5 WEG, der aber zumeist nicht mitgenannt wird) 48 wird damit begründet, dass diese Vorschriften Ausfluss eines allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsatzes seien, der auf die zwei Grundgedanken des Verbots des Insichgeschäfts und des Verbots des Richtens in eigener Sache zurückgeführt werden könne.49 Weder die unterschiedliche Normierung der einzelnen Stimmverbote50 noch, dass es sich überwiegend um mitgliedschaftliche Stimmverbote handelt 51, stünde einer Rechtsanalogie entgegen. Denn zum einen gelte die Zielsetzung der mitgliedschaftlichen Stimmverbote, eine Lösung von Interessenkonflikten zu Lasten der Gesellschaft zu verhindern, erst recht für Organe.52 Zum anderen handele es sich bei den Stimmverboten um ein einheitliches Prinzip des inneren Verbandsrechts, das in beiden Fällen, dem Verbot des Insichtgeschäfts und dem Verbot des Richtens in eigener Sache, auch einheitlich gehandhabt werden müsse und zur Rechtsfortbildung herangezogen werden könne.53 47 Dazu Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 204 („Gesamtanalogie“); Würdinger, AcP 206 (2006), 946, 954 f. 48 Deren Tatbestände sind zum Teil unterschiedlich. Dazu ausführlich Matthießen, Stimmrecht, S. 92 ff. sowie S. 166 f. 49 Für eine Rechtsanalogie Hachenburg/Raiser, GmbHG, § 52 Rdnr. 78; MünchKommBGB/Reuter, § 34 Rdnr. 6 ; Soergel/Hadding, BGB, § 34 Rdnr. 2 ; Staudinger/Weick, BGB, § 34 Rdnr. 4 ; Hoffmann-Becking, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 31 Rdnr. 66; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rdnr. 899; Krebs, Interessenkonflikte, S. 135 ff.; Löhnig, Treuhand, S. 570 f.; Dreher, JZ 1990, 896, 900 f.; siehe auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 634; grds. auch Matthießen, der allerdings die solchermaßen begründeten Stimmverbote zusätzlich davon abhängig machen will, ob die jeweilige Stimme und der entsprechende Beschluss Einfluss auf das Handeln des Verbandes haben kann oder nicht, siehe Matthießen, Stimmrecht, S. 146 ff., siehe außerdem die Darstellung bei Matthießen, Stimmrecht, S. 62 ff., 88 ff., 123 ff., 139 ff., insb. 144; für eine Rechtsanalogie grds. auch MünchKommBGB/Reuter, § 34 Rdnr. 3. Für die Begründung von Stimmverboten mit diesen beiden Grundgedanken auch BGHZ 97, 28, 33 (zu § 47 Abs. 4 GmbHG); Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rdnr. 99. 50 Siehe die Auflistung bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 II 2 b (S. 610). Im Fall von §§ 47 Abs. 4 GmbHG, 136 Abs. 1 AktG, § 43 Abs. 6 GenG betrifft dies die Beschlussfassung über die Entlastung oder Befreiung von einer Verbindlichkeit; bei § 47 Abs. 4 GmbHG außerdem die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschafter; bei § 136 Abs. 1 AktG und § 43 Abs. 6 GenG kommt außerdem bei den Beschlüssen hinzu, ob die Gesellschaft bzw. Genossenschaft gegen den Betroffenen einen Anspruch geltend machen soll. 51 Zur Abgrenzung zwischen mitgliedschaftlichem und organschaftlichem Stimmrecht, siehe Zöllner, Schranken, S. 7. 52 Hübner, Interessenkonflikt, S. 284 f.; Krebs, Interessenkonflikte, S. 127; Löhnig, Treuhand, S. 570 f.; ähnlich Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 634. 53 K. Schmidt, Gesesellschaftsrecht, § 21 II 2 b (S. 611); etwas abweichend (Analogieverbot in Bezug auf die Vornahme von Rechtsgeschäften) MünchKommBGB/Reuter, § 34 Rdnr. 6.
III. Rechtsgrundlage für Stimmverbote
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Dass § 136 Abs. 1 AktG und § 43 Abs. 6 GenG kein Stimmverbot für Rechtsgeschäfte mehr enthalten54 , wird darauf zurückgeführt, dass die Versammlung der Aktionäre bzw. der Genossen dem Vorstand in dieser Hinsicht keine Weisungen mehr erteilen kann, während dies im Verein und in der GmbH noch möglich sei.55 Daraus sollen sich allerdings keine Rückschlüsse für die Stimmverbote von Aufsichtsratsmitgliedern ziehen lassen.56 e.) Vergleich Gesetzes- und Rechtsanalogie Ein Vergleich der Gesetzesanalogie zu § 34 BGB und der Rechtsanalogie zu § 34 BGB, § 47 Abs. 4 GmbHG, § 43 Abs. 6 GenG, § 136 Abs. 1 AktG, §§ 36 Satz 1 und 53 Abs. 2 VAG zeigt, dass sich die beiden vom Ergebnis her nicht wesentlich unterscheiden.57 Die Vertreter einer Rechtsanalogie führen die mitgliedschaftlichen Stimmverbote auf die Grundgedanken des Insichgeschäfts und des Richtens in eigener Sache zurück und ordnen die einzelnen Tatbestände diesen beiden Grundgedanken zu. Danach sind die Regelungen in § 34 BGB und § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG Fälle des Insichgeschäfts, weil sie die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit dem Betroffenen oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits mit ihm betreffen.58 Auch die Befreiung von einer Verbindlichkeit (vgl. § 47 Abs. 4 Satz 1 GmbHG) gehört hierzu, weil sie regelmäßig durch ein Rechtsgeschäft vorgenommen werde.59 Das Verbot des Richtens in eigener Sache betrifft demgegenüber alle berechtigten nachteiligen Maßnahmen, die gegen ein Aufsichtsratsmitglied beschlossen werden. Diese Gedanken werden auf den Aufsichtsrat übertragen.60 Die Vertreter einer Gesetzesanalogie zu §§ 28 Abs. 1, 34 BGB kommen zu demselben Ergebnis. Die Fallgruppen für Stimmverbote „Vornahme eines Rechtsgeschäfts“ sowie „Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits“ folgen unmittelbar aus § 34 BGB. Maßnahmen aus wichtigem Grund gegen das Aufsichtsratsmitglied (vgl. etwa § 103 Abs. 3 Satz 1 AktG) werden entweder unter das Stimmverbot für den Rechtsstreit subsumiert, weil sich an sie häufig ein Rechtstreit anschließt, 61 oder es wird zusätzlich über die von § 34 BGB Dies gilt seit 1937 (AktG) bzw. 1973 (GenG). Matthießen, Stimmrecht, S. 160 ff., insb. S. 166 f.; Löhnig, Treuhand, S. 571. 56 Dreher, JZ 1990, 896, 901 Fn. 57. 57 Krebs, Interessenkonflikte, S. 135 f.; Matthießen, Stimmrecht, S. 12. Vgl. diese auch zu den folgenden Ausführungen. 58 Siehe dazu K. Schmidt, Gesellshaftsrecht, § 21 II 2 b (S. 610). 59 Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rdnr. 123. 60 Ob auch Entlastungen in die Kategorie des Insichgeschäfts einzuordnen sind (so Flume, BGB AT I/2, § 7 V 2 (S. 222)) oder in die des Verbotes des Richtens in eigener Sache (Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rdnr. 133; Hachenburg/Hüffer, GmbHG, § 47 Rdnr. 142; MünchKommBGB/Reuter, § 34 Rdnr. 15) spielt jedenfalls für den Aufsichtsrat keine Rolle, weil für Beschlüsse über die Entlastung des Aufsichtsrat die Hauptversammlung zuständig ist, vgl. § 120 Abs. 1 AktG. 61 Z. B. Dreher, JZ 1990, 896, 901 Fn. 57. 54 55
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§ 16 Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen
erfassten Tatbestände hinaus das Verbot des Richtens in eigener Sache als allgemeiner Grundsatz anerkannt62 . Im Ergebnis besteht zwischen diesen Ansätzen somit kein gewichtiger Unterschied.63 Dogmatisch sauberer ist allerdings der Weg der Gesetzesanalogie zu §§ 28 Abs. 1, 34 BGB. Bei Organmitgliedern handelt es sich um Interessenwahrer, die zu strikter Fremdinteressenwahrungspflicht verpflichtet sind, während Gesellschafter bzw. Aktionäre auch eigene Interessen verfolgen können und daher einer weniger strengen Interessenwahrungspflicht unterliegen. 64 Das Verhältnis der Organmitglieder zur Gesellschaft stellt ein Fremdinteressenwahrungsverhältnis dar, kein Verhältnis der Interessengemeinschaft. Daher ist es sachgerechter einen Anknüpfungspunkt innerhalb der „Familie“ der Fremdinteressenwahrungsverhältnisse zu suchen. Des Weiteren basiert das Stimmrecht der Aufsichtsratsmitglieder nicht auf einer kapitalmäßigen Beteiligung wie bei Gesellschaftern bzw. Aktionären, sondern wurzelt in der Bestellung zum Organmitglied.65 Es dient dementsprechend auch nicht dazu, Mitgliederinteressen wahrzunehmen, sondern hängt mit der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats zusammen, sodass es für ein Stimmverbot darauf ankommt, ob die Ausübung des Stimmrechts die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats (oder andere ihm zugewiesene Aufgaben) beeinträchtigen würde.66
3.) Kein allgemeines Stimmverbot bei Interessenkonflikten für Aufsichtsräte Von einigen wird ein allgemeiner Rechtsgrundsatz angenommen, wonach das Stimmrecht im Fall eines Interessenkonflikts über die genannten Fallgruppen, wie Richten in eigener Sache oder Rechtsgeschäfte mit dem Mitglied, hinaus allgemein ausgeschlossen sein soll. Erstreckt werden sollen Stimmverbote auf alle Interessenkonflikte, bei denen „das Aufsichtsratsmitglied typischerweise überfordert wäre, andere Interessen zurückzustellen“.67 Ein solches generalklauselartiges Stimmverbot für Interessenkonflikte ist jedoch abzulehnen.68 Zum einen nimmt das Gesetz – etwa beim Aufsichtsrat 62 Z. B. MünchKommAktG/Habersack, § 108 Rdnr. 32; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 49; Soergel/Hadding, BGB, § 34 Rdnr. 2 . Siehe dazu auch Krebs, Interessenkonflikte, S. 137; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 3. 63 So auch Matthießen, Stimmrecht, S. 12. Ebenso Krebs, Interessenkonflikte, S. 135 f. 64 Siehe dazu Matthießen, Stimmrecht, S. 13. 65 Matthießen, Stimmrecht, S. 225; siehe auch Ulmer, NJW 1982, 2288. 66 Matthießen, Stimmrecht, S. 225 f. 67 Z. B. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rdnr. 89 (bei schwerwiegenden Interessenkollisionen); Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdnr. 417; ders., FS Goette, 2011, S. 475, 482 (bei schwerer Interessenkollision); Redding, NJW 1956, 48, 50. zur parallelen Problematik bei Gesellschaftern ausführlich Zöllner, Schranken, S. 366 ff. 68 BayObLG AG 2003, 427, 428; GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 58; Hopt, FS Doralt 2004, S. 213, 225; MünchKommAktG/Habersack, § 108 Rdnr. 29; KölnKomm
III. Rechtsgrundlage für Stimmverbote
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– Interessenkonflikte in einem gewissen Umfang in Kauf. In den gesetzlichen Vorschriften ist für den Aufsichtsrat geradezu ein „institutionalisierter Interessenkonflikt“ angelegt, 69 wie sich z. B. an der Arbeitnehmermitbestimmung zeigt. Sollen aber im Aufsichtsrat gerade verschiedene Interessen aufeinandertreffen und die Tätigkeit des Aufsichtsrats beeinflussen, lässt sich damit ein allgemeines Stimmverbot bei Interessenkonflikten nicht vereinbaren.70 Zum anderen ginge ein stärkerer Schutz vor Interessenkonflikten in vielen Fällen zu Lasten der Rechtssicherheit.71 Denn würde jeder Interessenkonflikt berücksichtigt werden, könnte nicht mehr abstrakt auf bestimmte Fallgruppen abgestellt werden, sondern es müsste die konkrete Situation auf Interessenkonflikte untersucht werden. Ein konkreter Interessenkonflikt lässt sich aber für Dritte häufig nur mit größerem Aufwand, wenn überhaupt, feststellen. Noch schwieriger ist es festzustellen, wann ein Interesse des Betroffenen so gewichtig wird, dass es zu einem Konflikt führt, der ein Stimmverbot erfordert. 72 Das führt zu einer erheblichen Behinderung der Tätigkeit des betroffenen Gremiums und geht damit zu Lasten von dessen Funktionsfähigkeit, weil nicht immer sofort eindeutig klar ist, ob eine Stimmabgabe wirksam war oder nicht.73 Die Rechtswirksamkeit von Beschlüssen würde auch dadurch gefährdet werden, dass aufgrund der schweren Feststellbarkeit Stimmverbote übersehen werden könnten.74
AktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 49; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 108 Rdnr. 26; Hoffmann-Becking, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 31 Rdnr. 59; Theisen, in: Potthoff/Trescher, Aufsichtsratsmitglied, Rdnr. 2010; Vetter, in: Marsch-Barner/ 27 Rdnr. 61; Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge/ Schäfer, Hdb börsennot. AG, § Koberski, MitbestR, § 25 Rdnr. 34; Raiser/Veil, MitbestG, § 25 Rdnr. 37 und § 29 Rdnr. 5 ; Ulmer/Habersack/Henssler/Ulmer/Habersack, MitbestR, § 25 Rdnr. 27; Borsdorff, Interessenkonflikte, S. 68 f.; Ensch, Institutionelle Mitbestimmung, S. 192; Giesen, Organhandeln, S. 113; Matthießen, Stimmrecht, S. 14, 67 f.; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 62; Zöllner, Schranken, S. 263 f.; Deckert, DZWIR 1996, 406, 409; Dreher, JZ 1990, 896, 901; Semler/ Stengel, NZG 2003, 1, 5 f.; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605. So auch (allerdings in Bezug auf Stimmverbote für Gesellschafter einer GmbH) BGHZ 68, 107, 109; 97, 28, 33. 69 Giesen, Organhandeln, S. 108; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 62; siehe auch Hübner, Interessenkonflikt, S. 291. 70 Giesen, Organhandeln, S. 108; siehe auch Hübner, Interessenkonflikt, S. 291. 71 Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 62; Häuser, Interessenkollisionen, S. 41; Dreher, JZ 1990, 896, 901. 72 Krebs, Interessenkonflikte, S. 131; Matthießen, Stimmrecht, S. 14. 73 Dazu BGHZ 97, 28, 33 (GmbH-Gesellschafter); 68, 107, 109 (GmbH-Gesellschafter); Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge/Koberski, MitbestR, § 25 Rdnr. 34; Giesen, Organhandeln, S. 113; Gofferje, Unabhängigkeit, S. 123 und 139 f.; Häuser, Interessenkollisionen, S. 41; Krebs, Interessenkonflikte, S. 131; Matthießen, Stimmrecht, S. 14; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 62; Dreher, JZ 1990, 896, 901. Vgl. außerdem Deckert, DZWIR 1996, 406, 409. 74 Krebs, Interessenkonflikte, S. 131; Dreher, JZ 1990, 896, 901.
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4.) Stimmverbote für Vorstandsmitglieder der AG Des Weiteren wird vertreten, dass Stimmverbote auch für Beschlussfassungen des Vorstands einer AG entsprechend §§ 28 Abs. 1, 34 BGB gelten müssten.75 Begründet wird dies damit, dass die Interessenlage von Vereins- und AG-Vorstand übereinstimmten. Denn der Vorstand der AG habe sich in gleicher Weise wie der Vereinsvorstand uneigennützig für die Interessen der Körperschaft und ihrer Mitglieder einzusetzen. Hierbei dürfte jedoch zu differenzieren sein. Denn eine allgemeine Aussage würde die Bedeutung der jeweiligen Vertretungsbefugnis unberücksichtigt lassen. So kommt im Fall einer Gesamtvertretung bei entsprechenden Geschäften § 181 BGB zur Anwendung, weil alle Vorstände gemeinsam handeln müssen.76 Eines Stimmverbotes bedarf es daher nicht. Besonderen Schutz können Stimmverbote nur leisten, wenn die Vertretung durch den Vorstand – wie beim Vereinsvorstand – nach dem Mehrheitsprinzip erfolgt.77 Dabei ist wiederum zu berücksichtigen, dass zwar häufig eine von der Gesamtvertretung nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AktG abweichende Vertretungsregelung besteht, dass aber meist auch eine abweichende Geschäftsverteilung vereinbart worden ist. Dementsprechend sind die Vorstandsmitglieder regelmäßig jeweils für einen bestimmten fachlichen oder örtlichen Bereich zuständig, entweder allein oder auch gemeinsam mit einzelnen anderen Vorstandsmitgliedern.78 Soweit danach die einzelnen Vorstandsmitglieder die ihnen übertragenen Geschäfte selbständig zu erledigen haben, kommt es gar nicht zu einer Beschlussfassung des Gesamtvorstands – außer ein anderes Vorstandsmitglied interveniert aufgrund seiner Überwachungspflicht.79 Kommt es aber gar nicht zur Beschlussfassung, können auch Stimmverbote keinen besonderen Schutz entfalten. Im Regelfall ist daher die Bedeutung von Stimmverboten neben den bestehenden präventiv wirkenden Sicherungsmaßnahmen, insbesondere neben § 88 und § 112 AktG, für den Vorstand vergleichsweise gering.80
75 Hüffer, AktG, § 77 Rdnr. 8; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 77 Rdnr. 38 (dem aber wegen § 112 AktG wenig Gewicht beigemessen wird); Giesen, Organhandeln, S. 110. Für Vorstandsdoppelmandate wird ein Stimmverbot analog § 34 BGB hingegen eher abgelehnt, siehe nur Hüffer, AktG, § 77 Rdnr. 8 ; Passarge, NZG 2007, 441, 442 m.w.N. 76 Matthießen, Stimmrecht, S. 197. 77 Vgl. Matthießen, Stimmrecht, S. 197. 78 KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 77 Rdnr. 15; siehe auch Geßler/ Hefermehl/Eckardt/Kropff/Hefermehl, AktG, § 77 Rdnr. 16. 79 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Hefermehl, AktG, § 77 Rdnr. 21; KölnKomm AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 77 Rdnr. 26, 28; Matthießen, Stimmrecht, S. 197. 80 Matthießen, Stimmrecht, S. 197; Blasche, AG 2010, 692, 697; so auch KölnKomm AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 77 Rdnr. 38; siehe dazu auch Giesen, Organhandeln, S. 78 ff., 85 f., 92 ff.
III. Rechtsgrundlage für Stimmverbote
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5.) Stimmverbote für Mitglieder des Gläubigerausschusses Stimmverbote gelten nach verbreiteter Ansicht auch für Mitglieder des Gläubigerausschusses im Insolvenzrecht, auch wenn die Insolvenzordnung keine ausdrückliche gesetzliche Regelung dazu enthält.81 a.) Besonderheiten bei Interessenkonflikten von Gläubigern Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass im Fall des Gläubigerausschusses nicht jeder Interessenkonflikt relevant sein kann. Insbesondere reicht es nicht aus, dass ein Beschluss des Gläubigerausschusses eigene (wirtschaftliche) Interessen eines Mitglieds in irgendeiner Weise berührt.82 Ansonsten wären Insolvenzgläubiger, aus deren Reihen sich die Mitglieder des Gläubigerausschusses in erster Linie rekrutieren, grundsätzlich immer auszuschließen. Denn aufgrund ihrer Gläubigereigenschaft haben sie zwangsläufig ein wirtschaftliches Interesse, das von nahezu jeder Entscheidung im Rahmen des Insolvenzverfahrens auf irgendeine Art und Weise berührt wird.83 Erforderlich ist daher, dass der von der Abstimmung auszuschließende Gläubiger von dem zur Abstimmung stehenden Beschluss in einer Weise persönlich betroffen ist, die über das normale Gläubiger- oder Arbeitnehmerinteresse hinausgeht.84 b.) Bedürfnis und Rechtsgrundlage für Stimmverbote Für das Bedürfnis nach Stimmverboten spricht, dass andernfalls auch bei punktuellen Interessenkonflikten schon eine Inhabilität angenommen werden müsste.85 Eine solche gilt zwar für Organmitglieder oder Angehörige des Schuldners86 und den Insolvenzverwalter.87 Bei diesen geht es aber um den 81 BGH WM 1985, 422, 424; Kübler/Prütting/Bork/Kübler, InsO, § 72 Rdnr. 7; MünchKommInsO/Schmid-Burgk, § 72 Rdnr. 14; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 72 Rdnr. 11 ff.; Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 118 ff.; Löhnig, Treuhand, S. 573; Frege/Keller/Riedel, InsR, Rdnr. 1254. 82 Kübler/Prütting/Bork/Kübler, InsO, § 72 Rdnr. 7; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 72 Rdnr. 11; Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 118; Vallender, WM 2002, 2040, 2045. 83 Vgl. Kübler/Prütting/Bork/Kübler, InsO, § 72 Rdnr. 7 (Bsp.: Der Betriebsratsvorsitzende bei der Abstimmung über die Stilllegung des Schuldnerunternehmens); vgl. auch MünchKommInsO/Schmid-Burgk, § 72 Rdnr. 15. 84 Kübler/Prütting/Bork/Kübler, InsO, § 72 Rdnr. 7; siehe auch Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 72 Rdnr. 11; Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 118. Siehe auch Frege/Keller/ Riedel, InsR, Rdnr. 1250; Gottwald/Klopp/Kluth, Insolvenzrechts-Handbuch, § 21 Rdnr. 15. 85 Löhnig, Treuhand, S. 573. Vgl. dazu auch Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1376; Vallender, WM 2002, 2040, 2044 (Interessenkonflikte sind grds. nicht durch Entlassung aus dem Amt, sondern auf andere Weise zu lösen). 86 Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 67 Rdnr. 16; siehe auch MünchKommInsO/SchmidBurgk, § 68 Rdnr. 16 (Personen, die im Lager des Schuldners stehen). 87 Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 67 Rdnr. 16. Im Fall zusammengehörender Insolvenzverfahren (z. B. Verfahren bzgl. verschiedener Gesellschaften eines insolvent geworde-
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Umgang mit dauerhaften Interessenkonflikten.88 Für lediglich punktuelle Konflikte, wie sie bei jedem Ausschussmitglied hin und wieder entstehen können, ist die Inhabilität hingegen eine überzogene Maßnahme. Für solche Konflikte ist ein Stimmverbot wesentlich besser geeignet. Abgeleitet werden Stimmverbote im Fall des Gläubigerausschusses mehrheitlich aus dem allgemeinen Rechtsgedanken, der in den § 34 BGB, § 136 Abs. 1 AktG, § 47 Abs. 4 GmbHG, § 43 Abs. 6 GenG sowie § 25 Abs. 5 WEG zum Ausdruck kommt.89 Keine wesentliche Beachtung in der Diskussion findet eine Gesetzesanalogie zu § 34 BGB, die aufgrund der funktionalen Vergleichbarkeit von Gläubigerausschuss und Aufsichtsrat naheliegen würde.90 Dagegen wird von einigen für den Stimmrechtsausschluss eine Analogie zu § 41 ZPO vertreten.91 Diese Norm ist jedoch als Rechtsgrundlage für einen Analogieschluss ungeeignet, weil ein Gläubigerausschussmitglied von seiner Funktion her keine richterähnlichen Aufgaben wahrnimmt.92 Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass der Gläubigerausschuss auch die Aufgabe hat, den Insolvenzverwalter zu unterstützen. Auch würde § 41 ZPO von seiner Rechtsfolge her einen Ausschluss für das gesamte Verfahren bedeuten.93 Das würde zu einem übermäßigen Eingriff in Mitwirkungsrechte der Gläubiger führen.94
nen Konzerns) wird eine Inkompatibilität entsprechend § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AktG angenommen, vgl. dazu MünchKommInsO/Schmid-Burgk, § 68 Rdnr. 17. 88 D. h. Konflikten zwischen ihren eigenen Interessen bzw. des Ihnen nahestehenden Schuldners und den Interessen der Gläubiger. 89 Danach darf ein Mitglied nicht abstimmen, wenn die Abstimmung ein abzuschließendes Rechtsgeschäft oder einen Rechtsstreit mit dem Mitglied betrifft. BGH WM 1985, 422, 424; Kübler/Prütting/Bork/Kübler, InsO, § 72 Rdnr. 7 f.; MünchKommInsO/Schmid-Burgk, § 72 Rdnr. 15; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 72 Rdnr. 13; Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1376; Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 119 f.; Löhnig, Treuhand, S. 574. Ein Stimmverbot ist etwa anzunehmen, wenn ein Beschluss darüber gefasst werden soll, ob ein Mitglied des Gläubigerausschusses aus wichtigem Grund abberufen werden soll (§ 70 Satz 2 InsO) oder ob die Zustimmung zu einem vom Verwalter zu führenden Anfechtungsprozess gegen ein Mitglied des Gläubigerausschusses erteilt oder abgelehnt werden soll, siehe Uhlenbruck/ Uhlenbruck, InsO, § 72 Rdnr. 11; Vallender, WM 2002, 2040, 2046. 90 Die im Fall des Aufsichtsrats vorgebrachten Argumente für und gegen die verschiedenen dogmatischen Ansätze sind im Fall des Gläubigerausschusses nicht anders zu bewerten, sodass hier nach oben verwiesen werden kann. 91 Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 72 Rdnr. 13. Siehe auch Frege/Keller/Riedel, InsR, Rdnr. 1251. 92 Siehe dazu auch Grell, NZI 2006, 77, 79. 93 Auf die Besorgnis der Befangenheit abstellend etwa Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 118. 94 Grell, NZI 2006, 77, 79.
IV. Zum Anwendungsbereich von Stimmverboten
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IV. Zum Anwendungsbereich von Stimmverboten 1.) Anknüpfung an abstrakte Interessenkonflikte Der Anwendungsbereich für Stimmverbote ist aufgrund der dogmatischen Herleitung mittels Gesetzesanalogie zu § 34 BGB oder Rechtsanalogie zu § 34 BGB, § 47 Abs. 4 GmbHG, § 43 Abs. 6 GenG, § 136 Abs. 1 AktG, §§ 36 Satz 1 und 53 Abs. 2 VAG auf solche Interessenkonflikte beschränkt, die den Kategorien Insichgeschäft bzw. Vornahme eines Rechtsgeschäfts (mit der Gesellschaft) sowie Richten in eigener Sache95 und Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits (mit der Gesellschaft) zugeordnet werden können. Bei diesen Interessenkonflikten handelt es sich um abstrakt zu beschreibende Konflikte, bei denen die Voraussetzungen eindeutig sind und die unschwer nachgewiesen werden können. a.) Insichgeschäfte bzw. Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft Stimmverbote gelten bei Rechtsgeschäften mit der Gesellschaft, etwa im Fall von § 114 und § 115 AktG, weil es hierbei zu erheblichen (punktuellen) Interessenkonflikten bei dem betroffenen Aufsichtsratsmitglied kommen kann.96 Grundsätzlich sind solche Rechtsgeschäfte zwischen Gesellschaften und ihren Organmitgliedern zulässig, wie sich aus § 114, § 115 AktG ergibt. Allerdings dürfen Organmitglieder diese Möglichkeit nicht zum eigenen Vorteil ausnutzen und für die Gesellschaft ungünstige Geschäfte abschließen.97 Um dem vorzubeugen, ist für solche Geschäfte die Zustimmung des Aufsichtsrats erforderlich. Dies dient der Transparenz der geschäftlichen Beziehungen zwischen der Gesellschaft und den Aufsichtsratsmitgliedern und soll verhindern, dass es zwischen dem beim Vertragsschluss für die Gesellschaft handelnden Vorstand Von den Vertretern einer Gesetzesanalogie (nur) zu § 34 BGB wird darauf hingewiesen, dass das Verbot des Richtens in eigener Sache einen allgemeinen Grundsatz darstellt, der für ein Stimmverbot herangezogen werden kann. Siehe GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 55; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 49; MünchKommAktG/ Habersack, § 108 Rdnr. 32; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb börsennot. AG, § 27 Rdnr. 62. 96 OLG Frankfurt a. M. DB 2006, 942, 945; GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 114 Rdnr. 47; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 114 Rdnr. 12; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb börsennot. AG, § 27 Rdnr. 61 und § 30 Rdnr. 14; Giesen, Organhandeln, S. 114; Leuering/Simon, NJW-Spezial 2006, 171, 172; vgl. auch Fleck, FS Heinsius, 1991, S. 89, 95; a.A. Matthießen, Stimmrecht, insb. S. 334 f., für dessen eigene Lösungsansätze siehe insb. S. 139 ff. (insb. S. 169) sowie S. 282 ff. Matthießen will das Verbot des Insichgeschäfts dahingehend „präzisieren“, „dass einem Mitglied die Möglichkeit genommen wird, an Vornahmeanweisungen in Geschäftsführungsfragen, die Rechtsgeschäfte der juristischen Person betreffen, mitzuwirken“ (a.a.O. S. 169). 97 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rdnr. 881; Gofferje, Unabhängigkeit, S. 115. 95
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und dem Aufsichtsratsmitglied, das den Vorstand zu kontrollieren hat, zu unsachgemäßen gegenseitigen Beeinflussungen kommt.98 Zum Teil werden Stimmverbote bei Rechtsgeschäften mit der Begründung abgelehnt, dass der Gesetzgeber nur dann Stimmverbote vorgesehen habe, wenn Mitgliederorgane gegenüber dem jeweiligen Vertretungsorgan Vornahmeweisungen aussprechen und somit mittels Weisungen in die Geschäftsführung eingreifen könnten.99 Dies sei dem Aufsichtsrat nicht möglich.100 Dabei wird jedoch übersehen, dass der Aufsichtsrat den Vorstand auch ohne ein ausdrückliches Weisungsrecht mit seinen Beschlüssen unter Druck setzen kann.101 Dies zeigt sich etwa bei den Zustimmungsvorbehalten des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG, die jedenfalls innergesellschaftlich bindend sind.102 Aber auch ohne ein „unter Druck setzen“ besteht bei Geschäften zwischen einem Überwacher und dem von ihm Überwachten als Organ der Gesellschaft grundsätzlich die Gefahr, dass letzterer den Anreiz hat, den Überwacher positiv zu stimmen, und ihm daher unter Umständen zu Lasten der Gesellschaft zu sehr entgegenkommen wird. b.) Richten in eigener Sache und Rechtsstreit mit der Gesellschaft Die zweite abstrakte Fallgruppe ist das „Richten in eigener Sache“. Dieser Ausdruck ist nicht im juristischen Sinne zu verstehen; vielmehr bedeutet „Richten in eigener Sache“, dass eine Personen- und Verhaltensbeurteilung erfolgt, an die sich Maßnahmen knüpfen,103 die sich in diesem Fall gegen den Betroffenen selbst richten würden.104 Bei solchen Maßnahmen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Betroffene sein Stimmrecht dazu einsetzen wird, diese zu 98 BGHZ 126, 340, 347 f.; BGH ZIP 2006, 1529, 1531; KG AG 1997, 42, 44; OLG Frankfurt a. M. DB 2006, 942, 943; GroßkommAktG/Hopt/Roth, AktG, § 114 Rdnr. 4; Hüffer, AktG, § 114 Rdnr. 1; MünchKommAktG/Habersack, § 114 Rdnr. 2 ; Gofferje, Unabhängigkeit, S. 115 Die Frage, ob § 114 AktG anwendbar ist, d. h. eine Zustimmung des Aufsichtsrats erforderlich ist, wenn ein Mitglied des Konzernaufsichtsrats einen Beratervertrag mit einer Tochtergesellschaft abschließt, bejahend etwa GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 114 Rdnr. 40 f.; Lutter/Krieger/Verse, Recht und Pflichten, Rdnr. 872 f. (zuvor noch Kon trolle entsprechend § 113 AktG); Gofferje, Unabhängigkeit, S. 118 f.; a.A. (sofern es sich nicht um eine klare Umgehung handele) KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 114 Rdnr. 8. 99 Matthießen, Stimmrecht, S. 168. 100 Matthießen, Stimmrecht, S. 333 ff., 351 f. Vgl. auch Marsch-Barner, in: v. Schenk, ArbAR, § 13 Rdnr. 113 ff., 122 f. (gegen Geltung von Stimmverboten, wenn es lediglich um eine Zustimmung des Aufsichtsrats geht). 101 Krebs, Interessenkonflikte, S. 134; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 60 f.; Gofferje, Unabhängigkeit, S. 119. 102 Krebs, Interessenkonflikte, S. 134; Gofferje, Unabhängigkeit, S. 119. 103 Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 47 Rdnr. 85. 104 BGH NJW 1976, 713, 714; 1991, 172, 173; 2009, 2300, 2303; KölnKommAktG/ Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 49; Matthießen, Stimmrecht, S. 123 ff., insb. S. 125; Krebs, Interessenkonflikte, S. 156 f.
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unterstützen.105 Erfasst werden daher nicht nur judizielle Entscheidungen, sondern auch Ermessensentscheidungen, bei denen der Betroffene gegen seine eigenen Interessen entscheiden müsste.106 Eine exakte Abgrenzung zur Fallgruppe der Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits mit dem Betroffenen ist häufig kaum möglich, weil beide Kategorien ineinander übergehen. So fallen unter das „Richten in eigener Sache“ nachteilige Maßnahmen gegen ein Gremiumsmitglied,107 wie etwa der Beschluss über den Antrag auf gerichtliche Abberufung aus wichtigem Grund108 oder die Vorbereitung einer Haftungsklage gegen das betroffene Mitglied.109 Diese Fälle können aber auch der Kategorie der Einleitung eines Rechtsstreits mit dem Betroffenen zugeordnet werden, denn die „Einleitung“ ist nicht auf die Klageerhebung begrenzt, sondern umfasst auch die für die Klageerhebung notwendigen Vorarbeiten. 110 Des Weiteren können unter den Begriff „Rechtsstreit“ auch Maßnahmen zur außergerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen und Klagen vor Schiedsgerichten subsumiert werden.111 Entsprechend kann die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits der Gesellschaft mit dem betroffenen Gremiumsmitglied auch als Unterfall des „Richtens in eigener Sache“ eingeordnet werden.112 Fälle des „Richtens in eigener Sache“ sind etwa, wenn im Rahmen eines Gremiums über die Abberufung als Aufsichtsratsvorsitzender oder aus einem Ausschuss abgestimmt werden soll.113 Des Weiteren gehört hierzu, wenn im Matthießen, Stimmrecht, S. 126. Matthießen, Stimmrecht, S. 124. 107 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 55; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 49; MünchKommAktG/Habersack, § 108 Rdnr. 32; vgl. dazu auch Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb börsennot. AG, § 27 Rdnr. 62; Matthießen, Stimmrecht, S. 123, insb. 268; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 3. 108 BayObLGZ 2003, 89, 92; GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 55; Matthießen, Stimmrecht, S. 267 ff.; für ein Stimmverbot in diesem Fall auch Raiser/Veil, MitbestG, § 6 Rdnr. 36; Marsch-Barner, in: v. Schenk, ArbAR, § 13 Rdnr. 124; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rdnr. 730; a.A. Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Geßler, AktG, § 103 Rdnr. 34; Hoffmann/Kirchhoff, FS Beusch 1993, S. 377, 380. Vgl. dazu auch BGH NJW-RR 1992, 993. 109 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 55; Matthießen, Stimmrecht, S. 126. 110 Dies führt zu der Überlegung, ob die Kategorie der „Einleitung eines Rechtsstreits“ auch als Unterfall des Richtens in eigener Sache angesehen werden kann. Denn die Einleitung eines Verfahrens gegen ein Mitglied des Gremiums bedeutet immer auch ein „Richten“ des Gremiums über das betroffene Mitglied. So etwa Gofferje, Unabhängigkeit, S. 114. Siehe hierzu auch Matthießen, Stimmrecht, S. 131. 111 Giesen, Organhandeln, S. 114. 112 Auch der Insichprozess gehört zur Fallgruppe des „Richtens in eigener Sache“. Dazu Matthießen, Stimmrecht, S. 131 f. (mit einer Abgrenzung zum Insichgeschäft). 113 Für ein Stimmverbot in diesen Fällen GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 55; Marsch-Barner, in: v. Schenk, ArbAR, § 13 Rdnr. 124; Matthießen, Stimmrecht, S. 123 ff., 267 ff., 318 ff., 335; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605; Werner, ZHR 145 (1981), 252, 266. Zu weiteren Fällen Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb börsennot. AG, § 27 Rdnr. 62. Krit. 105
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Aufsichtsrat darüber beschlossen werden soll, wie geschäftliche Entscheidungen zu bewerten sind, die während der Amtszeit eines vormaligen Vorstandsmitglieds getroffen wurden, das jetzt Mitglied des Aufsichtsrats ist, oder dort ihren Ursprung haben.114 Im letzteren Fall kann für die Begründung des Stimmverbots zusätzlich die strikte Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat, vgl. § 105 AktG, ins Feld geführt werden.115 Im GmbH-Recht gehört zur Fallgruppe des „Richtens in eigener Sache“ außerdem – wegen ihrer Präklusionswirkung116 – die Entlastung eines Mehrheitsgesellschaftergeschäftsführers, weil dieser andernfalls verhindern könnte, dass er für eine Geschäftsführungsmaßnahme in Anspruch genommen wird.117 Unter das „Richten in eigener Sache“ fällt andererseits nicht jegliche Beteiligung eines Selbstbetroffenen an der Entscheidungsfindung.118 Andernfalls würde dies zu einem allgemeinen Stimmverbot bei Interessenkollisionen führen und die übrigen Fallgruppen überflüssig machen.119
2.) Stimmverbote erfordernde Näheverhältnisse bei Aufsichtsratsmitgliedern Die vorgenannten Typen von Interessenkonflikten können nicht nur durch eigene Interessen des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds hervorgerufen werden, sondern auch durch Interessen Dritter, die dem Aufsichtsratsmitglied nahestehen. Denn in diesem Fall ist die Gefahr von Interessenkonflikten und damit unsachgemäßen Beeinflussungen vergleichbar. Um jedoch die mit der Typisierung von Konflikten erzielte Rechtsklarheit nicht wieder aufzuheben, können nur solche Nähebeziehungen berücksichtigt werden, die sich leicht feststellen lassen. a.) Erfordernis der Berücksichtigung von Näheverhältnissen für Stimmverbote Der Umstand, dass bei Stimmverboten auch Näheverhältnisse zu berücksichtigen sind, lässt sich aus den Vorschriften über das Erfordernis einer Zustimmung des Aufsichtsrats zu bestimmten Geschäften ableiten. Um zu verhindern, Hoffmann/Kirchhoff, FS Beusch, 1993, S. 377, 380. Siehe außerdem Giesen, Organhandeln, S. 118 f. bzgl. Maßnahmen aus wichtigem Grund. Vgl. dazu auch BayObLGZ 2003, 89, 92. 114 Dies lässt sich auch mit der strikten Unvereinbarkeit von Vorstands- und Aufsichtsratstätigkeit begründen, wie sie in § 105 AktG zum Ausdruck kommt. Siehe Matthießen, Stimmrecht, S. 257. Für ein Stimmverbot in diesem Fall Lange, NZG 2004, 265, 269. 115 Siehe dazu Matthießen, Stimmrecht, S. 257. 116 Dazu Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 89 ff. 117 Matthießen, Stimmrecht, S. 126. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass unverzichtbare Ersatzansprüche hiervon in jedem Falle ausgenommen wären., siehe BGH GmbHR 1975, 182 f. 118 Matthießen, Stimmrecht, S. 123 f. 119 Vgl. Matthießen, Stimmrecht, S. 124.
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dass die Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats zu Geschäften mit seinen Mitgliedern umgangen wird, besteht z. B. eine Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats für Rechtsgeschäfte, die mit einer einem Mitglied nahestehenden Gesellschaft geschlossen werden.120 Das Gesetz sieht in diesem Fall die Gefahr einer unsachgemäßen Einflussnahme durch das betroffene Aufsichtsratsmitglied als so erheblich an, dass es den ganzen Aufsichtsrat damit befasst sehen will. Werden aber unmittelbare Selbstbetroffenheit und Betroffenheit aufgrund von Näheverhältnissen bei Interessenkonflikten vom Gesetz gleichgesetzt, muss dies auch bei Stimmverboten gelten.121 Allerdings können hierbei nur solche Näheverhältnisse berücksichtigt werden, die im Gesetz ihren Niederschlag gefunden haben und dementsprechend an eindeutige Kriterien geknüpft werden können. b.) Dritter als Vertreter des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds Handelt ein Dritter als Treuhänder, gesetzlicher oder bevollmächtigter Vertreter oder als Kommissionär eines Aufsichtsratsmitglieds und schließt er in dieser Funktion ein Rechtsgeschäft mit der Gesellschaft, unterliegt das Aufsichtsratsmitglied einem Stimmverbot.122 Formal ist das Aufsichtsratsmitglied zwar nur mittelbar betroffen,123 da der Dritte aber die Interessen des Aufsichtsratsmitglieds vertritt, ist es in der Sache unmittelbar selbst betroffen.124 c.) Vertrag zugunsten Dritter und Bürgschaft Auch wenn ein Aufsichtsratsmitglied nicht selbst Partei eines Rechtsgeschäfts mit der Gesellschaft ist, sondern lediglich begünstigter Dritter eines Vertrages zugunsten Dritter, unterliegt er einem Stimmverbot; denn die Folgen des 120 Bzgl. § 114 AktG BGHZ 170, 60, 63; OLG Frankfurt a. M. DB 2006, 942, 943; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb börsennot. AG, § 30 Rdnr. 10. Für den paradigmatischen Fall des § 114 AktG ist umstritten, wieweit die Anwendungsgrenzen zu ziehen sind. Zum Teil wird eine Abhängigkeit zwischen der „nahestehenden“ Gesellschaft und dem Aufsichtsratsmitglied gefordert (z. B. GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 114 Rdnr. 42), zum Teil wird § 115 Abs. 3 AktG entsprechend herangezogen – d. h. das Aufsichtsratsmitglied muss in dem Fall, dass die Gesellschaft eine juristische Person ist, deren gesetzlicher Vertreter oder Aufsichtsratsmitglied, und im Fall der Personengesellschaft deren (geschäftsführender) Gesellschafter sein (LG Köln ZIP 2002, 1296, 1297 f.; KG AG 1997, 42, 44; KölnKommA ktG/ Mertens, 2. Aufl. 1996, § 114 Rdnr. 7; Hoffmann-Becking, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 33 Rdnr. 41). Schließlich wird – über § 115 Ab. 3 AktG hinausgehend – vertreten, eine nicht nur marginale (OLG Frankfurt a. M. DB 2006, 942, 943), aber nicht notwendig beherrschende (BGH ZIP 2007, 22) Beteiligung des Aufsichtsratsmitglieds an der betroffenen Gesellschaft reiche aus. Dazu Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb börsennot. AG, § 30 Rdnr. 10 (Höhe der Beteiligung sei praktisch irrelevant). 121 A.A. Meyer, NJW 2013, 753, 754. 122 BGHZ 56, 47, 53; Giesen, Organhandeln, S. 115. Vgl. auch RGZ 104, 128, 130 (bzgl. GmbH-Gesellschafter). 123 BGHZ 56, 47, 53. 124 Giesen, Organhandeln, S. 115.
