Die Obligation im deutschen und französischen Leistungsstörungsrecht: Eine dogmatisch-konzeptionelle Untersuchung und Gegenüberstellung 3161611705, 9783161611704

Versprechen sich die Parteien eines Vertrages die Herbeiführung eines Erfolgs oder lediglich die Erbringung bestimmter A

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German Pages 272 [274] Year 2022

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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Teil 1: Die Haftung für Pflichtverletzungen als zentraler Tatbestand des deutschen Schuldrechts
A. Die Obligation – ein überholter Rechtsbegriff?
I. Etymologie und Verständnis des BGB-Gesetzgebers um 1900
II. Der Obligationsbegriff in der Literatur
1. Die Obligation als einheitliches Forderungsrecht
2. Die Obligation als Summe des vertraglichen Pflichtenprogramms
3. Die Obligation als das „Bekommensollen“
III. Die Gebundenheit des schuldnerischen Vermögens an den Gläubiger zur Erfüllung der Obligation
1. Der Inhalt der Obligation
a) Der Wert als Inhalt der Obligation
b) Die Handlung als zentrales Element
c) Das Recht auf Macht
d) Die Realisierung bzw. Aufrechterhaltung eines Zustands
2. Die Intensität der Gebundenheit der schuldnerischen Vermögensmasse
3. Die Realisierung bzw. Aufrechterhaltung eines Zustands durch Geldzahlung – die Einheitlichkeit der Obligation
IV. Ergebnis der Begriffsbestimmung
B. Das Verhältnis der Obligation zu weiteren zentralen Begriffen des Leistungsstörungsrechts
I. Schuldverhältnis im engeren und weiteren Sinne
II. Das Forderungsrecht
III. Die Leistungspflicht
1. Der Umfang der geschuldeten Leistung
a) Das aufwandsbezogene Verständnis des Leistungsumfangs
b) Die erfolgsorientierte Auslegung von Leistungsversprechen
c) Stellungnahme und Veranschaulichung an der Rechtsprechung des BGH
aa) Kritik am Ansatz der Rechtsprechung
bb) Die Anwendung des erfolgsbezogenen Verständnisses auf die genannten Beispiele
d) Zwischenergebnis
2. Das Verhältnis der Leistungspflicht zur Obligation
3. Fazit
IV. Die Pflichtverletzung
1. Die Pflichtverletzungskonzeption des Gesetzgebers und der herrschenden Literatur
2. Ausnahmen vom erfolgsbezogenen Pflichtverletzungsbegriff? – kritische Analyse einiger verhaltensbezogener Konzeptionen der Pflichtverletzung
3. Fazit
V. Der Rechtsgrund zum Behaltendürfen
VI. Die Garantie
VII. Fazit und Exkurs über das Ende der Obligation
C. Die Auswirkungen der Obligationslehre auf wesentliche Fragen der Haftung für Leistungsstörungen
I. Die Vertragsauslegung im Lichte des hiesigen Obligationsverständnisses
1. Die Heranziehung der Vertragsauslegung zur Ermittlung des geschuldeten Leistungsaufwands
a) Die Ergiebigkeit der Vertragsauslegung in Anlehnung an die frustration-of-contract doctrine des common law
b) Der Rückgriff auf anerkannte Gefahrtragungsnormen
2. Die nur eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Vertragsauslegung
a) Die Untauglichkeit des „typischen Parteiwillens“ als Kriterium zur Bestimmung des Leistungsaufwandes
b) Die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Vertragsauslegung – Die Untauglichkeit lückenhafter Verträge für die Bestimmung des Leistungsaufwandes
3. Fazit
II. Die Wirkung von Leistungshindernissen auf die Leistungspflicht
1. Der Begriff des Leistungshindernisses
2. Unmöglichkeit und der Grundsatz impossibilium nulla obligatio
a) Die Lehre von der Unwirksamkeit eines nicht erfüllbaren Vertrages
b) Das Fortbestehen des Vertrages selbst bei nicht erfüllbaren Leistungen
c) Stellungnahme
d) Fazit
3. Der Streit um die Rechtsfolge des § 275 BGB
a) Der Ausschluss von Anspruch und Leistungserfolg als Rechtsfolge des § 275 BGB
b) Der Ausschluss von Anspruch und Leistungshandlung als Rechtsfolge des § 275 BGB
c) Stellungnahme
d) Fazit
4. Ergebnis zur Wirkung von Leistungshindernissen auf die Leistungspflicht
III. Der Bezugspunkt und Umfang des Vertretenmüssens
1. Keine Unvereinbarkeit zwischen erfolgsbezogenen Obligationsverständnis und Verschuldensprinzip
2. Das Verhältnis zwischen Pflichtverletzung und Vertretenmüssen
3. Die verschiedenen Bezugspunkte des Vertretenmüssens
D. Zusammenfassung zum deutschen Recht
Teil 2: Die obligation als zentraler Begriff des französischen Schuldrechts
A. Der Begriff der obligation im französischen Allgemeinen Schuldrecht
I. Die historische Entwicklung des Wesens der obligation
1. Entstehung und Entwicklung der obligation im römischen Recht
2. Rück- und Fortschritte des Begriffs der obligation von Beginn des Mittelalters bis zum Code civil
3. Konzeptionen und Theorien zum Obligationsbegriff seit Inkrafttreten des Code civil
a) Die conception objective der obligation
b) Die conception dualiste der obligation
c) Créance und dette als zwei Seiten der obligation – die définition classique
d) Die conception néoclassique
e) Die obligation tripartite
f) Die obligation als Garantie
4. Fazit
II. Inhalt (objet) und Gegenstand (contenu) der obligation
1. Die objektive Bestimmung des Inhalts der obligation – die prestation als gesetzlich festgelegter objet der obligation
2. Die théorie volontariste – der acte bzw. die abstention als Inhalt der prestation und damit objet der obligation
3. Die théorie dualiste – die Kombination aus Handlung und Erfolg als objet der obligation
4. Die conception néoclassique
5. Die Gläubigerbefriedigung als objet der obligation
6. Fazit
III. Stellungnahme zu den im französischen Recht bestehenden Konzeptionen der obligation
1. Ausgangspunkt der Untersuchung: die obligation als droit personnel
2. Créance und dette als die zwei Seiten einer Medaille?
3. Das objet der obligation
a) Die Differenzierung nach Art der Leistung
aa) Die traditionelle Dreiteilung der obligation – obligation de donner, de faire und de ne pas faire
bb) Die (wiederentdeckte) Zweiteilung der obligation in obligation en nature und obligation de somme d’argent
cc) Die Unterscheidung zwischen obligation de moyens und obligation de résultat
dd) Fazit
b) Der acte als objet der obligation
c) Die Verwirklichung des dessein als objet der obligation
4. Fazit
B. Das Verhältnis der obligation zu weiteren zentralen Begriffen des französischen Leistungsstörungsrechts
I. La prestation – die Leistung
1. Die Überschneidungen zwischen dessein und prestation im Sinne des Leistungserfolgs
2. Die Überschneidungen zwischen dette und prestation als Leistungshandlung
3. Fazit
II. Le paiement – die Erfüllung
III. Die inexécution und die faute
IV. Die (im)possibilité und die force majeure im französischen Obligationenrecht
1. Die possibilité als Voraussetzung der obligation
2. Die Voraussetzungen und Folgen der impossibilité und der force majeure
3. Fazit
C. Die Auswirkungen der Obligationslehre auf das Verständnis der responsabilité contractuelle – das Verhältnis von Naturalerfüllung und Erfüllungssurrogaten
I. Die responsabilité contractuelle als exécution par équivalent
II. Die responsabilité contractuelle als Ausgleich für einen erlittenen Schaden
III. Die responsabilité contractuelle als exécution par équivalent und Ausgleich eines Schadens
IV. Stellungnahme
D. Zusammenfassung zum französischen Recht
Teil 3: Unterschiede und Gemeinsamkeiten der untersuchten Rechtsordnungen
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Die Obligation im deutschen und französischen Leistungsstörungsrecht: Eine dogmatisch-konzeptionelle Untersuchung und Gegenüberstellung
 3161611705, 9783161611704

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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 478 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren: Holger Fleischer, Ralf Michaels und Reinhard Zimmermann

Sebastian Henke

Die Obligation im deutschen und französischen Leistungsstörungsrecht Eine dogmatisch-konzeptionelle Untersuchung und Gegenüberstellung

Mohr Siebeck

Sebastian Henke, geboren 1991; Studium der Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und an der Université Paris II/Panthéon-Assas (Paris, Frankreich); Licence en Droit 2014; Erstes Juristisches Staatsexamen 2017; Maître en Droit 2017; 2017–2020 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht, Europäisches Privat- und Verfahrensrecht (Lehrstuhlinhaberin Prof. Dr. Beate Gsell) und am Munich Center for Dispute Resolution (Forschungsstelle der Juristischen Fakultät) der Ludwig-Maximilians-Universität München; seit 2019 Rechtsreferendar im Bezirk des OLG München. orcid.org/0000-0003-0151-7303

ISBN 978-3-16-161170-4 / eISBN 978-3-16-161171-1 DOI 10.1628/978-3-16-161171-1 ISSN 0720-1141 / eISSN 2568-7441 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Böblingen gesetzt, von Laupp & Göbel in Gomaringen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden. Printed in Germany.

Für Sophia und meine Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand von Anfang 2017 bis Mitte 2020 an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Der französische Teil beruht im Wesentlichen auf mehreren Forschungsaufenthalten in Paris mit entsprechenden Recherchen in der Bibliothèque interuniversitaire Cujas. Im Juli 2020 wurde die Arbeit an der Juristischen Fakultät der Universität München eingereicht und im Wintersemester 2020/2021 als Dissertation angenommen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur sind bis Juli 2020 berücksichtigt. Von einer Aktualisierung der Literatur und dem dafür erforderlichen Aufenthalt in Paris wurde wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie abgesehen. Mein herzlicher Dank gebührt Frau Professor Dr. Beate Gsell für die herausragende Betreuung dieser Arbeit und die wunderbare Zeit als Mitarbeiter an ihrem Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht, Europäisches Privat- und Verfahrensrecht. Beides war geprägt von einer ausgezeichneten Mischung aus wissenschaftlicher Freiheit und vielfältigen Anregungen. Danken möchte ich überdies Herrn Professor Dr. Thomas Ackermann für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Gewidmet sei diese Arbeit meiner Ehefrau Sophia und meinen Eltern, ohne deren Unterstützung mir die Anfertigung dieser Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Ferner danke ich den Kolleginnen und Kollegen am Lehrstuhl von Frau Professor Dr. Beate Gsell und am Munich Center for Dispute Resolution für eine ausgesprochen angenehme und bereichernde Zeit sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der verschiedenen Bibliotheken, die mir bei meinen Recherchen mit Rat und Tat zur Seite standen. München, im September 2021

Sebastian Henke

Inhaltsverzeichnis Vorwort  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Abkürzungsverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

Teil 1: Die Haftung für Pflichtverletzungen als zentraler Tatbestand des deutschen Schuldrechts  . . . . . . . . . . . . . . . 7 A. Die Obligation – ein überholter Rechtsbegriff?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 I. Etymologie und Verständnis des BGB-Gesetzgebers um 1900  . . . . . . . . . . 9 II. Der Obligationsbegriff in der Literatur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Die Obligation als einheitliches Forderungsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2. Die Obligation als Summe des vertraglichen Pflichtenprogramms  . . . . . 17 3. Die Obligation als das „Bekommensollen“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 III. Die Gebundenheit des schuldnerischen Vermögens an den Gläubiger zur Erfüllung der Obligation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Der Inhalt der Obligation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 a) Der Wert als Inhalt der Obligation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 b) Die Handlung als zentrales Element  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 c) Das Recht auf Macht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 d) Die Realisierung bzw. Aufrechterhaltung eines Zustands  . . . . . . . . . . 36 2. Die Intensität der Gebundenheit der schuldnerischen Vermögensmasse  . 37 3. Die Realisierung bzw. Aufrechterhaltung eines Zustands durch Geldzahlung – die Einheitlichkeit der Obligation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 IV. Ergebnis der Begriffsbestimmung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

B. Das Verhältnis der Obligation zu weiteren zentralen Begriffen des Leistungsstörungsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 I. Schuldverhältnis im engeren und weiteren Sinne  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Forderungsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Leistungspflicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Umfang der geschuldeten Leistung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das aufwandsbezogene Verständnis des Leistungsumfangs  . . . . . . . . b) Die erfolgsorientierte Auslegung von Leistungsversprechen  . . . . . . .

47 51 54 55 56 57

X

Inhaltsverzeichnis

c) Stellungnahme und Veranschaulichung an der Rechtsprechung des BGH  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kritik am Ansatz der Rechtsprechung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Anwendung des erfolgsbezogenen Verständnisses auf die genannten Beispiele  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Verhältnis der Leistungspflicht zur Obligation  . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Pflichtverletzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Pflichtverletzungskonzeption des Gesetzgebers und der herrschenden Literatur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen vom erfolgsbezogenen Pflichtverletzungsbegriff? – kritische Analyse einiger verhaltensbezogener Konzeptionen der Pflichtverletzung  . . . . . . . . . . . . 3. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Der Rechtsgrund zum Behaltendürfen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Garantie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Fazit und Exkurs über das Ende der Obligation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58 60 62 64 64 65 67 67 70 73 74 76 77

C. Die Auswirkungen der Obligationslehre auf wesentliche Fragen der Haftung für Leistungsstörungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 I. Die Vertragsauslegung im Lichte des hiesigen Obligationsverständnisses  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Heranziehung der Vertragsauslegung zur Ermittlung des geschuldeten Leistungsaufwands  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Ergiebigkeit der Vertragsauslegung in Anlehnung an die frustration-of-contract doctrine des common law  . . . . . . . . . . b) Der Rückgriff auf anerkannte Gefahrtragungsnormen  . . . . . . . . . . . . 2. Die nur eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Vertragsauslegung  . . . . . a) Die Untauglichkeit des „typischen Parteiwillens“ als Kriterium zur Bestimmung des Leistungsaufwandes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Vertragsauslegung – Die Untauglichkeit lückenhafter Verträge für die Bestimmung des Leistungsaufwandes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Wirkung von Leistungshindernissen auf die Leistungspflicht  . . . . . . . . 1. Der Begriff des Leistungshindernisses  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unmöglichkeit und der Grundsatz impossibilium nulla obligatio  . . . . . . a) Die Lehre von der Unwirksamkeit eines nicht erfüllbaren Vertrages b) Das Fortbestehen des Vertrages selbst bei nicht erfüllbaren Leistungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Streit um die Rechtsfolge des § 275 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79 80 81 84 84 85 90 96 97 97 102 103 105 108 112 112



Inhaltsverzeichnis

a) Der Ausschluss von Anspruch und Leistungserfolg als Rechtsfolge des § 275 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Ausschluss von Anspruch und Leistungshandlung als Rechtsfolge des § 275 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis zur Wirkung von Leistungshindernissen auf die Leistungspflicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Bezugspunkt und Umfang des Vertretenmüssens  . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Unvereinbarkeit zwischen erfolgsbezogenen Obligationsverständnis und Verschuldensprinzip  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Verhältnis zwischen Pflichtverletzung und Vertretenmüssen  . . . . . . 3. Die verschiedenen Bezugspunkte des Vertretenmüssens  . . . . . . . . . . . . .

XI

113 115 117 119 119 120 121 124 127

D. Zusammenfassung zum deutschen Recht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

Teil 2: Die obligation als zentraler Begriff des französischen Schuldrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 A. Der Begriff der obligation im französischen Allgemeinen Schuldrecht  . 138 I. Die historische Entwicklung des Wesens der obligation  . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehung und Entwicklung der obligation im römischen Recht  . . . . . . 2. Rück- und Fortschritte des Begriffs der obligation von Beginn des Mittelalters bis zum Code civil  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konzeptionen und Theorien zum Obligationsbegriff seit Inkrafttreten des Code civil  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die conception objective der obligation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die conception dualiste der obligation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Créance und dette als zwei Seiten der obligation –  die définition classique  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die conception néoclassique  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die obligation tripartite  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Die obligation als Garantie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt (objet) und Gegenstand (contenu) der obligation  . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die objektive Bestimmung des Inhalts der obligation –  die prestation als gesetzlich festgelegter objet der obligation  . . . . . . . . . 2. Die théorie volontariste – der acte bzw. die abstention als Inhalt der prestation und damit objet der obligation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die théorie dualiste – die Kombination aus Handlung und Erfolg als objet der obligation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die conception néoclassique  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Gläubigerbefriedigung als objet der obligation  . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

139 139 141 143 143 145 146 148 150 152 155 156 157 158 159 160 162 163

XII

Inhaltsverzeichnis

III. Stellungnahme zu den im französischen Recht bestehenden Konzeptionen der obligation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt der Untersuchung: die obligation als droit personnel  . . 2. Créance und dette als die zwei Seiten einer Medaille?  . . . . . . . . . . . . . . 3. Das objet der obligation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Differenzierung nach Art der Leistung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die traditionelle Dreiteilung der obligation –  obligation de donner, de faire und de ne pas faire  . . . . . . . . . . . . bb) Die (wiederentdeckte) Zweiteilung der obligation in obligation en nature und obligation de somme d’argent  . . . . . cc) Die Unterscheidung zwischen obligation de moyens und obligation de résultat  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der acte als objet der obligation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Verwirklichung des dessein als objet der obligation  . . . . . . . . . . . 4. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

164 164 165 169 170 170 174 177 184 185 188 192

B. Das Verhältnis der obligation zu weiteren zentralen Begriffen des französischen Leistungsstörungsrechts  . . . . . . . 194 I. La prestation – die Leistung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Überschneidungen zwischen dessein und prestation im Sinne des Leistungserfolgs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Überschneidungen zwischen dette und prestation als Leistungshandlung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Le paiement – die Erfüllung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die inexécution und die faute  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die (im)possibilité und die force majeure im französischen Obligationenrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die possibilité als Voraussetzung der obligation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Voraussetzungen und Folgen der impossibilité und der force majeure  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

195 195 198 199 200 202 206 207 209 213

C. Die Auswirkungen der Obligationslehre auf das Verständnis der responsabilité contractuelle –  das Verhältnis von Naturalerfüllung und Erfüllungssurrogaten  . . . . . . . 213 I. Die responsabilité contractuelle als exécution par équivalent  . . . . . . . . . . . II. Die responsabilité contractuelle als Ausgleich für einen erlittenen Schaden  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die responsabilité contractuelle als exécution par équivalent und Ausgleich eines Schadens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

215 218 221 222

D. Zusammenfassung zum französischen Recht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226



Inhaltsverzeichnis

XIII

Teil 3: Unterschiede und Gemeinsamkeiten der untersuchten Rechtsordnungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Sachregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Auffassung a. a. O. am angegebenen Ort a. F. alte Fassung ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis Allg. Allgemeiner Anm. Anmerkung Arch. phil. dr. Archives de philosophie du droit Art. Artikel Aufl. Auflage AT Allgemeiner Teil BB Der Betriebs-Berater BeckOGK-BGB Beck’scher Onlinegrosskommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch BeckOK-BGB Beck’scher Onlinekommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch BeckOK-ZPO Beck’scher Onlinekommentar zur Zivilprozessordnung Bd. Band BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof bspw. beispielsweise BT-Drs. Bundestags-Drucksache bzw. beziehungsweise C. civ. Code civil C. mon. fin. Code monétaire et financier C. trav. Code du travail Cass. Civ. Zivilsenat des französischen Kassationsgerichts Cass. Com. Handelssenat des französischen Kassationsgerichts Cass. Soz. Sozialrechtssenat des französischen Kassationsgerichts Cass. Req. Senat der Requêtes des französischen Kassationsgerichts CISG Convention on Contracts for the International Sale of Goods CPCE Code des procédures civiles d’exécution D. Recueil Dalloz-Sirey DB Der Betrieb DCFR Draft Common Frame of Reference DDHC Déclaration des droits de l’homme et du citoyen de 1789 (Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte) ders./dies. derselbe/dieselbe Diss. Dissertation Dr. et patr. Droit et patrimoine

XVI

Abkürzungsverzeichnis

dt. deutsch DStR Deutsches Steuerrecht Einf. v. Einführung vor Einl. v. Einleitung vor ERPL European Review of Private Law Fn. Fußnote fr. französisch FS Festschrift Gaz. Pal. Gazette du Palais GEK-E Entwurf für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht gem. gemäß ggf. gegebenenfalls GPR Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union GrünhutsZ Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart Herv. i. Orig. Hervorhebungen im Original Herv. d. Verf. Hervorhebungen durch den Verfasser HKK Historisch-kritischer Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch h.Lit. herrschende Literatur h. M. herrschende Meinung i. e. S. im engeren Sinne insb. insbesondere Inst. Institutiones Iustiniani i. S. d. im Sinne des i. V. m. in Verbindung mit i. w. S. im weiteren Sinne JA Juristische Arbeitsblätter JCP JurisClasseur périodique (Semaine juridique) JCP G JurisClasseur périodique (Semaine juridique) – Édition générale JORF Journal officiel de la République française JR Juristische Rundschau JURA Juristische Ausbildung JuS Juristische Schulung JZ Juristenzeitung li. Sp. linke Spalte LKW Lastkraftwagen LPA Les Petites affiches MDR Monatsschrift für Deutsches Recht mi. Sp. mittlere Spalte MüKoBGB Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch MüKoZPO Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung m. w. Nachw. mit weiteren Nachweisen Nachdr. Nachdruck n. Chr. nach Christus Neub. Neubearbeitung n. F. neue Fassung NK-BGB NomosKommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch NJW Neue Juristische Wochenschrift Nr. Nummer OR Obligationenrecht



Abkürzungsverzeichnis

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PWW Prütting/Wegen/Weinreich, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch RE Regierungsentwurf re. Sp. rechte Spalte Rn. Randnummer RhZfZPR Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozeßrecht RRJ Revue de la recherche juridique: droit prospectif Rspr. Rechtsprechung RTD civ. Revue trimestrielle de droit civil S. Satz bzw. Seite SchuldR Schuldrecht SDHI Studia et documenta historiae et iuris SJZ Süddeutsche Juristen-Zeitung sog. sogenannten u. a. und andere Überbl. v. Überblick vor Urt. Urteil v. vom v. Chr. vor Christus Vorb. v./zu Vorbemerkung vor/zu vgl. vergleiche WM Wertpapier-Mitteilungen ZGS Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zit. zitiert ZZP Zeitschrift für Zivilprozess

„[L]es constructions juridiques et les considérations dogmatiques ont seulement pour but d’ouvrir à l’intelligence la complexité du réel en tracant les lignes essentielles qui déterminent des groupes dans cette infinie variété. C’est donc une erreur de croire en ce domaine à l’existence d’une seule vérité.“ Jean Pelet, La théorie dualiste de l’obligation, 1937, S. 12. „Aufgabe der Rechtswissenschaft ist es gewiss das nationale Recht, die nationalen Gesetze, Rechtsprinzipien, Regeln und übergesetzliche Standards auszulegen und in ein widerspruchsfreies System zu fügen. Zusätzlich sollte sie aber auch nach Modellen suchen, um Konflikte in einer weltweiten Gesellschaft zu verhindern und zu lösen.“ Peter Gottwald, FS Schlosser, 2005, S. 227 (228).

Einleitung „Die Welt wäre in Ordnung, wenn Obligation auch im BGB weiterhin Obligation hiesse […].“1

Zu diesem Ergebnis gelangt Bucher, der sich kurz nach der Schuldrechtsmodernisierung mit der Besonderheit des BGB beschäftigt, anstelle des althergebrachten Ausdrucks der „Obligation“ den Terminus „Schuldverhältnis“ zu verwenden. Dieser Ausspruch wirft indes mehrere Fragen auf, wobei sich zwei in den Vordergrund zu drängen scheinen: Was ist eine Obligation? Und weshalb wäre die Welt in Ordnung, wenn die Obligation im BGB Obligation hieße? Die zweite Frage lässt die Vermutung zu, dass es für sie mehr als eine Antwort gibt. Aus dem Kontext der Aussage kann ohne Weiteres geschlossen werden, dass die Verwendung des Begriffs Obligation im BGB mindestens die folgenden zwei Vorteile hätte. Die Verwendung des Begriffs Obligation im BGB hätte zunächst den Vorteil, dass verschiedene Rechtssysteme einen einheitlichen Begriff verwendeten und es damit einen gemeinsamen Nenner für eine gemeinsame Schuldrechtsdogmatik gäbe.2 Darüber hinaus böte sie die Möglichkeit klarer Begrifflichkeiten und damit den Vorteil präziserer Formulierungen: Bucher kommt im Rahmen seiner Untersuchung auf drei verschiedene Begriffe des Terminus „Schuldverhältnis“ und plädiert daher für eine Ersetzung des Schuldverhältnisses i. e. S. durch den Terminus „Obligation“.3 Allerdings dürfen bei aller Euphorie die Schattenseiten einer Verwendung des Obligationsbegriffs nicht übersehen werden. Unabhängig davon, ob der Begriff gesetzlich verankert ist oder der Argumentation zu einer spezifischen Sachfrage zugrunde gelegt wird, bedarf er einer genauen Bestimmung. Andernfalls besteht die Gefahr, unter ein und demselben Ausdruck unterschiedliche Dinge zu vergleichen. Andererseits kann sich gewissermaßen spiegelbildlich die Situation ergeben, dass zwei Rechtsordnungen zwei unterschiedliche Termini verwenden, diesen jedoch dieselbe Konzeption zugrunde legen. In diesen 1  Bucher, FS Wiegand, 2 Vgl. Bucher, a. a. O.,

2005, S. 93 (122). S. 93 (95): Bei der Beschäftigung mit der Obligation „kann der Blick nicht auf die Gegenwart und den deutschen Sprachgebrauch beschränkt bleiben […]“. 3  Bucher, a. a. O., S. 93 (passim u. insb. 118 ff.).

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Einleitung

Fällen ist der Name Schall und Rauch, denn inhaltlich existiert jedenfalls der gemeinsame Nenner. Diese Gefahren bestehen jedoch nicht allein bei der Gegenüberstellung mehrerer Rechtsordnungen. Vielmehr kann ebenso im Diskurs über ein und dasselbe Rechtssystem ein Terminus unterschiedlich verstanden werden, ohne dass dies im „Eifer des Gefechts“ wahrgenommen würde. Ganz wesentlich scheint dies für einige Debatten zu gelten, die anlässlich des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. November 20014 geführt wurden. Dies erkannte in bemerkenswerter Form Sutschet, der ausdrücklich und unmissverständlich mit Blick auf die Nichterfüllungshaftung formuliert: „Es wird nicht wahrgenommen, daß man auf der Grundlage verschiedener Obligationsbegriffe streitet. Damit aber muß das Streiten unfruchtbar bleiben, denn es bezieht sich nur auf Symptome statt auf deren Wurzeln.“5 Dass es sich bei der Frage nach Inhalt und Wesen der Obligation nicht allein um einen Streit über Begrifflichkeiten handelt, deutet sich bereits in zahlreichen Beiträgen an: je nachdem, welche Konzeption zugrunde gelegt wird, können sich Besonderheiten bei der Anwendung einzelner Vorschriften ergeben, wie zum Beispiel eine andere Darlegungs- und Beweislast bei § 280 Abs. 1 BGB.6 Wie soeben ausgeführt bleibt dabei nebensächlich, ob bei der Anwendung der Normen des allgemeinen Schuldrechts der Begriff „halbseitige Leistungspflicht“7, „Mutterpflicht“8 oder eben „Obligation“ verwendet wird, sofern diese auf derselben Konzeption basieren. Damit rückt jedoch die gerade aufgeworfene Frage ins Zentrum der Betrachtung: Was ist eine Obligation? Eine gesetzliche Definition findet sich nicht im BGB und ebenso wenig im französischen Code civil. Hingegen definiert Art. III. – 1:102 Abs. 1 DCFR die obligation als eine Pflicht zur Leistung, welche eine Partei einer rechtlichen Beziehung, der Schuldner, einer anderen Partei, dem Gläubiger, schuldet.9 Der Fokus scheint hier auf der Pflicht der Leistung zu liegen, die gegenüber einem anderen Rechtssubjekt geschuldet wird. Folgt man hingegen der Ansicht Buchers,10 ist unter Obligation das Schuldverhältnis i. e. S. zu verstehen, weshalb zur Klärung des Begriffs § 241 Abs. 1 S. 1 BGB herangezogen werden könnte: „Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubi4  5 

BGBl. I. Nr. 61 v. 29.11.2001, S. 3138 ff. Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006,

S. 42. 6  Vgl. anstatt vieler Wendehorst, AcP 206 (2006), 205 (267 f.); BeckOGK-BGB/Riehm, Stand 1.2.2020, § 280 Rn. 2; Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006, S. 42. 7 Soergel/Gsell, 13. Aufl. 2014, § 311a Rn. 6. 8  Grigoleit, FS Köhler, 2014, S. 183 (185 f.). 9  „An obligation is a duty to perform which one party to a legal relationship, the debtor, owes to another party, the creditor“. 10  Bucher, FS Wiegand, 2005, S. 93 (118 f.).

Einleitung

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ger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern.“ Hierbei scheint, im Gegensatz zum DCFR, jedoch der Gläubiger und dessen Forderungsrecht gegenüber einem anderen Rechtssubjekt im Mittelpunkt der Betrachtung zu stehen. Möglicherweise besteht zwischen den Vorschriften jedoch überhaupt kein Widerspruch, und handelt es sich bei dem Forderungsrecht des Gläubigers und der Leistungspflicht des Schuldners lediglich um die zwei Seiten derselben Medaille.11 Allerdings bliebe dann noch zu klären, was unter Leistungspflicht und Forderungsrecht zu verstehen ist: meint Leistungspflicht lediglich die Pflicht zur Leistungshandlung? Oder ist vielmehr vom Leistungserfolg die Rede? Damit scheint sich jedoch der Kreis zu schließen und offenbar steht man wieder am Beginn der Überlegung, was unter einer Obligation zu verstehen ist. Ähnlich unsicher wie seine Bedeutung ist auch die Herkunft des Begriffs. Heute nachweisbar wurde der Begriff im 2. Jhd. n. Chr. das erste Mal verwendet, allerdings ohne ihn zu erklären, vielmehr wurde seine Bedeutung als bekannt vorausgesetzt, was den Schluss zulässt, dass der Begriff selbst älter sein muss.12 Der Schwerpunkt dieser Untersuchung kann und soll jedoch nicht auf dem rechtsgeschichtlichen Aspekt des Begriffs liegen. Da in den letzten Jahrhunderten in der französischen und deutschen Rechtswissenschaft sehr umfangreiches Material zur römischen Obligation erarbeitet wurde, würde ein rechtsgeschichtlicher Schwerpunkt zu sehr vom zeitgenössischen, wegen zweier betrachteter Rechtsordnungen zweifachen Gegenstand dieser Untersuchung ablenken. Auf die Entwicklungen des Obligationsbegriffs soll daher lediglich dann eingegangen werden, wenn dies für das Verständnis der dargestellten Strömungen und Debatten erforderlich erscheint. Im Übrigen sollen auf diese Weise eine zu starke Vorprägung und Orientierung an Vergangenem vermieden werden. Aus diesem Grund erfolgt eine genauere rechtsgeschichtliche Auseinandersetzung mit der Obligation erst im zweiten Teil dieser Untersuchung. Eine zu streng historisch ausgerichtete Annäherung birgt zudem die Gefahr, vorschnell auf ein herkömmliches Konzept zum Obligationsbegriff abzustellen und auf diese Weise aktuelle Entwicklungen zu übersehen. Im Sinne Tallons lässt sich dies mit den Worten zusammenfassen, dass die Rechtsgeschichte eine erläuternde, nicht eine definierende Rolle einnehmen soll.13 Eine weitere Einschränkung des Untersuchungsgegenstands ergibt sich daraus, dass das Hauptaugenmerk der Untersuchung auf dem vertraglichen Obligationsbegriff bzw. der obligation contractuelle ruhen wird. Kein wesentliches Thema dieser Untersuchung werden zudem die Naturalobligation und die 11  So

etwa Bucher, FS Wiegand, 2005, S. 93 (99 f.), wenngleich mit einer Tendenz zur Pflichtenseite der Privatrechtsbeziehung; mit dem Bild der zweiseitigen Medaille insb. auch die herrschende französische Literatur zur obligation, vgl. unten unter Teil 2 A. I. 3. c) (S. 146 ff.). 12  Näher unten unter Teil 2 A. I. 1. (S. 139 ff.). 13 Vgl. Tallon, Mélanges Cornu, 1994, S. 429 (431): „L’histoire doit être un guide, non un tyran“.

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obligation naturelle, da diese ebenfalls das Risiko und die Tendenz bergen, zu viel Raum dieser Untersuchung einzunehmen und den Blick vom Wesentlichen abzulenken. Im Vordergrund werden folglich die zeitgenössischen Begriffe der vertraglichen Obligation und der obligation contractuelle stehen. Dass ein akutes Interesse am Terminus Obligation besteht, zeigen neben den bereits vorgebrachten Stimmen zur deutschen Rechtsordnung auch aktuelle Werke zum französischen Recht, etwa zum Begriff (notion) der obligation14 oder zum Streit über das Verhältnis zwischen responsabilité civile und responsabilité délictuelle.15 Umso interessanter scheint zu sein, ob in den beiden Rechtsordnungen ähnliche Konzeptionen der Obligation vertreten werden, oder ob es zwischen ihnen signifikante Unterschiede gibt. Es soll deshalb analysiert werden, ob und bejahendenfalls in welchem Umfang sich das deutsche und das französische Leistungsstörungsrecht jeweils auf eine bestimmte Konzeption der Obligation stützen lassen. Mit anderen Worten geht es um eine begrifflich-dogmatische Untersuchung der Grundlagen des Allgemeinen Schuldrechts bzw. des droit des obligations. Dabei soll zunächst jede Rechtsordnung isoliert betrachtet und an den nationalen Diskursen teilgenommen werden, um die Untersuchungen – soweit überhaupt möglich – nicht durch vorläufige Erkenntnisse aus dem jeweils anderen Rechtssystem zu beeinflussen. Erst in einem nachfolgenden Schritt sollen die Ergebnisse gegenübergestellt werden, um zu erörtern, ob ein gemeinsames Verständnis der Obligation und damit der Grundlagen der beiden Leistungsstörungsrechte gefunden bzw. entwickelt werden kann. Sollte ein gemeinsames Verständnis nicht existieren, dürften Erkenntnisse über die Unterschiede jedenfalls zur Erleichterung des rechtsvergleichenden Diskurses zwischen Frankreich und Deutschland – und ggf. darüber hinaus – beitragen und eine Rechtsvereinheitlichung – sofern politisch gewollt – vereinfachen. Aus den bisherigen Überlegungen ergibt sich folgende Vorgehensweise: zunächst soll die deutsche Rechtsordnung ausgehend von konkreten Problemen des „neuen“ Schuldrechts untersucht werden (Teil 1). In einem zweiten Teil ist sodann das französische Recht Gegenstand der Untersuchung. Anhand der zahlreichen Verwendungen des Terminus obligation im Code civil soll der Begriff näher bestimmt werden (Teil 2). Dabei wird aus den genannten Gründen versucht, die Ergebnisse zum deutschen Recht zunächst außer Acht zu lassen und die obligation unvoreingenommen zu beleuchten. Um diesem Vorhaben auch sprachlich Ausdruck zu verleihen, wird im Zusammenhang mit dem deutschen Recht die Obligation großgeschrieben, während die französische Konzeption mit dem Terminus obligation bezeichnet wird. Diese Vorgehensweise bringt 14 Insb. Forest, Essai sur la 15  Vgl. aus der Vielzahl an

notion d’obligation en droit privé, 2012, passim. Beiträgen etwa Rémy, RTD civ. 1997, 323 ff. und ausführlich unten unter Teil 2 C. (S. 213 ff.).

Einleitung

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zwar den Nachteil mit sich, dass der Zugang zum Untersuchungsgegenstand aus rechtsvergleichender Sicht erschwert wird, weil Teilaspekte nicht verglichen werden. Allerdings handelt es sich beim Obligationsbegriff um eine zentrale Konzeption beider Rechtsordnungen, die viele Verknüpfungen in verschiedenste Teilbereiche der jeweiligen Schuldrechtsordnungen aufweist. Daher scheint es angezeigt, sich zunächst auf die nationale Betrachtung zu fokussieren, um dort fundierte Aussagen treffen zu können. Eine kurze Zusammenfassung und Gegenüberstellung der nationalen Ergebnisse erfolgen deshalb erst im Anschluss an die Abschnitte zum nationalen Recht (Teil 3).