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Rechtsgeschäfts treffen ihn unmittelbar, sodass seine Interessenlage derjenigen eines Vertragspartners bei anderen Verträgen vergleichbar ist.125 Stimmverbote gelten auch für Aufsichtsratsmitglieder, die für einen Dritten gegenüber der Gesellschaft eine Bürgschaft übernommen oder eine entsprechend ausgestaltete Garantie gegeben haben: Da die Schuld des Bürgen akzessorisch zur Hauptverpflichtung ist, treffen ihn die Folgen von Beschlüssen, die die Hauptschuld betreffen, unmittelbar, sodass die Interessenlage die gleiche ist wie die des Hauptschuldners und er daher wie dieser zu behandeln ist.126 d.) Aufsichtsratsmitglied als gleichzeitiger Vertreter einer Drittgesellschaft oder eines sonstigen Dritten mit kollidierenden Interessen Interessenkonflikte, die entstehen, weil das Aufsichtsratsmitglied zugleich Vertreter bzw. Mitglied im Vertretungsorgan einer anderen Gesellschaft mit kollidierenden Interessen ist, werden dem Wortlaut nach weder von § 34 BGB noch von den anderen Stimmverbotsregelungen erfasst. Eine Ausdehnung der Stimmverbote auf solche Fälle ist umstritten: von einigen wird eine Erweiterung über die unmittelbare Betroffenheit hinaus abgelehnt,127 von anderen wird eine Ausdehnung zumindest auf solche Fälle bejaht, in denen das Aufsichtsratsmitglied als Vertreter einer anderen Gesellschaft agiert, mit der ein Rechtsgeschäft abgeschlossen werden soll.128 Begründen lässt sich ein Stimmverbot in diesem Fall mit Hilfe des Gedankens des Verbots der Mehrfachvertretung in § 181 BGB und damit verbunden einer Analogie zu § 34 BGB.129 Der Umstand, dass § 34 BGB lediglich das Insichgeschäft erwähnt, nicht aber die Mehrfachvertretung, weist vor dem Hintergrund von § 181 BGB auf eine Gesetzeslücke hin. Diese ist verständlich, weil die Vereinsvorschriften das Verhältnis zwischen Mitglied und Verein bzw. Organwalter und Verein in den Blick nehmen, nicht aber die Beziehung zu anderen Vereinen. Die Gleichbehandlung von Insichgeschäft und Mehrfachvertretung in § 181 BGB zeigt jedoch, dass das Gesetz beide Fälle als gleich regelungs Giesen, Organhandeln, S. 115. Giesen, Organhandeln, S. 115. 127 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Geßler, AktG, § 108 Rdnr. 29; Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge/Koberski, MitbestR, § 25 Rdnr. 113 (im Zusammenhang mit dem Arbeitskampf). Zu dem Fall, dass ein abzuberufender Geschäftsführer nicht selbst Gesellschafter ist, sondern eine Organstellung bei der juristischen Person innehat, die ihrerseits Gesellschafter ist Meyer, NJW 2013, 753, 754. 128 GroßKommAktG/Hopt/Roth § 108 Rdnr. 54; Giesen, Organhandeln, S. 116; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 70 ff.; Matthießen, Stimmrecht, S. 338 ff., insb. 340; Dreher, JZ 1990, 896, 902 (der dies allerdings nicht als Ausdehnung ansieht); siehe auch Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605. 129 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 54. Zudem kann eine Ausdehnung vor dem Hintergrund von § 115 Abs. 3 AktG begründet werden. Dazu im Anschluss unter § 16 IV.2.) f.). 125 126
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bedürftig ansieht. Denn die Interessenlage lässt sich in diesem Fall mit derjenigen bei persönlicher Betroffenheit vergleichen.130 Dies gilt insbesondere für den Fall, dass ein Aufsichtsratsmitglied Mitglied in einem Vertretungsorgan eines Vertragspartners der Gesellschaft ist und als solches gegenläufige Interessen wahrzunehmen hat.131 Dabei spielt es keine Rolle, ob das betroffene Mitglied selbst in Vertretung der anderen Gesellschaft handelt oder ob es einer Handlung von dessen Vorstand zustimmt.132 Aufgrund seiner Organstellung in der anderen Gesellschaft ist das betroffene Aufsichtsratsmitglied verpflichtet, für diese andere Gesellschaft so zu handeln, wie ein Unternehmer für sein eigenes Unternehmen handeln würde.133 Außerdem geht es dort, wenn es in dieser Gesellschaft Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer ist, seinem Hauptberuf nach und unterliegt einer weitreichenden organschaftlichen Pflichtenbindung.134 Diese Pflichtenbindung gegenüber der Drittgesellschaft verstärkt den Konflikt zusätzlich, weil es dem Betroffenen anders als bei konfligierenden Eigeninteressen nicht möglich ist, die konfligierenden Interessen zurückzustellen, um den Unternehmensinteressen Vorrang zu geben.135 Und schließlich ist zu bedenken, dass jemand sich umso stärker mit etwas identifiziert, je mehr und öfter er sich dafür einsetzt und damit beschäftigt.136 Dementsprechend führt die Mitgliedschaft in einem Vertretungs- und Geschäftsführungsorgan regelmäßig zu einer engen Verbundenheit zu dieser Gesellschaft, sodass das persönliche Interesse des Betroffenen häufig mit dem „seiner“ Gesellschaft gleichgesetzt werden kann.137 Zwar darf dies die Treuepflicht eines Aufsichtsratsmitglieds gegenüber der (ersten) Gesellschaft nicht verdrängen. Aber rein faktisch kann es doch zu ei Siehe dazu Giesen, Organhandel, S. 116. GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 54; Giesen, Organhandeln, S. 116; Matthießen, Stimmrecht, S. 340; Hopt, ZGR 2004, 1, 32; Redding, NJW 1956, 48, 50; zumindest nicht in dieser Allgemeinheit (sondern nur bei nahezu vollständiger Interessenübereinstimmung) Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 108 Rdnr. 28; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 51; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rdnr. 730; nur bei Beherrschung, wirtschaftlicher Identität oder persönlicher Haftung für die Verbindlichkeiten Soergel/Hadding, BGB, § 34 Rdnr. 8. 132 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 54; a.A. (gegen Stimmverbote überhaupt, wenn es lediglich um eine Zustimmung des Aufsichtsrats geht) Marsch-Barner, in: v. Schenk, ArbAR, § 13 Rdnr. 113 ff., 122 f. 133 Giesen, Organhandeln, S. 116. 134 Krebs, Interessenkonflikte, S. 140; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 71; ähnlich Giesen, Organhandeln, S. 116. 135 Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 71. 136 Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 71. 137 Giesen, Organhandeln, S. 116; Krebs, Interessenkonflikte, S. 140 f.; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 71; vgl. auch BGHZ 68, 107, 109 (für den Stimmrechtsausschluss eines GmbHG-Gesellschafters, der an einer anderen Gesellschaft, mit der ein Rechtsgeschäft abgeschlossen werden sollte, erheblich beteiligt war); Zöllner, Schranken, S. 281 (Unternehmerstellung des Vorstands führe zu dem gleichen Konflikt, wie wenn er unmittelbar selbst betroffen wäre). 130 131
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nem Loyalitätskonflikt kommen, wenn sich das Aufsichtsratsmitglied konfligierenden Interessen ausgesetzt sieht.138 Dementsprechend besteht in diesem Fall die Gefahr, dass der Betroffene die Interessen des Dritten zu stark berücksichtigt und etwa bei einer Abstimmung die Ermessensgrenzen des Aufsichtsrats überschreitet.139 Daher ist auch im Fall der Mehrfachvertretung ein Stimmverbot anzunehmen.140 Dies lässt sich verallgemeinern. Von einem Stimmverbot ist immer dann auszugehen, wenn der Abstimmende zugleich gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter eines Dritten ist, für den er Interessen verfolgen soll, die mit denen der Gesellschaft bzw. des Vereins, in deren Gremium er gerade abstimmen soll, in Konflikt stehen. Eine solche Ausweitung des Anwendungsbereichs von Stimmverboten auf Vertreter beeinträchtigt nicht die Rechtssicherheit.141 Denn ob ein Aufsichtsratsmitglied Vertreter bzw. Mitglied des Vertretungsorgans einer anderen Gesellschaft ist, kann leicht festgestellt werden.142 Damit ist aber auch schnell und verbindlich klargestellt, ob ein Stimmverbot greift oder nicht. e.) Beherrschung der Drittgesellschaft Beherrscht ein Aufsichtsratsmitglied die Drittgesellschaft, die Vertragspartner der Gesellschaft werden soll, oder ist er sogar deren Alleingesellschafter, entspricht die innere Konfliktlage des Abstimmenden der des Vertreters oder kann sogar noch stärker sein.143 Denn in diesem Fall treffen ihn die wirtschaftlichen Folgen seiner Stimmabgabe (in der ersten Gesellschaft) zu einem großen Teil selbst, da er mit der Drittgesellschaft „wirtschaftlich identisch“ ist.144 Er wird daher noch stärker betroffen, als wenn er „nur“ Vertreter des Dritten wäre.145 Matthießen, Stimmrecht, S. 345. Matthießen, Stimmrecht, S. 345. 140 Dies gilt in gleicher Weise, wenn der Betroffene persönlich haftender Gesellschafter (OHG, Komplementär einer KG) einer vom Stimmverbot betroffenen Personenhandelsgesellschaft ist. Siehe Giesen, Organhandeln, S. 115. Abgelehnt wird hingegen eine Erstreckung eines solchen Stimmverbots auf Kommanditisten mit rein kapitalistischer Beteiligung, wenn diese keine unternehmerische Funktion ausüben. Siehe Krebs, Interessenkonflikte, S. 141; im Hinblick auf Abstimmungen eines Kommanditisten als Gesellschafter einer GmbH Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 47 Rdnr, 97; siehe außerdem Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rdnr. 164; Hachenburg/Hüffer, GmbHG, § 47 Rdnr. 135. 141 Krebs, Interessenkonflikte, S. 140. 142 Zumal bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG deren ausgeübter Beruf anzugeben ist. 143 Für ein Stimmverbot in diesem Fall Krebs, Interessenkonflikte, S. 141 f. Entsprechend für das mitgliedschaftliche Stimmrecht BGHZ 68, 107, 109 f.; 56, 47, 53; BGH NJW 1973, 1039, 1040; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rdnr. 163 f. (Rdnr. 164: „nennenswerte“ Beteiligung, die einen Einfluss des Drittinteresses befürchten lässt, reiche aus); Hachenburg/ Hüffer, GmbHG, § 47 Rdnr. 135 f. (bei Beherrschung i.S.v. § 17 AktG). 144 Giesen, Organhandeln, S. 115. 145 Dies gilt zwar auch in dem Fall, dass z. B. ein Aufsichtsratsmitglied an der anderen Kapitalgesellschaft (nur) beteiligt ist. Doch ist zu bedenken, dass die Folgen eines Geschäfts 138 139
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In jedem Fall macht es aber seine einflussreiche Stellung bei der Drittgesellschaft wahrscheinlich, dass er sich mit dieser identifiziert.146 Entsprechend muss der Betroffene auch von solchen Abstimmungen ausgeschlossen werden, die ein von ihm beherrschtes Unternehmen betreffen.147 f.) Die in § 115 AktG genannten Personen Stimmverbote – zumindest für Aufsichtsratsmitglieder – sind außerdem anzunehmen, wenn es um Geschäfte oder Rechtsprozesse mit Personen geht, die zu dem Betroffenen in einem Verhältnis stehen, wie die in § 115 Abs. 2 und Abs. 3 AktG genannten Personen.148 § 115 Abs. 2 und Abs. 3 AktG erweitern den Kreis derjenigen, bei denen eine Aufsichtsratseinwilligung für die Kreditvergabe erforderlich ist, auf Ehegatten und minderjährige Kinder des Aufsichtsratsmitglieds sowie auf für deren Rechnung oder für Rechnung des Aufsichtsratsmitglieds handelnde Dritte und schließlich auf juristische Personen, deren gesetzlicher Vertreter das Aufsichtsratsmitglied ist, sowie Personengesellschaften, bei denen das Aufsichtsratsmitglied Gesellschafter ist.149 Bei diesen in § 115 Abs. 2 und Abs. 3 AktG genannten Personen wird die Verbindung zum Aufsichtsratsmitglied als so stark angesehen, dass vermutet wird, dass sich ein Aufsichtsratsmitglied für die Interessen dieser Personen und Unternehmen in gleicher Weise einsetzen wird wie für seine eigenen Interessen.150 Entsprechend werden die Interessen der Gesellschaft als in gleicher Weise gefährdet eingestuft, wie wenn die Interessen des Aufsichtsratsmitglieds selbst betroffen wären.151 Wenn aber dem Gesetz zufolge die Interessen der Gesellschaft schon bei der Kreditgewährung an diese Personen in regelungsbedürftiger Weise berührt werden, für die innerhalb der Gesellschaft der Vorstand zuständig ist, muss mit dieser Gesellschaft nur diese Gesellschaft – als juristische Person – treffen, nicht einen an ihr beteiligten Gesellschafter oder Aktionär. Siehe Giesen, Organhandeln, S. 115. 146 Matthießen, Stimmrecht, S. 343 f. Für das mitgliedschaftliche Stimmverbot vgl. z. B. BGHZ 56, 47, 53; 68, 107, 109 f. 147 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 54; Giesen, Organhandeln, S. 115. 148 Matthießen, Stimmrecht, S. 338 f.; etwas zurückhaltender MünchKommAktG/Habersack, § 108 Rdnr. 30 und KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 51 (Stimmverbot dann, wenn der jeweilige Angehörige dem Aufsichtsratsmitglied – wie in § 115 Abs. 2 – gesetzlich gleichgestellt ist); a.A. Krebs, Interessenkonflikte, S. 142. Stimmverbote greifen aber nicht allein deswegen, weil nahe Angehörige davon betroffen sind. Siehe BGHZ 80, 69, 71 (für GmbH); BGH WM 1985, 422, 424 (für Gläubigerausschuss). 149 § 115 Abs. 5 AktG verweist für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute auf § 15 KWG. Diese Vorschrift eignet sich wegen ihres vor allem gewerbepolizeilichen Charakters jedoch nicht für die Herausarbeitung gleichermaßen zu berücksichtigender, gesellschaftsrechtlich relevanter Interessen. 150 Matthießen, Stimmrecht, S. 339; siehe auch Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 72 (bzgl. gesetzlichen Vertretern von Gesellschaften). 151 Matthießen, Stimmrecht, S. 338.
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dies erst recht gelten, wenn der Aufsichtsrat Einfluss auf die Beziehung zu diesen Personen nehmen kann. 152 Dies ist etwa der Fall, wenn er Maßnahmen gegen diese Personen über einen Zustimmungsvorbehalt verhindern kann. Denn wenn das Gesetz davon ausgeht, dass sich ein Aufsichtsratsmitglied für die in § 115 Abs. 2 und Abs. 3 AktG genannten Personen beim Vorstand für einen Kredit einsetzen wird, muss erst recht vermutet werden, dass es bei Abstimmungen versuchen wird, Nachteile von diesen abzuwenden.153 Sofern daher ein Stimmverbot bei eigener Betroffenheit des Aufsichtsratsmitglieds gilt, muss ein solches auch für die Fälle gelten, in denen die in § 115 Abs. 2 und Abs. 3 AktG genannten Personen betroffen sind. g.) Entsender Besondere Aufmerksamkeit hat die Situation entsandter Aufsichtsratsmitglieder erfahren. Auch bei ihnen können Interessenkonflikte auftreten, die ihre Stimmabgabe unzulässig beeinflussen. In Situationen, in denen sie gegen die Interessen des sie Entsendenden stimmen müssten, ist nicht auszuschließen, dass sie sich von dem Gedanken an ihre jederzeit mögliche Abberufung (vgl. § 103 Abs. 2 Satz 1 AktG) dazu verleiten lassen, die Interessen des Entsenders denen der Gesellschaft vorzuziehen.154 Trotz dieses offenkundigen Konflikts wird verbreitet davon ausgegangen, dass entsandte Aufsichtsratsmitglieder keinem Stimmverbot unterliegen sollen, wenn der Aufsichtsrat über ein Rechtsgeschäft oder einen Rechtsstreit mit dem Entsendungsberechtigten abstimmt.155 Denn das entsandte Aufsichtsratsmitglied habe bei der Abstimmung immer den Interessen der Gesellschaft Vorrang vor denjenigen des Entsendungsberechtigten zu geben.156 Dieser Argumentation kann jedoch nicht gefolgt werden.157 Zum einen haben alle Aufsichtsratsmitglieder bei Abstimmungen die Interessen der Gesellschaft zu wahren, also auch in anderen Fällen von Interessenkonflikten, in denen jedoch ein Stimmverbot greifen soll.158 Zum anderen Matthießen, Stimmrecht, S. 340. Matthießen, Stimmrecht, S. 340. 154 Siehe dazu Matthießen, Stimmrecht, S. 227; Krebs, Interessenkonflikte, S. 144. 155 KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 52; MünchKommAktG/Habersack, § 108 Rdnr. 31; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Geßler, AktG, § 108 Rdnr. 29; Giesen, Organhandeln, S. 123; a.A. GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 57; Krebs, Interessenkonflikte, S. 143 f.; Matthießen, Stimmrecht, S. 347; Mestmäcker, Verwaltung, S. 251. Vgl. dazu außerdem BGHZ 36, 296, 307 f. (wo es allerdings primär um die Stimmberechtigung des Entsendungsberechtigten im Rahmen der Entlastung des Aufsichtsrats ging). 156 BGHZ 36, 296, 310; siehe auch Giesen, Organhandeln, S. 123. Vgl. außerdem MünchKommA ktG/Habersack, § 108 Rdnr. 31 (der dies allerdings nicht als Begründung nennt). 157 GroßkommAktG/Hopt/Roth, AktG, § 108 Rdnr. 57; Mestmäcker, Verwaltung, S. 251; siehe auch Matthießen, Stimmrecht, S. 347; Krebs, Interessenkonflikte, S. 143 f. 158 GroßkommAktG/Hopt/Roth, AktG, § 108 Rdnr. 57; siehe auch Mestmäcker, Verwaltung, S. 251; Matthießen, Stimmrecht, S. 347; Krebs, Interessenkonflikte, S. 143. 152 153
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tritt der Interessenkonflikt hier aufgrund der jederzeitigen Abberufungsmöglichkeit deutlich hervor.159 Durch sie entsteht eine starke faktische Abhängigkeit, aufgrund der nicht erwartet werden kann, dass sich das Aufsichtsratsmitglied ausschließlich an den Interessen der Gesellschaft orientieren wird.160 h.) Befreiung vom Wettbewerbsverbot nach § 88 AktG und Rückwirkungen auf daran interessierte Aufsichtsratsmitglieder Einen besonderen Fall des Interessenkonflikts regelt § 88 AktG. Danach ist es Vorstandsmitgliedern verboten, ohne Einwilligung des Aufsichtsrats ein Handelsgewerbe zu betreiben oder im Geschäftszweig der Gesellschaft für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte zu tätigen (vgl. § 88 Abs. 1 Satz 1 AktG).161 Bei der Mitwirkung an der Einwilligung kann ein Aufsichtsratsmitglied Interessenkonflikten ausgesetzt sein, wenn das Vorstandsmitglied zusammen mit ihm z. B. ein Handelsgewerbe betreiben möchte oder Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer Gesellschaft werden will, bei der das Aufsichtsratsmitglied selbst Vorstandsmitglied, oder herrschender oder persönlich haftender Gesellschafter ist.162 Da die Befreiung des Vorstandsmitglieds von einem Wettbewerbsverbot kein Rechtsgeschäft mit der um dessen Arbeitskraft konkurrierenden Gesellschaft darstellt, greifen die herkömmlichen Kriterien für ein Stimmverbot des interessierten Aufsichtsratsmitglieds in diesem Fall nicht.163 Beide Gesellschaften verhandeln lediglich mit dem Vorstandsmitglied, nicht aber miteinander. Daher kann auch der Gedanke des § 181 BGB nicht herangezogen werden.164 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es Aufgabe des Aufsichtsrats ist, Vorstandsmitglieder in einzelnen Fällen von den Organpflichten zu befreien. Denn wären dafür die übrigen Vorstandsmitglieder zuständig, bestünde die Gefahr, dass diese sich in solchen Fällen jeweils gegenseitig unterstützen und die Interessen der Gesellschaft zurückstellen würden (sog. back scratching).165 Da der Aufsichtsrat in der Regel eine weniger enge Beziehung zu dem betroffenen Vorstandsmitglied hat, ist ihm eher zuzutrauen, dass er bei seiner Entscheidung das Interesse der Gesellschaft wahrt. Wenn jedoch im Aufsichtsrat Personen mit entscheiden, die unter Umständen sogar eine noch stärkere Bindung zu dem Vorstandsmitglied haben als dessen Vorstandskollegen und sich daher noch 159 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 57; siehe auch Hopt, ZGR 2004, 1, 32 f.; Krebs, Interessenkonflikte, S. 144. 160 Matthießen, Stimmrecht, S. 347; Krebs, Interessenkonflikte, S. 144. Einen starken Einfluss des Entsenders zugestehend, dennoch ein Stimmverbot ablehnend Giesen, Organhandeln, S. 123. 161 Zum Wettbewerbsverbot ausführlich § 11. 162 Matthießen, Stimmrecht, S. 258. 163 Matthießen, Stimmrecht, S. 259. 164 Matthießen, Stimmrecht, S. 259. 165 Matthießen, Stimmrecht, S. 260.
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weniger objektiv an einer Interessenabwägung beteiligen können, würde dies dem Sinn der Entscheidungsverlagerung auf den Aufsichtsrat widersprechen.166 Dementsprechend müssen von einem Interessenkonflikt betroffene Aufsichtsratsmitglieder auch in diesem Fall von der Abstimmung ausgeschlossen werden. i.) Näheverhältnisse, die keine Stimmverbote begründen Nicht alle Beziehungen, die ein gewisses Näheverhältnis beinhalten, lassen sich für die Ermittlung von Stimmverboten heranziehen. Sind etwa gute Freunde von einem Aufsichtsratsbeschluss betroffen, kann das jeweilige Aufsichtsratsmitglied in einen vergleichbaren Interessenkonflikt geraten, wie im Fall eines Familienmitglieds.167 Hier müssen jedoch die Interessen der Gesellschaft – sowie der Geschäftsherren in anderen Fällen – hinter der Rechtssicherheit zurückstehen. Denn anders als bei einer familiären Beziehung zwischen dem Interessenwahrer und dem Dritten mit konfligierenden Interessen, lassen sich in diesem Fall Interessenkonflikte rechtlich kaum adäquat erfassen. Auch die persönliche Identifikation mit einer Drittgesellschaft kann allein für sich genommen nicht als Kriterium verwendet werden, um Konfliktlagen zu erfassen und reicht daher nicht aus, um Stimmverbote auszudehnen; denn da sich kaum objektiv bestimmen lässt, wie sehr sich jemand mit (s)einem Unternehmen identifiziert, würde ein solcher Ansatz zu kaum handhabbaren Abgrenzungs- und Nachweisschwierigkeiten führen.168 Sachgerechter, aber dennoch nicht ausreichend eindeutig ist das Kriterium der „nicht unwesentlichen“ Kapitalbeteiligung an der Drittgesellschaft.169 Wie im Fall der Beherrschung haben für die Drittgesellschaft nachteilige Maßnahmen Auswirkungen auf die Beteiligung des Aufsichtsratsmitglieds an dieser Drittgesellschaft, sodass ein Gleichlauf der Interessen dieser Gesellschaft und des Aufsichtsratsmitglieds angenommen werden kann.170 Doch wird auch in diesem Fall die Grenzziehung schwierig. Denn wann eine Kapitalbeteiligung als „nicht unwesentlich“ einzustufen ist und daher die Motivationslage des Aufsichtsratsmitglieds beeinträchtigen kann, variiert von Individuum zu Individuum. Gibt es aber keine allgemeingültige und leicht zu verifizierende Grenze, ab der eine Beeinflussung anzunehmen ist, ist ein Stimmrechtsausschluss auf dieser Grundlage kaum handhabbar und wird in jedem Fall zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen. Matthießen, Stimmrecht, S. 260. Zu weiteren Fällen siehe Zöllner, Schranken, S. 162 f. 168 Siehe Gofferje, Unabhängigkeit, S. 139. 169 Für ein Stimmverbot in einem solchen Fall Matthießen, Stimmrecht, S. 344. Abzulehnen ist in jedem Fall eine Erstreckung bei bloßen Minderheitsbeteiligungen oder gar auf alle Fälle, in denen ein indirekter Vermögenszuwachs des Aufsichtsratsmitglieds erfolgt. So im Zusammenhang mit § 114 AktG GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 114 Rdnr. 42. 170 Matthießen, Stimmrecht, S. 344. 166
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IV. Zum Anwendungsbereich von Stimmverboten
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In gleicher Weise schwierig dürfte es sein, ein Stimmverbote erforderndes Näheverhältnis zu einer Drittgesellschaft lediglich damit zu begründen, dass das Aufsichtsratsmitglied von dem Gewinnzufluss an die Drittgesellschaft profitieren kann.171 Zwar führt ein solcher besonderer Nutzen zu einem Interessenkonflikt des Aufsichtsratsmitglieds, das sich deswegen gegenüber dem Vorstand der Gesellschaft (in der er Aufsichtsrat ist) gebunden sieht. Aber nicht jedes „Profitieren“ dürfte gleich zu regelungsbedürftigen Interessenkonflikten führen, sodass auch hierfür eine individuelle Wesentlichkeitsschwelle festgelegt werden müsste, was für eine rechtssichere allgemeine Regelung ungeeignet wäre. Schließlich ist ein Stimmverbot auch dann abzulehnen, wenn besondere Interessenverknüpfungen gerade gewollt sind, wie etwa im vertraglichen oder faktischen Konzern.172 Ebenso abzulehnen ist ein Stimmverbot, wenn das Aufsichtsratsmitglied die Gesellschaft beherrscht, in deren Kontrollorgan die betreffende Abstimmung stattfinden soll.173 Auch in diesem Fall hat das betroffene Aufsichtsratsmitglied eine „unternehmerische“ Stellung und wird von den wirtschaftlichen Folgen seiner Stimmabgabe größtenteils selbst betroffen. In diesem Fall nimmt der Betroffene diese Stellung jedoch bei der Gesellschaft ein, in deren Kontrollorgan er gerade abstimmen soll. Dies verstärkt die durch die Treuepflicht bereits bestehende Tendenz zu einer Interessengleichrichtung noch zusätzlich, sodass in diesem Fall für einen Stimmrechtsausschluss kein Grund besteht.
3.) Stimmverbote erfordernde Näheverhältnisse bei Gläubigerausschussmitgliedern Bei den Mitgliedern des Gläubigerausschusses werden Stimmverbote ebenfalls nicht nur dann angenommen, wenn ein Mitglied des Gläubigerausschusses unmittelbar selbst betroffen ist, sondern etwa auch in dem Fall, dass das Mitglied gesetzlicher Vertreter eines solchermaßen Betroffenen ist.174 Auch der für das Verfahren bevollmächtigte Vertreter, der in den Gläubigerausschuss gewählt worden ist, unterliegt einem Stimmverbot, wenn der Vertretene einem solchen unterliegen würde, sowie dann, wenn der Vertreter selbst einem entsprechenden Interessenkonflikt ausgesetzt ist.175
Siehe aber OLG Frankfurt a. M. DB 2006, 942, 943. Dazu Gofferje, Unabhängigkeit, S. 118. 172 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 54. 173 Vgl. GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 54. 174 BGH WM 1985, 422, 424; Kübler/Prütting/Bork/Kübler, InsO, § 72 Rdnr. 8 ; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 72 Rdnr. 12. 175 Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1376; siehe auch Pape, WM 2006, 19, 20 f. 171
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§ 16 Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen
Dagegen soll ein Mitglied des Gläubigerausschusses nach dem BGH und Teilen der Literatur nicht vom Stimmrecht ausgeschlossen sein, wenn es um Rechtsgeschäfte oder Prozesse mit dessen nahen Angehörigen geht.176 Das ist unverständlich. Zum einen lässt sich schon der Insolvenzordnung entnehmen, dass die Gefahr einer Rücksichtnahme auf bzw. Bevorzugung von Interessen der Angehörigen gerade im Fall der Insolvenz nicht zu vernachlässigen ist, vgl. § 138 InsO.177 Zum anderen ist der so entstehende Interessenkonflikt einer der grundlegendsten und am einfachsten rechtssicher festzustellenden Konflikte überhaupt. Daher sprechen die besseren Argumente dafür, wie bei anderen Interessenwahrern auch, im Falle einer Betroffenheit naher Angehöriger von einem erheblichen und regelungsbedürftigen Interessenkonflikt auszugehen. Von einigen wird erwogen, für die Annahme eines Stimmverbotes darauf abzustellen, ob es bei dem jeweiligen Beschluss um die Zustimmung des Gläubigerausschusses zu einer besonders bedeutenden Rechtshandlung im Sinne von § 160 InsO geht, die das Ausschussmitglied unmittelbar betrifft.178 Damit würde der Anwendungsbereich für Stimmverbote verengt werden. Denn während der allgemeine Rechtsgedanke, der den gesellschafts-, aber auch wohnungseigentumsrechtlichen (§ 25 Abs. 5 WEG) Stimmverboten zu entnehmen ist, alle Rechtsgeschäfte und Rechtsstreite mit dem Betroffenen betrifft, würde § 160 InsO dazu führen, dass nur noch besonders qualifizierte Rechtsgeschäfte und Rechtsstreite erfasst werden würden. Diese Art von Verengung geht erheblich darüber hinaus, was wegen der Gläubigereigenschaft der Mitglieder erforderlich wäre.179 Ob eine solche Verengung von den Befürwortern dieses Ansatzes tatsächlich beabsichtigt ist, ist zu bezweifeln.
176 BGH WM 1985, 422, 424 (es sei denn es handelt sich lediglich um einen Strohmann); Kübler/Prütting/Bork/Kübler, InsO, § 72 Rdnr. 8 ; Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 120; Vallender, WM 2002, 2040, 2045; a.A. Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 72 Rdnr. 13. 177 Dazu Kumpan, KTS 2010, 169, 173 f. Siehe außerdem bereits § 5 VI.4.)c.). 178 Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 72 Rdnr. 12. 179 Siehe dazu § 16 III.5.)a.).
V. Besonderheiten bei Organakten
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V. Besonderheiten bei Organakten 1.) Grundsätzliche Herangehensweise bei Organakten Anders als bei anderen Beschlüssen werden Stimmverbote bei sog. Organakten bzw. korporationsrechtlichen Rechtsgeschäften180 regelmäßig abgelehnt.181 Organakte beziehen sich nur auf das jeweilige Organ selbst, nicht auf andere Organe oder das Handeln der Körperschaft.182 Betreffen diese Akte einzelne Organmitglieder, wie etwa bei einer Wahl zum Vorsitzenden, so treten die Betroffenen nicht der Körperschaft als Dritter gegenüber, sondern nehmen ihre Mitgliedschaftsrechte im innerkörperschaftlichen Bereich wahr.183 Bei solchen Beschlüssen kann zwar das einzelne Mitglied an einem seine Interessen begünstigenden Ergebnis interessiert sein. Dennoch sind Stimmverbote in diesem Zusammenhang abzulehnen.184 Die Übernahme von Funktionen im Gremium gehört zu den Aufgaben der Gremiumsmitglieder185 und jedes Mitglied darf sich als geeignet für die zu besetzende Position ansehen186 . Wählt ein Mit Zur Abgrenzung von individual- und korporationsrechtlichen Rechtsgeschäften bereits RGZ 60, 172, 173; 74, 276, 278; 81, 37, 38; dem folgend BGHZ 18, 205, 210; 48, 163, 166 f.; 51, 209, 215 f.; 52, 316, 318; BGH NJW 1991, 172, 173; siehe auch Scholz/ K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rdnr. 110; Krit. zu einer Abgrenzung zwischen individual- und korporationsrechtlichen Rechtsgeschäften etwa Hachenburg/Hüffer, GmbHG, § 47 Rdnr. 149 ff.; ders., FS Heinsius, 1991, S. 337, 341 ff.; siehe auch schon Zöllner, Schranken, S. 232 ff. 181 RGZ 60, 172, 173; 74, 276, 278 ff. 81, 37, 38 ff.; BGHZ 18, 205, 210; 48, 163, 167; 51, 209, 215 f.; BGH NJW 2002, 3704, 3707; GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 56; Hüffer, AktG, § 108 Rdnr. 9; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 50; MünchKommAktG/Habersack, § 108 Rdnr. 32; MünchKommBGB/Reuter, § 34 Rdnr. 11 (mit Ausnahme der Fallgruppe des Richtens in eigener Sache); Raiser/Veil, MitbestG, § 29 Rdnr. 5 ; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 108 Rdnr. 30; Wlotzke/Wißmann/Koberski/ Kleinsorge/Koberski, MitbestR, § 25 Rdnr. 33; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Geßler, AktG, § 108 Rdnr. 29; Marsch-Barner, in: v. Schenk, ArbAR, § 13 Rdnr. 109; Hoffmann-Becking, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 31 Rdnr. 66; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb börsennot. AG, § 27 Rdnr. 62; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rdnr. 731; Theisen, in: Potthoff/Trescher, Aufsichtsratsmitglied, Rdnr. 2011; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 102; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 3 Fn. 24; Ulmer, NJW 1982, 2288, 2291. 182 Z. B. die Wahl zum Aufsichtsratsvorsitzenden und seiner Vertreter (§ 107 Abs. 1 AktG, § 27 Abs. 1 MitbestG), die Bildung und Besetzung von Aufsichtsratsausschüssen (§ 107 Abs. 3 AktG, § 27 Abs. 3 MitbestG), die Beantragung der Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds aus wichtigem Grund (§ 103 Abs. 3 AktG) oder der Beschluss über eine Geschäftsordnung. 183 RGZ 60, 172, 173; 74, 276, 278; vgl. auch RGZ 81, 37, 38 ff. 184 Siehe nur Krebs, Interessenkonflikte, S. 147; Giesen, Organhandeln, S. 118; Gofferje, Unabhängigkeit, S. 121. 185 Giesen, Organhandeln, S. 118; Krebs, Interessenkonflikte, S. 147; Ulmer, NJW 1982, 2288, 2291. Siehe auch Matthießen, Stimmrecht, S. 211; So etwa zu § 47 Abs. 4 GmbHG z. B. BGHZ 51, 209, 216. 186 Giesen, Organhandeln, S. 118. 180
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glied daher sich selbst, weil es nach gewissenhafter Prüfung der Ansicht ist, dass es selbst am besten für die Position geeignet ist, nimmt es damit nur die ihm zustehenden Befugnisse wahr.187 In dieser Konstellation ist der Interessenkonflikt188 typisch und in der gesetzlichen Struktur bereits angelegt.189 Außerdem ist bei Organakten, zumindest bei Organbinnenwahlen, lediglich das Verwaltungsrecht der Aufsichtsrats- bzw. Gremiumsmitglieder betroffen.190 Aus diesen Gründen kann die teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs, die bei mitgliedschaftlichen Stimmverboten aus vergleichbaren Gründen verbreitet vertreten wird, auf korporationsrechtliche Rechtsgeschäfte des Aufsichtsrats übertragen werden.191
2.) Ausnahme im Fall der Abberufung aus wichtigem Grund Eine Ausnahme stellt in diesem Zusammenhang die Abstimmung über die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds aus wichtigem Grund nach § 103 Abs. 3 AktG dar.192 Hierbei handelt es sich zwar ebenfalls um eine innerorganschaftliche Willensbildung des (Gesamt-)Aufsichtsrats. Aber zugleich stellt es auch eine Maßnahme „aus wichtigem Grund“ gegen das betroffene Aufsichtsratsmitglied selbst dar.193 Zwar ist ein ausdrücklicher Stimmrechtsausschluss für diesen Fall nicht vorgesehen und haben der beim Gericht zu stellende Abberufungsantrag und die vorangehende Abstimmung darüber noch keine unmittelbaren Folgen für das betroffene Aufsichtsratsmitglied – dies hat erst eine stattgebende Entscheidung des Gerichts –, sodass ein Stimmverbot zum Teil abgelehnt wird.194 Aber wenn das Aufsichtsratsmitglied an der Abstimmung teilnehmen dürfte, wäre es ihm Giesen, Organhandeln, S. 118. Wenn man einen in dieser Konstellation überhaupt annehmen kann, da es sich um eine Abstimmung handelt, durch die sich das Organ erst selbst organisiert. 189 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 56. 190 Krebs, Interessenkonflikte, S. 147. 191 Hoffmann-Becking, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 31 Rdnr. 66; Krebs, Interessenkonflikte, S. 147; außerdem Gofferje, Unabhängigkeit, S. 120 f.; differenzierend Matthießen, Stimmrecht, S. 267 ff. Vgl. außerdem Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/ Geßler, AktG, § 108 Rdnr. 29; Marsch-Barner, in: v. Schenk, ArbAR, § 13 Rdnr. 109. 192 MünchKommAktG/Habersack, § 107 Rdnr. 31, 120; Giesen, Organhandeln, S. 118; Matthießen, Stimmrecht, S. 211; siehe auch Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605. Bei den mitgliedschaftlichen Stimmverboten ist ein solches Stimmverbot für aus wichtigem Grund abzuberufende Organmitglieder anerkannt. Siehe RGZ 124, 371, 380; 138, 98, 104; BGHZ 34, 367, 371; 86, 177, 178 f.; BGH NJW 1969, 1483; 1987, 1890, 1891; 2002, 3704 (Verwalter); Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rdnr. 141; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 47 Rdnr. 85; MünchKommBGB/Reuter, § 34 Rdnr. 16; Soergel/Hadding, BGB, § 34 Rdnr. 7; Krebs, Interessenkonflikte, S. 155. 193 Krebs, Interessenkonflikte, S. 154. 194 Siehe etwa Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Geßler, AktG, § 103 Rdnr. 34; Hoffmann/Kirchhoff, FS Beusch, 1993, 377, 380. Zu diesen Argumenten und deren Widerlegung Krebs, Interessenkonflikte, S. 155 ff.; Matthießen, Stimmrecht, S. 268. 187
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unter Umständen möglich, mit seiner Stimme zu verhindern, dass der Abberufungsantrag überhaupt gestellt wird.195 Denn für gewöhnlich wird das betroffene Aufsichtsratsmitglied sein Stimmrecht nicht dafür einsetzen, um berechtigte nachteilige Maßnahmen gegen sich selbst einzuleiten.196 Liegt aber ein „wichtiger Grund“ vor, so hat die Gesellschaft ein Interesse daran, dass das pflichtwidrig handelnde Mitglied abberufen wird.197 Diese Situation ist ein klassischer Fall des Richtens in eigener Sache.198 Wegen dieses Interessenkonfliktes kommt eine Teilnahme an der Abstimmung nicht in Frage.199 Dadurch wird das betroffene Aufsichtsratsmitglied auch nicht übermäßig benachteiligt. Insbesondere ist es einem möglicherweise missbräuchlichen Antrag der Aufsichtsratsmehrheit nicht schutzlos ausgeliefert, denn die eigentliche Abberufung erfolgt erst durch das Gericht, das den Antrag zuvor eingehend und unabhängig zu prüfen hat.200 Auch das mitbestimmungsrechtliche Argument, dass ein Stimmverbot zu einer Kräfteverschiebung zwischen den „Bänken“ der Anteilseigner und Arbeitnehmer im Aufsichtsrat führen und das Stimmverbot dazu missbraucht werden kann, unliebsame Mitglieder der anderen „Bank“ aus dem Aufsichtsrat zu drängen, 201 reicht nicht aus, um ein Stimmverbot abzulehnen. Denn die Gefahr von Kräfteverschiebungen im mitbestimmten Aufsichtsrat besteht beim Eingreifen eines Stimmverbotes generell und nicht nur bei Beschlussfassungen nach § 103 Abs. 3 AktG.202 Außerdem kennt weder das AktG noch das MitbestG ein allgemeines „Bänkeprinzip“.203 Abgesehen davon gilt ein Stimmrechtsausschluss unabhängig davon, welcher „Bank“ das betroffene Aufsichtsratsmitglied angehört, das abberufen werden soll, sodass der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aufsichtsratsmitglieder204 gewahrt bleibt.205 Des Wei Matthießen, Stimmrecht, S. 269. Krebs, Interessenkonflikte, S. 157; siehe auch Giesen, Organhandeln, S. 119. 197 Giesen, Organhandeln, S. 119. 198 Giesen, Organhandeln, S. 119; Krebs, Interessenkonflikte, S. 156; Matthießen, Stimmrecht, S. 268. Wie auch sonst darf „Richten“ hierbei nicht im juristischen Sinne verstanden werden , sondern ist so zu verstehen, dass davon alle Maßnahmen umfasst werden, die sich gegen den Betroffenen selbst richten. Siehe dazu § 16 IV.1.)b.). 199 Für ein Stimmverbot BayObLGZ 2003, 89, 92; Hüffer, AktG, § 103 Rdnr. 12; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 49; MünchKommAktG/Habersack, § 103 Rdnr. 35; Ulmer/Habersack/Henssler/Ulmer/Habersack, MitbestR, § 6 Rdnr. 70; Wlotzke/ Wißmann/Koberski/Kleinsorge/Wißmann, MitbestR, § 6 Rdnr. 71. 200 Giesen, Organhandeln, S. 119; Krebs, Interessenkonflikte, S. 158; Matthießen, Stimmrecht, S. 271. 201 Hoffmann/Kirchhoff, FS Beusch, 1993, 377, 380 f. Wenn der Betroffene nicht mitstimmen dürfe und die andere „Seite“ geschlossen abstimme, habe diese stets die zur Antragsstellung notwendige Mehrheit und die Regel des § 29 MitbestG käme nicht zur Anwendung. 202 Krebs, Interessenkonflikte, S. 157. 203 BGHZ 83, 106, 113; Krebs, Interessenkonflikte, S. 157. 204 Dazu etwa BGHZ 64, 325, 330 f. 205 Krebs, Interessenkonflikte, S. 157 f. 195
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teren ist auch hier zu bedenken, dass eine Abberufung nur erfolgt, wenn das angerufene Gericht entsprechend entscheidet, sodass einem Missbrauch weitgehend vorgebeugt ist. Schließlich würde ein Ausschluss des Stimmverbots in diesen Fällen unter Umständen bedeuten, dass sich die Gesellschaft nicht von einem untragbar gewordenen Aufsichtsratsmitglied trennen kann. Das schützenswerte Interesse der Gesellschaft darf daher auch im Falle mitbestimmter Gesellschaften nicht unberücksichtigt bleiben. Sollen mehrere Aufsichtsratsmitglieder aus wichtigem Grund abberufen werden, so sind die betroffenen Aufsichtsratsmitglieder auch in den Abstimmungen über die anderen betroffenen Aufsichtsratsmitglieder ausgeschlossen, wenn ihnen das gleiche zur Last gelegt wird. Werden die Abberufungen hingegen auf unterschiedliche Gründe gestützt, sind die anderen – ebenfalls – abzuberufenden Aufsichtsratsmitglieder weiterhin stimmberechtigt.206
VI. Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds in den Vorstand Umstritten ist die Frage, ob die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds zum Vorstandsmitglied mit Blick auf mögliche Stimmverbote gleich zu behandeln ist wie etwa die Wahl zum Aufsichtsratsvorsitzenden oder in einen Aufsichtsratsausschuss. Wie bei den letztgenannten Wahlen wird auch hier verbreitet angenommen, dass keine Stimmverbote gelten und daher das betroffene Aufsichtsratsmitglied bei seiner eigenen Wahl in den Vorstand mit abstimmen darf.207 Hierbei handelt es sich jedoch nicht mehr um eine rein innerorganschaftliche Maßnahme.208 Das Aufsichtsratsmitglied wird in diesem Fall nicht mit einer Aufgabe im Rahmen seiner Organtätigkeit betraut, sondern in ein anderes Gremium gewählt. Dabei können das Interesse der Gesellschaft, dass die fähigste Person zu ihrer Leitung bestellt wird, und das Interesse des Kandidaten, ge-
Matthießen, Stimmrecht, S. 271. KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 50; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Hefermehl, AktG, § 84, Rdnr. 12; Raiser/Veil, MitbestG, § 29 Rdnr. 5 ; Scholz/ Schneider, GmbHG, § 52 Rdnr. 415; Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge/Koberski, MitbestR, § 31 Rdnr. 14; Hoffmann-Becking, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 31 Rdnr. 66; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rdnr. 731; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb börsennot. AG, § 27 Rdnr. 62; Krebs, Interessenkonflikte, S. 148 ff., insb. 153; Theisen, in: Potthoff/Trescher, Aufsichtsratsmitglied, Rdnr. 2011; Wilhelm, NJW 1983, 912, 91 4 f.; im Ergebnis auch Matthießen, Stimmrecht, S. 238 ff. 208 Giesen, Organhandeln, S. 119 f.; für einen Stimmrechtsausschluss daher auch Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rdnr. 89; GroßkommAktG/Hopt/Roth, AktG, § 108 Rdnr. 56; MünchKommAktG/Habersack, § 108 Rdnr. 32; Hüffer, AktG, § 108 Rdnr. 9 ; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 108 Rdnr. 30; Ulmer/Habersack/Henssler/Ulmer/ Habersack, MitbestR, § 31 Rdnr. 18a; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605; ders., NJW 1982, 2288, 2290 ff. 206 207
VI. Wahl eines Aufsichtsratsmitglied in den Vorstand
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wählt zu werden,209 miteinander in Konflikt geraten.212 Anders als im Fall der Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden kann das zur Wahl stehende Aufsichtsratsmitglied in diesem Fall nicht davon ausgehen, automatisch (und am besten) für den Vorstand geeignet zu sein, denn Vorstandsmitglieder entstammen nicht zwangsläufig dem Aufsichtsrat. Anders als bei der Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden, der notwendigerweise aus den Reihen der Aufsichtsratsmitglieder gewählt wird, ist der Konflikt nicht typischerweise in dem Amt des Aufsichtsratsmitglieds angelegt. Vielmehr schafft das betroffene Mitglied mit seiner Kandidatur den Konflikt erst selbst.211 Auch eine differenzierende Lösung dahingehend, ein Stimmverbot nur bei der Entscheidung über den Anstellungsvertrag anzunehmen, nicht aber bei der Abstimmung über die Bestellung, ist nicht sachgerecht.212 Weder wird damit finanziellen Interessen des Betroffenen ihr Konfliktpotential genommen, noch kann auf diese Weise anderen Interessen (Karriere- und anderen Absichten) begegnet werden. Denn die grundlegenden Weichen werden bereits im Rahmen des Beschlusses über die Bestellung gestellt. Mit diesem Beschluss öffnet die Gesellschaft ihre Interessensphäre für das neue Vorstandsmitglied.213 Daher geht es in diesem Zeitpunkt darum, den für die Gesellschaft besten Bewerber zu finden. Dementsprechend kann es bereits bei diesem Beschluss zu einem Konflikt zwischen den Interessen der Gesellschaft und den Interessen des zur Wahl stehenden Aufsichtsratsmitglieds kommen. Im Rahmen einer späteren 210
209 Etwa aufgrund persönlicher Karriereabsichten oder dem Interesse, eigene unternehmenspolitische Vorstellungen durchzusetzen, oder auch aus finanziellem Interesse wegen der erheblich höheren Vergütung eines Vorstandsmitglieds. Nicht tragfähig ist hierbei das Argument, dass auch der Aufsichtsratsvorsitzende mehr als das einfache Aufsichtsratsmitglied verdiene und dennoch bei seiner Wahl kein Stimmverbot bestehe (siehe Krebs, Interessenkonflikte, S. 151 f.; Matthießen, Stimmrecht, S. 232; Gofferje, Unabhängigkeit, S. 122). Diese Argumentation lässt unberücksichtigt, dass die Vorstandsvergütung regelmäßig sehr viel höher ist, sodass sie die im Vergleich nur geringfügig höhere (weil meist nur doppelt so hohe) Vergütung des Aufsichtsratsvorsitzenden weit in den Schatten stellt. Hinzukommt der im Fall der Wahl zum Vorstand in Aussicht stehende Anstellungsvertrag, der zu erheblich stärkeren Eigeninteressen führt. Der Interessenkonflikt ist daher bei der Wahl zum Vorstandsmitglied von einer ganz anderen Qualität als bei einer innerorganschaftlichen Wahl. Siehe Giesen, Organhandeln, S. 119 f. Krebs gibt allerdings zu Recht zu Bedenken, dass die Höhe der Vergütung allein kaum das entscheidende Abgrenzungskriterium für das Eingreifen eines Stimmverbotes sein kann, siehe Krebs, Interessenkonflikte, S. 151; gegen Argumente die auf die Höhe der Vergütung abstellen auch Wilhelm, NJW 1983, 912, 915. 210 Giesen, Organhandeln, S. 119 f.; Matthießen, Stimmrecht, S. 232; Ulmer, NJW 1982, 2288, 2290 f. 211 Hüffer, AktG, § 108 Rdnr. 9. 212 Damit soll ausgeschlossen werden, dass finanzielle Interessen an einer höheren Vergütung zu einer konfliktbelasteten Entscheidung führen. Siehe dazu Gofferje, Unabhängigkeit, S. 122; Krebs, Interessenkonflikte, S. 151; Matthießen, Stimmrecht, S. 235, ausführlich S. 250 ff.; siehe auch Wilhelm, NJW 1983, 912, 914. 213 Diese Öffnung geht über diejenige für das Aufsichtsratsmitglied hinaus, was sich an den eingeräumten Befugnissen zeigt.
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Abstimmung über den Anstellungsvertrag – die allerdings mit dem Bestellungsakt meist faktisch Hand in Hand geht,214 auch wenn sie dogmatisch davon zu unterscheiden ist215 – sind dann höchstens noch gewisse Anpassungen dieser grundlegenden Entscheidung (etwa mit Blick auf die Vergütung) möglich. Sie ändern aber nichts mehr an der grundsätzlichen Öffnung der Interessensphäre der Gesellschaft. Daher muss ein die Interessen der Gesellschaft gefährdender Interessenkonflikt, der zu einem Stimmverbot bei der Abstimmung über den Anstellungsvertrag führt, erst recht zu einem Stimmverbot bei der Bestellung führen. Auch ein Vergleich mit der Wahl der Vorstände bzw. Geschäftsführer durch die Mitglieder- bzw. Gesellschafterversammlung im Verein bzw. in der GmbH kann nicht gegen Stimmverbote ins Feld geführt werden, weil die Situation bei der Wahl durch den Aufsichtsrat zu unterschiedlich ist.216 Denn bei der Wahl durch die Mitglieder- bzw. Gesellschafterversammlung werden die Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer von denjenigen gewählt, die auch die (finanziellen) Folgen der Wahl tragen. Demgegenüber sind die Aufsichtsratsmitglieder in der Regel lediglich pflichtengebundene Interessenwahrer, deren Abstimmungsverhalten Folgewirkungen für andere, die Aktionäre, hat. Schließlich spricht auch die in § 105 Abs. 1 AktG verankerte strikte Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat eher für als gegen die Annahme eines Stimmverbots.217 Insbesondere bedeutet der Umstand, dass die Vorschrift eine zeitliche Aufeinanderfolge beider Ämter zulässt, nicht, dass sie den Interessenkonflikt des in den Vorstand zu wählenden Aufsichtsratsmitglieds legitimiert. Dafür spricht auch § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG, wonach in der Regel zwei Jahre vergehen sollen, bevor ein ehemaliges Vorstandsmitglied nach dem Ende seiner Mitgliedschaft im Vorstand einen Aufsichtsratsposten übernimmt. Dementsprechend ist eine generelle Ausnahme vom Stimmrechtsverbot für korporationsrechtliche Rechtsgeschäfte abzulehnen und auf den Zweck des jeweiligen Rechtsgeschäfts abzustellen.218
214 Daher für einen Erhalt des Stimmrechts: BGHZ 18, 205, 210; 51, 209, 215 f.; außerdem schon RGZ 74, 276, 280; RG JW 1917, 165; 1919, 313, 314; aus der Literatur RGRK/ Steffen, BGB, § 34 Rdnr. 2; Zöllner, Schranken, S. 234; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 47 Rdnr. 86; Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 145; a.A. Soergel/Hadding, BGB, § 34 Rdnr. 5 ; Flume, BGB AT I/1, § 14 IX (S. 250); ders., BGB AT I/2, § 7 V 6 (S. 231). 215 BGHZ 33, 189, 194; 36, 142, 143; 79, 38, 40 f.; 89, 48, 51 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 13 III 2 b (S. 416). 216 A.A. Matthießen, Stimmrecht, S. 244. 217 Ulmer, NJW 1982, 2288, 2291; a.A. Matthießen, Stimmrecht, S. 244; Krebs, Interessenkonflikte, S. 152; Wilhelm, NJW 1983, 912, 915 Fn. 28. 218 GroßkommAktG/Hopt/Roth, AktG, § 108 Rdnr. 56.
VII. Recht zur Stimmenthaltung
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VII. Recht zur Stimmenthaltung Im Fall konkreter Interessenkonflikte, die sich nicht in eine der abstrakten Kategorien einordnen lassen, weil es an den formalen Voraussetzungen dafür fehlt, ist zu überlegen, ob dem Betroffenen erlaubt werden muss, sich der Stimme zu enthalten. Diese Frage, die in engem Zusammenhang mit der Pflicht zur Mitwirkung an der Abstimmung steht, ist umstritten.
1.) Pflicht zur Abstimmung versus Möglichkeit der Stimmenthaltung Mitglieder eines Gremiums, dessen Aufgabe die Interessenwahrung ist, sind verpflichtet, an der Willensbildung des Gremiums mitzuwirken.219 Dies gilt grundsätzlich auch für dasjenige Gremiumsmitglied, das mit Blick auf seine Stimmrechtsausübungspflichten in einen Interessenkonflikt gerät, weil es die Interessen verschiedener Geschäftsherren zu wahren hat. Mit einer bloßen Stimmenthaltung erfüllt es seine Pflicht nicht.220 Denn wer sich der Stimme enthält, toleriert letztlich die Mehrheit.221 Hinzukomme – so ein Teil der Literatur –, dass alle Mitglieder des Gremiums, die keinem Stimmverbot unterliegen, für die Beschlüsse des Gremiums gesamtverantwortlich sind.222 Um einer Haftung für einen (schädigenden) Beschluss zu entgehen, reiche es daher nicht aus, sich lediglich nicht zu beteiligen.223 Vielmehr müsse ein Mitglied den Beschluss ausdrücklich ablehnen und aktiv seine Bedenken dagegen vortragen sowie alles Geeignete unternehmen, um den Beschluss zu verhindern; wenn es dies pflichtwidrig nicht tue, bleibe es nach dem Grundsatz der Gesamtverantwortung haftbar.224 Als Lösung für einen Interessenkonflikt, der nicht zu einem Stimmverbot führt, aber dennoch eine Abstimmung im Interesse des Geschäftsherrn bzw. der Gesellschaft hindert, komme nur die Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses bzw. des Organverhältnisses in Betracht.225 Denn wer seine Rechte und Pflichten im 219 Siehe z. B. Krebs, Interessenkonflikte, S. 169; Löhnig, Treuhand, S. 584; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 62; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605; Werner, ZHR 145 (1981), 252, 267 f. 220 Für den Aufsichtsrat Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605. 221 Krebs, Interessenkonflikte, S. 169. 222 Ulmer/Habersack/Henssler/Ulmer/Habersack, MitbestR, § 25 Rdnr. 97, 119; Dreher, JZ 1990, 896, 901; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605. Zum Grundsatz der Gesamtverantwortung RGZ 161, 129, 135; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Geßler, AktG, § 116 Rdnr. 18, 21. 223 Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605; Dreher, JZ 1990, 896, 901. 224 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Geßler, AktG, § 116 Rdnr. 21; Ulmer/Habersack/ Henssler/Ulmer/Habersack, MitbestR, § 25 Rdnr. 119; Wlotzke/Wißmann/Koberski/ Kleinsorge/Koberski, MitbestR, § 25 Rdnr. 122; Krebs, Interessenkonflikte, S. 169; Dreher, JZ 1990, 896, 901; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605. 225 Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605 (Aufsichtsratsmitglied).