Teil 1

Die Haftung für Pflichtverletzungen als zentraler Tatbestand des deutschen Schuldrechts Die Frage, ob und wie die auf das positive Interesse1 gerichtete Haftung bei anfänglicher Unmöglichkeit zu rechtfertigen ist, gehört im deutschen Recht nach wie vor zu einem der umstrittensten dogmatischen Probleme des neuen Schuldrechts.2 Dabei schien anfangs diese Frage geradezu im Keim erstickt worden zu sein: vermeintlich vorausschauend führten die Autoren des Gesetzesentwurfs zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz aus, der Anspruch auf das positive Interesse folge aus der Nichterfüllung des Leistungsversprechens und nicht etwa aus der wegen der Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB ohnehin ausgeschlossenen Leistungspflicht.3 Allerdings erfuhr diese Begründung, wie auch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz als Ganzes, sogleich heftigen Widerstand. So wurde, um nur einige wenige Beispiele zu nennen, im Zusammenhang mit der Schuldrechtsreform von einer „gesetzgeberische[n] Fehlleistung ersten Rangs“4 gesprochen, § 275 Abs. 2 BGB als „Missgeburt“ bezeichnet5 und den Autoren unterstellt, sie hätten offensichtlich „die Probleme geistig nicht durchdrungen“6. Einige Stimmen forderten infolgedessen eine teleologische Reduktion des § 311a Abs. 2 BGB auf eine grundsätzlich auf das negative Interesse7 gerichtete Haftung und damit gewissermaßen eine Rückkehr zum „alten“ 1  Im Folgenden ist mit Haftung auf das positive Interesse die Verpflichtung des Schädigers gemeint, den Geschädigten wenigstens wertmäßig so zu stellen, als hätte der Schädiger ordentlich erfüllt, vgl. anstatt vieler Staudinger/Schiemann, 2017, Vorb. zu §§ 249–254 Rn. 48; zur Abgrenzung auch Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 1. 2 Ebenso Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 157. 3  BT-Drs. 14/6040, S. 165. 4  R. Knütel, NJW 2001, 2519 (2519), der zudem von einem „gesetzgeberische[n] Offenbarungseid“ und von den „konfusen Ausführungen der Begründung“ spricht, a. a. O., S. 2520. 5  Wilhelm, JZ 2001, 861 (866). 6  Altmeppen, DB 2001, 1399 (1400). 7  Bei der Haftung auf das negative Interesse hat der Schädiger den Geschädigten wertmäßig so zu stellen, wie dieser stünde, wenn sein ungerechtfertigtes Vertrauen auf das Zustandekommen eines Vertrags oder die Wirksamkeit einer Willenserklärung nicht erweckt worden wäre – nicht hingegen ist der Geschädigte so zu stellen, wie wenn sein Vertrauen gerechtfertigt gewesen wäre, vgl. MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, § 249 Rn. 129. Jakobs sieht als weiteren Fall des negativen Interesses noch das sog. Erhaltungsinteresse, d. h. das Interesse an der Nichtverletzung oder Erhaltung der Rechtsgüter einer Partei: ders., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969, S. 33 ff. (insb. Fn. 53); grundlegend zum negativen Interesse Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, passim.

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Teil 1 – A.  Die Obligation – ein überholter Rechtsbegriff?

Schuldrecht – oder gar, § 311a Abs. 2 BGB überhaupt nicht anzuwenden8. Zur Begründung der Kritik an § 311a Abs. 2 BGB wird unter anderem vertreten, dass es der Haftung auf das positive Interesse bei anfänglicher Unmöglichkeit einer dogmatisch-sachlichen Legitimation fehle.9 Es wird behauptet, eine Haftung auf das positive Interesse wegen anfänglicher Unmöglichkeit sei bei Anwendung der allgemeingültigen haftungsrechtlichen Grundlagen und Prinzipien nicht konstruierbar.10 Sowohl von Seiten der kritischen Stimmen als auch den Verfechtern der neuen Regelungen wurde im Zuge der Diskussionen über das neue Schuldrecht immer wieder der Begriff der Obligation verwendet, um Argumente prägnant darzustellen und um Lösungsansätze zu entwickeln bzw. zu verwerfen.11 Es ist der Verdienst Sutschets, darauf hingewiesen zu haben, dass die Autoren dabei allerdings oftmals übersehen, dass der Begriff der Obligation auf verschiedene Weisen gefasst werden kann, wobei das Obligationsverständnis jedoch wesentliche Auswirkungen auf die zur Nichterfüllung entwickelten Lösungsansätze hat und dass in diesem Zusammenhang teilweise unbemerkt gar auf Grundlage verschiedener Obligationsbegriffe gestritten wird, weshalb das Streiten notwendigerweise unfruchtbar bleiben muss.12 Im Folgenden soll daher zunächst der Begriff der Obligation näher beleuchtet (A.) und einigen wichtigen Begriffen des Schuldrechts gegenübergestellt werden (B.), um sodann zu untersuchen, ob ein moderner Obligationsbegriff zur Diskussion über die geltende Haftung für Leistungshindernisse beitragen kann (C.).

A.  Die Obligation – ein überholter Rechtsbegriff? Während der Terminus obligation als Zentralbegriff für die konkret geschuldete Verbindlichkeit fester Bestandteil der französischen Sprache und insbesondere des Code civil wurde, kommt der Begriff Obligation im deutschen BGB 8 

So beispielsweise Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 286 ff., 295 ff.; Altmeppen, DB 2001, 1399 (1400 f.); a. A. Popescu, Kein positives Interesse bei anfänglicher Unmöglichkeit und anfänglich unbehebbaren Mängeln, 2012, S. 142 f., der § 311a Abs. 2 BGB de lege ferenda streichen möchte, die Rechtsprechung jedoch bis zu einer Reform gem. Art. 20 Abs. 3, 92, 97 GG aufgrund des eindeutigen gesetzgeberischen Willens gezwungen sieht, die Vorschrift anzuwenden. 9  Popescu, Kein positives Interesse bei anfänglicher Unmöglichkeit und anfänglich unbehebbaren Mängeln, 2012, S. 34 ff. u. 88 ff. 10  Altmeppen, DB 2001, 1399 (1400 f.). 11  Allen voran Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006, passim; außerdem bspw. Huber, AcP 210 (2010), 319 (334); Schlechtriem, FS Sonnenberger, 2004, S. 125 (128); aus italienischer Sicht Cian, FS Canaris, 2007, Bd. 2, S. 509 (514 f.); Ehmann, FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 165 (169); für nützlich aber entbehrlich hält den Begriff Bucher, FS Wiegand, 2005, S. 93 (101). 12  Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006, S. 42.



I.  Etymologie und Verständnis des BGB-Gesetzgebers um 1900

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nicht vor. Wohl deswegen ist der Begriff in der deutschen Rechtswissenschaft nicht eindeutig besetzt. Ausgehend von der sprachlichen Herkunft und Entwicklung des Wortes Obligation (I.) sollen die verschiedenen aktuelleren Verwendungsformen des Begriffs beleuchtet werden, um sich auf Grundlage der gegen diese Verwendungen vorgebrachten Kritik einem „modernen“ Obligationsbegriff anzunähern (II.). Der damit nur grob umrissene Obligationsbegriff soll sodann weiter konkretisiert und im System des BGB verortet werden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere das Verhältnis von Gläubiger und Schuldner zu untersuchen und welche Rolle der Obligation dabei zukommt (III.). Die Ergebnisse dieses Abschnitts werden abschließend kurz zusammengefasst (IV.).

I.  Etymologie und Verständnis des BGB-Gesetzgebers um 1900 Grundsätzlich wird mit „Obligation“ die „Verpflichtung“, „Schuld“, „Verbindlichkeit“ bzw. das „Schuldverhältnis“ eines Rechtssubjekts bezeichnet.13 Der Ursprung des Wortes findet sich im Lateinischen, wo sich „obligare“ aus dem Präfix „ob“ (dt.: „gegen“ oder „nach“) und dem Wort „ligare“ (dt.: „binden“) zusammensetzt.14 Bedeutet Obligation im herkömmlichen, wörtlichen Sinne demnach, sich gegenüber jemandem zu binden, muss je nach Kontext differenziert werden, um den genauen Sinn zu ermitteln: So wird im römischen Recht etwa einerseits zwischen den obligationes ex contractu und den obligationes ex delicto unterschieden.15 In diesem Zusammenhang dürfte der Terminus Obligation recht weit und undifferenziert zu verstehen sein, geht es letztlich doch um die Natur bzw. den Ursprung der Bindung zwischen Gläubiger und Schuldner. Andererseits wird im römischen Recht auch zwischen obligationes dandi und obligationes faciendi abgegrenzt16, wobei in einem solchen Kontext die Obligation vielmehr als Leistungspflicht oder Anspruch zu verstehen ist und mit dem Begriff damit eher die Handlung, die der Gläubiger zu fordern berechtigt und der Schuldner zu erbringen verpflichtet ist, in den Fokus der Betrachtung rückt. Es besteht demnach ein gewisser Unterschied im Blickwinkel, mit dem die untersuchte Bindung zwischen Schuldner und Gläubiger betrachtet wird. Aus dem römischen Recht ist im Zusammenhang mit der Handlung des Schuldners insbesondere die Besonderheit der „perpetuatur obligatio“ bemerkenswert, zumal diese für den weiteren Gang der Untersuchung nicht unwesentlich sein wird. Die Rechtsfigur der perpetuatur obligatio führt dazu, dass die 13 Vgl.

Bruß, Lateinische Rechtsbegriffe, S. 113 unter obligatio bzw. Obligation. obligatio bzw. Obligation.

14  Köbler, Etymologisches Rechtswörterbuch, S. 290 unter 15 Vgl. Harke, Römisches Recht, 2. Aufl. 2016, S. 38. 16 

Harke, a. a. O., S. 36.

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Teil 1 – A.  Die Obligation – ein überholter Rechtsbegriff?

Möglichkeit der Erbringung einer an sich nachträglich unmöglich gewordenen Leistung wegen der Verantwortlichkeit des Schuldners an der Unmöglichkeit fingiert wird.17 Durch die Fiktion wird das Schuldverhältnis aufrechterhalten und die Leistung kann als Gegenstand der Schätzung einer Urteilssumme herangezogen werden.18 Der Entstehungsgrund dieser Rechtsfigur ist darauf zurückzuführen, dass die extrem formalistische römische Stipulationsklage nur die Verurteilung wegen Nichterbringung der versprochenen Leistung zuließ, der Richter hingegen nicht berechtigt war, die versprochene Leistung um weitere Pflichten zu ergänzen.19 Der Rückgriff auf diese Fiktion wurde als einzige Möglichkeit erachtet, den Schuldner im Prozess trotz der nachträglichen Unmöglichkeit verurteilen zu können.20 Diese Lösung wurde jedoch oftmals kritisiert, da das aktive Verursachen der Unmöglichkeit der Leistung als Verstoß gegen eine Pflicht zur Unterlassung der Herbeiführung der Unmöglichkeit gesehen werden könne, die wiederum als eine durch den Richter ergänzte Pflicht des Vertrags angesehen werden müsse.21 Letztlich fand die Obligation jedoch – anders als in Frankreich – aus einem geradezu schlichten Grund keinen Eingang in das Bürgerliche Gesetzbuch. So war für den Redaktor des Vorentwurfs über das Recht der Schuldverhältnisse, Franz Philipp von Kübel, die Beibehaltung eines nicht deutschen Ausdruckes nur aus zwingenden Gründen zu rechtfertigen, welche nach von Kübels Ansicht nicht vorlagen.22 Andererseits gebe es keinen besseren deutschen Ausdruck als den des „Schuldverhältnisses“, um das gesamte obligatorische Verhältnis und insbesondere dessen beide Seiten, Forderungsrecht und Verbindlichkeit, darzustellen.23 Der Vorschlag, den Begriff des Schuldverhältnisses zu verwenden, wurde sodann in der 1. Kommission und später auch von der Vorkommission des Reichsjustizamtes ausdrücklich angenommen.24 Darüber hinaus wurde von diesen beiden Kommissionen betont, dass das Gesetz den Begriff „Schuldverhältnis“ nicht definieren solle und auch die Frage, was Gegenstand des Schuld17  Harke, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2001, S. 29 (41), der die perpetuatur obligatio auf diejenigen Fälle beschränken möchte, in denen der Schuldner die Unmöglichkeit durch positives Tun herbeigeführt hat; kritisch zu einer solchen Differenzierung nach kommissiver und omissiver Begehung bereits Kaser, SDHI 46 (1980), 87 (89). 18  Harke, Römisches Recht, 2. Aufl. 2016, S. 101 f. 19  Harke, a. a. O., S. 100 f. 20  Kaser, SDHI 46 (1980), 87 (88). 21  Harke, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2001, S. 29 (42); ders, Römisches Recht, 2. Aufl. 2016, S. 101; vgl. auch Wieacker, FS Nipperdey, 1965, Bd. 1, S. 783 (802), der die perpetuatio obligationis als „erste[n] Einbruch der subjektiven Verhaltensforderungen an den Schuldner in das Spiel der strengrechtlichen Klagen“ sieht. 22  v. Kübel, Schuldrecht Teil 1, 1876–1883, S. 3 Fn. 1; ähnlich aus heutiger Sicht zum „Privatrechtliche[n] Gesetzbuch für den Kanton Zürich“ Bucher, FS Wiegand, 2005, S. 93 (101). 23  v. Kübel, Schuldrecht Teil 1, 1876–1883, S. 3 Fn. 1. 24  Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse I, 1978, S. 40 u. 44, wobei die 1. Kommission den Ausdruck „im wesentlichen aus den in den Motiven entwickelten Gründen“ billigte.



II.  Der Obligationsbegriff in der Literatur

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verhältnisses ist, der Wissenschaft überlassen bleiben müsse.25 Lediglich einige wenige Aspekte des Wesens der Obligation wurden diskutiert, so etwa die Frage, ob ein vermögensrechtliches Interesse des Gläubigers oder die Klagbarkeit für das Vorliegen einer Obligation erforderlich ist.26 Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde in diesem Zusammenhang mindestens zweimal festgehalten, dass ein vermögensrechtliches Interesse des Gläubigers nicht zum Wesen der Obligation gehöre.27 Hinsichtlich der Klagbarkeit war man sich einig, dass der Gesetzgeber sich „unmöglich des Rechts begeben [kann], einer Obligation nur die Klagbarkeit zu entziehen oder vorzuenthalten, ihr aber die übrigen Wirkungen oder Eigenschaften einer Obligation ganz oder zum Theil zubelassen […]“.28 In einem mit sechs zu fünf Stimmen getroffenen Vorbeschluss wurde sodann die Absicht erklärt, in Fällen fehlender Klagbarkeit die Verwendung der Begriffe Obligation, Naturalobligation und entsprechender Synonyme zu vermeiden.29 In diesen Fällen der unvollkommenen Obligation müsse aus dem Gesetz selbst deutlich werden, welche Wirkungen einer Obligation im Einzelfalle bestehen sollen.30 In weiten Teilen hat der BGB-Gesetzgeber somit die Bestimmung des Obligationsbegriffs der Wissenschaft überlassen. Daher sollen im Folgenden einige ausgewählte Interpretationen und Verwendungen des Obligationsbegriffs aus der Zeit vor31 und nach Schaffung des BGB untersucht und ihre aktuelle Gültigkeit überprüft werden.

II.  Der Obligationsbegriff in der Literatur Den folgenden Ausführungen ist vorauszuschicken, dass, wie zu sehen sein wird, der Terminus Obligation in der deutschen Rechtswissenschaft nach 1900 immer weniger verwendet wird. Im Wesentlichen sind dabei vier Strömungen zu unterscheiden, wobei bei näherer Betrachtung einzelner Stimmen zahlreiche Überschneidungen und Gemeinsamkeiten erkennbar werden. Nach einem Teil der Literatur sei die Obligation ein einheitliches Forderungsrecht mit dem doppelten Inhalt der Erfüllung in Natur und der Erfüllung in Geld (1.). Einer anderen Ansicht zufolge habe die Obligation keinen doppelten Inhalt, sondern beschreibe der Terminus vielmehr die Summe des vertraglichen Pflichtenpro25  Jakobs/Schubert (Hrsg.), a. a. O., S. 42 u. 44; Ausgangspunkt hierfür war wohl die im Vorentwurf dargelegte Ansicht: v. Kübel, Schuldrecht Teil 1, 1876–1883, S. 11. 26  Aufgeworfen bei v. Kübel, Schuldrecht Teil 1, 1876–1883, S. 13 ff u. 20 ff. 27  Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse I, 1978, S. 40 u. 44. 28  Jakobs/Schubert (Hrsg.), a. a. O., S. 45. 29  Jakobs/Schubert (Hrsg.), a. a. O., S. 46. 30  Jakobs/Schubert (Hrsg.), a. a. O., S. 41. 31  Mit einem bemerkenswerten Überblick über die Literatur vor 1882 v. Kübel, Schuldrecht Teil 1, 1876–1883, S. 4 ff.

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Teil 1 – A.  Die Obligation – ein überholter Rechtsbegriff?

gramms (2.). Eine dritte Auffassung entfernt sich sozusagen etwas von den Termini Forderungsrecht bzw. Leistungspflicht und sieht in der Obligation einen Begriff für das, was der Gläubiger bekommen soll (3.). Schließlich gibt es noch die dualistische Konzeption, die insbesondere von Amira und von Gierke vertreten wurde, wonach die Obligation aus Schuld und Haftung bestehe.32

1.  Die Obligation als einheitliches Forderungsrecht Einigen Stimmen in der Literatur zufolge bestehe die Obligation33 bzw. Verbindlichkeit34 wegen ihres römischen Ursprungs aus dem doppelten Inhalt, den Schuldner zunächst zur Leistung in Natur und im Falle der zu vertretenden Nichtleistung zu Schadensersatz zu verpflichten.35 Dabei wurde dem neuen Schuldrecht noch vor seinem Inkrafttreten vorgeworfen, mit dieser romanistischen Tradition zu brechen und sich zu sehr am anglo-amerikanischen Recht sowie dem CISG zu orientieren.36 So führte insbesondere Stoll aus, dass die den §§ 283, 311a BGB zugrundeliegende Konzeption der Unmöglichkeit, wie sie in § 275 BGB geregelt wurde, den Naturalanspruch zu einem reinen „remedy“ verkommen lasse.37 Nach Stoll entstehe durch das Schuldverhältnis ein „einheitliches Forderungsrecht“, welches dem Gläubiger primär ein Recht auf Naturalerfüllung verschaffe.38 Nur unter gewissen Voraussetzungen solle sich dieses Primärrecht in ein sekundäres Recht auf Schadensersatz statt der Leistung umwandeln.39 Daher stellten Naturalerfüllung und Schadensersatz wegen 32  Da es sich hierbei jedoch um eine spezielle Form der unter 1. dargestellten Ansicht handelt und die dualistische Konzeption zudem besonderen Einfluss auf die französische Rechtswissenschaft ausübte, wird diese Auffassung im 2. Teil zum französischen Recht abgehandelt (unter Teil 2 A. I. 3. b) (S. 145 ff.) u. -II. 3. (S. 159 ff.)). 33  Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006, S. 8 ff. 34  Zimmer, NJW 2002, 1 (2). 35  R. Knütel, NJW 2001, 2519 (2520): Es werde außer Acht gelassen, dass „in unserer Rechtstradition die Verbindlichkeit im Anschluss an die Inhalte dare, facere, praestere der römischen obligatio den doppelten Inhalt hat, die Leistung zu erbringen und im Falle der (zu vertretenden) Nichtleistung einzustehen (praestare).“; C. Knütel, JR 2001, 353 (355); Zimmer, NJW 2002, 1 (2) m. w. Nachw., auch zur anderen Auffassung; Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006, S. 8 ff. 36  Stoll, JZ 2001, 589 (590); ähnlich Zimmer, NJW 2002, 1 (2), dessen Auffassung nach sich die praktischen Auswirkungen des Systemwechsels jedoch in Grenzen hielten. 37  Stoll, JZ 2001, 589 (590): „Sie [die Vorschrift § 275 BGB] soll also die Beendigung des Rechts auf Naturalerfüllung wegen aufgetretener Leistungshindernisse allgemein und ohne Rücksicht darauf festlegen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat oder nicht zu vertreten hat. Gefördert wird dieser Ansatz wohl durch das Vorbild des anglo-amerikanischen Rechts sowie des Einheitlichen UN-Kaufrechts, wonach die Naturalerfüllung nichts weiter ist als ein ‚remedy‘, das selbständig und grundsätzlich unabhängig von anderen ‚remedies‘ dem Gläubiger wahlweise zur Befriedigung seines Interesses unter gewissen Voraussetzungen zur Verfügung steht.“ 38  Stoll, JZ 2001, 589 (590). 39  Stoll, JZ 2001, 589 (590).



II.  Der Obligationsbegriff in der Literatur

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Nichterfüllung lediglich verschiedene Aspekte des einheitlichen Forderungsrechts und zugleich verschiedene Befriedigungsformen des Gläubigerinteresses dar.40 Der Grundsatz der perpetuatio obligationis sei demnach mit Einführung des BGB nicht abgeschafft worden, sondern finde Ausdruck in der Anwendung des § 275 Abs. 1 BGB a. F.41 Das Forderungsrecht sei schließlich erst „beendet“, wenn der Schuldner weder zur Naturalerfüllung noch zur Leistung von Schadensersatz statt der Leistung verpflichtet sei, was wegen eines Leistungshindernisses jedoch nur dann der Fall sein könne, wenn der Schuldner das Leistungshindernis nicht zu vertreten habe.42 Auch sei § 275 BGB n. F. überflüssig, da sich die Umwandlung des Erfüllungsanspruchs in ein sekundäres Recht auf Schadensersatz bereits aus den Vorschriften über den Schadensersatzanspruch des Gläubigers ergebe.43 Eine solche Sichtweise trifft jedoch auf mehrfache Bedenken. Zum einen handelt es sich bei der Umwandlung des Primäranspruchs in einen Sekundäranspruch keineswegs um einen simplen Vorgang, der ohne weiteres der Systematik des Gesetzes entnommen werden kann.44 So müsste der Gläubiger ohne § 275 BGB – bei dessen Fehlen es konsequenterweise §§ 283, 311a Abs. 2 BGB ebenfalls nicht gäbe – trotz Unmöglichkeit jedes Mal eine Frist setzen, um zum Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung zu gelangen – was einem sinnlosen Formalismus entspräche.45 Selbst wenn man diesem Einwand durch Neuschaffung eines Entbehrlichkeitstatbestandes in § 281 Abs. 2 BGB zuvorkäme – der dann wiederum ähnliche Subsumtionsschwierigkeiten wie § 275 BGB bereiten dürfte46 –, bliebe folgende Schwierigkeit: die Existenz einer Befreiungsnorm, wie die von Stoll angeführten Art. 119 Schweizer Obligationenrecht oder § 1447 österreichisches ABGB, beseitigen das Erfordernis einer Regelung betreffend den Übergang vom Primär- zum Sekundäranspruch keineswegs.47 So verfügt das französische Recht in Art. 1218 C. civ. über eine Exkul40 

Stoll, JZ 2001, 589 (590); C. Knütel, JR 2001, 353 (355); Zimmer, NJW 2002, 1 (2). C. Knütel, JR 2001, 353 (354) mit Hinweis auf v. Kübel, Schuldrecht Teil 1, 1876–1883, S. 861 f. 42  Stoll, JZ 2001, 589 (590); C. Knütel, JR 2001, 353 (355); im Ergebnis ebenso Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969, S. 74, demzufolge es sich bei der Unmöglichkeit um einen „Befreiungsgrund für den Gläubiger“ handeln soll (a. a. O., S. 73); ähnlich bereits v. Kübel, Schuldrecht Teil 1, 1876–1883, S. 860. 43  Stoll, JZ 2001, 589 (590); ebenso Zimmer, NJW 2002, 1 (2); vgl. auch BGH, Urt. v. 21.2.1986 – V ZR 226/84 = BGHZ 97, 178 (181 ff.). 44  So auch HKK/Schermeier, 2007, § 275 Rn. 9, der den Übergang von der Sach- zur Geldverurteilung als eine von zwei zentralen Fragen des Prinzips der Sachverurteilung ansieht; zur Umwandlungsfunktion des § 275 BGB und den damit verbundenen Problemen ebenso Soergel/Ekkenga/Kuntz, 13. Aufl. 2014, § 275 Rn. 9 sowie Rn. 5; allgemeiner Diederichsen, AcP 182 (1982), 101 (118): „Die klassischen Rechtsinstitute der Leistungsstörung sind auch in einem zukünftigen Schuldrecht unverzichtbar“. 45  Vgl. auch BT-Drs. 14/6040, S. 93. 46  Vgl. zur Notwendigkeit der Kategorie der Unmöglichkeit Teil 1 Fn. 58. 47  Vgl. dazu, dass bei der Anwendung von § 275 BGB und Art. 119 Abs. 1 Schweizer OR 41 

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Teil 1 – A.  Die Obligation – ein überholter Rechtsbegriff?

pationsnorm im Sinne Stolls und dennoch sehen die Art. 1221 und 1231 C. civ. ausdrücklich Regelungen für Fälle vor, in denen die Naturalerfüllung „unmöglich“ bzw. die Nichterfüllung „endgültig“ ist.48 Dass mit der „exécution impossible“ in Art. 1221 C. civ. jedoch nicht die Unmöglichkeit wegen „force majeure“ i. S. d. Art. 1218 Abs. 1 C. civ. gemeint sein kann, ergibt sich bereits aus der Rechtsfolge des Art. 1218 Abs. 2 S. 2 C. civ. i. V. m. Art. 1351, 1351-1 C. civ., wonach ein nicht vorwerfbares und dauerhaftes Hindernis zum Erlöschen der obligation und folglich zur Befreiung des Schuldners von seiner Verbindlichkeit führt. Mit anderen Worten: Auch und gerade wenn der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat und er daher zur Befriedigung des Gläubigerinteresses verpflichtet bleibt, sollte das Gesetz regeln, ob der Schuldner in Form einer Natural- oder einer Geldleistung zu erfüllen hat.49 Regelt das Gesetz die bzw. § 920 österreichisches ABGB dieselben Ergebnisse erreicht werden können, Canaris, FS Heldrich, 2005, S. 3, insb. in Fn. 78 m. w. Nachw. 48  Zwar wurden die aktuellen Fassungen der Art. 1221, 1231 C. civ. erst durch die ordonnance (Verordnung) Nr.°2016-131 vom 10. Februar 2016 eingeführt, so dass sie durch Stoll freilich keine Berücksichtigung finden konnten. Allerdings wurden durch diese Vorschriften lediglich Grundsätze kodifiziert, die die französische Rechtsprechung entwickelt und gefestigt hatte, vgl. grundlegend Cass. Civ., 1re, Urt. v. 20.1.1953 = D. 1953, 222 = JCP 1953.II.7677, wonach Art. 1142 C. civ. a. F. nur für höchstpersönliche Leistungen („obligation personelle“) gelten soll. 49  Vgl. insofern auch zur Kritik an § 275 BGB-DiskE die Ausführungen bei Canaris, in: Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg.), Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, 2001, S. 43 (52 f.); daher geht auch der Hinweis Zimmers (Teil 1 Fn. 43) fehl, da die dort in Bezug genommene Rechtsprechung den Übergang aus anderen gesetzlichen Vorschriften herleiten musste, so bspw. BGH, Urt. v. 21.6.1974 – V ZR 164/72 = BGHZ 62, 388 (391) aus §§ 633 Abs. 2 S. 2 und § 251 Abs. 2 BGB; eine andere Frage bleibt hingegen, ob eine solche Regelung im materiellen Recht oder im Prozessrecht zu verorten ist, vgl. auch HKK/Schermeier, 2007, § 275 Rn. 9. Dazu auch Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, 2002, S. 44 f., wonach § 275 Abs. 2 u. 3 BGB Probleme lösen sollen, die es wegen des Vollstreckungsrechts nicht gebe; ähnlich Wilhelm, JZ 2001, 861 (865); in dieselbe Richtung bereits Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223 (231); abgesehen davon, dass die Frage der Grenze und des Umfangs der Leistungspflicht ebenso wie die ihrer Begründung eine Frage des materiellen Rechts ist, müssen rechtsökonomische Erwägungen für eine Verortung im materiellen Recht sprechen: so erscheint es wenig sinnvoll, die Parteien zunächst einen von vornherein überflüssigen Prozess auf Naturalerfüllung führen zu lassen und ihnen sodann eine von vornherein fruchtlose Zwangsvollstreckung zuzumuten, um erst in einem zweiten Prozess die Frage des Schadensersatzes zu klären. Darüber hinaus birgt eine Klärung der Unmöglichkeitsfrage erst in der Zwangsvollstreckung die Gefahr, dass der Schuldner nicht schon im ersten Prozess mit einer bald verjährenden eigenen Forderung gegen die Schadensersatzforderung aufrechnen kann (dem stünde insb. § 393 BGB nicht entgegen, da die Nichterfüllung wegen Unmöglichkeit nur selten zugleich eine vorsätzliche, unerlaubte Handlung darstellen dürfte, vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des BGH zur begrenzten Anwendung des § 393 BGB auf Vertragsverletzungen BGH, Urt. v. 20.6.1967 – VI ZR 201/65 = NJW 1967, 2012 (2013)) und deshalb entweder Widerspruchsklage oder einen weiteren Prozess anstreben muss. Verjährt die Forderung vor der Zwangsvollstreckung, wäre eine Aufrechnung ausgeschlossen. Das Gericht könnte unter Rückgriff auf § 215 BGB allenfalls aussprechen, dass die Unmöglichkeit bereits vor der Verjährung bestand und die Verjährung der Aufrechnung daher nicht entgegensteht. Es würde in einem solchen Fall jedoch zugleich zugeben, dass das erste, auf Naturalerfüllung ge-



II.  Der Obligationsbegriff in der Literatur

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Befreiung nicht eindeutig, besteht grundsätzlich die Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion bzw. Extension der jeweiligen Befreiungsnorm.50 Ein gewichtiges dogmatisches Argument gegen die Betrachtung der Obligation als einheitliches Forderungsrecht ergibt sich zudem aus der Unterscheidung zwischen rechtsverwirklichenden und rechtsfortsetzenden Schutzrechten.51 Ausgehend von der an dieser Stelle axiomatischen Annahme, dass es sich bei der deutschen Zivilrechtsordnung zuvörderst52 um eine Rechtszuweisungsordnung handelt, können sich Privatrechtssubjekte auch privatautonom Rechte zuweisen und kommt es dann bereits durch das Versprechen des Schuldners zu einer Aufstockung des Vermögens des Gläubigers um eine schutzbewehrte Rechtsposition.53 Während die rechtsverwirklichenden Schutzrechte erforderlich sind, um die Beseitigung aktueller oder die Verhinderung künftiger rechtswidriger Zustände zu gewährleisten, bedarf es der rechtsfortsetzenden Schutzrechte, um den Vermögenswert der Rechtsposition zu berücksichtigen und vergangene Rechtsverletzungen zu liquidieren.54 Damit kann der Naturalerfüllungsanspruch jedoch niemals bloßes „remedy“ im Sinne eines selbständigen Rechtsbehelfs sein, der dem Gläubiger grundsätzlich neben anderen Rechtsbehelfen wahlweise zur Befriedigung seines Interesses zur Verfügung steht.55 Als rechtsverwirklichendes Schutzrecht genießt der Naturalerfüllungsanspruch vielmehr Vorrang vor den rechtsfortsetzenden Schutzrechten, wie etwa dem Schadensersatzanspruch, die erst zum Einsatz kommen, wenn der rechtsverwirklichende Schutz – aus welchen Gründen auch immer – nicht zum Erfolg führt.56 richtete Urteil für den Schuldner hinsichtlich der Zwangsvollstreckung von vornherein wertlos war. Die Verortung im materiellen Recht gewährleistet also eine schnellere, effektivere und umfassendere Wiederherstellung des Rechtsfriedens. 50  Vgl. zum Schweizer Recht etwa Schwenzer, Schweizerisches OR, Allg. Teil, 7. Aufl. 2016, S. 467 Rn. 64.20 m. w. Nachw. zur Frage des Erlöschens bzw. der Umwandelung des Erfüllungsanspruchs gem. Art. 97 Abs. 1 und Art. 119 Abs. 1 Schweizer OR: über den Wortlaut des Art. 119 Abs. 1 OR hinaus besteht ein Erfüllungsanspruch auch bei zu vertretender Unmöglichkeit; vgl. zum österreichischen Recht, welches in § 920 ABGB für den Fall der Erfüllungsvereitelung lediglich die Möglichkeit von Schadensersatz und Rücktritt nennt, Rummel/ Reischauer, ABGB, 4. Aufl. 2018, § 920 Rn. 43 ff. zur Frage, in welchen Konstellationen eine Verurteilung zur Leistung trotz Vereitelung weiterhin sinnvoll erscheint. 51  Zum Ganzen jüngst Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 62 ff. u. 77 ff. 52  Die Frage, ob die Rechtszuweisungstheorie das geltende Privatrecht erschöpfend erklären kann, ist an dieser Stelle (anders jedoch unten unter III. 1. b) (S. 31 ff.)) zunächst ohne Relevanz und braucht hier daher nicht weiter thematisiert zu werden; vgl. zur Rechtszuweisungstheorie Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 40 ff. 53 Ausführlich Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 35 ff. 54  Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 64. 55  Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 106 ff. und insb. S. 132 ff. Mit diesem Vorwurf jedoch Stoll, JZ 2001, 589 (590), vgl. oben vor und mit Teil 1 Fn. 37. 56 Grundlegend Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 68 ff. Zwar erscheint es weniger überzeugend, dass der auf Herausgabe einer Sache gerichtete Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB nicht neben § 985 BGB ebenfalls ein rechtsverwirklichendes Schutz-

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Ebenso wenig greift deshalb der erwähnte Vorwurf durch, wonach sich das Leistungsstörungsrecht zu sehr am anglo-amerikanischen Recht und insbesondere am CISG orientiere und daher mit dem System des BGB unvereinbar sei.57 Dieses Ergebnis wird zudem durch den Umstand gestützt, dass die Kategorie der Unmöglichkeit im CISG überhaupt nicht normiert wurde.58 Lediglich Art. 79 CISG, dessen Vorgängervorschrift zeitweise als Vorlage für § 275 BGB diente,59 regelt den Fall, dass ein Schuldner, der aufgrund eines unvorhersehbaren und unvermeidbaren Leistungshindernisses nicht leisten konnte, nicht zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet ist.60 Anders als § 275 BGB schließt Art. 79 Abs. 1 CISG den Primärleistungsanspruch grundsätzlich gerade nicht aus, sondern erfasst zunächst lediglich den Schadensersatzanspruch als eine spezielle Form der Sekundäransprüche.61 Der Lehre vom einheitlichen Forderungsrecht ist sicherlich zuzugeben, dass sowohl der Anspruch auf Naturalerfüllung als auch der Sekundäranspruch auf Schadensersatz der Befriedigung des Gläubigerinteresses dienen.62 Dass durch die Zahlung von Schadensersatz das Gläubigerinteresse immer vollständig befriedigt wird, kann jedoch bezweifelt werden.63 Außerdem bliebe nach dieser Lehre offen, unter welchen Voraussetzungen und insbesondere aus welchem sachlichen Grund sich besagte Umwandlung vom Primär- zum Sekundärrecht darstelle, sondern nur darüber hinaus zusätzlich eine rechtsfortsetzende Funktion einnehmen könne, wenn etwa ein weiterer Schaden in Form von Transportkosten vorliege. Entgegen der Annahme Hoffmanns ist ein Schaden im Sinne einer unfreiwilligen Vermögenseinbuße im Falle der unerlaubten Wegnahme einer Sache wegen des damit einhergehenden unfreiwilligen Besitzverlustes gerade schon zu bejahen. Auch dient §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB mit Herausgabe der Sache gerade der Beseitigung aktueller und der Verhinderung künftiger rechtswidriger Zustände und erfüllt damit die Definition eines rechtsverwirklichenden Schutzrechtes. An der grundsätzlichen Überzeugungskraft der Ausführungen Hoffmanns vermag dies freilich nicht zu rütteln. Ferner zum Vorrang des Erfüllungsanspruchs selbst im CISG, Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Müller-Chen, CISG, 7. Aufl. 2019, Art. 46 Rn. 1 f. m. w. Nachw. auch zu den wenigen Stimmen der Gegenauffassung. 57  Stoll, JZ 2001, 589 (590). 58  Dass auch das CISG trotz des Konzeptes der einheitlichen Pflichtverletzung nicht gänzlich ohne die Kategorie der Unmöglichkeit auskommt, ist schon deswegen offensichtlich, weil dauerhafte Leistungshindernisse eine von mehreren zu Art. 25 CISG entwickelten Fallgruppen der wesentlichen Vertragsverletzung darstellen, vgl. Honsell/Gsell, 2. Aufl. 2010, Art. 25 Rn. 29 m. w. Nachw. aus der Rechtsprechung. 59  S. zu diesem Aspekt der Reformgeschichte beispielsweise Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 16 ff. 60  Vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schwenzer, CISG, 7. Aufl. 2019, Art. 79 Rn. 1, insb. zur restriktiven Anwendung in der Praxis. 61  Vgl. etwa BeckOK-BGB/Saenger, Stand 1.2.2020, CISG, Art. 79 Rn. 11 m. w. Nachw. auch zur anderen Auffassung; im Ergebnis ebenso Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schwenzer, 7. Aufl. 2019, Art. 79 Rn. 52 ff. 62  Zum Verhältnis der verschiedenen Erfüllungsformen unten unter III. 3 (S. 40 ff.). 63  Auch hierzu unten unter III. 3 (S. 40 ff.). sowie zu der in Frankreich diskutierten Frage, ob die résponsabilité contractuelle nicht einer Erfüllung in Geld entspricht unten unter Teil 2 C. I. (S. 215 ff.).



II.  Der Obligationsbegriff in der Literatur

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anspruch vollziehen soll, wenn eine dem § 275 BGB entsprechende Vorschrift fehlte. Weitaus bedenklicher ist jedoch, dass die Vertreter der genannten Lehre ihren Ausführungen keine eindeutige Begrifflichkeit zugrunde legen.64 Vermutlich ist dies auf die Gesetzgebungsgeschichte des BGB zurückzuführen: so sah von Kübels Vorschlag zur Unmöglichkeit noch ganz im Sinne der obligatio perpetuatio65 den Fortbestand „der“ Verbindlichkeit vor.66 Der Antrag Planks, besser die Verwandlung „der“ ursprünglichen Verbindlichkeit in „eine“ Verbindlichkeit auf Schadensersatz vorzusehen, wurde mit der Begründung abgelehnt, dass „wenn von einer Verwandlung der ursprünglichen Obligation geredet werde“, es vielmehr den Anschein gewinne, „die alte Obligation sei völlig erloschen und durch eine neue ersetzt“.67 Die undifferenzierte Verwendung der Begriffe Obligation, Verbindlichkeit, Schuldverhältnis usw. ist, wie dieses Beispiel zeigt, also kein neues Phänomen. Um Erkenntnisse aus dem Terminus Obligation ziehen zu können, ist jedoch eine präzisere Begriffsbestimmung erforderlich und die Obligation insbesondere von weiteren Begriffen des Schuldrechts, wie z. B. dem Schuldverhältnis, der Forderung, dem Anspruch usw. abzugrenzen. Auf die zentrale Frage der Lehre vom einheitlichen Forderungsrecht, d. h. auf das Verhältnis zwischen Erfüllung in Natur und der Erfüllung durch Geldzahlung oder andere Surrogate wird jedenfalls in der weiteren Untersuchung noch zurückzukommen sein.68

2.  Die Obligation als Summe des vertraglichen Pflichtenprogramms Nehmen die Anhänger der Lehre vom einheitlichen Forderungsrecht demnach an, die Obligation sei ein Forderungsrecht, jedoch mit mehreren möglichen Inhalten, so versteht eine zweite Strömung den Terminus Obligation deutlich weiter. Nach dieser Ansicht fasse der Begriff Obligation das vertragliche Pflichtenprogramm69 bzw. das Leistungsversprechen70 zusammen und gehe damit weit über das einzelne Forderungsrecht hinaus.

64  So spricht Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006, S. 8 ff. von der Einheitlichkeit der Obligation; Zimmer, NJW 2002, 1 (2) von einer Verbindlichkeit doppelten Inhalts; Stoll, JZ 2001, 589 (590) von einem einheitlichen Forderungsrecht; C. Knütel, JR 2001, 353 (353) von einer doppelten Verpflichtung. 65  Hierzu bereits oben unter I. (S. 9 ff.). 66  v. Kübel, Schuldrecht Teil 1, 1876–1883, S. 849 u. 861 f. 67  Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse I, 1978, S. 259 u. 261. 68  Unten unter III. 3. (S. 40 ff.). 69 So Huber, AcP 210 (2010), 319 (334 f.). 70  Zwischen Leistungspflicht und Leistungsversprechen differenzierend Windel, JR 2004, 265 (266).

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Soweit ersichtlich lässt sich zwar die erneute Verwendung der Obligation im Sinne der Gesamtheit des vertraglichen Pflichtenprogramms auf Huber71 zurückführen, nicht jedoch die Unterscheidung zwischen der Nichterfüllung eines Vertrages und der Nichterfüllung einer Erfüllungspflicht. Diese beruht vielmehr auf der Arbeit Flumes, welcher diese Differenzierung bereits 1948 als zwingend erachtete.72 Nach Flume ist die Leistung einer mangelhaften Sache keine Erfüllung eines Kaufvertrages, sondern ein „breach of contract“, sie ist aber „nicht Nichterfüllung einer Erfüllungspflicht“.73 Wenn beispielsweise die als echte Stradivari verkaufte Geige übergeben und übereignet wurde, obwohl es sich eben nicht um eine Geige Stradivaris handelt, so ist einerseits die Leistungspflicht aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB – die in ihrer räumlich-zeitlichen Dimension konkretisierte Geige wurde immerhin übergeben und übereignet – als erfüllt anzusehen. Dabei ist hervorzuheben, dass der Gläubiger zunächst seinen Anspruch aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB nicht wegen der Mangelhaftigkeit der Sache verliert, da gemäß § 275 Abs. 1 BGB der Anspruch nur „soweit“ erlischt, wie die Leistung unmöglich ist.74 Andererseits bestand in dem Beispiel gemäß § 275 Abs. 1 BGB niemals ein Anspruch aus § 433 Abs. 1 S. 2 BGB auf die Lieferung einer Sache ohne Mangel, da die Lieferung der konkreten Geige mit der Eigenschaft einer echten Stradivari doch von Anfang an unmöglich war.75 Jedenfalls wenn man mit dem Anspruch nach § 275 Abs. 1 BGB zudem die Leistungspflicht entfallen lässt,76 liegt die von Flume beschriebene Situation77 vor: durch die mangelhafte Sache sei der wirksame Kaufvertrag nicht erfüllt worden, hingegen gebe es wegen der Lieferung der Sache und mangels einer Pflicht zur Mängelbeseitigung – welche wegen der Unmöglichkeit aus einer bestimmten Geige nachträglich noch eine echte Stradivari zu machen – keine Nichterfüllung der Erfüllungspflicht.78 Entsprechendes gelte auch für das allgemeine Leistungsstörungsrecht: Sieht man die Naturalleistungspflicht nach § 275 BGB als erloschen an, weil eine Aufrechterhaltung sinnlos sei, verbleibe von dem um jene Pflicht reduzierten vertraglichen Versprechen noch die Pflicht zur wertmäßigen Gewährleistung des Leistungsinteresses, welche als eine Art „Mutterpflicht“ neben der Pflicht zur Naturalerfüllung auch die Sekundäransprüche rechtfertige.79 71 

Huber, AcP 210 (2010), 319 (334 f.). Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, 1948, S. 41. Flume, a. a. O., S. 41. 74  Hierzu etwa Lorenz, NJW 2002, 2497 (2497 f.); Windel, JR 2004, 265 (268). 75  Mit diesem und weiteren Beispielen Huber, AcP 209 (2009), 143 (159 ff.). 76 So Huber, AcP 209 (2009), 143 (159); ders., AcP 210 (2010), 319 (334), wo Erfüllungsanspruch und Erfüllungspflicht gleichgesetzt werden; Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, 2002, S. 16 u. 122 f.; zur Rechtsfolge des § 275 BGB unten unter C. II. 2. (S. 102 ff.) und -3. (S. 112 ff.). 77  Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, 1948, S. 41. 78  Mit diesem Beispiel Huber, AcP 209 (2009), 143 (155). 79 Vgl. Grigoleit, FS Köhler, 2014, S. 183 (185 f.). 72  73 



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Das Verständnis der Obligation als Summe aller Verbindlichkeiten bzw. der Gesamtheit des vertraglichen Pflichtenprogramms wirft jedoch Fragen der Abgrenzung zwischen den sog. Hauptpflichten nach § 241 Abs. 1 BGB und den sog. Nebenpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB auf. Insbesondere erscheint fraglich, ob und wie dieses Obligationsverständnis mit der Dichotomie der Entstehungs- bzw. Legitimationsgründe von Leistungspflichten in Einklang gebracht werden kann. Nach dieser Dichotomie ist zwischen Haftpflichten, die dem Schuldner von Rechts wegen und damit gewissermaßen heteronom auferlegt werden, und autonom bestimmten Leistungspflichten zur Mehrung des Gläubigervermögens zu unterscheiden.80 Entsprechend dieser Einteilung handelt es sich bei den Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB um heteronom auferlegte Haftpflichten, während die Pflichten aus § 241 Abs. 1 BGB im Rahmen der Parteiautonomie selbst bestimmt werden. Ein Obligationsbegriff, der undifferenziert das gesamte vertragliche Pflichtenprogramm umschließt, erscheint jedoch zu allgemein. Zudem droht ein solches Begriffsverständnis auf ein Synonym für das Schuldverhältnis im weiteren Sinne hinauszulaufen.81 Als Synonym kann die Obligation jedoch nichts zur sprachlichen Präzision im Bereich des Leistungsstörungsrechts beitragen. Hinzu kommt, dass ein solcher Obligationsbegriff auf eine bloße Worthülse hinausliefe, die erst mit dem genauen Pflichtenprogramm zu füllen wäre, so dass sich Rückschlüsse von der leeren Hülle auf die vertraglichen Pflichten von vornherein verböten. Letztlich bietet eine vom Terminus des Schuldverhältnisses losgelöste Annäherung an den Obligationsbegriff vor allem den Vorteil, nicht durch einzelne, mehr oder weniger überlegte gesetzliche Begriffsverwendungen beschränkt zu werden. Denn schließlich hat der BGB-Gesetzgeber die Frage nach dem Wesen der Obligation ausdrücklich der Wissenschaft überlassen.82 Vielversprechender erscheint der Ansatz, von einer Art „Mutterpflicht“ auszugehen und dabei das Leistungsinteresse des Gläubigers in den Mittelpunkt der Beobachtung zu stellen.

3.  Die Obligation als das „Bekommensollen“ Eine der intensivsten Auseinandersetzungen mit Begriff, Natur und Funktion der Obligation findet sich bei Hartmann.83 Vor dem Inkrafttreten des BGB erschienen, hat Hartmanns Monographie maßgeblich zu dem wissenschaftlichen Diskurs beigetragen, der schließlich zu der erwähnten Stellungnahme des BGB80 

Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 6; ebenso Picker, in: Artz/Gsell/Lorenz (Hrsg.), Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung, 2014, S. 1 (9 f.) m. w. Nachw. 81  Zum Verhältnis der Begriffe Obligation und Schuldverhältnis unten unter B. I. (S. 48 ff.). 82  Vgl. oben unter I. (S. 9 ff.) und vor allem die Nachweise in Fn. 25. 83  Hartmann, Die Obligation, 1875, passim.

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Teil 1 – A.  Die Obligation – ein überholter Rechtsbegriff?

Gesetzgebers von 1900 führte.84 Teil der damaligen Debatte war unter anderem, ob sich das Begriffsverständnis über die Zeit gewandelt habe, ob also die Obligation im römischen Sinne etwas Anderes erfasse als die Obligation im Sinne des 19. Jahrhunderts. So führte etwa Bekker aus, dass vom „modernen“ Begriff der Obligation etwas erfasst werde, das im römisch-rechtlichen Sinne nicht mit enthalten sei, insbesondere nämlich die Verpflichtung zur Leistung, das Sollen, das lediglich von der „modernen“ Obligation erfasst sei.85 Hartmann hielt jedoch dagegen, dass seiner Meinung nach keine fundamentale Verschiedenheit zwischen römischer und moderner Obligation bestehe.86 Als „unmittelbare Begriffsmomente“ kamen für Hartmann zwei Aspekte in Betracht: Einerseits die durch die Obligation verliehene Macht gegenüber einer fremden Person oder Vermögenssphäre, inklusive der damit verbundenen rechtlichen Sanktionierungsmöglichkeiten als Ausdruck der „Gebundenheit“87 des Schuldners bzw. des fremden Vermögens. Andererseits – und insbesondere die Grundlage der Obligation bildend – ein bestimmt begrenztes privates bzw. vermögensrechtliches Interesse des Gläubigers, dessen Befriedigung die begriffsmäßige Zweck- und Zielverwirklichung dieser Gebundenheit darstelle.88 Davon ausgehend gelangt Hartmann zu der bedeutsamen Frage, ob das Recht auf die zweckerfüllende Handlung – nach heutigen Begrifflichkeiten also der Anspruch89 – Bestandteil der Obligation ist.90 Entscheidend für Hartmann ist die Zweckerfüllung, gleich auf welche Weise – eine Besonderheit ergebe sich lediglich für den Sonderfall, in dem eine höchstpersönliche Handlung des Schuldners geschuldet ist, weil dann diese den wesentlichen Zweck der Obligation darstelle.91 Im Regelfall sei jedoch allein entscheidend, dass der Gläubiger befriedigt werde, also beispielsweise die geschuldete Sache erhalte, wobei die 84 

Oben unter I. (S. 9 ff.) vor und mit Fn. 25. Bekker, Die Aktionen des Römischen Privatrechts, Bd. 1, 1871, S. 7. Bekker sieht als primäres Element der Obligation das Leistensollen, welches der actio und der obligatio des Römischen Rechts fehle. Ein technischer Name für dieses Leistensollen habe sich zwar nicht entwickelt, könne seiner Ansicht nach aber nachträglich – was aus heutiger Sicht irreführend erscheinen muss – als Anspruch bezeichnet werden. Am eindrücklichsten beschreibt das Verhältnis zwischen Sollen und Müssen, Klage, Obligation und Anspruch hingegen der wegen seiner geradezu zeitlosen Schlichtheit bemerkenswerte Satz: „Ein Sollen das der Staat anerkennt wird damit, durch seinen Schutz zum Müssen.“ (ebenda). 86  Hartmann, Die Obligation, 1875, S. 21. 87  Gewiss spielt Hartmann hier bewusst auf die Etymologie des Wortes „Obligation“ an, vgl. hierzu oben unter I. (S. 9 ff.). 88  Hartmann, Die Obligation, 1875, S. 32. Aus heutiger Sicht erscheint eine Ergänzung gerade zwingend, um Friktionen mit der Lehre der Zweckerreichung und des Zweckfortfalls zu vermeiden: die Befriedigung des Gläubigerinteresses muss auf Grundlage der Obligation erfolgen, eine zufällige Zweckerfüllung bzw. -erledigung genügt – anders als bei Hartmann (dazu sogleich) – gerade nicht. 89  S. die Legaldefinition in § 194 Abs. 1 BGB. 90  Hartmann, Die Obligation, 1875, S. 32 ff. 91  Hartmann, a. a. O., S. 33. 85 



II.  Der Obligationsbegriff in der Literatur

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Art und Weise, wie dies geschehe, gleichgültig sei.92 Mit zahlreichen Argumenten versucht Hartmann sodann zu belegen, dass eine Handlung des Schuldners nicht notwendiger und wesentlicher Bestandteil der Obligation ist.93 So führt Hartmann aus, die Handlung des Schuldners sei lediglich ein Mittel zur Erfüllung der Obligation, nicht jedoch deren juristisch letzter Zweck.94 Andernfalls müsste die Handlung des Schuldners fingiert werden, um die Obligation erfüllen zu können, wenn der Gläubiger beispielsweise im Wege der Zwangsvollstreckung eine Sache erlangt.95 Vermutlich hatte Hartmann dabei die nunmehr in Art. 2 Abs. 1 GG verortete Handlungsfreiheit des Schuldners vor Augen:96 im Rahmen seiner Handlungsfreiheit bzw. Privatautonomie hat der Schuldner eben auch die Möglichkeit, seine Verpflichtung nicht zu erfüllen.97 Auch über ein Jahrhundert später haben Hartmanns Ausführungen hierzu nicht an Überzeugungskraft verloren. Seiner Argumentation kann insbesondere nicht entgegengehalten werden, dass die §§ 815 Abs. 3, 894, 897 ZPO bzw. § 804 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 1247 S. 1 BGB verschiedene Handlungen wie die Abgabe einer Willenserklärung oder die Übergabe einer Sache fingieren. Diese Vorschriften dienen gerade nicht dazu, die Handlung des Schuldners als gegeben anzusehen, um einem um das Handlungsmoment aufgeladenen Obligations- bzw. Leistungsbegriff gerecht zu werden. Sinn und Zweck dieser Fiktionen des Zwangsvollstreckungsrechts ist vielmehr einzig, die Auswirkungen der durch die Zwangsvollstreckung geschaffenen Lage auf das materielle Recht festzulegen, indem die Wegnahme der Sache/des Geldes durch den Gerichtsvollzieher als Zeitpunkt der fingierten Handlung (und damit regelmäßig des Gefahrübergangs) bestimmt wird.98 Damit das Erlöschen des Schuldverhältnisses nach § 362 Abs. 1 BGB, was nichts anderes bedeutet als das Erlöschen des Anspruchs i. S. d. § 194 Abs. 1 BGB,99 und damit einhergehend die Erreichung des Obligationszwecks angenommen werden kann, ist noch eine Weiterleitung des Geldes bzw. der beweglichen Sache an den Gläubiger erforderlich.100 Da diese 92 

Hartmann, a. a. O., S. 33. Hartmann, a. a. O., S. 33 ff. Hartmann, a. a. O., S. 34. 95  Hartmann, a. a. O., S. 34. 96 Vgl. Ost, Die Zuordnung als Kriterium des subjektiven Rechts, 1965, S. 115, der sich im Zusammenhang mit der Rechtsnatur der Forderung ebenfalls auf Art. 2 Abs. 1 GG stützt. 97 Ebenso Ost, a. a. O., S. 115 f. m. w. Nachw. 98  BGH, Beschl. v. 29.1.2009 – III ZR 115/08 = NJW 2009, 1085 (1086); mittlerweile ganz h. M., anstatt vieler MüKoBGB/Fetzer, 8. Aufl. 2019, § 362 Rn. 40, m. w. Nachw. auch zur Gegenansicht. 99  § 362 Abs. 1 BGB meint dabei das Schuldverhältnis im engeren Sinne und damit (auch) den einzelnen Anspruch, für die ganz h. M. etwa BGH, Urt. v. 11.11.1953 – II ZR 181/52 = NJW 1954, 231 (232); Palandt/Grüneberg, 79. Aufl. 2020, Überbl. v. § 362 Rn. 2; ebenso MüKoBGB/Fetzer, 8. Aufl. 2019, Vorb. v. § 362 Rn. 1. 100  So nun auch die Rechtsprechung, vgl. BGH, Beschl. v. 7.1.2011 – 4 StR 409/10 = NJW 2011, 2149 (2150); grundlegend in einem obiter dictum BGH, Beschl. v. 29.1.2009 – III ZR 93  94 

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Teil 1 – A.  Die Obligation – ein überholter Rechtsbegriff?

letztlich durch den Gerichtsvollzieher und ohne Beteiligung des Schuldners erfolgt, erbringt der Schuldner überhaupt keine Handlung, die zum Erlöschen des Anspruchs bzw. der Erfüllung der Obligation führen würde. Die Fiktionen der schuldnerischen Handlung im deutschen Zwangsvollstreckungsrecht dienen demnach gerade nicht der Vertragserfüllung (weder der Erfüllung des Anspruchs noch der Erfüllung der Obligation), sondern allein der Festlegung des Zeitpunkts des Gefahrübergangs. Mit anderen Worten: es ist an dieser Stelle das Recht auf eine Handlung, also der Anspruch i. S. d. § 194 BGB, von der Obligation in der Weise zu unterschieden, dass das Recht auf eine bestimmte Handlung des Schuldners lediglich eine Möglichkeit zur Erfüllung der Obligation darstellt, weil es sich – ausweislich des Zwangsvollstreckungsrechts – bei der Handlung des Schuldners selbst auch nur um eine Möglichkeit zur Erfüllung der Obligation handelt. Wird in dieser Weise zwischen Obligation, Anspruch und Handlung differenziert, können die gerade zitierten Vorschriften der ZPO Hartmanns Obligationsbegriff nicht entgegengehalten werden. Vielmehr bekräftigt das System der ZPO ein vom Handlungsmoment befreites Obligationsverständnis, da es von einem Erlöschen des Schuldverhältnisses i. e. S. ohne Mitwirkung des Schuldners ausgeht.101 Außerdem kann mit Hilfe dieses Obligationsbegriffs die Legitimation dieser Vorschriften untermauert werden: als Teil des Zwangsvollstreckungsrechts sind sie Ausdruck der durch die Obligation begründeten „Macht“ über eine bestimmte Vermögensmasse und verhelfen außerdem dem Zweck bzw. Ziel der damit verbundenen Gebundenheit (und damit dem Gläubigerinteresse) zur Verwirklichung. Das Verhältnis zwischen Handlung und Obligation wird von Hartmann außerdem am Beispiel des auf die Hauptschuld zahlenden Bürgen herausgearbeitet.102 Demnach könne die Obligation relativ, d. h. nur in der Person des Hauptgläubigers, getilgt werden, wenn ihr Zweck nur relativ erreicht werde.103 Eine solche relative Tilgung nach Hartmann wäre nach heutigem Recht anzunehmen, wenn die Forderung nach Zahlung des Bürgen an den Hauptgläubiger auf den Bürgen gem. § 774 BGB übergeht. Der Gedanke der relativen Tilgung ist jedoch der Verallgemeinerung fähig und könnte deshalb auf Legalzessionen wie etwa nach § 268 Abs. 3 BGB und § 426 Abs. 2 BGB und ggf. auch auf rechtsgeschäftliche Zessionen übertragen werden. Allerdings kann für diese Konstellationen auch angenommen werden, dass es zu einer Verdopplung des Interesses auf Leistung kommt: Zahlt beispielsweise der Bürge an den Gläubiger, so hat letzterer ein Interesse daran, das an ihn 115/08 = NJW 2009, 1085 (1086) m. w. Nachw., insb. auch auf die gegenteilige ältere Rechtsprechung in BGH, Urt. v. 19.10.1983 – VIII ZR 169/82 = WM 1983, 1337 (1338). 101  Im Ergebnis so auch Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006, S. 40 f. 102  Hartmann, Die Obligation, 1875, S. 46 ff. 103  Hartmann, a. a. O., S. 51.



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Geleistete behalten zu dürfen. Der leistende Bürge hat hingegen das Interesse, vom Hauptschuldner Ausgleich für seine Zahlung an den Gläubiger zu erhalten. Es ist also denkbar, dass, so wie es sich beim Rückgriffsanspruch des Bürgen um einen aufschiebend bedingten Anspruch handeln soll,104 mit Abschluss des Bürgschaftsvertrags eine aufschiebend bedingte Obligation des Bürgen gegenüber dem Hauptschuldner entsteht, wobei die Bedingung in beiden Fällen die Befriedigung des Gläubigers durch den Bürgen ist. Andererseits erscheint es nicht völlig abwegig, davon auszugehen, dass in der Person des Gläubigers zunächst zwei Obligationen vorliegen: eine gegen den Hauptschuldner aus dem Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Gläubiger, und eine gegen den Bürgen aus dem Bürgschaftsverhältnis. Soll der Gläubiger jedoch nicht zweimal Befriedigung verlangen können,105 müssen beide Obligationen dergestalt verbunden sein, dass die Obligation gegenüber dem Bürgen mit Befriedigung der Obligation durch den Hauptschuldner erlischt, während die Obligation gegenüber dem Hauptschuldner mit Zahlung des Bürgen auf diesen übergeht, so dass die Obligation zumindest in der Person des Gläubigers als untergegangen anzusehen ist. Insofern ist der Gedanke der relativen Obligationstilgung zwar nicht zwingend, überzeugend ist jedoch Hartmanns Schlussfolgerung: Die Beispiele des auf die Hauptschuld zahlenden Bürgen, des § 268 BGB, der Gesamtschuld nach §§ 421 ff. BGB und nicht zuletzt § 267 BGB zeigen, dass das Leistungsinteresse des Gläubigers regelmäßig von verschiedenen Rechtssubjekten erfüllt werden kann.106 Es kann also die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Handlung eines bestimmten Rechtssubjekts jedenfalls in vielerlei Fällen kein Bestandteil der Obligation ist. Die Obligation ist vielmehr als von der Handlung unabhängig anzusehen. Selbst wenn der der Obligation innewohnende Zweck allein durch eine bestimmte Handlung des Schuldners erreicht werden kann,107 ergibt sich nichts anderes. In diesen Fällen liegt die Besonderheit allein darin, dass die Zweckerreichung lediglich eingeschränkt möglich ist. Ein Grund, deswegen die Handlung als Bestandteil der Obligation anzusehen, ist dies jedoch nicht. Nach Hartmann zwinge auch die Möglichkeit der Teilabtretung zu einem handlungsbefreiten Verständnis der Obligation, denn das strenge Abstellen auf 104 Anstatt

vieler MüKoBGB/Habersack, 7. Aufl. 2017, § 774 Rn. 17 m.  zahlreichen w. Nachw. in Fn. 72. 105  Keinesfalls kann angenommen werden, dass der Gläubiger anfangs zwei unabhängige Obligationen hat, wobei eine auf Befriedigung durch den Schuldner und eine auf Befriedigung durch den Bürgen gerichtet wäre. Denn der Gläubiger hat nun einmal nur ein berechtigtes Interesse an einer einzigen Befriedigung entweder durch den Hauptschuldner oder durch den Bürgen. 106  Mit dem Beispiel des § 267 BGB auch Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006, S. 36 f. 107 Vgl. Hartmann, Die Obligation, 1875, S. 46: gemeint sind insbesondere Fälle der höchstpersönlichen Handlung.

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Teil 1 – A.  Die Obligation – ein überholter Rechtsbegriff?

die geschuldete Handlung in Form einer (oder mehrerer) Zahlungen an den Gläubiger führe streng genommen zu einer unteilbaren Handlung.108 Teilbar werde die Forderung vielmehr nur, wenn man der Obligation statt einer bestimmten Handlung einen bestimmten, seiner individuellen Natur nach teilbaren Zweckerfolg zugrunde lege.109 Im Ergebnis müsse die Handlung als gewöhnlichstes Mittel zur Erreichung des Zwecks gesehen werden und dürfe nicht zum bloßen Selbstzweck erhoben werden.110 Zeitlich überholt ist hingegen das erste erbrechtliche Argument Hartmanns111, da der Fiskus gem. § 1942 Abs. 2 BGB nicht mehr dazu berechtigt ist, ein Erbe auszuschlagen. Hartmann führt jedoch weiter aus, dass ein um den Anspruch erweiterter Obligationsbegriff nicht erklären könne, wie eine Obligation gegen die Erbmasse fortbestehen soll, wenn der Gläubiger das Erbe seines Schuldners unter rechtlicher Hemmung der Vermischung der beiden Vermögensmassen antritt.112 Der dahinterliegende Gedanke Hartmanns ist wohl, dass eine Konfusion unumgänglich erscheine, sobald der Gläubiger den Anspruch gegen sich selbst geltend machen müsste. Durch die Trennung von Anspruch und Obligation wird ein vom Anspruch unabhängiger Fortbestand der Obligation in diesen Fällen ermöglicht. Zwar hat auch dieses Argument prima facie an Schlagkraft eingebüßt, da das heutige Erbrecht in den §§ 1976, 1991, 2175, 2377 BGB die durch Konfusion an sich erloschenen Rechtsverhältnisse fingiert. Ein anspruchs- und in letzter Konsequenz sogar schuldnerbefreites Verständnis der Obligation kann jedoch herangezogen werden, um zu erklären, welchen Inhalt ein solches kraft Fiktion nicht erloschenes Rechtsverhältnis hat bzw. welche Inhalte solche Rechtsverhältnisse vor dem Erlöschen hatten.113 Ganz offensichtlich geht der Gesetzgeber schließlich davon aus, dass ein Rechtsverhältnis zwischen ein und derselben Person erforderlich ist, sofern zwei voneinander unterscheidbare Vermögen betroffen sind. Dass ein solches Rechtsverhältnis nicht auf die Erfüllung eines Anspruchs gerichtet sein kann, ergibt sich bereits aus § 194 Abs. 1 BGB, wonach der Anspruch als das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, legaldefiniert ist – eine Definition, die ein weiteres Rechtssubjekt voraussetzt. Darüber hinaus kann das Konzept einer anspruchs- und damit personenbefreiten Obligation als zusätzliches Argument für die Möglichkeit der Neubegründung selbständi108  Hartmann, a. a. O., S. 35. Dieses Argument lässt sich sogar noch zuspitzen und auf die Fälle der Teilbarkeit der Leistung übertragen, vgl. Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006, S. 37 f. 109  Hartmann, a. a. O., S. 35. 110  Hartmann, a. a. O., S. 36. 111  Hartmann, a. a. O., S. 35. 112  Hartmann, a. a. O., S. 35. 113  Ausweislich des ausdrücklichen Wortlauts fingiere § 1976 BGB lediglich das Nichterlöschen, weshalb keine Wiederherstellung der Rechtsbeziehungen in ihrer früheren Realität erfolge, vgl. MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, § 1976 Rn. 4 f.



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ger Rechtsbeziehungen zwischen Nachlass und Eigenvermögen des Erben dienen.114 Hartmann kommt infolge seiner Ausführungen zu folgendem Zwischenfazit:115 „Der wesentliche Zweck der Obligation, in dessen Erreichung sie begriffsmässig ihr eigenes Ende anstrebt, ist die Stillung eines bestimmt begrenzten, durch den Entstehungsgrund individualisirten, privaten Interesses einer Person. Ihr wesentliches begriffsmässiges Mittel ist die, für jenen Zweck durch besonderen Rechtsgrund erzeugte, Gebundenheit einer speciellen Willens- oder Vermögenssphäre als solcher, so dass irgend welche zwingende Macht gegenüber der letzteren zur Realisierung jenes Zweckes anerkannt ist.“

Ein solches Obligationsverständnis hilft zu erklären, warum in unterschiedlichen Fällen mehrere Ansprüche bestehen, aber nur einer erfüllt werden kann116 bzw. warum in gewissen Fällen der Anspruch einer Partei von der Vorgehensweise einer anderen Partei abhängt. Da der Anspruch nur der Erfüllung des Obligationszwecks – als ein solcher Zweck kommt beispielsweise die Schadloshaltung des Gläubigers in Betracht – dient, ist dieser abhängig von der Vorgehensweise einer Partei. So kann etwa der Eigentümer gegen den entgeltlichen Verwahrer vorgehen, wenn diesem die verwahrte Sache aufgrund von Fahrlässigkeit gestohlen wurde oder aber gegen den stehlenden Dritten. Je nach Vorgehensweise des Eigentümers hat der Verwahrer unterschiedliche Ansprüche gegen den Dritten. Im Übrigen hilft dieses Obligationsverständnis auch, Änderungen im Anspruchsziel zu begründen, beispielsweise die „Umwandlung“ von § 985 BGB zu § 816 Abs. 1 S. 1 BGB bei Eigentumsverlust durch entgeltliche Verfügung bzw. von § 985 BGB zu §§ 951, 812 BGB bei einem gem. §§ 946 ff. BGB gesetzlich bedingten Verlust des Eigentums des Anspruchsinhabers.117 Während der Eigentümer nach § 985 BGB dasjenige bekommen soll, was zur Ausübung seines Rechtes zur Nutzung der Sache i. S. d. § 903 BGB erforderlich ist, nämlich die Verschaffung des Besitzes,118 erhält der Anspruchsinhaber bei § 816 Abs. 1 S. 1 BGB „das durch die Verfügung Erlangte“, grundsätzlich 114  Vgl. zu dieser Problematik Staudinger/Dobler, 2020, § 1976 Rn. 7 m. w. Nachw. zum Streitstand. 115  Hartmann, Die Obligation, 1875, S. 37. 116  Etwa weil die Ansprüche auf die Lieferung derselben Sache gerichtet sind oder weil das Interesse des Gläubigers auf die Lieferung einer einzigen von mehreren möglichen Sachen gerichtet ist. 117  Gewiss ist dieses Beispiel mit Vorsicht zu genießen, handelt es sich bei § 985 BGB doch um einen sachenrechtlichen Anspruch. Jedenfalls wenn man den Anspruch aus § 985 BGB als „strukturell schuldrechtliche Sonderverbindung“ ansieht (so MüKoBGB/Baldus, 8. Aufl. 2020, § 985 Rn. 152; ähnlich BeckOK-BGB/Fritzsche, Stand 1.5.2020, § 985 Rn. 23), ist die Heranziehung der an sich schuldrechtlichen Obligation angezeigt. 118  Vgl. MüKoBGB/Baldus, 8. Aufl. 2020, § 985 Rn. 1; so auch BeckOK-BGB/Fritzsche, Stand 1.5.2020, § 985 Rn. 1 m. w. Nachw.

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Teil 1 – A.  Die Obligation – ein überholter Rechtsbegriff?

nach h. M. also die an den Nichtberechtigten erbrachte Gegenleistung.119 Das individualisierte Interesse des Eigentümers, gerichtet auf die Ausübung seines Nutzungsrechtes an einer Sache, wird nach Vorstellung des Gesetzgebers also befriedigt durch Erhalt des Erlangten, d. h. durch Einräumung der Nutzungsrechte an einer bzw. mehreren anderen Sachen.120 Eine wesentliche Frage, die letztlich auch über die Funktionsfähigkeit der Obligation entscheiden wird, ist dabei, wie genau das hinter der Obligation stehende Interesse bestimmt werden muss bzw. überhaupt bestimmt werden kann und wann überhaupt noch von der einzelnen Obligation gesprochen werden kann und nicht vielmehr von mehreren Obligationen auszugehen ist.121 So kann denn der hier verfolgte Obligationsbegriff auch den inneren Zusammenhang verschiedener Ansprüche erklären, selbst wenn diese verschiedener Rechtsnatur sind oder auf unterschiedliche Anspruchsziele oder gar -gegner gerichtet sind. Solange nur die Ansprüche dasselbe Interesse des Gläubigers befriedigen sollen, besteht Anspruchskonkurrenz.122 Wird das Interesse des Gläubigers durch einen Anspruch befriedigt und die Obligation damit erfüllt, verlieren die anderen Ansprüche ihren Nutzen. Denn ist der Obligationszweck erreicht, bedarf es der Mittel zur Obligationserfüllung nicht mehr. Nach Hartmann erlischt eine Obligation grundsätzlich „durch die volle Befriedigung des ihr zu Grunde liegenden Interesses und die damit gegebene Erreichung ihres Zweckes selbst dann, wenn dieser Erfolg auch nicht aus ihr und auf sie selbst hin eintrat, sondern aus anderem selbstständigem Rechtsgrunde.“123 In diesem Punkt ist Hartmann jedoch zu widersprechen, können doch die Fälle der Zweckerreichung und des Zweckfortfalls nicht sinnvoll gelöst werden, wenn in diesen Konstellationen vorschnell ein Erlöschen der Obligation angenommen wird.124 Denn würde man die Obligation und auch die Pflicht zur Leis119 Zu dieser Frage beispielsweise MüKoBGB/Schwab, 7. Aufl. 2017, § 816 Rn. 39 ff. m. zahlreichen w. Nachw. 120  Letztlich handelt es sich dabei um ein Beispiel für den Übergang von einem rechtsverwirklichenden auf ein rechtsfortsetzendes Schutzrecht, vgl. oben unter II. 1. (S. 12 ff.) und ausdrücklich Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 67. 121  Vgl. hierzu beispielsweise Cian, FS Canaris, 2007, Bd. 2, S. 509 (514), der darauf hinweist, dass nach der herrschenden italienischen Literatur die primäre Leistungspflicht eine Obligation und die schadensersetzliche Leistung eine andere Obligation darstelle, was insbesondere auf die unterschiedlichen Verjährungsfristen gestützt werde. Cian geht a. a. O. jedoch augenscheinlich von einem Begriffsverständnis aus, bei dem sich Obligation und Schuldverhältnis i. e. S. synonym zueinander verhalten. 122  Zum Begriff der Anspruchskonkurrenz und ihrer verschiedenen Formen etwa MüKoBGB/Bachmann, 8. Aufl. 2019, § 241 Rn. 35 ff. 123  Hartmann, Die Obligation, 1875, S. 69. 124  Unter Zweckerreichung ist der Eintritt des Leistungserfolgs auf andere Weise als gerade durch die Handlung des Schuldners zu verstehen, vgl. Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung im Schuldverhältnis, 1969, S. 27 ff., der sich insbesondere auch gegen ein zu weites Verständnis des Begriffs „Erfüllung“ ausspricht (S. 7 ff. und passim); mit diesem Begriffsverständnis der Zweckerreichung auch MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, § 275 Rn. 158;



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tungshandlung in diesen Fällen stets wegen Erfüllung als erloschen ansehen, wäre die Lösung der h. M., die Fälle der Zweckerreichung bzw. des Zweckfortfalls über §§ 275, 326, 615, 645 BGB aufzulösen, nicht konstruierbar.125 Es erscheint zudem voreilig, von der Erfüllung des Gläubigerinteresses auf eine Erfüllung der Leistungspflicht und letztlich auf die Erfüllung der Obligation bzw.  –  gewissermaßen umgekehrt  –  von dem Erlöschen der Leistungspflicht auf ein Erlöschen der Obligation zu schließen. Nähme man mit der Erfüllung des Gläubigerinteresses zugleich ein Erlöschen der Obligation an, wäre zudem nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage der Gläubiger etwa die Mehrkosten eines Deckungskaufs126 ersetzt verlangen könnte – sein Interesse am Erhalt der Ware wäre durch den Deckungskauf bereits befriedigt und die Obligation mit dem ggf. schadensersatzpflichtigen Schuldner nach Hartmann damit erloschen, weshalb der Gläubiger auch keine Macht mehr über das schuldnerische Vermögen hätte. Daher bleibt erst noch zu untersuchen, ob die Obligation unbedingt das Schicksal der Leistungspflicht (im Sinne der Pflicht des Schuldners zur Leistungshandlung) teilt.127 Für das Erlöschen der Obligation ist zumindest erforderlich, dass das ihr zugrunde liegende Interesse aus ihr selbst heraus oder zumindest aufgrund eines inneren Sachzusammenhangs erfüllt wird und nicht etwa aufgrund eines außerhalb der Obligation liegenden Umstandes wegfällt.128 Unter Berücksichtigung der bisherigen Erkenntnisse erscheint es naheliegend, diesen inneren Sachzusammenhang in der Macht des Gläubigers über das Vermögen des Schuldners zu sehen. Als vorläufiges Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die Obligation entgegen Hartmann erst dann erlischt, wenn der Obligationszweck erreicht wird, entweder weil der Schuldner oder ein Dritter gerade ebenso BeckOGK-BGB/Riehm, Stand 1.2.2020, § 275 Rn. 114. Zweckfortfall liegt hingegen vor, wenn besondere Umstände außerhalb der persönlichen oder sachlichen Leistungsfähigkeit des Schuldners – insbesondere der Wegfall des Leistungssubstrats – den Eintritt des Leistungserfolgs verhindern, so MüKoBGB/Ernst, ebenda; ferner BeckOGK-BGB/Riehm, ebenda; vgl. auch Beuthien, a. a. O., S. 46. 125  Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung im Schuldverhältnis, 1969, S. 16 ff.; ferner Köhler, Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage bei Zweckstörungen im Schuldverhältnis, 1971, S. 77 ff., der sich zugleich kritisch zur Relativität der Begriffe „Unmöglichkeit“ und „Erfüllung“ äußert (S. 98 ff.); vgl. zum Ganzen auch MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, § 275 Rn. 159 ff. m. w. Nachw. 126  Für einen Fall des Deckungskaufs etwa BGH, Urt. v. 3.7.2013 – VIII ZR 169/12 = NJW 2013, 2959. 127  Unten unter C. II. (S. 97 ff.). 128  Hinsichtlich der Details dieser diffizilen Abgrenzung muss an dieser Stelle auf die heute gültigen Ergebnisse der grundlegenden Arbeiten zu Zweckfortfall und Zweckerreichung von Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung im Schuldverhältnis, 1969, passim und Köhler, Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage bei Zweckstörungen im Schuldverhältnis, 1971, insb. S. 77 ff. u. 110 ff. verwiesen werden; zum fehlenden Leistungssubstrat bei Werkund Dienstvertrag etwa Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, 1999, S. 267 ff.; vgl. zur Frage des Erlöschens der Obligation auch die Ausführungen unten unter B. (S. 46 ff.) und dort insb. V. (S. 74 ff.) sowie unter C. II. 3. (S. 112 ff.).