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Aufsichtsrat nicht wahrnehmen könne, dürfe nicht Aufsichtsratsmitglied bleiben.226 Andere halten dagegen eine Stimmenthaltung im Fall eines Interessenkonflikts, der kein Stimmverbot begründet, für zulässig.227 Argumentiert wird, dass die Teilnahme an der Abstimmung im Fall eines solchen Konflikts unzumutbar werde und daher in diesem besonderen Fall eine Enthaltung nicht pflichtwidrig sei.228 Dem wird aber entgegengehalten, dass Aufsichtsratsmitglieder bestellt werden, um Entscheidungen zu treffen, und nicht, um ihnen auszuweichen.229 Auch andere Interessenwahrer könnten sich nicht darauf berufen, dass es ihnen „unzumutbar“ sei, ihre Interessenwahrungspflicht zu erfüllen, und sich so ihrer Pflicht entziehen.230 Von einigen Befürwortern einer Stimmenthaltung wird sogar vertreten, dass sich ein Aufsichtsratsmitglied bei Interessenkonflikten, bei denen nicht bereits ein Stimmverbot besteht, nicht bloß der Stimme enthalten könne, sondern dies sogar müsse.231 Eine Rechtspflicht zur Stimmenthaltung ist jedoch problematisch.232 Denn letztlich wäre das Ergebnis ähnlich wie bei einem allgemeinen Stimmverbot bei Interessenkonflikten.233 Die Argumente, die gegen ein allgemeines Stimmverbot sprechen – etwa die Beeinträchtigung der Rechtssicherheit –, sprechen auch gegen eine Lösung von Konflikten mittels einer Stimmenthaltungspflicht.234
2.) Orientierung an den Interessen der Gesellschaft Eine Alles-oder-Nichts-Lösung, Abstimmung trotz Interessenkonflikt oder Niederlegung des Mandats, ist zwar eindeutig und unterstreicht die Bedeutung der in der Pflicht zur Stimmabgabe zum Ausdruck kommenden Interessenwahrungspflicht. Allerdings wird eine solche radikale Lösung nicht immer den Interessen aller Beteiligten gerecht. Für die Gesellschaft ist es einerseits wichtig, dass sich alle Organmitglieder an der Willensbildung beteiligen. Andererseits ist für sie aber auch wichtig, MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 72. v. Schenk, in: v. Schenk, ArbAR, § 5 Rdnr. 130; Krebs, Interessenkonflikte, S. 166 ff., insb. 173 f.; Löhnig, Treuhand, S. 585. 228 Werner, ZHR 145 (1981), 252, 268. 229 Löhnig, Treuhand, S. 585. 230 Löhnig, Treuhand, S. 585. 231 R. Fischer, in: Lutter/Stimpel/Fischer, Fischer – Gesammelte Schriften, S. 323, 333; abgeschwächter v. Schenk, in: v. Schenk, ArbAR, § 5 Rdnr. 130 („sollte“ sich der Stimme enthalten). 232 Krebs, Interessenkonflikte, S. 171. 233 Krebs, Interessenkonflikte, S. 171; Fleck, FS Heinsius, 1991, S. 89, 96; Dreher, JZ 1990, 896, 901 mit Fn. 59. 234 Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 62; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605. In Bezug auf die Stimmenthaltung generell Häuser, Interessenkollisionen, S. 157. 226 227
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dass sie kompetente und über gute Geschäftsverbindungen verfügende Organmitglieder möglichst nicht verliert. Im Fall einer Stimmungspflicht auch bei einem Interessenkonflikt könnte sich das betroffene Organmitglied gezwungen sehen, sein Amt niederzulegen, um eine eventuelle Pflichtverletzung im Rahmen eines kollidierenden anderen Fremdinteressenwahrungsverhältnisses zu vermeiden. Das Interesse an kompetenten Organmitgliedern wird in nicht wenigen Fällen größer sein als das hinsichtlich der Beteiligung an der Willensbildung. Ist ein Interessenkonflikt lediglich punktueller Natur, würde daher die Pflicht zur Amtsniederlegung, als ultima ratio der Konfliktlösung, den Interessen der Gesellschaft zuwiderlaufen und wäre deshalb weder sach- noch interessengerecht.235 Eine weniger einschneidende Maßnahme kann somit bei einzelnen Interessenkonflikten im Interesse aller Beteiligten sein. In diesen Fällen bietet es sich an, dem Betroffenen ein Recht zur Stimmenthaltung zu gewähren.236 Voraussetzung ist aber erstens, dass es sich um einen für den Betroffenen erheblichen Interessenkonflikt handelt und dieser nur im Einzelfall auftritt. Ist hingegen abzusehen, dass der Interessenkonflikt häufiger oder dauerhaft auftritt, kommt nur eine Amtsniederlegung in Betracht.237 Denn dann kann der Betroffene seine Gremiums- bzw. Organaufgaben nicht mehr angemessen wahrnehmen.238 Zweitens muss erkennbar sein, dass die übrigen Mitglieder zu einem Mehrheitsbeschluss gelangen.239 Da in diesem Fall die Stimme des Betroffenen keinen entscheidenden Einfluss auf das Abstimmungsergebnis hat, ist das Interesse der Gesellschaft an der Beteiligung des Betroffenen an der Abstimmung geringer zu gewichten als ihr Interesse, ein Organmitglied nicht wegen eines Interessenkonflikts zu verlieren. Wenn es hingegen auf die Stimme des von ei235 Dazu Krebs, Interessenkonflikte, S. 170; Löhnig, Treuhand, S. 585. Daher kommt eine Pflicht zur Amtsniederlegung nur dann in Betracht, wenn ein Interessenkonflikt (Pflichtenkollision) nicht auf andere Weise gelöst werden kann. Dazu LG Hannover ZIP 2009, 761, 762; Hüffer, AktG, § 116 Rdnr. 5 ; Deckert, DZWIR 1996, 406, 409; Dreher, JZ 1990, 896, 902. Zum Recht der Amtsniederlegung etwa KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 103 Rdnr. 55 ff.; Hüffer, AktG, § 103 Rdnr. 17; MünchKommAktG/Habersack, § 103 Rdnr. 59 f.; Hoffmann-Becking, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 30 Rdnr. 51; Singhof, AG 1998, 318, 323. Die Stimmenthaltung als ultima ratio einstufend Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 62 f. 236 Dazu KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 51; Geßler/Hefermehl/ Eckardt/Kropff/Geßler, AktG, § 108 Rdnr. 29; Ensch, Institutionelle Mitbestimmung, S. 193; Fleck, FS Heinsius, 1991, S. 89, 96; Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 247; Werner, ZHR 145 (1981), 252, 267 f. 237 Dazu KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 116 Rdnr. 32; Krebs, Interessenkonflikte, S. 173 Fn. 332; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 73; R. Fischer, in: Lutter/Stimpel/Fischer, Fischer. Gesammelte Schriften, S. 323, 334; Fleck, FS Heinsius, 1991, S. 89, 96; Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 246. 238 Siehe Krebs, Interessenkonflikte, S. 172; vgl. R. Fischer, in: Lutter/Stimpel/Fischer, Fischer. Gesammelte Schriften, S. 323, 334. 239 KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 116 Rdnr. 23; Krebs, Interessenkonflikte, S. 172 f.
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nem Interessenkonflikt betroffenen Aufsichtsratsmitglieds ankommt, ist für eine Enthaltung kein Raum.240 Ist die zweite Voraussetzung erfüllt, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Enthaltung zu einer Schädigung der Interessen der Gesellschaft führen könnte.241 Denn dies ist bei fehlender Kausalität der Stimme für die Feststellung des Abstimmungsergebnisses ohnehin nicht möglich. Würde jedoch ein Beschluss zu einer Schädigung der Gesellschaft führen und weiß der Betroffene dies – die anderen Mitglieder hingegen nicht –, muss er die anderen Mitglieder darüber informieren, sofern er dadurch keine anderweitig bestehenden, vorrangigen Verschwiegenheitspflichten verletzt.242 Liegen diese Voraussetzungen vor, ist die Stimmenthaltung nicht als Pflichtverletzung einzustufen.243 Vielmehr handelt es sich um eine spezifische Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht, in einem speziellen Einzelfall einen Interessenkonflikt zu vermeiden. Die Stimmenthaltung ist auch gegenüber dem anderen Geschäftsherrn bzw. der anderen Gesellschaft (deren Interessen den Konflikt hervorgerufen haben) als spezifische Anpassung der Interessenwahrungspflicht einzustufen. Denn dem Interessenwahrer steht es grundsätzlich frei, welches Interessenwahrungsverhältnis er beendet, und der anderen Gesellschaft liegt typischerweise ebenso wenig an einer Beendigung des Verhältnisses wie der ersten Gesellschaft.244 In jedem Fall aber hat das jeweilige Gremiumsmitglied die anderen Mitglieder vor einer Beschlussfassung darauf hinzuweisen, wenn es einem Interessenkonflikt ausgesetzt ist. Dies ermöglicht es den anderen, die Argumente und das Abstimmungsverhalten des betroffenen Mitglieds besser einzuschätzen und bei ihrer eigenen Abstimmung zu berücksichtigen.245
VIII. Teilnahmeverbot Um den mit Hilfe von Stimmverboten angestrebten Schutz der Willensbildung von Gremien zu gewährleisten, kann es in manchen Situationen erforderlich sein, das betroffene Gremiumsmitglied nicht nur von der Stimmabgabe, sondern auch von der Teilnahme überhaupt, inklusive der vorangehenden Beratung, auszuschließen.
Krebs, Interessenkonflikte, S. 173. Für diese Voraussetzung Krebs, Interessenkonflikte, S. 173. 242 Krebs, Interessenkonflikte, S. 173; R. Fischer, in: Lutter/Stimpel/Fischer, Fischer. Gesammelte Schriften, S. 323, 333. 243 Krebs, Interessenkonflikte, S. 174; Werner, ZHR 145 (1981), 252, 268; vgl. auch KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 51, § 116 Rdnr. 23, 32; Fleck, FS Heinsius, 1991, S. 89, 96. Vgl. auch Ensch, Institutionelle Mitbestimmung, S. 193. 244 Löhnig, Treuhand, S. 586. 245 Giesen, Organhandeln, S. 108; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 63. 240 241
VIII. Teilnahmeverbot
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1.) Kein automatischer Teilnahmeausschluss im Aufsichtsrat Ein automatischer Teilnahmeausschluss im Fall eines bestehenden Stimmverbots, ist allerdings abzulehnen.246 So haben etwa Aufsichtsratsmitglieder aufgrund ihres Amtes das Recht – aber auch die Pflicht –, an den Sitzungen des Aufsichtsrats teilzunehmen.247 Zwar ist weder das Teilnahmerecht noch der Ausschluss von der Sitzungsteilnahme im Aktiengesetz ausdrücklich geregelt.248 Aber die Teilnahme ist eng mit der Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats verbunden. Denn sie ist wesentlich dafür, dass sich das Aufsichtsratsmitglied über die Vorgänge in der Gesellschaft informieren, darüber diskutieren und in sachgerechter Weise seinen Einfluss ausüben kann.249 Das Teilnahmerecht bleibt einem Mitglied daher grundsätzlich auch dann erhalten, wenn es von der Stimmabgabe ausgeschlossen ist.250 Denn zum einen soll der Betroffene die Gelegenheit haben, sich zu dem Beschlussgegenstand zu äußern und angehört zu werden.251 Zum anderen kann das Mitglied nur so das Verfahren daraufhin überwachen, ob eventuell Beschlussmängel auftreten, und ggf. den Beschluss entsprechend anfechten.252 Dies ist nicht zuletzt auch deshalb von Bedeutung, weil sich die Gesamtverantwortung des Aufsichtsrats auf alle Aufsichtsratsmitglieder erstreckt, die nicht aktiv gegen einen Beschluss 246 KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 109 Rdnr. 8; Ulmer/Habersack/Henssler/Ulmer/Habersack, MitbestR, § 25 Rdnr. 19; v. Schenk, in: v. Schenk, ArbAR, § 5 Rdnr. 127; Krebs, Interessenkonflikte, S. 160 ff.; siehe auch Kindl, Teilnahme, S. 155; Thei2013. Zurückhaltend gegenüber sen, in: Potthoff/Trescher, Aufsichtsratsmitglied, Rdnr. Teilnahmeverboten auch Matthießen, Stimmrecht, S. 348 ff. 247 Hachenburg/Raiser, GmbHG, § 52 Rdnr. 67; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 109 Rdnr. 7 f.; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Geßler, AktG, § 109 Rdnr. 9 f.; Hüffer, AktG, § 109 Rdnr. 2; Raiser/Veil, MitbestG, § 25 Rdnr. 31; Ulmer/Habersack/ Henssler/Ulmer/Habersack, MitbestR, § 25 Rdnr. 19; Krebs, Interessenkonflikte, S. 160; Matthießen, Stimmrecht, S. 349. 248 Insbesondere auch nicht in § 109 Abs. 1 Satz 1 AktG, denn die Vorschrift dient der Beschränkung der Teilnehmeranzahl, um sicherzustellen, dass der Aufsichtsrat arbeitsfähig ist und die Vertraulichkeit seiner Sitzungen gewahrt wird. Darauf deutet nicht zuletzt die Nennung der Vorstandsmitglieder in § 109 Abs. 1 Satz 1 AktG hin, denen kein gesetzliches Recht auf Teilnahme an Aufsichtsratssitzungen zusteht. Siehe KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 109 Rdnr. 9 ; Krebs, Interessenkonflikte, S. 160. 249 Zur Information des Aufsichtsrats Leyens, Information des Aufsichtsrats, passim. 250 RGZ 112, 109, 111; BGHZ 14, 264, 270 f. (GmbH-Gesellschafter); BGH NJW 1971, 2225 (GmbH-Gesellschafter); BGH WM 1985, 567, 568; Hüffer, AktG, § 109 Rdnr. 2; Köln-KommA ktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 55 und § 109 Rdnr. 8 ; Krebs, Interessenkonflikte, S. 160; Matthießen, Stimmrecht, S. 349; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 4. Gegen einen Teilnahmeausschluss auch Dreher, JZ 1990, 896, 901; für die GmbH-Gesellschafter Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 48 Rdnr. 6 ; Hachenburg/Hüffer, GmbHG, § 48 Rdnr. 13. 251 Krebs, Interessenkonflikte, S. 163. Für die Willensbildung des Gesamtgremiums könne dies sogar förderlich sein, weil es so alle Argumente kenne. Siehe auch Matthießen, Stimmrecht, S. 350; vgl. auch Dreher, JZ 1990, 896, 901 Fn. 65. 252 BGH NJW 1971, 2225 (GmbH-Gesellschafter); Matthießen, Stimmrecht, S. 350; Zöllner, Schranken, S. 188.
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vorgehen, unabhängig davon, ob sie an dem Beschluss beteiligt waren oder nicht.253 Aus rechtsdogmatischer Perspektive kommt hinzu, dass sowohl §§ 28 Abs. 1, 34 BGB als auch die mitgliedschaftlichen Stimmverbotstatbestände nur den Ausschluss von der Abstimmung nicht aber auch von der vorangehenden Beratung vorsehen.254 In den Grenzen von § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG besteht außerdem die Möglichkeit, die Entscheidung an einen Ausschuss zu delegieren.255
2.) Teilnahmeausschluss im Aufsichtsrat bei konkreter Gefahr für die zu schützenden Interessen Auch wenn eine automatische Koppelung eines Teilnahmeausschlusses an ein Stimmverbot abzulehnen ist, muss ein Teilnahmeausschluss doch in Ausnahmefällen möglich sein, um Gefahren für die Gesellschaft vorzubeugen.256 Vor aussetzung dafür ist, dass die Teilnahme des betroffenen Mitglieds wichtige Belange des Geschäftsherrn bzw. der Gesellschaft konkret gefährden würde.257 Dafür müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die bloße Möglichkeit einer Gefährdung von Gesellschaftsinteressen reicht nicht aus. Denn Aufsichtsratsmitglieder sind regelmäßig auch in andere Interessensbereiche eingebunden – was der Gesetzgeber nicht zuletzt selbst gefördert hat, indem er das Aufsichtsratsmandat als Nebenamt ausgestaltet hat.258 Eine konkrete Gefährdung ist 253 Ulmer/Habersack/Henssler/Ulmer/Habersack, MitbestR, § 25 Rdnr. 97, 119; Dreher, JZ 1990, 896, 901; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605 (bloße Abstimmung gegen einen Beschluss reiche nicht aus, es sei eine ausdrückliche Ablehnung und Hinweis auf die Bedenken erforderlich, u. U. auch die Niederlegung des Amtes). 254 Krebs, Interessenkonflikte, S. 162. 255 Krebs, Interessenkonflikte, S. 164; Dreher, JZ 1990, 896, 901 Fn. 65. Aufsichtsratsmitglieder, die dem Ausschuss nicht angehören, kann der Aufsichtsratsvorsitzende nach § 109 Abs. 2 AktG von der Teilnahme an der Ausschusssitzung ausschließen. Zur Einrichtung von Ausschüssen als organisatorische Maßnahme für den Umgang mit Interessenkonflikten siehe oben § 8 VI. 256 Hüffer, AktG, § 109 Rdnr. 2; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 109 Rdnr. 8 ; Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdnr. 335 (wenn zu befürchten ist, dass unabhängige Willensbildung des Aufsichtrats nicht mehr gewährleistet ist); Wlotzke/Wißmann/ Koberski/Kleinsorge/Koberski, MitbestR, § 25 Rdnr. 19; Giesen, Organhandeln, S. 127; Matthießen, Stimmrecht, S. 351; siehe auch Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 4. 257 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rdnr. 225; Hüffer, AktG, § 109 Rdnr. 2 ; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 109 Rdnr. 8; Raiser/Veil, MitbestG, § 25 Rdnr. 31; Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdnr. 396; Ulmer/Habersack/Henssler/ Ulmer/Habersack, MitbestR, § 25 Rdnr. 19; Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge/ Koberski, MitbestR, § 25 Rdnr. 19; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rdnr. 700; siehe auch Hachenburg/Raiser, GmbHG, § 52 Rdnr. 67 (bei gröblicher Störung der Sitzung oder wenn unabhängige Willensbildung des Aufsichtsrats nicht mehr gesichert ist); Schneider, FS Goette, 2011, S. 475, 483 (Teilnahmeverbot bei schwerem Interessenkonflikt); a.A. Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Geßler, AktG, § 109 Rdnr. 9 (nur wenn Ansprüche gegen das Mitglied geltend gemacht oder Verträge mit ihm abgeschlossen werden sollen). 258 Krebs, Interessenkonflikte, S. 165.
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dann anzunehmen, wenn abzusehen ist, dass der Betroffene in der Aufsichtsratssitzung erhaltene vertrauliche Informationen missbräuchlich, insbesondere zum Schaden der Gesellschaft, verwenden wird – etwa weil er dies angekündigt oder schon einmal getan hat.259 In diesen Fällen ist zwar regelmäßig eine Abberufung aus wichtigem Grund nach § 103 Abs. 3 AktG möglich,260 doch wenn ein solcher Antrag noch nicht gestellt ist, muss der Aufsichtsrat dennoch in der Lage sein, die Interessen der Gesellschaft angemessen zu schützen.261 Des Weiteren ist das betroffene Aufsichtsratsmitglied – entsprechend dem Rechtsgedanken von § 105 AktG – von den Beratungen auszuschließen, wenn das ihn treffende Stimmverbot aus § 105 AktG hergeleitet werden kann. Dies ist etwa der Fall, wenn es um die Kontrolle von Entscheidungen geht, die ein Aufsichtsratsmitglied in seiner Zeit als Vorstandsmitglied betroffen oder mitgetragen hat262 oder wenn es um die Entscheidung des Aufsichtsrats über die Bestellung und den Anstellungsvertrag eines für den Vorstand kandidierenden Kandidaten geht, der gegenwärtig dem Aufsichtsrat angehört.263
3.) Ermöglichung einer unbefangenen Diskussion Mit diesem Ansatz ließe sich auch die Frage lösen, ob die Ermöglichung einer unbefangenen Diskussion und Beurteilung im Aufsichtsrat als Grund für einen Teilnahmeausschluss ausreicht, wenn eine solche andernfalls wegen der Gegenwart des betroffenen Mitglieds nicht möglich wäre.264 Dies wird zum Teil als zu weitgehend angesehen und ein Teilnahmeausschluss des betroffenen Mitglieds nur in den Fällen der §§ 114, 115 AktG für erforderlich gehalten.265 Dem wird entgegengehalten, dass ein Gremium, wie der Aufsichtsrat, von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und einem fairen und loyalen Umgang miteinander lebe; daher sollten die Mitglieder ihre Meinung auch dann kundtun können, wenn der Betroffene anwesend ist.266 Zu bedenken sei auch, dass ein Teilnahmeausschluss nicht mit Sicherheit eine Einflussnahme verhindern könne. Denn der Betroffene könne auch außerhalb der Aufsichtsratssitzung versuchen, seine Kollegen zu beeinflussen.267 Krebs, Interessenkonflikte, S. 165. Darauf verweisen etwa Behr, AG 1984, 281, 284 (Teilnahmeausschluss nur bei Störung des Sitzungsablaufs) und Kindl, Teilnahme, S. 164. 261 Krebs, Interessenkonflikte, S. 166. 262 Matthießen, Stimmrecht, S. 257; vgl. auch Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 247. 263 Matthießen, Stimmrecht, S. 349 (im Hinblick auf die Entscheidung über den Anstellungsvertrag). 264 Dagegen etwa Matthießen, Stimmrecht, S. 350; Behr, AG 1984, 281, 283 f. (nur bei Störung des Sitzungsablaufs). 265 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Geßler, AktG, § 109 Rdnr. 9 ; Wlotzke/Wißmann/ Koberski/Kleinsorge/Koberski, MitbestR, § 25 Rdnr. 19. 266 Krebs, Interessenkonflikte, S. 163. 267 Krebs, Interessenkonflikte, S. 164. 259
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Vor allem aber ist zu bedenken, dass, auch wenn ein Aufsichtsratsmitglied von der Abstimmung ausgeschlossen ist, es ihm doch möglich sein muss, den anderen Mitgliedern seine Argumente zu unterbreiten, damit diese von ihnen Kenntnis erhalten und in ihre Überlegungen einbeziehen können.268 Sofern eine Teilnahme – etwa wegen des besonderen Beschlussgegenstandes – eine konkrete Gefährdung für die Interessen der Gesellschaft bedeuten und daher nicht möglich sein sollte, ist zu erwägen, ob nicht der Betroffene seine Argumente darlegen, also ein Anhörungsrecht erhalten, und dann der weiteren Beratung freiwillig fernbleiben bzw. von ihr ausgeschlossen werden sollte.269
4.) Teilnahmeausschluß im Gläubigerausschuss Vergleichbares wie für den Aufsichtsrat gilt auch für den Gläubigerausschuss. Auch hier kann das Stimmrecht nicht automatisch einen Teilnahmeausschluss nach sich ziehen, sondern ist eine konkrete Gefährdung der Ziele des Insolvenz verfahrens erforderlich. Darüber, ob das von der Abstimmung auszuschließende Gläubigerausschussmitglied an der Versammlung teilnehmen darf oder nicht, hat der Gläubigerausschuss zu entscheiden.270
IX. Verfahrensfragen und Rechtsfolgen 1.) Zuständigkeit für die Feststellung von Stimmverboten a.) Aufsichtsrat Im Fall des Aufsichtsrats hat der Vorsitzende in seiner Eigenschaft als Sitzungsleiter festzulegen, ob ein Mitglied abstimmen darf oder einem Stimmverbot unterliegt.271 Zum Teil wird darin eine Rechtsfrage gesehen, über die der Aufsichtsrat nicht durch Beschluss befinden könne, sondern die gegebenenfalls das Gericht kontrollieren müsse.272 Zum Teil wird darin eine Verfahrenshandlung
Vgl. BGH NJW 1971, 2225 (GmbH-Gesellschafter); Matthießen, Stimmrecht, S. 350; Zöllner, Schranken, S. 188. 269 Krebs, Interessenkonflikte, S. 163; dazu auch Matthießen, Stimmrecht, S. 350 (unter Hinweis auf Art. 10 Abs. 2 der 5. EG-Richtlinie i.d.F. vom 19.8.1983, sich dann jedoch für ein Anwesenheitsrecht des Betroffenen aussprechend). 270 Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 72 Rdnr. 14; Vallender, WM 2002, 2040, 2046. 271 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 66; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 54; MünchKommAktG/Habersack, § 107 Rdnr. 52 und § 108 Rdnr. 33; Ringleb/Kremer/Lutter/v.Werder/Kremer, DCGK, Rdnr. 1106; a.A. Schneider, FS Goette, 2011, S. 475, 484 (Entscheidung durch den Gesamtaufsichtsrat). 272 MünchKommAktG/Habersack, § 107 Rdnr. 52; siehe auch KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 107 Rdnr. 37 und § 108 Rdnr. 54. 268
IX. Verfahrensfragen und Rechtsfolgen
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des Vorsitzenden gesehen, die der Aufsichtsrat durch Mehrheitsbeschluss abändern könne.273 b.) Gläubigerausschuss In Bezug auf Mitglieder des Gläubigerausschusses im Insolvenzrecht wird dagegen von einigen vertreten, dass der Ausschuss insgesamt über den Abstimmungsausschluss eines Mitglieds entscheiden müsse.274 Im Fall eines Patts könne das Insolvenzgericht entscheiden.275 Auch soll es dem betroffenen Ausschussmitglied gestattet sein, eine Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Ausschlussgrund zu beantragen.276 Überlegt werden könnte auch, ob das Insolvenzgericht nicht immer entscheiden sollte. Gegen eine Entscheidungszuständigkeit des Insolvenzgerichts spricht jedoch, dass der Gläubigerausschuss ein unabhängiges Organ der Gläubiger ist und als solches nicht der Aufsicht des Insolvenzgerichts untersteht.277 Auf der anderen Seite ist aber auch eine Entscheidung des Ausschusses als Ganzes jedenfalls für Stimmverbote, die formal an bestimmte Interessenkonfliktsituationen anknüpfen, nicht erforderlich.278 Denn hier genügt die bloße Feststellung, dass ein solcher vorliegt. Darüber hinaus kann das betroffene Mitglied auch ein Interesse daran haben, seinen Konflikt nur wenigen Personen bzw. nur dem Vorsitzenden zu offenbaren. Da auch der Gläubigerausschuss regelmäßig über einen Vorsitzenden verfügt – denn er gibt sich in der Regel eine Geschäftsordnung, in der das Amt des Vorsitzenden vorgesehen ist279 –, sollte auch beim Gläubigerausschuss – wie im Gesellschaftsrecht – der Ausschussvorsitzende feststellen, ob bei einer Abstimmung ein Stimmverbot besteht oder nicht.280 Denn wie bei Aufsichtsratsbeschlüssen die Nichtigkeit eines Beschlusses mittels Feststel GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 66, außerdem § 107 Rdnr. 94. Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 72 Rdnr. 14 (ausschließliche Entscheidung durch den Gläubigerausschuss); Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1377; Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 123; Vallender, WM 2002, 2040, 2046. Nicht entscheiden soll der Insolvenzverwalter, andernfalls bestünde die Gefahr, dass er versuchen könnte, sich mit Hilfe dieser Befugnis einer wirksamen Kontrolle durch den Gläubigerausschuss zu entziehen, siehe Vallender, WM 2002, 2040, 2046. 275 Nerlich/Römermann/Delhaes, InsO, § 72 Rdnr. 4. 276 Siehe bspw. AG Hildesheim, KTS 1985, 130; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 72 Rdnr. 14; Vallender, WM 2002, 2040, 2046. 277 RGZ 31, 119, 122; BGH WM 1965, 1158, 1159 (zur KO); Kübler/Prütting/Bork/ Kübler, InsO, § 69 Rdnr. 9; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 69 Rdnr. 2 und 6; Löhnig, Treuhand, S. 575; Frege, NZG 1999, 478, 480. Zum Verhältnis von Gläubigerausschuss und Gericht Hegmanns, Gläubigerausschluss, S. 90 ff. 278 Vgl. auch Löhnig, Treuhand, S. 575. 279 Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 69 Rdnr. 18 und § 72 Rdnr. 2. Zur Geschäftsordnungskompetenz im Fall des Aufsichtsrats bei Kapitalgesellschaften Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rdnr. 3.179. 280 Löhnig, Treuhand, S. 574 f. 273 274
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§ 16 Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen
lungsklage rechtskräftig festgestellt werden kann,281 kann dies auch für Beschlüsse des Gläubigerausschusses im Insolvenzrecht geschehen.282 Dann reicht es aber, wenn zuvor hinsichtlich der Feststellung über das Vorliegen eines Stimmverbots der Ausschussvorsitzende entscheidet.283
2.) Drohende Beschlussunfähigkeit des Gremiums Ist ein Gremium so besetzt, dass die Anzahl seiner Mitglieder mit dem Quorum für die Beschlussfähigkeit gerade übereinstimmt, könnte ein Stimmverbot zur Beschlussunfähigkeit führen. Dieser Ansicht war etwa das BayObLG, das die drohende Beschlussunfähigkeit durch eine gerichtliche Ersatzbestellung verhindern wollte.284 Demgegenüber wird in der Wissenschaft vertreten, dass Aufsichtsratsmitglieder, die einem Stimmverbot unterliegen, an der Beschlussfassung teilnehmen und sich dabei der Stimme enthalten müssten, wenn der Aufsichtsrat andernfalls beschlussunfähig wäre.285 Der BGH hat sich dieser letzteren Meinung angeschlossen.286 Dieser Ansatz führt dazu, dass ein Aufsichtsrat nur ausnahmsweise beschlussunfähig werden würde, etwa wenn alle Mitglieder verpflichtet sind, sich der Stimme zu enthalten.287 Demgegenüber würde eine Ersatzbestellung faktisch zu einer zeitweiligen bzw. teilweisen Abberufung des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds und zu Verzögerungen der Aufsichtsratsarbeit führen.288 Im Insolvenzrecht wird hingegen lediglich der Fall diskutiert, dass alle Mitglieder des Gläubigerausschusses einem Stimmverbot unterliegen und der Ausschuss daher beschlussunfähig wird. In diesem Fall soll bei wichtigen Entschei-
281 BGHZ 135, 244, 247 f.; BGH NJW 1993, 2307, 2309; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 88 ff.; MünchKommAktG/Habersack, § 108 Rdnr. 85; Hüffer, AktG, § 108 Rdnr. 18; Giesen, Organhandeln, S. 130. 282 Löhnig, Treuhand, S. 575. 283 Löhnig, Treuhand, S. 575. 284 BayObLGZ 2003, 89, 91 ff.; siehe auch OLG Frankfurt a. M. DB 2006, 942, 945; zust. Keusch/Rotter, NZG 2003, 671, 673. Demgegenüber sah Behr, AG 1984, 281, 285 eine drohende Beschlussunfähigkeit noch als Argument gegen Stimmverbote an. 285 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 63; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 49; Marsch-Barner, in: v. Schenk, ArbAR, § 13 Rdnr. 113; v. Schenk, in: v. Schenk, ArbAR, § 5 Rdnr. 121. 286 BGH AG 2007, 484 erster Leitsatz und S. 485 Tz. 13; GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 63; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 108 Rdnr. 39; krit. dazu Hüffer, AktG, § 108 Rdnr. 11. 287 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 64. 288 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 63. So würde sich etwa, wenn es bei der Abstimmung um die Abberufung eines Gremiumsmitglieds geht (siehe BayObLGZ 2003, 89; krit. GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 104 Rdnr. 23), die Klage auf Abberufung erheblich verzögern. Eine Ersatzbestellung sollte daher für Entscheidungen von besonderer Wichtigkeit vorbehalten sein. Siehe GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 104 Rdnr. 24.
IX. Verfahrensfragen und Rechtsfolgen
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dungen, die nicht dem Verwalter allein überlassen werden sollen, die Gläubigerversammlung einberufen werden.289
3.) Auswirkungen auf den Beschluss bei Abstimmung trotz Stimmverbots a.) Aufsichtsrat Eine Stimmabgabe, die gegen ein Stimmverbot verstößt, ist unwirksam.290 Die Unwirksamkeit der einzelnen Stimmabgabe schlägt allerdings nicht automatisch auf das Ergebnis des Beschlusses durch. Dies ist nur dann der Fall, wenn ohne Berücksichtigung der unwirksamen Stimme der Beschluss nicht zustande gekommen wäre, 291 also die fehlerhafte Stimmabgabe für die Feststellung des Beschlussergebnisses kausal war.292 – Ebenso fehlerhaft und unwirksam ist ein Beschluss im umgekehrten Fall, wenn er nur aufgrund eines zu Unrecht erfolgten Stimmrechtsausschlusses gefasst worden ist.293 – Hatte die unwirksame Stimmabgabe keinen entscheidenden Einfluss auf das Beschlussergebnis, wird die Wirksamkeit des Beschlusses nicht berührt.294 Denn wenn lediglich einzelne Mitglieder von einem Interessenkonflikt betroffen sind und diese keinen entscheidenden Einfluss auf das Beschlussergebnis gehabt haben, entfällt die Richtigkeitsgewähr eines vielseitigen Aufsichtsratsbeschlusses nicht.295 Eine
289 Kübler/Prütting/Bork/Kübler, § 72 Rdnr. 9; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 72 Rdnr. 12; Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1376. Dies gilt jedoch nicht bei bloß mittelbarer Betroffenheit aller Mitglieder, wie z. B. wenn es um einen Insolvenzplan geht. 290 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 66 und 144; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 54; MünchKommAktG/Habersack, § 108 Rdnr. 33; Giesen, Organhandeln, S. 127; Lutter, FS Priester, 2007, S. 417, 424. 291 RGZ 106, 258, 263; OLG Hamburg, AG 1992, 197, 200; GroßkommAktG/Hopt/ Roth, § 108 Rdnr. 145; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 74; Ulmer/ Habersack/Henssler/Ulmer/Habersack, MitbestR, § 25 Rdnr. 41; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rdnr. 739; v. Schenk, in: v. Schenk, ArbAR, § 5 Rdnr. 127; Lutter, FS Priester, 2007, S. 417, 424. Gegen Nichtigkeit und für bloße Umkehrung des Beschlussergebnisses Giesen, Organhandeln, S. 128 f. Vgl. auch Ulmer/Habersack/Henssler/Ulmer/Habersack, MitbestR, § 25 Rdnr. 41 (prüfen, ob Umkehrung des Ergebnisses in Betracht kommt). 292 Siehe etwa RGZ 65, 241, 242 f. (auch im Sinne einer Beeinflussung anderer Abstimmungsberechtigter); 90, 206, 208; 106, 258, 263; 108, 322, 325 f.; BGHZ 14, 264, 267 f. (GmbH-Gesellschafter); 49, 209, 211 (Verein); GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 145; MünchKommAktG/Habersack, § 108 Rdnr. 33; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 74; Hüffer, AktG, § 108 Rdnr. 17; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rdnr. 739; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb börsennot. AG, § 27 Rdnr. 79; Giesen, Organhandeln, S. 128; Matthießen, Stimmrecht, S. 90 f. m.w.N. 293 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 66; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 108 Rdnr. 54. 294 BGHZ 12, 327, 332; 47, 341, 346; GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 145. 295 Vgl. Dreher, JZ 1990, 896, 902.
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§ 16 Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen
bloße Beeinflussung der anderen Abstimmenden durch die Teilnahme an der Sitzung reicht dafür nicht aus.296 b.) Gläubigerausschuss Auch im Fall des Gläubigerausschusses zählt eine Stimme nicht, wenn sie dem Abstimmungsverbot zuwider abgegeben worden ist.297 Zudem führt die bloße Stimmabgabe noch nicht zu einer Unwirksamkeit des Beschlusses.298 Nur wenn sich die unwirksame Stimme auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt hat, ist der Beschlusses unwirksam.299 Sofern der Insolvenzverwalter meint, dass der Ausschuss nicht beschluss fähig war, kann er (a) auf Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses klagen, (b) gegen den für unwirksam gehaltenen Beschluss handeln, oder (c) eine Gläubigerversammlung einberufen, die dann die Wirksamkeit des Beschlusses feststellen kann.300 Auch der Ausschuss selbst kann von sich aus die Unwirksamkeit des Beschlusses wegen eines Verstoßes gegen ein Stimmrecht feststellen.301
4.) Entfallen der business judgment rule Die Teilnahme eines mit einem Interessenkonflikt belasteten Gremiumsmitglieds an der Beratung und Abstimmung kann sich zudem haftungsrechtlich auswirken. Denn sie kann zur Unanwendbarkeit der sog. business judgment rule nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG führen, derzufolge unter bestimmten Umständen eine Pflichtverletzung ausgeschlossen ist.302 Diese Regelung setzt voraus, dass „zum Wohle der Gesellschaft“ gehandelt wurde, was regelmäßig nicht der Fall ist, wenn sich der Handelnde bei seiner Entscheidung in einem Interessenkonflikten befunden hat.303 Dies gilt nicht nur für den Betroffenen, BGHZ 47, 341, 346; GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdnr. 145. Siehe dagegen die Abwägungen in BGHZ 12, 327, 331ff. 297 Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 72 Rdnr. 14. 298 Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 72 Rdnr. 14; Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 128. 299 HK/Eickmann, InsO, § 72 Rdnr. 5; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 72 Rdnr. 14; ders., ZIP 2002, 1373, 1376; Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 128; Löhnig, Treuhand, S. 575. 300 Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1377. 301 Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1377. 302 Dies beinhaltet aber noch keine Vorentscheidung, ob die Voraussetzungen für eine Haftung vorliegen, die Betroffenen können immer noch nachweisen, dass sie nicht pflichtwidrig gehandelt haben, siehe Blasche, AG 2010, 692, 696. 303 RegE UMAG, BT-Drs. 15/5092, S. 11; Lutter, FS Canaris, 2007, S. 245, 246; auch Blasche, AG 2010, 692 („implizit in der Norm enthalten“). Für einen Vergleich mit dem US-amerikanischen Recht im Hinblick auf den Umgang mit Interessenkonflikten im Rahmen der business judgment rule Kern, ZVglRWiss 112 (2013), 70. 296
X. Zusammenfassung
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sondern auch für alle, die mit ihm gemeinsam gehandelt haben. Entscheidet das gesamte Gremium, „infiziert“ der Betroffene somit alle Mitglieder des Gremiums (Vorstand, Geschäftsführung, Aufsichtsrat304 ).305 Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Betroffene seinen Konflikt nicht offengelegt hat306 und der Konflikt auch nicht offenkundig ist307. In diesem Fall kann der Konflikt die Beratung beeinflussen, weil die anderen Gremiumsmitglieder mangels Kenntnis des Konflikts die Argumente des befangenen Mitglieds nicht ausreichend kritisch hinterfragen können.308 Das Wohl der Gesellschaft wird dann nicht ausreichend gewahrt. Ob dasselbe gilt, wenn das befangene Mitglied seinen Konflikt offengelegt hat und weiterhin an der Beratung teilnimmt, ist umstritten. Für ein Entfallen der business judgment rule auch in diesem Fall wird vorgebracht, dass sich auch bei einer Aufklärung niemand dem Einfluss seiner Kollegen entziehen könne, wenn der Betroffene sich nicht von der Beratung und Abstimmung fernhalte.309 Obwohl dies verhaltensökonomisch viel für sich hat, geht der Gesetzgeber augenscheinlich davon aus, dass die übrigen Gremiumsmitglieder nach einer Aufklärung in der Lage sind, unbeeinflusst zu entscheiden. Denn der Betroffene ist lediglich zur Offenlegung seines Konfliktes verpflichtet. Ein an den Konflikt anknüpfendes Teilnahmeverbot lässt sich – wie gezeigt – nur in besonderen Ausnahmefällen herleiten. Sofern kein solcher Ausnahmefall vorliegt, muss diese gesetzgeberische Wertung auch bei der business judgment rule berücksichtigt werden. Hat der Betroffene seinen Interessenkonflikt den anderen Gremiumsmitgliedern gegenüber offengelegt, führt seine Teilnahme an der Beratung und seine Anwesenheit bei der Abstimmung daher nicht zu einem Entfallen der business judgment rule für die übrigen Gremiumsmitglieder.310
X. Zusammenfassung Erfolgt die Interessenwahrung nicht durch eine Person, sondern durch ein Gremium, d. h. eine Mehrzahl von zusammenwirkenden Interessenwahrern, sind besondere Mechanismen zum Umgang mit Interessenkonflikten erforderlich. Dies gilt insbesondere für punktuelle Konflikte. Bei diesen wäre eine Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses nur selten angemessen und oft auch 304 Die Business Judgment Rule wird auch auf die Geschäftsführer der GmbH und die Aufsichtsratsmitglieder angewendet, so dass für diese entsprechendes gelten muss, siehe nur Lutter, FS Canaris, 2007, S. 245, 248 und 251. 305 Lutter, FS Canaris, 2007, S. 245, 248 (Vorstand), 252 (Aufsichtsrat). 306 Blasche, AG 2010, 692, 695; Lutter, FS Canaris, 2007, S. 245, 248 f. 307 Lutter, FS Canaris, 2007, S. 245, 253 (für den Aufsichtsrat). 308 Blasche, AG 2010, 692, 695; Lutter, FS Canaris, 2007, S. 245, 249. 309 Lutter, FS Canaris, 2007, S. 245, 249. 310 Blasche, AG 2010, 692, 698.
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§ 16 Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen
nicht im Interesse des Geschäftsherrn. Sachgerechter sind in diesen Fällen punktuelle Lösungen, wie Stimmverbote, die weniger intensiv in die Rechte des im Rahmen eines Gremiums handelnden Interessenwahrers eingreifen. Anders als andere Konfliktlösungsmechanismen knüpfen Stimmverbote nicht konkret sondern abstrakt an. Dies ist mit der besonderen Situation in Gremien zu erklären, bei denen Stimmverbote Rückwirkungen auf die Wirksamkeit der gefassten Beschlüsse und damit über das Fremdinteressenwahrungsverhältnis hinaus haben können. Müsste ein Interessenkonflikt immer konkret nachgewiesen werden, würde die Tätigkeit des Gremiums erheblich behindert und die Funktionsfähigkeit stark eingeschränkt werden. Stimmverbote sollen verhindern, dass der im Rahmen des Beschlusses gebildete Wille des Gremiums durch nicht sachbezogene Einflüsse, insbesondere Sonderinteressen von Mitgliedern, verfälscht wird. Eine Verfälschung der Willensbildung in einem Gremium ist insbesondere in den Situationen möglich, in denen eines oder mehrere seiner Mitglieder in einen Interessenkonflikt gerät bzw. geraten. Der Konflikt zeigt sich in diesem Fall nicht erst – wie beim einzelnen Interessenwahrer – beim interessewahrenden Handeln, sondern bereits bei der diesem vorangehenden Willensbildung. Daher ist er auch bereits an dieser Stelle zu lösen. Rechtliche Grundlage des Stimmverbots für Aufsichtsratsmitglieder ist eine Gesetzesanalogie zu § 28 Abs. 1 i.V.m. § 34 BGB. Zu der ebenfalls erwogenen Rechtsanalogie zu § 34 BGB, § 47 Abs. 4 GmbHG, § 43 Abs. 6 GenG, § 136 Abs. 1 AktG, §§ 36 Satz 1 und 53 Abs. 2 VAG besteht im Ergebnis kein ins Gewicht fallender Unterschied. Eine Gesetzesanalogie ist jedoch dogmatisch sauberer, weil es sich bei Aufsichtsratsmitgliedern um Interessenwahrer handelt, nicht um Mitglieder eines Interessengemeinschaftsverhältnisses. Im Fall des Gläubigerausschusses gelten Stimmverbote wegen der Stellung der Ausschussmitglieder als Interessenwahrer ebenfalls aufgrund einer Gesetzesanalogie zu § 28 Abs. 1 i.V.m. § 34 BGB. Ein allgemeines Stimmverbot bei Interessenkonflikten ist abzulehnen. Im Interesse der Rechtssicherheit ist ein Stimmverbot wegen eines Interessenkonfliktes nur anzunehmen, wenn der Konflikt in eine der abstrakten Kategorien „Insichgeschäft bzw. Rechtsgeschäft mit der Gesellschaft“ oder „Richten in eigener Sache bzw. Rechtsstreit mit der Gesellschaft“ eingeordnet werden kann. In personeller Hinsicht sind Stimmverbote auf solche Sachverhalte zu erstrecken, in denen nicht das Gremiumsmitglied selbst sondern ein ihm nahe stehender Dritter dem Gremium bzw. der Einheit, dessen Organ das Gremium ist, gegenüber tritt. Dies sind insbesondere Vertreter des betroffenen Gremiumsmitglieds, Gesellschaften, deren Vertreter das Mitglied ist oder die es beherrscht, generell die in § 115 AktG (Gesellschaftsrecht) bzw. § 138 InsO (Insolvenzrecht) genannten Personen sowie ein eventueller Entsender des betroffenen Gremiumsmitglieds.
X. Zusammenfassung
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Bei Organakten gelten grundsätzlich keine Stimmverbote – eine Ausnahme davon gilt für die Abstimmung über die Abberufung eines Gremiumsmitglieds aus wichtigem Grund. Dagegen unterliegt bei der Wahl von Vorstandsmitgliedern aus dem Kreis der Aufsichtsratsmitglieder das zur Wahl stehende Aufsichtsratsmitglied einem Stimmverbot. Dies gilt insbesondere schon für die Abstimmung über die Bestellung, weil diese bereits die Öffnung der Interessensphäre der Gesellschaft bedeutet und damit bereits in diesem Zeitpunkt mögliche Gefährdungen der Interessen der Gesellschaft verhindert werden müssen. Ein Recht zur Stimmenthaltung kann in Ausnahmefällen bestehen, wenn kein Stimmverbot greift, der konkrete Interessenkonflikt jedoch die Interessen des Geschäftsherrn bzw. der Gesellschaft gefährden würde, gleichzeitig aber der Geschäftsherr bzw. die Gesellschaft kein Interesse an einer Amtsniederlegung des Mitglieds hat. Voraussetzung für eine Stimmenthaltung ist, dass es sich um einen für den Betroffenen erheblichen Interessenkonflikt handelt und dieser nur im Einzelfall auftritt und es erkennbar ist, dass die übrigen Mitglieder zu einem Mehrheitsbeschluss gelangen. In jedem Fall hat ein Gremiumsmitglied, das sich in einem Interessenkonflikt befindet, seinen Interessenkonflikt gegenüber den anderen Mitgliedern vor einer Beschlussfassung offenzulegen. Ein Stimmverbot zieht kein automatisches Teilnahmeverbot nach sich. In Ausnahmefällen ist ein solches dann möglich, wenn die Teilnahme des betroffenen Mitglieds wichtige Belange des Geschäftsherrn bzw. der Gesellschaft konkret gefährden würde. Sofern eine unbefangene Diskussion im Rahmen des Gremiums in Ausnahmefällen nicht möglich sein sollte, muss das betroffene Mitglied zumindest ein Anhörungsrecht haben. Sofern das von einem Konflikt betroffene Mitglied seinen Konflikt den anderen Mitgliedern gegenüber nicht offengelegt hat, führt seine Teilnahme zur Unanwendbarkeit der business judgement rule – sowohl für das Mitglied selbst als auch für alle übrigen Mitglieder des Gremiums.
§ 17 Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses I. Einleitung Gerät der Interessenwahrer nach der Übernahme des Interessenwahrungsverhältnisses in einen dauerhaften Interessenkonflikt, kommt für die Konfliktlösung häufig nur die Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses in Betracht. In besonderen Fällen (etwa beim nachträglichen Auftreten eines Interessenwiderstreits beim Rechtsanwalt) muss der Konflikt sogar auf diese Weise beendet werden. Hinsichtlich der Intensität des Eingriffs in die Handlungsfreiheit des Interessenwahrers entpricht die Pflicht zur Beendigung eines Interessenwahrungsverhältnisses den präventiv wirkenden Inhabilitätsregeln oder dem berufsrechtlichen Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen. In diesen Fällen ist das gesamte Interessenwahrungsverhältnis betroffen und nicht lediglich ein Teil davon. Während aber die präventiv wirkenden Regelungen auf den abstrakten Konflikt abstellen, knüpft die Pflicht zur Beendigung eines Interessenwahrunsgverhältnisses regelmäßig an den konkreten Konflikt an. Da das Interessenwahrungsverhältnis in diesem Fall bereits begründet worden ist und die beteiligten Parteien damit zunächst einmal von seinem Bestehen ausgehen, muss es in rechtssicherer Weise beendet werden. Das bloße Auftreten eines (konkreten) Interessenkonflikts führt daher noch nicht zu einer Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses, vielmehr ist dafür noch ein besonderer Akt (Kündigung, Gerichtsentscheidung) erforderlich, der die Beendigung nach außen sichtbar werden lässt.