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mit Blick auf die Obligation und die damit einhergehende Macht des Gläubigers leistet, oder weil der Gläubiger den Obligationszweck mittels dieser Macht auf eigene Initiative – etwa im Wege der Zwangsvollstreckung – herbeiführt. Damit ist die Macht des Gläubigers zugleich als wesentliches Element der Obligation anzuerkennen. Zu einem sehr ähnlichen Ergebnis scheint auch Hartmann zu gelangen:129 „Denn das Wesen der Obligation besteht in dem, aus besonderem privatrechtlichen Rechtsgrunde erwachsenen, den Gläubiger berechtigenden Soll oder oportet, welches als das, durch bestimmte äussere Sanction aufrechterhaltene, blosse Mittel zur Sicherung und Befriedigung des gesetzten Obligationszweckes erscheint. Dieses Soll kehrt sich nun zunächst als ethisches, als Pflicht gegen den Willen des Schuldners. Es vermag sodann, zum absoluten Müssen sich steigernd, mit selbständiger Kraft nach aussen hin zu wirken, indem es namentlich eventuell im alten Recht direct die Person des Schuldners, im neueren Recht sein gesammtes Activvermögen, oder auch nur einzelne Stücke desselben unmittelbar ergreift, indem es selbst kraft Realexecution Satisfaction und Verwirklichung sucht auch unter völliger Umgehung des schuldnerischen Willens und der schuldnerischen Handlung.“

Unter Obligation soll demnach das Bekommensollen des Gläubigers zu verstehen sein, das auf die Befriedigung eines bestimmten berechtigten Interesses gerichtet ist.130 Die Obligation umfasst zudem eine Gebundenheit einer bestimmten Vermögensmasse und kann letztlich zur Rechtfertigung sowohl der materiell-rechtlichen Ansprüche als auch der vollstreckungsrechtlichen Zwangsmittel gegen den Schuldner herangezogen werden. Insofern ist die Obligation jedoch streng von anderen Begriffen wie Anspruch, Schuldverhältnis, Leistungspflicht usw. zu trennen.131

III.  Die Gebundenheit des schuldnerischen Vermögens an den Gläubiger zur Erfüllung der Obligation Geht man von einem solchen Obligationsverständnis aus, drängen sich jedoch unmittelbar weitere Fragen auf: Wie genau ist etwa das Interesse des Gläubigers zu ermitteln – ist es stets auf die Leistung in Natur gerichtet oder kann es auch durch Geldzahlungen befriedigt werden? Worauf ist folglich die Obligation selbst gerichtet? Wie stellt sich zudem die Gebundenheit des Schuldners bzw. seines Vermögens dar und – vor allem – wie ausgeprägt ist diese Gebundenheit? Wenn, wie oben festgestellt, von einem handlungsbefreiten Obligationsbegriff auszugehen ist, bleibt zu klären, was genau der Gläubiger bekommen soll. Es stellt sich also die Frage nach dem Inhalt der Obligation, d. h. nach dem, 129  130 

Hartmann, Die Obligation, 1875, S. 272. Vgl. zum Begriff Leistungsinteresse auch die Ausführungen bei Larenz, Schuldrecht I AT, 14. Aufl. 1987, § 2 V, S. 28. 131  Zur Abgrenzung anderer zentraler Begriffe unten unter B. (S. 46 ff.).



III.  Die Gebundenheit des Vermögens zur Erfüllung der Obligation

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was durch die Obligation erzwungen werden soll.132 Zu untersuchen ist ferner das Verhältnis vom Inhalt der Obligation zu deren Gegenstand, d. h. zu dem, woran oder wogegen die Obligation ausgerichtet ist,133 hier mithin also dem schuldnerischen Vermögen.134

1.  Der Inhalt der Obligation Die Frage nach dem Inhalt der Obligation und damit die Frage, was durch die Obligation erzwungen werden kann, war und ist Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Unter anderem135 wurde vorgeschlagen, den Wert der Obligation (a)), die Handlung des Schuldners (b)), oder ein Recht auf Macht (c)) als Inhalt der Obligation aufzufassen. Ausgehend von der an diesen Vorschlägen vorgebrachten Kritik und unter Berücksichtigung des soeben umschriebenen Wesens der Obligation wird hier die Realisierung bzw. Erhaltung eines Zustands als Inhalt der Obligation angesehen (d)).

a)  Der Wert als Inhalt der Obligation Der Zweck der Obligation ist die Erfüllung eines näher konkretisierten und individualisierten Gläubigerinteresses.136 Denkbar erscheint daher, dieses Gläubigerinteresse in Geld zu messen und somit den Wert des Interesses als Inhalt der Obligation zu bestimmen. Dieser Auffassung zufolge soll die Handlung des Schuldners lediglich Berücksichtigung finden, um die Art und Weise der Erfüllung des Gläubigerinteresses zu ermitteln und so als Maßstab für die Berechnung des Wertes dieses Interesses zu dienen.137 Die Handlung selbst sei jedoch niemals das Objekt der Forderung, weil eine Handlung etwas Höchstpersönli132  Mit dieser Definition des „Inhalts der Obligation“ Ziebarth, Die Realexecution und die Obligation, 1866, S. 38. 133  Auch die Definition des „Gegenstands der Obligation“ geht zurück auf Ziebarth, ebenda. 134 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass immer das Vermögen einer bestimmten Person bzw. mehrerer bestimmter Personen Gegenstand der Obligation ist und nicht das Vermögen selbst, würde letzteres doch die Grenze zum Pfandrecht an einem Vermögen verwischen, vgl. zutreffend, wenn auch den Schwerpunkt auf die Person und nicht das Vermögen legend, bereits Brinz, GrünhutsZ 1874, 11 (18): „Weder die Person an sich ist heute Obligationsobject, noch ihr Vermögen an sich“). Mit Fortschreiten der Umstände kann sich der Gegenstand der Obligation natürlich verändern, etwa durch Schuldbeitritt oder indem das schuldnerische Vermögen im Rahmen der Universalsukzession im Vermögen des Erben aufgeht. 135 Als weitere Ansicht sei hier noch das Recht am Leistungsgegenstand als Inhalt der Obligation zu nennen; kritisch zu dieser Auffassung Ost, Die Zuordnung als Kriterium des subjektiven Rechts, 1965, S. 117 ff. m. w.  Nachw.; dagegen auch Larenz, Schuldrecht I AT, 14. Aufl. 1987, § 2  II, S. 17 f.; ebenfalls kritisch Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 100 ff.; für weitere Vorschläge siehe auch die zum französischen Recht entwickelten Auffassungen unten unter Teil 2 A. II. (S. 156 ff.). 136  Oben unter II. 3. (S. 19 ff.) und insb. das Zitat bei Fn. 115. 137  Koeppen, Die Erbschaft, 1856, S. 14 f.

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Teil 1 – A.  Die Obligation – ein überholter Rechtsbegriff?

ches sei und nicht als selbständiger und ausschließlicher Gegenstand eines Vermögens gedacht werden kann.138 Eine solche Selbstständigkeit des Inhalts der Obligation sei jedoch aus Verkehrsschutzgründen erforderlich, da nur so die Obligation im Wege der Universalsukzession überhaupt auf den Erben übergehen könne.139 Lediglich auf diese Weise sei sichergestellt, dass die Existenz der Obligation nicht ebenso prekär und ungewiss werde wie die Existenz der sie begründenden Rechtssubjekte.140 Die Obligation sei also „die Herrschaft über einen in einem fremden Vermögen befindlichen Sachwerth“.141 Sie begründe eine ideelle Macht, die durch die Verbringung des Sachwerts in das Vermögen des Gläubigers realisiert werden könne.142 Dieser Auffassung ist zuzugeben, dass der Gläubiger grundsätzlich über keinerlei Möglichkeit verfügt, die Handlung des Schuldners zu erzwingen.143 Allerdings liegt der Herleitung Koeppens die Prämisse zugrunde, dass – wenn die Obligation auf eine Handlung gerichtet wäre – es immer nur um die höchstpersönliche Handlung des Schuldners gehe. Eine Prämisse, die die Handlung immer untrennbar mit der Person des Schuldners verknüpft und bei der somit nicht ausreichend zwischen vertretbaren Handlungen und unvertretbaren Handlungen differenziert wird.144

b)  Die Handlung als zentrales Element Eine Vielzahl von Stimmen sieht hingegen in der vorzunehmenden Handlung den Inhalt der Obligation.145 Auch wenn hier von einem handlungsbefreiten Obligationsbegriff ausgegangen wird,146 soll diese Ansicht aus folgendem Grund kurz dargestellt werden: Denn selbst bei einem handlungsbefreiten Obligationsverständnis stellt die (schuldnerische) Handlung die naheliegendste 138 

Koeppen, a. a. O., S. 15. Koeppen, a. a. O., S. 13. Koeppen, a. a. O., S. 13. 141  Demelius, Untersuchungen aus dem römischen Civilrechte, Bd. 1, 1856, S. 158. 142  Demelius, a. a. O., S. 158. 143  Ausführlich oben unter II. 3. (S. 19 ff.), insb. bei Fn. 94 ff. 144  Insofern wird jedoch sowohl bei der rechtsgeschäftlichen als auch der gesetzlichen Übertragung von Schuld bzw. Verpflichtung sehr wohl zwischen vertretbaren und nichtvertretbaren Handlungen unterschieden, vgl. nur zur Schuldübernahme MüKoBGB/Heinemeyer, 8. Aufl. 2019, § 414 Rn. 1; zum Eintritt des Erwerbers in das Mietverhältnis zwischen Mieter und Veräußerer MüKoBGB/Häublein, 8. Aufl. 2020, § 566 BGB Rn. 38; zur Vererblichkeit bzw. Unvererblichkeit schuldvertraglicher Rechtsverhältnisse bei besonderer Personenbezogenheit, MüKoBGB/Leipold, 8. Aufl. 2020, § 1922 Rn. 28 ff. 145  Hierzu etwa Savigny, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen römischen Rechts, Bd. 1, 1851, S. 4 ff.; Ziebarth, Die Realexeuction und die Obligation, 1866, S. 24 ff; aus neuerer Zeit bspw. Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 95 ff.; vgl. auch Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969, S. 205 ff.; ferner in diese Richtung Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 194 ff. 146  Vgl. oben unter II. 3. (S. 19 ff.). 139  140 



III.  Die Gebundenheit des Vermögens zur Erfüllung der Obligation

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und wichtigste Form der Erfüllung des Obligationszwecks und damit der Obligation selbst dar.147 Es ist somit denkbar, dass die Obligation zumindest primär der Erzwingung einer Handlung dienen soll. In seiner Untersuchung über die Rechtsnatur der Forderung kommt Hoffmann148 zu dem Schluss, dass das Forderungsrecht dem Gläubiger ein beschränktes Herrschaftsrecht über den Schuldner einräume.149 Dabei stützt Hoffmann diese These im Wesentlichen auf drei Argumente: Zunächst führt er an, dass die durch Eigentum gewährte Herrschaftsmacht über eine Sache und die in der Forderung verkörperte Herrschaftsmacht über die Person des Schuldners in qualitativer Hinsicht gleichwertig seien, da die Rechtsordnung beide Herrschaftsverhältnisse anerkenne.150 Zweitens verfolge die Rechtsordnung bei der Anerkennung und ggf. zwangsweisen Durchsetzung der Verpflichtung des Schuldners keinen Selbstzweck, sondern diene damit letztlich allein der Anerkennung und Verwirklichung der Freiheitsposition des Gläubigers.151 Denn nach der Theorie der Rechtszuweisungsordnung liege es grundsätzlich in der Willkür des Gläubigers, ob er sein Substanzrecht verwirklichen möchte oder nicht, denn schließlich sei es der Gläubiger und nicht die Rechtsordnung, der den Schuldner in die Pflicht nehme.152 Drittens verkomme, wenn nicht der Schuldner als Objekt der Forderung angesehen werde, die Forderung zu einem objektlosen Substanzrecht, da die Leistungspflicht des Schuldners und die Erwerbsaussicht des Gläubigers die Natur der Forderung nicht vollständig erfassten.153 Bei einer objektlosen Forderung würde die Schuld zu einer bloßen Vermögenshaftung herabgestuft.154 Diese Argumentation sieht sich jedoch mehreren Einwänden ausgesetzt. So ist bereits zweifelhaft, ob die Herrschaftsmacht über eine Sache und die Herrschaftsmacht über die Person des Schuldners im Sinne Hoffmanns wirklich als qualitativ gleichwertig bezeichnet werden können. Denn während § 227 BGB dem Eigentümer erhebliche Abwehrmöglichkeiten gegen Angriffe auf sein Ei147  Dies anerkennt auch Hartmann, Die Obligation, 1875, S. 162, 163, 166 und weitere; ferner Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung, 2015, S. 20 ff.; ausführlich unten unter 2. (S. 37 ff.). 148  Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 95 ff. Für die Frage des Inhalts der Obligation kann dahinstehen, inwiefern sich der Forderungsbegriff Hoffmanns mit dem hiesigen Obligationsbegriff überschneidet. Beiden ist gemein, dass sie sich nicht mit dem Anspruch gleichsetzen lassen (oben unter II.  3. [S. 19 ff.] und Hoffmann, a. a. O., S. 107 ff.), vielmehr beide Begriffe als Substanzrechte aufgefasst werden können, die durch rechtsverwirklichende und rechtsfortsetzende Schutzrechte verwirklicht werden (oben unter II. 1. [S. 12 ff.] und Hoffmann, a. a. O., S. 56 ff.). 149  Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 99. 150  Hoffmann, a. a. O., S. 99. 151  Hoffmann, a. a. O., S. 98. 152  Hoffmann, a. a. O., S. 98 f. 153  Hoffmann, a. a. O., S. 98 m. w. Nachw. auch zur anderen Auffassung. 154  Hoffmann, a. a. O., S. 98; vgl. bereits Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Schranke privater Gestaltungsmacht, 2004, S. 25 f. und insb. Fn. 18.

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Teil 1 – A.  Die Obligation – ein überholter Rechtsbegriff?

gentum einräumt, stecken die §§ 229 ff. BGB den Rahmen des rechtlich Zulässigen für den Gläubiger viel enger. So darf der Gläubiger die geschuldete Sache bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 229 BGB dem Schuldner zwar wegnehmen. Der Gläubiger muss jedoch gemäß § 230 Abs. 2 BGB in jedem Fall entweder die Zwangsvollstreckung erwirken oder den dinglichen Arrest beantragen. Die Selbsthilfe dient also grundsätzlich nur der vorläufigen Anspruchssicherung.155 § 227 BGB bezweckt hingegen nicht nur den Schutz des bedrohten Rechtsguts, sondern daneben auch die Erhaltung und Bewährung der Rechtsordnung im Ganzen.156 Während der Eigentümer den Angreifer im Extremfall mit Mitteln abwehren darf, die schließlich zum Tod des Angreifers führen,157 darf der Gläubiger den Schuldner bzw. die geschuldete Sache allenfalls vorübergehend festhalten bzw. wegnehmen. Von einer qualitativ gleichwertigen Herrschaftsmacht des Eigentümers einerseits und des Gläubigers andererseits kann also keine Rede sein. Dieses erste Argument und insbesondere die Doppelfunktion des § 227 BGB führen zu dem zweiten Argument gegen die Auffassung Hoffmanns. Entgegen seiner Ansicht158 dient das Privatrecht gerade nicht allein der Rechtszuweisung, sondern auch dem Institutionenschutz. Zuzustimmen ist Hoffmann gewiss darin, dass die Rechtszuweisung bzw. der Individualschutz die wichtigste Funktion des Privatrechts darstellt. Zustimmung verdient ebenfalls seine Rezeption der Ansicht Canaris, wonach der Institutionenschutz wiederum kein Selbstzweck ist, sondern dem Individualschutz dient.159 Ein Abstellen allein auf die Rechtszuweisung ließe jedoch Fragen des Institutionenschutzes bzw. des Individualschutzes anderer Rechtssubjekte außer Acht. Sofern Hoffmann in diesem Zusammenhang anführt, dass ein dualistischer Ansatz nicht in der Lage sei, eine klare, den Anforderungen der Rechtssicherheit genügende Konzeption des Bürgerlichen Rechts zu schaffen,160 ist dem entgegenzuhalten, dass eine bedächtige und gerechte Konzeption des Bürgerlichen Rechts, die eben die Interessen mehrerer Rechtssubjekte in den Blick nimmt und versucht, diese in Ausgleich zu bringen, nicht zugunsten einer „klaren“ geopfert werden darf. Daher sind immer auch die Rechte des Schuldners mit in den Blick zu nehmen, 155 Anstatt vieler MüKoBGB/Grothe, 8. Aufl. 2018, § 230 Rn. 2; BeckOK-BGB/Dennhardt, Stand 1.5.2020, § 230 Rn. 2; zustimmend BeckOGK-BGB/Rövekamp, Stand 1.6.2020, § 230 Rn. 7. 156 Zur sog. dualistischen Lehre BeckOGK-BGB/Rövekamp, Stand 1.6.2020, §  227 Rn. 10; BeckOK-BGB/Dennhardt, Stand 1.5.2020, § 227 Rn. 2; MüKoBGB/Grothe, 8. Aufl. 2018, § 227 Rn. 1. 157  Vgl. zu dieser Frage für die ganz h. M. MüKoBGB/Grothe, 8. Aufl. 2018, § 227 Rn. 17 u. 20. 158  Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 35 ff. u. insb. 48. 159  Canaris, FS Larenz, 1983, S. 27 (46) m. w. Nachw.; dazu Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 47. 160  Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 48.



III.  Die Gebundenheit des Vermögens zur Erfüllung der Obligation

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unabhängig davon, ob dies im Namen des Institutionenschutzes, des staatlichen Gewaltmonopols oder der Grundrechte erfolgt. Denn natürlich schützt die Rechtsordnung auch die Würde, den freien Willen und die Privatautonomie des Schuldners. Gewiss wird die Freiheit des Gläubigers durch ein Forderungsrecht erweitert, gleichzeitig wird die (finanzielle) Freiheit des Gläubigers aber auch eingeschränkt, da er sich durch das Rechtsgeschäft an den Schuldner bindet und von diesem Erfüllung erwartet. Ebenso kann die Freiheit des Gläubigers durch Mitwirkungs- oder Abnahmepflichten eingeschränkt sein. Letztlich bezieht sich die vorgebrachte Willkür des Gläubigers wegen der Grenzen des Zwangsvollstreckungsrechts immer nur auf das Vermögen des Schuldners und nicht auf dessen Handlungen, da diese immer dem freien Willen des Schuldners unterliegen und somit nicht erzwungen werden können.161 Wenn die Rechtsordnung die Verpflichtung des Schuldners zwangsweise durchsetzt, kann sie niemals die Handlung des Schuldners zwangsweise herbeiführen, sondern allenfalls das Ergebnis der Handlung. Das Objekt der Forderung ist also gerade nicht die Person des Schuldners bzw. dessen Handlung, sondern immer nur sein Vermögen. Auch wird die Schuld entgegen Hoffmann dadurch nicht zur bloßen Vermögenshaftung herabgestuft, da die freiwillige Erfüllung der Obligation immer die reinste Form der Schuldbegleichung darstellt.162 Zuzugeben ist zwar, dass das Objekt der Forderung schwer zu erfassen ist. Dies liegt jedoch an der durch die Privatautonomie gewährleisteten Vielfalt schuldrechtlicher Beziehungen. Allein wegen dieser Schwierigkeit auf den Schuldner als Forderungsobjekt zurückzugreifen, gleicht jedoch einer Kapitulation. Auch Savigny zufolge besteht die Obligation in der Herrschaft zumindest über einzelne Handlungen des Schuldners.163 Die Obligation mache aus den zufälligen und ungewissen (weil seiner Willensfreiheit unterliegenden) künftigen Handlungen des Schuldners notwendige und gewisse Ereignisse.164 Der Zweck der Obligation sei, dass der Gläubiger mit dem Eintritt dieser Ereignisse mit Sicherheit rechnen kann.165 Allerdings seien lediglich geldwerte Handlungen wie die Lieferung einer Sache fähig, erzwungen zu werden, da nur sie einen „äußerlichen Charakter“ annehmen können, was Voraussetzung für die Unterwerfung unter einen fremden Willen sei.166 Bemerkenswert an der späteren Rezeption 161  162 

Dazu bereits oben unter II. 3. (S. 19 ff.). Vgl. dazu Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung, 2015, S. 20 ff. und unten unter 2. (S. 37 ff.). 163  Savigny, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen römischen Rechts, Bd. 1, 1851, S. 4.; gegen eine solche Aufteilung der schuldnerischen Handlung Ost, Die Zuordnung als Kriterium des subjektiven Rechts, 1965, S. 116 f.; Larenz, Schuldrecht  I AT, 14. Aufl. 1987, § 2  II, S. 16 f. 164  Savigny, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen römischen Rechts, Bd. 1, 1851, S. 8 f. 165  Savigny, a. a. O., S. 9. 166  Savigny, a. a. O., S. 9.

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Teil 1 – A.  Die Obligation – ein überholter Rechtsbegriff?

dieser Ausführungen Savignys ist, dass Savigny keineswegs nur die Handlung als rein höchstpersönliches Verhalten des Schuldners im Blick hatte. So führt Savigny am Ende des Abschnitts über den Begriff der Obligation aus:167 „Die Handlung, welche den Gegenstand der Obligation bildet, wird noch mit einigen besonderen Ausdrücken bezeichnet. Wir nennen sie bald Leistung, bald Erfüllung. Der erste Ausdruck bezieht sich vorzugsweise auf die dem Schuldner obliegende Thätigkeit; der zweite vorzugsweise auf den Zustand, der durch die Obligation hervorgebracht werden soll, und dessen Nothwendigkeit und Gewißheit als der Zweck der Obligation zu betrachten ist.“

Demnach war bereits Savignys Verständnis des Terminus „Handlung“ nicht eindeutig. Es ist erkennbar, dass es Savigny eben nicht nur um ein bestimmtes Verhalten des Schuldners, sondern eben auch um ein bestimmtes Bekommensollen – in Form der Erreichung eines Zustandes – des Gläubigers ging.168 Der Auffassung Savignys wurde jedoch nicht zuletzt entgegengehalten, dass – wenn nur geldwerte Handlungen erzwingbar seien – gleich auf den Wert der Handlung abgestellt werden könne.169 Ziebarth wählt wegen der gegen Savigny hervorgebrachten Kritik170 einen anderen Ansatz und bestimmt die sittliche Pflicht des Schuldners, sein Wort zu halten, als entscheidendes Argument.171 Es sei nicht wahr, dass die „lebendigen Handlungen in ihrer unendlichen Mannigfaltigkeit vor dem Recht zu todten Geldwerthen erstarren oder zu farblosen Zahlungen verblassen“.172 Ziebarth zufolge kann kein Verhältnis zwischen Personen seine volle und echte Erfüllung durch Geld erlangen, erforderlich hierfür sei vielmehr die Erfüllung der sittlichen und rechtlichen Bande.173 Sobald der Schuldner nicht freiwillig erfülle, begründe dies einen Treuebruch, den kein Geld der Welt ungeschehen machen könne.174 Außerdem verweist Ziebarth völlig zutreffend auf die Möglichkeit, den Willen des Schuldners zu beugen, da der Wille zwar grundsätzlich frei aber dennoch „kein unberechenbarer Zufall, sondern das Resultat einer Summe von Anreizen“ sei.175 Auch in den heutigen Vorschriften der ZPO findet sich in § 888 Abs. 1 ZPO gerade für die Fälle der unvertretbaren Handlungen eine Möglichkeit der „Erzwingung“, so dass eine Handlung als Inhalt der Obligation entgegen der Ansicht Koeppens nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint. 167  168 

Savigny, a. a. O., S. 9. Näher zu dieser Möglichkeit unten unter d) (S. 36 f.). 169  Ziebarth, Die Realexecution und die Obligation, 1866, S. 27. 170  Ziebarth, a. a. O., S. 27. 171  Ziebarth, a. a. O., S. 33. 172  Ziebarth, a. a. O., S. 33. 173  Ziebarth, a. a. O., S. 33. 174  Ziebarth, a. a. O., S. 31 und 33. 175  Ziebarth, a. a. O., S. 29 ff.; ebenso und dabei von einem relativen Zwang sprechend Hartmann, Die Obligation, 1875, S. 32 f.



III.  Die Gebundenheit des Vermögens zur Erfüllung der Obligation

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c)  Das Recht auf Macht Einer anderen Ansicht176 zufolge soll gerade nicht die Handlung Inhalt der Obligation sein, sondern vielmehr ein Recht auf Macht. Dies wird damit begründet, dass die Handlung ein nur vorübergehender Zustand sei, über den eine Herrschaft gerade wegen seiner Flüchtigkeit nicht möglich sein könne.177 Nach Brinz gehe es vielmehr um die Macht, eine fremde Person zu bestimmten einzelnen Handlungen zu bewegen.178 Dabei meint Brinz jedoch zu erkennen, dass eine Handlung niemals „notwendig“ im Sinne Savignys bzw. Ziebarths sein kann179 – letztlich bleibe die Handlung immer ein flüchtiger Zustand, dessen Eintritt dem Willen des Schuldners unterlegen sei. Die Obligation verleihe aber zumindest eine physische Macht, welche regelmäßig – wenn schon nicht die Erfüllung der geschuldeten Handlung – so doch wenigstens die Erfüllung der Obligation zur Folge habe.180 Allerdings sei die Obligation nicht selbst diese Macht, denn der Gläubiger habe zwar immer das Recht auf Erreichung des Obligationszwecks, allerdings könne dessen Verwirklichung aus faktischen Gründen ausgeschlossen sein.181 Letztlich stellt sich nach Brinz lediglich die Frage des „physischen Könnens“, ob die Obligation also faktisch verwirklicht werden kann.182 Die Existenz des Rechts sei hingegen davon unabhängig.183 Bei seinen Ausführungen scheint Brinz aus heutiger Sicht zwei Dinge nicht ausreichend zu würdigen: zunächst ist die Ausübung der Macht und damit die Erfüllung des Obligationszwecks keine reine „questio facti“, vielmehr kann die Macht auch aus rechtlichen/normativen Wertungen eingeschränkt werden.184 Für hiesige Untersuchung allerdings viel bedeutender ist der Umstand, dass Brinz in seinen Ausführungen nicht ausreichend zwischen der Obligation, als den das Recht dogmatisch begründenden Tatbestand,185 dem Anspruch, als dem Recht, ein Tun oder Unterlassen zu fordern186, und der Macht, als der (vollstreckungsrechtlichen) Frage, ob der Anspruch durch Zwang realisiert werden kann, differenziert. 176 

So insb. Brinz, Kritische Blätter civilistischen Inhalts, Nr. 3, 1853, S. 3 f. Brinz, a. a. O., S. 4. Brinz, a. a. O., S. 5. 179  Brinz, a. a. O., S. 6. 180  Brinz, a. a. O., S. 6. 181  Brinz, a. a. O., S. 6. 182  Brinz, a. a. O., S. 8. 183  Brinz, a. a. O., S. 8. 184  Zum Beispiel soll mit § 888 Abs. 3 ZPO Zwangsarbeit verhindert und so die Menschenwürde des Schuldners gewahrt werden, BAG, Urt. v. 5.2.2009 – 6 AZR 110/08 = NZA 2009, 1215 (1216); in diese Richtung auch MüKoZPO/Gruber, 5. Aufl. 2016, § 888 Rn. 1; a. A. wohl BeckOK-ZPO/Stürner, Stand 1.3.2020, § 888 Rn. 8: „Der höchstpersönliche Charakter dieser Leistungen im Zusammenhang mit der auf eine gewisse Dauer angelegten Verpflichtung würde den Erfolg einer darauf gerichteten Zwangsvollstreckung zweifelhaft erscheinen lassen.“ 185  An sich wird das Recht durch den Vertrag begründet. 186  Vgl. den Wortlaut des § 194 Abs. 1 BGB. 177  178 

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Teil 1 – A.  Die Obligation – ein überholter Rechtsbegriff?

Bemerkenswert an seiner Lehre ist jedoch, dass Brinz offenbar davon ausging, dass der Obligationszweck unabhängig von der Frage der faktischen Realisierbarkeit fortbestehen solle. Dieser Ansatz erinnert nur auf den ersten Blick an die „perpetuatur obligatio“187: nach Brinz besteht die Obligation fort, bis sie verwirklicht wurde und zwar unabhängig jeglicher Fiktion. Zudem dient die Obligation nur der Erfüllung ihres Zweckes und nicht wie bei der „perpetuatur obligatio“ zur Konstruktion einer Schadensersatzzahlung. Nach oben dargelegter Definition188 soll unter dem Inhalt der Obligation dasjenige zu verstehen sein, was durch die Obligation erzwungen werden kann. Mit der Obligation wird jedoch nicht das Recht auf Macht erzwungen, sondern lediglich die Erfüllung des der Obligation zugrunde liegenden Zweckes.

d)  Die Realisierung bzw. Aufrechterhaltung eines Zustands Nach Jakobs ist Leistung als die Überwindung von Hindernissen zu definieren, so dass die Handlung als positives Tun beispielsweise ein Überwinden auch äußerer Umstände darstelle, welches der Veränderung der gegebenen Wirklichkeit, der Umstände oder Verhältnisse diene.189 Es geht demnach darum, das Ziel, welches dem der Obligation zugrunde liegendem Rechtsgeschäft entnommen werden kann, zu verwirklichen und dadurch die Vorstellungen, die die Parteien bei Vertragsschluss hinsichtlich des Ergebnisses hatten, zu realisieren. In den bereits zitierten Worten Savignys ist Gegenstand der Obligation die Erfüllung, und diese beziehe sich auf „den Zustand, der durch die Obligation hervorgebracht werden soll, und dessen Nothwendigkeit und Gewißheit als der Zweck der Obligation zu betrachten ist.“190 Zusammenfassend lässt sich der Inhalt der Obligation als Realisierung bzw. Aufrechterhaltung eines Zustands verstehen, je nachdem, ob der intendierte Zustand vom status quo des Vertragsschlusses abweichen (Realisierung neuer Verhältnisse), oder aber gerade dieser status quo aufrecht erhalten werden soll (Aufrechterhaltung bestehender Verhältnisse).191 Bei einem Kaufvertrag soll bspw. der Käufer neuer Eigentümer und Besitzer der Kaufsache werden. Bei einem Dienstvertrag sollen durch die Handlung des Schuldners die Zustände bzw. Verhältnisse geändert werden – dadurch, dass die Diensthandlung vorgenommen wird, entsprechen die Verhältnisse nicht mehr den vorherigen, es werden neue Verhältnisse 187 

Oben unter I. (S. 9 ff.) vor und mit Fn. 17. Oben vor und mit Teil 1 Fn. 132. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969, S. 206 f. 190  Savigny, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen römischen Rechts, Bd. 1, 1851, S. 9; zum Kontext auch oben unter b) (S. 30 ff.) nach Fn. 167. 191  Vgl. die Formulierung im Gesetzgebungsverfahren zum Inhalt gesetzlicher Obligationen, Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse I, 1978, S. 42: „[…] das Gesetz, welches im Allgemeinen und als Regel die Her- oder Wiederherstellung eines Zustandes oder Verhältnisses anordne […]“. 188  189 



III.  Die Gebundenheit des Vermögens zur Erfüllung der Obligation

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realisiert, unabhängig davon, ob der mit der Diensthandlung weiter verfolgte Zweck – wie bspw. die Genesung des Patienten – auch wirklich eingetreten ist. Eine solche Sichtweise wird dem oben festgelegten Obligationsbegriff gänzlich gerecht. Zum einen, weil demnach die Handlung des Schuldners auch für den Inhalt der Obligation keine Rolle spielt. Zum anderen, weil gerade die Realisierung neuer bzw. die Aufrechterhaltung bestehender Verhältnisse den Obligationszweck erfüllt. Ob der Käufer unmittelbar durch eine Handlung des Schuldners oder mittelbar auf dessen Veranlassung oder durch staatliche Hilfe oder auf andere Weise Eigentümer und Besitzer der Kaufsache wird, ist für die Erfüllung des durch das Rechtsgeschäft bestimmten und individualisierbaren Obligationszwecks nicht weiter relevant. Nichts anderes gilt für die bereits von Hartmann aufgezeigte Sonderkonstellation,192 in der das Interesse des Gläubigers auf eine nur vom Schuldner vornehmbare Handlung gerichtet ist: Auch in diesem Fall ist der Inhalt der Obligation auf die Realisierung bzw. Aufrechterhaltung eines Zustands gerichtet, und die Besonderheit besteht allein darin, dass die geschuldeten Verhältnisse lediglich durch eine Handlung des Schuldners herbeigeführt werden können. Der mehr oder weniger zufällige Umstand, dass diese Verhältnisse im Einzelfall lediglich auf eine einzige Weise erreicht werden können, zwingt jedoch keineswegs dazu, den Obligationsbegriff anzupassen. Insgesamt bleibt also festzuhalten: die Obligation ist das Bekommensollen des Gläubigers, das auf die Befriedigung eines bestimmten Interesses gerichtet ist. Die Befriedigung des Interesses wird durch die Realisierung bzw. Aufrechterhaltung eines Zustands erreicht. Mit anderen Worten: Der Inhalt der Obligation ist auf die Herstellung des vorausbestimmten Zweckerfolges gerichtet.193 Dies wirft jedoch die Frage auf, bis zu welchem Ausmaß die von der Obligation erfasste Vermögensmasse für die Realisierung der neuen bzw. die Aufrechterhaltung der bestehenden Verhältnisse herangezogen werden kann.

2.  Die Intensität der Gebundenheit der schuldnerischen Vermögensmasse Wie oben bereits festgestellt, richtet sich die Obligation auf die Erfüllung des Gläubigerinteresses aus einer bestimmten Vermögensmasse – zunächst und regelmäßig aus dem Vermögen des ursprünglichen Schuldners. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob die gebundene Vermögensmasse immer vollständig der Erfüllung der Obligation dienen soll, oder ob es nicht vielmehr Grenzen für das Ausmaß der Gebundenheit geben muss. Sollte die Obligation nicht absolut gelten und insbesondere nicht alle Obligationen gleich „stark“ sein, so wären Fak192  Oben unter II.  3. (S. 19 ff.) vor und mit Fn. 91. Selbiges gilt grundsätzlich auch für einen Anspruch auf Unterlassen, welcher regelmäßig nur vom Schuldner zu erfüllen ist. 193  So auch Hartmann, Die Obligation, 1875, S. 161.

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toren zu bestimmen, die Einfluss auf die Grenzen der Obligation, d. h. auf deren „Stärke“ bzw. „Intensität“194 haben. Aus einer schuldnerfreundlichen Perspektive heraus erscheint es denkbar, die Intensität der Obligation als so gering wie möglich anzusetzen. In Betracht kommt, die Bewirkung des Leistungserfolges mit einem prinzipiell begrenzten Leistungsaufwand als Gegenstand der Obligation anzusehen.195 Sollte sich dieser begrenzte Leistungsaufwand als von Anfang an oder wegen sich später verändernder Umstände als ungenügend erweisen, wäre die Obligation unerreichbar und somit hinfällig. Diese Ansicht nimmt für sich in Anspruch, dem Willen der Parteien bei Vertragsschluss und damit zugleich dem Prinzip der Parteiautonomie gerecht zu werden.196 Der gewissermaßen diametral hierzu ansetzende, gläubigerfreundliche Ausgangspunkt ist ein rein erfolgsorientiertes Bekommensollen, bei dem es lediglich um die Erreichung des Zwecks der Obligation geht, d. h. um die Erfüllung des Gläubigerinteresses unabhängig von dem damit verbundenen Aufwand.197 Als vermittelnder Ansatz verbleibt schließlich noch eine dynamische Betrachtung der Intensität der Obligation. Wie stark das schuldnerische Aktivvermögen für die Erreichung des Obligationszwecks gebunden wird und insbesondere durch welche Ausprägungen, wäre abhängig von den tatsächlichen und rechtlichen Umständen. Als Maßstäbe für die Bestimmung der Gebundenheit käme beispielsweise in Betracht, ob dem Schuldner eine Leistungserschwerung zuzurechnen ist198 oder wie sich jemand bei Anwendung der diligens pater familias199 in der konkreten Situation verhalten würde. Mittels dieser dynamischen Betrachtung kann die Intensität der Obligation sehr unterschiedlich ausfallen, so dass je nach Einzelfall der Obligationszweck schlechthin zu erreichen ist oder aber es lediglich dasjenige zu tun gilt, was nach redlicher Überlegung und nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles geboten scheint.200 Der weiteren Untersuchung wird aus folgenden Gründen ein erfolgsorientiertes Bekommensollen zu Grunde gelegt: Nach hiesigem Verständnis ist die Obligation am Interesse des Gläubigers ausgerichtet und bestimmt sich folglich aus dessen Perspektive. Der Blick des Gläubigers ist jedoch gerade auf die 194  Vgl. zu den diesbezüglich mannigfaltigen Formulierungen Hartmanns und der darin liegenden Schwäche seiner Lehre Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969, S. 201 ff. 195  In diese Richtung Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 198 ff., wobei dessen Verständnis des Begriffs „Gegenstand der Obligation“ nicht dem hiesigen entsprechen dürfte. 196 Vgl. Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 139 ff. 197  Zumindest für Fälle, in denen die Obligation auf die Mehrung des Vermögens des Gläubigers gerichtet ist Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006, S. 84 ff. u. 90 ff. 198 So Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969, S. 205 ff. 199  Vgl. etwa Hartmann, Die Obligation, 1875, S. 198. 200  Hartmann, Die Obligation, 1875, S. 162.