II. Beendigung durch den Geschäftsherrn 1.) Vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse a.) Widerruf oder Kündigung Vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse können im Fall eines Interessenkonflikts widerrufen oder (außerordentlich) gekündigt werden. Bei einer Reihe von Vertragstypen, die einem Interessenwahrungsverhältnis zugrunde liegen können, besteht die Möglichkeit, das Interessenwahrungsverhältnis jederzeit ohne Bindung an eine Frist und ohne besonderen Grund durch Widerruf oder
II. Beendigung durch den Geschäftsherrn
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Kündigung zu beenden. Im Fall eines auch nur drohenden Interessenkonflikts beim Interessenwahrer kann sich der Geschäftsherr auf diese Weise schnell von dem Rechtsverhältnis lösen. In diesem Fall hat der Widerruf bzw. die Kündigung präventiven Charakter. So sieht etwa § 671 Abs. 1 BGB für den Auftrag vor, dass dieser jederzeitig widerrufen werden kann. Im Fall des Geschäftsbesorgungsvertrags ergibt sich dies aus §§ 675 Abs. 1, 671 Abs. 1 BGB, sofern nicht (wie z. B. im Fall des Handelsvertreters, vgl. § 89 HGB) Kündigungsfristen vorgesehen sind. Für Interessenwahrungsverträge mit dienstvertraglichem Charakter (z. B. im Fall des Rechtsanwalts), bestimmt § 627 Abs. 1 BGB, dass diese wegen der besonderen Vertrauensstellung auch ohne die Einhaltung einer Frist gekündigt werden können. Bei anderen Vertragstypen kann eine umgehende Beendigung des Vertragsverhältnisses mittels außerordentlicher und fristloser Kündigung erfolgen. Voraussetzung dafür ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Dies gilt etwa für den Handelsvertreter, § 89a Abs. 1 Satz 1 HGB, aber auch ganz allgemein für Dauerschuldverhältnisse gemäß § 314 Abs. 1 BGB. Ein wichtiger Grund im Sinne von § 314 Abs. 1 BGB ist insbesondere ein erheblicher und dauerhafter Interessenkonflikt des Interessenwahrers.1 Zunächst ergibt sich einem Umkehrschluss aus § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB, demzufolge eine Abmahnung erforderlich ist, wenn der wichtige Grund in einer Pflichtverletzung besteht, dass auch andere Umstände als eine Pflichtverletzung, also auch Interessenkonflikte, einen wichtigen Grund darstellen können.2 Des Weiteren sind bei der Heranziehung der allgemeinen Regeln auch die Besonderheiten des jeweiligen Vertragstyps und damit auch die des zugrunde liegenden allgemeinen Grundvertragstyps, hier also des Fremdinteressenwahrungsvertrags, zu beachten. Bei Interessenwahrungsverträgen geht es aber ganz wesentlich um das Vertrauen des Geschäftsherrn in den Interessenwahrer. Da er ihn nicht vollständig überwachen kann, ist er ihm gerade auch im Hinblick auf Interessenkonflikte in besonderer Weise ausgeliefert. Zugleich öffnet er ihm aber seine Interessensphäre. Verliert der Geschäftsherr daher das Vertrauen in den Interessenwahrer, beeinträchtigt dies das Interessenwahrungsverhältnis unmittelbar und erheblich.3 Daher kann einem Geschäftsherrn die weitere Fortsetzung des Interessenwahrungsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden, wenn er damit rechnen muss, dass seine Interessen, mit deren Wahrnehmung er den Interessenwahrer betraut hat, von diesem beeinträchtigt werden. Andernfalls würde er in einer Situation festgehalten werden, in der er Pflichtverletzungen des Interessenwahrers absehen kann, gegen die er sich aber nicht wehren könnte. Mit dem Löhnig, Treuhand, S. 478 („erheblicher Interessenkonflikt“). Löhnig, Treuhand, S. 478. 3 Vgl. BGH NJW 2000, 202; BGH NJW-RR 2001, 677, 678; dazu MünchKommBGB/ Gaier, § 314 Rdnr. 12. 1 2
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§ 17 Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses
Gedanken, dem Geschäftsherrn zumindest den Selbstschutz zu ermöglichen, der u. a. in der Offenlegungspflicht zum Ausdruck kommt, ließe sich das nicht vereinbaren. Zudem würde der vom Geschäftsherrn mit der Beauftragung des Interessenwahrers verfolgte Zweck, die bestmögliche Wahrnehmung seiner Interessen zu erreichen, gefährdet. Keinen zur Kündigung berechtigenden wichtigen Grund stellen hingegen Interessenkonflikte dar, mit denen der Geschäftsherr beim Interessenwahrer rechnen musste bzw. die bei Eingehung des Vertragsverhältnisses offensichtlich waren oder die der Interessenwahrer vor Begründung des Rechtsverhältnisses offengelegt hat.4 So kann sich etwa ein Bankkunde nicht auf einen Interessenkonflikt der Bank berufen, der sich abstrakt daraus ergibt, dass diese auch anderen Kunden ihre Leistungen anbietet. b.) Teilbeendigung Rechtlich zulässig ist grundsätzlich auch eine Teilkündigung des Rechtsverhältnisses, sofern das Interessenwahrungsverhältnis teilbar ist.5 Eine solche Teilkündigung führt nur zu einer Teilbeendigung des Interessenwahrungsverhältnisses. Für zulässig erachtet wird eine Teilbeendigung von einigen in dem Fall, dass der wesentliche Grund nur einen abgegrenzten Teilbereich des Interessenwahrungsverhältnisses betrifft und daher die Schwelle zur Kündigung des gesamten Verhältnisses (noch) nicht erreicht ist.6 Für Interessenwahrungsverhältnisse ist eine Teilkündigung jedoch häufig ungeeignet. Wird das Vertrauensverhältnis in einem Teilbereich derart in Frage gestellt, dass sich der Geschäftsherr veranlasst sieht, das Interessenwahrungsverhältnis für diesen Teilbereich zu beenden, wird das Vertrauen des Geschäftsherrn in die Loyalität seines Interessenwahrers in der Regel insgesamt beeinträchtigt sein. Denn ein interessenkonfliktbehaftetes Verhalten – auch nur in einem Teilbereich – zeigt eine psychische Disposition des Interessenwahrers, die von mangelnder Loyalität gegenüber dem Geschäftsherrn zeugt. Da diese Loyalität jedoch im Zentrum der Tätigkeit des Interessenwahrers steht, hat ihr Fehlen in der Regel Konsequenzen für das gesamte Interessenwahrungsverhältnis. Daraus zu schlussfolgern, dass der Geschäftsherr aus diesem Grund keine Teilkündigung aussprechen darf, geht aber zu weit. Wenn er trotz eines Konflikts des Interessenwahrers in einem Teilbereich das Interessenwahrungsverhältnis in anderen Teilbereichen unbedingt fortsetzen möchte, besteht kein In diesem Fall kann sich der Geschäftsherr selbst schützen. Siehe dazu § 7 II. Dazu Löhnig, Treuhand, S. 479 mit Verweis auf die Rechtslage bei verschiedenen Austauschverhältnissen, wie etwa Gelddarlehen – § 489 Abs. 1 BGB –, Miete – § 573b Abs. 1 BGB oder auch die Kontokorrentabrede – § 355 Abs. 3 HGB – sowie den Teilrücktritt nach § 323 Abs. 5 BGB. 6 Löhnig, Treuhand, S. 479. 4 5
II. Beendigung durch den Geschäftsherrn
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Grund, ihn daran zu hindern. Anders sieht es jedoch aus Sicht des Interessenwahrers aus. Eine Teilkündigung würde zu einer Änderung des Vertragsinhaltes führen und damit dem Interessenwahrer einen anderen Vertrag aufzwingen.7 Dies spricht gegen die Zulässigkeit einer Teilkündigung.8 Daher soll, wer kündigt, nur darüber entscheiden können, ob er sein Gestaltungsrecht überhaupt ausübt, aber nicht, welche Reichweite dieses hat. Der Kündigende habe nicht das Recht zur einseitigen Vertragsänderung und für den anderen Teil müsse Rechtssicherheit gewährleistet sein. Eine solche Alles-oder-Nichts-Lösung ist allerdings dann nicht sachgerecht, wenn beide Parteien ein Interesse daran haben, das Interessenwahrungsverhältnis fortzusetzen. Dieser Gedanke kommt in § 313 BGB zum Ausdruck, wonach eine einseitige Änderung des Vertrages aus schwerwiegenden Gründen zwar grundsätzlich möglich ist, aber dieses auch dem anderen Teil zumutbar sein muss, vgl. § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB. Wenn dies nicht der Fall ist, kann das Rechtsverhältnis nur komplett beendet werden. Den Gedanken kann man für die Zulässigkeit einer Teilkündigung heranziehen, wenn man diese nicht als ein Minus zur Kündigung des gesamten Verhältnisses ansieht, sondern als ein aliud.9 Die Teilkündigung eines Interessenwahrungsverhältnisses ist dann grundsätzlich möglich, nur muss dem Interessenwahrer das Recht eingeräumt werden zu wählen, ob er die mittels der Teilkündigung erfolgte Vertragsänderung annimmt oder nicht.
2.) Das Ersetzungsverfahren im Fall des Abschlussprüfers Im Fall des Abschlussprüfers ist die Beendigung des Rechtsverhältnisses wegen eines die Unabhängigkeit gefährdenden Interessenkonflikts nur eingeschränkt möglich, denn die Gesellschaft kann den Abschlussprüfer nur im Rahmen eines gerichtlichen Ersetzungsverfahrens nach § 318 Abs. 3 HGB austauschen. Diese Beschränkung beruht auf dem öffentlichen Interesse an der Durchführung der Abschlussprüfung.10 Die Gesellschaft soll den Prüfer nicht ohne hinreichenden und gerichtlich überprüften Grund auswechseln können.11 Zum einen schützt dies den Prüfer vor Einflussnahmeversuchen – etwa mittels der Drohung, das Prüfungsverhältnis zu beenden, wenn der Prüfer nicht den Wünschen des Geprüften nachkommt. Zum anderen wird dadurch Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Wirksamkeit der Bestellung des Prüfers verhindert12 und BGH NJW 1993, 1320, 1322; Löhnig, Treuhand, S. 480. Daher ist sie grundsätzlich unwirksam, siehe BGH NJW 1993, 1320, 1322; aber Staudinger/Emmerich, BGB, § 543 Rdnr. 5 (in Ausnahmefällen möglich). 9 Für eine solche Einordnung Löhnig, Treuhand, S. 480. 10 Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 80. 11 RegE BiRiLiG, BT-Drs. 10/317, S. 95. 12 Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 106. 7 8
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sichergestellt, dass die prüfungspflichtige Gesellschaft nicht ohne Abschlussprüfer dasteht.13 Da im Rahmen von § 319 Abs. 2 HGB auch materielle, konkrete Interessenkonflikte als Grund für die Abberufung herangezogen werden können, kommt es zu einer höheren Unsicherheit auf materiellrechtlicher Seite, die durch das besondere prozedurale Verfahren ausgeglichen wird.14 Den Inter essen der Gesellschaft wird in § 243 Abs. 3 Nr. 3 AktG Rechnung getragen, wonach die Ausschlussgründe nach § 319 Abs. 2, Abs. 3, § 319a HGB nicht zur Anfechtung oder Nichtigerklärung des jeweiligen Beschlusses berechtigen, sie also nur im Rahmen des Ersetzungsverfahrens geltend gemacht werden können. Auch den Interessen des Abschlussprüfers und seiner Unabhängigkeit kommt das Ersetzungsverfahren entgegen, weil er nicht grundlos von der Gesellschaft entlassen werden kann.15 Wesentliche Voraussetzung für das Ersetzungsverfahren ist ein „in der Person des gewählten Prüfers liegender Grund“, insbesondere ein Ausschlussgrund nach §§ 319 Abs. 2, Abs. 3, 319a HGB.16 Zur Konkretisierung kann die Abschlussprüferrichtlinie,17 bei Unklarheiten aber auch die Empfehlung der Kommission zur Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU,18 und das Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer herangezogen werden.19 Das Ersetzungsverfahren findet unabhängig davon statt, ob der jeweilige Ausschlussgrund (insbesondere nach §§ 319 Abs. 2, Abs. 3, 319a HGB) bereits im Zeitpunkt der Wahl des Prüfers durch die Hauptversammlung bestand oder erst danach eingetreten ist, vgl. § 318 Abs. 3 HGB.20 Antragsberechtigt sind nach § 318 Abs. 3 Satz 1 HGB die gesetzlichen Vertreter, der Aufsichtsrat sowie die Gesellschafter.21 Liegen konkrete Anhaltspunkte für eine Besorgnis der Befangenheit des Prüfers vor, MünchKommHGB/Ebke, § 318 Rdnr. 51; Frings, WPg 2006, 821, 829. Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 106. 15 Vgl. auch Frings, WPg 2006, 821, 829. 16 Zu Einzelheiten zu den §§ 319, 319a HGB siehe § 13 I 1. Die Nennung der § 319 Abs. 2–5, § 319a, § 319b HGB in § 318 Abs. 3 HGB ist nicht abschließend gemeint. Siehe etwa MünchKommHGB/Ebke, § 318 Rdnr. 54, zu weiteren Gründen z. B. a.a.O. Rdnr. 56. 17 Richtlinie 2006/43/EG, ABlEU Nr. L 157 v. 9.6.2006, S. 87. 18 Empfehlung der Kommission, ABlEG Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22. 19 MünchKommHGB/Ebke, § 318 Rdnr. 57. 20 Die gerichtliche Entscheidung wirkt dann ex nunc, siehe RegE BilReG, BT-Drs. 15/3419, S. 36; Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 106. Im Anschluss an die gerichtliche Entscheidung bedarf es noch der Abberufungserklärung nach § 318 Abs. 1 Satz 5 HGB und der Kündigung des schuldrechtlichen Prüfungsvertrages, wobei im Allgemeinen in der Abberufungserklärung zugleich die Kündigung des schuldrechtlichen Geschäftsbesorgungsverhältnisses zu sehen sein wird, siehe Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 34, 68. Diese können allerdings nur erfolgen, wenn nach § 318 Abs. 3 HGB ein anderer Prüfer bestellt worden ist, ansonsten ist ein Widerruf durch die Gesellschaft ausgeschlossen. Zuständig für die Abberufung und Kündigung ist das für die Erteilung des Prüfungsauftrages zuständige Organ. Siehe Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 68. 21 Im Fall der Organe steht das Antragsrecht dem Organ als solchem zu, nicht den einzelnen Organmitgliedern. Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 50, 51. 13
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kann sich das Antragsrecht der gesetzlichen Vertreter bzw. des Aufsichtsrats auch zu einer Antragspflicht verdichten.22
3.) Organschaftliche bzw. gremienbezogene Interessenwahrungsverhältnisse a.) Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern Aufsichtsratsmitglieder, die ohne Bindung an einen Wahlvorschlag gewählt wurden, können von der Hauptversammlung jederzeit abberufen werden, § 103 Abs. 1 AktG. Eines besonderen Grundes bedarf es dafür nicht. Dafür ist jedoch Voraussetzung, dass der entsprechende Beschluss mit mindestens drei Viertel der abgegeben Stimmen gefasst worden ist. Statt eines materiellen Kriteriums, wie etwa eines „wichtigen Grundes“, muss in diesem Fall also eine prozedurale Voraussetzung erfüllt sein. Der Aufsichtsrat hat dagegen nicht die Möglichkeit, sich mittels eines Beschlusses unmittelbar von einem Mitglied zu trennen. Er muss vielmehr beim Gericht einen entsprechenden Antrag stellen. Dieses hat dann das betreffende Aufsichtsratsmitglied abzuberufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.23 Einen solchen wichtigen Grund stellt insbesondere ein erheblicher und dauerhafter Interessenkonflikt dar.24 Dies bringt auch Ziff. 5.5.3 Satz 2 DCGK zum Ausdruck, wonach wesentliche und nicht nur vorübergehende Interessenkonflikte in der Person eines Aufsichtsratsmitglieds zur Beendigung des Mandats führen sollen. Eine darüber hinausgehende grobe Pflichtverletzung durch das Aufsichtsratsmitglied ist nicht erforderlich.25 Andernfalls wäre die Gesellschaft gezwungen, an einem Interessenwahrungsverhältnis festzuhalten, bei dem die 22 Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 50; MünchKommHGB/Ebke, § 318 Rdnr. 64; Gelhausen/Heinz, WPg 2005, 693, 698 (dort auch zu möglichen Sanktionen für eine Unterlassung der Antragsstellung); Frings, WPg 2006, 821, 829. Gesellschafter von Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien sind dagegen nur dann antragsberechtigt, wenn ihre Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder einen Börsenwert von 500.000 Euro erreichen. Sie müssen zudem gegen die Wahl des Abschlussprüfers bei der Beschlussfassung Widerspruch erklärt haben, sofern der Abberufungsgrund bereits bei der Wahl bekannt war, vgl. § 318 Abs. 3 Satz 2 2. Hs. HGB. Nicht antragsberechtigt ist hingegen dem Wortlaut von § 318 Abs. 3 Satz 1 HGB zufolge der Prüfer selbst. Dazu MünchKommHGB/Ebke, § 318 Rdnr. 65; Gelhausen/Heinz,, WPg 2005, 693, 698. Er hat jedoch die Möglichkeit, aus wichtigem Grund zu kündigen, § 318 Abs. 6 HGB. 23 Für gerichtliche Abberufungsverfahren nach § 103 Abs. 3 AktG siehe etwa OLG Hamburg WM 1990, 311; LG Frankfurt a. M. AG 1987, 160. Zu anderen Lösungen (§ 101 Abs. 3 oder § 104 Abs. 1 AktG) bei dauerhafter Verhinderung eines Aufsichtsratsmitglieds Krauel/ Fackler, AG 2009, 686. 24 BGHZ 180, 9, 22 f.; OLG Hamburg WM 1990, 311, 314 ff.; Hüffer, AktG, § 103 Rdnr. 11; Lutter, FS Beusch, 1993, 509, 522; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 6; dem folgend Löhnig, Treuhand, S. 471; differenzierend Decher, ZIP 1990, 277, 282 (nur bei einer „Konfliktfalle“, d. h. wohl im Fall einer Pflichtenkollision). 25 So aber KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, § 103 Rdnr. 32.
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Gefahr einer künftigen Pflichtverletzung besteht, und das daher die Tätigkeit des Aufsichtsrats behindert. Denn ein Aufsichtsratsmitglied, das einem erheblichen, dauerhaften Interessenkonflikt ausgesetzt ist, kann sein Amt nicht mehr sinnvoll ausüben, weil es sich immer wieder der Stimme enthalten müsste.26 In einem paritätisch besetzten Aufsichtsrat käme hinzu, dass dadurch das Verhältnis zwischen Aktionärs- und Arbeitnehmervertretern aus der Balance geriete.27 Eine Abberufung wegen eines Interessenkonflikts kommt insbesondere in solchen Fällen in Betracht, in denen ein konkreter Interessenkonflikt eingetreten ist und die nicht schon von den Inhabilitätsvorschriften erfasst werden. Beispiel dafür ist die Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen, wenn das betreffende Aufsichtsratsmitglied Zugang zu sensiblen Informationen erhält.28 Dies würde dazu führen, dass die Beratungspflicht gegenüber der einen Gesellschaft und die Geheimhaltungspflicht gegenüber der anderen in Konflikt miteinander geraten.29 b.) Entlassung eines Mitglieds des Gläubigerausschusses Mitglieder des Gläubigerausschusses sind gemäß § 70 Satz 1 InsO vom Insolvenzgericht zu entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Zwar wird auch in diesem Zusammenhang vertreten, dass nur schwerwiegende Pflichtverletzungen eine Entlassung rechtfertigen können.30 Aufgrund der funktionalen Vergleichbarkeit mit dem Aufsichtsrat ist es aber auch beim Gläubigerausschuss angezeigt, einen erheblichen, dauerhaften Interessenkonflikt, der die Mitarbeit des Gläubigerausschussmitglieds beeinträchtigt, als wichtigen Grund im Sinne von § 70 Satz 1 InsO einzustufen.31 Denn ein erheblicher, dauerhafter Interessenkonflikt führt dazu, dass das Mitglied auf Dauer unfähig ist, sein Amt im Gläubigerausschuss auszuüben.32 Punktuelle oder nicht erhebliche Interessenkonflikte rechtfertigen dagegen eine Entlassung nicht, weil diese mit punktuellen Maßnahmen, wie etwa einem Stimmverbot, gelöst werden können.33 An Scholderer, NZG 2012, 168, 176. Roth, ZHR 175 (2011), 605, 639. 28 Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 6; dem folgend Löhnig, Treuhand, S. 471. 29 Demgegenüber reichen freundschaftliche oder verwandtschaftliche Beziehungen zu Organmitgliedern einer konkurrierenden Gesellschaft für eine Abberufung in der Regel nicht aus. Denn dieser Umstand allein genügt nicht, um anzunehmen, dass ein Aufsichtsratsmitglied seine Geheimhaltungspflicht verletzen wird. Dazu Löhnig, Treuhand, S. 471 f. Vgl. dazu RGZ 165, 68, 82 f. (Entsendung eines Vorstandsmitglieds einer Gesellschaft in den Aufsichtsrat einer anderen Gesellschaft, an der die erstere eine Beteiligung hält, begründet nicht automatisch die Gefahr einer Pflichtverletzung durch dieses Mitglied). 30 Braun/Hirte, InsO, § 70 Rdnr. 6 (oder auch eine länger andauernde Unfähigkeit zur Amtsausübung); Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 70 Rdnr. 7. 31 Löhnig, Treuhand, S. 473; vgl. auch MünchKommInsO/Schmid-Burgk, § 70 Rdnr. 6 (wenn die Erfüllung der Aufgaben nachhaltig erschwert oder gar unmöglich wird). 32 Vgl. dazu Braun/Hirte, InsO, § 70 Rdnr. 6. 33 Siehe dazu § 16 III.5.). 26 27
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ders als beim konfliktbeladenen Aufsichtsratsmitglied kann nicht das betroffene Gremium, hier also der Gläubigerausschuss, den Antrag stellen, sondern nur das betroffene Gläubigerausschussmitglied selbst oder die Gläubigerversammlung, vgl. § 70 Satz 2 InsO.
4.) Gesetzliche Interessenwahrungsverhältnisse Anders als bei rechtsgeschäftlich begründeten Interessenwahrungsverhältnissen wird der Interessenwahrer bei nicht rechtsgeschäftlich begründeten Interessenwahrungsverhältnissen nicht vom „Geschäftsherrn“ sondern regelmäßig von einem Gericht bestellt. Dieses ist in der Regel auch für die Entlassung des Interessenwahrers zuständig. Der „Geschäftsherr“ hat nur die Möglichkeit, das Gericht um die Entlassung des Interessenwahrers zu ersuchen (mittels Antrag). a.) Insolvenzverwalter So kann der Insolvenzverwalter vom Insolvenzgericht aus wichtigem Grund entlassen werden, vgl. § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO. Dies kann von Amts wegen oder auf Antrag des Verwalters selbst, des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung geschehen, vgl. § 59 Abs. 1 Satz 2 InsO. Der Schuldner kann dagegen die Bestellung eines Insolvenzverwalters nicht isoliert angreifen. Er hat nur die Möglichkeit, gegen den Eröffnungsbeschluss insgesamt Beschwerde einzulegen, vgl. § 34 Abs. 2 InsO. Auch die einzelnen Gläubiger können gegen die Bestellung des Verwalters kein Rechtsmittel einlegen. Sie haben nur die Möglichkeit, die Gläubigerversammlung bei ihrer ersten Zusammenkunft dazu zu bewegen, einen neuen Insolvenzverwalter zu wählen, § 57 Satz 1 InsO, der den zunächst eingesetzten Insolvenzverwalter ablöst.34 Ein wichtiger Grund, der die Entlassung des Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht rechtfertigt, ist im Allgemeinen gegeben, wenn eine weitere Amtsführung durch ihn die Interessen der Gesamtgläubigerschaft und die Rechtmäßigkeit der Verfahrensabwicklung objektiv nachhaltig beeinträchtigen würde.35 Dies ist vor allem, aber nicht nur, bei schweren Pflichtverstößen der Fall.36 Auch wenn der Insolvenzverwalter gar nicht hätte bestellt werden dürfen oder die Bestellungsvoraussetzungen – dazu gehört insbesondere die Unabhängigkeit des Verwalters nach § 56 Abs. 1 InsO – nicht mehr vorliegen, ist ein 34 Die Wahl selbst stellt allerdings noch nicht den nach § 59 Abs. 1 Satz 2 InsO notwendigen Antrag dar. Dafür besdarf es noch einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung nach § 72 InsO bzw. 76 Abs. 2 InsO. Zur Wahl durch die Gläubigerversammlung etwa Graeber, ZIP 2000, 2000, 1465; Kessler, KTS 2000, 491; Muscheler/Bloch, ZIP 2000, 1474. 35 BGH ZIP 2006, 247, 248; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 59 Rdnr. 8. 36 Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 59 Rdnr. 1, 8.
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wichtiger Grund gegeben.37 Eine Entlassung ist in diesem Fall gerechtfertigt, auch ohne dass der Insolvenzverwalter zum Nachteil der Gläubiger gehandelt hat.38 Denn wer schon nicht hätte bestellt werden dürfen, muss jederzeit entlassen werden können.39 Da die Unabhängigkeit vor allem durch Interessenkonflikte beeinträchtigt wird, rechtfertigt ein (nicht angezeigter) Interessenkonflikt die Entlassung.40 Ein Beispiel für einen manifestierten Interessenkonflikt ist der private Erwerb von Grundstücken aus der Masse durch den Verwalter mit Hilfe von Krediten, die vom Verwalter mit Grundpfandrechten an massezugehörigen Grundstücken besichert werden.41 Ein weiteres Beispiel ist das Verschweigen einer Beteiligung an der vom Verwalter selbst beauftragten Verwertungsgesellschaft, die zum Nachteil der Gläubiger Vermögenswerte unter Wert veräußert.42 § 59 InsO gilt auch für die Entlassung des vorläufigen Insolvenzverwalters, vgl. § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO.43 Da die Gläubiger im Eröffnungsverfahren noch keine Mitwirkungsrechte haben, ist das Insolvenzgericht in diesem Stadium Wahrer der Gläubigerinteressen44 und kommt der Entlassung in diesem Stadium besondere Bedeutung zu.45 b.) Vormund Für den Vormund schreibt § 1886 Fall 1 BGB vor, dass dieser vom Vormundschaftsgericht zu entlassen ist, „wenn die Fortführung des Amtes, insbesondere wegen pflichtwidrigen Verhaltens des Vormunds, das Interesse des Mündels gefährden würde“. Dies ist dann anzunehmen, wenn mit einer „gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten“ ist, dass die Interessen des Mündels geschädigt wer-
Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 59 Rdnr. 8. Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 59 Rdnr. 8 ; a.A. Pape, DtZ 1995, 40 (zur GesO). 39 MünchKommInsO/Graeber, § 59 Rdnr. 18, 20; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 59 Rdnr. 8 ; siehe aber Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 59 Rdnr. 4b (Gründe müssen „neu“ sein, d. h. sich erst im Verfahren herausgestellt haben). 40 OLG Zweibrücken NZI 2000, 373; OLG Celle NZI 2001, 551, 553; MünchKomm InsO/Graeber, § 59 Rdnr. 34; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 59 Rdnr. 12. 41 LG Halle ZIP 1994, 572, 577; Leonhardt/Smid/Zeuner/Rechel, InsO, § 56 Rdnr. 4; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 59 Rdnr. 12. 42 MünchKommInsO/Graeber, § 59 Rdnr. 34; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 59 Rdnr. 12; vgl. auch Carl, DZWIR 1994, 78, 81 f. Die bloße Einschaltung einer Gesellschaft, an der der Insolvenzverwalter beteiligt ist, ist aber noch nicht per se insolvenzzweck- und damit plichtwidrig. Siehe Jacoby, ZIP 2005, 1060, 1062. 43 Dazu MünchKommInsO/Graeber, § 59 Rdnr. 8 ; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 59 Rdnr. 3. Auch bei diesem muss ein wichtiger Grund vorliegen, wie etwa schwere Pflichtverletzungen. Gleiches gilt für den Sonderinsolvenzverwalter, der nach § 59 InsO ebenfalls aus wichtigem Grund abberufen werden kann. Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 59 Rdnr. 6. 44 Frind, ZInsO 2006, 182, 184. 45 Vgl. Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 59 Rdnr. 3. 37
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den.46 Genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Interessenschädigung als Entlassungsgrund, reicht das Vorliegen eines Interessenkonflikts aus. Dieser muss allerdings dauerhaft oder tiefgreifend sein.47 Dies ergibt sich aus §§ 1837 Abs. 4, 1666a Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach sind Maßnahmen, die zu einer Trennung des Mündels von seinem Vormund führen, nur zulässig, wenn nicht auf andere Weise Abhilfe geschaffen werden kann. Bei punktuellen und geringfügigen Interessenkonflikten ist eine andere Abhilfe grundsätzlich möglich, z. B. durch Einschaltung eines Gegenvormunds oder eines Ergänzungspflegers, vgl. § 1909 Abs. 1 BGB,48 oder die Beschränkung der Aufgaben des Vormunds durch Entziehung der Vertretung für einzelne Angelegenheiten nach § 1796 Abs. 1 BGB.49 Darüber hinaus lässt sich auch aus § 1796 Abs. 2 BGB ableiten, dass nur ganz erhebliche (tiefgreifende) und dauerhafte Interessenkonflikte für eine Entlassung in Frage kommen. Denn nach § 1796 Abs. 2 BGB gelten schon für die Entziehung der Vertretung für (bloß) einzelne Angelegenheiten qualifizierte Anforderungen: Sie kommt nur bei einem „erheblichen Gegensatz“ der Interessen von Mündel und Vormund (oder einem von letzterem vertretenen Dritten) in Betracht. Wenn aber schon für die Beschränkung der Aufgaben, die im Vergleich zur Entlassung einen geringeren Eingriff darstellt, der Interessenkonflikt „erheblich“ sein muss, müssen die Anforderungen an einen Interessenkonflikt, der sogar eine Entlassung rechtfertigt, noch höher sein. Zudem ist hierbei die besondere Bedeutung der persönlichen Beziehung zwischen Vormund und Mündel besonders zu berücksichtigen. Denn die persönliche Nähe zwischen Vormund und Mündel kann dazu führen, dass eine Entlassung des Vormunds dem Mündel letztlich mehr schadet als dessen weitere Tätigkeit.50 c.) Betreuer Auch der Betreuer kann vom Vormundschaftsgericht entlassen werden, wenn er nicht (mehr) geeignet ist oder ein anderer wichtiger Grund vorliegt, § 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB.51 Soweit daher ein (drohender) Interessenkonflikt die Geeig BayObLG FamRZ 1988, 874; Staudinger/Engler, BGB, § 1886 Rdnr. 10. BayObLG MDR 1959, 48 (bei einer Angelegenheit von ganz wesentlicher Bedeutung); Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 73 Rdnr. 9 (S. 959) (dauerhafter Widerstreit der Interessen, nicht nur ein einzelner Interessengegensatz); Rauscher, Familienrecht, Rdnr. 1244; Löhnig, Treuhand, S. 458. 48 Dazu Soergel/Zimmermann, BGB, § 1909 Rdnr. 4. 49 Nach § 1796 Abs. 1 BGB kann das Vormundschaftsgericht dem Vormund für einzelne oder einen Kreis von Angelegenheiten die Vertretung des Mündels entziehen. Die Möglichkeit einer Teilbeendigung des Vormundschaftsverhältnisses sieht das Gesetz darüber hinaus in §§ 1837 Abs. 4, 1666 Abs. 3 Nr. 3 BGB vor. 50 BayObLG FamRZ 1988, 874, 875 (bzgl. Pfleger); Rauscher, Familienrecht, Rdnr. 1244; Löhnig, Treuhand, S. 458. 51 Dazu BayObLG FamRZ 1997, 1358, 1359; vgl. auch Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 73 Rdnr. 8. 46 47
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netheit des Betreuers ausschließt 52 und er dennoch bestellt wurde oder bei Auftreten des Interessenkonflikts bereits bestellt war, kann er – wie der Vormund – entlassen werden.53 Eine konkrete Schädigung des Betreuten ist nicht erforderlich.54 Zudem besteht wie auch beim Vormund die Möglichkeit einer Teilentlassung des Betreuers.55 Dies ergibt sich aus § 1899 Abs. 1 BGB, wonach es erlaubt ist, mehrere Betreuer zu bestellen und jedem von ihnen einen bestimmten Aufgabenkreis zuzuordnen. Dementsprechend muss es auch möglich sein, dem Betreuer für einen Teilbereich die ihm übertragenen Befugnisse zu entziehen und für diesen Bereich einen anderen Betreuer zu bestellen.56 Bedeutung erlangt diese Möglichkeit in dem Fall, dass der Betreute zu dem Betreuer eine persönliche Beziehung aufgebaut hat, die durch eine nicht unbedingt notwendige vollständige Trennung unnötig zerstört werden würde.57 d.) Pfleger Für den Pfleger gelten aufgrund des Verweises in § 1915 Abs. 1 BGB die vormundschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechend. Der Pfleger kann daher nach §§ 1915 Abs. 1, 1866 BGB entlassen werden, wenn ein dauerhafter und tiefgreifender Interessenkonflikt besteht,58 d. h. wenn er von Anfang an nicht hätte bestellt werden dürfen, §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1779 Abs. 2 BGB, oder später ein Umstand eintritt, der den Pfleger ungeeignet werden lässt.59 e.) Testamentsvollstrecker Nach § 2227 1. Hs. BGB kann das Nachlassgericht den Testamentsvollstrecker auf Antrag eines der Beteiligten entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Nach § 2227 2. Hs. BGB stellt insbesondere eine grobe Pflichtverletzung einen wichtigen Grund dar. Diese Konkretisierung des wichtigen Grundes deutet darauf hin, dass sich ein Interessenkonflikt bereits manifestiert haben muss, um eine Entlassung zu rechtfertigen. Andererseits wird ein Verschulden nicht vorausgesetzt. Es genügt vielmehr, wenn der Testamentsvollstrecker durch sein Verhalten die Annahme veranlasst, dass eine weitere Testamentsvollstreckung Der Eignungsmangel müsse so gravierend sein, dass erhebliche Zweifel bestehen, ob der Betreuer künftig noch für das Wohl des Betreuten wirken werde. BayObLG FamRZ 2001, 935, 936; 2001, 1402; MünchKommBGB/Schwab, § 1908b Rdnr. 8. 53 Dazu BayObLG FamRZ 1995, 1232, 1234; 1996, 509, 510; 1996, 1105, 1106; 1997, 1358, 1359; 2001, 935, 936; MünchKommBGB/Schwab, § 1908b Rdnr. 8. 54 RegE BtG, BT-Drs. 11/4528, S. 153; MünchKommBGB/Schwab, § 1908b Rdnr. 8. 55 RegE BtG, BT-Drs. 11/4528, S. 153; BayObLG, FamRZ 1995, 1232, 1234; 1998, 512, 513; Staudinger/Bienwald, BGB, § 1908b Rdnr. 4. 56 Löhnig, Treuhand, S. 475 f. 57 Löhnig, Treuhand, S. 476. 58 Staudinger/Bienwald, BGB § 1908b Rdnr. 23. 59 BayObLG FamRZ 1989, 1342. 52
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durch ihn die Ausführung des Erblasserwillens beeinträchtigen oder die berechtigten Interessen der Beteiligten gefährden wird.60 Insofern kann auch ein (weiter) bestehender Interessenkonflikt ausreichen, wenn er zu dieser Annahme führt. Grundsätzlich denkbar ist, dass der Testamentsvollstrecker nur zum Teil von seinen Aufgaben entlassen wird. Dies wird verbreitet abgelehnt. 61 Für eine Teil entlassung soll aber sprechen, dass dem Willen des Erblassers mit einer Teilentlassung häufig besser Rechnung getragen werden kann als mit einer vollständigen Entlassung.62 Dies gilt insbesondere, wenn sich der wichtige Grund lediglich auf einen Teilbereich bezieht. Denn im Fall einer Teilentlassung würde der Wille des Erblassers hinsichtlich der Testamentsvollstreckung nur hinsichtlich dieses Teilbereichs beschränkt werden. In den Bereichen, die von dem wichtigen Grund im Sinne von § 2227 BGB nicht betroffen sind, könnte dagegen der Wille des Erblassers weiterhin Beachtung finden.63 Im Fall eines schweren Interessenkonflikts ist beim Testamentsvollstrecker eine Teilentlassung allerdings ungeeignet. Denn anders als unter Lebenden kann der „Geschäftsherr“, d. h. der Erblasser, nicht darüber befinden, ob er seine Interessen trotz der in einem Teilbereich gezeigten Disposition zur Illoyalität durch den Testamentsvollstrecker noch ausreichend gewahrt sieht. Ist aber eine Einschätzung des „Geschäftsherrn“ nicht möglich, muss zum Schutz seiner Interessen regelmäßig davon ausgegangen werden, dass er sich gegen eine weitere Interessenwahrung durch den betroffenen Interessenwahrer entschieden hätte.
III. Beendigung durch den Interessenwahrer Korrespondierend zu den Möglichkeiten des Geschäftsherrn bzw. des zuständigen Gerichts, im Fall eines (erheblichen, dauerhaften) Interessenkonflikts das Interessenwahrungsverhältnis zu beenden, kann auch der Interessenwahrer das Interessenwahrungsverhältnis beenden bzw. auf dessen Beendigung hinwirken. In bestimmten Fällen ist er dazu sogar ausdrücklich gesetzlich verpflichtet.
RGRK/Kregel, BGB, § 2227 Rdnr. 5. MünchKommBGB/Zimmermann, § 2227 Rdnr. 13; Soergel/Damrau, BGB, § 2227 Rdnr. 20; Staudinger/Reimann, BGB, § 2227 Rdnr. 29a; RGRK/Kregel, BGB, § 2227 Rdnr. 3. 62 Dazu und zum Folgenden Löhnig, Treuhand, S. 476. 63 Löhnig, Treuhand, S. 476. 60 61
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§ 17 Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses
1.) Beendigungsrecht des Interessenwahrers Mit Hilfe der Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses kann der Interessenwahrer einen entstandenen Interessenkonflikt lösen und so vermeiden, dass er in eine Situation gerät, in der er seine Pflichten verletzen könnte. a.) Kündigung bei vertraglichen Interessenwahrungsverhältnissen Ein vertragliches Interessenwahrungsverhältnis kann der Interessenwahrer mittels Kündigung beenden. Gegenüber der Beendigungsmöglichkeit des Geschäftsherrn bestehen allerdings gewisse Einschränkungen, die zeigen, dass der Interessenwahrer selbst bei Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses die Interessen des Geschäftsherrn im Blick haben muss. So darf der Interessenwahrer bei einem Auftrag zwar wie der Geschäftsherr jederzeit kündigen. Aber er darf dies nur so tun, dass der Geschäftsherr für die Besorgung seiner Geschäfte anderweitig Fürsorge treffen kann, § 671 Abs. 2 Satz 1 BGB.64 Nur wenn ein wichtiger Grund vorliegt, gilt eine Ausnahme. Gleiches gilt bei den Geschäftsbesorgungsverträgen, sofern nicht (wie im Fall des Handelsvertreters, § 89 HGB) besondere Kündigungsfristen gelten, § 675 Abs. 1 BGB. Im Fall eines Interessenwahrungsvertrages mit dienstvertraglichem Charakter, wie etwa beim Rechtsanwalt, besteht wegen der besonderen Vertrauensstellung ebenfalls die Möglichkeit zur jederzeitigen Kündigung, § 627 Abs. 1 BGB. Allerdings darf der Interessenwahrer auch hier nicht zur Unzeit kündigen, es sei denn, es besteht dafür ein wichtiger Grund, § 627 Abs. 2 Satz 1 BGB.65 Hat der Interessenwahrer Kündigungsfristen zu beachten, erlaubt bei Dauerschuldverhältnissen jedenfalls § 314 BGB eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund. b.) Amtsniederlegung bei organschaftlichen Interessenwahrungsverhältnissen Auch für organschaftliche Interessenwahrer, wie Geschäftsführer, 66 Vorstandsmitglieder67 oder Aufsichtsratsmitglieder, 68 ist anerkannt, dass sie ihr Mandat ohne wichtigen Grund niederlegen können, sofern sie dies nicht zur Andernfalls ist er zum Schadensersatz verpflichtet, § 671 Abs. 2 Satz 2 BGB. Ansonsten macht er sich auch in diesem Fall schadensersatzpflichtig, § 627 Abs. 2 Satz 2 BGB. 66 BGHZ 78, 82, 89 ff.; 121, 257, 261 f.; BGH NJW 1995, 2850. Zur Amtsniederlegung des GmbH- Geschäftsführers etwa Lohr, DStR 2002, 2173. 67 MünchKommAktG/Spindler, § 84 Rdnr. 146; Hüffer, AktG, § 84 Rdnr. 36. 68 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 103 Rdnr. 83; Hüffer, AktG, § 103 Rdnr. 17; MünchKommAktG/Habersack, § 103 Rdnr. 59 f.; Hoffmann-Becking, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 30 Rdnr. 51; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rdnr. 3.204; Hopt, ZGR 2002, 333, 372; Singhof, AG 1998, 318, 321 ff. 64 65
III. Beendigung durch den Interessenwahrer
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Unzeit bzw. rechtsmissbräuchlich tun. 69 Sie sind somit zur Niederlegung des Mandats berechtigt, wenn sie in einen Interessenkonflikt geraten und sich aus diesem Grund nicht mehr in der Lage sehen, dem Unternehmensinteresse Vorrang zu geben.70 c.) Beendigung bei gesetzlichen Interessenwahrungsverhältnissen Gesetzliche Interessenwahrer haben die Möglichkeit, das Interessenwahrungsverhältnis bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zu beenden. Hierfür müssen sie jedoch ein besonderes Verfahren beachten. So muss etwa der Insolvenzverwalter, wenn er sein Amt niederlegen möchte, beim Insolvenzgericht beantragen, entlassen zu werden, § 59 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 InsO. Er kann sein Amt nicht eigenständig niederlegen.71 Außerdem muss ein wichtiger Grund für die Entlassung vorliegen. Auch der Vormund muss seine Entlassung beim Vormundschaftsgericht beantragen, § 1889 Abs. 1 BGB. Denn eine eigenständige Niederlegung des Amtes würde dazu führen, dass das Mündel keinen gesetzlichen Vertreter mehr hätte. § 1889 Abs. 1 BGB knüpft die Entlassung auf eigenen Antrag an das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Eine ordentliche Beendigung ohne besonderen Grund ist hingegen wegen der persönlichen Beziehung zwischen Vormund und Mündel ausgeschlossen.72 Ähnlich bestimmt § 1908b Abs. 2 BGB, dass der Betreuer seine Entlassung verlangen kann, wenn ihm die Betreuung nicht mehr zugemutet werden kann; 73 auch beim Betreuer muss die Entlassung durch das Gericht erfolgen. Der Maßstab der „Unzumutbarkeit“ ist hierbei mit dem des „wichtigen Grundes“ vergleichbar, nicht aber mit der für die Amtsübernahme geltenden Zumutbarkeit im Sinne von § 1898 Abs. 1 BGB.74 Denn nach der Übernahme der Betreuung hat der Betreute – anders als vor der Übernahme der Betreuung – ein besonderes Interesse an der Fortsetzung der Betreuung.75 Dieses Interesse führt dazu, dass der Betreuer nach seiner Bestellung mehr Zumutungen in Kauf nehmen muss als vor bzw. bei seiner Bestellung.
69 Bei einer Niederlegung zur Unzeit ist die Niederlegung wirksam, der Betroffene ist dann aber Schadensersatzansprüchen ausgesetzt; anders beim Rechtsmissbrauch, bei dem die Niederlegung unwirksam ist. Siehe Singhof, AG 1998, 318, 323. 70 MünchKommAktG/Habersack, § 103 Rdnr. 59; Hopt, ZGR 2002, 333, 372; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1604. siehe auch die Empfehlung in Ziff. 5.5.3 Satz 2 DCGK. 71 MünchKommInsO/Graeber, § 59 Rdnr. 3. 72 Löhnig, Treuhand, S. 493; vgl. auch BayObLG FamRZ 1959, 373. 73 Vgl. dazu RegE BtG, BT-Drs. 11/4528, S. 153; MünchKommBGB/Schwab, § 1908b Rdnr. 19 ff.; Soergel/Zimmermann, BGB, § 1908b Rdnr. 21 ff. 74 Löhnig, Treuhand, S. 493; a.A. Staudinger/Bienwald, BGB, § 1908b Rdnr. 27. 75 MünchKommBGB/Schwab, § 1908b Rdnr. 20; Löhnig, Treuhand, S. 493.
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d.) Der besondere Fall der Kündigung durch den Abschlussprüfer Im Fall der Abschlussprüfung kann nur der Prüfer den Prüfungsauftrag kündigen, vgl. § 318 Abs. 6 HGB, nicht dagegen die Gesellschaft. Aber auch der Prüfer kann nur dann kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.76 Diese Beschränkung ist – wie das Ersetzungsverfahren – vor dem Hintergrund des öffentlichen Interesses an der Durchführung der Abschlussprüfung zu sehen.77 Der Prüfer soll nicht unter Umgehung des gerichtlichen Ersetzungsverfahrens jederzeit von sich aus kündigen können.78 Gegenstand der Kündigung ist die Stellung als Abschlussprüfer, d. h. das private Amt, nicht der schuldrechtliche Vertrag zwischen Prüfer und Gesellschaft, andernfalls würde § 318 Abs. 6 Satz 1 HGB im Fall einer gerichtlichen Bestellung wenig Sinn machen.79 Es handelt sich daher der Sache nach um eine Niederlegung des Amtes durch den Abschlussprüfer.80 Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn ein Ausschlussgrund nach §§ 319 Abs. 2 bis 5, 319a, 319b HGB gegeben ist bzw. ein solcher eintritt.81 Allerdings berechtigt ein solcher Grund dann nicht zur Kündigung, wenn er umgehend und in zumutbarer Weise vom Abschlussprüfer behoben werden kann.82 Ist ihm dies dagegen nicht möglich, hat er sogar die Pflicht, sein Amt niederzulegen.83 Unbeachtlich sind in der Regel persönliche Differenzen zwischen dem Prüfer und der Gesellschaft bzw. deren Organen, weil ansonsten eine Kündigung provoziert werden könnte. Dies findet allerdings seine Grenze, wenn die Differenzen zu solchen Spannungen führen, dass der Abschlussprüfer die Gesellschaft nicht mehr unbefangen prüfen kann – in diesem Fall ist eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt.84 Das Kündigungsrecht des Prüfers kann nicht abbedungen, erschwert oder erleichtert werden.85 Ebenfalls ausgeschlossen ist eine einvernehmliche Beendigung des Mandates, auch wenn die Voraussetzungen für eine Kündigung oder ein Ersetzungsverfahren vorliegen; denn das Gesetz schließt – mit Aus-
76 Zur Kündigung aus wichtigem Grund durch den Abschlussprüfer siehe etwa MünchKommHGB/Ebke, § 318 Rdnr. 82 ff. 77 Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 80. 78 RegE BiRiLiG, BT-Drs. 10/317, S. 95. 79 Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 80. 80 Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh. zu § 42 Rdnr. 20; Staub/Habersack/ Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 80. 81 Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 84; Vgl. auch Adler/Düring/ Schmaltz, Rechnungslegung, § 318 Rdnr. 436. 82 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 318 Rdnr. 442; Staub/Habersack/ Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 84. 83 Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 84. 84 Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 83. 85 MünchKommHGB/Ebke, § 318 Rdnr. 90.
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nahme von § 318 Abs. 1 Satz 5 HGB – jegliche Disposition der Gesellschaft über das Mandat des bestellten Prüfers aus.86 e.) Der wichtige Grund bei der Beendigung durch den Interessenwahrer Die genannten Fälle zeigen, dass der „wichtige Grund“ vor allem (aber nicht nur) für die Beendigung durch den Interessenwahrer eine Rolle spielt. Allgemein liegt ein „wichtiger Grund“ vor, wenn demjenigen, der das Interessenwahrungsverhältnis beenden möchte, unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Interessenwahrungsverhältnisses bis zum eigentlichen Ende nicht mehr zuzumuten ist.87 Im besonderen Fall des Interessenwahrungsverhältnisses zeigen die vorangegangenen Ausführungen, dass insbesondere ein erheblicher und dauerhafter Interessenkonflikt des Interessenwahrers einen solchen Grund darstellen kann. Im Fall des Interessenwahrers ist damit allerdings die Gefahr eines Missbrauchs verbunden, wenn er sich auf seinen eigenen Interessenkonflikt als Beendigungsgrund berufen kann. Denn er könnte die Situation eines Interessenkonflikts bewusst herbeiführen, um dann sein Beendigungsrecht auszuüben.88 Bei anderen Dauerschuldverhältnissen ist daher auch eine Kündigung ausgeschlossen, wenn der Kündigungsgrund seinen Ursprung in der Sphäre des Kündigenden hat.89 Bei Interessenwahrungsverhältnissen darf dem Interessenwahrer ein solches Beendigungsrecht jedoch nicht vorenthalten werden, nur weil es sich um seinen Konflikt handelt. Denn das Recht zur Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses ermöglicht ihm, sich vor Situationen zu schützen, in denen er unverschuldet der Gefahr ausgesetzt wäre, seine Pflichten zu verletzen. Zu solchen Situationen kann es kommen, weil die Interessenwahrungspflicht zunächst lediglich einen gewissen Rahmen vorgibt und sich dann im jeweiligen Einzelfall konkretisiert, sodass der Umfang der im Einzelfall geschuldeten Pflichten zu Beginn des Interessenwahrungsverhältnisses nicht eindeutig feststeht.90 Das Recht zur Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses dient in diesem Fall daher vor allem auch dem Eigenschutz des Interessenwahrers. Um diese beiden Gesichtspunkte, Missbrauchsgefahr und Eigenschutz, angemessen zu berücksichtigen, ist dem Interessenwahrer die Möglichkeit einer Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses wegen eines Interessenkonflikts 86 Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 318 Rdnr. 80; a.A. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 318 Rdnr. 434. 87 Vgl. etwa BGH NJW, 1978, 947, 948; 1981, 1264, 1265; 1989, 1482, 1483; MünchKommBGB/Gaier, § 314 Rdnr. 10. 88 Löhnig, Treuhand, S. 495. 89 BGH NJW 1991, 1828, 1829; siehe auch BGH NJW 1951, 836; Löhnig, Treuhand, S. 495. 90 Löhnig, Treuhand, S. 495.
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grundsätzlich zuzubilligen. Es müssen jedoch strengere Voraussetzungen als im Fall des Geschäftsherrn gelten. Zusätzliche Voraussetzung muss sein, dass der Konflikt bei der späteren Begründung des weiteren konfliktverursachenden Interessenwahrungsverhältnisses für den Interessenwahrer nicht erkennbar war oder seine Entstehung unwahrscheinlich erscheinen musste.91 Ansonsten wäre dem Interessenwahrer ein widersprüchliches Verhalten vorzuwerfen, wenn er bewusst ein konfliktverursachendes weiteres Interessenwahrungsverhältnis begründet hätte, um dann geltend zu machen, dass er sich wegen der Gefahr von Pflichtverletzungen aus dem ersten Interessenwahrungsverhältnis lösen wolle. Der Interessenwahrer darf nicht neue Interessenwahrungsverhältnisse begründen, um sich älterer unbequemer Interessenwahrungsverhältnisse zu entledigen.92 War der Konflikt dem Interessenwahrer bewusst, hat er kein Recht, das (erste) Interessenwahrungsverhältnis zu beenden.93 Vielmehr muss er dem Geschäftsherrn den Konflikt offenlegen und ihm die Entscheidung überlassen. Gegebenenfalls ist der Interessenwahrer schadensersatzpflichtig.
2.) Beendigungspflicht des Interessenwahrers In besonders schwerwiegenden Fällen kann sich das Beendigungsrecht des Interessenwahrers zu einer Beendigungspflicht verdichten. Eine Beendigungspflicht besteht insbesondere in den Fällen, in denen es dem Interessenwahrer schon von vornherein verboten gewesen ist, das Interessenwahrungsverhältnis einzugehen, bzw. wenn später ein Umstand eintritt, der die Voraussetzungen eines solchen Verbots erfüllt. Solche Beendigungspflichten sind insbesondere im Berufsrecht vorgesehen, was auf die besondere Vertrauenssituation bei diesen Berufen, vor allem aber auf deren besondere Funktion im Rahmen des Gemeinwesens und den über das einzelne Interessenwahrungsverhältnis hinausreichenden Schutzzweck der jeweiligen Vertretungsverbote zurückzuführen ist. a.) Rechtsanwalt So muss der Rechtsanwalt die Übernahme der Interessenwahrnehmung bzw. des Mandats ablehnen, wenn er andernfalls „widerstreitende Interessen“ vertreten müsste, § 43a Abs. 4 BRAO.94 Übernimmt der Rechtsanwalt dennoch Mandate, die im Interessenwiderstreit stehen (und sei es nur versehentlich), oder entsteht ein Interessenstreit erst während der Mandatslaufzeit, ist er verpflichtet, beide Mandate niederzulegen, vgl. § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 Abs. 4 Vgl. Löhnig, Treuhand, S. 495 f. Soergel/Zimmermann, BGB, § 1889 Rdnr. 2 ; siehe auch Löhnig, Treuhand, S. 496. 93 In der Regel verletzt der Interessenwahrer mit der Eingehung des zweiten Interessenwahrungsverhältnisses seine Interessenwahrungspflicht aus dem ersten Interessenwahrungsverhältnis und macht sich schadensersatzpflichtig. Dazu § 18 II. 94 Dazu § 12 II. 91
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BORA. Er darf auch nicht ein Mandat niederlegen, um sodann ein Mandat der Gegenseite zu übernehmen, vgl. § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 Abs. 1 BORA. In diesem Fall würde die Interessenwahrnehmung des neuen Mandanten mit der Geheimhaltungspflicht gegenüber dem vorherigen Mandanten kollidieren und die Gefahr eines Missbrauchs von Informationen entstehen. b.) Wirtschaftsprüfer Im Fall des Wirtschaftsprüfers bestimmt § 49 WiPrO, dass dieser seine Tätigkeit „versagen“ muss, wenn bei der Durchführung des Auftrags die „Besorgnis der Befangenheit“ besteht. Dies gilt sowohl vor der Übernahme, dann hat er die Übernahme des Mandats abzulehnen, als auch nach der Übernahme, dann hat er das Mandat niederzulegen. c.) Aufsichtsratsmitglied Aufsichtsratsmitglieder sind zur Niederlegung ihres Amtes verpflichtet, wenn ein dauerhafter und gravierender (konkreter) Interessenkonflikt besteht, der ihnen die Interessenwahrnehmung erheblich erschweren würde und eine anderweitige sachgerechte Lösung nicht möglich ist.95 Nur so können sie eine Verletzung ihrer Treuepflicht vermeiden.96 Die Pflicht zur Amtsniederlegung spielt z. B. eine Rolle, wenn jemand Mitglied in den Aufsichtsräten konkurrierender Unternehmen ist oder wenn ein Vorstandsmitglied einer Bank im Aufsichtsrat eines Unternehmens sitzt, das zum Ziel einer (feindlichen) Übernahme wird, bei der die Bank den Bieter vertritt.97 Im letzteren Fall wäre der Bankvorstand gegenüber seiner Bank zur Geheimhaltung verpflichtet, gegenüber der Zielgesellschaft jedoch zur Benachrichtigung hinsichtlich der Übernahme.98 Solche Fälle werden von den Inhabilitätsregeln in § 100 Abs. 2 AktG nicht erfasst.99 Auch lässt sich das für Vorstände geltende Wettbewerbsverbot nach 95 MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 72; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rdnr. 900; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 73; Hopt, ZGR 2002, 333, 372; Lutter, ZHR 145, 224, 246; Möllers, ZIP 2006, 1615, 1619; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 6; Singhof, AG 1998, 318, 323; siehe auch Decher, ZIP 1990, 277, 279; a.A. Dreher JZ 1990, 896, 902 (nur Abberufung zulässig – dagegen argumentierend Singhof, AG 1998, 318, 324). Siehe auch die Empfehlung in Ziff. 5.5.3 Satz 2 DCGK. Für den Fall der Unternehmensübernahme Schander/Posten, ZIP 1997, 1534, 1536 f. 96 Dazu Lutter, FS Beusch, 1993, S. 509, 524; siehe auch Möllers, ZIP 2006, 1615, 1619. 97 Vgl. dazu etwa Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 246; Hopt, ZGR 2002, 333, 372; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 7 f. 98 Dazu bspw. Hopt, ZGR 2002, 333, 335 ff.; Singhof, AG 1998, 318, 325; vgl. auch Schander/Posten, ZIP 1997, 1534, 1535 und 1336 f. 99 Dazu bereits § 13 I.2.)d.). Dementsprechend ist auch die Wahl eines solchen Aufsichtsratsmitglieds nicht in analoger Anwendung von § 100 Abs. 2 AktG unzulässig und daher nicht nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 AktG ensprechend nichtig (siehe dazu Löhnig, Treuhand, S. 501 f.); a.A. aber Reichert/Schlitt AG 1995, 241, 247; Lutter, FS Beusch, 1993, 509, S. 518.
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§ 88 AktG nicht auf Aufsichtsräte übertragen,100 nicht zuletzt weil die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat ein Nebenamt ist. Daher ist hier auf die Pflicht zur Niederlegung des Amtes zurückzugreifen, die eine besondere Ausprägung der Treuepflicht darstellt.101 Problematisch ist die Niederlegung des Aufsichtsratsmandats dann, wenn dies Rückschlüsse auf Umstände ermöglicht, wegen deren Geheimhaltung das betroffene Aufsichtsratsmitglied zurückgetreten ist. So kann etwa der Rücktritt eines Bankvorstands als Aufsichtsratsmitglied Übernahmespekulationen anfachen, die eigentlich gerade verhindert werden sollten.102 In einem solchen Fall lässt sich der Interessenkonflikt höchstens durch eine frühzeitige Amtsniederlegung des betreffenden Mitglieds vermeiden.103 Aber auch eine frühzeitige Amtsniederlegung kann die Interessen der Gesellschaft beeinträchtigen, wenn sie auf die Kontakte und die Sachkunde des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds angewiesen ist.104 d.) Einordnung der Beendigungspflicht Die Pflicht zur Beendigung eines Interessenwahrungsverhältnisses wegen eines Interessenkonfliktes ist eine besonders verdichtete Ausprägung der Interessenwahrungspflicht im Fall eines konkreten Interessenkonflikts. Sie zwingt den Betroffenen zur Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses und stellt damit das Pendant zu dem präventiven Verbot dar, bestimmte Interessenwahrungsverhältnisse einzugehen. Dementsprechend bedarf sie, wie dieses, zusätzlicher Voraussetzungen. Das bloße Bestehen einer Interessenwahrungspflicht reicht für die Annahme einer Beendigungspflicht nicht aus. Aus diesem Grund wird sie auch nur in Ausnahmefällen gesetzlich angeordnet und lässt sich nicht verallgemeinern. Eine Pflicht zur Beendigung besteht insbesondere dann, wenn der Interessenkonflikt über die unmittelbar beteiligten Personen hinaus Auswirkungen auf Dritte oder besondere Institutionen hätte. Beim Rechtsanwalt ist dies vor allem der Schutz der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, beim Aufsichtsratsmitglied die Interessen vor allem der Aktionäre aber auch der Gläubiger. In Bezug auf Aufsichtsratsmitglieder wirkt verstärkend, dass deren Abberufung durch die Hauptversammlung oder den Aufsichtsrat nur unter erschwerten Bedingungen 100 Siehe aber Reichert/Schlitt, AG 1995, 241, 247 (Analogie zu §§ 105, 100 Abs. 2 und 250 AktG). 101 Verstößt das betroffene Aufsichtsratsmitglied gegen diese Pflicht, sind die übrigen Aufsichtsratsmitglieder ihrerseits dazu verpflichtet, dessen Abberufung in die Wege zu leiten. Siehe dazu Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 6. 102 Hopt, ZGR 2002, 333, 370; Singhof, AG 1998, 318, 324. Vgl. dazu auch Heermann, WM 1997, 1689, 1694 (dieses Risiko sei in Kauf zu nehmen). 103 Vgl. dazu Krebs, Interessenkonflikte, S. 337 f.; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 7 („im Vorfeld …, wenn eine Übernahme droht“). 104 Löhnig, Treuhand, S. 503.
IV. Zusammenfassung
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möglich ist, vgl. § 103 AktG. Dadurch gewinnt die Amtsniederlegung durch den Betroffenen zusätzliche Bedeutung. Ist der Interessenwahrer zur Beendigung verpflichtet, muss er regelmäßig eines von zwei konfligierenden Interessenwahrungsverhältnissen beenden. Lediglich der Rechtsanwalt muss vor dem Hintergrund des Schutzes der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, die das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Zuverlässigkeit der Anwaltschaft erfordert, beide Interessenwahrungsverhältnisse beenden.
IV. Zusammenfassung Interessenwahrungsverhältnisse können sowohl vom Geschäftsherrn als auch vom Interessenwahrer beendet werden, wenn der Interessenwahrer in einen dauerhaften und erheblichen konkreten Interessenkonflikt gerät. Da das Interessenwahrungsverhältnis in diesem Fall bereits begründet worden ist und die beteiligten Parteien damit zunächst einmal von seinem Bestehen ausgehen, muss es in rechtssicherer Weise beendet werden. Das bloße Auftreten eines Interessenkonflikts führt daher noch nicht zu einer Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses, vielmehr ist dafür noch ein besonderer Akt (Kündigung, Gerichtsentscheidung) erforderlich, der die Beendigung nach außen sichtbar werden lässt. Während die Beendigung bei vertraglichen Interessenwahrungsverhältnissen regelmäßig den Parteien überlassen bleibt, bedarf es bei gesetzlichen Interessenwahrern – wie für den Fall der Bestellung – regelmäßig einer gerichtlichen Prüfung. Besonderheiten gelten auch beim Aufsichtsrat und beim Abschlussprüfer, bei dem ein besonderes Verfahren zu beachten ist. Eine Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses ist regelmäßig dann möglich, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Im Fall des Interessenwahrers besteht allerdings die Gefahr eines Missbrauchs, wenn er sich auf seinen eigenen Interessenkonflikt als Beendigungsgrund berufen kann. Dennoch darf ihm ein solches Beendigungsrecht nicht vorenthalten werden. Denn nur so kann er sich vor Situationen schützen, in denen er unverschuldet der Gefahr ausgesetzt wäre, seine Pflichten zu verletzen, weil der genaue Umfang seiner Pflichten zunächst noch unbestimmt ist. Wegen der Missbrauchsgefahr müssen jedoch erhöhte Anforderungen gelten: Zusätzliche Voraussetzung muss sein, dass der Konflikt bei der späteren Begründung des weiteren Interessenwahrungsverhältnisses für den Interessenwahrer nicht erkennbar war oder seine Entstehung unwahrscheinlich erscheinen musste. Andernfalls muss er dem Geschäftsherrn den Konflikt offenlegen und ihm die Entscheidung überlassen. In besonderen Fällen (etwa beim nachträglichen Auftreten eines Interessenwiderstreits beim Rechtsanwalt) besteht eine Pflicht zur Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses. Diese Pflicht stellt eine besonders verdichtete Aus-
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prägung der Interessenwahrungspflicht dar, weil sie die Beteiligten zur Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses zwingt. Dementsprechend bedarf sie zusätzlicher Voraussetzungen. Das bloße Bestehen einer Interessenwahrungspflicht reicht für die Annahme einer Beendigungspflicht nicht aus. Daher wird sie auch nur in Ausnahmefällen gesetzlich angeordnet und lässt sich nicht verallgemeinern. Eine Pflicht zur Beendigung besteht insbesondere dann, wenn der Interessenkonflikt über die unmittelbar beteiligten Personen hinaus Auswirkungen auf Dritte oder besondere Institutionen hätte.
Abschnitt 4: Sanktionen und Gewinnabschöpfung
§ 18 Sanktionen I. Einleitung Verletzt der Interessenwahrer seine Interessenwahrungspflicht, die sie konkretisierenden präventiven Pflichten oder Konfliktlösungsregeln oder beachtet er Weisungen des Geschäftsherrn nicht, mit denen dieser seine Interessen konkretisiert, kann dies Sanktionen nach sich ziehen. Sanktionen sollen den Interessenwahrer zum einen dazu anhalten, seine Pflichten gegenüber dem Geschäftsherrn gewissenhaft zu erfüllen – damit setzt die Sanktionsdrohung ex ante Anreize für pflichtgemäßes Verhalten.1 Zum anderen sollen sie dem Geschäftsherrn ex post die Möglichkeit geben, sich schadlos zu halten oder sich vom Interessenwahrungsverhältnis zu lösen, wenn der Interessenwahrer einen Interessenkonflikt fehlerhaft aufgelöst und damit seine Pflichten verletzt hat.
II. Schadensersatzhaftung 1.) Spezielle gesetzliche Schadensersatzregelungen Für zahlreiche Interessenwahrungsverhältnisse finden sich ausdrückliche (Spezial-)Vorschriften, die eine Schadensersatzhaftung bei einem Pflichtverstoß anordnen. In dem besonderen Fall der Verletzung eines Wettbewerbsverbots ist eine Schadensersatzhaftung z. B. für Vorstände in § 88 Abs. 2 Satz 1 AktG oder für Handlungsgehilfen in § 61 Abs. 1 1. Hs. HGB vorgesehen. Für andere Pflichtverletzungen von Interessenwahrern finden sich etwa im Gesellschaftsrecht besondere Vorschriften für Schadensersatzansprüche in § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG (i.V.m. § 116 AktG), § 43 Abs. 2 GmbHG 2 und § 34 Abs. 2 Satz 1 GenG. Für den Insolvenzverwalter sieht § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO eine Schadens1 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 11; ders. FS Doralt, 2004, 213, 226; Krebs, Interessenkonflikte, S. 80; vgl. auch Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 305. 2 Anders als im Aktiengesetz sieht das GmbHG keine dem § 88 Abs. 2 AktG vergleichbare Bestimmung vor, auch wenn der GmbH-Geschäftsführer ebenfalls zur Wahrung der Interessen der Gesellschaft verpflichtet ist und für ihn ein Wettbewerbsverbot (analog § 88 AktG) gilt. Eine Analogie zu § 88 Abs. 2 Satz 1 AktG zur Herleitung eines Schadensersatzanspruchs ist jedoch nicht notwendig, denn hierfür kann auch die allgemeinere Vorschrift des § 43 Abs. 2 GmbHG herangezogen werden. GroßkommGmbHG/Paefgen, § 43 Rdnr. 106.
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§ 18 Sanktionen
ersatzpflicht für den Fall einer Pflichtverletzung vor. Für Testamentsvollstrecker regelt § 2219 Abs. 1 BGB eine Schadensersatzhaftung für die Verletzung ihm obliegender Pflichten. Eine vergleichbare Regelung sehen § 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB für den Vormund, § 1908i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB für den Betreuer und § 1915 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB für den Pfleger vor. In diesen spezialgesetzlichen Regelungen kommt der allgemeine Rechtsgrundsatz der Haftung eines Schuldners für Pflichtverletzungen zum Ausdruck, der in § 280 Abs. 1 BGB allgemein verankert ist.
2.) Allgemeine Schadensersatzregelungen In den Fällen, in denen keine besonderen Regelungen vorgesehen sind, ist die allgemeine Vorschrift des § 280 Abs. 1 BGB heranzuziehen. Abhängig von der jeweiligen Pflichtverletzung und dem Begehren des Geschäftsherrn, müssen ggf. nach §§ 280 ff. BGB besondere Voraussetzungen erfüllt sein. Dabei ist insbesondere zu unterscheiden, ob der Interessenwahrer die Erfüllung der von ihm verletzten Pflicht nachholen kann oder nicht. a.) Nicht nachholbare Interessenwahrnehmung Nicht nachholen kann er seine Pflicht, wenn sie Fixschuldcharakter hatte, d. h. die Interessenwahrung innerhalb einer bestimmten Zeitspanne hätte erfolgen müssen.3 So kann die Anwendung eines Konfliktlösungsprinzips, wie dem Prioritätsgrundsatz im Fall eines Verteilungskonflikts, regelmäßig nicht mehr nachgeholt werden.4 Wenn der Interessenwahrer z. B. eine Geschäftschance fehlerhaft einem Geschäftsherrn zugewiesen hat, der nicht an der Reihe war, wird die Geschäftschance danach regelmäßig nicht mehr bestehen, weil der andere Geschäftsherr sie bereits genutzt hat. sich die Preise geändert haben oder andere Gründe nun ihre Wahrnehmung durch den eigentlich zu begünstigenden Geschäftsherrn hindern. Ist der Interessenwahrer seiner Pflicht in der dafür vorgesehenen Zeit nicht nachgekommen, wird ihm die Erfüllung dieser Pflicht unmöglich. Ein Anspruch auf Erfüllung ist dann ausgeschlossen, vgl. § 275 Abs. 1 BGB. In diesem Fall kann der Geschäftsherr, sofern sich der Interessenwahrer nicht entlasten kann, Schadensersatz statt der Leistung verlangen, §§ 280 Abs. 1, 283 BGB. Die Folge einer Verletzung der Interessenwahrungs- oder einer der sie konkretisierenden Pflichten ist der Anspruch des Geschäftsherrn auf Naturalrestitution, vgl. § 249 BGB. Der Interessenwahrer hat den Geschäftsherrn so zu stellen, wie dieser stünde, wenn der Interessenwahrer dessen Interessen gewahrt hätte. Hat der Interessenwahrer beispielsweise einen Vertrag mit dem Löhnig, Treuhand, S. 604. Löhnig, Treuhand, S. 604.
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II. Schadensersatzhaftung
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Geschäftsherrn geschlossen und sich dabei treuwidrig verhalten, ist er verpflichtet, den Vertrag rückgängig zu machen.5 Hat er einen interessenwidrigen Vertrag für den Geschäftsherrn mit einem anderen geschlossen, muss er ihn von allen Verpflichtungen aus diesem Vertrag freistellen. 6 In beiden Fällen kann der Geschäftsherr aber auch an dem jeweiligen Vertrag festhalten, wenn er daran Interesse hat, und von dem Interessenwahrer Ersatz des zusätzlichen Schadens verlangen.7 Hat sich der Interessenwahrer eine Geschäftschance angeeignet, muss er diese an den Geschäftsherrn weiterleiten, z. B. in dem er den erhaltenen Gegenstand (gegen Erstattung der von ihm getätigten Aufwendungen) an den Geschäftsherrn herausgibt.8 Ist eine solche Weiterleitung nicht möglich, schuldet er Schadensersatz in Geld, vgl. § 251 Abs. 1 BGB. Der Geschäftsherr kann auch einen ihm entgangenen Gewinn verlangen, § 252 BGB.9 Denn er ist wirtschaftlich so zu stellen, als ob der Interessenwahrer die Geschäftschance für ihn wahrgenommen hätte.10 Besteht die Pflichtverletzung darin, dass der Interessenwahrer seinen Interessenkonflikt nicht offen gelegt hat, kommt es darauf an, wie sich der Geschäftsherr bei vollständiger Kenntnis aller Umstände nach einer pflichtgemäßen Offenlegung verhalten hätte. Sofern er andere Entscheidungen getroffen hätte, haftet der Interessenwahrer für alle Schäden, die durch sein Fehlverhalten kausal verursacht worden sind.11 b.) Nachholbare Interessenwahrnehmung Kann der Interessenwahrer die Interessenwahrnehmung nachholen, etwa einen Interessenkonflikt offenlegen oder einer Pflicht zur Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses nachkommen, und kann dies als geeignete Erfüllung angesehen werden, muss unterschieden werden, ob der Interessenwahrer die Pflicht wie geschuldet nachholt oder nicht.12 Im ersteren Fall hat der Geschäftsherr nur einen Anspruch auf den Ersatz des Verzögerungsschadens, sofern ein solcher eingetreten ist, §§ 280 Abs. 2, 286 BGB. Im letzteren Fall kann der Geschäftsherr Schadensersatz statt der Leistung fordern, §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB. Dies bezieht sich allerdings nur auf die jeweilige Einzelpflicht, Hopt, FS Doralt, 2004, 213, 226. Löhnig, Treuhand, S. 605. Er kann dann aber auch die Vorteile herausverlangen, die dem Geschäftsherrn aus dem Vertrag zufließen. 7 Etwa wenn der Interessenwahrer das Prioritätsprinzip nicht beachtet hat und daher das betreffende Geschäft für den Geschäftsherrn teurer geworden ist als dies bei pflichtgemäßem Verhalten des Interessenwahrers der Fall gewesen wäre. Dazu etwa BGHZ 69, 53, 58; 114, 87, 94; Löhnig, Treuhand, S. 605. 8 BGH NJW 1989, 2687, 2688; Hopt, FS Doralt, 2004, 213, 226. 9 MünchKommAktG/Spindler, § 88 AktG Rdnr. 28; Löhnig,Treuhand, S. 602. 10 Löhnig, Treuhand, S. 605. 11 Hopt, FS Doralt, 2004, 213, 226. 12 Löhnig, Treuhand, S. 606. 5 6
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§ 18 Sanktionen
das Interessenwahrungsverhältnis selbst wird davon nicht berührt.13 Die für das Verlangen eines Schadensersatzes statt der Leistung grundsätzlich erforderliche Fristsetzung für die Pflichterfüllung, vgl. § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB, ist bei Interessenwahrungsverhältnissen wegen der „besonderen Umstände“ entbehrlich, vgl. § 281 Abs. 2 Fall 2 BGB.14 „Besondere Umstände“ sind bei Fremdinteressenwahrungsverhältnissen deshalb anzunehmen, weil der Interessenwahrer einen schwer zu überwachenden Handlungsspielraum eingeräumt bekommt, wodurch sich die Balance des Verhältnisses im Hinblick auf die Möglichkeit, die Interessen der anderen Vertragspartei zu beeinträchtigen, in seine Richtung verschiebt. Um dem entgegenzuwirken sind Interessenwahrungsverhältnisse an den Interessen des Geschäftsherrn ausgerichtet, was nicht zuletzt in der strikten Interessenwahrungspflicht zum Ausdruck kommt. Die Interessen des Interessenwahrers erhalten hingegen weniger Gewicht. Diese spezifische Ausrichtung an den Interessen des Geschäftsherrn muss bei Sekundäransprüchen berücksichtigt werden. Dasselbe gilt für andere Vorschriften, die nicht nur für Fremdinteressenwahrungsverträge gelten, sondern auch bei den anderen Vertragsgrundformen (Verträge des Interessengegensatzes oder der Interessengemeinschaft) zur Anwendung kommen. Bei diesen sind die gesetzlichen Wertungen aufgrund des ihre Anwendung prägenden Interessenwahrungsverhältnisses zugunsten des Geschäftsherrn zu verschieben, soweit dies ihr Normzweck zulässt. Da § 281 Abs. 2 Fall 2 BGB eine Abweichung von der Regel (Fristsetzung) zugunsten des Gläubigers (des Geschäftsherrn) ausdrücklich zulässt, muss diese im Fall von Fremdinteressenwahrungsverhältnissen angewendet werden. c.) Vertretenmüssen Den Beweis für das Nichtvertretenmüssen muss der Interessenwahrer erbringen. Dies ergibt sich aus § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB sowie in einigen Fällen, etwa bei Organmitgliedern,15 auch aus den jeweils geltenden besonderen Vorschriften. Sofern eventuelle spezielle Vorschriften, wie etwa § 1833 BGB oder § 2219 BGB, keine Verschuldensregelung vorsehen, muss aufgrund des im Zusammenhang mit der Fristsetzung Erörterten der Gedanke des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB in diesem Zusammenhang ebenfalls gelten.16
Löhnig, Treuhand, S. 606. Dazu Löhnig, Treuhand, S. 606 f. 15 § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG (Vorstand) und §§ 93 Abs. 2 Satz 2, 116 AktG (Aufsichtsrat). 16 Im Ergebnis so auch Staudinger/Reimann, BGB, § 2219 Rdnr. 34; Löhnig, Treuhand, S. 607 f.; a.A., allerdings für die Möglichkeit des prima-facie-Beweises des Verschuldens, wenn die Pflichtverletzung erwiesen ist und allgemeine Erfahrungsgrundsätze auf ein Verschulden schließen erlassen, MünchKommBGB/Wagenitz, § 1833 Rdnr. 14; Soergel/Zimmermann, § 1833 Rdnr. 11; Staudinger/Engler, BGB, § 1833 Rdnr. 4 4. 13 14
III. Verwirkung der Vergütung
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III. Verwirkung der Vergütung Für den Makler enthält § 654 BGB eine besondere Regelung dahingehend, dass der Makler seinen Lohnanspruch verliert, wenn er vertragswidrig auch für die andere Partei tätig geworden ist. Dabei handelt es sich um ein Verhalten, das einen erheblichen Interessenkonflikt hervorrufen kann. Von der Rechtsprechung wird § 654 BGB Strafcharakter zugesprochen.17 Darüber hinaus zieht die Rechtsprechung § 654 BGB auch in anderen Fällen als der Doppeltätigkeit heran, um eine Verwirkung des Maklerlohns zu begründen.18 Möglich sein soll eine Verwirkung immer dann, wenn der Makler wesentliche Vertragspflichten in vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Weise verletzt und damit den Interessen des Geschäftsherrn in gravierender Weise zuwidergehandelt hat, sodass er eines Lohns unwürdig sei.19 Darüber hinaus hat die Rechtsprechung den Gedanken der Verwirkung auf andere Interessenwahrer übertragen, die ihre Interessenwahrungspflicht bei Interessenkonflikten wissentlich oder grob fahrlässig verletzen, und hat dies mit dem allgemeinen Rechtsgedanken der Verwirkung begründet.20 So etwa hat sie diesen Gedanken auf den Rechtsanwalt angewendet, wenn dieser Parteiverrat begangen hat,21 den Handelsvertreter, der grob pflichtwidrig gehandelt hat, 22 den Testamentsvollstrecker, der in besonders schwerwiegender Weise gegen seine Pflichten verstoßen hat23 sowie auf den Vormund, der sich zu Lasten seines Mündels der Untreue strafbar gemacht hat24. Auch auf den Insolvenzverwalter25 und die Vorstandsmitglieder der AG 26 ist der Gedanke der Verwirkung erstreckt worden. Diese Einordnung und Anwendung von § 654 BGB durch die Rechtsprechung führt die Vorschrift nahe an das Schadensersatzrecht.27 Damit wird
17 BGHZ 36, 323, 327; BGH NJW 1986, 2573; BGH WM 2003, 2061, 2062; a.A. Staudinger/Reuter, § 654 Rdnr. 2 , 3. 18 BGHZ 36, 323, 326 f. 19 Beispiele aus der Rechtsprechung sind BGH NJW 1969, 1628; BGH DB 1967, 505, 506; OLG Düsseldorf MDR 2000, 943, 944; OLG Düsseldorf NZM 1998, 240; OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 1207; OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 2002, 779. Krit. etwa MünchKommBGB/Roth, § 654 Rdnr. 2 . 20 So RGZ 113, 264, 269; RG JW 1926, 2086, einschränkend allerdings BGH NJW 1963, 1301, 1303; 1981, 1211, 1212. 21 BGH NJW 1981, 1211, aber einschränkend a.a.O, 1212. Siehe auch RGZ 113, 264, 269 (Herausgabe von Handakten). 22 OLG Hamm NJW 1959, 677; OLG Koblenz BB 1973, 866. 23 BGH WM 1976, 771, 772; WM 1979, 1116. Bzgl. des Nachlasspflegers RGZ 154, 110, 117. 24 BayObLG NJW 1988, 1919. 25 Kübler/Prütting/Bork/Prasser/Stoffler, InsO, § 63 Rdnr. 36 (in Ausnahmefällen). 26 BGH AG 1988, 75 f.; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rdnr. 19; a.A. Wiesner, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 21 Rdnr. 69. 27 MünchKommBGB/Roth, § 654 Rdnr. 2 ; Löhnig, Treuhand, S. 613.
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aber die von der Rechtsprechung herangezogene Analogie zweifelhaft.28 Denn da es möglich ist, mit Hilfe des Schadensersatzrechts im Ergebnis einen Wegfall der Vergütung zu erreichen, besteht keine Regelungslücke.29 § 654 BGB beruht auf dem Gedanken, dass ein Makler, der nicht im Interesse seines Auftraggebers tätig wird, seine Hauptleistungspflicht nicht erfüllt.30 In diesem Fall führt das pflichtwidrige Handeln des Maklers zu keinem Schaden für den Auftraggeber. Wegen der Nichterfüllung verdient der Makler aber auch keine Vergütung. Nur aus diesem Grund ist eine Vorschrift zusätzlich zum Schadensersatzrecht nötig.31 Eine Ausweitung kommt daher nur dort in Betracht, wo die Vergütungssituation der des Maklers ähnlich ist, wie im Fall von Provisionsansprüchen.32 Die Fälle, in denen die Rechtsprechung auf die Verwirkung abgestellt hat, können dagegen mit Hilfe des Schadensersatzrechts gelöst werden.33 Aufgrund des pflichtwidrigen Verhaltens des Interessenwahrers werden dem Geschäftsherrn regelmäßig zusätzliche Kosten entstanden sein. Dies ist etwa der Fall, wenn er einen anderen Interessenwahrer beauftragen musste oder einen nicht seinen Interessen entsprechenden Hauptvertrag geschlossen hat. In diesem Fall ist er so zu stellen, als habe er diesen Vertrag nicht geschlossen, sodass er auch keine Provision zahlen muss.
IV. Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses als Sanktion Wird ein Interessenkonflikt pflichtwidrig gelöst, kann dies auch die Been digung des Interessenwahrungsverhältnisses insgesamt erforderlich werden lassen. Die Situation unterscheidet sich hier von derjenigen, bei der das Interessenwahrungsverhältnis wegen eines noch nicht pflichtwidrig gelösten Interessenkonflikts präventiv beendet wird.34 Hat der Interessenwahrer den Interessenkonflikt bereits pflichtwidrig gelöst und damit seine Interessenwahrungspflicht verletzt, kann für das gesamte Interessenwahrungsverhältnis die Basis entzogen sein. Dies kann bei vertraglichen Interessenwahrungsverhältnissen durch (außerordentliche) Kündigung (bei Dauerinteressenwahrungsverhältnissen), einen Rücktritt (insbesondere bei punktuellen Interessenwahrungsver28 Gegen eine Analogie etwa auch Hopt, FS Doralt, 2004, 213, 229; außerdem Löhnig, Treuhand, S. 613. 29 MünchKommBGB/Roth, § 654 Rdnr. 2 . 30 Prot. II, S. 2273 = Mugdan II, S. 938. 31 Löhnig, Treuhand, S. 613 f. 32 Hopt, FS Doralt, 2004, 213, 229. 33 Dazu Löhnig, Treuhand, S. 614. Siehe auch Hopt, FS Doralt, 2004, 213, 229. 34 Dazu § 17.
V. Öffentlichrechtliche und strafrechtliche Sanktionen
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hältnissen35) oder das Verlangen von Schadensersatz statt der ganzen Leistung geschehen. Im Fall gesetzlicher Interessenwahrer kommt die Entlassung in Betracht, bei organschaftlichen Interessenwahrern die Abberufung.36
V. Öffentlichrechtliche und strafrechtliche Sanktionen Interessenwahrer, insbesondere diejenigen, die aufsichts- oder berufsrechtlichen Regelungen unterliegen, sind im Fall der Verletzung von Interessenwahrungspflichten außerdem öffentlichrechtlichen und berufsrechtlichen Sanktionen ausgesetzt.37 So handelt etwa ein Finanzdienstleistungsunternehmen nach § 39 Abs. 2 Nr. 15 WpHG ordnungswidrig, wenn es „entgegen § 31 Abs. 1 Nr. 2 [WpHG] einen Interessenkonflikt nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig darlegt“. Die Verletzung einer Geheimhaltungspflicht, insbesondere wenn sie gegen Entgelt erfolgt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, ist im Aktiengesetz nach § 404 Abs. 2 AktG mit strafrechtlichen Sanktionen belegt. Im Kapitalmarktrecht ist in diesem Zusammenhang an den Straftatbestand des Insiderhandels zu denken, § 38 Abs. 1 i.V.m. § 14 WpHG. Des Weiteren kommt bei Verletzungen von Interessenwahrungspflichten der Straftatbestand der Untreue, § 266 StGB, in Betracht. Interessenwahrer, die eine Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis übertragen bekommen haben, können sich nach § 266 Abs. 1 Fall 1 StGB (Missbrauch) strafbar machen.38 Für andere Interessenwahrer, die, wie etwa Aufsichtsratsmitglieder, diese Befugnis nicht haben, kommt § 266 Abs. 1 Fall 2 StGB in Betracht.39 Im Hinblick auf Interessenkonflikte kann die Anwendung von § 266 StGB allerdings kompliziert sein, weil sich die Norm am Vermögensverwalter orientiert, der im Wesentlichen nur die Interessen des Vermögens, das er betreut, wahrzunehmen hat.40 Bei Interessenkonflikten lässt sich dagegen häufig nicht so leicht zwischen noch tolerierbarem und nicht mehr tolerierbarem Verhalten unterscheiden.41 Hinzu kommt, dass die rechtlichen Wertungen im Rahmen des jeweiligen Interessenwahrungsverhältnisses die strafrechtliche Bewertung des kon Ein Rücktritt ist ausnahmsweise auch bei Dauerschuldverhältnissen zulässig, wenn der Gläubiger ein Interesse an der vollständigen Rückabwicklung hat und eine solche auch möglich ist. Siehe etwa BGH NJW 2002, 1870. 36 Für Einzelheiten siehe § 17 sowie § 18 II. 37 Dazu Hopt, FS Doralt, 2004, S. 213, 232. 38 So etwa Geschäftsführer und Vorstände oder der Insolvenzverwalter. Hinsichtlich letzterem siehe etwa Schramm, NStZ 2000, 398. 39 Hopt, FS Doralt, 2004, S. 213, 232; Tiedemann, FS Tröndle, 1989, 319, 322. Bspw. die Verletzung von Wettbewerbsverboten in der Regel als Untreue einordnend Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 167. 40 Hopt, FS Doralt, 2004, S. 213, 232. 41 Vgl. dazu Tiedemann, FS Tröndle, 1989, 319, 331 f. 35
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§ 18 Sanktionen
fliktbeladenen Verhaltens des Interessenwahrers beeinflussen. Ist aber schon die privatrechtliche Bewertung eines bestimmten Verhaltens im Hinblick auf einen Interessenkonflikt nicht immer leicht, wirft die strafrechtliche Bewertung, die sich auf diese stützt, noch mehr Schwierigkeiten auf. Insbesondere bei Interessenwahrern, die nur im Nebenamt tätig sind (wie dies bei Aufsichtsratsmitgliedern der Fall ist), und die in gewissem Umfang auch eigene Interessen wahrnehmen dürfen, stößt die Vorschrift des § 266 StGB an ihre Grenzen.42 Im Fall des Rechtsanwalts, der gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen verstößt, greift der besondere Straftatbestand des Parteiverrats nach § 356 StGB.43 Erwähnenswert sind schließlich die Tätigkeits- und Berufsverbote, die allerdings nur bei gravierenden Pflichtverletzungen in Betracht kommen.44 Nach § 70 StGB kommt ein solches Verbot für einen Täter nur in Betracht „wegen einer rechtswidrigen Tat, die er unter Missbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen hat“ und wenn die Gefahr einer Wiederholung besteht. Allerdings machen die Strafgerichte von der Maßregel des § 70 StGB (Berufs- bzw. Gewerbeverbot) kaum Gebrauch und die Verwaltungsbehörden werden in dem besonders relevanten Fall der Insolvenz vor allem durch § 12 GewO behindert.45 Vergleichbare Möglichkeiten für eine Disqualifizierung von Geschäftsleitern sind im englischen Companies Directors Disqualification Act von 1986 eingehender und wirkungsvoller als im deutschen Recht geregelt.46 Wichtigste Fallgruppe der Disqualifikation eines director einer Kapitalgesellschaft ist die sog. unfitness – wer director einer insolventen Kapitalgesellschaft ist oder war und sich als ungeeignet zur Leitung einer Kapitalgesellschaft erwiesen hat, wird vom Gericht für jegliche weitere Tätigkeit als director disqualifiziert.47 Ein nicht unähnlicher Maßstab findet sich im deutschen Recht z. B. in §§ 32 ff. KWG, die für eine Versagung oder Aufhebung der Erlaubnis, Bank- oder Finanzdienstleistungen zu erbringen, unter anderem auf die fehlende Zuverlässigkeit abstellen. Hopt, FS Doralt, 2004, S. 213, 232 f. Zu den Einzelheiten ausführlich Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, passim. Zu dem diesem Tatbestand zugrunde liegenden Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen siehe § 12. 44 Zu Tätigkeitsverboten für Organmitglieder siehe z. B. Hirte/Lanzius/Mock, in: Lutter, Kapital der Aktiengesellschaft, S. 301 ff. 45 Steffek, Gläubigerschutz, S. 704. 46 Dies zeigt eine Auswertung der Rechtsprechung in England und Deutschland. Siehe Steffek, Gläubigerschutz, S. 697 ff. 47 Andere Tatbestände sind indictable offenses, persistent breaches of companies legislation, fraud, wrongful trading und undischarged bankrupts. Dazu Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 594 f. Für einen ähnlichen europaweiten Vorschlag siehe High Level Group of Company Law Experts, Report of 4.11.2002, ch. III.4.5 (S. 69 f.). 42 43
VI. Zusammenfassung
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VI. Zusammenfassung Verletzt der Interessenwahrer bei der Lösung eines Interessenkonflikts seine Interessenwahrungspflicht, kann dies Sanktionen nach sich ziehen. Der Geschäftsherr kann insbesondere Schadensersatz verlangen oder gegebenenfalls auch das gesamte Interessenwahrungsverhältnis beenden. Bei Maklern kommt es zu einer Verwirkung des Lohnanspruchs, eine Sanktion, die sich höchstens im Hinblick auf Provisionsansprüche auf andere Interessenwahrer übertragen lässt, sich aber nicht als allgemeine Folge der Verletzung von Interessenwahrungspflichten eignet. Außerdem sind für besonders gravierende Fälle aufsichts- und berufsrechtliche sowie strafrechtliche Sanktionen vorgesehen. Der besondere Charakter von Interessenwahrungsverhältnissen wirkt sich auf die Anwendung der Sanktionen aus. Dieser führt etwa im Fall des Schadensersatzverlangens statt der Leistung dazu, dass die nach § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche Fristsetzung grundsätzlich entfällt. Denn die Ausrichtung des Interessenwahrungsverhältnisses an den Interessen des Geschäftsherrn muss auch bei den Sekundäransprüchen berücksichtigt werden, sodass immer „besondere Umstände“ im Sinne von § 281 Abs. 2 Fall 2 BGB anzunehmen sind.
§ 19 Gewinnabschöpfung I. Einleitung Die Gewinnabschöpfung ist ein besonders effektives Mittel für den Umgang mit Interessenkonflikten des Interessenwahrers. Durch die drohende Abschöpfung von nicht mit der Interessenwahrungspflicht zu vereinbarenden Gewinnen des Interessenwahrers kann vielen Interessenkonflikten bereits im Vorfeld die Grundlage entzogen werden.1 Denn die zusätzlichen Einnahmen sind es oft, die den Interessenkonflikt überhaupt erst hervorrufen. Von nicht unwesentlicher Bedeutung ist dies insbesondere in den Fällen, in denen dem Interessenwahrer aufgrund eines pflichtwidrigen Verhaltens ein Gewinn zufließt, dabei jedoch für den Geschäftsherrn kein Schaden entsteht bzw. ein solcher nicht nachweisbar ist. Dies ist etwa der Fall, wenn der Interessenwahrer von Dritten Vorteile erhält, die ihn bei seiner Tätigkeit für den Geschäftsherrn zugunsten des Dritten beeinflussen sollen, ohne dass der Geschäftsherr dadurch geschädigt würde. Gleichzeitig ist der Eingriff in die Vertragsbeziehungen des Interessenwahrers mit dem Geschäftsherrn und dem Dritten sowie in seine Organisationsstruktur – wenn der Interessenwahrer ein Unternehmen ist – vergleichsweise gering.
II. Grundsatz und gesetzliche Verankerung der Gewinnherausgabepflicht 1.) Grundnorm in § 667 Fall 2 BGB Grundnorm für die Gewinnabschöpfung ist § 667 Fall 2 BGB, wonach der Beauftragte dem Auftraggeber „alles, […] was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben“ hat.2 Auf diese Bestimmung verweist eine Reihe von Regelungen für verschiedene vertragliche und gesetzliche Interessenwahrer. 1 Zu den Verhaltensanreizen durch Gewinnabschöpfung etwa Köndgen, RabelsZ 64 (2000), 661, 684 f. 2 A.A. Köndgen, RabelsZ 56 (1992), 696, 751 f.; ebenso Stoll, Haftungsfolgen, S. 233; vorsichtiger, an der Gewinnhaftungsfunktion von § 667 Fall 2 BGB zweifelnd Helms, Gewinnherausgabe, S. 372, der allerdings zugesteht, dass der Wortlaut ein solches Verständnis zulässt. Dazu unten § 19 IV.1.)b.).
II. Grundsatz und gesetzliche Verankerung der Gewinnherausgabepflicht
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Hierzu gehören etwa § 27 Abs. 3 BGB (Vereinsvorstand), § 48 Abs. 2 BGB (Vereinsliquidator), §§ 86 Satz 1, 27 Abs. 3 BGB (Vorstand einer rechtsfähigen Stiftung), § 675 Abs. 1 BGB (entgeltlicher Geschäftsbesorger), § 681 Satz 2 BGB (Geschäftsführer ohne Auftrag) sowie § 2218 Abs. 1 BGB (Testamentsvollstrecker). Auf § 667 BGB verwiesen wird zudem in § 713 BGB (BGB-Gesellschafter, über §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB außerdem anwendbar auf die geschäftsführenden Gesellschafter von OHG und KG). Eine inhaltlich gleiche Regelung findet sich in § 384 Abs. 2 2. Hs. Fall 2 HGB für den Kommissionär. Darüber hinaus enthalten § 61 Abs. 1 2. Hs. HGB (für den Handlungsgehilfen) und § 88 Abs. 2 Satz 2 AktG (für Vorstandsmitglieder von AGen) ausdrückliche Regelungen hinsichtlich der Gewinnabführung (sog. Eintrittsrecht). Solche Regelungen finden sich außerdem in § 113 Abs. 1 2. Hs. HGB (für die OHG und über § 161 Abs. 2 HGB für die KG), § 284 Abs. 2 Satz 2 AktG (für die persönlich haftenden Gesellschafter der Kommanditgesellschaft auf Aktien), § 6 Abs. 3 Satz 2 PartGG i.V.m. § 113 Abs. 1 HGB (für Partner einer Partnerschaftsgesellschaft). Die Eignung von § 667 Fall 2 BGB als (grundlegende) Norm für eine Gewinn abschöpfung bei Interessenkonflikten wird zum Teil bezweifelt. So wird eingewendet, dass sich § 667 Fall 2 BGB nicht auf einen von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter anwenden lasse.3 Dieses Argument überzeugt schon deshalb nicht, weil § 667 BGB als auftragsrechtliche Vorschrift nur für Fremdinteressenwahrungsverträge und vergleichbare Sachverhalte grundlegende Norm sein kann, nicht aber auch für Verträge der Interessengemeinschaft. Nicht durchgreifen kann auch das Argument, dass während der Tätigkeit angebahnte Geschäftschancen, die erst nach Beendigung der Tätigkeit vom Interessenwahrer an sich gezogen werden, nicht von § 667 BGB erfasst würden, auch wenn eine Abschöpfung wegen der nachwirkenden Interessenwahrungspflicht erforderlich sei.4 Eine solche zeitliche Beschränkung ist abzulehnen. § 667 BGB trifft lediglich eine Aussage über die Beziehung des Erlangens zur Geschäftsbesorgung, nicht aber über den Zeitpunkt des Erlangens. Hat daher ein Interessenwahrer Vorteile an sich gezogen, die im Zusammenhang mit seiner Geschäftsbesorgung stehen, kommt es nicht darauf an, wann er dies getan hat. Damit aber muss § 667 BGB über den Zeitpunkt der unmittelbaren Beendigung der Tätigkeit des Geschäftsbesorgers hinaus gelten. Dafür spricht zudem, dass andernfalls in vielen Fällen – insbesondere bei punktuellen Geschäftsbesorgungsverhältnissen – ein wesentlicher Teil des Anwendungsbereichs verloren gehen würde.
Helms, Gewinnherausgabe, S. 389. Helms, Gewinnherausgabe, S. 389.
3 4
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§ 19 Gewinnabschöpfung
2.) § 687 Abs. 2 BGB als ungeeignete Rechtsgrundlage für die Gewinnabschöpfung Die Vorschrift in § 687 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §§ 681 Satz 2, 667 Fall 2 BGB eignet sich als Grundlage für einen Anspruch auf Gewinnherausgabe nicht, weil hierfür ein unberechtigtes Eindringen in einen fremden Interessen- und Vermögenskreis Voraussetzung ist.5 Die eigennützige Geschäftsanmaßung, wie im Fall von § 687 Abs. 2 BGB und fremdnütziges Tätigwerden wie im Fall der Interessenwahrung schließen einander aus. Bei Interessenwahrungsverhältnissen besteht ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien und unterliegt der Interessenwahrer bereits gesteigerten Pflichten zur Wahrung der Interessen des Geschäftsherrn. Nutzt er seine Stellung als Interessenwahrer pflichtwidrig aus, um sich eigene Vorteile zu verschaffen, sollen diese ihm genommen werden. § 687 Abs. 2 BGB „zwingt“ dagegen den Betroffenen, der bisher noch keine besondere Vertrauensstellung hatte, erst in eine Stellung mit insofern vergleichbaren Pflichten hinein und damit zur Herausgabe der erlangten Vorteile.6
III. Zweck der Gewinnherausgabepflicht Die Verpflichtung zur Herausgabe des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten nach § 667 Fall 2 BGB hat ihre Grundlage im Interessenwahrungscharakter bzw. in der Fremdnützigkeit des Auftrags.7 Da der Beauftragte für Rechnung des Auftraggebers handelt, hat dieser letztlich alle Risiken des Geschäfts zu tragen und dementsprechend gebühren ihm – damit korrespondierend – alle aus der Geschäftsführung erlangten Vorteile.8 Diese Zuordnung durchzieht das Auftragsrecht und das Recht der anderen Interessenwahrungsverhältnisse, wie das Kommissionsrecht, und kommt an verschiedenen Stellen zum Ausdruck. Im Kommissionsrecht etwa neben § 384 Abs. 2 2. Hs. Fall 2 HGB auch in § 387 Abs. 1 und § 401 HGB. Die Interessenwahrungspflicht des Auftraggebers bzw. der anderen Interessenwahrer prägt letztendlich auch deren Herausgabepflicht bzw. wird durch diese flankiert.9 Mit der Gewinnherausgabepflicht können beim Interessenwahrer Vermögenszuflüsse abgeschöpft werden, die er aus dem Interessenwahrungsverhältnis erlangt hat und die seine Unbefangenheit im Verhältnis zum 5 Helms, Gewinnherausgabe, S. 391; siehe dazu auch etwa Stoll, Haftungsfolgen, S. 233; Veil, ZGR 2005, 155, 180. Für ein Abstellen auf § 687 Abs. 2 BGB insb. BAGE 11, 208, 211; BAG AP Nr. 4 zu § 687 BGB; BAG AP Nr. 5 zu § 687 BGB. 6 Helms, Gewinnherausgabe, S. 394. 7 Vgl. dazu etwa Staub/Koller, HGB, § 384 Rdnr. 74 (zur Kommission); Rusch, Gewinnhaftung, S. 205. 8 RGZ 99, 31, 32; Staudinger/Martinek, BGB, § 667 Rdnr. 1. 9 Dazu Mülbert, ZHR 172 (2008), 170, 201.