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Realisierung des vertraglich vereinbarten Ziels gerichtet. Zumal die Umstände des Einzelfalles sachgerechter bei der zusätzlichen Beachtung des Schuldnerinteresses, insbesondere bei der Bestimmung des zu erbringenden Leistungsaufwands und der Anwendung des § 275 BGB berücksichtigt werden können. Ob bei der Abwicklung des Schuldverhältnisses das schuldnerische Vermögen dann tatsächlich als Ganzes, teilweise oder überhaupt nicht beansprucht wird, ist also zu einem späteren Zeitpunkt zu beantworten. Auch die Historie des BGB lässt darauf schließen, dass im Ausgangspunkt das Aktivvermögen des Schuldners zumindest in der Regel als Ganzes gebunden wird.201 Mit anderen Worten: Sobald feststeht, dass der Schuldner für etwas einzustehen hat, erfasst diese Einstandspflicht grundsätzlich sein gesamtes Vermögen. Damit wird jedoch keineswegs der Frage vorweggegriffen, ob der Schuldner etwa für ein Leistungshindernis überhaupt einzustehen hat oder seine Leistungspflicht überhaupt die Vornahme einer bestimmten Handlung erfasst.202 Diese Annahme der im Ausgangspunkt unbegrenzten Einstandspflicht scheint beispielsweise § 275 Abs. 2 BGB zugrunde zu liegen, der zunächst einmal davon ausgeht, dass der Schuldner alles Erforderliche tun muss, um ein Leistungshindernis zu überwinden.203 Die Rechtsfolge des § 275 Abs. 2 BGB tritt nach h. M. erst dann ein, wenn der Leistungsaufwand in einem groben Missverhältnis zum Gläubigerinteresse steht. Ob der Leistungsaufwand bei Nichtvorliegen eines groben Missverhältnisses für den Schuldner überhaupt finanziell zu erbringen ist, spielt für die Anwendung des § 275 Abs. 2 BGB hingegen gerade keine Rolle.204 Das grundsätzliche Einstehenmüssen des Schuldners mit seinem gesamten Ver201  v. Kübel, Schuldrecht Teil 1, 1876–1883, S. 10: „Das Schuldverhältniß ergreift an sich das ganze Vermögen des Verpflichteten; er haftet mit Allem, was er hat […]“: es stelle sich also allein die Frage, ob der Schuldner seine Haftung auf einen Teil seines Vermögens begrenzen könne; diese Frage wurde vom historischen BGB-Gesetzgeber nicht beantwortet, sondern der Wissenschaft überlassen, Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse I, 1978, S. 43; auch der Gesetzgeber ging folglich von einer grundsätzlich unbegrenzten Bindung des schuldnerischen Vermögens aus. 202  Am Beispiel des Kaufs konkretisiert: Die genannten Ausführungen erübrigen keineswegs die Frage, ob bei einem Kauf eine Abgabe- oder eine Verschaffungsschuld vorliegt, vgl. hierzu Heck, Grundriß des Schuldrechts, 1929, S. 28 ff. u. insb. S. 85 ff. Es geht lediglich um die davon abzugrenzende Frage, womit der Schuldner für die Erfüllung der Abgabe- bzw. der Verschaffungsschuld einzustehen hat. 203  Vgl. bereits Gsell, Beschaffungsnotwendigkeit und Leistungspflicht, 1998, S. 19: Ausgehend vom Grundsatz pacta sunt servanda und aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hat der Schuldner für seine Verpflichtungen zunächst unbegrenzt einzustehen. Steht die Verpflichtung des Schuldners fest, wird dieser Grundsatz allerdings sodann an zahlreichen Stellen des Leistungsstörungsrechts relativiert, insbesondere in den Fällen des § 275 Abs. 2, Abs. 3 BGB; vgl. zum Grundsatz der unbeschränkten Vermögenshaftung auch Larenz, Schuldrecht I AT, 14. Aufl. 1987, § 2 IV, S. 22 ff. 204  BT-Drs. 14/6040, S. 130; vgl. ferner die Rechtsprechung zur Betriebspflicht trotz Unwirtschaftlichkeit und Leistungsunfähigkeit des Pächters oder Mieters, etwa OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2003 – I-10 U 69/03 = ZMR 2004, 508; OLG Celle, Beschl. v. 3.7.2007 – 2 W 56/07 = NJW-RR 2008, 168; anders sofern ersichtlich allein LG Köln, Urt. v. 28.12.2004 –

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mögen ergibt sich für Geldschulden zudem unmittelbar aus dem Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung.205 Eine Anwendung des Prinzips der unbeschränkten Vermögenshaftung auf die Obligation als Ganzes, d. h. unabhängig vom Gegenstand ihrer Naturalerfüllung, setzt allerdings voraus, dass die Obligation nicht nur durch Naturalerfüllung, sondern auch durch Geldzahlung erfüllt werden kann und keine Gründe bestehen, das Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung nur auf Geldschulden anzuwenden.206 Es bleibt festzuhalten, dass der Schuldner mit Begründung der Obligation grundsätzlich sein gesamtes Vermögen an die Erfüllung des Obligationszwecks bindet. Zumindest muss dies gelten, wenn die Erfüllung des Gläubigerinteresses nicht nur in Natur, sondern auch durch Geldzahlung erfolgen kann. Das Verhältnis von Naturalerfüllung zu anderen Erfüllungsformen soll daher im nächsten Schritt untersucht werden.

3.  Die Realisierung bzw. Aufrechterhaltung eines Zustands durch Geldzahlung – die Einheitlichkeit der Obligation Nach den bisherigen Ausführungen beschreibt die Obligation das Bekommensollen des Gläubigers in Form der Realisierung bzw. Aufrechterhaltung eines Zustands unter Rückgriff auf das gesamte schuldnerische Vermögen. Dies wirft die Frage auf, ob jene Aufrechterhaltung nur durch Naturalerfüllung oder auch durch eine Geldzahlung herbeigeführt werden kann. Allgemein dürfte die Frage des Verhältnisses von Naturalerfüllung zu Geldzahlung zu einer der wichtigsten Fragen des Schuldrechts gehören.207 Die wohl herrschende Meinung geht von dem Prinzip der Einheit der Obligation aus.208 Die Verbindlichkeit des Schuldners habe als doppelten Inhalt die Erfüllung in Natur und zugleich die Geldleistung.209 Diese Einheitlichkeit der Obligation finde Ausdruck in § 767 Abs. 1 S. 2 BGB und § 1210 Abs. 1 S. 1 BGB als ein für alle akzessorische Sicherungsrechte geltender allgemeiner Gedan87 O 109/04 = NZM 2005, 621; wie hier anstatt vieler MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, § 275 Rn. 100 m. w. Nachw. 205  Zum Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung und dessen Verhältnis zum Leistenmüssen bei Geldschulden Kähler, AcP 206 (2006), 805, 821 ff.; ferner Medicus, AcP 188 (1988), 489, 508 ff. zu den Folgen eines leistungshindernden Geldmangels auf die Erbringung von Schulden, die nicht auf Geld gerichtet sind. 206  Hierzu sogleich unter III. 3. (S. 40 ff.). 207  Und gilt dies insb. nicht nur für das deutsche Recht wie die Ausführungen zur Debatte in der französischen Rechtswissenschaft zeigen werden, vgl. unten Teil 2 C. (S. 213 ff.). 208  So etwa Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006, S. 8 ff. m. w.  Nachw.; im Ergebnis ebenso, allerdings mit anderer Terminologie Stoll, JZ 2001, 589 (590); ferner Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung, 2015, S. 17 f. mit der Bezeichnung als sog. monistische Lehre; HKK-BGB/Dorn, 2007, § 241 Rn. 41 ff. m. zahlreichen w. Nachw. auch zur Entwicklung der h. M. 209  Stoll, JZ 2001, 589 (590); C. Knütel, JR 2001, 353 (354); R. Knütel, NJW 2001, 2519 (2520); Zimmer, NJW 2002, 1 (2) m. w. Nachw.



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ke: muss der Hauptschuldner, etwa wegen schuldhafter Herbeiführung der Unmöglichkeit, statt der Leistung in Natur nunmehr eine Geldleistung erbringen, handelt es sich nach dem diesen Normen zugrundeliegendem Verständnis nicht um eine neue Verbindlichkeit, sondern lediglich um eine Änderung der Hauptverbindlichkeit.210 Historisch sei das Prinzip der Einheit der Obligation auf das römische Recht zurückzuführen, genauer auf das Prinzip der condemnatio pecuniaria.211 Naturalerfüllung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung seien folglich nur zwei verschiedene Aspekte des einheitlichen Forderungsrechts.212 Allerdings lassen sich der uneingeschränkten Gleichsetzung von Naturalerfüllung und Geldzahlung erhebliche Einwände entgegenhalten. So wurde bereits die Auffassung Ziebarths angeführt, wonach der Wert nicht Inhalt der Obligation sein könne, weil ohne freiwillige Leistung des Schuldners ein Treuebruch vorliege, den kein Geld der Welt ungeschehen machen könne.213 Nirgends werde anerkannt, dass der Schuldner seine Schuld genauso gut in Geld erbringen könne, dass Geld ein vollkommenes Äquivalent der Handlung sei, dass dem Gläubiger vollkommen Genüge getan werde, wenn er Wertersatz in Geld erhalte.214 Diese Argumente fußen letztlich nicht nur auf dem dem BGB zugrundeliegenden deontologischen Ansatz, dessen Einfluss auf Immanuel Kant zurückzuführen ist,215 sondern dürften vor der Aufklärung bereits durch die Moraltheologie begründet worden sein.216 Der Umstand, dass die besondere Bedeutung der Naturalerfüllung historisch gesehen auf moralphilosophischen Erwägungen gründet, kann methodisch jedoch allein nicht den uneingeschränkten Vorrang der Nacherfüllung und die Abkehr vom Prinzip der Einheit der Obligation rechtfertigen.217 Tatsächlich zielte auch Ziebarth, unabhängig von seinen Ausführungen zum „ethischen Bruch“, insbesondere darauf, dass das Interesse des Gläubigers ursprünglich auf die Erfüllung durch den Schuldner in natura gerichtet ist.218 Mit anderen Worten: 210 

Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006,

211 

Zimmer, NJW 2002, 1 (2) m. w. Nachw. in Fn. 12.

S. 11.

212 Vgl. Stoll, JZ 2001, 589 (590). 213  Ziebarth, Die Realexecution und

die Obligation, 1866, S. 33; zustimmend Hartmann, Die Obligation, 1875, S. 40, insb. Fn. 4. 214  Ziebarth, Die Realexecution und die Obligation, 1866, S. 34; zu dem diametralen Ansatz des Common Law vgl. ausführlich Bach, Leistungshindernisse, S. 285 ff. 215  S. nur die Ausführungen bei Bach, Leistungshindernisse, S. 285 ff. 216 Vgl. Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006, S. 23 und insb. die w. Nachw. in Fn. 38. 217 Allgemein zur Heranziehung von „ethischen Begehrungen“ zur Begründung rechtlicher Schlussfolgerungen und zum Verhältnis von Moral und Recht Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl., S. 122 f., 265 f. (insb. S. 265: „Was moralisch geboten ist, muß deswegen noch längst nicht zum Rechtsgebot erhoben, mit Rechtszwang ausgestattet werden.“). 218  Ziebarth, Die Realexecution und die Obligation, 1866, S. 33 f., wo es unter anderem heißt: „Es ist ein schwerer Irrthum, wenn die herrschende Ansicht glaubt, die Obligation oder

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Teil 1 – A.  Die Obligation – ein überholter Rechtsbegriff?

nicht nur der Schuldner wird durch die Obligation gebunden, sondern auch der Gläubiger bindet sich an den Schuldner in dem Sinne, dass er zuvörderst darauf vertraut, der Obligationszweck werde durch den Schuldner bzw. aus dessen Aktivvermögen bewirkt. Daher müssen auch die Interessen der Parteien und insbesondere des Gläubigers Berücksichtigung finden bei der Beantwortung der Frage, wie der Obligationszweck zu erfüllen ist. Gegen eine uneingeschränkte Fungibilität von Naturalerfüllung und Geldzahlung spricht auch die bereits dargestellte Unterscheidung zwischen rechtsverwirklichenden und rechtsfortsetzenden Schutzrechten.219 Allein die Naturalerfüllung kann das Versprechen des Schuldners in seiner ursprünglichen Form verwirklichen, während beim Schadensersatz das Versprechen lediglich liquidiert wird. Inhaltlich verknüpft sind beide jedoch letztlich durch das sich im schuldnerischen Versprechen konkretisierende Gläubigerinteresse, weshalb beide Erfüllungsformen der Obligationserreichung dienen. Auch Hartmann kommt zu dem Schluss, dass Naturalerfüllung und Geldzahlung zwei verschiedene Erscheinungsformen der Erfüllung des Obligationszwecks darstellen, wobei jedoch die Geldleistung im Hintergrund stehe.220 Zustimmung findet dies bei Rabel, demzufolge der Naturalerfüllungsanspruch das „Rückgrat der Obligation“ sei,221 was auf ein Verständnis schließen lässt, wonach zwar auch die Geldleistung zur Obligationserfüllung führt, die Naturalerfüllung jedoch die zentrale Stellung unter den Erfüllungsformen einnimmt. Die wohl klarste Darstellung des Verhältnisses von Naturalerfüllung zu Geldleistung in Bezug auf die Interessenlage der Parteien findet sich bei Riehm222, der zutreffend erkennt, dass sowohl die Naturalerfüllung – entweder durch den Schuldner oder auf dessen Kosten durch Dritte – als auch die Geldleistung der Befriedigung des Leistungsinteresses dienen,223 diese drei Varianten der Erfüllung jedoch in einem Stufenverhältnis stehen. Allein die Leistung in natura durch den Schuldner erfülle die von beiden Parteien verfolgten Zwecke und verschaffe ihnen die Vorteile, deretwegen der Vertrag überhaupt geschlossen wurde.224 Auch die Erfüllung durch Dritte auf Kosten des Schuldners befriediüberhaupt irgend ein Verhältniß zwischen Personen, und sei es das äußerlichste und untergeordnetste, könne je seine volle und echte Ausfüllung durch Geld, also durch eine Sache, also durch gewaltsame Wegnahme einer Sache erlangen.“ 219  Oben unter II. 1. (S. 12 ff.). 220  Hartmann, Die Obligation, 1875, S. 40 f. mit Fn. 4. 221  Rabel, Recht des Warenkaufs, Bd. 1, 1964, S. 375. 222  Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung, 2015, S. 20 ff. 223  Diese Annahme scheint auch der Konzeption des Gesetzgebers zugrunde zu liegen, der ausführt, der bei Nichterfüllung geschuldete Schadensersatz wegen Nichterfüllung bilde das Surrogat der zur Erfüllung führenden Leistung, BT-Drs. 14/6040, S. 134 (re. Sp.); ähnlich auch a. a. O., S. 136 (re. Sp.), wo es heißt, dass der Schadensersatzanspruch an die Stelle des Anspruchs auf die Leistung tritt. 224  Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung, 2015, S. 20 ff., der zwar augenscheinlich ausschließlich von einem gegenseitigen Vertrag ausgeht, dessen Argumentation aber ohne



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ge das Gläubigerinteresse grundsätzlich vollständig – insbesondere könne der Gläubiger wie geplant auf Grundlage des geschaffenen Zustands weiter verfahren –, lediglich für den Schuldner sei das Deckungsgeschäft in der Regel mit höheren Kosten verbunden.225 Die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe des ermittelten Leistungsinteresses des Gläubigers stelle schließlich die niedrigste Stufe der Befriedigung des Gläubigerinteresses dar.226 Gewiss mag sich der Gläubiger in einzelnen Fällen indifferent zeigen, ob er die Leistung in natura oder eine Geldzahlung erhält. Diese Fälle dürften allerdings die Ausnahme darstellen, da nur in den wenigsten Konstellationen das Interesse des Gläubigers ein ausschließlich monetäres sein wird.227 Dieses Stufenverhältnis lässt sich noch weiter ergänzen, etwa um die Erfüllung mittels eines anderen Surrogats als Geld und die Erfüllung durch Aufrechnung.228 Die Herausgabe eines Surrogats ist dabei auf vierter Stufe einzuordnen, da der Gläubiger nicht in allen Fällen Interesse am Surrogat haben wird, sondern dies vielmehr vom Surrogat selbst und der individuellen Situation des Gläubigers abhängt. Ein geringes Interesse dürften die Parteien grundsätzlich an einer Erfüllung durch Aufrechnung haben, da ihnen diese, abgesehen von ersparten Transaktionskosten hinsichtlich der Erfüllung der fremden und Eintreibung der eigenen Forderung, im Allgemeinen keine besonderen Vorteile verschafft.229 Weiteres auf einseitige und unvollkommen zweiseitige Verträge übertragbar sein dürfte (zur Terminologie MüKoBGB/Emmerich, 8. Aufl. 2019, § 311 Rn. 8): auch der Schenker einer Sache wird beispielsweise Gründe haben, weshalb er die bestimmte Sache und nicht eine bestimmte Geldsumme verschenkt und sei es nur, um den Aufwand der Veräußerung der Sache abzuwälzen. 225  Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung, 2015, S. 22 f. Eine Ausnahme hiervon ergibt sich für höchstpersönliche Handlungen des Schuldners, die jedoch ohnehin einen Sonderfall darstellen, vgl. oben unter II. 3. (S. 19 ff.). 226  Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung, 2015, S. 23 f. 227  Selbst wenn der Gläubiger nur den Weiterverkauf einer Sache anstrebt und er keine Probleme haben sollte, den entgangenen Gewinn zu beziffern und zu beweisen, wird durch die Nichterfüllung des Gläubigers gegenüber dem Dritten deren (Geschäfts-) Beziehung beeinträchtigt. Damit weichen jedoch die tatsächlichen Verhältnisse bereits von den vertraglich intendierten Verhältnissen ab. Für weitere Beispiele siehe auch Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung, 2015, S. 23 ff. 228 Auch die Rspr. sieht in der Aufrechnung ein Erfüllungssurrogat, BGH, Urt. v. 16.8.2007 – IX ZR 63/06, zit. nach Juris Rn. 38 = BGHZ 173, 328 (337 f.); ebenso und für die h.Lit. Staudinger/Gursky, 2016, Vorb. zu §§ 387 ff. Rn. 9 m. w. Nachw. auch zu einer wohl nicht mehr vertretenen Gegenauffassung; für die Aufrechnung als Erfüllungsform ferner Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 143. Ders., a. a. O., S. 142 f. nennt zudem die Selbsthilfe nach §§ 229 ff. BGB als Instrument der Rechtsdurchsetzung: dies ist insofern bedenklich, als durch die Selbsthilfe, wie aus § 230 Abs. 2 u. 3 BGB ersichtlich, ein grundsätzlich nur vorübergehender Zustand geschaffen werden soll, vgl. hierzu MüKoBGB/Grothe, 8. Aufl. 2018, § 229 Rn. 2 f. 229  Besondere rechtliche Vorteile bestehen hingegen in Fällen der Insolvenz des Aufrechnungsgegners und der Verjährung (§ 215 BGB).

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Teil 1 – A.  Die Obligation – ein überholter Rechtsbegriff?

Dieses Stufenverhältnis findet Ausdruck im Gesetz. So hindert das Fristsetzungserfordernis der §§ 323 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB den Gläubiger daran, wegen der Pflichtverletzung ohne weiteres zur Sanktion der Vertragsaufhebung bzw. des Schadensersatzes zu schreiten.230 Die Subsidiarität des Surrogatsanspruchs lässt sich im Falle des § 285 BGB dem Umstand entnehmen, dass die h. M.231 den Anspruch aus § 285 Abs. 1 BGB als verhaltenen Anspruch qualifiziert, der nur erfüllt werden kann, wenn der Gläubiger ihn geltend macht. Dass schließlich die Aufrechnung auch nach Ansicht des Gesetzgebers weniger ist als eine effektive Erfüllung, zeigen wiederum die zahlreichen Aufrechnungsverbote, die sicherstellen sollen, dass der potenzielle Aufrechnungsgegner das ihm Geschuldete in natura erhält.232 Demnach kann das Interesse des Gläubigers sowohl durch Naturalerfüllung wie auch durch Geldzahlung des Schuldners und weitere Surrogate befriedigt werden. Aus dem bisher Ausgeführten kann der Schluss gezogen werden, dass der Schuldner zumindest im Falle der Verpflichtung zu einer Geldzahlung wegen des Prinzips der unbeschränkten Vermögenshaftung grundsätzlich mit seinem gesamten Aktivvermögen für die Erreichung des Obligationszwecks einzustehen hat. An dieser Stelle ist nun die bereits aufgeworfene233 Frage zu untersuchen, ob das Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung auch auf die Naturalerfüllung übertragen werden kann. Für eine grundsätzlich unbeschränkte Bindung des schuldnerischen Vermögens auch für die Erfüllung in natura spricht der Vorrang der Naturalerfüllung: hat der Schuldner im Falle von Schadensersatzansprüchen mit seinem gesamten Vermögen einzustehen, sollte dies erst recht für die Erfüllungsform gelten, die den Parteiinteressen viel eher gerecht wird. Dem ließe sich zwar entgegenhalten, dass die Geldzahlung in Form des Schadensersatzes statt der Leistung zumindest im deutschen Recht an die 230 BT-Drs. 14/6040, S.  92 f.; Soergel/Gsell, 13. Aufl. 2005, § 323 Rn. 56; Looschelders, Schuldrecht  AT, 17. Aufl. 2019, § 33 Rn. 2; zu § 326 a. F. bereits ausdrücklich BGH, Urt. v. 21.6.1985 – V ZR 134/84 = NJW 1985, 2640 (2640); BGH, Urt. v. 19.9.1983 – VIII ZR 84/82 = NJW 1984, 48 (49). 231 Streitig ist allein die genaue dogmatische Einordnung des verhaltenen Anspruchs: dafür, dass der Anspruch erst mit Geltendmachung entsteht etwa Palandt/Grüneberg, 79. Aufl. 2020, § 285 Rn. 9; ferner BeckOK-BGB/Lorenz, Stand 1.5.2020, § 285 Rn. 14; nach anderer Auffassung wird der Anspruch erst mit Geltendmachung fällig, vgl. MüKoBGB/Emmerich, 8. Aufl. 2019, § 285 Rn. 29 m. w. Nachw. Da jedoch gem. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB ohne Entstehung bzw. Fälligkeit die Verjährungsfrist nicht beginnen kann, erscheint es vielmehr vorzugswürdig, den sog. verhaltenen Anspruch mit BGH, Urt. v. 1.12.2011 – III ZR 71/11 = NJW 2012, 917 (918) als Anspruch zu begreifen, den der Schuldner nicht von sich aus erfüllen muss und auch nicht erfüllen darf, bevor der Gläubiger die Leistung verlangt. Anders als bei den ebendort genannten verhaltenen Ansprüchen besteht für § 285 BGB jedoch die Besonderheit, dass dieser Anspruch in der gleichen Frist verjährt wie der vertragliche Erfüllungsanspruch, vgl. zur Vorgängerregelung § 281 BGB a. F. BGH, Urt. v. 10.2.1988 – IV a ZR 249/86 = NJWRR 1988, 902 (904). 232  Zutreffend Staudinger/Gursky, 2016, Vorb. zu §§ 387 ff. Rn. 9. 233  Oben unter III. 2. (S. 37 ff.).



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Voraussetzung des Vertretenmüssens geknüpft ist und sich die Einstandspflicht des Naturalschuldners daher erst aufgrund eines vorwerfbaren Verhaltens erweitert. Bei einer solchen Überlegung würde jedoch verkannt, dass die Voraussetzung des Vertretenmüssens keinen ausreichenden Differenzierungsgrund darstellt, der eine unterschiedliche Bindung im Vergleich zum Primäranspruch rechtfertigen könnte: es wäre wenig nachvollziehbar, wenn der Käufer für seine Geldleistungspflicht mit seinem gesamten Vermögen unbegrenzt einzustehen hätte, während die Sachleistungspflicht des Verkäufers von Anfang an auf einen Vermögensteil beschränkt würde und sich der Umfang der Einstandspflicht des Verkäufers nur bei Vertretenmüssen auf dasselbe Maß wie die des Käufers erstreckte. Zumal bei einer Beschränkung der Umfang des haftenden Vermögensteils im Einzelfall bestimmt werden müsste, wofür die erforderlichen Kriterien jedoch zu fehlen scheinen.234 Hinzu kommt, dass das Merkmal des Vertretenmüssens nicht nur Voraussetzung für die Schadensersatzpflicht des Schuldners ist, sondern das Einstehenmüssen des Schuldners im Umkehrschluss zugleich begrenzt – was der Schuldner nicht zu vertreten hat, dafür muss er auch keinen Schadensersatz leisten.235 Das Kriterium des Vertretenmüssens dient demnach nicht nur der Erweiterung der Einstandspflicht des Schuldners, sondern auch der Festlegung ihrer Grenzen. Wollte man entsprechend obiger Überlegung bei fehlendem Vertretenmüssen eine Beschränkung der Bindung des schuldnerischen Vermögens hinsichtlich der Naturalerfüllung annehmen, den Schuldner bei Vorliegen des Vertretenmüssens jedoch unbegrenzt haften lassen, liefe dies zudem auf eine Bestrafung des Schuldners gerade wegen des Vertretenmüssens hinaus. Eine Bestrafung des Schuldners ist jedoch gerade nicht Zweck des Schadensersatzanspruchs.236 Ebenfalls zur Anwendung der unbeschränkten Vermögenshaftung auch auf Naturalerfüllungsansprüche kommt die Rechtsprechung, die die Geltendmachung eines Anspruchs erst mit Vermögenslosigkeit des Schuldners ablehnt.237 Als Ergebnis kann demnach Folgendes festgehalten werden: Insbesondere die Erfüllung in Natur durch den Schuldner oder durch einen Dritten, eine Geldzahlung, die Herausgabe eines Surrogats und die Aufrechnung dienen der Erreichung des Obligationszwecks. Insofern ist am Prinzip der Einheit der Obligation festzuhalten. Allerdings stehen diese Erfüllungsformen zueinander in einem 234 Insbesondere vermag die Auslegung des Vertrages dies nicht zu leisten, vgl. unten unter C. I. (S. 79 ff.). 235  Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969, S. 103 ff. 236  Anstatt aller MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, § 249 Rn. 8 m. w. Nachw. insb. auch zu den amerikanischen punitive damages. 237  Exemplarisch die Rspr. zur Erfüllung einer vereinbarten Betriebspflicht selbst bei Unrentabilität: BGH, Urt. v. 29.4.1992 – XII ZR 221/90 = NJW-RR 1992, 1032 (1034); OLG Celle, Beschl. v. 3.7.2007 – 2 W 56/07 = NJW-RR 2008, 168 (168 f.); OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2003 – I-10 U 69/03 = ZMR 2004, 508 (508 re. Sp.); a. A. soweit ersichtlich lediglich LG Köln, Urt. v. 28.12.2004 – 87 O 109/04 = NZM 2005, 621 (621 f.).

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Teil 1 – B.  Das Verhältnis der Obligation zu weiteren zentralen Begriffen

Stufenverhältnis: auf niedrigster Stufe steht die Aufrechnung, gefolgt von anderen Surrogaten als Geldmittel, während die Geldzahlung subsidiär zur Naturalerfüllung durch einen Dritten und diese selbst wiederum subsidiär zur Naturalerfüllung durch den Schuldner ist. Diese Abstufung basiert historisch betrachtet auf ethisch-moralischen Überlegungen, stützt sich heute jedoch insbesondere auf die Interessenlage der Parteien: diejenige Erfüllungsform, welche dem im Rechtsgeschäft vereinbarten Obligationszweck am ehesten zur Verwirklichung verhilft, genießt Vorrang vor den übrigen möglichen Erfüllungsformen.

IV.  Ergebnis der Begriffsbestimmung Die bisherigen Ausführungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: mit Obligation ist das Bekommensollen des Gläubigers gemeint, welches auf die Befriedigung eines bestimmten Interesses durch die Realisierung bzw. Aufrechterhaltung eines entsprechenden Zustandes gerichtet ist. Die Obligation bezweckt somit die Erreichung eines bestimmten, durch den Parteiwillen näher umrissenen Zustands. Das Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner ist zunächst auf die Erreichung dieses Sollzustands mittels einer rechtzeitigen Handlung des Schuldners gerichtet. Allerdings kann eine ausreichende Annäherung an den Idealzustand auch durch andere Erfüllungsformen erreicht werden, wie beispielsweise durch eine Geldzahlung. Da die Naturalerfüllung durch den Schuldner jedoch die ursprünglichen Parteiinteressen am ehesten erfüllt, genießt sie Vorrang vor anderen Erfüllungsformen. Zur Realisierung der intendierten Verhältnisse rechtfertigt die Obligation eine gewisse Macht des Gläubigers über die Vermögensmasse des Schuldners, wobei sich diese Macht grundsätzlich auf das gesamte Schuldnervermögen erstreckt.

B.  Das Verhältnis der Obligation zu weiteren zentralen Begriffen des Leistungsstörungsrechts Aus den bisherigen Ergebnissen lässt sich schlussfolgern, dass dem Obligationsbegriff eine höhere Abstraktionsstufe zugrunde liegt als beispielsweise dem Begriff des Anspruchs.238 Wie die weiteren Ausführungen zeigen sollen, geht es bei der Obligation um das Bekommensollen des Gläubigers, um die Erreichung seines Interesses, während der Anspruch lediglich der Erfüllung der Obligation auf die ein oder andere Weise dient. Der Anspruch ist demnach lediglich ein Vehikel, mit dem die Obligation durchgesetzt werden kann. Er kann 238  Zum Verhältnis von Forderungsbegriff und Anspruchsbegriff sowie verschiedenen zum Anspruchsbegriff entwickelten Konzeptionen vgl. Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 106 ff.



I.  Schuldverhältnis im engeren und weiteren Sinne

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zudem als eine von mehreren konkreten Ausprägungen angesehen werden, welche die Macht, die dem Gläubiger wegen der Obligation über das Schuldnervermögen eingeräumt wird, einnehmen kann.239 Im Folgenden soll aus verschiedenen, im Einzelnen noch darzulegenden Gründen das Verhältnis des Obligationsbegriffs zu weiteren zentralen Termini des deutschen Leistungsstörungsrechts herausgearbeitet werden. Hierfür werden die Begriffe zunächst voneinander abgegrenzt und wird sodann überprüft, ob Wechselwirkungen zwischen der Obligation und dem jeweils weiteren Begriffsgegenstand beobachtet werden können. Als weitere Begriffe hierfür werden das Schuldverhältnis i. e. S. und i. w. S. (I.), das Forderungsrecht (II.), die Leistungspflicht (III.), die Pflichtverletzung (IV.), der Rechtsgrund zum Behaltendürfen (V.) und die Garantie (VI.) herangezogen. Da eine intensivere Auseinandersetzung mit diesen Termini ohne Weiteres den Umfang dieser Arbeit zu sprengen drohte, wird der Fokus der Untersuchung teils auf wenige zentrale Aspekte der Begriffe gelegt.

I.  Schuldverhältnis im engeren und weiteren Sinne Wie eingangs erwähnt wurde,240 ging der historische BGB-Gesetzgeber davon aus, den Begriff der Obligation durch den des Schuldverhältnisses ersetzen und die Definition und Deutung des Schuldverhältnisses der Wissenschaft überlassen zu können. Aufgrund dieses inhaltlichen Vakuums und wegen der uneinheitlichen Verwendung des Begriffs im BGB241 gewann der neue Terminus jedoch eine Eigendynamik,242 weshalb die ganz h. M.243 heute grundsätzlich das Schuldverhältnis im weiteren Sinne vom Schuldverhältnis im engeren Sinne unterscheidet. Ohne auf die genaue Bestimmung dieses Begriffspaars eingehen zu können,244 soll an dieser Stelle kurz das Verhältnis der Termini Obligation und 239  Eine weitere konkrete Gestalt dieser Macht ist die Aufrechnung, vgl. oben unter A. III. 3. (S. 40 ff.). 240  Oben unter A. I. (S. 9 ff.). 241  Zu letzterem Bucher, FS Wiegand, 2005, S. 93 (117 ff.); zustimmend Hoffmann, Zes­ sion und Rechtszuweisung, 2012, S. 126. 242  Bucher, FS Wiegand, 2005, S. 93 (113 ff.), der jedoch fälschlicherweise (oben unter A. I. [S. 9 ff.] und die w. Nachw. dort) annimmt, der Gesetzgeber habe eine konkrete Vorstellung vom Wesen der Obligation bzw. des Schuldverhältnisses gehabt und nur in terminologischer Hinsicht von der kontinentaleuropäischen Tradition abweichen wollen (Bucher, a. a. O., S. 112). 243  BGH, Urt. v. 11.11.1953 – II ZR 181/52 = NJW 1954, 231 (232); Henke, JA 1989, 186 (186 ff.); Schapp, JZ 2001, 583 (584); Bucher, FS Wiegand, 2005, S. 93 (114); Riehm, FS Canaris, 2017, S. 345 (346 f.); MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, Einl. SchuldR Rn. 10; s. auch die Nachw. bei Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 125 ff. 244  Teilweise wird angenommen, dass sich das Schuldverhältnis im weiteren Sinne einer klaren Definition entziehe, Gernhuber, Das Schuldverhältnis, 1989, S. 11 f.; vgl. auch die Ausführungen bei Larenz, Schuldrecht I AT, 14. Aufl. 1987, § 2 V, S. 26 ff.: „komplexes Sinngebil-

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Teil 1 – B.  Das Verhältnis der Obligation zu weiteren zentralen Begriffen

Schuldverhältnis beleuchtet werden, um Missverständnisse zu vermeiden. Nicht zuletzt ist für die weitere Untersuchung aufzuzeigen, dass die Obligation nach hiesigem Verständnis weder mit dem einen noch dem anderen Schuldverhältnis gleichgesetzt werden kann. Je nach individueller Verwendung der Schuldverhältnisbegriffe kann es bei einzelnen Autoren inhaltlich jedoch zu Überschneidungen mit dem hiesigen Obligationsverständnis kommen. Vereinfacht formuliert ist unter Schuldverhältnis im weiteren Sinne das komplexe Gefüge aus Rechten, Pflichten, Gestaltungsmöglichkeiten und Zuständigkeiten zu verstehen, welches auch als Sonderverbindung bezeichnet wird.245 Es werden also alle Parteien mit ihren jeweiligen Haupt- und Nebenpflichten, Ansprüchen, rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten und Zuständigkeiten in den Blick genommen. Mit Schuldverhältnis im engeren Sinne ist hingegen meist das einzelne Recht-Pflicht-Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner, also ein Verlangen und seine mögliche Erfüllung, gemeint.246 Unterschiede zwischen den die herrschende Meinung bildenden Auffassungen bestehen allenfalls hinsichtlich der Frage, ob jeder einzelne Anspruch ein Schuldverhältnis im engeren Sinne begründet, oder ob dasselbe Schuldverhältnis gleichzeitig oder sukzessiv mehrere Ansprüche beinhalten kann.247 Jedenfalls wenn man mit einer Vielzahl der genannten Stimmen248 annimmt, dass jeder einzelne Anspruch mit der jeweils korrespondierenden Pflicht ein individuelles Schuldverhältnis im engeren Sinne begründet, können mehrere solcher Schuldverhältnisse mittels Obligation verklammert werden. Das der Obligation immanente Gläubigerinteresse bildet den inneren Zusammenhang zwischen den Schuldverhältnissen im engeren Sinne, selbst wenn diese Schuldverhältnisse völlig verschiedene Erfüllungsformen bezwecken. Auf diese Weise de“, „sinnhaftes Gefüge“; das Schuldverhältnis im engeren Sinne wird teils mit dem Anspruch gleichgesetzt, so etwa Schapp, JuS 1992, 537 (544); kritisch dazu Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 125 ff. 245  Henke, JA 1989, 186 (186 u. 188); MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, Einl.  SchuldR Rn. 10; ebenfalls aus diesem Grund kritisch Hoffmann, Zession und Rechtzuweisung, 2012, S. 127, der bemängelt, dass das Schuldverhältnis im weiteren Sinne ein „rein deskriptiver Begriff“ sei, der dem Vertragsverhältnis oder der Haftung nichts hinzufüge, was nicht schon in seinen einzelnen Elementen enthalten wäre. 246 Vgl. Bucher, FS Wiegand, 2005, S. 93 (101 u. 119) und Henke, JA 1989, 186 (187), die das Schuldverhältnis im engeren Sinne mit der (historischen) Obligation gleichsetzen wollen; ähnlich MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, Einl. SchuldR Rn. 10: „rechtliche Forderungsbeziehung“. 247  Für die erste Ansicht wohl: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, 1989, S. 6 f.; zustimmend Riehm, FS Canaris, 2017, 345 (356); ferner Looschelders, Schuldrecht AT, 2019, § 1 Rn. 7 ff. m. w.  Nachw.; so wohl auch Bucher, FS Wiegand, 2005, S. 93 (115); nicht eindeutig Henke, JA 1989, 186 (187); für ein Schuldverhältnis mit mehreren Ansprüchen Staudinger/Bittner/Kolbe, 2019, § 262 Rn. 7 mit Verweis auf Gernhuber, Das Schuldverhältnis, 1989, S. 259 f., wo bei elektiver Konkurrenz mehrere Ansprüche angenommen werden, während bei der Wahlschuld mit Ausübung der Wahl nur eine Forderung gestaltet werde. 248  Vgl. die Nachweise oben in Teil 1 Fn. 247.