IV. Voraussetzungen, Umfang, analoge Anwendung
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Geschäftsherrn beeinträchtigen können.10 Auf diese Weise können anreizverzerrende Wirkungen von Vergütungen und anderen Vorteilen, die Dritte dem Interessenwahrer gewähren, neutralisiert werden.11 Denn dieser muss jederzeit davon ausgehen, dass potenziell willensbeeinträchtigende Vermögenszuflüsse im Nachhinein vom Geschäftsherrn abgeschöpft werden können. Das wiederum gewährleistet eine alleinige Ausrichtung am Interesse des Geschäftsherrn.12 Da der Interessenwahrer verpflichtet ist, alle Vorteile herauszugeben, die er sich im Zusammenhang mit einem Interessenkonflikt verschafft hat, wird ihm bereits ex ante der Anreiz genommen, sich überhaupt in eine Konfliktlage zu begeben.13 Gleichzeitig ermöglicht die Herausgabepflicht dem Geschäftsherrn, seinen Interessen im Nachhinein Geltung zu verschaffen, falls die drohende Herausgabe keine präventive Wirkung gehabt haben sollte. Damit stellt die Abschöpfung von Vorteilen, die ein Interessenwahrer aus einem Geschäft zusätzlich erlangt, ein effektives Mittel dar, um Interessenkonflikten wirksam zu begegnen. Zugleich dient sie der Absicherung der Interessenwahrungspflicht. Denn diese kann nur dann effektiv geschützt werden, wenn jeder Anreiz für einen Verstoß beseitigt wird.14 Entsprechend hat etwa bereits Jhering die besondere Bedeutung der Gewinnabschöpfung unrechtmäßig erlangter Gewinne im Fall von Interessenwahrungs- bzw. Treuepflichtverletzungen betont.15
IV. Voraussetzungen, Umfang, analoge Anwendung 1.) Voraussetzungen a.) Bestehen eines Interessenwahrungsverhältnisses Voraussetzung für einen Gewinnherausgabeanspruch ist zunächst, dass ein Interessenwahrungsverhältnis besteht, z. B. ein Auftrag (§ 667 Fall 2 BGB), ein Kommissionsverhältnis (§ 384 Abs. 2 2. Hs. Fall 2 HGB), eine Handlungsgehilfenschaft (§ 60 f. HGB) oder eine Mitgliedschaft im Vorstand einer Gesellschaft (§ 88 AktG). Vgl. RGZ 99, 31, 32; BGHZ 39, 1, 4; BGH ZIP 2001, 958, 960. Mülbert, ZHR 172 (2008), 170, 198; vgl. auch Köndgen, RabelsZ 56 (1992), 696, 750. Aus rechtsökonomischer Perspektive zur Anreizwirkung der Gewinnabschöpfung etwa Cooter/Ulen, Law & Economics, S. 319 f. 12 Vgl. Mülbert, ZHR 172 (2008), 170, 198; Rusch, Gewinnhaftung, S. 249. 13 BGHZ 38, 306, 309. Siehe außerdem König, FS von Caemmerer, S. 179, 200. 14 BGHZ 38, 306, 308 f.; vgl. auch BGHZ 89, 162, 171. 15 Jhering, Archiv für practische Rechtswissenschaft, IV N.F. (1867), 225, 250; außerdem Helms, Gewinnherausgabe, S. 369 ff.; Rusch, Gewinnhaftung; Stoll, Haftungsfolgen, S. 232 ff.; Hopt, ZGR 2004, 1, 48 f.; König, FS von Caemmerer, 1978, S. 179, 197 ff.; Köndgen, RabelsZ 56 (1992), 696, 750 ff.; Veil, ZGR 2005, 155, 180. 10 11
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§ 19 Gewinnabschöpfung
b.) „Aus der Geschäftsbesorgung erlangt“ Nach §§ 675 Abs. 1, 667 Fall 2 BGB ebenso wie nach § 384 Abs. 2 2. Hs. Fall 2 HGB hat der Beauftragte/Geschäftsbesorger/Kommissionär dasjenige herauszugeben, was er „aus der Geschäftsbesorgung erlangt“ hat. Dies umfasst alle Vorteile, die der Beauftragte im Rahmen einer ordnungsgemäßen Ausführung des Auftrags erzielt.16 Insbesondere gehört dazu die Leistung des Dritten aus dem Ausführungsgeschäft, also etwa der Verkaufserlös, den ein zum Verkauf eines Gegenstands Beauftragte eingenommen hat.17 Darüber hinaus erfasst sie auch sonstige Zuwendungen und Sondervorteile, die nicht unmittelbar aus der Geschäftsbesorgung erlangt worden sind oder Kommissionsgut darstellen. Denn „dem Besorger fremder Geschäfte [sollen] aus dieser Geschäftsführung keine Vorteile verbleiben …, die seine Unbefangenheit im Verhältnis zu seinem Auftraggeber beeinträchtigen können“.18 (i) „Innerer Zusammenhang“ mit der Geschäftsbesorgung Solche Vorteile sind der Rechtsprechung zufolge aus der Geschäftsbesorgung erlangt, wenn sie in ihr ihren wirtschaftlichen Grund sowie ihre wirtschaftliche Rechtfertigung und Erklärung finden.19 Voraussetzung dafür ist der Rechtsprechung zufolge, dass die Vorteile in einem „inneren Zusammenhang“ mit der Geschäftsbesorgung stehen.20 Das Kriterium des „inneren Zusammenhangs“ soll dazu dienen, das Merkmal des Erlangens „aus“ der Geschäftsbesorgung einzuschränken. Ausgenommen werden sollen Fälle, in denen Zuwendungen Dritter nicht die Gefahr begründen, dass der Geschäftsbesorger die fremdnützige Interessenwahrnehmung vernachlässigt.21 Dies sind Fälle, in denen er Zuwendungen lediglich „anlässlich der Geschäftsführung“ oder nur bei Gelegenheit der Geschäftsbesorgung erhält.22 Wegen des fremdnützigen Charakters der Geschäftsbesorgung bzw. der Interessenwahrungsverhältnisse ist das Kriterium jedoch weit gefasst.23 Daher darf der Geschäftsbesorger eine Zuwendung, die mit seiner Tätigkeit als Mittler zusammenhängt, nur Rusch, Gewinnhaftung, S. 202. Staub/Koller, HGB, § 384 Rdnr. 75; Canaris, Handelsrecht, § 30 Rdnr. 30 (S. 461); Rusch, Gewinnhaftung, S. 202. 18 BGHZ 39, 1, 4; siehe außerdem Lenz, in: Röhricht/von Westphalen, HGB, 2. Aufl., 2001, § 384 Rdnr. 12; entsprechend für § 667 BGB Soergel/Beuthien, BGB, § 667 Rdnr. 1. 19 RGZ 99, 31, 33; MünchKommHGB/Häuser, § 387 Rdnr. 7. 20 RGZ 99, 31, 33; 164, 98, 102 f.; BGHZ 38, 171, 175; 39, 1, 3; 143, 373, 375; BGH WM 1988, 1320, 1321; BGH NJW-RR 1992, 560; BGH NJW 2000, 2669, 2672; BGH ZIP 2004, 1267. Siehe dazu bereits Ehrenberg/Schmidt-Rimpler, Hdb des HandelsR, Bd. 5.1.1, S. 685 ff. Kritisch zu diesem Merkmal Staub/Koller, HGB, § 384 Rdnr. 78. Für eine Übersicht über den Meinungsstand siehe Mülbert, ZHR 172 (2008), 170, 194 ff. 21 Dazu Staudinger/Martinek, BGB, § 667 Rdnr. 12. 22 RGZ 55, 86, 91; 96, 53, 55; Staudinger/Martinek, BGB, § 667 Rdnr. 12; Hadding, ZIP 2008, 529, 531. 23 Canaris, Handelsrecht, § 30 Rdnr. 31 (S. 461). 16 17
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dann behalten, wenn „augenscheinlich jeder Bezug auf konkrete gegenwärtige oder zukünftige Ausführungsgeschäfte fehlt“.24 Nur dann besteht nicht die Besorgnis, dass der Geschäftsbesorger durch solche Zuwendungen veranlasst werden könnte, die Interessen seines Geschäftsherrn außer Acht zu lassen.25 Dementsprechend werden z. B. Schmiergeldzahlungen von § 667 Fall 2 BGB erfasst.26 Das Kriterium des inneren Zusammenhangs ist jedoch nicht ausreichend geeignet, um das mit ihm verfolgte Ziel zu erreichen, Zuwendungen Dritter, die die fremdnützige Interessenwahrung gefährden, zu verhindern. Denn mit Hilfe des Kriteriums des „inneren Zusammenhangs“ wurde z. B. auch der Fall, dass ein Vermögensverwalter die ihm anvertrauten Mitteln für eigene Zwecke verwendete und damit für eigene Rechnung tätig wurde, von § 667 BGB ausgenommen. Begründet wurde dies damit, dass der Verwalter in diesem Moment keine fremden Geschäfte besorgt habe.27 (ii) Gefahr eines Interessenkonflikts als Voraussetzung Das von der Rechtsprechung verfolgte Ziel – und zugleich der Zweck der Vorschrift –, Gefährdungen für die fremdnützige Interessenwahrung zu verhindern, lässt sich besser erreichen, wenn man die Gefährdungen selbst in den Blick nimmt. Diese bestehen darin, dass die Interessen des Geschäftsherrn, der seine Interessensphäre dem Interessenwahrer geöffnet hat, verletzt werden. Eine solche Verletzung tritt im Zuge eines manifestierten Interessenkonflikts ein. Damit aber wird der Interessenkonflikt wesentliche Voraussetzung für die Pflicht zur Gewinnherausgabe. „Aus der Geschäftsbesorgung erlangt“ ist daher ein Vorteil, wenn der Interessenwahrer seine Stellung zum eigenen Vorteil in einer Weise ausgenutzt hat, die zu einem Konflikt mit den Interessen des Geschäftsherrn führt.28 Damit werden nicht nur Schmiergeldzahlungen erfasst, sondern etwa auch die Fälle, in denen der Interessenwahrer Mittel, die ihm für die Geschäftsbesorgung überlassen worden sind, für eigene Zwecke einsetzt.29 24 Staub/Koller, HGB, § 384 Rdnr. 82 a. E. Zustimmend Canaris, Handelsrecht, § 30 Rdnr. 31 (S. 461). 25 Diese Besorgnis ist für die Rechtsprechung von besonderer Bedeutung. Siehe RGZ 99, 31, 33; BGHZ 39, 1, 3; BGH NJW-RR 1992, 560, 561. Dazu Staudinger/Martinek, BGB, § 667 Rdnr. 12. Das Kriterium der Geeignetheit zur Willensbeeinflussung wird vor allem einschränkend verwendet. Siehe Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 384 Rdnr. 15. 26 RGZ 96, 53; 164, 98; BGHZ 39, 1, 8; 38, 171, 175; BGH-NJW-RR 1987, 1380; BGH WM 1992, 879, 881; BGH NJW 2001, 2476, 2477. 27 So RGZ 152, 349, 354 (Vermögensverwalter, der unter Verwendung der ihm anvertrauten Mittel für eigene Zwecke ein Grundstück erwirbt). 28 Rusch, Gewinnhaftung, S. 204. 29 Zugleich kann so aber auch die pflichtgemäße „Erlangung“ erfasst werden. Denn die Annahme des Verkaufserlöses für den Geschäftsherrn begründet für den Interessenwahrer abstrakt einen Konflikt dahingehend, ob er den Erlös weiterleiten oder selbst behalten soll.
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Der Anknüpfung an den Interessenkonflikt ist vorgeworfen worden, sie führe zu einer widersprüchlichen Deutung von § 667 Fall 2 BGB.30 Wenn man auf den typischen Parteiwillen abstelle, müsse man Fiktionen heranziehen, um zu begründen, dass die Gewinnherausgabe im Fall eines Interessenkonfliktes, also von pflichtwidrig erzielte Vorteilen, dem Willen der Beteiligten entspräche. Es sei nicht ersichtlich, warum der Interessenwahrer einem solchen Wunsch des Geschäftsherrn folgen sollte. Wenn er aber zu einer Herausgabe gezwungen würde, hätte dies nichts mehr mit dem hypothetischen Parteiwillen zu tun. Daher könne § 667 Fall 2 BGB nur für pflichtgemäß erlangte Vorteile herangezogen werden. Oder ihm müsste zugleich Sanktionscharakter zugesprochen werden. Dem kann nicht gefolgt werden. Da der Geschäftsherr dem Interessenwahrer seine Interessensphäre öffnet, wird er vom Interessenwahrer zumindest konkludent verlangen, dass dieser alles unterlässt, was den Interessen des Geschäftsherrn schadet. Dazu gehört insbesondere auch, dass der Interessenwahrer seine Stellung nicht zum eigenen Vorteil und zu Lasten des Geschäftsherrn ausnutzt. Darauf aber kann der Geschäftsherr nur vertrauen, wenn dem Interessenwahrer diesbezügliche Anreize genommen sind. Dazu dient die Gewinnherausgabepflicht. Das muss aber wiederum der Interessenwahrer erkennen, wenn er sich auf das Interessenwahrungsverhältnis einlässt. Erklärt sich daher der Interessenwahrer damit einverstanden, die Interessen des Geschäftsherrn zu wahren, erklärt er zugleich, auch konfliktunterdrückende Pflichten übernehmen zu wollen. Vor dem Hintergrund der Herausgabepflicht, wird der Interessenwahrer eine Kosten-Nutzen-Abwägung treffen, ob für ihn die Vorteile der Übernahme des Auftrags die Nachteile, wie insbesondere die Herausgabe alles Erlangten, überwiegen oder nicht. Damit haben sich die Parteien bereits im Rahmen ihrer Verhandlungen über die Zuordnung der property rights an den Vorteilen aus der Geschäftsbesorgung geeinigt. Die Gewinnherausgabe ist dann lediglich die Umsetzung dieser vertraglich vereinbarten Zuordnung. c.) Kein Verschulden erforderlich Aus §§ 60 f., 112 f. HGB31, § 88 AktG wird verbreitet abgeleitet, dass für die Gewinnherausgabepflicht ein schuldhaftes Handeln Voraussetzung sei.32 Be Dazu und zum Folgenden Helms, Gewinnherausgabe, S. 387. §§ 112 f. sind für eine Analogie in diesem Fall allerdings ungeeignet, weil es sich dabei um eine Regelung im Zusammenhang mit einem Vertrag der Interessengemeinschaft handelt, nicht um eine Regelung für einen Fremdinteressenwahrungsvertrag. 32 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 61 Rdnr. 13; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Goette, HGB, § 113 Rdnr. 11; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Hefermehl, AktG, § 88 Rdnr. 24; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 31; K. Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 88 Rdnr. 13; zweifelnd Hüffer, AktG, § 88 Rdnr. 7; Helms, Gewinnherausgabe, S. 428 f.; a.A. KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rdnr. 23; Spindler/ Stiltz/Fleischer, AktG, § 88 Rdnr. 37. 30 31
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gründet wird dies damit, dass §§ 61 Abs. 1, 113 Abs. 1 HGB, § 88 Abs. 2 AktG ein Wahlrecht zwischen Herausgabe und Schadensersatz vorsähen („statt dessen“) und daher für die Gewinnherausgabe auch dieselben Voraussetzungen erfüllt sein müssten.33 Da bei den genannten Schadensersatzvorschriften der allgemeine Verschuldensgrundsatz gelte,34 müsse somit auch die Gewinnherausgabe ein Verschulden voraussetzen. Die Wortwahl „statt dessen“ in §§ 61 Abs. 1 2. Hs., 113 Abs. 1 2. Hs. HGB, § 88 Abs. 2 Satz 2 AktG muss aber nicht zwingend zu gleichen Voraussetzungen für die Ansprüche führen.35 Sie kann auch lediglich bedeuten, dass nicht beide Ansprüche gleichzeitig geltend gemacht werden dürfen, sondern sich der Geschäftsherr auf einen der Ansprüche beschränken muss.36 Sinn und Zweck der Gewinnabschöpfung sprechen für einen strengeren Maßstab, also gegen das Erfordernis eines Verschuldens.37 Sie dient nicht nur der nachträglichen Gewinnabschöpfung sondern auch präventiv dazu, fehlerhafte Anreize zu beseitigen, die ein Interessenkonflikt mit sich bringt. Reicht bereits das bloße Erlangthaben und damit der mögliche Interessenkonflikt für die Herausgabepflicht aus, ohne dass sich der Interessenwahrer verteidigen kann, wird er noch stärker motiviert sein, die Interessen seines Geschäftsherrn zu wahren.38 Insbesondere wird er dadurch angehalten, sich um die (wirksame) Einwilligung seines Geschäftsherrn zu bemühen und dies möglichst umsichtig und interessenwahrend zu tun.39 Des Weiteren führt das fehlende Verschuldenserfordernis für den Geschäftsherrn zu einer Beweiserleichterung, denn in diesem Fall reicht der Nachweis des (abstrakten) Interessenkonflikts des Interessenwahrers aus; es kommt dann auch nicht darauf an, ob der Interessenkonflikt für den Interessenwahrer erkennbar war.40 Schließlich ist der Interessenwahrer auch nicht derart schutzwürdig, dass es zwingend geboten wäre, ein Verschuldenserfor33 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 61 Rdnr. 13; MünchKommAktG/ Spindler, § 88 Rdnr. 28. 34 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 61 Rdnr. 4; zum Verschuldenserfordernis für den Schadensersatzanspruch nach § 61 Abs. 1 HGB auch Heymann/Henssler, HGB, § 61 Rdnr. 4. 35 Zu historisch ausgerichteten Argumenten gegen ein Verschuldenserfordernis in diesem Zusammenhang Helms, Gewinnherausgabe, S. 399 f. In der Begründung zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895, S. 52 wurde für die nur wahlweise Einräumung der Gewinnherausgabe auf die „Billigkeit“ verwiesen. Wie Helms zu Recht ausführt, spricht dies eher dafür, dass man eine Kumulierung beider Rechtsbehelfe für zu weitgehend hielt, als dass man sie für Pendants ansah. 36 KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rdnr. 23; Spindler/Stiltz/Fleischer, AktG, § 88 Rdnr. 37; Rusch, Gewinnhaftung, S. 231. 37 Gegen ein Verschuldenserfordernis neben den in Fn. 37 Genannten etwa auch Scholz/ Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 169. 38 Rusch, Gewinnhaftung, S. 231; vgl. auch Spindler/Stiltz/Fleischer, AktG, § 88 Rdnr. 37 (verbesserter Präventivschutz). 39 Rusch, Gewinnhaftung, S. 231 f. 40 Rusch, Gewinnhaftung, S. 231.
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dernis vorzusehen. Denn anders als der Schadensersatzanspruch lässt die Gewinnabschöpfung das sonstige (außerhalb des fehlerhaft Erlangten befindliche) Vermögen des Interessenwahrers unberührt. Es wird lediglich der Vorteil abgeschöpft, den der Interessenwahrer aufgrund der Verletzung seiner Interessenwahrungspflicht erlangt hat und dieser genießt keinen Schutz.41 Entsprechend ist es auch nicht erforderlich, eine Beschränkung der Haftung auf Verschulden vorzusehen. Grundsätzlich wird es aber nur selten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Denn der Interessenwahrer handelt nur dann „schuldlos“, wenn er nicht erkennen konnte, dass er in einen Konflikt mit den Interessen seines Geschäftsherrn gerät.42 Solche Fälle sind aber eher selten. Zudem sind solche Fälle auszunehmen, bei denen die Unkenntnis des Interessenwahrers darauf zurückzuführen ist, dass der Geschäftsherr seine Interessen geheim gehalten hat. Denn dann fehlt es bereits an einer Pflichtverletzung des Interessenwahrers, weil der Geschäftsherr diesbezüglich keine Loyalität verlangen kann.43
2.) Umfang der Herausgabepflicht Herauszugeben ist nach § 667 Fall 2 BGB das „Erlangte“. Erlangt der Interessenwahrer eine Sache oder ein Recht, und lässt sich diese(s) noch identifizieren, muss er sie bzw. es herausgeben44 bzw. abtreten.45 Im Fall einer Geldzahlung hat dies dann zu gelten, wenn der Interessenwahrer bestimmte Geldzeichen erhalten hat und diese sich in seinem Vermögen noch identifizieren lassen.46 Hat er aber z. B. im Zuge eines unbar abgewickelten Geschäfts eine Geldsumme erhalten, besteht eine Geldwertschuld.47 Um eine ausreichende Prävention sicherzustellen, sind außerdem Nutzungen herauszugeben, die der Interessenwahrer aus dem erlangten Gegenstand erzielt hat; nur so wird sichergestellt, dass er keinen Vermögensvorteil durch sein pflichtwidriges Handeln
Für dieses Argument Rusch, Gewinnhaftung, S. 232. Für Beispiele schuldlos herbeigeführter Interessenkonflikte siehe Rusch, Gewinnhaftung, S. 230 f. 43 Rusch, Gewinnhaftung, S. 231. 44 Bzw. den Besitz oder das Eigentum daran verschaffen. Dazu MünchKommBGB/Seiler, § 667 Rdnr. 11. 45 MünchKommBGB/Seiler, § 667 Rdnr. 11; Palandt/Sprau, BGB, § 667 Rdnr. 7 Soergel/Beuthin, BGB, § 667 Rdnr. 18; Staudinger/Martinek, BGB, § 667 Rdnr. 11; Rusch, Gewinnhaftung, S. 233 f. 46 Rusch, Gewinnhaftung, S. 234. Im Falle eines Verlustes (§ 275 Abs. 1 BGB) ist er nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB zum Schadensersatz verpflichtet; im Fall einer Einzahlung des Geldes auf ein Konto geht der Herausgabeanspruch nach § 285 Abs. 1 BGB in einen Anspruch auf Abtretung des Auszahlungsanspruchs gegen die Bank über, der in seiner Höhe demjenigen des Wertes der herauszugebenden Geldzeichen entspricht. A.a.O. 47 Rusch, Gewinnhaftung, S. 234. 41
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erzielt.48 Denn Vermögensveränderungen im Zuge der interessenwahrenden Tätigkeit sollen sich – abgesehen von der vom Geschäftsherrn gezahlten Vergütung – ausschließlich auf das Vermögen des Geschäftsherrn auswirken. 49 Im Fall der §§ 61 Abs. 1 3. Hs., 113 Abs. 1 2. Hs. HGB, § 88 Abs. 2 Satz 2 AktG hat der Interessenwahrer den Geschäftsgewinn herauszugeben, den er aufgrund der Verletzung des Wettbewerbsverbots erzielt hat.50 Dies führt aber lediglich zu einer Abschöpfung des Ergebnisses dieser Tätigkeit, d. h. der Interessenwahrer muss erlangte Sachen herausgeben oder erlangte Forderungen abtreten. Der Geschäftsherr tritt dagegen nicht in die im Rahmen dieser Tätigkeit entstandenen Rechtsbeziehungen mit Dritten ein.51 Denn bei der Gewinnherausgabe geht es lediglich um die Folgen der Verletzung des Wettbewerbsverbots im Innenverhältnis.52 In diesem wird der Interessenwahrer so behandelt, als sei er für Rechnung des Geschäftsherrn tätig geworden.53 Insofern ist die Bezeichnung der handels- und gesellschaftsrechtlichen Ansprüche als „Eintrittsrechte“ in diesem Zusammenhang irreführend.54
3.) Analoge Anwendung a.) Grundsätzliche Möglichkeit einer Rechtsanalogie Soweit für ein Interessenwahrungsverhältnis nicht ohnehin auf § 667 Fall 2 BGB verwiesen wird, kann die Gewinnherausgabepflicht im Wege einer Rechtsanalogie zu § 61 Abs. 1 2. Hs. HGB, § 88 AktG sowie § 667 Fall 2 BGB und § 384 Abs. 2 2. Hs. Fall 2 HGB auf dieses Interessenwahrungsverhältnis übertragen werden.55 Diesen Regelungen liegt die gesetzliche Wertung zugrunde, dass Gewinne aus einem Verstoß gegen die Interessenwahrungspflicht dem Geschäftsherrn überlassen werden müssen.56 Da jeder Interessenwahrer einer besonderen Interessenwahrungspflicht unterliegt und diese verletzt, wenn er seine besondere Stellung als Interessenwahrer zum eigenen Vorteil ausnutzt, lässt sich diese Wertung für alle Interessenwahrungsverhältnisse überneh48 Rusch, Gewinnhaftung, S. 234; siehe auch Staudinger/Martinek, BGB, § 667 Rdnr. 10. 49 Soergel/Beuthin, BGB, § 667 Rdnr. 1; Rusch, Gewinnhaftung, S. 234. 50 Dazu ausführlich Helms, Gewinnherausgabe, S. 395 ff. 51 Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 61 Rdnr. 3, § 113 Rdnr. 3; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Goette, HGB, § 113 Rdnr. 11, 14, 18 f.; Helms, Gewinnherausgabe, S. 429; Rusch, Gewinnhaftung, S. 235. 52 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Goette, HGB, § 113 Rdnr. 10, 14 f., 18 f. 53 Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 113 Rdnr. 2 . 54 Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 61 Rdnr. 3; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Goette, HGB, § 113 Rdnr. 10. Dazu etwa auch Helms, Gewinnherausgabe, S. 396. 55 Rusch, Gewinnhaftung, S. 229. Zur Ungeeignetheit von § 113 Abs. 1 2. Hs. HGB für eine Analogie siehe bereits Fn. 32. Insofern zu weitgehend Rusch, Gewinnhaftung, S. 220 ff. 56 Rusch, Gewinnhaftung, S. 229.
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men.57 Denn insofern sind die Fälle, in denen keine ausdrückliche Regelung zur Gewinnherausgabe besteht, mit denjenigen vergleichbar, in denen eine gesetzliche Regelung existiert. Daher ist z. B. die Gewinnherausgabepflicht beim GmbH-Geschäftsführer ebenfalls anwendbar.58 Außerdem kann die Gewinnherausgabepflicht auch auf gesetzliche Interessenwahrer, wie Pfleger und Vormünder, übertragen werden. Denn gerade auch in diesen Fällen gebietet dies die „Notwendigkeit unbedingter Redlichkeit“ und gilt der „Gedanke, dass demjenigen, dessen Geschäfte geführt werden, die gesamten Vorteile aus der Geschäftsführung gebühren“.59 b.) Gewinnherausgabe beim Handelsvertreter Anders als im Fall des GmbH-Geschäftsführers ist die Rechtsprechung im Fall des Handelsvertreters, bei dem eine Gewinnherausgabe gesetzlich nicht vorgesehen ist, zurückhaltend gegenüber einer Analogie zu § 61 Abs. 1 Hs. 2 HGB, § 88 AktG.60 Mit Hinweis auf die Entstehungsgeschichte – die Übernahme einer § 61 HGB entsprechenden Regelung sei ausdrücklich unterlassen worden – und die gegenüber dem Handlungsgehilfen unterschiedliche Interessenlage hat der BGH eine Analogie bisher abgelehnt.61 Das Verhältnis zwischen Geschäftsherr und Handlungsgehilfe sei sehr viel näher als dasjenige zwischen Geschäftsherr und Handelsvertreter. Dies zeige sich schon daran, dass der Handelsvertreter selbst Kaufmann sei und als solcher nach eigenem Ermessen über seine Zeit und Arbeitskraft verfügen könne. Außerdem dürfe der Handlungsgehilfe, ähnlich wie der OHG-Gesellschafter, sein Gehalt grundsätzlich auch dann behalten, wenn er unerlaubte Geschäfte getätigt habe, sodass ihm eine Herausgabe zugemutet werden könne. Demgegenüber stellten die Provisionseinnahmen für den Handelsvertreter gewöhnlich das einzige Einkommen dar, sodass diesem „die wirtschaftliche Lebensgrundlage abgeschnitten werden“ würde.62
57 Sachliche Grundlage der Gewinnabschöpfung ist somit die Verletzung einer Interessenwahrungspflicht. Siehe BGHZ 89, 162, 165; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rdnr. 5. 58 BGH WM 1964, 1320, 1321. Siehe auch BGHZ 89, 162, 171; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 169. 59 RGZ 164, 98, 103. 60 Diese würde enger als die erwähnte Gesamtanalogie lediglich an die Gewinnabschöpfung im Zusammenhang mit Wettbewerbsverboten von Interessenwahrern anknüpfen. 61 BGH NJW 1964, 817 f.; so auch schon RG LZ 1909, 862, 863; vgl. außerdem RG JW 1928, 2092 f.; BGH ZIP 1996, 1006, 1008. 62 BGH NJW 1964, 817; dem folgend und gegen eine Gewinnherausgabe Hopt, Handelsvertreterrecht, § 86 Rdnr. 32. Gegen eine Herausgabepflicht (Eintrittsrecht) auch z. B. OLG Hamm, NJW-RR 1987, 1114, 1115; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 86 Rdnr. 4 4.
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Dem ist jedoch mit Recht entgegengetreten worden.63 Zwar sind die für das Wettbewerbsverbot des unselbständigen Handlungsgehilfen ausschlaggebenden Wertungsgesichtspunkte nicht auf den Handelsvertreter als selbständigen Unternehmer übertragbar. Denn zum einen ist die Risikoverteilung in der Beziehung Unternehmer-Handelsvertreter eine andere, weil letzterer wirtschaftlich selbst das Marktrisiko trägt, zum anderen ist seine Beziehung zum Unternehmer auch weniger eng als diejenige zwischen Handelsgehilfen und Arbeitgeber.64 Aber dass der Handelsvertreter selbständig ist, ändert nichts an seiner Interessenwahrungspflicht. Gerade auch das auf Dauer angelegte Interessenwahrungsverhältnis zwischen Unternehmer und Handelsvertreter führt zu einer besonderen Treuebindung. Der Umstand, dass die Gewinnherausgabepflicht nicht gesetzlich geregelt worden ist, bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Gesetzgeber sie bewusst weggelassen hat. Denn auch das Wettbewerbsverbot des Handelsvertreters, an das die Gewinnabschöpfung anknüpft, ist nicht gesetzlich geregelt worden, sondern erst im Laufe der Zeit von Rechtsprechung und Lehre entwickelt worden.65 Und schließlich ist eine Gewinnherausgabe auch nicht unbillig und bedeutet keine Gefährdung der „wirtschaftlichen Lebensgrundlage“. Denn diese kann dadurch vermieden werden, dass bei der Bestimmung des Umfangs des Wettbewerbsverbots die wirtschaftlichen Interessen des Handelsvertreters berücksichtigt und der Geschäftskreis, für den der Handelsvertreter die Interessenwahrnehmung übernommen hat, entsprechend bestimmt werden.66 Darüber hinaus kommt es nicht so sehr auf die Verteilung des Geschäftsrisikos an als vielmehr auf die besondere Vertrauensstellung des jeweiligen Interessenwahrers und die Auswirkung seiner Interessenkonflikte. Gemeinsamer Kern der verschiedenen Gewinnabschöpfungsregelungen ist, dass sie in Situationen, in denen zum einen eine besondere Gefahr von Interessenkonflikten besteht und zum anderen diese Interessenkonflikte besonders wichtige Bereiche der wirtschaftlichen Tätigkeit des Geschäftsherrn betreffen, eine Gewinnabschöpfung vorsehen. Vor diesem Hintergrund erscheint auch eine analoge Anwendung von § 61 Abs. 1 Hs. 2 HGB, § 88 AktG auf den Handelsvertreter zulässig und sogar erforderlich.
63 Canaris, Handelsrecht, § 15 Rdnr. 44 (S. 259); ihm folgend Rusch, Gewinnhaftung, S. 224; für einen Rückgriff auf § 687 Abs. 2 Satz 1 BGB Helms, Gewinnherausgabe, S. 422. 64 Dazu Helms, Gewinnherausgabe, S. 422 f. 65 Canaris, Handelsrecht, § 17 Rdnr. 44 (S. 259); Rusch, Gewinnhaftung, S. 224. Zum Wettbewerbsverbot des Handelsvertreters § 11 IV.3.). 66 Rusch, Gewinnhaftung, S. 224.
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V. Einzelheiten am Beispiel der Herausgabe von durch Dritte geleisteten Provisionen Ein wesentlicher Anwendungsbereich von Gewinnherausgabepflichten sind Vertriebs-, Vertriebsfolge- und andere Provisionen, die von Dritten im Zusammenhang mit dem Vertrieb vor allem von Finanzprodukten geleistet werden. 67 Solche Zuwendungen Dritter dienen dazu, die Mittlerfunktion des jeweiligen Geschäftsbesorgers und Interessenwahrers zu beeinflussen und so den Absatz der Finanzprodukte zu fördern. 68 Die Bereitschaft des Interessenwahrers zur Beschaffung solcher Finanzprodukte für seine Kunden soll geweckt und gesteigert werden. Das führt zu der konkreten Gefahr, dass der Interessenwahrer in einen Interessenkonflikt gerät69 und Geschäfte für seine Kunden nicht allein in deren Interesse tätigt, sondern zumindest auch in seinem eigenen Interesse, möglichst hohe Vertriebsvergütungen zu erhalten.70 Selbst wenn sich eine solche Zuwendung nicht auf den Preis auswirken sollte, beeinflusst sie doch die Entscheidungen des Interessenwahrers, insbesondere auch im Hinblick auf die von ihm durchgeführte Prüfung der Anlagesicherheit und -wertigkeit.71 Dementsprechend fallen Vertriebsprovisionen, die von Dritten gewährt werden und an einzelne Geschäfte anknüpfen, in den Anwendungsbereich von § 667 Fall 2 BGB. Dass solche Zuwendungen auch nicht lediglich anlässlich der Geschäftsbesorgung bzw. des Interessenwahrungsverhältnisses erlangt werden, illustriert ein Vergleich mit Trinkgeldern, die regelmäßig von der Herausgabepflicht ausgenommen werden: Werden Trinkgelder gewährt, so gelten diese als lediglich bei Gelegenheit der Geschäftsbesorgung erlangt und unterliegen daher nicht der Herausgabepflicht.72 Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Allgemeinen üblich sind und in der Regel erst nachträglich gewährt werden73 und nicht aufgrund einer vorab erfolgten Vereinbarung. Da die Erlangung ungewiss ist, ist es nur wenig wahrscheinlich, dass sie im Einzelfall zu einer Willensbeeinflussung führen. Entsprechend begründen sie nicht die Gefahr, dass der Bedachte in einen Interessenkonflikt gerät.74 Vertriebsvergütungen und ähnliche Zuwen Siehe dazu nur Kumpan, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 33 ff.; Schäfer, FS Nobbe, 2009, S. 725 ff. 68 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Krüger, HGB, § 384 Rdnr. 26. Zur Mittlerfunktion von Banken bei Wertpapiergeschäften Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 375 ff. 69 BGHZ 170, 226, 234; bzgl. des Vermögensverwalters BGHZ 146, 235, 239. Siehe auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Krüger, HGB, § 384 Rdnr. 26; Koller, BB 1978, 1733, 1739. 70 BGHZ 170, 226, 234; Koller, BB 1978, 1733, 1739. 71 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Krüger, HGB, § 384 Rdnr. 26. 72 Hadding, ZIP 2008, 529, 531. 73 Hadding, ZIP 2008, 529, 531. 74 Staudinger/Martinek, BGB, § 667 Rdnr. 12. 67
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dungen werden hingegen in der Regel zwischen dem Interessenwahrer und dem Dritten vorab vereinbart. Daher haben solche Vertriebsvergütungen grundsätzlich das Potenzial, die Interessen und damit die Entscheidungen des Interessenwahrers zu beeinflussen. Entsprechend greift hier die ratio der Gewinnherausgabepflicht, potenziell willensbeeinträchtigende Vermögenszuflüsse abzuschöpfen und so bereits im Vorfeld anreizverzerrende Wirkungen zu neutralisieren, um die Interessen des Geschäftsherrn zu schützen. Erfasst werden von § 667 Fall 2 BGB außerdem andere Zuwendungen, wie Vertriebsfolgeprovisionen und geldwerte Vorteile, die nur mittelbar an die vom Interessenwahrer vorgenommenen Ausführungsgeschäfte anknüpfen. Es spielt dabei keine Rolle, ob solche Zuwendungen einem bestimmten Geschäft unmittelbar zugeordnet werden oder in gewissen Zeitabständen gezahlt werden. Entscheidend ist lediglich, dass die Zuwendungen umsatzabhängig gewährt werden.75 Damit hat jedes einzelne Geschäft Auswirkung auf die dem Interessenwahrer letztlich gezahlte Vergütung; denn höhere Zahlungen sind an einen höheren Absatz der Produkte bzw. Finanzinstrumente des Dritten gebunden. Entsprechend sind sie dazu geeignet, den Interessenwahrer bei seinen Entscheidungen für seine Geschäftsherren zu beeinflussen. Damit greift auch hier die ratio der Gewinnherausgabepflicht. Außerdem spricht in diesem Zusammenhang für die Annahme einer Gewinnherausgabepflicht, dass bereits bei der Entstehung des Handelsgesetzbuchs Vorschläge zur Beschränkung der Herausgabepflicht, die es dem Kommissionär erlaubt hätten, diejenigen Vorteile für sich zu behalten, die der Dritte ihm nicht für das einzelne Kaufgeschäft bewilligt haben würde, verworfen und im Handelsgesetzbuch gerade keine Berücksichtigung gefunden haben.76
1.) Keine Verdrängung durch privatrechtliche Pflichten Der Herausgabeanspruch des Geschäftsherrn wird weder durch die Möglichkeit verdrängt, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, noch kann die Vertriebsvereinbarung zwischen dem Interessenwahrer und dem Dritten die Herausgabepflicht des Interessenwahrers gegenüber dem Geschäftsherrn ausschließen. Auch die Aufklärungspflicht des Interessenwahrers schließt eine Herausgabe nicht aus. a.) Keine Verdrängung durch Schadensersatzpflicht Schadensersatzansprüche des Geschäftsherrn können entstehen, wenn der Interessenwahrer einem Interessenkonflikt erliegt und dementsprechend seine Interessenwahrungspflicht oder seine Pflicht zur Aufklärung über einen sol BGHZ 170, 226, 234 f. Siehe dazu Ehrenberg/Schmidt-Rimpler, Hdb des HandelsR, Bd. 5.1.1, S. 620 f.
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chen Konflikt schuldhaft verletzt.77 Der Schadensersatzanspruch kann – je nach den Umständen – zur Rückabwicklung des jeweiligen Geschäfts, aber auch der gesamten Geschäftsbeziehung führen.78 Daraus wird abgeleitet, dass im Zusammenhang mit Zuwendungen Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Interessenwahrungspflicht oder von Aufklärungspflichten Herausgabeansprüche nach § 384 Abs. 2 2 Hs. Fall 2 HGB bzw. §§ 675 Abs. 1, 667 BGB ausschließen sollen.79 Dies berücksichtigt nicht, dass es letztlich die Entscheidung des Geschädigten ist, ob er sich auf die Pflichtverletzung des Interessenwahrers beruft und eine schadensersatzrechtliche Rückabwicklung anstrebt oder trotz der Pflichtverletzung am Vertrag festhält und Herausgabe des Erlangten verlangt. Insofern schließt die Möglichkeit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen einen Gewinnherausgabeanspruch nicht von vornherein aus.80 Außerdem sollte der Geschäftsherr nicht ausschließlich auf Schadensersatzansprüche angewiesen sein, weil es häufig schwer sein wird, den notwendige Nachweis einer kausalen Schädigung zu führen.81 Erschwerend kommt das Verschuldenserfordernis bei Schadensersatzansprüchen hinzu, selbst wenn nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zunächst der Interessenwahrer für das Nichtvertretenmüssen darlegungs- und beweispflichtig ist. Würden Schadensersatzansprüche den Gewinnherausgabeanspruch immer verdrängen, würde der besondere Schutz des Geschäftsherrn, der durch die Interessenwahrungspflicht und die Aufklärungspflichten des Interessenwahrers gewährleistet werden soll, erheblich verringert. b.) Keine Beschränkung durch Vertriebsvereinbarung Die Ablehnung der Herausgabe von Zuwendungen Dritter, wie z. B. Vertriebsvergütungen, kann auch nicht mit dem Argument begründet werden, dass diese ihren Rechtsgrund in der Vertriebsvereinbarung mit dem Dritten, in der Regel dem Emittenten, haben.82 Nach dieser Argumentation soll die Vertriebsvereinbarung als selbständige, allgemeine Vereinbarung einen eigenen Rechtsgrund dafür darstellen, dass der Interessenwahrer die Zuwendungen behalten dürfe. Die Zuwendungen seien nicht für den Geschäftsherrn be77 BGHZ 146, 235; 170, 226, 234 f.; Staub/Koller, HGB, § 384 Rdnr. 82; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 384 Rdnr. 36; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Krüger, HGB, § 384 Rdnr. 26; für § 667 BGB Staudinger/Martinek, BGB, § 667 Rdnr. 12. Außerdem Assmann, ZBB 2008, 21, 31. 78 BGHZ 146, 235, 241 (Ersatz des gesamten Schadens). 79 Hadding, ZIP 2008, 529, 537. 80 Auch das Reichsgericht hat Schadensersatzansprüche neben dem Herausgabeanspruch aus § 667 BGB nicht für ausgeschlossen gehalten, siehe RGZ 164, 98, 106. 81 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Krüger, HGB, § 384 Rdnr. 26. 82 Zu diesem Argument und den folgenden Ausführungen siehe Hadding, ZIP 2008, 529, 535 und 537.
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stimmt, daher könnten Vertriebsvergütungen auch nicht „aus der Geschäftsbesorgung“ erlangt sein. Erhalte das Kreditinstitut aufgrund der generellen Vertriebsvereinbarung mit dem Dritten von diesem eine umsatzabhängige Zuwendung, so bildeten die einzelnen Ausführungsgeschäfte jeweils lediglich ein die Höhe der Vertriebsvergütung bestimmendes Tatbestandselement. Es ist jedoch unerheblich, ob eine Zuwendung an den Interessenwahrer nach dem Willen des Dritten „nicht für den Auftraggeber bestimmt“ war oder nicht.83 Entscheidend ist, ob die zugewendeten Sondervorteile „eine Willensbeeinflussung zum Nachteil des Auftraggebers befürchten lassen“.84 Dies ist bei Vertriebsvergütungen in besonderem Maße der Fall. Da die Höhe der vom Dritten an den Interessenwahrer gezahlten Vergütung vom Umfang der vertriebenen Finanzinstrumente abhängt, besteht für den Interessenwahrer der Anreiz, möglichst viele dieser Finanzinstrumente für seine Geschäftsherren zu erwerben, um so die Zahlungen des Dritten zu erhöhen. Nur aufgrund dieses Anreizes ist eine solche, zu einer Zahlungspflicht führende Vereinbarung für den Dritten überhaupt von Interesse. Die vorgelagerte Vertriebsvereinbarung ermöglicht so eine besonders wirkungsvolle Beeinflussung des Interessenwahrers. Selbst wenn man die allgemeine Vertriebsvereinbarung als selbständige causa für die Zuwendung ansehen würde, spricht die Abhängigkeit der Zahlungshöhe vom einzelnen Geschäft sowie das erhebliche Beeinflussungspotenzial hinsichtlich des einzelnen Geschäfts für einen inneren Zusammenhang zwischen dem jeweiligen Geschäft und der Zuwendung. Dann aber können die Parteien des Ausführungsgeschäfts auch nicht über die Herausgabepflicht des Interessenwahrers gegenüber dem Geschäftsherrn disponieren.85 Dies aber würden sie tun, wenn der Herausgabeanspruch allein aufgrund der Vertriebsvereinbarung ausgeschlossen würde. c.) Keine Verdrängung durch Aufklärungspflicht Des Weiteren wird vertreten, dass eine Herausgabepflicht des Geschäftsbesorgers wegen der diesem obliegenden Aufklärungspflicht gegenüber seinem Geschäftsherrn nicht mehr gerechtfertigt werden könne.86 Soweit Vertriebsvergütungen als an die Geschäftsbesorgung anknüpfend betrachtet werden, wird wohl eine teleologische Reduktion des § 667 Fall 2 BGB – bzw. der entsprechenden parallelen Vorschriften – erwogen. Als Grund wird angeführt, dass es für Gewinnherausgabeansprüche an einer tragfähigen Rechtfertigung fehle, weil die Interessen des Geschäftsherrn aufgrund der vorvertraglichen Aufklärungspflichten bereits ausreichend geschützt seien.87 BGH NJW 2000, 2669, 2672; NJW-RR 1987, 1380; WM 1988, 1320, 1321. BGHZ 39, 1, 4; BGH NJW 1991, 1224; 2000, 2669, 2672; WM 1988, 1320, 1321. 85 MünchKommHGB/Häuser § 387 Rdnr. 7. 86 Hadding, ZIP 2008, 529, 534 ff.; Mülbert, ZHR 172 (2008), 170, 198, 202 ff. 87 Hadding, ZIP 2008, 529, 536. 83
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Mit ähnlichen Argumenten, aber anderer rechtlicher Einordnung, wird vertreten, dass Vertriebsvergütungen bei der Effektenkommission nicht aus der Geschäftsbesorgung erlangt würden, weil Inhalt der Effektenkommission lediglich sei, dass der Kommissionär ein bestimmtes Wertpapier zu bestmöglichen Bedingungen beschaffen solle. Nicht dazu gehöre die vorausgehende Empfehlung dieses Wertpapiers, an die die Vertriebsvergütung anknüpfe, denn diese sei Gegenstand eines eigenständigen Beratervertrages.88 Für eine analoge Anwendung des Herausgabeanspruchs nach § 384 Abs. 2 2. Hs. Fall 2 HGB fehle es an der notwendigen Regelungslücke. Denn der Kunde sei bereits durch die für Vertriebsvergütungen geltende Aufklärungspflicht ausreichend geschützt.89 (i) Aufklärungspflicht bei Zuwendungen In der Rechtsprechung des BGH zu Zuwendungen Dritter steht der durch solche Zuwendungen verursachte Interessenkonflikt im Mittelpunkt. Über Zuwendungen Dritter muss eine Bank einen Kunden noch vor Vertragsschluss aufklären.90 Dadurch soll der Kunde in die Lage versetzt werden zu beurteilen, ob die Anlageempfehlung allein im Kundeninteresse erfolgt ist oder im Interesse der Bank, möglichst hohe Rückvergütungen zu erhalten.91 Die Offenlegungspflicht bezweckt daher eine umfassende Wahrung des Kundeninteresses.92 In beiden Fällen ist der BGH der Ansicht, dass Zuwendungen Dritter zu einer „konkreten Gefahr“ von Interessenkonflikten zu Lasten des Kunden führen. Diesen Interessenkonflikt hält er für beherrschbar, wenn der Kunde über die Zuwendungen aufgeklärt sei und daraufhin eigenverantwortlich handeln könne.93 Aus diesen Urteilen wird zum Teil abgeleitet, dass die Aufklärungspflicht einen Interessenkonflikt des Geschäftsbesorgers, der für Geschäftsherren mit Mülbert, ZHR 172 (2008), 170, 199. Für einen eigenständigen Beratervertrag in diesem Zusammenhang bereits Ehrenberg/Schmidt-Rimpler, Hdb des HandelsR, Bd. 5.1.1, S. 736 ff. A.A. dahingehend, dass aufgrund der Ausstrahlung des prinzipalen Rechtsverhältnisses auf die vorvertragliche Sonderverbindung bereits Aufklärungs- und Beratungspflichten bestünden RGZ 42, 125, 130 ff.; 67, 394, 395; 107, 362; RG JW 1905, 502, 503; BGHZ 8, 222, 235 (dem widerspricht nicht BGHZ 80, 80, 82; BGH WM 1987, 103, 104); Lang, Informationspflichten bei Wertpapierdienstleistungen, § 5 Rdnr. 13 m.w.N. Zur Abgrenzung zwischen Aufklärung und Beratung vgl. nur MünchKommHGB/Häuser § 384 Rdnr. 19; Lang, a.a.O., § 3 Rdnr. 1 ff. 89 Mülbert, ZHR 172 (2008), 170, 205 f. 90 Siehe dazu ausführlich unter § 7 III 1 c) (v). 91 Siehe dazu die Verweise in Fn. 8. 92 BGHZ 146, 235 (aus dem Leitsatz). Krit. Schäfer/Schäfer, BKR 2007, 163, 165 u. a. mit dem Hinweis, dass ein Kunde, der wisse, dass die Bank kein Entgelt für den Anlagerat verlange, auch wisse, dass sie die Dienstleistung notwendigerweise anders finanziere. 93 Assmann, ZBB 2008, 21, 23. Krit. mit Verweis auf Umgehungsmöglichkeiten Koller, ZBB 2007, 197, 199. 88
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entgegengesetzten Interessen tätig werde, auflöse.94 Die Aufklärungspflicht sichere und gewährleiste in vollem Umfang die gebotene Erfüllung der Interessenwahrungspflicht des Geschäftsbesorgers gegenüber dessen Kunden. Somit sei für eine zusätzlich flankierende Gewinnherausgabepflicht keine rechtlich anerkennenswerte Notwendigkeit mehr ersichtlich. Entsprechend sei die Herausgabepflicht als Schutz der Interessenwahrungspflicht eine überschießende gesetzliche Maßnahme, die keine tragfähige Rechtfertigung finde. (ii) Auswirkungen der Aufklärung auf die Herausgabepflicht Neben den Aufklärungspflichten kommt der Herausgabepflicht jedoch eine eigenständige Bedeutung zu. So hat schon der Gesetzgeber von 1897 und 1900 der Herausgabepflicht eine besondere Bedeutung zugemessen, sodass er sie sowohl in in § 384 Abs. 2 2. Hs. Fall 2 HGB (wie schon in Art. 361 ADHGB) als auch §§ 675 Abs. 1, 667 Fall 2 BGB ausdrücklich erwähnt hat.95 Wichtiger noch ist, dass die Ziel- und Schutzrichtung der Aufklärungspflichten eine andere ist als die der Herausgabepflicht. Die Aufklärungspflicht des Interessenwahrers dient dazu, die freie und informierte Willensbildung des Geschäftsherrn sicherzustellen. Dagegen zielt die Herausgabepflicht in ihrer ex ante Wirkung auf die Willensbildung des konfliktbelasteten Interessenwahrers ab: Hat der Interessenwahrer zusätzlich erlangte Vorteile später an den Geschäftsherrn herauszugeben, werden sie seine Willensbildung in der Regel weniger beeinflussen. Die bloße Existenz einer Norm, die eine Herausgabepflicht anordnet, führt allerdings noch nicht zum Wegfall des Interessenkonflikts. Sie führt lediglich zu einer Anreizverringerung. Damit besteht kein Grund dafür, die Notwendigkeit der Pflicht zur Offenlegung des Interessenkonflikts zu bezweifeln, was dann wiederum dazu genutzt werden könnte, die Herausgabepflicht selbst in Frage zu stellen.96 Um den Interessenkonflikt zu beseitigen und damit den Interessenwahrer dahingehend zu beeinflussen, dem Interesse des Geschäftsherrn den Vorrang einzuräumen, muss dem Geschäftsherrn überhaupt bewusst sein, dass er einen Herausgabeanspruch hat, damit er ihn durchsetzen kann. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Offenlegung der Vergütung und des damit einhergehenden Interessenkonflikts wegen der intransparenten Gemengelage der Interessen, die in der Person des Interessenwahrers zusammenkommen, in vielen Fällen eine notwendige Voraussetzung für die Geltendmachung des Herausgabeanspruchs ist. Ohne eine solche Aufklärung über besondere Konfliktsituationen wird der Geschäftsherr in der Regel gar nicht wissen, dass dem Interessenwahrer Vorteile gewährt wurden, die in einem inneren Zusammenhang mit dem Interessenwahrungsverhältnis stehen und die er herausver Hierzu und zum Folgenden Hadding, ZIP 2008, 529, 534 und 536. Reichstagsvorlage, Denkschrift zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuches und eines Einführungsgesetzes, 1897, S. 250. 96 So aber Mülbert, ZHR 172 (2008), 170, 203 f. 94 95
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langen könnte. Gewinnherausgabeansprüche liefen somit oftmals ins Leere. Ist die Aufklärung aber eine Voraussetzung für die effektive Durchsetzung des Herausgabeanspruchs, kann aus ihrer Existenz nicht auf die fehlende Rechtfertigung des Herausgabeanspruchs geschlossen werden. Die bloße Offenlegung von Zuwendungen Dritter wird auch nicht unbedingt dazu führen, dass der Geschäftsherr diese als Quelle eigensüchtigen Verhaltens des Interessenwahrers und als Kostenfaktor in seine Anlageentscheidung eingehen lässt.97 Anders ist dagegen die Situation, wenn der Interessenwahrer Ansprüche des Geschäftsherrn nur durch Vereinbarung mit diesem über den Verzicht auf Gewinnherausgabeansprüche abwehren kann. Ein solcher Verzicht ist wegen des dispositiven Charakters von §§ 675 Abs. 1, 667 BGB bzw. § 384 Abs. 2 Satz 2 Fall 2 HGB möglich.98 Er erfordert jedoch eine ausdrückliche Vereinbarung mit dem Geschäftsherrn.99 Auf diese Weise muss sich der Geschäftsherr aktiv mit der Frage auseinandersetzen, ob er auf einen möglichen Anspruch gegen seinen Interessenwahrer verzichtet. Die Warnfunktion ist in einem solchen Fall stärker ausgeprägt als bei einer bloßen Aufklärung. Dem in anderen Fällen vergleichbar und daher ebenfalls zur Anwendung der Gewinnabschöpfung geeignet ist eine ausdrückliche Freigabe einer Geschäftschance durch den Geschäftsherrn bzw. dessen Zustimmung zum jeweiligen Handeln des Geschäftsführers unter voller Kenntnis des Interessenkonflikts. (iii) Verhaltensökonomische Erwägungen Die vorangegangenen rechtlichen Erwägungen zu den Aufklärungspflichten werden durch verhaltensökonomische Erkenntnisse gestützt.100 Insbesondere sind hier die Erkenntnisse über die Verhaltensanomalien des sogenannten framing und der overconfidence bias zu nennen. Ein Framing kann beispielsweise auftreten, wenn ein Bankmitarbeiter über Vertriebsvergütungen aufklärt und zugleich erklärt, dass diese vollkommen üblich seien und selbstverständlich nicht die Bank beeinflussten. In diesem Fall dürften die Informationen vom Kunden anders wahrgenommen werden, als wenn er von anderer Seite mitgeteilt bekommt, dass seine Bank für die ihm geleisteten Dienste Geld von Dritten annehme, deren Produkte sie ihm verkaufe. Die Wirkung einer Aufklärung durch den Konfliktbelasteten selbst kann daher gegenüber der vom Gesetzgeber intendierten Wirkung erheblich zurückfallen. 97 Assmann, ZBB 2008, 21, 24. Zu den verhaltensökonomischen Erwägungen sogleich unter § 19 V.1.)c.)(iii). 98 BGH NJW-RR 1997, 778; MünchKommBGB/Seiler, § 667 Rdnr. 2; Soergel/Beuthien , BGB, § 667 Rdnr. 3 ; Staudinger/Martinek, BGB, § 667 Rdnr. 3. Zu Behaltensklauseln von Banken Hadding, FS Nobbe 2009, S. 565 ff.; Mülbert, WM 2009, 481; außerdem Rothenhöfer, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 55, 80 ff. 99 Nach BGH NZG 2014, 307; OLG Frankfurt a. M. WM 2012, 1951 soll es möglich sein, den Anspruch im Rahmen von AGB abzubedingen; a. A. Hadding, FS Nobbe, 2009, S. 565, 579 f. 100 Für einen Überblick siehe § 2 V.
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Des Weiteren kann der Kunde einer Kontrollillusion (overconfidence bias) erliegen.101 Die Aufklärung durch die Bank bringt ihn in die Situation, aufgrund des ihm zur Verfügung stehenden Wissens darüber zu entscheiden, ob er der Bank einen Auftrag erteilen will oder nicht. Erliegt er der Kontrollillusion, ist nicht ausgeschlossen, dass er dennoch das Geschäft der Bank überträgt, obwohl dies objektiv nicht in seinem Interesse liegt. Darüber hinaus fühlen sich viele Kunden an „ihre“ Bank gebunden, die sie nicht deshalb verlassen werden, nur weil sie Vorteile von Dritten annimmt.102 Nicht auf jeden Kunden werden die oben genannten Verhaltensanomalien in gleicher Weise zutreffen. Daher kann im Einzelfall eine Aufklärungspflicht vollauf genügen. Da dies aber nicht generell gilt, kann aus der Existenz der Pflicht zur Aufklärung über Vertriebsvergütungen auch unter verhaltensökonomischen Gesichtspunkten nicht auf die fehlende Rechtfertigung der Gewinnherausgabepflicht geschlossen werden.
2.) Keine Einschränkung durch Aufsichts- und Europarecht Auch durch aufsichtsrechtliche Vorschriften, die etwa Kommissionäre bei der Effektenkommission zu beachten haben, wird die Gewinnherausgabepflicht nicht ausgeschlossen. Ebenso wenig sperren europarechtliche Vorgaben. a.) Keine Beschränkung von § 384 HGB durch § 31d WpHG Aufsichtsrechtliche Regelungen über Zuwendungen Dritter an Wertpapierunternehmen enthält der im Rahmen des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes103 in das WpHG eingefügte § 31d WpHG. Gemäß § 31d Abs. 1 Satz 1 WpHG darf ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen grundsätzlich keine Zuwendungen von Dritten annehmen oder an Dritte gewähren. Eine Ausnahme davon lässt die Vorschrift zu, wenn die Zuwendung darauf angelegt ist, die Qualität der für den Kunden erbrachten Dienstleistung zu verbessern, sie der ordnungsgemäßen Erbringung der Dienstleistung im Interesse des Kunden nicht entgegensteht und dem Kunden Existenz, Art und Umfang der Zuwendung vor Erbringung der Dienstleistung in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise offen gelegt worden sind.
101 Zur Ineffektivität von Aufklärungspflichten bei überoptimistischen Verbrauchern Sunstein, 122 Yale L.J. 1826, 1848, insb. 1851 (2013). 102 Ähnlich auch Schäfer/Schäfer, BKR 2007, 163, 166. 103 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 16.07.2007, BGBl. 2007 I, S. 1330 v. 19.07.2007.
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Da die aufsichtsrechtlichen Vorschriften Auswirkungen auf die vertragsrechtlichen Regelungen haben,104 ist § 31d WpHG bei der Betrachtung vertragsrechtlicher Fragestellungen zu berücksichtigen. Weit überwiegend sind die im WpHG statuierten Pflichten vom Gesetzgeber vorgenommene Konkretisierungen des originär kommissionsrechtlichen Prinzips der interessewahrenden Ausführung.105 Auch vom BGH ist inzwischen für kapitalmarktrechtliche Sachverhalte eine Wechselwirkung zwischen Aufsichtsrecht und Vertragsrecht in mehreren Entscheidungen anerkannt worden.106 Darauf aufbauend wird vertreten, dass § 31d WpHG die Anwendung von § 384 Abs. 2 2. Hs. Fall 2 HGB bzw. §§ 675 Abs. 1, 667 Fall 2 BGB ausschließt. Aus dem Umstand, dass § 31d Abs. 1 Satz 1 WpHG Zuwendungen für zulässig erklärt, wenn sie der Qualitätsverbesserung dienen, ist abgeleitet worden, dass § 31d WpHG davon ausgehe, dass in diesem Fall die Zuwendungen dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen gebührten. Denn eine Qualitätsverbesserung sei nur durch den Verbleib im Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu erreichen, nicht dagegen durch eine Weitergabe an den Kunden.107 Das Gesetz sehe bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 31d WpHG die Interessen der Kunden als gewahrt an. Dementsprechend bedürfe es hier keiner Herausgabepflicht.108 Zu berücksichtigen ist allerdings, dass § 31d WpHG keine Aussage darüber trifft, wem die Zuwendung, die ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen von einem Dritten erhalten hat, zivilrechtlich zusteht. Die Vorschrift legt lediglich die Voraussetzungen dafür fest, wann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht keine Einwände erhebt, wenn ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen von Dritten geleistete Zuwendungen behält. Innerhalb dieser Vorgaben sind die Parteien frei, über die privatrechtliche Zuordnung der Zuwendung privatautonom zu entscheiden. Das dispositive Recht gibt hierzu mit §§ 675 Abs. 1, 667 Fall 2 BGB und § 384 Abs. 2 2. Hs. Fall 2 HGB eine Regelung vor, die – im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Vorgaben – die Interessen der Parteien generell gewichtet und darauf aufbauend eine privatrechtliche Zuordnung der vom Geschäftsbesorger bzw. Kommissionär erlangten Zuwendungen vornimmt. Im Fall des Gewinnherausgabeanspruchs gewichtet das 104 Siehe dazu Hopt, ZGR 2004, 1, 21 ff.; Rothenhöfer, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 55 ff. Mülbert, in: Ferrarini/Wymeersch, Investor Protection in Europe, 2006, S. 299, 300 geht sogar davon aus, dass dem Vertragsrecht bei der Ausgestaltung der rechtlichen Anforderungen an Wertpapierdienstleistungsfirmen neben dem Aufsichtsrecht keine große Bedeutung mehr zukommen wird. Ähnlich, aber vorsichtiger Ferrarini, ERCL 2005, 19, 23. 105 Köndgen, in: FS Canaris, Band II, 2007, S. 183, 206. Vgl. etwas allgemeiner auch Grundmann/Hollering, ERCL 2008, 45, 62; Ferrarini, ERCL 2005, 19, 22 f. 106 Z. B. BGHZ 142, 345, 356; 147, 343, 348. 107 Assmann, ZBB 2008, 21, 31. 108 Hadding, ZIP 2008, 529, 537.
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Privatrecht den individuellen Schutz des Geschäftsherrn höher als das Interesse des Geschäftsbesorgers an einem zusätzlichen Profit. Diese Zuordnung kann jedoch von den Parteien – im Rahmen der zivilrechtlich vorgegebenen Grenzen – geändert und modifiziert werden.109 b.) Keine Beschränkung durch europarechtliche Vorgaben Auch europarechtliche Vorgaben führen zu keiner Beschränkung der Heraus31 gabepflicht.110 Um Regelungsbeschränkungen zu begründen, wird Art. Abs. 1 UAbs. 2 MiFID herangezogen.111 Diese Vorschrift verbietet es den Mitgliedstaaten, in den von der MiFID erfassten Bereichen zusätzliche Anforderungen aufzustellen. Aus ihr ist in der Zusammenschau mit Art. 19 MiFID sowie Art. 26 und Art. 4 der MiFID-Durchführungsrichtlinie abgeleitet worden, dass die Gewinnherausgabeansprüche nach §§ 675 Abs. 1, 667 Fall 2 BGB bzw. § 384 Abs. 2 2. Hs. Fall 2 HGB in Bezug auf Zuwendungen Dritter im Rahmen von Wertpapierdienstleistungen nicht mehr zulässig sind.112 Dies würde jedoch nur dann der Fall sein, wenn es sich bei den Herausgabeansprüchen tatsächlich um „zusätzliche Anforderungen“ in einem von der MiFID „erfassten Bereich“ handeln würde. Aber ebenso wenig wie § 31d WpHG enthält Art. 19 MiFID bzw. Art. 26 der MiFID-Durchführungsrichtlinie eine Regelung dazu, ob dem Geschäftsbesorger oder dem Geschäftsherrn, also dem Wertpapierunternehmen oder dem Kunden, die Zuwendungen Dritter zivilrechtlich zustehen sollen. Wie in § 31d WpHG werden lediglich Aussagen darüber getroffen, wann solche Zuwendungen überhaupt (aufsichtsrechtlich) zulässig sind. Auch kann aus Art. 26 der MiFID-Durchführungsrichtlinie nicht mittelbar ein Verbot von Herausgabeansprüchen abgeleitet werden. Die MiFID statuiert keine individuellen Ansprüche für Anleger, wie z. B. Schadensersatzansprüche. Damit können aber auch keine mittelbaren Aussagen bezüglich des Ausschlusses individueller Ansprüche von Anlegern getroffen werden. Demzufolge ist die „zivilrechtliche Zuordnung von Zuwendungen“ in der MiFID nicht geregelt, sodass sie kein „erfasster“ Bereich im Sinne von Art. 31 Abs. 1 UAbs. 2 MiFID ist.
Siehe bereits § 19 V.1.)c.)(ii). Krit. zu den immer weiter ausgreifenden europäischen Regelungen Honsell, ZIP 2008, 621. 111 Mülbert, ZHR 172 (2008), 170, 177. Für Zweigstellen wird entsprechend auf Art. 32 Abs. 1 Uabs. 2 MiFID abgestellt. 112 Mülbert, ZHR 172 (2008), 170, 176 ff., insb. 186. 109 110
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VI. Zusammenfassung Die Gewinnabschöpfung stellt ein effektives Mittel für den Umgang mit Interessenkonflikten des Interessenwahrers dar. Sie ermöglicht die Neutralisierung anreizverzerrender Wirkungen von Vergütungen und anderen Vorteilen, die Dritte dem Interessenwahrer gewähren, denn dieser muss jederzeit davon ausgehen, dass potenziell willensbeeinträchtigende Vermögenszuflüsse im Nachhinein vom Geschäftsherrn abgeschöpft werden. Gleichzeitig ermöglicht sie dem Geschäftsherrn, seinen Interessen im Nachhinein Geltung zu verschaffen, indem er Vorteile, die mit dem für ihn getätigten Geschäft im Zusammenhang stehen, an sich zieht. Grundlage der Gewinnabschöpfung ist die Herausgabepflicht nach § 667 Fall 2 BGB, auf den eine Reihe von Vorschriften verweist. In anderen Fällen bestehen vergleichbare Vorschriften, wie etwa in § 384 Abs. 2 Fall 2 BGB oder § 88 Abs. 2 AktG. Soweit für ein Interessenwahrungsverhältnis nicht ohnehin auf § 667 Fall 2 BGB verwiesen wird, kann die Gewinnherausgabepflicht im Wege einer Gesamtanalogie zu §§ 60 f., HGB, § 88 AktG sowie § 667 Fall 2 BGB und § 384 Abs. 2 2. Hs. Fall 2 HGB auf andere Interessenwahrungsverhältnisse übertragen werden. Für den Handelsvertreter kann eine Gewinnherausgabepflicht im Wege der Analogie zu den Gewinnherausgabepflichten im Zusammenhang mit Wettbewerbsverboten abgeleitet werden. Die Gewinnherausgabepflicht wird im Zusammenhang mit Zuwendungen Dritter nicht dadurch obsolet, dass der Geschäftsherr gegen den Interessenwahrer Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Welche Ansprüche der geschädigte Geschäftsherr stellen möchte, ist seine Entscheidung. Auch die Vertriebsvereinbarung zwischen dem Interessenwahrer und dem Dritten kann die Herausgabepflicht des Interessenwahrers gegenüber dem Geschäftsherrn nicht ausschließen. Weiterhin schließt auch die dem Interessenwahrer obliegende Aufklärungspflicht die Herausgabepflicht nicht aus – wohl aber die Freigabe einer Geschäftschance bzw. Zustimmung des Geschäftsherrn zum Handeln des Interessenwahrers. Schon Ziel- und Schutzrichtung der Aufklärungspflichten und der Herausgabepflicht sind verschieden, weil die Aufklärung auf die Willensbildung des Geschäftsherrn, die Herausgabepflicht dagegen in ihrer ex ante Wirkung auf die Willensbildung des konfliktbelasteten Interessenwahrers zielt. Außerdem führt die Aufklärung des Geschäftsherrn noch nicht zum Wegfall des Interessenkonflikts des Interessenwahrers und damit nicht zur Abwendung der Gefahr der Benachteiligung des Geschäftsherrn. Vielfach ist die Offenlegung des Interessenkonflikts zudem eine notwendige Voraussetzung, damit der Geschäftsherr überhaupt erfährt, dass er einen Gewinnherausgabeanspruch gegen den Interessenwahrer geltend machen kann. Dass Aufklärungspflichten vielfach nicht ausreichend Schutz bieten, um auf die Herausgabepflicht zu verzichten, bestätigen schließlich verhaltensökonomische Erkenntnisse.
Teil 4: Ergebnisse der Untersuchung
§ 20 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse I. Grundlagen Eine allgemein anerkannte rechtliche Definition des Begriffs Interessenkonflikt existiert bisher nicht.1 Für die Entwicklung einer Definition ist vom Begriff des Interesses auszugehen, das als positive Bezogenheit eines Interessenträgers (natürliche Person, juristische Person, Personengesellschaft) zu bestimmten Objekten zu verstehen ist. Konflikte zwischen solchen Interessen sind dann in besonderer Weise regelungsbedürftig, wenn sie in ein und derselben Person aufeinander treffen und von dieser miteinander nicht zu vereinbarende Erklärungen oder Handlungen fordern, von denen sich mindestens eine nachteilig auf einen Dritten auswirken kann, dessen Interessen die Person zu wahren übenommen hat. Das ist insbesondere bei asymmetrisch ausgerichteten Rechtsverhältnissen, wie den Fremdinteressenwahrungsverhältnissen, der Fall, bei denen es eine Partei – der Interessenwahrer – es übernommen hat, die Interessen einer anderen Partei – des Geschäftsherrn – zu wahren. Ein besonders qualifizierter Interessenkonflikt ist der „Interessenwiderstreit“ im Berufsrecht, der durch eine „kontradiktorische Frontstellung“ der involvierten Interessen charakterisiert wird. Interessenkonflikte lassen sich einteilen in solche, bei denen Eigeninteressen des Interessenwahrers mit denjenigen des Geschäftsherrn kollidieren (Interessenkonflikte im engeren Sinne), und solche, bei denen verschiedene Fremdinteressen miteinander in Konflikt geraten, die der Interessenwahrer jedoch in gleicher Weise zu wahren hat (auch Pflichtenkollisionen genannt). Letztere lassen sich noch danach unterteilen, ob sich die Geschäftsherren auf der gleichen „Marktseite“ (z. B. die Insolvenzgläubiger) oder auf verschiedenen „Marktseiten“ (z. B. Emittent und Anleger bei einer Emission, die eine Bank begleitet) befinden. Konflikte können des Weiteren nach ihrer Konfliktdauer unterschieden werden, d. h., ob sie nur punktuell auftreten oder von Dauer sind, sowie, ob sie lediglich abstrakt bzw. potentiell oder konkret vorliegen.
Zum Folgenden § 1.
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§ 20 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
II. Allgemeine Regelungen 1.) Interessenwahrungspflicht Von zentraler Bedeutung für den Umgang mit Interessenkonflikten ist die Interessenwahrungspflicht.2 Diese verpflichtet den Interessenwahrer, die ihm anvertrauten Interessen des Geschäftsherrn umfänglich und nach besten Kräften zu wahren und alles zu unterlassen, was sie gefährden könnte. Ihr Rechtsgrund liegt darin, dass der Geschäftsherr dem Interessenwahrer seine Interessensphäre in einer Weise öffnet, die seine Interessen ungeschützt und damit besonders „verletzbar“ werden lässt. Ihre Rechtsgrundlage findet sich je nach Rechtsverhältnis im Vertragsrecht, im Organschaftsverhältnis, im Berufs- oder Aufsichtsrecht oder in sonstigen gesetzlichen Bestimmungen. Sie ist eine eigenständige Pflicht und nicht lediglich eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Ihr genauer Inhalt und Umfang richtet sich nach dem Zweck und der Ausgestaltung des jeweiligen Rechtsverhältnisses. Die Interessenwahrungspflicht wird durch besondere Pflichten der Konflikt offenlegung, der Konfliktvermeidung und der Konfliktlösung konkretisiert, die sich mit Blick auf die unterschiedlichen Typen von Interessenkonflikten weiter untergliedern lassen. Die Interessenwahrungspflicht kann von den Parteien nicht komplett abbedungen werden, wohl aber einzelne ihrer Ausprägungen. Voraussetzung für ein solches Abbedingen ist, dass dies (1) entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder (2) in Analogie zu den gesetzlichen Regelungen entwickelt werden kann oder (3) dass – im Fall von Organen – die zugrunde liegenden Befugnisse der jeweiligen Organe von den Gesellschaftern modifiziert oder gar ausgeschlossen werden können oder (4) dass bereits bei Vertragsschluss für den Geschäftsherrn offensichtlich ist oder sein muss, dass der Interessenwahrer auch Interessen anderer Geschäftsherren wahrnimmt, die möglicherweise in Konflikt mit den Interessen des Geschäftsherrn kommen können.
2.) Unabhängigkeit Das Unabhängigkeitserfordernis ist das statusbezogene Pendant zur Interessenwahrungspflicht, das eine drittbezogene Komponente aufweist.3 Unabhängigkeitserfordernisse werden für Interessenwahrer statuiert, die mit ihren Entscheidungen Vertrauenstatbestände schaffen, die sich nicht auf die jeweiligen (Vertrags-)Parteien beschränken, sondern sich darüber hinaus auf Dritte bzw. die Allgemeinheit auswirken und bei denen ein Fehlverhalten nicht zu vernachlässigende Rückwirkungen auf wesentliche Institutionen oder Mechanismen Zum Folgenden § 3. Zum Folgenden § 4 und § 5.
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III. Systematisierung der besonderen Regelungen für Interessenkonflikte
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des Gemeinwesens haben können. Übergeordneter Zweck von Unabhängigkeitserfordernissen ist daher auch der Schutz der Integrität dieser wesentlichen Institutionen sowie des Vertrauens des Rechtsverkehrs sowie dessen einzelner Teilnehmer in diese Institutionen. Im Hinblick auf die einzelne Entscheidung von Funktionsträgern verfolgen sie den Zweck, dass diese unvoreingenommen und frei von sachfremden Einflüssen zustande kommt. Da sich innere Unabhängigkeit bzw. Unbefangenheit weder nachweisen noch „herbeiregulieren“ lässt, stellen die rechtlichen Bestimmungen zur Unabhängigkeit regelmäßig auf die äußere Unabhängigkeit ab. Sie knüpfen abstrakt an typisierte Fälle von Interessenkonflikten an (z. B. familiäre Beziehungen, Selbstkontrolle). Dementsprechend ist es für den Ausschluss der Unabhängigkeit nicht erforderlich, dass der Betroffene tatsächlich einem konkreten Konflikt ausgesetzt ist. Zusammen mit der sich häufig anschließenden Folge der Inhabilität bei fehlender Unabhängigkeit führt dies dazu, dass Unabhängigkeitserfordernisse präventive Instrumente für den Umgang mit Interessenkonflikten darstellen.
III. Systematisierung der besonderen Regelungen für Interessenkonflikte Die allgemeinen Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten, die Interessenwahrungspflicht und das Unabhängigkeitserfordernis werden durch besondere Regelungen konkretisiert.4 Diese Regelungen können übergeordnet in die Kategorien Konfliktoffenlegung, Konfliktvermeidung und Konfliktlösung unterteilt werden. Die Konfliktoffenlegung stellt einen allgemeinen Rechtsgrundsatz dar, wonach jeder mögliche oder auch eingetretene Konflikt vom Interessenwahrer dem Geschäftsherrn gegenüber offenbart werden muss. Dies ermöglicht dem Geschäftsherrn zum einen, seine Interessen selbst zu schützen, zum anderen, eventuelle Ansprüche aufgrund eines pflichtwidrig gelösten Konflikts gegen den Interessenwahrer geltend zu machen und durchzusetzen. Die konfliktvermeidenden Regelungen dienen dem präventiven Schutz vor Konflikten und knüpfen daher an den abstrakten Interessenkonflikt an. Demgegenüber dienen konfliktlösende Regelungen dazu, einen bereits eingetretenen Konflikt zu lösen. Sie knüpfen daher an den konkreten Interessenkonflikt an. Die präventiven und konfliktlösenden Regelungen können weiter nach der Art, Dauer, Intensität und den Auswirkungen des jeweils geregelten Konflikts unterschieden werden. Zu den konfliktvermeidenden Regelungen gehören insbesondere – geordnet nach der steigenden Intensität des Eingriffs: Organisationspflichten, Regelungen zur Beschränkungen des Handlungsspielraums (wie Zum Folgenden § 6.
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z. B. § 181 BGB), die vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers, Wettbewerbsverbote, das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen und Inhabilitätsvorschriften sowie Eignungsprüfungen. Zu den konfliktlösenden Regelungen gehören – weitgehend korrespondierend mit den besonderen Regelungen zur Konfliktvermeidung: formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen, die Geschäftschancenlehre, Stimm– und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen sowie Regelungen über die Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses. Zur Durchsetzung dieser Regelungen in Bezug auf Interessenkonflikte gibt es gesetzlich normierte Sanktionen, wie Schadensersatz ansprüche oder die Verwirkung des Lohnanspruchs, sowie die Gewinnabschöpfung.
IV. Konfliktoffenlegung: Anzeige- und Offenlegungspflichten Ein Interessenwahrer hat Interessenkonflikte, denen er unterliegt oder die sich abzeichnen, gegenüber seinem (auch zukünftigen) Geschäftsherrn unverzüglich, vollumfänglich und wahrheitsgemäß offenzulegen.5 Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass sich jemand, der über einen Interessenkonflikt seines Vertragspartners aufgeklärt worden ist, selbst ausreichend schützen kann. Im Rahmen des Vertragsrechts hat die Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten ihre allgemeine Rechtsgrundlage in § 666 Fall 1 BGB. Aufgrund der gesetzlichen Verweisung in § 675 Abs. 1 BGB lassen sich die Offenlegungspflichten aller geschäftsbesorgerisch tätigen vertraglichen Interessenwahrer auf diese Vorschrift zurückführen. Organschaftliche Interessenwahrer sind aufgrund ihrer organschaftlichen Treuebindung zur Offenlegung von Interessenkonflikten verpflichtet. Die Vorschrift in § 27 Abs. 3 i.V.m. § 666 BGB verankert diese Offenlegungspflicht für den Vereinsvorstand im Gesetz und kann auch für den Vorstand der AG und den Geschäftsführer der GmbH als gesetzliche Grundlage herangezogen werden. Bei gesetzlichen Interessenwahrern kann eine Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten aus §§ 675, 666 BGB analog abgeleitet werden, sofern bei den einzelnen Interessenwahrungsverhältnissen nicht ohnehin durch ausdrückliche gesetzliche Regelungen Anzeige- bzw. Offenlegungspflichten statuiert werden und sofern der jeweilige Interessenwahrer „materiell“ eine Geschäftsbesorgung erbringt. Hinsichtlich des Adressaten der Offenlegung bestehen beim Aufsichtsrat und bei gesetzlichen Interessenwahrern Besonderheiten. Anders als in den anderen Fällen ist hier nicht der eigentliche „Geschäftsherr“ Adressat, sondern ein Dritter. Im Fall des Aufsichtsrats ist dies der Aufsichtsratsvorsitzende, unter Umständen auch das Aufsichtsratsplenum. Im Fall der gesetzlichen Interessenwah Zum Folgenden § 7.
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rer ist Adressat regelmäßig derjenige, der über die Bestellung und Abberufung des Interessenwahrers zu entscheiden hat, in der Regel das Gericht – im Fall des Insolvenzverwalters aber auch die Gläubigerorgane. Inhalt und Umfang der Offenlegungspflicht richten sich grundsätzlich danach, was erforderlich ist, damit der Geschäftsherr eine informierte Entscheidung hinsichtlich der Wahrung seiner Interessen treffen kann. Mit Blick auf Interessenkonflikte bedeutet dies, dass der Interessenwahrer den Konflikt grundsätzlich so darstellen muss, dass der Geschäftsherr eine ausreichende Basis für seine Entscheidung erhält. Offenzulegen sind demzufolge insbesondere Art und Herkunft des Konflikts. Von der Art und Weise her ist die Aufklärung an einem durchschnittlich verständigen Geschäftsherrn auszurichten. Eine Offenlegung ist nicht erforderlich, wenn der Konflikt offensichtlich oder für den Geschäftsherrn erkennbar ist oder dieser von ihm weiß. Die Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten kann nicht abbedungen werden. Sie gewährleistet einen grundlegenden Schutz der Interessen des Geschäftsherrn, weil sie diesem ermöglicht, seine Interessen selbst zu wahren. Zudem stellt die Offenlegungspflicht eine vorgelagerte Pflicht für weitere Schutzvorschriften dar, die ohne eine Offenlegung weitgehend leerliefen, weil es dem Geschäftsherrn vielfach nur sehr schwer möglich ist, Pflichtverletzungen aufgrund von Interessenkonflikten festzustellen. Ohne sie würde die Interessenwahrungspflicht dementsprechend weitgehend entkernt werden. Sie ist daher ein wesentliches Merkmal von Fremdinteressenwahrungsverträgen, sodass ein Abbedingen der Offenlegungspflicht den Fremdinteressenwahrungscharakter des jeweiligen Verhältnisses unmittelbar betreffen und diesen verändern würde.
V. Konfliktvermeidung 1.) Organisationspflichten Im Fall von Zusammenschlüssen von Interessenwahrern oder, wenn ein Unternehmen als Interessenwahrer auftritt, konkretisiert sich die Interessenwahrungspflicht in eine Pflicht zur interessenkonfliktvermeidenden Organisation. 6 Denn aufgrund der Vielzahl von Personen, die innerhalb solcher Vereinigungen zusammenwirken, kann es im Vergleich zum einzelnen Interessenwahrer zu weiteren und speziellen Konfliktsituationen kommen. Zu den Organisationsmaßnahmen, mit deren Hilfe Organisationspflichten erfüllt werden können, gehören insbesondere die Einrichtung von Vertraulichkeitsbereichen mittels Informationsbarrieren (Chinese walls), das Führen sog. Beobachtungs-, Verbots- und Konfliktlisten, aber auch Aufsichtsratsausschüsse. Zum Folgenden§ 8.
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Sofern Informationsbarrieren eingerichtet werden, müssen diese spätestens unterhalb der Geschäftsleitungsebene enden. Denn die Geschäftsleitung muss grundsätzlich alle Informationen erhalten, die für das Unternehmen von Bedeutung sind. In bestimmten Ausnahmefällen ist ein sog. wall crossing möglich, d. h. der Austausch von Informationen oder Personen zwischen voneinander abgeschotteten Geschäftsbereichen. Informationsbarrieren begrenzen die Wissenszurechnung und können damit das Entstehen von Interessenkonflikten bei einem Unternehmen verhindern. Dies gilt zunächst einmal für die Situationen, in denen sie dazu dienen, die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben, insbesondere von Informationsweiterleitungsverboten oder datenschutzrechtlichen Regelungen, zu gewährleisten. Des Weiteren ist eine die zivilrechtliche Wissenszurechnung begrenzende Wirkung dann anzunehmen, wenn das Aufsichts- und Berufsrecht die Einrichtung von Informationsbarrieren vorsieht. Andernfalls würden zivilrechtliche Regelungen dazu führen, dass das betroffene Unternehmen gegen seine aufsichtsrechtlichen Pflichten sowie gegen die davon geprägte Interessenwahrungspflicht verstoßen müsste. Diese begrenzende Wirkung von Informationsbarrieren lässt sich darüber hinaus auch auf andere Unternehmen übertragen, die als Interessenwahrer tätig sind und für die keine aufsichts- oder berufsrechtlichen Regelungen hinsichtlich Informationsbarrieren gelten. Aufgrund der an sie herangetragenen Erwartungen der Öffentlichkeit und der jeweiligen einzelnen Geschäftsherren gehen jedenfalls bei den zur Interessenwahrung verpflichteten Unternehmen Geheimhaltungspflichten den Offenlegungs-, Aufklärungs- und Beratungspflichten vor. Das gilt allerdings nur insofern als es sich um Interessen anderer Geschäftsherren handelt. Eigene Interessen des Interessenwahrers begründen eine solche Rangfolge dagegen nicht. Hier haben die Interessen des Geschäftsherrn uneingeschränkt Vorrang. Im Fall von Gremien, wie dem Aufsichtsrat, können für den organisatorischen Umgang mit Interessenkonflikten Ausschüsse eingerichtet werden. Befindet sich ein Mitglied eines Gremiums in einem Interessenkonflikt, kann die Bedeutung des Konflikts für die Entscheidungsfindung des Gremiums beseitigt werden, wenn die Entscheidung – sofern rechtlich zulässig – einem Ausschuss übertragen wird, der ausschließlich mit unbefangenen Mitgliedern besetzt ist.
2.) Beschränkungen des Handlungsspielraums Regelungen zur Beschränkung des Handlungsspielraums des Interessenwahrers, wie etwa das Verbot des Insichgeschäfts nach § 181 BGB, verbieten dem Interessenwahrer, bestimmte Geschäfte oder Tätigkeiten durchzuführen, verbieten aber nicht das jeweilige Interessenwahrungsverhältnis als Ganzes.7 Zum Folgenden § 9.
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Damit stehen sie von ihrer Eingriffsintensität her zwischen Organisationspflichten und Inhabilitätsregelungen. Da sie nur einzelne Geschäfte bzw. Tätigkeiten betreffen, dienen sie der Vermeidung punktueller Interessenkonflikte. Geht von einem punktuellen Konflikt bzw. einem einzelnen Geschäft eine erhebliche Gefährdung für die Interessen des Geschäftsherrn aus, wird dem Interessenwahrer die Vornahme dieses einzelnen Geschäfts verboten. Dafür ist eine eindeutige und rechtssichere Regelung erforderlich. Daher knüpfen die den Handlungsspielraum punktuell beschränkenden Regelungen regelmäßig an abstrakte Interessenkonfliktsituationen an. Es kommt daher nicht darauf an, ob im Einzelfall tatsächlich ein konkreter Interessenkonflikt vorliegt oder nicht. Eine grundlegende Norm für Beschränkungen im Fall punktueller Interessenkonflikte ist § 181 BGB. Dabei handelt es sich nicht um eine allgemeine Regelung zum Umgang mit Interessenkonflikten, ihr Anwendungsbereich beschränkt sich auf das Vertretungsrecht. Sie stellt allerdings eine besondere vertretungsspezifische Ausprägung allgemeiner Rechtsgedanken zur Regelung von Interessenkonflikten dar. So knüpft sie etwa an abstrakte Interessenkonflikte an, sieht eine begrenzte „Abstandnahme“ vor und erlaubt eine Gestattung, die nur möglich ist, wenn der Vertretene über die Situation Bescheid weiß, also ggf. aufgeklärt worden ist. Beschränkungen des Interessenwahrers können nicht nur formal an die Beteiligung an einem Geschäft anknüpfen, sondern auch zeitbezogen, wie etwa im Fall des Verbotes des „Vorlaufens“ (front running). In diesem Fall wird der Betroffene nicht generell, sondern nur zu diesem Zeitpunkt von dem jeweiligen Geschäft abgehalten, weil die Rechtsordnung das konfliktbeladene Geschäft zu diesem Zeitpunkt missbilligt.
3.) Vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers Eine besondere Form der Beschränkung des Handlungsspielraums des Interessenwahrers stellt die – zeitweilige – Übertragung von Kompetenzen auf andere Interessenwahrer bzw. die Ersetzung des Interessenwahrers durch einen anderen dar.8 Sie kommt dann zur Anwendung, wenn der Geschäftsherr ein erhebliches Interesse an der Ausführung eines Geschäftes hat, die Rechtsordnung aber dessen Vornahme durch den jeweiligen Interessenwahrer missbilligt, weil dieser sich in einem Interessenkonflikt befindet. Da es sich um eine zeitlich befristete Maßnahme handelt, kommt eine vorübergehende Ersetzung des In teressenwahrers nur bei punktuellen Interessenkonflikten in Betracht. Gesetzlich geregelt ist diese Art des Umgangs mit Interessenkonflikten vor allem für gesetzliche Interessenwahrer, weil bei diesen der „Geschäftsherr“ in der Regel nicht selbständig für eine zeitweise Auswechslung sorgen kann. Beispiele dafür Zum Folgenden § 10.
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sind die Bestellung eines Pflegers für den verhinderten Vormund oder die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters. Aber auch die im Aktiengesetz geregelte abweichende Zuständigkeit des Aufsichtsrats für die Vertretung der Gesellschaft bei Geschäften mit Vorstandsmitgliedern sowie die Verlagerung der Zuständigkeit im Fall der Wahl bzw. Bestellung des Abschlussprüfers lassen sich hierzu zählen. Letztere dient dabei nicht nur der Beschränkung des Vorstands bzw. Geschäftsführers, sondern zugleich auch der Sicherung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers.
4.) Wettbewerbsverbote Wettbewerbsverbote sind besonders „verdichtete“ Konkretisierungen der Interessenwahrungspflicht im Hinblick auf den Schutz des Interesses des Geschäftsherrn, an der Verwertung seiner (geschäftlichen) Informationen, den Schutz vor missbräuchlicher Ausnutzung von Entscheidungsbefugnissen durch den Interessenwahrer und in einigen Fällen auch hinsichtlich der Erhaltung von dessen Arbeitskraft.9 Sie verbieten dem Interessenwahrer, eigene oder andere fremde geschäftliche Interessen in der Interessensphäre des Geschäftsherrn wahrzunehmen und so zu diesem in Konkurrenz zu treten. Sie haben präventiven Charakter und knüpfen an die abstrakte Gefährdung der Interessen des Geschäftsherrn an. Wegen des intensiven Eingriffs in die Handlungs- und Berufsfreiheit des betroffenen Interessenwahrers, reicht das bloße Bestehen einer Interessenwahrungspflicht für die Annahme eines Wettbewerbsverbots nicht aus. Zusätzlich muss das Interessenwahrungsverhältnis auf eine ausschließliche Bindung (mit entsprechender Vergütung) des Interessenwahrers an den Geschäftsherrn gerichtet sein und der Interessenwahrer für den Geschäftsherrn geschäftliche Entscheidungen mit Außenwirkung treffen können. Von ihrer beschränkenden Wirkung her ähneln sie den Beschränkungen des Handlungsspielraums, wie etwa dem Verbot des Insichgeschäfts. Anders als bei diesen geht es bei ihnen jedoch nicht um die Beschaffenheit eines Geschäfts, das der Interessenwahrer für den Geschäftsherrn schließt, sondern um die Zuordnung von Geschäften, die der Interessenwahrer gerade nicht für den Geschäftsherrn schließen will. Wettbewerbsverbote verfolgen somit einen anderen Regelungsansatz als die vorstehend besprochenen Handlungsbeschränkungen und kommen nur bei Interessenwahrern zur Anwendung, die im Wirtschaftsverkehr Geschäfte für ihren Geschäftsherrn tätigen. Wettbewerbsverbote sind wegen ihres einschränkenden und „überschießenden“ Charakters eng auszulegen und sind zeitlich auf die Dauer des Interessenwahrungsverhältnisses begrenzt. Sie können sowohl verschärft als auch eingeschränkt und sogar ganz abbedungen werden. Letzteres ist jedoch mit dem Zum Folgenden § 11.
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Schutzzweck der Wettbewerbsverbote nur zu vereinbaren, wenn sichergestellt ist, dass der Geschäftsherr dem Interessenwahrer nicht unterlegen ist.
5.) Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen im Berufsrecht Das berufsrechtliche Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen knüpft an den „Interessenwiderstreit“, einen qualifizierten Interessenkonflikt, an, bei dem die Interessen der zu Vertretenden kontradiktorisch aufeinander bezogen sind, also unmittelbar darauf gerichtet sind, das jeweils andere Interesse auszuschließen.10 Das Verbot schützt zum einen die individuelle Vertrauensbeziehung zwischen Mandant und Berufsträger, zum anderen das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Zuverlässigkeit der Gesamtheit der jeweiligen Berufsträger. Die scharfe Maßnahme eines völligen Verbots der Eingehung bzw. Weiterführung des Mandats- bzw. Interessenwahrungsverhältnisses zum Schutz insbesondere der Vertrauensbeziehung zwischen Mandant und Berufsträger ist dadurch gerechtfertigt, dass der Mandant bzw. Geschäftsherr bei der rechtlichen Vertretung auf den Interessenwahrer bzw. Anwalt ganz besonders angewiesen ist. Denn die rechtliche Auseinandersetzung stellt die stärkste Form der Auseinandersetzung bei Konflikten dar, die in einem Rechtsstaat zulässig ist, so dass einem Interessenwahrer in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle zukommt. Daher ist auch der Kreis der erfassten beruflichen Tätigkeiten weit zu ziehen. So erfasst das „Vertreten“ im Fall des Rechtsanwalts etwa auch die reine Beratung sowie Vortätigkeiten, die nicht unmittelbar berufliche Tätigkeiten sind, deren Übernahme dem Berufsträger jedoch aufgrund seiner Berufsstellung angetragen worden sind. Das Vertretungsverbot kann nicht durch eine Einwilligung der Mandanten überwunden werden. Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gilt auch für Sozietäten und andere Formen der beruflichen Zusammenarbeit. Allerdings ist eine Vertretung widerstreitender Interessen durch verschiedene Berufsträger einer Sozietät möglich, wenn der Mandant eingewilligt hat. Im Fall eines Wechsels der Sozietät durch einen Berufsträger ist zu unterscheiden: Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen trifft nur den zu der neuen Sozietät gewechselten Berufsträger, nicht aber seine Neusozien, wenn der Wechsler in seiner alten Sozietät nicht selbst mit der Angelegenheit vorbefasst war und auch in der aufnehmenden Sozietät mit dieser Angelegenheit nicht betraut wird. War er dagegen in seiner ehemaligen Kanzlei selbst im widerstreitenden Interesse mit derselben Angelegenheit befasst, erstreckt sich das Vertretungsverbot nicht nur auf ihn, sondern auch auf die anderen Sozien in der neuen Kanzlei, sofern keine Einverständniserklärung der betroffenen Mandanten Zum Folgenden § 12.
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vorliegt, dass diese – nicht aber der vorbefasste Berufsträger – für die Gegenseite tätig werden dürfen.
6.) Inhabilitätsregeln und Eignungsprüfungen Inhabilitätsvorschriften gehören zu denjenigen Regelungen, die den stärksten Eingriff in die Handlungs- und Berufsfreiheit des Interessenwahrers vornehmen.11 Sie bestimmen, dass ein Interessenwahrer in bestimmten Situationen ein Interessenwahrungsverhältnis nicht eingehen kann. Es handelt sich um präventive Regelungen, die dem (möglichen) Interessenwahrer die Befähigung zur Wahrnehmung bestimmter Interessen absprechen. Sie gelten insbesondere in den Fällen, in denen der Interessenwahrer eine Überwachungs- oder Prüfungsaufgabe übernehmen soll und in diesem Zusammenhang in Interessenkonflikte geraten könnte. Da Inhabilitätsvorschriften einen besonders weitreichenden Eingriff in die Freiheit des Interessenwahrers bedeuten, müssen sie so eindeutig und klar wie möglich gefasst sein. Sie werden daher regelmäßig mit Hilfe typisierender Tatbestandsmerkmale formuliert und regeln nur solche Interessenkonflikte, die abstrakt umschrieben werden können. Es kommt also nicht darauf an, ob im Einzelfall ein konkreter Interessenkonflikt vorliegt oder nicht. Aufgrund dieses Regelungsansatzes und der erheblichen Beschränkung können Inhabilitätsregelungen nicht, wie etwa im Hinblick auf den Aufsichtsrat erwogen worden ist, über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus ausgeweitet werden. Inhabilitätsregeln stehen im Spannungsverhältnis zwischen der Sachkunde einerseits und der Interessenkonfliktfreiheit andererseits. Dies zeigt sich etwa am gleichzeitig beratenden Abschlussprüfer und am Vorstandsmitglied, das nach dem Ende seiner Vorstandstätigkeit in den Aufsichtsrat wechselt. Insbesondere im Fall des in den Aufsichtsrat wechselnden Vorstandsmitglieds ist die gesetzlich vorgesehene (zeitweise) Verhinderung nicht sachgerecht und wäre eine Regelung über eine aufgabenspezifische Unabhängigkeit ähnlich wie in England vorzuziehen. Danach dürfen Vorstandsmitglieder zwar ohne Wartezeit in den Aufsichtsrat wechseln, dort aber für eine bestimmte Zeit weder zum Aufsichtsratsvorsitzenden noch in den Prüfungsausschuss gewählt werden. Anders als vertragliche und organschaftliche Interessenwahrer werden gesetzliche Interessenwahrer in der Regel von einem Gericht bestellt. Im Rahmen der Bestellung des Interessenwahrers hat dieses regelmäßig zu prüfen, ob der Interessenwahrer geeignet und nicht mit einem (erheblichen) Interessenkonflikt belastet ist. In einigen Fällen ergibt sich dies ausdrücklich aus dem Gesetz (bspw. § 1897 Abs. 5 BGB), in anderen aus einer systematischen Zusammenschau mit anderen Vorschriften. Eignungsprüfungen gibt es außerdem im Auf Zum Folgenden § 13.
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sichtsrecht für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder etwa von Kreditinstituten und Versicherungsgesellschaften.
VI. Konfliktlösung 1.) Formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen Formale Konfliktlösungsprinzipien kommen bei konkreten punktuellen Interessenkonflikten zum Einsatz, die sich (etwa durch Organisationspflichten) nicht vermeiden lassen und bei denen ein Verbot oder eine Mandatsniederlegung nicht im Interesse der Geschäftsherren ist.12 Dabei geht es regelmäßig um Konflikte zwischen Interessen verschiedener Geschäftsherren, die sich auf der gleichen Marktseite befinden (Verteilungskonflikte). Verteilungskonflikte entstehen dann, wenn der Interessenwahrer die Ansprüche seiner Geschäftsherren, deren Interessen in die gleiche Richtung gehen, nicht alle gleichzeitig befriedigen kann, weil die dafür zur Verfügung stehenden Ressourcen begrenzt sind. Ein wesentliches Konfliktlösungsprinzip ist der Prioritätsgrundsatz. Dieser konkretisiert die Interessenwahrungspflicht zu einer Pflicht zur ranggerechten Erfüllung. Die „zeitliche“ Priorität bestimmt, dass derjenige, der als erster sein Interesse artikuliert oder einen Auftrag erteilt hat, gegenüber später auftretenden Geschäftsherren privilegiert wird. Die „inhaltliche“ Priorität stellt auf den Inhalt des Auftrags ab und kann z. B. bestimmen, dass derjenige Auftrag, der nach der Marktsituation zuerst erledigt werden kann, bevorzugt wird, auch wenn er zeitlich später erteilt wurde. Bei vertraglichen Interessenwahrungsverhältnissen wird das Prioritätsprinzip in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Geschäftsherrn und dem Interessenwahrer verankert. Da der Interessenwahrer, der mehrere Interessenwahrungsverhältnisse gleichzeitig eingeht, nur einen beschränkten Einstandswillen hat und dem Geschäftsherrn dies regelmäßig bewusst ist, ergibt eine Vertragsauslegung, §§ 133, 157 BGB, dass die Einstandsverpflichtung des Interessenwahrers beschränkt ist und das Prioritätsprinzips gelten soll. Im Fall gesetzlicher Interessenwahrungsverhältnisse kann die Geltung des Prioritätsprinzips aus den gesetzlichen Regelungen und Wertungen abgeleitet werden, die den gesetzlich begründeten Interessenwahrungsverhältnissen zugrunde liegen. Neben dem Prioritätsprinzip stellt der Gleichbehandlungsgrundsatz einen zweiten wesentlichen Ansatz zur Lösung von Interessenkonflikten dar. Zur Anwendung kommt er insbesondere, wenn sich der Interessenwahrer vertraglich zu einer Gleichbehandlung verpflichtet hat, Interessenwahrungspflichten im gleichen Zeitpunkt entstehen oder der Interessenwahrer selbst für die Konkretisierung seiner Interessenwahrungspflicht im Rahmen von Dauerinteres Zum Folgenden § 14.
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senwahrungsverhältnissen zu sorgen hat. Kann der Interessenwahrer in diesen Fällen die Ansprüche der Geschäftsherren nicht gleichzeitig befriedigen, gebietet der Gleichbehandlungsgrundsatz eine Verteilung, die anteilig nach Quote erfolgt.
2.) Geschäftschancenlehre Das Verbot, Geschäftschancen des Geschäftsherrn wahrzunehmen, stellt für konkrete punktuelle Interessenkonflikte das Pendant zum Wettbewerbsverbot dar.13 Es dient vor allem dem Schutz der Interessen des Geschäftsherrn an der Verwertung seiner (geschäftlichen) Informationen. Während das Wettbewerbsverbot abstrakt-generell anknüpft, bezieht sich das Verbot, Geschäftschancen des Geschäftsherrn an sich zu ziehen, auf einzelne konkrete Geschäfte. Als Ausprägung der Interessenwahrungspflicht kann das Verbot, Geschäftschancen des Geschäftsherrn auszunutzen, auf alle Interessenwahrungsverhältnisse übertragen werden, in denen ein Interessenwahrer (wirtschaftliche) Geschäfte für den Geschäftsherrn besorgt. Die Zuordnung von Geschäftschancen erfolgt danach, ob bereits konkrete Geschäftsaussichten bestanden. Auf den Tätigkeitsbereich – insbesondere bei Gesellschaften – und damit letztlich auf abstrakte Interessenkonflikte kann demgegenüber nicht abgestellt werden. Auch die „Wesentlichkeit“ und vergleichbare, wenig konkrete Merkmale sind als Kriterium ungeeignet. Bei der Zuordnung von Geschäftschancen ist zu berücksichtigen, wie weit der Interessenwahrer seine Interessensphäre dem Interessenwahrer geöffnet hat (z. B. Vorstand oder „nur“ Aufsichtsrat) und – insbesondere bei mehreren Geschäftsherren – ob Kenntnis oder Nutzungsmöglichkeit auf diese Öffnung zurückzuführen sind. Eine Geschäftschance kann dem Interessenwahrer zugeordnet werden, wenn der Geschäftsherr die Geschäftschance wirksam – insbesondere nach vollumfänglicher Offenlegung durch den Interessenwahrer – freigegeben hat. Bei weniger stark gebundenen Interessenwahrern, insbesondere bei Aufsichtsräten, kann für eine Zuordnung zugunsten des Interessenwahrers bereits die private Kenntniserlangung ausreichen. Im Zweifelsfall, wenn eine Zuordnung der Geschäftschancen nicht eindeutig möglich ist, gilt aufgrund der Ausrichtung von Interessenwahrungsverhältnissen am Interesse des Geschäftsherrn die Vermutung, dass Geschäftschancen dem Geschäftsherrn zustehen. Diese Vermutung kann der Interessenwahrer widerlegen. Ist ein Interessenwahrer mehreren Geschäftsherren (zulässigerweise) gegenüber verpflichtet, die er gleichzubehandeln hat, kommt es – vor dem Hintergrund der Öffnung der Interessensphäre – darauf an, in welchem Zusammen Zum Folgenden § 15.