I.  Schuldverhältnis im engeren und weiteren Sinne

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lässt sich beispielsweise veranschaulichen, weshalb die Geltendmachung des Anspruchs aus § 285 Abs. 1 BGB die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nicht ausschließt, vgl. § 285 Abs. 2 BGB. Gleichzeitig lässt sich die Vorschrift des § 285 Abs. 2 BGB nachvollziehen, die Ausdruck des Grundsatzes ist, dass das Gläubigerinteresse nur einmal befriedigt werden kann. Eine weitere Möglichkeit des Obligationsbegriffs liegt darin, mit seiner Hilfe auch Schuldverhältnisse mit verschiedenen Schuldnern zu verklammern. Tatsächlich scheint § 423 BGB diese Möglichkeit vorauszusetzen. § 423 BGB sieht vor, dass ein zwischen dem Gläubiger und einem Schuldner geschlossener Erlass auch gegenüber den anderen Gesamtschuldnern wirkt, sofern der Gläubiger und der Gesamtschuldner dies bei Abschluss des Erlasses wollten.249 Der Wortlaut des § 423 BGB spricht in diesem Zusammenhang von einem einzigen „ganze[n] Schuldverhältnis“ und vermittelt den Eindruck, dass alle Recht-PflichtBeziehungen zwischen dem Gläubiger und den mehreren Schuldnern unter dem Begriff „Schuldverhältnis“ zusammengefasst werden können.250 Gewiss ist das Argument des § 423 BGB aus historischer Sicht nicht zwingend, da bei Heranziehung des Wortlauts der Vorschrift zu berücksichtigen ist, dass sich der BGBGesetzgeber hinsichtlich der Bedeutung des Terminus Schuldverhältnis dogmatisch nicht festlegen wollte.251 Diese Überlegung der Verklammerung zeigt jedoch, dass der Verwendung eines Obligationsbegriffs neben dem des Schuldverhältnisses im weiteren Sinne und dem Begriff des Schuldverhältnisses im engeren Sinne durchaus ein Mehrwert innewohnt.252 Dieser Mehrwert zeigt sich in der präziseren Darstellung der verschiedenen Ebenen, welche die Rechtsbeziehung zwischen zwei Rechtssubjekten kennzeichnen: grundsätzlich enthält eine Sonderverbindung (Schuldverhältnis im weiteren Sinne) mindestens eine Obligation und eine Obligation wiederum mindestens eine Recht-Pflicht-Beziehung (Schuldverhältnis im engeren Sinne). Erkennt man dieses Mehrebenensystem an, gilt es zu untersuchen, wie die verschiedenen Ebenen wechselseitig wirken. Weit verbreitet ist insofern die Annahme, dass das Schuldverhältnis i. w. S. als „Quelle“ des Schuldverhältnis249 Vgl. zu den Fällen der Gesamtwirkung bzw. beschränkten Gesamtwirkung jeweils: MüKoBGB/Heinemeyer, 8. Aufl. 2019, § 423 Rn. 1 f.; Staudinger/Looschelders, 2017, § 423 Rn. 18, 20 f., BeckOK-BGB/Gehrlein, Stand 1.5.2020, § 423 Rn. 2, 4. 250  Vgl. MüKoBGB/Heinemeyer, 8. Aufl. 2019, § 423 Rn. 1; ähnlich BeckOK-BGB/Gehrlein, Stand 1.5.2020, § 423 Rn. 1. 251  Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse I, 1978, S. 937: der Wortlaut sollte keinen Einfluss haben auf die von der Wissenschaft zu lösende Frage, ob ein oder mehrere Obligationen anzunehmen sind; vgl. zu diesem Problem und dem Meinungsstand vor Schaffung des BGB auch in anderen Rechtsordnungen v. Kübel, Schuldrecht Teil 1, 1876–1883, S. 55 ff.; zur damals wohl herrschenden Unterscheidung zwischen „eigentlichen Correalverhältnissen“ und „bloß solidarischen Verbindlichkeiten“ etwa Ribbentrop, Zur Lehre von den Correal-Obligationen, 1831, insb. S. 84 ff. 252 Entgegen Bucher, FS Wiegand, 2005, S. 93 (101 f.).

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Teil 1 – B.  Das Verhältnis der Obligation zu weiteren zentralen Begriffen

ses i. e. S. anzusehen sei.253 Ferner erlischt beispielsweise im Falle der Erfüllung gem. § 362 BGB das Schuldverhältnis und versteht die h. M. hierunter das Schuldverhältnis im engeren Sinne, d. h. die konkrete Recht-Pflicht-Beziehung, da das Schuldverhältnis im weiteren Sinne mit weiteren Hauptpflichten und Nebenpflichten fortbestehen kann.254 Dies wirft die noch zu untersuchende Frage auf, wie sich die Erfüllung nach § 362 BGB auf die Obligation auswirkt.255 Als ein weiteres Beispiel für die komplexen Wechselwirkungen zwischen den Ebenen kann die Drittschadensliquidation herangezogen werden.256 Die Fälle der Drittschadensliquidation zeichnen sich dadurch aus, dass eine Vertragspartei an sich einen Anspruch hätte, allerdings keinen Schaden.257 Auf das Mehrebenensystem übertragen existieren demnach die Ebenen des Schuldverhältnisses i. w. S. und des Schuldverhältnisses i. e. S., es fehlt dem Gläubiger jedoch an einem berechtigten Interesse und damit an der Obligation. Wie die Ausführungen zum Verhältnis zwischen Rechtsgrund und Obligation noch zeigen werden, ergibt sich hieraus die bei der Drittschadensliquidation bestehende Notwendigkeit der Weiterleitung des Ersatzes an den geschädigten Dritten.258 Für die weitere Untersuchung wird die Obligation daher zwischen dem Schuldverhältnis im engeren und dem Schuldverhältnis im weiteren Sinne eingeordnet. Die Obligation ist demnach weiter als das Schuldverhältnis im engeren Sinne, jedoch grundsätzlich enger als das Schuldverhältnis im weiteren 253  BGH, Urt. v. 11.11.1953 – II ZR 181/52 = NJW 1954, 231 m. w. Nachw.: das Schuldverhältnis i. e. S. sei die aus dem Schuldverhältnis i. w. S. erwachsene, einzelne Forderung des Gläubigers bzw. Schuld des Schuldners; vgl. ferner MüKoBGB/Bachmann, 8. Aufl. 2019, § 241 Rn. 10; BeckOK-BGB/Sutschet, Stand 1.5.2020, § 241 Rn. 40; kritisch hierzu Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 125 ff., der zutreffend erkennt, dass schuldrechtliche Ansprüche der Erfüllung der durch das Schuldverhältnis begründeten Rechtsposition des Gläubigers dienen und nicht der Erfüllung des Rechtsverhältnisses selbst. Andererseits kann jedoch nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass auch die Forderung als Substanzrecht in ihrem Inhalt und ihrem Fortbestand von dem Fortbestand des Schuldverhältnisses abhängt. Sofern Hoffmann, a. a. O., S. 127 ausführt, „Quelle“ des Substanzrechts sei immer der Vertragsschluss, ist dem entgegenzuhalten, dass praktisch jedes Vertragsverhältnis Einflüssen von außen ausgesetzt ist und Vertragsverhältnisse daher nicht als „in Stein gemeißelt“ angesehen werden können, weshalb sich die Rechte des Gläubigers ändern können. Aber selbst bei Annahme eines unveränderbaren Substanzrechts lässt sich festhalten, dass es ohne Sonderverbindung mangels Grundlage weder eine Obligation noch ein Schuldverhältnis im engeren Sinne gibt. Ebenso gibt es ohne Obligation mangels zu erfüllendem Gläubigerinteresse regelmäßig kein Schuldverhältnis im engeren Sinne (vgl. die sogleich folgenden Ausführungen zur Sonderkonstellation der Drittschadensliquidation). 254  Im Ansatz bereits BGH, Urt. v. 11.11.1953 – II ZR 181/52 = NJW 1954, 231; ferner BGH, Urt. v. 26.2.1986 – VIII ZR 28/85 = NJW 1986, 1677 (1678); ausführlich anstatt vieler MüKoBGB/Fetzer, 8. Aufl. 2019, Vor § 362 Rn. 1, 8. 255  Unten unter V. (S. 74 ff.). 256  Zur Drittschadensliquidation allgemein etwa Looschelders, Schuldrecht AT, 17. Aufl. 2019, § 46 Rn. 8 ff. 257  Anstatt aller Looschelders, Schuldrecht AT, 17. Aufl. 2019, § 46 Rn. 9. 258  Zur Weiterleitung des Ersatzes und der Folge der unbilligen Bereicherung des Vertragspartners bei deren Ausbleiben Looschelders, Schuldrecht AT, 17. Aufl. 2019, § 46 Rn. 10.



II.  Das Forderungsrecht

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Sinne. Denn die Obligation kann eine Vielzahl von Recht-Pflicht-Verhältnissen und damit eine Vielzahl von Schuldverhältnissen im engeren Sinne verklammern. Sofern die Ansprüche dasselbe Gläubigerinteresse befriedigen und damit in dem bereits beschriebenen Stufenverhältnis259 stehen, werden sie von der Obligation zusammengefasst, unabhängig davon, ob ein bestimmter Anspruch durchsetzbar ist oder nicht, oder ob sich die Ansprüche gegen verschiedene Rechtssubjekte richten. Das Schuldverhältnis im weiteren Sinne nimmt wiederum mehr in den Blick als die Obligation, da es alle Parteien und damit alle Obligationen eines Rechtsverhältnisses erfasst. Wie genau die beiden Interpretationen des Schuldverhältnisses verstanden werden, ob also das Schuldverhältnis im weiteren Sinne als bloßes Synonym für das Vertragsverhältnis herangezogen wird und entsprechend das Schuldverhältnis im engeren Sinne lediglich als Synonym für einen Anspruch oder eben für eine konkrete Recht-Pflicht-Beziehung dienen soll, ist für die hiesige Untersuchung nicht weiter relevant. Entscheidend ist allein, dass diese Begriffe verschiedene Aspekte des Privatrechts bezeichnen und daher nicht gleichgesetzt und nicht verwechselt werden dürfen.

II.  Das Forderungsrecht Das Schicksal der vielfältigen Interpretationen teilen die Begriffe des Schuldverhältnisses mit dem Begriff des Forderungsrechts.260 Auch hinsichtlich des Forderungsrechts soll auf den Begriff nur insofern eingegangen werden, wie dies der Abgrenzung und Schärfung des Begriffs der Obligation dient. Bereits bei von Kübel wird nicht klar, inwieweit er das Forderungsrecht als Synonym der Obligation versteht.261 Er kommt jedenfalls zu folgendem Ergebnis: „Das aus einem Schuldverhältnis entspringende Forderungsrecht geht auf Vornahme derjenigen Handlung (Leistung) durch den Schuldner, welche den Gegenstand des Rechtes und der Verpflichtung bildet.“262 Mit dieser Feststellung ist jedoch nichts gewonnen, denn diese Aussage bedeutet lediglich, dass der Gläubiger dasjenige verlangen kann, was Inhalt des Rechts ist und was er daher zu verlangen berechtigt ist. Abgesehen davon, dass von Kübel entgegen der hier getroffenen Schlussfolgerungen die Handlung des Schuldners in den Mittelpunkt stellt, lässt seine Wortwahl vermuten, dass er das Forderungsrecht als Konsequenz des Schuldverhältnisses und damit der Obligation begreift. Mit Sicherheit feststellen lässt sich dies wegen der bei der Schaffung des BGB vorliegenden Unschärfe des Schuldverhältnisbegriffs jedoch nicht. 259 

Oben unter A. III. 3. (S. 40 ff.). Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 95: „seit jeher“. 261 Vgl. seine Zusammenfassung der Literatur bei v. Kübel, Schuldrecht Teil 1, 1876– 1883, S. 4 ff. 262  v. Kübel, Schuldrecht Teil 1, 1876–1883, S. 10. 260 Vgl. Hoffmann,

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Teil 1 – B.  Das Verhältnis der Obligation zu weiteren zentralen Begriffen

Wenig überzeugend ist hingegen der Vorschlag, den Forderungsbegriff mit dem der Geldschuld gleichzusetzen263, da § 398 BGB von der „Forderung“ spricht und nach ganz h. M. der Inhalt der Forderung, abgesehen von wenigen Ausnahmen wie beispielsweise § 399 BGB, für die Abtretbarkeit keine Rolle spielt.264 Ebenso wird die weit verbreitete Verwendung des Begriffs zur Bezeichnung schuldrechtlicher Ansprüche mit nicht unerheblichen Argumenten kritisiert.265 Eine aktuellere Auseinandersetzung mit dem Begriff der Forderung findet sich bei Hoffmann.266 Demnach ordne die Forderung dem Gläubiger ein beschränktes Herrschaftsrecht über den Schuldner zu, wie auch die Rechtsposition Eigentum dem Inhaber ein umfassendes Herrschaftsrecht über die Sache zuordne.267 Letztlich ergebe sich aus der Rechtsposition Forderung eine Befugnis zur Einziehung und zum Behalten der Leistung.268 Der Erfüllungsanspruch sei nichts anderes als eine Sanktion für die Verletzung des Forderungsrechts und könne daher von der Forderung nicht abgetrennt werden, wie auch alle anderen Ansprüche des BGB nichts anderes als Schutzrechte seien, die auf die Rechtsverletzung eines Substanzrechts reagierten.269 Verfügungsgegenstand der Abtretung sei daher die Forderung.270 Auch bei der Legalzession werde dem Legalzessionar das Substanzrecht Forderung zugewiesen, damit dieser den Schuldner im Wege des Regresses in Anspruch nehmen könne.271 Hinsichtlich der rechtsfortsetzenden vermögensverschiebenden Schutzrechte gelte es jedoch zu beachten, dass diese ihrerseits die Qualität von Substanzrechten hätten und daher separat zu übertragen seien.272 Zusammengefasst bedeutet dies, dass der Zessionar ein neues Substanzrecht erhält, wenn das Forderungsrecht durch die (Legal-)Zession übergeht. Die Hoffmann’sche Lehre vom Forderungsbegriff vermag die Beziehung verschiedener Forderungen zueinander jedoch nur in einzelnen Fällen klarzustellen.273 Für einige Konstellationen scheint das Verhältnis der Forderungen al263 Vgl. Henke,

JA 1989, 186 (187 li. Sp.). MüKoBGB/Roth/Kieninger, 8. Aufl. 2019, § 398 Rn. 62; BeckOK-BGB/Rohe, Stand 1.5.2020, § 398 Rn. 42. 265  Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 136. 266  Hoffmann, a. a. O., S. 95 ff. 267  Hoffmann, a. a. O., S. 99. 268  Hoffmann, a. a. O., S. 102 f. 269  Hoffmann, a. a. O., S. 128 f. m. w. Nachw. 270  Hoffmann, a. a. O., S. 129. 271  Hoffmann, a. a. O., S. 94 f. 272  Hoffmann, a. a. O., S. 60, 75 und insb. auch S. 64 zur Unterscheidung zwischen rechtsverwirklichenden und rechtsfortsetzenden Schutzrechten und deren Auswirkung auf die Einordnung als Substanzrecht; ähnlich bereits Ost, Die Zuordnung als Kriterium des subjektiven Rechts, 1965, S. 38 f. 273  Vgl. etwa zum allgemeinen Vorrang der Rechtsverwirklichung vor der rechtsfortsetzenden Vermögensverschiebung Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 68 ff. 264 Vgl.



II.  Das Forderungsrecht

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lein auf Grundlage der Hoffmann’schen Konzeption jedoch nicht feststellbar. Zahlt beispielsweise der Bürge an den Gläubiger, geht gemäß § 774 Abs. 1 S. 1 BGB das Forderungsrecht des Gläubigers auf den Bürgen über. Dem Bürgen kann neben diesem Forderungsrecht jedoch auch ein eigenes Forderungsrecht zustehen, etwa aus einem Auftragsverhältnis, einem Geschäftsbesorgungsvertrag oder einer Geschäftsführung ohne Auftrag.274 Insofern stünden dem Bürgen zwei Substanzrechte zu, wobei nicht ernsthaft bezweifelt werden dürfte, dass der Bürge nur einmal Ausgleich vom Hauptschuldner verlangen kann. Der Bürge hat lediglich ein einziges berechtigtes Interesse an der Schadloshaltung durch den Hauptschuldner, ihm stehen hierfür jedoch mehrere Vehikel zur Verfügung. Nach hiesigem Begriffsverständnis liegt damit nur eine Obligation bei mehreren Forderungsrechten vor, denn wesentlich für die Bestimmung der Obligation ist insbesondere das berechtigte Interesse des Gläubigers. Darin liegt zugleich ein entscheidender Unterschied zur Hoffmann’schen Lehre vom Forderungsrecht: während das Forderungsrecht bei einer Zession auf den Zessionar übergeht,275 ist die Obligation als Ausdruck des Gläubigerinteresses untrennbar an dessen Person gebunden und geht nicht über, vielmehr entsteht beim Zessionar eine neue Obligation. Dies ergibt sich bereits aus der Anwendung des hiesigen Obligationsbegriffs, wonach die Obligation die Befriedigung eines bestimmten berechtigten Interesses bezweckt. Dieses Interesse ist beim ursprünglichen Gläubiger wegen des mit dem Schuldner bestehenden Schuldverhältnisses berechtigt, beim Zessionar jedoch wegen des Schuldverhältnisses erst in Verbindung mit der Abtretung, so wie sich das berechtigte Interesse des Erben erst aus dem Schuldverhältnis in Verbindung mit dem Grundsatz der Universalsukzession ergibt. Stellt man die Interessenlage des Gläubigers in das Zentrum der Betrachtung, können auch einige Ungereimtheiten ausgeräumt werden, die im Zusammenhang mit der Anspruchskonkurrenz bei mehreren Haftungsgründen bestehen.276 Werden die in Anspruchskonkurrenz stehenden materiell-rechtlichen Ansprüche in einer Obligation verklammert, kann beispielsweise diese eine materiell-rechtliche Obligation dem einen prozessualen Anspruch bzw. Streitgegenstand gegenübergestellt werden.277 Materiell-rechtlich hat die Annahme 274 

Vgl. MüKoBGB/Habersack, 7. Aufl. 2017, § 774 Rn. 15, 19; ders., a. a. O., § 765 Rn. 7. und Rechtszuweisung, 2012, S. 94 f., 129. AcP 162 (1963), 401; Arens, AcP 170 (1970), 392; ferner MüKoBGB/Bachmann, 8. Aufl. 2019, § 241 Rn. 35 ff.; zur Frage der (isolierten) Abtretung bei Anspruchskonkurrenz etwa MüKoBGB/Roth/Kieninger, 8. Aufl. 2019, § 398 Rn. 88 f. 277  Vgl.  zum Verhältnis des materiell-rechtlichen Anspruchsbegriffs zur prozessualen Konzeption des Anspruchs etwa Eichler, AcP 162 (1963), 401 (418 f.); ferner Arens, AcP 170 (1970), 392 (413 ff.), der sich zutreffend gegen die Notwendigkeit einer Gleichsetzung ausspricht (insb. S. 422 f.). Es scheint jedoch nichts gegen ein materiell-rechtliches Konzept des Obligationsbegriffs zu sprechen, welches eine Verknüpfung von materiellem Recht und Prozessrecht ermöglicht. 275  Hoffmann, Zession 276 Vgl. etwa Eichler,

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Teil 1 – B.  Das Verhältnis der Obligation zu weiteren zentralen Begriffen

einer Obligation des Weiteren zur Konsequenz, dass die verklammerten Forderungen ohne Zustimmung des Schuldners nicht isoliert abgetreten werden können.278 Ein weiterer Unterschied zwischen dem Hoffmann’schen Forderungsrecht und dem hiesigen Obligationsbegriff könnte zudem in der Nützlichkeit der Begriffe bestehen, zur Klärung der dem deutschen Leistungsstörungsrecht zugrunde liegenden Dogmatik beizutragen. Dies wird Gegenstand der weiteren Untersuchung sein.

III.  Die Leistungspflicht Entscheidend für die Anwendung der bisherigen Ergebnisse auf einzelne Vorschriften des Leistungsstörungsrechts ist das Verhältnis der Obligation zur Leistungspflicht. Während für die Obligation bisher insbesondere der Gläubiger in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt wurde, soll es bei der Leistungspflicht insbesondere um die Sicht des Schuldners gehen.279 Um die bisherigen Ergebnisse für die Anwendung des materiellen Rechts fruchtbar machen zu können und das Verhältnis des hier vertretenen Obligationsbegriffs zu dem der Leistung zu erörtern, ist jedoch zunächst erforderlich, festzustellen, wie der Begriff der Leistung bzw. der Leistungspflicht zu verstehen ist. Vielfach wird behauptet, der Leistungsbegriff sei „ambivalent“ bzw. „doppeldeutig“.280 Daneben wird vereinzelt auch ein einheitlicher Leistungs278 So im Ergebnis, jedoch auf den wirtschaftlichen Erfolg abstellend BGH, Urt. v. 9.12.1998 – XII ZR 170/96 = NJW 1999, 715 (1. Leitsatz); mit ausführlicher Begründung Arens, AcP 170 (1970), 392 (406 ff.), der eine isolierte Abtretung ablehnt, wenn Ansprüche denselben Leistungsinhalt und Anspruchsgrund aufweisen (S. 411). Die Frage, ob einzelne für einen Anspruch geltende Regelungen, wie etwa eine Haftungsbeschränkung oder eine kürzere Verjährung, auf einen anderen Anspruch einwirken, lässt sich mit dem hiesigen Obligationskonzept hingegen nicht beantworten (vgl. hierzu Arens, a. a. O., S. 400). Vielmehr sind dafür andere Gesichtspunkte, wie insbesondere die drohende Wirkungslosigkeit einzelner Vorschriften entscheidend (zutreffend Arens, a. a. O., S. 398). 279 Vgl. zu der Tendenz einzelner Ausdrücke der Schuldrechtsdogmatik, eher die eine oder andere Seite eines Schuldverhältnisses darzustellen Staudinger/Schmidt, 12. Aufl. 1983, Einl. zu §§ 241 ff. Rn. 77; vgl. auch v. Kübel, Schuldrecht Teil 1, 1876–1883, S. 3 Fn. 1; ferner Henke, Die Leistung, 1991, S. 41. 280  Zur Differenzierung zwischen „Leistungshandlung“ und „Leistungserfolg“ im Ansatz bereits BGH, Urt. v. 5.12.1950 – I ZR 41/50 = BGHZ 1, 4 (6); ausdrücklich BGH, Urt. v. 6.2.1954 – II ZR 176/53 = NJW 1954, 794 (794); BGH, Urt. v. 25.3.1983 – V ZR 168/81 = BGHZ 87, 156 (162) m. w. Nachw.; ausdrücklich von „Ambivalenz“ sprechend MüKoBGB/ Kramer, 5. Aufl. 2007, § 241 Rn. 7; Staudinger/Olzen, 2019, § 241 Rn. 135; vgl. grundlegend zur „Doppeldeutigkeit“ Wieacker, FS Nipperdey, 1965, Bd. 1, S. 783 (784 und weitere); MüKoBGB/Bachmann, 8. Aufl. 2019, § 241 Rn. 17; BeckOK-BGB/Sutschet, Stand 1.5.2020, § 241 Rn. 33; kritisch zu den Bestimmungsversuchen Staudinger/Schmidt, 12. Aufl. 1983, § 241 Rn. 75 ff., der jedoch annimmt, dass der Begriff „Leistung“ für ganz verschiedene Sachverhalte stehe (Rn. 76); letztlich auch Henke, Die Leistung, 1991, S. 41 f., der unter der „Am-



III.  Die Leistungspflicht

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begriff vertreten.281 Teilweise wird diese Fragestellung auch übersehen, was die Gefahr widersprüchlicher Ergebnisse mit sich führen kann.282 Es soll daher in einem ersten Schritt in der gebotenen Kürze untersucht werden, ob der Leistungsbegriff einheitlich entweder erfolgs- oder handlungsbezogen oder doch ambivalent zu verstehen ist. Sodann soll der Leistungsbegriff dem der Obligation gegenübergestellt werden.

1.  Der Umfang der geschuldeten Leistung Was unter den Begriffen Leistung und Leistungspflicht zu verstehen ist, dürfte eng damit verbunden sein, zu was sich der Schuldner durch den Vertragsschluss verpflichtet. Zur Vermeidung von Missverständnissen sei klargestellt, dass es an dieser Stelle nicht um den konkreten Leistungsinhalt geht, also darum, ob der Schuldner im Einzelfall „nur“ die Vornahme einer Handlung oder darüber hinaus die Erreichung eines Erfolgs zugesagt hat.283 In den folgenden Ausführungen geht es vielmehr um die Frage, ob unter Berücksichtigung der bisherigen Ergebnisse, allgemeiner Überlegungen und den Vorschriften des 2. Buchs des BGB dem Verständnis des Schuldrechts eine einheitliche Konzeption des Leistungsversprechens zugrunde gelegt werden kann.284 Zu dieser Frage werden zwei diametrale Ansätze vertreten. Während die Anhänger des aufwandsbezogenen Verständnisses des Leistungsumfangs (a)) stets eine bestimmte Anstrengung in das Zentrum des Vertrags stellen wollen, wird das Leistungsversprechen von einer zweiten Ansicht erfolgsorientiert ausgelegt (b)). bivalenz des Leistungsbegriffs“ zwar zunächst nur die beiden Anschauungsweisen von Gläubiger und Schuldner verstehen möchte, dann jedoch impliziert, dass „Handlung“ und „Erfolg“ nicht identisch seien, weil sie in einer Wechselwirkung stünden; für eine Mehrdeutigkeit des Leistungsbegriffs auch Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung im Schuldverhältnis, 1969, S. 7. 281  Henke, Die Leistung, 1991, S. 16, 19 f., 26, 44, 46, 84; Riehm, FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 1079 (1088 ff ). 282  So etwa bei Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 99 und 130: Hoffmann zufolge verschaffe die Forderung als Substanzrecht dem Gläubiger eine Herrschaft über die Freiheit des Schuldners, etwas Bestimmtes zu tun oder zu unterlassen (a. a. O., S. 99). Insofern scheint Hoffmann die Leistungshandlung in den Mittelpunkt zu stellen. An anderer Stelle heißt es jedoch, dass die Verletzung des Substanzrechts „Forderung“ erst mit der Erfüllung entfalle und nicht bereits mit dem Anbieten der Leistung durch den Schuldner (a. a. O., S. 130), womit der Leistungserfolg in den Fokus genommen wird. 283  Vgl. zu dieser Unterscheidung Wieacker, FS Nipperdey, 1965, Bd. 1, S. 783 (788); ferner Staudinger/Schmidt, 12. Aufl. 1983, § 241 Rn. 80. 284 Vgl. Wieacker, FS Nipperdey, 1965, Bd. 1, S. 783 (784 ff.); kritisch hierzu Staudinger/ Schmidt, 12. Aufl. 1987, § 241 Rn. 73, der behauptet, der sachliche Streit um die Leistung als Gegenstand des Schuldverhältnisses habe sich überholt, da man erkannt habe, dass hinter dem Begriff verschiedene Sachfragen lägen, die es anderweitig zu lösen gelte; aufgeschlossener jedoch Staudinger/Olzen, 2019, § 241 Rn. 135, der der „Schuldverhältnisstruktur“ zumindest für erfolgsbestimmte Betätigungs- und Unterlassungspflichten nicht jegliche Relevanz absprechen möchte.

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Teil 1 – B.  Das Verhältnis der Obligation zu weiteren zentralen Begriffen

a)  Das aufwandsbezogene Verständnis des Leistungsumfangs Ein zentrales Argument der Lehre des aufwandsbezogenen Leistungsbegriffs ist die bereits ausgeführte Annahme, der Schuldner wolle sich grundsätzlich nicht zu einem gewissen Erfolg, sondern lediglich zu gewissen Handlungen verpflichten.285 Darüber hinaus baue der dem besonderen Schuldrecht zugrunde liegende Typenpluralismus auf unterschiedlichen Graden vorzunehmenden Aufwands auf.286 Zwar existierten erfolgsbezogene Vertragstypen, wie etwa der Werkvertrag.287 Ein Kaufvertrag enthalte grundsätzlich jedoch keine Bergungs- oder Beschaffungspflicht, hierfür bedürfe es vielmehr einer neuen ­causa.288 Auch zeugten die Differenzierungen nach Stück-, Vorrats- und Gattungsschuld bzw. nach Bring-, Hol- und Schickschuld von solch unterschiedlichen, zu erbringenden Anstrengungen.289 Ebenso seien die Verfasser des BGB davon ausgegangen, dass sich der Schuldner nur zu einem begrenzten Maß an Fleiß und Sorgsamkeit verpflichte.290 Zudem sprächen rechtshistorische und rechtsvergleichende Argumente für ein aufwandsbezogenes Verständnis des Leistungsbegriffs.291 Nicht zuletzt zeige das Institut des Annahmeverzugs, dass ein überobligationsmäßiger Aufwand für die Herbeiführung der Erfüllung nicht verlangt werden könne, da mit Annahmeverzug der Schuldner gem. § 304 BGB von allen Mehraufwendungen und gem. §§ 300 Abs. 2, 326 Abs. 2 S. 1 Var. 2 BGB von der Gefahrtragung befreit werde.292 Zumindest sei die Differenzierung zwischen erfolgsbezogenen und leistungsbezogenen Pflichten für die Feststellung des Beweisthemas relevant,293 weshalb teilweise auch die bruchlose Anwendung des § 280 Abs. 1 BGB auf sog.  Bemühenspflichten in Frage gestellt wird.294

285 

Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 195 f. Lobinger, a. a. O., S. 196 f.; Peres, Haftung, Zurechnung und Beweisführung bei anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit, 2012, S. 33, mit dem Beispiel der Weiterleitung einer Nachricht durch einen Bankangestellten. 287  Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 196 f. 288  Picker, in Artz/Gsell/Lorenz (Hrsg.), 10 Jahre Schuldrechtsmodernisierung, 2014, S. 1 (7). 289  Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 197 f. 290  Lobinger, a. a. O., S. 198 f. 291  Lobinger, a. a. O., S. 200 ff., insb. mit Verweis auf die Unterscheidung zwischen obligations de résultat und obligations de moyens des französischen Rechts; zu dieser Unterscheidung ausführlich unten unter Teil 2 A. III. 3. a) cc) (S. 177 ff.). 292  Lobinger, a. a. O., S. 207. 293  Peres, Haftung, Zurechnung und Beweisführung bei anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit, 2012, S. 26 f. u. 34; so auch Palandt/Grüneberg, 79. Aufl. 2020, § 280 Rn. 35 f. 294 MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, Vorb. v. § 630a Rn. 21 m. w. Nachw. 286 



III.  Die Leistungspflicht

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b)  Die erfolgsorientierte Auslegung von Leistungsversprechen Der anderen Ansicht zufolge besteht kein Bedürfnis für einen spezifisch verhaltensbezogenen Begriff der Leistung, da sich alle Leistungspflichten ohne Weiteres erfolgsbezogen verstehen ließen.295 So sei selbst bei Dienstverträgen als typischen Fall der sog. handlungsbezogenen Leistungspflichten die Vornahme der Leistungshandlung – ggf. konkretisiert um eine bestimmte, etwa anhand des subjektiven Leistungsmaßstabs296 oder der ärztlichen Kunst297 ermittelte Qualität – der geschuldete Erfolg.298 Eine solche Sichtweise sei für die Anwendung des § 362 Abs. 1 BGB auch notwendig und zudem auch auf die Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB übertragbar.299 Des Weiteren dienten Unterscheidungen nach Vertragstypen, nach Bring-, Schick- oder Holschuld bzw. nach Gattungs-, Stück- oder Vorratsschuld der Konkretisierung des geschuldeten Erfolgs, führten jedoch nicht zwingend zu einer Begrenzung des Leistungsaufwands.300 Im Übrigen seien die auf die Ansicht der BGB-Verfasser und die römischen Quellen gestützten Argumente der anderen Auffassung keineswegs überzeugend, da ihre Herleitung kritisch zu sehen sei.301 Außerdem ergebe sich das erfolgsbezogene Leistungsverständnis unmittelbar aus dem Gesetz. So sei für einen Annahmeverzug gem. §§ 293 ff. BGB erforderlich, dass der Schuldner bereits alles seinerseits Erforderliche getan hat – und dennoch führe dies eben nicht zum Erlöschen des Schuldverhältnisses, sondern eben zu den Rechtsfolgen des Annahmeverzugs.302 Ebenso sei die Rechtsfolge des § 243 Abs. 2 BGB die Konkretisierung des Schuldverhältnisses i. e. S. auf eine bestimmte Sache – und nicht das Erlöschen desselbigen.303 Des Weiteren seien bei einem aufwandsbezogenen Leistungsbegriff die meisten Gefahrtragungsvorschriften nicht erforderlich, da etwa im Falle des § 447 BGB mit Übergabe an die Transportperson der Verkäufer an sich alles seinerseits Erforderliche getan, die Leistung also erfüllt habe und damit das Schuldverhält295 Insb.

Riehm, FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 1079 (1089 f.). zur geschuldeten Qualität der Arbeitnehmerleistung MüKoBGB/Müller-Glöge, 7. Aufl. 2016, § 611 Rn. 19 ff. 297 MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, § 630a Rn. 119 ff. 298 Insb. Riehm, FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 1079 (1089 f.). 299 Insb. Riehm, a. a. O., S. 1079 (1089 ff.). 300 Vgl. Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006, S. 71 f. 301 Zum Ganzen Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006, S. 72 f. Zwar geht Sutschet auf das rechtsvergleichende Argument der Unterscheidung zwischen obligation de moyens und obligation de résultat nicht ein. Vgl. hierzu jedoch die Ausführungen unten unter Teil 2 A. III. 3. a) cc) (S. 177 ff.), aus denen deutlich wird, dass diese Unterscheidung auch in der französischen Rechtswissenschaft umstritten ist. 302  So bereits Oertmann, ZHR 1929, 356 (364). 303  Oertmann, ZHR 1929, 356 (364 f.). 296 Vgl.

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Teil 1 – B.  Das Verhältnis der Obligation zu weiteren zentralen Begriffen

nis an sich erlöschen müsste, was eine Regelung des Gefahrübergang letztlich überflüssig mache.304

c)  Stellungnahme und Veranschaulichung an der Rechtsprechung des BGH Im Ergebnis ist der Lehre vom erfolgsorientierten Leistungsbegriff zuzustimmen. Denn letztlich schließen die Parteien den Vertrag mit der Intention, einen oder mehrere bestimmte Zwecke zu erreichen. Angestrebt ist also immer die Realisierung eines neuen Zustands (bzw. die Erhaltung des status quo) als Ergebnis und nicht nur als Gegenstand einer Bemühung.305 Dies zeigen gerade eine Vielzahl der Gefahrtragungsvorschriften, die Vorschrift des § 362 Abs. 1 BGB und insbesondere auch diejenigen des Annahmeverzuges. Entgegen Lobinger wird der Schuldner mit Eintritt des Annahmeverzugs gerade nicht von jeglichem Mehraufwand befreit. Bei § 304 BGB handelt es sich um einen Anspruch auf Erstattung der tatsächlich entstandenen Mehraufwendungen.306 Die Vorschrift bezweckt also lediglich, den Schuldner nicht mit weiteren Kosten zu belasten.307 Ihr lassen sich jedoch keine Aussagen über bestehende oder nicht bestehende Pflichten des Schuldners nach Eintritt des Annahmeverzugs entnehmen, denn für den Anspruch aus § 304 BGB ist gleichgültig, ob der Schuldner die Mehraufwendungen aus eigenem Antrieb oder aufgrund einer Pflicht getätigt hat, sofern die Kosten nur objektiv erforderlich waren.308 Ein Beleg dafür, dass sich der Umfang der Leistungspflicht für den Schuldner ändern kann, findet sich vielmehr insbesondere in der Haftungsminderung des § 300 Abs. 1 BGB. Aus § 300 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass der Schuldner ggf. sehr wohl noch weitere Handlungen, wie etwa Vorkehrungen gegen die Zerstörung der Sache, vorzunehmen hat. Gem. § 300 Abs. 1 BGB hat er diese Vorkehrungen insbesondere dann zu treffen, wenn ihre Nichtvornahme grob fahrlässig erschiene. Denn im Falle grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz verliert beispielsweise der Verkäufer entgegen § 446 S. 3 BGB nicht nur mangels Zufälligkeit309 seinen Vergütungs304  305 

Oertmann, ZHR 1929, 356 (365 f.). Zutreffend auch Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004,

S. 207. 306  Anstatt aller BeckOK-BGB/Lorenz, Stand 1.5.2020, § 304 Rn. 2. 307 BeckOK-BGB/Lorenz, Stand 1.5.2020, § 304 Rn. 1. 308  So etwa MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, § 304 Rn. 1; ebenso BeckOK-BGB/Lorenz, Stand 1.5.2020, § 304 Rn. 2. Zu vorschnell wäre es, von dem Begriff Aufwendung auf die Freiwilligkeit zu schließen und deswegen jede Pflicht des Schuldners abzulehnen. Denn der Begriff Aufwendung findet beispielsweise auch in § 670 BGB Verwendung, wo jedoch das Vermögensopfer gerade „zum Zwecke der Ausführung des Auftrags“ und damit zur Erfüllung der Auftragspflicht erbracht werden muss. Auch im Falle der Aufwendung des § 670 BGB erfolgt die Aufwendung zur Erfüllung einer Pflicht, was zu dem Schluss führt, dass sich Aufwendung und Pflicht nicht gegenseitig ausschließen. 309  Dafür, dass die Zufälligkeit im Falle des Vertretenmüssens einer Partei ausgeschlossen ist und daher vom Haftungsmaßstab abhängt bspw. MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, § 446 Rn. 10.



III.  Die Leistungspflicht

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anspruch, sondern kann vom Gläubiger gem. § 280 BGB auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Der Leistungsumfang des Schuldners ist somit abhängig von den Umständen des Einzelfalles. Diese Variabilität des Leistungsumfangs scheint letztlich gerade dem Zweck zu dienen, die Verwirklichung der Obligation des Gläubigers zu gewährleisten. Das erfolgsbezogene Leistungsverständnis kann sich zudem auf die Teleologie der Beweislastverteilung im Schuldrecht stützen, welche wiederum auf das hier vertretene Obligationsverständnis zurückgeführt werden kann. Mit dem Rechtsgeschäft vereinbaren Schuldner und Gläubiger, dass der Gläubiger etwas Bestimmtes bekommen soll. Nutzen die Parteien ihre Privatautonomie nur begrenzt und beschränken sie sich bei Vertragsschluss daher auf die Festlegung der essentialia negotii, wird nicht geregelt, auf welche Weise der Gläubiger dieses Etwas bekommen soll bzw. welche Handlungen für die Realisierung der neuen Verhältnisse erforderlich sind. Mit anderen Worten: die Parteien vereinbaren gerade, dass zugunsten des Gläubigers ein Erfolg eintreten soll, während die Frage, wie dieser – durch das Gesetz hinsichtlich Leistungsort und -zeit lediglich in Eckpunkten konkretisierte – Erfolg im Detail herbeigeführt wird, der Freiheit des Schuldners überlassen bleibt. Dann jedoch soll der Gläubiger auch nur die Darlegungs- und Beweislast für das Ausbleiben des vertraglich vereinbarten Erfolges zu tragen haben, während der Schuldner darzulegen und zu beweisen hat, dass er das Ausbleiben des Erfolgs nicht zu vertreten habe.310 Bei näherer Betrachtung des Problems ergibt sich also, dass sog. handlungsbezogene Pflichten als erfolgsbezogene Pflichten verstanden werden können, dies jedoch auch umgekehrt gilt. Beispielsweise wird vertreten, die Aufgabe, eine Order zur Zeichnung eines Optionsscheins weiterzugeben, als Tätigkeitspflicht anzusehen.311 Die Weitergabe kann jedoch auch als Erfolg verstanden werden, indem bereits die Vornahme der Weiterleitung, d. h. das Absenden selbst, als Leistungserfolg angesehen wird. Andererseits wird die – nach allgemeiner Auffassung erfolgsbezogene – Pflicht zur Eigentumsverschaffung nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB vereinzelt auch handlungsbezogen verstanden, insb. etwa bei der Übertragung von Grundstücken und dies mit dem Argument, dass der Verkäufer die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch nicht selbst vornehmen könne.312 An Beispielen aus der Rechtsprechung des BGH soll dieses ambivalente Verständnis des Leistungsbegriffs einer kritischen Analyse unterzogen werden.

310 

Vgl. zum Ganzen auch Riehm, FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 1079 (1084 ff.). Mit diesem Beispiel Peres, Haftung, Zurechnung und Beweisführung bei anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit, 2012, S. 33 f. 312  BGH, Urt. v. 19.10.2007 – V ZR 211/06 = NJW 2007, 3777 (3779); kritisch zu dieser Rspr. auch Soergel/Benicke/Hellwig, 13. Aufl. 2014, § 280 Rn. 83 m. w. Nachw. in Fn. 235. 311 

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Teil 1 – B.  Das Verhältnis der Obligation zu weiteren zentralen Begriffen

aa)  Kritik am Ansatz der Rechtsprechung Gerade die BGH-Entscheidung V ZR 211/06 zeigt, dass ein handlungsbezogenes Verständnis der Eigentumsverschaffungspflicht nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB zu mehreren Verwerfungen führt. Ausgehend von einer handlungsbezogenen Eigentumsverschaffungspflicht des Immobilienverkäufers kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass es zu den Pflichten des Verkäufers gehöre, alle Hindernisse zu beseitigen, die der Umschreibung des Eigentums im Wege sind.313 Zur Begründung führt der V. Senat aus, dass der Verkäufer nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB an der Erreichung des Vertragszwecks und des Leistungserfolgs soweit mitzuwirken habe, wie dies erforderlich und zumutbar sei.314 Zunächst kann bereits die Unterscheidung zwischen der Eigentumsverschaffung von Mobilien und Immobilien nicht überzeugen. Gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 BGB ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB differenziert folglich nicht zwischen Mobilien und Immobilien und ist daher die Eigentumsverschaffungspflicht entweder generell erfolgs- oder generell handlungsbezogen zu verstehen. Darüber hinaus kann der Verkäufer streng genommen auch bei Mobilien nicht alleine das Eigentum nach §§ 929 ff. BGB übertragen, ist er hierfür doch auf das Tätigwerden des Gläubigers angewiesen, welcher zumindest eine Einigungserklärung abgeben muss.315 Der zweite Vorwurf, den sich diese Vorgehensweise gegenübersieht, gründet in dem Widerspruch, die Eigentumsverschaffungspflicht zunächst handlungsbezogen zu verstehen, um dann jedoch eine erfolgsbezogene Pflicht zur Erreichung des Vertragszwecks und des Leistungserfolgs anzunehmen. Der Widerspruch wird noch verstärkt durch die Herleitung dieser Pflicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Es erscheint wenig sachgerecht, zunächst die Erfolgsbezogenheit einer Pflicht zu verneinen, um sodann eine erfolgsbezogene Pflicht aus § 242 BGB anzunehmen, die zum selben Ergebnis führt. Die dritte Verwerfung dieses Ansatzes ergibt sich schließlich aus dem Verhältnis zu § 275 BGB und insbesondere dessen zweiten Absatz. So schränkt der BGH die Pflicht aus § 242 BGB zur Erreichung des Vertragszwecks sogleich wieder ein, indem er ausführt, der Verkäufer habe nur soweit mitzuwirken, wie dies erforderlich und ihm zumutbar ist.316 Unter „erforderlich“ ist wohl dasje313  314 

BGH, Urt. v. 19.10.2007 – V ZR 211/06 = NJW 2007, 3777 (3779). BGH, Urt. v. 19.10.2007 – V ZR 211/06 = NJW 2007, 3777 (3779); um diesem Rückgriff auf Treu und Glauben Autorität zu verschaffen, verweist der V. Senat auf BGH, Urt. v. 18.6.1971 – V ZR 45/69 = WM 1971, 1475 (1476), und somit auf eine Entscheidung, die lange vor der Schuldrechtsreform erging; bestätigt wurde diese Vorgehensweise zuletzt durch BGH, Urt. v. 13.10.2015 – X ZR 126/14 = DAR 2016, 203 (204). 315  Ebenso Soergel/Ekkenga/Kuntz, 13. Aufl. 2014, § 275 Rn. 27. 316  BGH, Urt. v. 19.10.2007 – V ZR 211/06 = NJW 2007, 3777 (3779).



III.  Die Leistungspflicht

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nige zu verstehen, was geeignet ist, den Vertragszweck bzw. Leistungserfolg zu erreichen, und nicht durch einfachere Mittel ersetzt werden kann.317 Was hingegen „zumutbar“ ist, wird vom BGH nicht weiter ausgeführt. Letztlich müsste für die Anwendung dieses Begriffs auf allgemeine Verhältnismäßigkeits- und Zumutbarkeitserwägungen zurückgegriffen werden. Diese Erwägungen finden jedoch bereits durch § 275 Abs. 2 BGB Berücksichtigung und werden vor allem auch in dieser Vorschrift konkretisiert, so dass es eines Rückgriffs auf den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB nicht bedarf. Noch schwerer wiegt hingegen, dass § 275 Abs. 2 BGB bei einem handlungsbezogenen Leistungsverständnis ohne Verrenkungen nicht angewandt werden kann. Bei § 275 Abs. 2 BGB geht es um das Verhältnis des Leistungsinteresses des Gläubigers zu dem zu erbringenden Aufwand des Schuldners. Im Lichte des hier vertretenen Obligationsbegriffes bezieht sich das Leistungsinteresse des § 275 Abs. 2 BGB auf das Bekommensollen des Gläubigers in Form der Realisierung bzw. Aufrechterhaltung eines Zustandes, d. h. maßgeblich ist zunächst das Interesse des Gläubigers an der Naturalerfüllung.318 Dieser gewissermaßen umfassenden Obligation ist das allgemeine Interesse des Schuldners an einem insgesamt so geringen Aufwand wie möglich gegenüberzustellen. Deshalb, wegen des Wortlauts („die Leistung“, „einen Aufwand“) und wegen des Umstands, dass § 275 Abs. 2 BGB ab dem Moment des Vertragsschlusses zur Anwendung kommen kann319, ist bei § 275 Abs. 2 BGB auf Schuldnerseite der Gesamtaufwand zu berücksichtigen. Eine solche Gegenüberstellung der Maximalbeträge von Obligation und Gesamtaufwand ist jedoch nicht möglich, wenn man mit dem BGH im konkreten Ausgangsfall einerseits die Erfüllung der Eigentumsverschaffungspflicht und andererseits die Nichterfüllung einer Pflicht zur Mitwirkung am Vertragszweck bzw. Leistungserfolg annehmen möchte. Vielmehr müsste der BGH bei wortlautgetreuer Anwendung des § 275 Abs. 2 BGB die Pflicht zur einzelnen Mitwirkungshandlung („die Leistung“) dem entsprechenden Interesse an dieser Mitwirkungshandlung („dem Leistungsinteresse“) gegenüberstellen, sodass eine Abwägung zwischen der Obligation und dem Gesamtaufwand nicht stattfände. Als Folge ergäbe sich, dass sich der Schuldner auf § 275 Abs. 2 BGB berufen könnte, weil der Aufwand einer einzelnen Mitwirkungshandlung das Interesse des Gläubigers an dieser übersteigt bzw. – wenn das Interesse des Gläubigers an der einzelnen Leistungshandlung den einzelnen Leistungsaufwand stets überwiegt – er sich gerade nicht auf § 275 Abs. 2 BGB berufen könnte, selbst wenn der Gesamtaufwand im groben Missverhältnis zur Obligation steht. 317 In Anlehnung an die „Erforderlichkeit“ im Notwehrrecht, vgl. dort etwa BeckOKBGB/Dennhardt, Stand 1.5.2020, § 227 Rn. 14, oder auch an die „Erforderlichkeit“ bei § 670 BGB, vgl. hierzu Staudinger/Martinek/Omlor, 2017, § 670 Rn. 13. 318  Im Erg. auch MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, § 275 Rn. 83. 319  Mit diesen weiteren Argumenten bereits MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, § 275 Rn. 88.

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Teil 1 – B.  Das Verhältnis der Obligation zu weiteren zentralen Begriffen

Als weiteres Beispiel für die Probleme, die ein solches ambivalentes Verständnis des Leistungsbegriffs verursacht, kann die Rechtsprechung zur Fristwahrung bei §§ 281, 323 BGB herangezogen werden. Nach ganz h. M. bemisst sich die Angemessenheit der Nachfrist aus ihrem Zweck, der darin bestehe, es dem Schuldner zu ermöglichen, seine „begonnene Erfüllung zu vollenden“.320 Dem Zweck der Nachfrist und der Bestimmung einer angemessenen Länge liegt demnach ein erfolgsorientierter Leistungsbegriff zugrunde. Für die Einhaltung der angemessenen Frist ist jedoch nach ständiger Rechtsprechung des BGH ausreichend, wenn der Schuldner die erforderliche Leistungshandlung vor Ablauf der Nachfrist vornimmt.321 Der sich daraus ergebende Widerspruch wurde bereits überzeugend herausgearbeitet,322 die Kritik blieb jedoch ohne größere Resonanz.323

bb)  Die Anwendung des erfolgsbezogenen Verständnisses auf die genannten Beispiele Alle Verwerfungen und Unsicherheiten, die die Entscheidung V ZR 211/06 hervorruft, ließen sich allerdings vermeiden, wenn die Eigentumsverschaffungspflicht des Verkäufers aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB erfolgsbezogen aufgefasst und auf dieses einheitliche, erfolgsbezogene Pflichtverständnis § 275 BGB an320  So bereits RGZ 89, 123 (125); BGH, Urt. v. 18.1.1973 – VII ZR 183/70 = BeckRS 1973, 31124418; BGH, Urt. v. 10.2.1982 – VIII ZR 27/81 = NJW 1982, 1279 (1280); wegen der Mehrdeutigkeit des Leistungsbegriffs weniger deutlich BGH, Urt. v. 21.6.1985  – V ZR 134/84 = NJW 1985, 2640 (2640); vgl. auch Soergel/Gsell, 13. Aufl. 2005, § 323 Rn. 81; ferner Höpfner, NJW 2016, 3633 (3637). 321 BGH, Urt. v. 6.2.1954 – II ZR 176/53 = NJW 1954, 794 (794 f.); BGH, Urt. v. 15.4.1959 – V ZR 21/58 = NJW 1959, 1176 (1176); zustimmend die Literatur zu § 281 BGB, vgl. etwa MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, § 281 Rn. 48; BeckOK-BGB/Lorenz, Stand 1.5.2020, § 281 Rn. 21; differenzierend hingegen Soergel/Gsell, 13. Aufl. 2005, § 323 Rn. 87 f., wonach die Leistungshandlung maßgeblich sei, sofern der Vertrag nichts anderes vorsähe; differenzierend auch Soergel/Benicke/Hellwig, 13. Aufl. 2014, § 281 Rn. 134 ff., die auf den Inhalt der Fristsetzung abstellen; nicht mehr zu überzeugen vermag jedenfalls die Begründung der Entscheidung II ZR 176/53: abgesehen davon, dass es nach hier vertretener und sogleich noch auszuführender Auffassung für den Schuldnerverzug auf den Leistungserfolg ankommt, kann die Leistungsbewirkung beim Versendungskauf auch im Erhalt der Sache gesehen werden (hierzu bereits BGHZ 1, 4 [6]) und wird die Angemessenheit der Nachfrist jedenfalls heute nach Eintritt des Leistungserfolgs bestimmt (siehe auch die Nachw. in Teil 1 Fn. 320; vgl. zur Heranziehung der Entscheidung RGZ 68, 329 [333] auch bereits die Kritik von Kornblum, BB 1963, 291 [292]). 322  Kornblum, BB 1963, 291 (292 ff.). 323 Palandt/Grüneberg, 79. Aufl. 2020, § 323 Rn. 16; NK-BGB/Dauner-Lieb/Dubovit­ skaya, 3. Aufl. 2016, § 323 Rn. 20: „regelmäßig“ Zeitpunkt der Leistungshandlung maßgeblich; vgl. jedoch Woitkewitsch, MDR 2004, 862 (863), der die Rechtsprechung des BGH dahingehend verstehen möchte, dass es nur dann auf die rechtzeitige Leistungshandlung ankomme, wenn der Leistungserfolg denn auch automatisch eintrete; nach dem Vertragsinhalt differenzierend Soergel/Gsell, 13. Aufl. 2005, § 323 Rn. 88 m. w. Nachw.; auf den Inhalt der Fristsetzung stellen ab Soergel/Benicke/Hellwig, 13. Aufl. 2014, § 281 Rn. 134 ff.



III.  Die Leistungspflicht

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gewendet wird. Erstens ermöglicht dies eine einheitliche Auslegung des § 433 Abs. 1 S. 1 BGB auf Mobilien und Immobilien. Zweitens erübrigt sich die künstlich anmutende Schaffung einer weiteren Pflicht aus § 242 BGB. Drittens kann anstelle eines eigenständigen Maßstabs aus § 242 BGB der gesetzliche Maßstab aus § 275 Abs. 2 BGB angewandt werden.324 Zwar mag auch § 275 BGB mit Auslegungsschwierigkeiten belastet sein. Dies dürfte jedoch auf jede Abwägungsnorm zutreffen. Darüber hinaus erscheint die mit § 275 BGB verbundene Rechtsunsicherheit überschaubar und insbesondere im Vergleich zu einer Anwendung des § 242 BGB als vernachlässigbar gering. Auch der Widerspruch hinsichtlich der Angemessenheit einer Fristsetzung einerseits und der Einhaltung der Frist andererseits ließe sich auflösen, wenn sowohl bei Bemessung der Angemessenheit als auch bei der Frage der Einhaltung der Frist auf den Leistungserfolg abgestellt würde. Im Ergebnis dürften sich keine wesentlichen Unterschiede zur herrschenden Meinung ergeben: da der Schuldner zufällige Verzögerungen des Leistungserfolgs per definitionem nicht zu vertreten hat, ist ein Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB und der Verzug gem. § 286 Abs. 4 BGB ausgeschlossen. Eine zufällige Verzögerung hätte der Schuldner nur nach Maßgabe des § 287 S. 2 BGB zu vertreten. Selbst wenn Fälligkeit und Mahnung zeitlich zusammenfallen, kommt der Schuldner nach überzeugender Auffassung325 jedoch erst nach Ablauf eines Zeitraums, der für eine ordnungsgemäße Leistungserbringung erforderlich ist, was nichts anderes bedeuten dürfte als nach Ablauf einer angemessenen Frist, in Verzug. Den Schuldner trifft demnach das Verzögerungsrisiko einzig hinsichtlich der Möglichkeit eines Rücktritts. Diese Gefahr dürfte sich angesichts der Tatsache, dass der Rücktritt gem. § 349 BGB erst noch einer empfangsbedürftigen326 Erklärung des Gläubigers bedarf, zumindest bei kurzen Verzögerungen nur selten realisieren.327 Selbstredend beseitigt das erfolgsbezogene Verständnis nicht alle Probleme restlos, sondern wirft teils neue auf. Insbesondere muss natürlich der Leistungserfolg genau bestimmt werden. So ist in dem Beispiel der Übermittlung einer Order zur Zeichnung eines Optionsscheins fraglich, ob der Erfolg im bloßen Inverkehrbringen der Order besteht oder im Zugang der Order beim nächsten Empfänger. Dies ist jedoch durch Auslegung zu bestimmen. In diesem Beispiel dürfte im Zweifel das bloße Inverkehrbringen geschuldet sein, da das Interesse 324  Zuzustimmen ist daher BGH, Urt. v. 20.9.2019 – V ZR 258/18 = NZM 2020, 67 (70), wo § 275 Abs. 1 u. Abs. 2 BGB auf die Pflicht zur Eigentumsverschaffung einer Immobilie angewandt wird. 325 So Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, 1999, S. 456 ff.; zustimmend etwa Soergel/Benicke/Nalbantis, 13. Aufl. 2014, § 286 Rn. 74 m. w. Nachw. in Fn. 325. 326  Anstatt aller PWW/Stürner, 14. Aufl. 2019, § 349 Rn. 1. 327  Dies muss zumindest dann gelten, wenn man mit der überzeugenden Auffassung das Rücktrittsrecht mit der späteren Erfüllung des Anspruchs als beseitigt ansieht, vgl. MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, § 323 Rn. 170 ff. m. w. Nachw.

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Teil 1 – B.  Das Verhältnis der Obligation zu weiteren zentralen Begriffen

des Gläubigers durch die Annahme einer Aufklärungspflicht nach § 241 Abs. 2 BGB gewahrt werden kann, die darin besteht, den Gläubiger über Anhaltspunkte in Kenntnis zu setzen, die auf das Ausbleiben der Weiterleitung der Order schließen lassen.328

d) Zwischenergebnis Als Ergebnis ist festzuhalten, dass alle Leistungsversprechen erfolgsbezogen formuliert werden können und der Schuldner somit ausnahmslos einen Erfolg schuldet. Der geschuldete Erfolg, d. h. der Leistungserfolg, ist dabei das Bekommensollen in Natur als die wichtigste Form der Obligationserfüllung. Ausgehend vom Obligationsbegriff und wegen der Notwendigkeit, § 275 BGB umfassend auf das gesamte Leistungsinteresse des Gläubigers und den gesamten Aufwand des Schuldners anzuwenden, verbietet sich zugleich die letztlich künstliche Aufspaltung in verschiedene einzelne Leistungspflichten. Damit hat der Schuldner grundsätzlich einen gewissen Erfolg zu erbringen – und sei es ggf. nur die Vornahme einer Handlung. Je nach Inhalt der vertraglichen Vereinbarung kann dieser Erfolg sehr konkret vereinbart sein oder sehr abstrakt nur den mit dem Vertragstyp beabsichtigten Erfolg vorsehen. Sofern die Parteien die Grenzen der Leistungspflicht nicht selbst genau bestimmt haben, ist die Erfüllung des Erfolgs bis zu den Grenzen des § 275 Abs. 2 BGB geschuldet. Es handelt sich bei § 275 Abs. 2 BGB demnach um die ausnahmsweise Befreiung von einer als solcher bereits feststehenden Verbindlichkeit, wofür die Kriterien der Unverhältnismäßigkeit und der Unzumutbarkeit die richtigen Anknüpfungspunkte sind.329

2.  Das Verhältnis der Leistungspflicht zur Obligation Dieses Verständnis des Leistungsbegriffs kann sodann der Obligation gegenübergestellt werden. Der Schuldner schuldet einen bestimmten Erfolg, der auf der Seite des Gläubigers der Obligation entspricht, also dem, was der Gläubiger bekommen soll. Die zur Obligation festgestellten Ergebnisse lassen sich daher entsprechend auf die Leistungspflicht des Schuldners übertragen. Der Schuldner soll vorrangig in natura erfüllen, kann aber unter bestimmten Voraussetzungen auch mittels Surrogate den Leistungserfolg bewirken.330 Letztlich soll der Schuldner den Leistungserfolg beim Gläubiger herbeiführen, er muss dies jedoch nicht. Weigert er sich, wird der Erfolg im Wege der Zwangsvollstreckung 328 Vgl.

als weiteres Beispiel die Rechtsprechung zum Life-Coaching mittels Kartenlegens: BGH, Urt. v. 13.1.2011 – III ZR 87/10 = NJW 2011, 756 (757), wonach eine Lebensberatung mithilfe „magischer“ Kräfte von einer gewöhnlichen Lebensberatung und einer jahrmarktähnlichen Unterhaltung zu unterscheiden ist. 329  Dies wird sogar anerkannt von Lobinger, GPR 2008, 262 (264 f.)). 330  Vgl. zur Erfüllung der Obligation mittels Surrogats oben unter A. III. 3. (S. 40 ff.).



III.  Die Leistungspflicht

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bzw. durch Dritte bzw. in den Grenzen der §§ 228 ff. BGB auch durch Selbsthilfe herbeigeführt. Insofern bringt der hiesige Leistungsbegriff allerdings noch keinen Mehrwert. Erst die Unterscheidung zwischen Leistungshandlung und Leistungserfolg eröffnet im Vergleich zur Gläubigerseite eine zweite Parallele. Während die Obligation auf Gläubigerseite das Bekommensollen darstellt und der Anspruch als Vehikel für die Erreichung des Gläubigerinteresses dient, kann auf Schuldnerseite der Leistungserfolg als Verschaffensollen angesehen werden, wobei die Leistungshandlung als eine Form der Erreichung dieses Verschaffensollen dient. Für das Bekommensollen und Verschaffensollen ist die Handlung des Schuldners zweitrangig. Bei Anspruch und Leistungshandlung steht sie hingegen im Mittelpunkt. Diese Überlegungen führen schließlich dazu, sich des häufig vertretenen Dualismus aus Anspruch und Verbindlichkeit331 zu entledigen, der letztlich deswegen zu kurz greift, weil er die Dimensionen des Bekommensollens und des Verschaffensollens unberücksichtigt lässt. Es stellen gerade nicht Anspruch und Leistungspflicht im Sinne eines Leistungserfolgs dieselbe Situation aus der Perspektive des Gläubigers und des Schuldners dar. Vielmehr verhalten sich Bekommensollen und Bewirkensollen des Leistungserfolgs wie Bild und Spiegelbild, während Anspruch und Leistungshandlung als durch die Rechtsordnung anerkannte Vehikel anzusehen sind, um Bild und Spiegelbild zusammenzuführen. Wie noch zu zeigen sein wird, lassen sich die Vorstellungen des Gesetzgebers tatsächlich besser verwirklichen, wenn zwischen Leistungserfolg und Leistungshandlung differenziert wird.332

3. Fazit Nach hiesigem Verständnis der zwischen Gläubiger und Schuldner bestehenden Rechtsbeziehung verpflichtet sich der Schuldner zu einem Leistungserfolg. Die Leistungspflicht ist damit auf die Herbeiführung eines Erfolgs gerichtet. 331  Bedauerlicherweise besteht keine Einigkeit über die Terminologie dieses Dualismus. Den im Folgenden für diesen Dualismus angeführten Nachweisen ist jedoch gemeinsam, dass sie das Recht auf eine Handlung dem Leistensollen oder dem Leistungserfolg gegenüberstellen: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, 1989, S. 30; Bucher, FS Wiegand, 2005, S. 93 (99 f.): „Der Vorstellung der Pflicht steht jene des Rechts gegenüber […]. Recht und Pflicht bezeichnen so gesehen dieselbe Sache, sind die beiden Seiten der gleichen Münze.“ (Herv. i. Orig.); dazu, dass mit dem Begriff Forderung lediglich der schuldrechtliche Anspruch gemeint ist, ebenfalls Looschelders, Schuldrecht AT, 17. Aufl. 2019, § 1 Rn. 8 f.; MüKoBGB/Bachmann, 8. Aufl. 2019, § 241 Rn. 6: „Kehrseite der Forderung ist die ‚Schuld‘ oder – synonym – die ‚Verbindlichkeit‘“; Palandt/Grüneberg, 79. Aufl. 2020, Einl. v. § 241 Rn. 3: „[…] die Forderung, und als ihre Kehrseite die Leistungspflicht […]“; kritisch und damit das Forderungsrecht vom Leistensollen bzw. dem Leistungserfolg isolierend Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung, 2006, S. 64; mit diesem Ergebnis auch Soergel/Gsell, 13. Aufl. 2014, § 311a Rn. 6 „halbseitige Leistungspflicht“; ferner Riehm, FS Canaris, 2017, S. 345 (351 ff.). 332  Unten unter C. II. (S. 97 ff.) und III. (S. 120 ff.).

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Teil 1 – B.  Das Verhältnis der Obligation zu weiteren zentralen Begriffen

Dieses Grundverständnis des rechtlichen Bandes zwischen Schuldner und Gläubiger darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Leistungsbegriff im BGB sowie die Begriffe Schuldverhältnis, Forderung und Anspruch, nicht einheitlich verwendet werden.333 Als Beleg hierfür sei § 362 BGB dem Wortlaut des § 269 BGB gegenübergestellt. Während bei § 362 Abs. 1 BGB „geschuldete Leistung“ den Leistungserfolg meint,334 wird für § 269 BGB nicht in Frage gestellt, dass dort unter „Ort für die Leistung“ der Ort der Leistungshandlung zu verstehen ist.335 Als weitere Beispiele können § 242 BGB und § 812 BGB herangezogen werden: In Anbetracht der vielfältigen und umfassenden Wirkungsweise des § 242 BGB kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, dass die Anforderungen von Treu und Glauben gewissermaßen für das gesamte Verhalten des Schuldners (und auch des Gläubigers) gelten und nicht bloß hinsichtlich des Leistungserfolgs oder der -handlung.336 Bei § 812 BGB besteht schließlich die Besonderheit, dass hier die bereits erbrachte Leistung und nicht wie im Allgemeinen Teil des Schuldrechts337 die erst noch zu erbringende Leistung Tatbestandsmerkmal ist und daher weniger Leistungshandlung und -erfolg als vielmehr der Leistungszweck ins Zentrum der Betrachtung rückt.338 Schließlich wird Leistung auch häufig als Synonym für die Naturalerfüllung verwendet, etwa wenn vom „Schadensersatz statt der Leistung“ die Rede ist.339 Es wird Aufgabe der weiteren Untersuchung sein, für einzelne Vorschriften des Allgemeinen Teils des Schuldrechts herauszuarbeiten, was mit dem Begriff 333 

Henke, Die Leistung, 1991, S. 43 ff. vieler Wieacker, FS Nipperdey, 1965, Bd. 1, S. 783 (784, 786 f. und insb. 790 f.); a. A.  Henke, Die Leistung, 1991, S. 48 ff., der annimmt, ein Leistungserfolg ohne Leistungshandlung sei nicht denkbar. 335  Ausdrücklich anstatt vieler und unter Verweis auf eine Doppeldeutigkeit des Leistungsbegriffs MüKoBGB/Krüger, 8. Aufl. 2019, § 269 Rn. 2 m. w. Nachw.; vgl. ferner Wieacker, FS Nipperdey, 1965, Bd. 1, S. 783 (796 f.); a. A. wiederum Henke, Die Leistung, 1991, S. 54 ff.: der Schuldner sei selbst bei der Schickschuld wenn nötig zu Leistungshandlungen am Erfolgsort verpflichtet, weil es sich bei der Schickschuld um eine in ihren Anforderungen gemilderte Bringschuld handele. Selbst diese Überlegungen vermögen die mögliche, zumindest gedankliche Trennung von Leistungshandlung und Leistungserfolg nicht zu beseitigen. Abgesehen davon ist der „Normalfall“ der Schickschuld nun einmal, dass der Schuldner die Leistungshandlung bei sich vornimmt und der Leistungserfolg beim Gläubiger eintritt. 336  Wie hier für das Verhalten des Schuldners Wieacker, FS Nipperdey, 1965, Bd. 1, S. 783 (784), der jedoch allgemein zwischen Leistungserfolg einerseits und Verhalten des Schuldners andererseits differenziert; ferner BeckOGK-BGB/Kähler, Stand 1.3.2020, § 242 Rn. 118 ff., der auf den zu engen Wortlaut hinweist (zugleich zum Willen des Gesetzgebers, den § 242 BGB weit auszulegen); a. A. BGH, Urt. v. 6.2.1954 – II ZR 176/53 = NJW 1954, 794; Kornblum, BB 1963, 291 (292 li. Sp.): lediglich die Leistungshandlung sei gemeint. 337  Damit sind hier die §§ 241–432 BGB gemeint. 338  Ausdrücklich MüKoBGB/Schwab, 7. Aufl. 2017, § 812 Rn. 47: „Das alles Entscheidende am Leistungsbegriff ist die Zweckbestimmung“. 339  Exemplarisch BT-Drs. 14/6040, S. 135 (li. Sp.); auf die Naturalerfüllung wird vermutlich auch abgezielt, wenn die Begründung ebendort ausführt, dass eine Nebenpflicht nicht leistungsbezogen sein könne; ähnlich auch a. a. O., S. 136 (re. Sp.) wo es heißt, der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung trete an die Stelle des Anspruchs „auf die Leistung“. 334 Anstatt



IV.  Die Pflichtverletzung

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der Leistung gemeint ist.340 Der gedankliche Ausgangspunkt soll wegen der Erfolgsbezogenheit der Obligation dabei stets der Begriff des Leistungserfolgs341 sein und wird nur dann von diesem abgewichen, wenn dieser aufgrund systematischer, teleologischer oder historischer Erwägungen keine Anwendung finden kann.

IV.  Die Pflichtverletzung Im Lichte der soeben getroffenen Ausführungen zum Begriff der Leistung ist unter Pflichtverletzung aus Schuldnersicht zunächst die Nichterreichung des vereinbarten Leistungserfolgs zu verstehen und von dieser Auslegung nur dann abzuweichen, wenn systematische, historische oder teleologische Argumente für ein anderes Verständnis sprechen. Spiegelbildlich, aus dem Blickwinkel des Gläubigers betrachtet, ist die Pflichtverletzung vorerst als die Nichterfüllung der Obligation aufzufassen. Im Folgenden soll untersucht werden, ob dieses Verständnis des Pflichtverletzungsbegriff der Konzeption des Gesetzgebers entspricht (1.) und ob dieses Verständnis Allgemeingültigkeit beanspruchen kann oder doch Ausnahmen hingenommen werden müssen (2.).

1.  Die Pflichtverletzungskonzeption des Gesetzgebers und der herrschenden Literatur Nach der Idee des Gesetzgebers der Schuldrechtsreform stellt die Pflichtverletzung den Zentralbegriff des allgemeinen Leistungsstörungsrechts dar, wobei für eine Pflichtverletzung der objektive Verstoß gegen eine Pflicht ausreiche.342 Die Frage, ob dieser Pflichtverstoß dem Schuldner vorzuwerfen ist, sei ebenso gleichgültig343 wie die Fragen nach den Gründen und Folgen der Pflichtverletzung.344 Auch die Nichtleistung wegen Unmöglichkeit und die Nichtleistung bei Verzug stellten Pflichtverletzungen dar.345 „Nichterfüllung“ sei nur ein anderes Wort für Pflichtverletzung,346 und auch übertrage die Pflichtverletzung 340  Zutreffend erscheint es daher, von einer Homonymie des Leistungsbegriffs auszugehen: so bereits Staudinger/Schmidt, 12. Aufl. 1983, § 241 Rn. 76, wonach der Ausdruck „Leistung“ im BGB keinen einheitlichen Sachverhalt bezeichne, sondern für verschiedene Sachverhalte stehe. 341  Wohl ebenso bei § 281 BGB etwa Staudinger/Schwarze, 2019, § 281 Rn. B 12. 342  BT-Drs. 14/6040, S. 92 (re. Sp.); BT-Drs. 14/7052, S. 174. 343 Ausdrücklich betont bei BT-Drs. 14/6040, S. 134 (li. Sp.); BT-Drs. 14/7052, S. 174 (re. Sp.). 344  BT-Drs. 14/6040, S. 92 (re. Sp.); BT-Drs. 14/7052, S. 174 (re. Sp.). 345  BT-Drs. 14/6040, S. 92 (re. Sp.); BT-Drs. 14/7052, S. 174 (re. Sp.). 346  BT-Drs. 14/6040, S. 92 (re. Sp.) u. S. 134 (li. Sp.); BT-Drs. 14/7052, S. 174 (re. Sp.); für den Begriff der Nichterfüllung insb. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, 1999, S. 2 ff.; gegen den Begriff der Nichterfüllung Diederichsen, AcP 182 (1982), 101 (117 ff.); vermittelnd Harke, JR 2006, 485 (insb. 488 f.); allgemein kritisch zu einem solchen Generaltatbestand Schapp, JZ 2001, 583 (insb. 584), der bei Verwendung eines Generaltatbestands jedenfalls den Begriff der

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Teil 1 – B.  Das Verhältnis der Obligation zu weiteren zentralen Begriffen

den Begriff „Vertragsverletzung“ in die Systematik des Bürgerlichen Gesetzbuches.347 Es genüge, dass der Schuldner die ihm nach dem Vertrage obliegende Leistung nicht erbringe.348 Letztlich fasse der Begriff Pflichtverletzung die drei typischen Hauptfälle der Leistungsstörung – die Unmöglichkeit, den Verzug und die Schlechterfüllung – zusammen, da alle drei die Gemeinsamkeit einer jeden Leistungsstörung teilten, die darin bestehe, dass der Schuldner mit seinem Leistungsergebnis hinter dem zurückbleibe, was das Schuldverhältnis erfordere.349 Jede Leistungsstörung zeichne sich aus durch das Zurückbleiben der erbrachten Leistung hinter dem geschuldeten Soll des Vertrags oder sonstigen Schuldverhältnisses.350 All diese Ausführungen des Gesetzgebers können erfolgsbezogen verstanden werden. Die Pflichtverletzung umschriebe dann das Nichterreichen der Obligation, d. h. die Situation, in der der Gläubiger nicht das bekommen hat, was er bekommen soll. Mit anderen Worten: die Pflichtverletzung meint ein rechtlich erhebliches Abweichen des Ist-Zustands vom Soll-Zustand.351 Wie diese Abweichung zustande kam und welche Rechtsfolgen daran anzuknüpfen sind, spielt für die Feststellung der Pflichtverletzung keine Rolle. Allerdings finden sich in der Gesetzesbegründung auch Formulierungen, die diese Schlussfolgerung in Frage ziehen. So heißt es an anderer Stelle, dass § 280 Abs. 1 S. 1 BGB mit Pflichtverletzung nur ein objektiv nicht dem Schuldverhältnis entsprechendes Verhalten des Schuldners meine.352 Demnach könnte man geneigt sein, dass Verhalten des Schuldners ins Zentrum des Pflichtverletzungsbegriffs zu rücken. Diese Aussage wird jedoch unmittelbar im Anschluss wieder relativiert, wenn ausgeführt wird, die Pflichtverletzung bei Unmöglichkeit und Verzug bestehe darin, dass die geschuldete Leistung nicht bzw. nicht pünktlich erbracht werde.353 Zwar kann auch dieser Satz verhaltensbezogen verstanden werden, indem das Nichterbringen hervorgehoben wird. Allerdings kann wegen der Verwendung des Passivs auch angenommen werden, dass das Ergebnis entscheidend ist, nämlich der Zustand des nichteingetretenen Leistungserfolgs. Ein weiterer Anhaltspunkt für ein erfolgsbezogenes Verständnis „Störung des Schuldverhältnisses i. w. S.“ für vorzugswürdig erachtet (S. 584 f.); zutreffend weist Huber, ZIP 2000, 2273 (2279) darauf hin, dass auch der Begriff der Erfüllung doppeldeutig ist, weil er die Leistungshandlung ebenso wie den Leistungserfolg meinen kann, und dass dies logischerweise ebenso für die Nichterfüllung als sein kontradiktorisches Gegenteil gilt. 347  BT-Drs. 14/6040, S. 133 f. 348  BT-Drs. 14/6040, S. 93 (li. Sp.); BT-Drs. 14/7052, S. 175 (li. Sp.). 349  BT-Drs. 14/6040, S. 134 (re. Sp.). 350  BT-Drs. 14/6040, S. 134 (re. Sp.), ferner S. 208 (re. Sp.): „eine Pflichtverletzung bzw. nicht vertragsgemäße Leistung“. 351  Im Ergebnis ebenso Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, 1999, S. 4 ff.; ferner etwa Staudinger/Schwarze, 2019, § 280 Rn. C 3; in diese Richtung auch Schapp, JZ 2001, 583 (584 ff.) mit dem Begriff der „Störung des Schuldverhältnisses i. w. S.“. 352  BT-Drs. 14/6040, S. 135 (re. Sp.). 353  BT-Drs. 14/6040, S. 135 f.