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hang er von der Geschäftschance erfahren oder wessen Ressourcen er in diesem Zusammenhang eingesetzt hat. Ist es nicht möglich, auf diese Weise zu ermitteln, welcher Geschäftsherr der Geschäftschance „näher“ steht, und sind die Geschäftsherren auch ansonsten vollkommen gleichberechtigt, „verschmelzen“ die kollidierenden Treuepflichten zum Gleichbehandlungsgrundsatz. Dann hat der Interessenwahrer die Geschäftschance allen (gleichberechtigten) Geschäftsherren gegenüber offenzulegen.
3.) Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen Erfolgt die Interessenwahrung nicht durch eine Person, sondern durch ein Gremium, d. h. eine Mehrzahl von zusammenwirkenden Interessenwahrern, sind besondere Mechanismen zum Umgang mit Interessenkonflikten erforderlich.14 Dies gilt insbesondere für punktuelle Konflikte. Bei diesen ist eine Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses nur selten angemessen und oft auch nicht im Interesse des Geschäftsherrn. Sachgerechter sind in diesen Fällen punktuelle Lösungen, wie z. B. Stimmverbote, die weniger intensiv in die Rechte des im Rahmen eines Gremiums handelnden Interessenwahrers eingreifen. Anders als andere Konfliktlösungsmechanismen knüpfen z. B. Stimmverbote nicht konkret, sondern abstrakt an. Dies ist mit der besonderen Situation in Gremien zu erklären, bei denen Stimmverbote Rückwirkungen auf die Wirksamkeit der gefassten Beschlüsse und damit über das Fremdinteressenwahrungsverhältnis hinaus haben können. Müsste ein Interessenkonflikt immer konkret nachgewiesen werden, würde die Tätigkeit des Gremiums erheblich behindert und die Funktionsfähigkeit stark eingeschränkt werden. Ein allgemeines Stimmverbot bei Interessenkonflikten ist abzulehnen. Im Interesse der Rechtssicherheit und wegen der möglichen über die einzelne Stimmabgabe hinausgehenden möglichen Auswirkungen auf die Beschlussfassung ist ein Stimmverbot wegen eines Interessenkonfliktes nur anzunehmen, wenn der Konflikt in eine der abstrakten Kategorien „Insichgeschäft“ (bzw. Rechtsgeschäft mit der Gesellschaft) oder „Richten in eigener Sache“ (bzw. Rechtsstreit mit der Gesellschaft) eingeordnet werden kann. In personeller Hinsicht sind Stimmverbote auf solche Sachverhalte zu erstrecken, in denen nicht das Gremiumsmitglied selbst, sondern ein ihm nahe stehender Dritter dem Gremium bzw. dem Verband, dessen Organ das Gremium ist, gegenübertritt. Dies sind insbesondere Vertreter des betroffenen Gremiumsmitglieds, Gesellschaften, deren Vertreter das Mitglied ist oder die es beherrscht, generell die in § 115 AktG (Gesellschaftsrecht) bzw. § 138 InsO (Insolvenzrecht) genannten Personen sowie ein eventueller Entsender des betroffenen Gremiumsmitglieds.
Zum Folgenden § 16.
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Bei Organakten greifen grundsätzlich keine Stimmverbote – eine Ausnahme davon gilt für den Fall des Richtens in eigener Sache, insbesondere für die Abstimmung über die Abberufung eines Gremiumsmitglieds aus wichtigem Grund. Dagegen unterliegt bei der Wahl von Vorstandsmitgliedern aus dem Kreis der Aufsichtsratsmitglieder das zur Wahl stehende Aufsichtsratsmitglied einem Stimmverbot. Dies gilt insbesondere schon für die Abstimmung über die Bestellung, weil diese bereits die Öffnung der Interessensphäre der Gesellschaft bedeutet und damit bereits zu diesem Zeitpunkt eine Gefährdung der Interessen der Gesellschaft verhindert werden muss. Ein Recht zur Stimmenthaltung kann in Ausnahmefällen bestehen, wenn kein Stimmverbot greift, der konkrete Interessenkonflikt jedoch die Interessen des Geschäftsherrn bzw. der Gesellschaft gefährden würde, gleichzeitig aber der Geschäftsherr bzw. die Gesellschaft kein Interesse an einer Amtsniederlegung des Mitglieds hat. Voraussetzung für eine Stimmenthaltung ist, dass es sich um einen für den Betroffenen erheblichen Interessenkonflikt handelt, dieser nur im Einzelfall auftritt und es erkennbar ist, dass die übrigen Mitglieder zu einem Mehrheitsbeschluss gelangen. In jedem Fall hat ein Gremiumsmitglied, das sich in einem Interessenkonflikt befindet, seinen Interessenkonflikt gegenüber den anderen Mitglieder vor einer Beschlussfassung offenzulegen. Ein Stimmverbot zieht kein automatisches Teilnahmeverbot nach sich. In Ausnahmefällen ist ein solches dann möglich, wenn die Teilnahme des betroffenen Mitglieds wichtige Belange des Geschäftsherrn bzw. der Gesellschaft konkret gefährden würde. Sofern eine unbefangene Diskussion im Rahmen des Gremiums in Ausnahmefällen nicht möglich sein sollte, muss das betroffene Mitglied zumindest ein Anhörungsrecht haben. Sofern das von einem Konflikt betroffene Mitglied seinen Konflikt den anderen Mitgliedern gegenüber nicht offengelegt hat, führt seine Teilnahme zur Unanwendbarkeit der business judgement rule – sowohl für das Mitglied selbst als auch für alle übrigen Mitglieder des Gremiums.
4.) Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses Interessenwahrungsverhältnisse können sowohl vom Geschäftsherrn als auch vom Interessenwahrer beendet werden, wenn der Interessenwahrer in einen dauerhaften und erheblichen konkreten Interessenkonflikt gerät.15 Da das Interessenwahrungsverhältnis in diesem Fall bereits begründet worden ist und die beteiligten Parteien damit zunächst einmal von seinem Bestehen ausgehen, muss es in rechtssicherer Weise beendet werden. Das bloße Auftreten eines Interessenkonflikts führt daher noch nicht zu einer Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses, vielmehr ist dafür noch ein besonderer Akt (z. B. Kün Zum Folgenden § 17.
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VII. Sanktionen und Gewinnabschöpfung
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digung, Gerichtsentscheidung) erforderlich, der die Beendigung nach außen sichtbar werden lässt. Während die Beendigung bei vertraglichen Interessenwahrungsverhältnissen regelmäßig den Parteien überlassen bleibt, bedarf es bei gesetzlichen Interessenwahrern – wie bei der Bestellung – regelmäßig einer gerichtlichen Prüfung. Besonderheiten gelten auch beim Aufsichtsrat und dem Abschlussprüfer, bei dem ein besonders Verfahren zu beachten ist. Eine Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses ist regelmäßig dann möglich, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Dies kann ein Interessenkonflikt des Interessenwahrers sein. Dadurch kann sich dieser vor Situationen schützen, in denen er wegen der notwendig unvollständigen Regelung des Interessenwahrungsverhältnisses unverschuldet der Gefahr ausgesetzt wäre, seine Pflichten zu verletzen. Allerdings ist ein Missbrauch nicht auszuschließen, wenn er sich auf seinen eigenen Interessenkonflikt als Beendigungsgrund berufen kann. Daher müssen für eine Beendigung durch den Interessenwahrer besondere Voraussetzungen gelten: Der Konflikt musste bei der späteren Begründung eines weiteren Interessenwahrungsverhältnisses für den Interessenwahrer nicht erkennbar gewesen sein oder seine Entstehung unwahrscheinlich erscheinen. Andernfalls muss er dem Geschäftsherrn den Konflikt offenlegen und diesem die Entscheidung überlassen. Gegebenenfalls ist er ihm gegenüber schadensersatzpflichtig. In besonderen Fällen (etwa beim nachträglichen Auftreten eines Interessenwiderstreits beim Rechtsanwalt) besteht eine Pflicht zur Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses. Diese Pflicht stellt eine besonders verdichtete Ausprägung der Interessenwahrungspflicht dar, weil sie die Beteiligten zur Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses zwingt. Dementsprechend bedarf sie zusätzlicher Voraussetzungen. Das bloße Bestehen einer Interessenwahrungspflicht reicht für die Annahme einer Beendigungspflicht nicht aus. Daher wird sie auch nur in bestimmten Ausnahmefällen gesetzlich angeordnet und lässt sich nicht verallgemeinern. Eine Pflicht zur Beendigung besteht insbesondere dann, wenn der Interessenkonflikt über die unmittelbar beteiligten Personen hinaus Auswirkungen auf Dritte oder besondere Institutionen des Gemeinwesens hätte.
VII. Sanktionen und Gewinnabschöpfung Verletzt der Interessenwahrer bei der Lösung eines Interessenkonflikts seine Interessenwahrungspflicht, kann dies Sanktionen nach sich ziehen.16 Der Geschäftsherr kann insbesondere Schadensersatz verlangen oder gegebenenfalls auch das gesamte Interessenwahrungsverhältnis beenden. Bei Maklern kommt Zum Folgenden § 18.
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§ 20 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
es zu einer Verwirkung des Lohnanspruchs, eine Sanktion, die sich höchstens im Hinblick auf Provisionsansprüche auf andere Interessenwahrer übertragen lässt, aber sich nicht als allgemeine Folge der Verletzung von Interessenwahrungspflichten eignet. Außerdem sind für besonders gravierende Fälle aufsichts- und berufsrechtliche sowie strafrechtliche Sanktionen vorgesehen. Der besondere Charakter von Interessenwahrungsverhältnissen wirkt sich auch auf die Anwendung der Sanktionen aus. Er führt etwa im Fall des Schadensersatzverlangens statt der Leistung dazu, dass die nach § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche Fristsetzung grundsätzlich entfällt. Denn die Ausrichtung des Interessenwahrungsverhältnisses an den Interessen des Geschäftsherrn muss auch bei den Sekundäransprüchen berücksichtigt werden, sodass bei Fremdinteressenwahrungsverhältnissen mit ihrer nahezu völligen Ausrichtung auf die Interessen des Geschäftsherrn immer „besondere Umstände“ im Sinne von § 281 Abs. 2 Fall 2 BGB anzunehmen sind. Ein effektives Mittel für den Umgang mit Interessenkonflikten des Interessenwahrers stellt die Gewinnabschöpfung dar.17 Sie ermöglicht die Neutralisierung anreizverzerrender Wirkungen von Vergütungen und anderen Vorteilen, die Dritte dem Interessenwahrer gewähren, denn dieser muss jederzeit davon ausgehen, dass potenziell willensbeeinträchtigende Vermögenszuflüsse im Nachhinein vom Geschäftsherrn abgeschöpft werden. Gleichzeitig ermöglicht sie dem Geschäftsherrn, seinen Interessen im Nachhinein Geltung zu verschaffen, indem er Vorteile, die mit dem für ihn getätigten Geschäft im Zusammenhang stehen, an sich zieht. Grundlage der Gewinnabschöpfung ist die Herausgabepflicht nach § 667 Fall 2 BGB, auf den eine Reihe von Vorschriften verweist. In anderen Fällen bestehen vergleichbare Vorschriften, wie etwa in § 384 Abs. 2 Fall 2 BGB oder § 88 Abs. 2 AktG. Soweit für ein Interessenwahrungsverhältnis nicht ohnehin auf § 667 Fall 2 BGB verwiesen wird, kann die Gewinnherausgabepflicht im Wege einer Gesamtanalogie zu §§ 60 f., GB, § 88 AktG sowie § 667 Fall 2 BGB und § 384 Abs. 2 2. Hs. Fall 2 HGB auf andere Interessenwahrungsverhältnisse übertragen werden. Die dem Interessenwahrer obliegende Aufklärungspflicht schließt die Herausgabepflicht nicht aus – wohl aber die Freigabe einer Geschäftschance bzw. Zustimmung des Geschäftsherrn zum Handeln des Interessenwahrers. Schon Ziel- und Schutzrichtung der Aufklärungspflichten und der Herausgabepflicht sind verschieden, weil die Aufklärung auf die Willensbildung des Geschäftsherrn, die Herausgabepflicht dagegen in ihrer ex ante Wirkung auf die Willensbildung des konfliktbelasteten Interessenwahrers zielt. Außerdem führt die Aufklärung des Geschäftsherrn nicht zum Wegfall des Interessenkonflikts des Interessenwahrers und damit nicht zur Abwendung der Gefahr der Benachtei Zum Folgenden § 19.
17
VII. Sanktionen und Gewinnabschöpfung
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ligung des Geschäftsherrn. Vielfach ist die Offenlegung des Interessenkonflikts zudem eine notwendige Voraussetzung, damit der Geschäftsherr überhaupt von den Voraussetzungen für einen Gewinnherausgabeanspruch gegen den Interessenwahrer erfährt.
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Sachregister Abberufung (Aufsichtsratsmitglied) 222, 508, 513, 525, 532, 563 ff., 676 Abberufung aus wichtigem Grund 525, 538 ff., 626 Abdingbarkeit / Abbedingen – Geschäftschancenlehre 505 ff. – Interessenwahrungspflicht 50, 129 ff. – Offenlegungspflicht 285 ff. – Unabhängigkeit 182 – Vertretungsverbot 36, 384 ff., 392, 395 ff. – Wettbewerbsverbot 156, 236, 370 ff. Abhängigkeit – äußere 139 ff., 149 ff., 157, 162, 164, 215 – faktische 160 – fehlende 149, 151, 156, 159 – finanzielle/wirtschaftliche 160 f., 162, 166, 199 f., 422, 426 – innere 139 ff., 149 ff., 157, 162, 191 – mentale 153 Abschlussprüfer 42, 43, 50, 83, 143, 153, 155, 161, 164, 178 ff., 203, 205, 219, 230, 237, 256 f., 294 f., 353 ff., 416 ff., 449, 457, 513, 561 ff., 572, 620, 622, 627 – Bestellung 84, 192, 220, 220, 224, 235, 237, 256, 259, 260, 261, 269, 270, 271, 283, 291, 321, 337, 348, 350, 353, 360, 371, 431, 436 f., 439, 440, 451, 455, 458, 498, 513, 518, 541, 542, 549, 557, 561, 565, 572, 617, 620, 622, 626, 627 – Ersetzungsverfahren 84, 561 ff., 572 – Mitwirkung 419, 422, 423 ff. – Nichtprüfungsleistung 257, 428 – Rotation – – interne 184, 422, 423, 433, 434 – – externe 433 ff., 457
– Wahl des Abschlussprüfers 354, 355, 563 – Wiederkehrende Bestellung 436 Abschlussprüfung 177, 295 Adverse Selektion 61, 62 Agencykosten 63 ff. Agency-Theorie 59 ff. Ähnlichkeitsheuristik 76 Aktiengesellschaft 50, 91, 220, 223, 235, 257, 293, 349, 352, 354, 357, 368, 438, 475, 495, 509 Amtsniederlegung 128, 238, 545, 570, 575 ff. Anchoring s. Ankereffekt Ankereffekt 74 Anlageberater 107 ff., 252, 253, 255 Anzeige- / Offenlegungspflicht(en) 66, 127, 230 ff., 245 ff., 616 ff. Arbeitnehmer 19, 20, 171, 203, 204, 210, 213 ff., 223, 418, 519, 521, 564 Asymmetrische Interessengewichtung 26, 256 Asymmetrisch ausgerichtetes Rechtsverhältnis 57, 613 Aufsichtsrat(smitglied) 1, 3, 5, 6, 19, 43, 50, 86, 98, 114, 116 ff., 128, 135, 146, 148, 154, 155, 170, 171, 177, 180, 201 ff., 223, 230, 236, 241 ff., 245, 257 ff., 270, 320 f., 349 ff., 360, 363, 372 ff., 418, 431, 432, 437 ff., 448, 456 ff., 461, 492, 495 ff., 501, 504 ff., 508 ff., 518 f., 522 ff., 538 ff., 544, 546, 547 f., 548 f., 550 ff., 562, 563 f., 570, 575 f., 585, 586, 616, 620, 622 ff. Aufsichtsratsausschüsse 320 ff., 617 Aufsichtsratsmandat 218, 351, 374, 432, 439 ff., 446 ff., 497 ff., 507, 576 Aufsichtsrecht 45, 50, 118 ff., 130, 142, 198, 237, 263 ff., 274, 287, 301, 304,
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Sachregister
308 ff., 323, 458, 466, 474, 585, 607 ff., 614, 618 Auskunft 107, 172 Auskunftsanspruch 198, 260, 261, 262, 271, 287 ff. availability bias s. Verfügbarkeitsheuristik Aversion gegen Extreme 76 f. Bank 1, 4, 44, 48, 57, 60, 81, 85, 98, 126, 136, 142, 149, 183, 191 f., 199, 232, 239 f., 248, 252, 278, 283, 310, 422, 447, 459, 460, (539), 560, 575, 596, 600, 604, 606, 607, 613 Beendigungspflicht 576 f., 578, 627 Befangenheit 28 f., 52 ff., 139 ff., 149 ff., 163, 164, 178 ff., 205, 207, 225, 226, 237, 257, 259, 268, 294, 295, 298, 320, 321, 323, 350, 395, 417 ff., 429, 435, 443, 549 f., 555, 562, 572, 575, 590, 592, 615, 618, 626 behavioral economics s. Verhaltens ökonomik Beherrschte(s) Unternehmen / Gesellschaft 217, 376 f., 446, 494, 531 Beobachtungsliste(n) 314 ff., 617 Berufsausübungsgemeinschaft 399 ff. Berufsfreiheit 360, 361, 366, 374, 386, 409, 620, 622 Berufsgrundsätze (Insolvenzverwalter, VID) 2, 51, 156, 185, 190, 193, 268 f. Berufsrecht (Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer) 2, 4, 29, 30, 32, 33, 35, 36, 50, 57, 68, 82, 86, 118 ff., 151, 156, 162, 166, 167, 173, 176, 178, 180, 187, 188, 236, 263 ff., 282, 287, 310, 311, 323, 379 ff., 558, 562, 574, 585, 587, 613, 614, 618, 621 f. Berufssatzung WP/vBP 176, 179, 268, 414 Berufsträger 33 f., 35, 68, 236, 414, 415, 621 Beschluss – Aufsichtsrat 128, 220, 221, 242, 243, 320, 352, 353, 373, 448, 505, 508, 519, 524, 525, 528, 543, 537, 541, 543, 545 ff., 550, 552, 553 f., 556, 562, 563, 625
– Beschlussfassung 3, 508, 509, 510, 511, 513, 520, 539, 546, 552, 557, 625, 626 – Beschlussfähigkeit 223, 552, 554 – Beschlussunfähigkeit 552 – Insolvenzgläubiger 190, 191, 226, 521, 536, 565 – Vorstand 299 Beschränkung des Handlungsspielraums 132, 231, 234, 235, 244, 316, 324 ff., 346, 356, 398, 615, 618 f., 619 Besitzeffekt 74 f., 76, 83 f., 434 Betreuer 1, 6, 54, 121, 271, 290, 346, 451, 453 f., 567 f., 571, 580 Bonding 68 Bürgschaft 527, 528 Business judgment rule 557, 626 Cadbury Report 204 Chinese walls 127, 232, 263, 294, 295, 296, 297, 299, 302, 314, 316, 322, 617, s. auch unter Informations barrieren und unter Vertraulichkeitsbereich(e) Combined Code 204 Compliance 196 ff., 319 f. – Compliance- Abteilung/Beauftragter 158, 196 ff., 303, 315, 318 – Compliance-Funktion 148, 198 – Compliance-Stelle 196 ff. confirmatory bias 78 conservatism bias 78 Corporate Governance Kodex 2, 21, 51, 89, 116, 127, 148, 201, 205, 207 ff., 213, 215 f., 218, 257 ff., 270, 320 f., 351, 363, 377, 443, 446, 484, 497, 563, 571, 575 DCGK s. Corporate Governance Kodex Dissonanzfreiheit (Bedürfnis nach) 73, 78, 82 dualistische Struktur 5, 204, 212, 229, 320 dynamic inconsistency s. Dynamische Inkonsistenz Dynamische Inkonsistenz 78 f., 85 f., 131
Sachregister
Eigengeschäft 124, 241, 278, 342 f., 470 ff., 475 Eigenhandel 266, 275, 316, 342 f., 470, 475 Eignungsprüfung(en) 231, 451 ff., 616, 622 f. – aufsichtsrechtliche, aufsichtsbehörd liche 237 f., 455 f., 458 Einwirkungsmacht 91 f., 97, 368 Eltern 51, 55 f., 208, 220, 329, 346, 452, 455, 458 endowment effect s. Besitzeffekt Entsender 532 f., 556, 625 Erfüllung einer Verbindlichkeit (§ 181 BGB) 325, 330, 334, 347 Ergänzungspfleger 334, 346 f., 567 Eröffnungsverfahren 194, 566 Ersetzung des Interessenwahrers (vorübergehende) 231, 234 f., 244, 346 ff., 447, 616, 619 f. extremeness aversion s. Aversion gegen Extreme Familienmitglied(er) 41, 56, 212, 219 f., 502, 534 Finanzanalyst(en) 201, 205, 207, 221, 266 f., 422 Finanz(dienstleistungs)unternehmen 50, 126, 233, 456, 585 Finanzexperte 201, 205, 207, 221 Framing s. Rahmungseffekt Freie(r) Mitarbeiter 171 ff., 409, 413, 420 Front running 234, 341 f., 342, 345, 367, 472, 619 Garantie(n) / Bonding 68 Geschäftliche Beziehungen (von erheblicher Bedeutung) 150, 184, 191 f. Geschäftsbesorgung(svertrag, -sverhältnis) 23, 25, 30, 48 f., 50, 55, 93, 101, 103, 104, 106, 108, 245, 256, 260, 263, 285, 286, 288, 291, 474, 477, 500, 559, 570, 588 ff., 592 ff., 600, 603, 604, 616 Geschäftschancenlehre 4, 5, 7, 136, 240, 241, 244, 366, 367, 483 ff., 616
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– Freigabe (Geschäftschance) 372, 375, 504 ff., 606, 610, 628 – Kenntniserlangung (private) 500 ff., 506, 624 – Unvermögen zur Chancennutzung 499 f. Geschäftsführer (GmbH)/ GmbH- Geschäftsführer 4, 6, 50, 257, 258, 291, 354, 367 f., 373, 376, 377, 441, 442, 598, 616 Gestattung 135, 251, 324, 325, 327, 330 ff., 334, 337, 345, 346, 350, 619 Gewinnabschöpfung 7, 185, 243 f., 244, 487, 588 ff., 616, 628 Gewinnherausgabe 590, 591, 594, 595, 598, 599, 600 ff., 610 Gläubiger 21, 40, 41, 53, 57, 121, 140, 177, 182, 186, 189, 190 f., 191 ff., 217, 223 ff., 261, 262, 269, 332, 333, 344, 348, 416, 455, 460, 476, 553, 554, 565, 576, 582, 613 Gläubigerausschuss(mitglied) 6, 53, 223 ff., 241, 262, 521 f., 535 f., 550, 551 f., 552, 554, 556, 564 f., 565 Gläubigergleichbehandlung 186, 189 Gleichbehandlungsgrundsatz /-pflicht 240, 461, 475 ff., 498, 499, 507, 539, 623 ff. GmbH 4, 6, 50, 113, 116, 134, 220, 257, 258, 288, 291, 328, 336, 349, 351, 354, 355, 367, 373, 376, 377, 378, 404, 439, 442, 511, 517, 542, 598, 616 GmbH & Co. KG 134, 328 Gremienentscheidung 154, 240, 241 f., 244, 508 ff., 616 Gremium / Gremien 86, 146, 241, 242, 258, 268, 270 f., 320, 323, 505, 508–510, 515, 519, 525, 530, 537, 540, 543, 545, 546, 549, 552 f., 554–556, 565, 618, 625, 626 Großaktionär 208, 217, 218, 231, 445 Handelsvertreter 93, 108 ff., 110, 111, 231, 250, 290, 362, 368 ff., 374, 378, 480, 559, 570, 583, 598 f., 610 Handelsvertretervertrag (-verhältnis) 50, 108, 109, 111, 368
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Sachregister
Handelsvertretung 6, 104 Handlungsgehilfe 135, 357, 361, 364 f., 365, 369, 372 ff., 378, 504, 579, 589, 591, 598 Herausgabeanspruch /-pflicht 245, 272, 289, 358, 484, 588 ff., 590 f., 593 ff., 597, 599, 600 ff., 610, 628 Herrschende(s) Unternehmen / Gesellschaft 218, 376, 377, 441, 475, 494 Honorarvereinbarung(en) 166 independent director(s) 5, 202 Informationsasymmetrie 59, 61, 64, 66, 86, 127, 177, 182, 230, 246, 272 Informationsaustausch 295, 302 f., 303, 309, 311, 408 Informationsbarriere(n) 232, 276, 285, 295, 297 ff., 307 f., 311 ff., 316 f., 319, 322 f., 617 f., s. außerdem unter Chinese walls und unter Vertraulichkeitsbereich(e) Inhabilität(svorschrift, -sregelung) 7, 65, 86, 128, 136, 156, 157, 229, 231, 232, 236, 237, 243, 244, 324, 344, 416 ff., 558, 564, 575, 616 Insichgeschäft 1, 50, 135, 243, 324 ff., 330 ff., 337, 339 f., 344, 350, 511, 514 ff., 523 f., 528, 556, 618, 620, 625 Insolvenzverwalter 1, 2, 4, 6, 40, 41, 50, 51, 53, 101, 121, 140, 148, 156, 158, 185 ff., 194, 195, 201, 223, 226, 234, 238, 259 ff., 263, 268, 269, 271, 291, 328, 332–334, 338, 347 ff., 356, 451, 455, 460, 521, 522, 554, 565 f., 571, 579, 583, 617, 620 Interessen auf derselben Marktseite 39, 57, 459, 481, 613, 623 Interessen auf verschiedenen Marktseiten 39, 57, 239, 613 Interessenjurisprudenz 15 ff., 22 Interessenkonflikt(e) – abstrakte(r) 237, 324, 345, 483, 506, 523 ff., 619, 624 – Art und Herkunft (Interessenkonflikt) 118, 263, 274 f., 280, 291, 617 – Dauer des Konflikts / Konfliktdauer 4, 37, 41, 57, 229, 613
– dauerhafte(r) / andauernde(r) 3, 4, 5, 41, 104, 109, 128, 208, 229, 235, 237, 241, 319, 365, 366, 437, 447, 451, 454, 455, 458, 483, 486, 487, 510, 522, 545, 558, 559, 563, 564, 567, 568, 569, 573, 575, 577, 626 – Erkennbarkeit 97, 126, 136, 251, 254, 278 ff., 281, 291, 325, 557, 574, 577, 595, 617, 626, 627 – Intensität des Konflikts / Konfliktintensität 4, 37, 229, 242, 247, 275, 379, 458 – konkrete(r) 151, 152, 164, 215, 245, 252, 324, 335, 345, 347, 357, 454, 483, 519, 543, 557, 562, 564, 575, 619, 622, 626 – Offensichtlichkeit 255, 278, 281 – punktuelle(r) 3, 4, 5, 41, 57, 106, 107, 128, 233, 234, 240, 241, 242, 258, 324, 344, 345, 347, 356, 366, 459, 481, 483, 487, 506, 508, 510, 521, 522, 523, 555, 564, 619, 623, 624, 625 – strukturelle(r) 40, 366, 487 – Teilbeendigung 560, 567 – Ursache(n) 37, 42 ff., 57 – vorübergehende(r) 229 – wiederkehrende(r) 109, 110, 128, 233, 235 Interessensphäre (Öffnung der) 95 ff., 102 ff., 115, 117, 122, 125, 126, 129, 132, 135 ff., 145, 256, 261, 358, 360, 368, 369, 371, 373, 376, 380, 497, 498, 501, 506, 507, 541, 542, 557, 559, 593, 594, 614, 624, 626 Interessenträger 16, 17, 26, 33, 56, 613 Interessenvertretung 23, 37, 179, 190, 382, 383, 391, 403, 414, 460 Interessenvertreter s. bei Vertreter, Interessenvertreter Interessenwahrungspflicht 89 ff. – Abdingbarkeit / Abbedingen 50, 129 ff. – Beschränkung 32, 34, 51, ff., 122, 131, 135, 160, 234, 235, 239, 284 f., 315, 346, 431, 458, 467, 472, 561, 567, 572, 622 – Intensität 94, 97 f., 104, 112, 114, 117, 360
Sachregister
– Intensivierung 129 ff. – Nachwirkung 129 – Verdichtung 6, 165, 360, 366 ff. Interessenwahrungsverhältnis – Abgrenzung zur Treuhand 45 ff. – Beendigung 129, 137, 165 f., 240, 242 f., 244, 371, 439, 502 f., 508, 543, 546, 555, 558 ff., 581, 584 f., 589, 616, 625, 626 f. – Kündigung 84, 128, 558 ff., 560, 561, 570, 572 f., 573, 577, 584 – Vertyptes 102, 104, 504 – Widerruf 558, 559 Interessenwiderstreit / Widerstreit der Interessen 29 ff., 37, 57, 151, 163, 236, 382, 384, 385, 398, 414, 455, 558, 574, 577, 613, 621, 627 Interest or Expectancy-Test 487, 489, 490 IOSCO 2, 13 Investmentbanking 232, 276 Kanzleiangestellte 165, 174 Kapitalverwaltungsgesellschaft(en) 118, 219, 220, 265 f., 319, 455, 456 Kommission (iSv. § 383 HGB) 6, 104, 106, 125, 185, 248, 249 f., 278, 339, 366, 461, 464 f., 472, 474, 477, 590, 591, 604, 607 Kommissionär 1, 48, 93, 105, 106 f., 127, 240, 249 f., 255, 290, 294, 339 f., 362, 366, 378, 464 ff., 472, 477, 527, 589, 592, 601, 604, 607, 608 Kommissionsempfehlung / Empfehlung der (Europäischen) Kommission 141, 148, 201, 207, 209 ff., 216 f., 219, 233, 444, 562 Kommissionsgeschäft 4, 50, 466, 475 Konfliktliste(n) 314 ff., 322, 617 Konfliktlösungsprinzip(ien) 7, 136, 240 f., 244, 459 ff., 580, 616, 623 f. Konzern 217 ff., 298, 321, 331, 376 ff., 441, 494, 535 – Geschäftschancen bei Konzernen 494 – Konzerninsolvenz 193 – Konzernrecht 216 ff. – Wettbewerbsverbot im Konzern 375 ff. Kreditinstitut 318, 447, 455, 456, 603, 623
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Line of Business-Test 487 ff., 493 Losentscheid 461, 479 loss aversion s. Verlustaversion low balling 42, 436 Makler 1, 39, 104, 105, 106, 189, 243, 250 ff., 419, 466, 583, 584, 587, 627 – Abschlussmakler, 466 – Maklerrecht, 3, 282 – Maklertätigkeit, 104, 419 – Maklervertrag, 4, 50, 105, 106, 125, 251 – Nachweismakler, 250 – Vermittlungsmakler, 251 – Vertrauensmakler, 106, 252 – Verwirkung (Maklerlohn) 7, 251, 583 f., 587, 616, 628 – Zivilmakler, 251 Mandant 1, 3, 29 ff., 36 f., 53 f., 60 f., 83, 98, 119, 132, 159 ff., 164 ff., 171 ff., 176, 187 f., 230, 272, 302, 313, 317, 319, 380 ff., 390 ff., 397 ff., 401 ff., 419 f., 423, 425, 427 f., 430, 436, 575, 621 – Erstmandant, 407, 408 – Mandantenabhängigkeit (165 ff.), 434 – Mandantenbeziehung, 434 – Mandanteninteresse, 33, 43, 175, 187, 392 – Mandantenrisiko,171, 176, 178 – Mandantenunternehmen (Beteiligung), 152, 168, 169 – Mandantenverhältnis, 393 – Mandantenvertrag, 168 – Mandantenwillen, 401 Mehrheitsaktionär 113, 203, 210, 212, 216 f., 219 monistische Struktur / monistisches System 5, 202, 204, 211, 212, 320 Moral hazard s. moralisches Risiko Moralisches Risiko 62 Nachlassverwalter 158, 194 f., 238, 328, 332 Nahestehende Person(en) 192, 269 Näheverhältnis(se) 104, 154, 193, 260, 426 f., 526 f., 534 f. Notar 47, 51, 54 f.
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OECD 2, 12 Öffentlichrechtliche Sanktion(en) 243, 585 Organakt 537, 538, 539, 557, 626 Organisationspflicht(en) 6, 157, 231, 232, 233, 234, 244, 263, 285, 293 ff., 324, 344, 459, 479, 481, 615, 617, 619, 623 Organmitglied 4, 40, 60, 89, 114, 115, 116, 117, 124, 129, 134, 135, 172, 201, 234, 258, 300, 305, 308, 319, 330, 331, 349, 352, 372, 420, 441, 443, 461, 496, 503, 514, 518, 521, 523, 537, 538, 544, 545, 562, 564, 582, 586 overconfidence bias s. Übermäßiges Selbstbewusstsein overoptimism s. Übermäßiges Selbst bewusstsein Personalwechsel, 298, 303 Pfleger 1, 6, 121, 125, 271, 290, 334, 346, 356, 451, 455, 567, 568, 580, 598, 620 – Abwesenheitspfleger, 334 – Ergänzungspfleger, 334, 346, 347, 455, 567 – Nachlasspfleger, 288, 334, 451, 455, 583 Pflicht zur Abstimmung 543 Pflichtenkollision 38, 39, 57, 116, 242, 545, 563, 613 Präferenz für den Status Quo 76, 84 Principal-Agent-Modell 59, 60, 61, 63, 65, 86, 141, 142, 212, 485 Prioritätsprinzip / Prioritätsgrundsatz 127, 136, 240, 343, 367, 460 ff., 477, 481, 482, 580, 581, 623 Pro rata Verteilung 475, 477, 479, 481 Prospect theory 71, 79, 80, 83 Quotenmäßige Verteilung 461, 479 Rahmungseffekt 72, 74, 85, 606 Rangbestimmung(en) 7, 240, 244, 459, 460, 462, 464, 466, 468, 470, 472, 474, 476, 478, 480, 482, 616, 623
Ratingagentur(en) 12, 50, 83, 142, 148, 158, 161, 167, 181 ff., 192, 233, 267, 268, 294, 309, 310, 430 rational (handelndes Individuum) 5, 60, 61, 71, 76, 85, 131 Rationalität / Rationality 71 – Bounded rationality 71 – Rational Choice Modell 79 – Rational ignorance 427 Rechenschaft 127, 287, 289, 290 – Rechenschaftsanspruch 287, 289 – Rechenschaftslegung 289 – Rechenschaftspflicht 127, 271, 287, 289, 290 Rechtsanwalt, 1 ff., 29 ff., 37, 47 f., 50, 52 f., 60 f., 98, 104, 118 f., 132, 143, 148, 156, 158 ff., 167 ff., 178 f., 187 f., 192, 230 f., 238, 248, 269, 272, 283, 294, 379 ff., 396, 398 ff., 407, 409, 411 ff., 420, 454, 558, 559, 570, 574, 576, 577, 583, 586, 621, 627 – Angestellter Anwalt 160, 164, 171, 173, 174, 402, 404 – Nichtanwaltliche Vorbefassung 388 – Rechtsanwaltsgesellschaft 160, 399 – Rechtsanwaltskammer 163 – Rechtsanwaltskanzlei 318 – Rechtsanwaltssozietät 29, 30, 401, 402, 404 – Verhältnis zu Kanzleiangestellten 165, 174 – Vorbefasster Anwalt 406, 408, 409 Rechtsstreit (mit der Gesellschaft) 513, 523 ff., 532, 556, 625 representativeness heuristic s. Ähnlichkeitsheuristik restricted list s. Sperrliste(n) Richten in eigener Sache 157, 225, 229, 442, 518, 523 ff., 556, 625 Richter 51 ff., 150, 236, 449, 522 – Richteramt 52, 138 – Richterähnliche Aufgabe 552 – Richterliche Unabhängigkeit 52 – Schiedsrichter 51, 53 Rückvergütung(en) 83, 246, 252 ff., 264, 266, 278, 604
Sachregister
Sachkunde 26, 61, 63, 64, 70, 85, 154, 201, 273, 281, 426, 427, 442 ff., 457, 576, 622 Sachverständige(r) 53, 54, 141, 424 Sanktion(en) 7, 68, 81, 83, 90, 146, 148, 221, 230, 243, 244, 251, 311, 344, 428, 494, 563, 579, 580, 582, 584, 585, 586, 587, 594, 616, 627, 628, 629 Schadensersatz 110, 224, 243, 284, 358, 484, 570, 579 ff., 585, 587, 595, 596, 627, 628 – Schadensersatzanspruch 43, 172, 272, 388, 419, 571, 579, 595, 596, 601, 602, 609, 610, 616 – Schadensersatzhaftung 579 ff. – Schadensersatzpflicht(en) 7, 30, 270, 570, 574, 601, 627 – Schadensersatzprozess 33, 385 – Schadensersatzrecht 583, 584, 602 Schuldner 100, 121, 140, 186, 189 ff., 195, 224, 226, 261, 269, 332 f., 460, 462, 463, 476, 521 f., 565, 580 – Drittschuldner 192 – Gesamtschuldner 402 – Hauptschuldner 528 – Insolvenzschuldner 269 – Schuldnerunternehmen 521 – Vollstreckungsschuldner 195 Screening 66, 67 Selbstablehnungsrecht 238 Selbsteintritt (Kommission) 107, 234, 339, 340 Selbstprüfung 42, 43, 57, 179, 180, 418, 423, 424, 426 – Selbstprüfungsverbot 418, 425 Selbstselektion 67 Selbstüberwachung 438 Selektive Wahrnehmung (insbesondere: – von Informationen) 5, 71, 73, 82, 85 Signalisieren / signaling 66 ff., 145, 429 Sonderinsolvenzverwalter 234, 260, 333, 347 ff., 356, 566, 620 Sozietät 394, 399, 400 ff., 621 – Sozietätsmitglied(er) 400, 402, 403, 412 – Sozietätswechsel 406, 408, 410, 411, 414 Sperrliste(n) 314, 316, 318
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status quo bias s. Präferenz für den Status Quo Steuerberater 104, 143, 148, 158, 164, 166, 170, 175, 176, 178, 192, 269, 272, 379, 390 ff., 396 ff., 411 ff., 415 Stimmenthaltung 543 ff., 557, 626 Stimmrecht 113, 206, 209, 213, 354, 443, 508 ff., 513 ff., 523 ff., 528 ff., 536 ff., 547 ff., 554 – Stimmrechtsausschluss, 512, 513, 522, 529, 534, 535, 538 ff., 553 – Stimmrechtsverbot, 243, 542 Stimmverbot(e) 241 ff., 351, 447, 505, 508 ff., 564, 625 f. Strafrechtliche Sanktion(en) 585, 857, 628 Syndikus(anwalt) 161, 171 ff., 380 Teilnahmeverbot(e) 7, 240, 241, 244, 506, 508, 510, 512, 514, 516, 518, 520, 522, 524, 526, 528, 530, 532, 534, 536, 538, 540, 542, 544, 546 ff., 552, 554 ff., 616, 625, 626 Testamentsvollstrecker 1, 4, 6, 50, 158, 194, 195, 196, 237, 262, 263, 290, 328, 331, 332, 338, 340, 341, 449, 466, 568, 569, 580, 583, 589 Treuepflicht 6, 25, 45, 49, 89, 91, 94, 95, 101, 102, 103, 105, 109, 111, 113 ff., 121, 124, 130, 132 ff., 137, 235, 270, 299, 358, 367, 371, 484, 491, 498, 499, 501, 502, 507, 529, 535, 575, 576, 625, s. außerdem unter Interessenwahrungspflicht Treuhand 3, 24, 45 ff., 55, 56, 60, 69, 89, 91 ff., 99, 100, 102, 105 ff., 109, 112 ff., 117, 124, 125, 224, 237, 247, 248, 250, 269, 270, 272, 274, 286 ff., 331 ff., 336 ff., 341, 359, 360, 363 ff., 368, 371, 375, 419, 440, 441, 448 ff., 452, 454, 455, 464 ff., 473, 474, 477 ff., 484 ff., 492 ff., 497, 501, 509 ff., 516, 517, 521, 522, 527, 543 ff., 551, 552, 554, 559 ff., 563 f., 567 ff., 571, 573 ff., 580 ff. Überkreuzüberwachung 438, 441
698
Sachregister
Übermäßiges Selbstbewusstsein / Überoptimismus 77, 78, 80 ff., 427 Unabhängigkeit 138 ff., 158 ff. – Abdingbarkeit 182 – äußere 139, 140, 149, 150, 151, 157, 162 ff., 215, 416, 615 – fehlende 149, 159, 212 – finanzielle 199 – innere 140, 149, 151, 157, 162, 163, 210, 615 – Intensität (des Unabhängigkeitserfordernisses) 152 f. – Notar 54 f. – richterliche 51 ff. Unabhängigkeitserfordernis/-gebot /-regelung(en) 5, 43, 52, 138 ff., 158 ff., 229, 231, 233, 244, 256, 257, 259, 261, 263, 271, 293, 349, 391, 393, 411, 412, 449, 614, 615 Unbefangene Diskussion 557, 626 Unternehmensinteresse 15, 17 ff., 116, 197, 214, 443, 529, 571 Unvollständige(r) Vertrag (Verträge) 69 Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen 7, 29, 33, 35, 37, 82, 86, 152, 158, 163, 178, 231, 236, 242, 244, 379 ff., 558, 586, 616, 621 Verbotsliste(n) s. Sperrliste(n) Vereinsvorstand 258, 259, 291, 511, 512, 520, 589, 616 Verfügbarkeitsheuristik 73, 82, 83 Verhaltensanomalie(n) 60, 71, 72, 74, 76, 78, 80, 84, 86, 434, 606, 607 Verhaltensökonomik (verhaltensökonomisch) 5, 6, 59, 70 ff., 75, 77, 79 ff., 83, 85, 86, 131, 152, 185, 249, 375, 427, 434, 436, 555, 606, 607, 610 Verlustaversion 75, 76, 83 ff., 434 Vermögensinteresse 102, 103, 113, 115, 122, 193, 452 Vermutungsregel(n) 150 Verteilungskonflikte 40, 459 ff., 464, 465, 476, 481, 580, 623 Vertrag zugunsten Dritter 527 Vertrag/Verträge der Fremdinteressenwahrung / mit (Fremd-)Interessenwahrungscharakter 25 ff., 45, 99, 100,
114, 121, 122, 132, 255, 287, 292, 340, 358, 495, 559, 582, 589, 594, 617 Vertrag/Verträge der Interessengemeinschaft 24, 25, 27, 95, 287, 358, 582, 589, 594 Vertrag/Verträge des Interessengegensatzes 13, 24–26, 57, 96, 121, 287, 340, 384, 495, 582 Vertragshändler 24, 25, 91, 99, 102, 110–112, 476 – Vertragshändlervertrag 110–112 – Vertragshändlerverhältnis 6, 110–112 Vertrauen 23, 32, 52, 58, 70, 84, 91, 92, 95, 96, 110, 125, 142 ff., 157 ff., 177 f., 180 ff., 186, 190, 205, 236, 239, 243, 257, 260, 267, 310 ff., 380, 381, 383 f., 395, 397, 399, 402, 403, 405, 407 ff., 414, 416 f., 429 f., 435, 450, 452, 456, 463, 470, 559 f., 574, 577, 615, 621 – Selbstvertrauen 78, 80, 81 – Vertrauensgeschäft 106 – Vertrauensmakler 106, 252 – Vertrauensstellung 125, 235, 360, 559, 570, 590, 599 – Vertrauensstörung 408 – Vertrauenstatbestand 143, 144, 157, 181, 614 – Vertrauensverhältnis 106, 159, 180, 190, 332, 380, 381, 392, 401, 402, 405, 407, 408, 429, 560, 590 Vertraulichkeitsbereich(e) / Informationsbarriere(n) 263, 295 ff., 301, 303, 308 f., 314, 316, 319, 322, 343, 617, s. außerdem unter Chinese walls und unter Informationsbarriere(n) Vertreter 1, 4, 6, 16, 22, 31, 47, 50, 98, 106, 118, 121, 122, 133, 158, 175, 179, 180, 187, 206, 212, 216 ff., 224, 243, 288, 307, 321, 324 ff., 333 ff., 337 ff., 349, 350, 352, 392, 409, 438, 441, 442, 446, 517, 523, 527, 528, 530, 531, 535, 537, 556, 562 f., 571, 625 – Aktionärsvertreter 207, 216 – Alleinvertreter 337, 338 – Anteilseignervertreter 218, 444 – Arbeitnehmervertreter 203, 214 ff., 564
Sachregister
– Bankvertreter 447 – Einzelvertreter 329 – Gesamtvertreter 329 – Gewerkschaftsvertreter 215 – Handelsvertreter 93, 108 ff., 231, 250, 290, 362, 368 ff., 374, 378, 480, 559, 570, 583, 598, 599, 610 – Interessenvertreter, 30, 32, 43, 53, 54, 168, 180, 187, 224, 390, 393, 401 ff., 405, 407 ff., 412 ff. – Organvertreter 328 – Untervertreter 337, 338 – Vertretergeschäft 335 – Wissensvertreter 306 Vertretungsverbot – Berufsausübungsgemeinschaft 399, 401, 404, 405, 408, 410 ff., 621 – Rechtsanwalt 32, 33, 36, 37, 380 ff., 399 – Steuerberater 379, 391, 392, 393, 411–413 – Vertretungsverbot (Berufsrecht) 379, 415, 574, 621 – Wirtschaftsprüfer 395, 396, 413, 414 Vertriebsvereinbarung 601 ff., 610 Verwirkung 7, 251, 583, 584, 587, 616, 628 Vormund 1, 4, 6, 23, 27, 50, 121, 122, 234, 238, 271, 290, 333, 346, 347, 356, 451 ff., 566 ff., 571, 580, 583, 598, 620 Vorstand, 4 ff., 19 ff., 43, 50, 98, 101, 114, 116, 123, 127, 135, 136, 146, 170, 171, 198, 202, 204, 205, 207, 209, 213 ff., 235, 237, 257 ff., 272, 288, 291, 293, 299, 300, 308, 319, 349 ff., 356, 361 ff., 371, 373, 374, 376 ff., 432, 437 ff., 448, 457, 497, 498, 501, 503, 511 ff., 517, 520, 523, 524, 56, 529, 531 ff., 535, 540 ff., 549, 555, 575, 576, 579, 582, 585, 589, 591, 616, 620, 622 ff. – Vorstandsmitglied, 1, 44, 116, 118, 178, 204, 206, 209 ff., 219 ff., 231, 234, 259, 300, 321, 346, 349 ff., 354, 356, 357, 359, 361, 363, 368, 369, 372, 373, 377, 414, 439, 441 ff., 457, 461, 495, 496, 498, 501, 504, 511 ff.,
699
520, 526, 529, 533, 540 ff., 547, 549, 557, 564, 570, 575, 583, 589, 620, 622, 626 Wall crossing 296, 298, 301 ff., 322, 618 WEG-Verwaltungsbeirat 416, 448 Weisung(en) 30, 51, 55, 77, 101, 102, 109, 115, 125, 159, 160, 166, 70, 172, 173, 178, 179, 187, 196 ff., 226, 247, 249, 250, 285, 287, 291, 301, 317, 322, 349, 376, 441, 468, 482, 517, 523, 524, 579, 616 Wertpapierdienstleistung 120, 199, 263, 264, 604, 609 – Wertpapierdienstleistungsfirma 608 – Wertpapierdienstleistungskonzern 196, 298 – Wertpapierdienstleistungsunternehmen 37, 118 ff., 148, 158, 196, 263 ff., 268, 274, 277, 278, 280, 283, 294, 310, 314, 316, 319, 342, 343, 375, 470, 474, 475, 607, 608 Wettbewerbsverbot 5, 7, 66, 86, 94, 97, 98, 100, 112, 115 ff., 123, 124, 127, 128, 130, 135, 136, 156, 229, 231, 235, 236, 241, 244, 357 ff., 447, 473, 480, 483 ff., 492 ff., 496, 498, 500, 503 ff., 533, 575, 585 579, 597, 598, 599, 610, 616, 620, 621, 624 – Abdingbarkeit 156, 236, 370 ff. – Beschränkung 235, 317, 357 ff., 620 f. wichtiger Grund 202, 222, 539, 559, 563 ff., 570 ff., 577, 627 Widerstreit der Interessen s. Interessenwiderstreit Willensbildung (Gremium, Gremien) 508 ff., 543, 546, 547, 556 Wirtschaftsprüfer 4, 34, 36, 50, 68, 118, 139, 144, 149, 156, 164, 168, 175 ff., 188, 192, 256, 268, 269, 295, 310, 344, 379, 395 ff., 413, 414, 417, 418, 420, 422, 423, 429, 430, 433, 434, 436, 562, 575 Wissensorganisationspflicht 305 ff., 311 Wissenszurechnung 299, 301, 304, 305, 307 ff., 322, 323, 401, 618 Zuständigkeit (Stimmverbot) 550
700
Sachregister
Zuständigkeitsverlagerung 127, 349, 352, 353, 356, 620 Zuwendung(en) 46, 80, 170, 174, 234, 252 ff., 264 f., 278 ff., 592 f., 600 ff., 606 ff.
Zwangsverwalter 158, 194 f., 328, 332 Zweitberuf 169 ff., 380