IV.  Die Pflichtverletzung

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des Pflichtverletzungsbegriffs findet sich in einem Vergleich zum französischen Recht, bei welchem die Pflichtverletzung mit der „inexécution“354, also der Nichtausführung bzw. Nichterfüllung, gleichgesetzt wird.355 Auch die herrschende Literatur geht davon aus, dass der Pflichtverletzungsbegriff zumindest bei Leistungspflichten als von jeglicher Verhaltenskomponente befreit zu verstehen ist.356 Für diese Auffassung wird insbesondere der Wille des Gesetzgebers hinsichtlich des Begriffsverständnisses357 und der Beweislastverteilung358 sowie der Schutz der durch den Vertrag definierten Leistungserwartung des Gläubigers359 angeführt. Auch könne nur ein verhaltensbefreiter Pflichtverletzungsbegriff das Zusammenwirken von § 275 BGB und § 280 BGB erklären: während die „Verletzung“ einer nach § 275 BGB bereits ausgeschlossenen Pflicht schwer vorstellbar sei, führe bei objektiviertem Verständnis die Rechtsfolge des § 275 Abs. 1–3 BGB zum Ausschluss der Erfüllung der Leistungspflicht und perpetuiere damit die in der Nichterfüllung liegende objektive Pflichtverletzung i. S. d. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB.360 Die Konzeption des Reformgesetzgebers und der herrschenden Literatur scheint mit den bisherigen Ergebnissen dieser Untersuchung in Einklang zu stehen. Nach der hiesigen Auffassung ist im Lichte der Obligation stets ein Erfolg geschuldet. Deshalb ist der Begriff Leistungspflicht grundsätzlich erfolgsbezogen zu verstehen, es sei denn die Auslegung einer Vorschrift ergibt für diese etwas anderes. Bei § 280 Abs. 1 BGB entspricht ein erfolgsbezogenes Verständnis jedoch der gesetzgeberischen Konzeption der Pflichtverletzung als Begriff für das objektive Ausbleiben des Leistungserfolgs. Demnach ist ein bestimmtes Verhalten des Schuldners für die Feststellung der Pflichterfüllung ebenso wenig zu berücksichtigen wie für die Feststellung der Pflichtverletzung. Eine Pflicht354  Ausführlich zum Begriff der inexécution 355  BT-Drs. 14/6040, S. 181 (re. Sp.).

unten Teil 2 B. III. (S. 202 ff.).

356  Gsell, FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 337 (338 f.); Riehm, FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 1079 (insb. 1083, 1092, 1095); Benicke/Hellwig, NJW 2014, 1697 (1697 f.); MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, § 280 Rn. 19; BeckOK-BGB/Lorenz, Stand 1.5.2020, § 280 Rn. 11 ff.; Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, 1999, S. 6 f., der dennoch den Begriff der Nichterfüllung für vorzugswürdig hält; vgl. ferner für ein „verhaltensbefreites“ Verständnis und allgemein zur Debatte um den Pflichtverletzungsbegriff jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen Soergel/Benicke/Hellwig, 13. Aufl. 2014, § 280 Rn. 66 ff.; BeckOGK-BGB/Riehm, Stand 1.2.2020, § 280 Rn. 2 ff. m. w. Nachw.; kritisch etwa NK-BGB/Dauner-Lieb, 3. Aufl. 2016, § 280 Rn. 1, 27 ff.: „‚Sammelbegriff‘ ohne eigenständigen, subsumtionsfähigen Inhalt“. 357  BT-Drs. 14/6040, S. 92 u. 135 f.; darauf abstellend etwa Gsell, FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 337 (338 f.); Soergel/Benicke/Hellwig, 13. Aufl. 2014, § 280 Rn. 76; dies., NJW 2014, 1697 (1698). 358 BT-Drs. 14/6040, S. 136; so etwa Riehm, FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 1079 (1083); Soergel/Benicke/Hellwig, 13. Aufl. 2014, § 280 Rn. 80 m. w. Nachw. 359 Ausdrücklich Riehm, FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 1079 (1096). 360  Benicke/Hellwig, NJW 2014, 1697 (1698); vgl. auch die Ausführungen bei Huber, AcP 210 (2010), 319 (334), wonach § 275 Abs. 1 BGB nur die Pflicht zur Erfüllung in Natur ausschließe, nicht jedoch die Vertragspflicht im Sinn des vertraglichen Pflichtenprogramms.

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Teil 1 – B.  Das Verhältnis der Obligation zu weiteren zentralen Begriffen

verletzung liegt immer dann vor, wenn von dem Bekommensollen der Obligation abgewichen wird. Als Ausgangspunkt zur Bestimmung der objektiven Pflichtverletzung ist folglich immer auf die aufgrund des Schuldverhältnisses i. S. d. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB berechtigte Erwartung des Gläubigers abzustellen, mithin also darauf, was dieser bekommen soll und damit auf die Obligation. Entsprechen die tatsächlichen Umstände nicht dem, was der Gläubiger kraft des Schuldverhältnisses bekommen soll, liegt also nicht nur eine objektive Pflichtverletzung, sondern zugleich ein Verstoß gegen die Obligation vor.

2.  Ausnahmen vom erfolgsbezogenen Pflichtverletzungsbegriff? – kritische Analyse einiger verhaltensbezogener Konzeptionen der Pflichtverletzung Dieses erfolgsorientierte Verständnis des Pflichtverletzungsbegriffs wird in der Literatur teilweise abgelehnt oder relativiert.361 So bezeichnet beispielsweise Schwarze die Erfüllung des Leistungsanspruchs, und damit den Leistungserfolg, als gedanklichen Ausgangspunkt für die Feststellung einer Pflichtverletzung: zutreffend führt ders. aus, dass die Nichterfüllung bei einer geschuldeten Handlung in deren Nichtvornahme besteht und bei einem geschuldeten Erfolg in dessen Nichtherbeiführung.362 Allerdings möchte Schwarze darüber hinaus zwischen Nichtleistung und Nichterfüllung differenzieren, etwa wenn das Ausbleiben des Leistungserfolgs auf der unzureichenden Mitwirkung des Gläubigers beruht, oder auf der Realisierung der dem Gläubiger zuzuweisenden Verzögerungsgefahr.363 Die Ziele, die mit dieser Differenzierung von Schwarze offenbar verfolgt werden, verdienen sicherlich Zustimmung. Schwarze versucht mit dieser Unterscheidung zwischen Nichtleistung und Nichterfüllung zu vermeiden, dass der Schuldner, der alles seinerseits Erforderliche getan hat und dessen Bemühungen dennoch wegen der unzureichenden Mitwirkung des Gläubigers oder wegen der Verwirklichung der Verzögerungsgefahr bei einer Schickschuld ohne Erfolg blieben, sich der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB bzw. eines Rücktrittsrechts aus § 323 Abs. 1 BGB gegenübersieht. Ganz offensichtlich scheitert ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB im Falle der unzureichenden Gläubiger361 Etwa Schapp, JZ 2001, 583 (585); Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, 2002, S. 63 ff., 83 ff.; Harke, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler, 2001, S. 29 (50 f.); ders., JR 2006, 485 (passim); NK-BGB/Dauner-Lieb, 3. Aufl. 2016, § 280 Rn. 30; weitere Nachweise bei BeckOGK-BGB/Riehm, Stand 1.2.2020, § 280 Rn. 6 Fn. 14, 16, 17; ferner weitere Nachweise in den folgenden Ausführungen. 362 Staudinger/Schwarze, 2019, § 281 Rn. B 12. 363 Staudinger/Schwarze, 2019, § 281 Rn. B 12, der unter anderem verweist auf BGH, Urt. v. 19.10.2007 – V ZR 2011/06 = NJW 2007, 3777 und ferner auf BGH, Urt. v. 6.2.1954 – II ZR 176/53 = BGHZ 12, 267; vgl. zu diesen Entscheidungen die Kritik oben unter III. 1. c) (S. 58 ff.).



IV.  Die Pflichtverletzung

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mitwirkung jedoch am fehlenden Vertretenmüssen im Sinne des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB, so dass es der Korrektur des Pflichtverletzungsbegriffs nicht bedarf. Aber auch ein Rücktrittsrecht des Gläubigers ist in einer solchen Konstellation zu verneinen. Denn hat der Schuldner alles Erforderliche getan, liegt bei unzureichender Mitwirkung des Gläubigers grundsätzlich ein Annahmeverzug nach §§ 293 ff. BGB vor, welcher den Rücktritt gem. § 323 Abs. 6 Var. 2 BGB ausschließt364, so dass auch hier eine Abkehr vom erfolgsbezogenen Leistungsbegriff nicht erforderlich erscheint. Im Falle des sich realisierten Verzögerungsrisikos ist der Rücktritt hingegen gem. § 323 Abs. 6 Var. 1 BGB ausgeschlossen: für § 323 Abs. 6 Var. 1 BGB ist anerkannt, dass der Gläubiger die Verwirklichung vertraglich übernommener Risiken zu verantworten hat.365 Es erscheint daher naheliegend, das Risiko der Verzögerung bei der Schickschuld grundsätzlich dem Gläubiger aufzuerlegen. In diesem Punkt ist der Rechtsprechung des BGH zum Versendungskauf durchaus zuzustimmen: da die Versendung grundsätzlich auf Verlangen des Käufers erfolgt, können auch die Folgen einer verzögerten Ankunft der Ware beim Käufer, die der Schuldner nicht zu vertreten hat, nicht zu Lasten des Verkäufers gehen.366 Die inhaltlichen Einwände Kornblums gegen diese Risikoverteilung367 sind zwar zutreffend, greifen für Fälle, in denen der Schuldner alles richtig gemacht hat und daher die Verzögerung nicht zu vertreten hat, jedoch nicht durch und vermögen daher nicht, die beschriebene Gefahrverteilung in Frage zu stellen. Der Grundsatz, wonach der Gläubiger das Verzögerungsrisiko trägt, solange der Schuldner die Verzögerung nicht wegen § 287 S. 2 BGB bzw. wegen Verschuldens zu vertreten hat, wurde zudem in weiteren Urteilen bestätigt.368 Der hier vorgeschlagene Weg kommt demnach zum selben Ergebnis, weicht jedoch hinsichtlich der Begründung von der dargestellten Ansicht ab. Anders als bei der angeführten Rechtsprechung 364  Sofern der Schuldner dem Gläubiger die Leistung nach Maßgabe des § 299 BGB vorher angekündigt hat, kommt der Gläubiger selbst dann in Annahmeverzug, wenn er die vorübergehende Annahmeverhinderung nicht zu verantworten hat und daher ein Fall des § 323 Abs. 6 Var. 1 BGB nicht vorliegt. 365  Bspw. Soergel/Gsell, 13. Aufl. 2005, § 323 Rn. 233 mit Verweis auf die Kommentierung zu § 326 Abs. 2 S. 1 Var. 1 BGB (a. a. O., § 326 Rn. 38 ff.); kritisch wohl allein Kern, AcP 200 (2000), 684 (691), der sich jedoch lediglich dagegen wendet, dass die vertragliche Risikoverteilung nicht unmittelbar, sondern erst über den Umweg einer gesetzlichen Vorschrift Geltung erlangen soll. 366  Ebenso BGH, Urt. v. 6.2.1954 – II ZR 176/53 = NJW 1954, 794 (794): zwar heißt es dort genau genommen, dass die Versendung „auf Verlangen des Verkäufers“ erfolge; dabei handelt es sich jedoch ganz offensichtlich um einen Lapsus und ist über diesen daher hinwegzusehen; in diesem Sinne auch Kornblum, BB 1963, 291 (292 f.), der den abweichenden Wortlaut der Entscheidung nicht einmal erwähnt. 367  Kornblum, BB 1963, 291 (293). 368 Vgl. BGH, Urt. v. 15.4.1959 – V ZR 21/58 = NJW 1959, 1176 (1176); BGH, Urt. v. 29.1.1969 – IV ZR 545/68 = NJW 1969, 875 (875 f.); beide Urteile begründen das Abstellen auf die Leistungshandlung damit, dass, sofern der Schuldner alles Erforderliche getan hat, in aller Regel mit einer rechtzeitigen Ankunft des Geldes/der Sache zu rechnen sei.

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Teil 1 – B.  Das Verhältnis der Obligation zu weiteren zentralen Begriffen

und bei Schwarze wird nicht auf die Leistungshandlung abgestellt, sondern auf den Leistungserfolg, und dennoch ein Ergebnis erzielt, welches angesichts einer sachgerechten Gefahrverteilung zweckmäßig erscheint. Darüber hinaus wird in transparenter Weise auf den wahren Grund hingewiesen, weshalb in den beschriebenen Konstellationen ein Schadensersatz bzw. Rücktritt ausscheidet: dieser ist nicht darin zu sehen, dass der Schuldner alles seinerseits Erforderliche getan hat, sondern vielmehr darin, dass die Realisierung der Verzögerungsgefahr in die Verantwortlichkeit des Gläubigers fällt, sofern der Schuldner die Verzögerung nicht zu vertreten hat. Eine weitere Strömung der Literatur verfolgt einen ganz ähnlichen Ansatz, indem sie die Pflichtverletzung zunächst erfolgsbezogen versteht, dann jedoch weitere Voraussetzungen in den Begriff hineinlesen möchte: neben dem hier bereits beschriebenen Willen des Gesetzgebers wird für das erfolgsbezogene Verständnis der Pflichtverletzung insbesondere die von § 280 Abs. 1 BGB intendierte Beweislastverteilung angeführt.369 Allerdings soll es Einreden geben, die das „Leistensollen“ des Schuldners suspendierten und bei deren Vorliegen somit eine Pflichtverletzung im Sinne der §§ 280 Abs. 1 S. 1, 281 Abs. 1 BGB ausscheide.370 Zur Begründung wird angeführt, ein Schuldner, der eine ihm zustehende Einrede erhebe und deswegen nicht leiste, mache im Rechtssinne nichts falsch, er handele also insbesondere nicht pflichtwidrig.371 Die Frage des Bestehens einer Einrede gegen die Forderung, und damit die Frage der Durchsetzbarkeit der Forderung, sei ein der Pflichtverletzung immanentes Kriterium.372 Eine einredebehaftete Leistungspflicht könne daher nicht verletzt werden, wobei Ausnahmen für die §§ 275 Abs. 2, Abs. 3, 439 Abs. 4, 635 Abs. 3 BGB anzunehmen seien.373 Für eine solche Erweiterung des Tatbestandsmerkmals „Pflichtverletzung“ besteht jedoch keine Notwendigkeit, da die Frage, ob die Nichterfüllung der Leistung durch den Schuldner „falsch“ war und diesem daher vorgeworfen werden kann, beim Vertretenmüssen zu verorten ist.374 Im Übrigen wird auch nach dieser Strömung die Erfolgsbezogenheit des Pflichtverletzungsbegriffs relativiert, wenn bei der Prüfung einer Pflichtverletzung berücksichtigt würde, ob der Schuldner falsch oder richtig handelte. Schwerwiegender erscheint, dass dies zu einer uneinheitlichen Auslegung des Pflichtverletzungsbegriffs führen würde. So wäre bei Erhebung der Einrede aus § 275 Abs. 2 BGB eine Pflichtverletzung 369  Riehm, FS Canaris, 2017, S. 345 (352 f.); ders., FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 1079 (1082 ff.); vgl. auch Herresthal, JURA 2008, 561 (563). 370  Riehm, FS Canaris, 2017, S. 345 (365); so bereits Herresthal, JURA 2008, 561 (563 ff.): nur in Ausnahmefällen gebe es eine Pflichtverletzung trotz Einredelage. 371  Riehm, FS Canaris, 2017, S. 345 (365); vgl. Herresthal, JURA 2008, 561 (563). 372  Riehm, FS Canaris, 2017, S. 345 (366); vgl. Herresthal, JURA 2008, 561 (563). 373  Riehm, FS Canaris, 2017, S. 345 (366); mit weiteren Beispielen Herresthal, JURA 2008, 561 (567 ff.). 374  Dazu unten unter C. III. (S. 120 ff.).



IV.  Die Pflichtverletzung

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im Sinne der §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB bzw. der §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB ausgeschlossen, eine Pflichtverletzung im Sinne der §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB jedoch anzunehmen. Dies entspricht ebenso wenig dem Willen des Gesetzgebers wie ein verhaltensbezogener Pflichtverletzungsbegriff.375 Sachgerechter erscheint es, unter Pflichtverletzung allein das objektive Ausbleiben des Leistungserfolgs und damit einen der Obligation widersprechenden Zustand zu verstehen und die Rechtsfolgen des Bestehens bzw. der Erhebung der oben genannten Einreden speziell für die §§ 281, 286, 323 BGB zu klären.376 Es wird hier demnach für einen einheitlichen, erfolgsorientierten Pflichtverletzungsbegriff sowie dafür plädiert, ggf. bestehende Einreden bei §§ 281, 286, 323 BGB über den Wortlaut hinaus zu prüfen. Nichts anderes braucht für die Verletzung einer Pflicht gelten, deren Erfolg in der Vornahme einer ggf. konkretisierten Handlung besteht, also insb. der Rücksichtnahmepflichten i. S. d. § 241 Abs. 2 BGB oder Dienstleistungen i. S. d. § 611 BGB. Hat der Gläubiger das Bestehen einer solchen Pflicht nachgewiesen und in einer seiner Darlegungslast genügenden Weise Umstände aufgezeigt, die einen Verstoß gegen diese annehmen lassen, tritt die Beweislastumkehr des § 280 Abs. 1 BGB ein und der Schuldner muss darlegen, weshalb er diese Pflichtverletzung nicht zu vertreten habe bzw. weshalb eine solche Pflichtverletzung entgegen der Ausführungen des Gläubigers doch nicht vorliege.377

3. Fazit Nach hier vertretener Auffassung ist der Begriff der Pflichtverletzung ausnahmslos erfolgsorientiert zu verstehen. Ausgehend von einem erfolgsbezogenen Verständnis des Leistungsbegriffs sind keine Gründe ersichtlich, die bei der Prüfung, ob eine Pflichtverletzung vorliegt, zu einer Berücksichtigung des Verhaltens des Schuldners zwängen. Unter einer Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB ist demnach das objektive Ausbleiben der Obligation zu verstehen. Mit anderen Worten: immer dann, wenn das Gläubigerinteresse durch die zulässigen Erfüllungsformen nicht bzw. nicht vollständig befriedigt wurde, liegt eine Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB vor. 375 

Vgl. die Ausführungen oben unter 1. (S. 67 ff.). die damit verbundenen besonderen Probleme kann an dieser Stelle schon wegen ihres Umfangs nicht eingegangen werden. 377  In diese Richtung zutreffend Kohler, ZZP 2005, 25 (32 f.); a. A. wohl Riehm, FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 1079 (1091 f. u. 1095 f.), der offenbar bereits für die objektive Pflichtverletzung eine abstrakt-generelle Bewertung eines bestimmten Verhaltens verlangt. Dass der Gläubiger jedoch ein bestimmtes Verhalten darlegt, kann diesem nicht zugemutet werden. Im Übrigen entspricht eine einheitliche Verteilung der Beweis- und Darlegungslast dem Wortlaut des § 280 Abs. 1 BGB sowie der Systematik und vermeidet die von Riehm selbst angesprochene Abgrenzungsproblematik zwischen Leistungs- und Rücksichtspflichten (a. a. O., S. 1085 Fn. 35). 376  Auf

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Teil 1 – B.  Das Verhältnis der Obligation zu weiteren zentralen Begriffen

Nachdem die Pflichtverletzung als Nichterfüllung der Obligation definiert wurde, ist nun der Frage nachzugehen, wie sich eine fehlende Pflichtverletzung auf die Obligation auswirkt, d. h. welche Folgen eine Erfüllung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB für die Obligation hat.

V.  Der Rechtsgrund zum Behaltendürfen Wie bereits an früherer Stelle378 angedeutet wurde, sind die Auswirkungen näher zu betrachten, die die Erfüllung gem. § 362 ff. BGB auf die Obligation hat. Mit dieser Frage eng verknüpft ist jene nach dem Verhältnis zwischen der Obligation und dem Rechtsgrund zum Behaltendürfen. Teilweise wird vertreten, der Rechtsgrund zum Behaltendürfen ergebe sich aus dem Schuldverhältnis im engeren Sinne, d. h. aus dem Zusammenspiel von Pflicht und Anspruch.379 Einer anderen Ansicht nach soll die Forderung als Substanzrecht eine Befugnis zum Behaltendürfen zuweisen.380 Beide Ansichten sehen sich jedoch Einwänden ausgesetzt. So erlischt bekanntlich das Schuldverhältnis im engeren Sinne im Moment der Erfüllung gem. § 362 Abs. 1 BGB.381 Davon auszugehen, dass das Schuldverhältnis im engeren Sinne bzw. der darin enthaltene Anspruch dennoch weiterhin als Rechtsgrund zum Behaltendürfen fungieren könne,382 kommt dem Vorhaben gleich, aus einer zerstörten und damit untergegangenen Sache weiterhin Früchte ziehen zu wollen. Dieser Einwand ist der Auffassung, wonach aus dem Forderungsrecht die Einziehungsbefugnis und die Befugnis zum Behaltendürfen folgt, nicht entgegenzuhalten.383 Ausdrücklich wird klargestellt, dass das Forderungsrecht unabhängig vom Anspruch fortbestehe, also nicht verjähre und auch sonst nicht mit dem Anspruch identisch sei.384 Allerdings kann es Konstellationen geben, in denen mehrere Forderungsrechte auf die Befriedigung desselben Interesses gerichtet sind: beispielsweise, wenn der Dritte durch eine cessio legis die Forderung des Gläubigers erhält, zugleich aber Inhaber einer eigenen Forderung aus dem Verhältnis zum Schuldner ist und beide Forderungen auf dasselbe Ziel 378 

Vgl. oben unter I. (S. 47 ff.) vor und mit Fn. 255. Riehm, FS Canaris, 2017, S. 345 (347 u. 349 ff.); Palandt/Sprau, 79. Aufl. 2020, § 812 Rn. 6; Palandt/Grüneberg, 79. Aufl. 2020, Überbl. v. § 362 Rn. 1; MüKoBGB/Schwab, 7. Aufl. 2017, § 812 Rn. 397; Erman/Buck-Heeb, 15. Aufl. 2017, Vorb. v. § 362 Rn. 2. 380  Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 103 u. 123. 381  Vgl. BGH, Urt. v. 11.11.1953 – II ZR 181/52 = NJW 1954, 231 (232); ausführlich anstatt vieler MüKoBGB/Fetzer, 8. Aufl. 2019, Vor § 362 Rn. 1, 8; ferner MüKoBGB/Schwab, 7. Aufl. 2017, § 812 Rn. 396 m. w. Nachw.: auf diesem Argument fuße eine Spielart der objektiven Rechtsgrundtheorie. 382 So ausdrücklich etwa MüKoBGB/Schwab, 7. Aufl. 2017, § 812 Rn. 397; Palandt/ Sprau, 79. Aufl. 2020, § 812 Rn. 6; Palandt/Grüneberg, 79. Aufl. 2020, Überbl. v. § 362 Rn. 1. 383  Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 102 f. 384  Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012, S. 107 ff. 379 



V.  Der Rechtsgrund zum Behaltendürfen

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gerichtet sind. Diese Fälle können aufgelöst werden, indem man diejenigen Forderungen, die dasselbe berechtigte Interesse befriedigen sollen, zusammenfasst. Die zur Erfüllung eines Forderungsrechts erbrachte Leistung darf demnach nur behalten werden, wenn eine entsprechende Obligation besteht, die bisher unerfüllt blieb. Dies führt zu der Frage, ob nicht die Obligation als solche den eigentlichen Rechtsgrund zum Behaltendürfen darstellt. Eine solche Annahme sähe sich jedoch einigen Folgefragen ausgesetzt. Zum Beispiel wäre zu klären, was im Falle der Forderungsabtretung geschieht, ob die Obligation als Rechtsgrund zum Behaltendürfen trotz fehlendem Forderungsrecht fortbesteht. Dieses sicherlich unerwünschte Ergebnis385 lässt sich jedoch mit einer Erklärung aus der Natur der Obligation heraus vermeiden. Wird die Obligation als das berechtigte Interesse des Forderungsinhabers verstanden, gilt es zu berücksichtigen, dass sich die Berechtigung des Interesses erledigt, wenn der Gläubiger seine Forderung abtritt. Mit anderen Worten: die Obligation ist untrennbar mit der Person des Gläubigers verbunden und besteht nur solange fort, wie dieser ein berechtigtes Interesse an der Erreichung bzw. am Fortbestehen des mit der Obligation verfolgten Zustands hat. Tritt der Gläubiger seine Forderungen hingegen ab, verliert er seine Macht über das schuldnerische Vermögen und es besteht kein berechtigtes Interesse mehr. Die Obligation erlischt und beim Zessionar entsteht eine neue Obligation. Die Möglichkeit mittels eines solchen Zusammenspiels aus Obligation, Forderungsrecht und Rechtsgrund sachgerechte Ergebnisse herbeizuführen, lässt sich an den Konstellationen veranschaulichen, in denen der Schuldner irrtümlich mittels eines Surrogats auf die Obligation leistet. Man nehme etwa an, die Naturalerfüllung sei nach Vertragsschluss unmöglich geworden und der Schuldner zahle Schadensersatz an den Gläubiger, weil er sich irrtümlicherweise für schadensersatzpflichtig hält. Da nach dem hiesigen Begriffsverständnis die Obligation neben der Erfüllung in Natur auch auf Erfüllungssurrogate gerichtet ist,386 wäre an sich anzunehmen, dass die irrtümliche Schadensersatzzahlung die Obligation erfüllen und das Interesse des Gläubigers befriedigen kann. Sähe man allein in dem Element des Bekommensollens der Obligation den Rechts385  Auch

§ 407 BGB dient lediglich dem Schuldnerschutz, soll dem Zedenten jedoch nicht einen Rechtsgrund zum Behaltendürfen geben, was sich ganz besonders deutlich aus der Ansicht der jetzt wohl h. M. ergibt: für diese etwa BeckOGK-BGB/Lieder, Stand 1.3.2020, § 407 Rn. 33 ff. m. zahlreichen w. Nachw., demzufolge das zessionsrechtliche Verschlechterungsverbot dafür spreche, dass der Schuldner die Leistung beim Zedenten zurückholen könne; aber auch nach der a. A. darf der Zedent die Leistung selbstredend nicht behalten, vielmehr kann der Zessionar sie gem. § 816 Abs. 2 BGB vom Zedenten kondizieren: so etwa Stamm, NJW 2016, 2369 (2370), der, um eine Privilegierung des Schuldners hinsichtlich der Insolvenzrisiken zu vermeiden, diesem das Recht abspricht, die von ihm durch Zahlung an den Zedenten geschaffene Güterlage rückgängig machen zu dürfen. 386  Oben unter A. III. 3. (S. 40 ff.).

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Teil 1 – B.  Das Verhältnis der Obligation zu weiteren zentralen Begriffen

grund für das Behaltendürfen, also unabhängig von der Frage, ob eine bestimmte Macht über das schuldnerische Vermögen in Form eines Forderungsrechts besteht bzw. bestand, dürfte der Gläubiger die Schadensersatzzahlung auch behalten. Dieses Ergebnis erscheint jedoch wenig sachgerecht. Vielmehr ist bei der Ermittlung der konkret vorliegenden Obligation zu untersuchen, ob das Gläubigerinteresse auch berechtigt ist, was nur zu bejahen ist, wenn der Gläubiger ein Forderungsrecht und damit eine bestimmte Macht über das schuldnerische Vermögen hat. Der Rechtsgrund zum Behaltendürfen folgt demnach aus der Obligation als Ausdruck eines berechtigten Gläubigerinteresses. Für die Frage, ob ein berechtigtes Gläubigerinteresse und damit eine Obligation vorliegt, kommt man nicht umhin, zu prüfen, ob der Gläubiger eine bestimmte Macht über das schuldnerische Vermögen hat, er also Inhaber eines Forderungsrechts ist.

VI.  Die Garantie Schließlich ist der hiesige Obligationsbegriff noch vom Begriff der Garantie abzugrenzen, da die Obligation nicht als eine Art Garantie missverstanden werden sollte. Diese Gefahr besteht jedoch deshalb, weil der Terminus Garantie vielfach mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet wird. Die typischen Formen der Garantie umfassen die Garantieübernahme i. S. d. § 276 Abs. 1 S. 1 BGB, die Beschaffenheitsgarantie i. S. d. § 443 Abs. 1, 639 BGB, die Haltbarkeitsgarantie i. S. d. § 443 Abs. 2 BGB und den Garantievertrag.387 Sie setzen eine Vereinbarung zwischen Garantiegläubiger und Garantieschuldner voraus, deren Inhalt und Reichweite durch Auslegung zu bestimmen ist.388 Die Gemeinsamkeit aller Garantieformen besteht darin, dass der Schuldner für etwas einstehen möchte.389 Grundlegend für die Bedeutung des Garantiebegriffs ist die Erkenntnis, dass die Garantie auf Ebene des Haftungsgrundes und auf Ebene der Zurechnung wirken kann.390 Ausgehend von den unterschiedlichen Wirkungsebenen der Garantieabrede ist zwischen der unselbständigen und der selbstständigen Garantie zu dif387  Der Garantievertrag ist gesetzlich nicht geregelt, ist jedoch weitestgehend anerkannt, vgl. BGH, Urt. v. 13.6.1996 – IX ZR 172/95 = NJW 1996, 2569 (2570): „Eine ‚Garantie‘ ist nach deutschem Recht ein Vertrag, durch den sich jemand verpflichtet, für den Eintritt eines bestimmten Erfolges einzustehen oder die Gefahr eines künftigen Schadens zu übernehmen. Im Unterschied zur Bürgschaft wird dem Gläubiger gewährleistet, daß er die Leistung auf jeden Fall erhalten soll, und zwar selbst dann, wenn die Verbindlichkeit des Hauptschuldners nicht zur Entstehung gelangt oder später weggefallen ist; der Garant haftet auch für alle ‚nicht typischen Zufälle‘“; vgl. ferner Palandt/Sprau, 79. Aufl. 2020, Einf. v. § 765 Rn. 16 ff., insb. auch zur Abgrenzung zu anderen Garantiearten. 388  Anstatt aller BeckOK-BGB/Lorenz, Stand 1.5.2020, § 276 Rn. 40. 389  Vgl. nur Palandt/Sprau, 79. Aufl. 2020, Einf. v. § 765 Rn. 16: „Das Gesetz verwendet den Begriff ‚Garantie‘ für die Übernahme einer Einstandspflicht“. 390  Canaris, FS Heldrich, 2005, S. 11 (29 ff.).



VII.  Fazit und Exkurs über das Ende der Obligation

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ferenzieren: im Falle der unselbständigen Garantie verspricht der Schuldner das verschuldensunabhängige Einstehenmüssen für im Rahmen eines Vertrags bestehende Verpflichtungen, während der Schuldner im Falle der selbständigen Garantie das verschuldensunabhängige Einstehenmüssen391 für einen eigenständigen, andernfalls nicht geschuldeten und damit „neuen“ Erfolg verspricht.392 Nun kann es zwar Überschneidungen zwischen dem hier vertretenen erfolgsorientierten Obligationsbegriff und der selbstständigen Garantie geben, weil mit jeder selbstständigen Garantie ein Erfolg versprochen und damit eine Obligation, d. h. ein Bekommensollen des Gläubigers begründet wird, wobei die Besonderheit darin besteht, dass den Schuldner für den Eintritt des Erfolgs eine verschuldensunabhängige Einstandspflicht trifft. Darüber hinaus kann die Obligation jedoch nicht mit einer Garantie gleichgesetzt werden, weil das Versprechen eines Erfolgs und damit das Bestehen einer Obligation nichts über eine etwaige Einstandspflicht aussagt.393 Es erübrigen sich daher weitere Unternehmungen, die Garantiebegriffe näher zu bestimmen und vom Begriff der Obligation abzugrenzen.394

VII.  Fazit und Exkurs über das Ende der Obligation Im Ergebnis ist demnach festzuhalten, dass der Obligation neben den Begriffen der Schuldverhältnisse im engeren und weiteren Sinne und der Forderung ein Erklärungswert zukommt. Zudem ist die Obligation als das Bekommensollen des Gläubigers dem Leistensollen des Schuldners gegenüberzustellen. Entsprechend zu dieser Gegenüberstellung verhält sich der Anspruch als das Recht, ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen zu fordern, zu der Pflicht zu ebenjener Leistungshandlung wie Bild und Spiegelbild. Sofern das Gesetz von Leistung, Leistungspflicht oder dergleichen spricht, ist jedoch genau zu untersuchen, ob der Leistungserfolg, die Leistungshandlung oder etwa das gesamte Verhalten des Schuldners gemeint ist. Ausgehend von einem grundsätzlich erfolgsbezogenen Leistungsverständnis und dem Willen des Gesetzgebers ist die Pflichtverletzung als Ausbleiben des 391  Ausdrücklich

BGH, Urt. v. 13.6.1996 – IX ZR 172/95 = NJW 1996, 2569 (2570): „der Garant haftet auch für alle ‚nicht typischen Zufälle‘“. 392  Vgl. Palandt/Sprau, 79. Aufl. 2020, Einf. v. § 765 Rn. 16; mangels einheitlicher Terminologie kritisch zu dieser Differenzierung etwa BeckOK-BGB/Faust, Stand 1.5.2020, § 443 Rn. 17. 393  Hierzu ausführlich unten C. III. (S. 120 ff.). 394  Vielversprechend erscheint der Ansatz, eine selbstständige Garantie dann anzunehmen, wenn das Verhalten des Schuldners den versprochenen Zustand nicht beeinflussen kann, vgl. etwa Wieacker, FS Nipperdey, 1965, Bd. 1, S. 783 (787); vgl. ferner die Beispiele bei Staudinger/Schmidt, 12. Aufl. 1983, § 241 Rn. 58, der jedoch entgegen der hier vertretenen Auffassung behauptet, ein Zustand könne nicht geschuldet sein.

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Teil 1 – B.  Das Verhältnis der Obligation zu weiteren zentralen Begriffen

Leistungserfolgs bzw. als Obligationswidrigkeit zu verstehen. Weder die Begriffe Schuldverhältnis, Obligation oder Forderungsrecht vermögen allein all jene Probleme zu lösen, die sich im Zusammenhang mit dem Rechtsgrund zum Behaltendürfen i. S. d. §§ 812 ff. BGB stellen können. Der Rechtsgrund zum Behaltendürfen ergibt sich vielmehr erst aus der gemeinsamen Fortwirkung von Forderungsrecht und Obligation. In Einzelfällen kann es zu Überschneidungen mit den Begriffen der Garantie kommen, da eine Garantie ein Erfolgsversprechen beinhaltet. Allerdings erfordert eine Garantie darüber hinaus eine verschuldensunabhängige Einstandspflicht, welche für das Vorliegen einer Obligation jedoch gerade nicht erforderlich ist. Damit lässt sich für das Ende der Obligation folgendes herleiten: Die Obligation endet einerseits, wenn die sie begründende Sonderverbindung wegfällt, beispielsweise durch Anfechtung, Kündigung, auflösende Bedingung oder Befristung. Denn erstens fehlt der Obligation in diesen Konstellationen die Grundlage, um ihren Inhalt und ihr Ausmaß zu bestimmen. Zweitens fällt mit der Sonderverbindung die Berechtigung des Gläubigerinteresses weg, welches ein konstitutives Element der Obligation darstellt. Die Obligation endet zudem, wenn das ihr entsprechende Forderungsrecht abgetreten wird, denn in diesem Fall existiert wiederum kein berechtigtes Interesse des Gläubigers, den versprochenen Zustand zu bekommen. Vielmehr entsteht beim Zessionar eine neue Obligation. Ebenfalls ist ein Ende der Obligation vorstellbar, wenn zwar die Sonderverbindung besteht und auch das Forderungsrecht nicht abgetreten wurde, aber aus anderen Gründen materiell-rechtlich kein Anspruch auf die Erfüllung der Obligation besteht. Wenn also feststeht, dass der Gläubiger nicht bekommen wird, was er bekommen soll, kann das Erlöschen der Obligation angenommen werden. Allerdings besteht kein zwingender Grund, in einem solchen Fall von einem Ende der Obligation auszugehen. Es erscheint ebenso denkbar, dass die Obligation fortbesteht, gewissermaßen als Plan, der nicht zur Ausführung gelangen wird. Anders gewendet: es sind keine zwingenden Gründe ersichtlich, den Anspruch als Vehikel der Obligation zu einem konstitutiven Merkmal derselben zu erklären. Vielmehr kann die Obligation auch ohne Möglichkeit der Umsetzung weiterhin als Ausdruck der Intention der Parteien fortbestehen. Im Folgenden sollen nun die bisherigen Ergebnisse auf wesentliche Fragen des Leistungsstörungsrechts angewendet und somit fruchtbar gemacht werden.

I.  Die Vertragsauslegung im Lichte des hiesigen Obligationsverständnisses 



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C.  Die Auswirkungen der Obligationslehre auf wesentliche Fragen der Haftung für Leistungsstörungen Nachdem nun der Begriff der Obligation beleuchtet wurde, soll im Folgenden untersucht werden, wie sich dieser auf wesentliche Fragen der Haftung für Leistungsstörungen auswirkt. Nicht zuletzt müssen neben der Obligation die Sichtweise des Schuldners und seine Interessen Berücksichtigung finden, um feststellen zu können, wozu der Schuldner genau verpflichtet ist und unter welchen Voraussetzungen er für die Nichterfüllung seiner Schuld einzustehen hat. Dafür wird in einem ersten Schritt auf die Leistungsfähigkeit der Vertragsauslegung einzugehen sein (I.). Wurde die Vertragsauslegung unter Berücksichtigung ihrer Grenzen herangezogen, stellt sich im weiteren Verlauf der Vertragsabwicklung die Frage, welche Folgen Leistungsstörungen auf die Obligation haben. Um dieser Frage exemplarisch nachzugehen, sollen die Auswirkungen von Leistungshindernissen auf die festgestellte Leistungspflicht untersucht werden (II.). Da bei Leistungsstörungen grundsätzlich eine Haftung in Betracht kommt, werden anschließend der Bezugspunkt und Umfang des Vertretenmüssens unter Berücksichtigung des hiesigen Obligationsbegriffs beleuchtet (III.).

I.  Die Vertragsauslegung im Lichte des hiesigen Obligationsverständnisses Der erste Anknüpfungspunkt, um sich dem Problem der Leistungshindernisse zu nähern und Lösungen für einen konkreten Fall zu ermitteln, ist die Auslegung des Rechtsgeschäftes als dem unmittelbaren Ursprung der Obligation und der Leistungspflichten. Die Auslegung des Rechtsgeschäfts ist jedoch auch für die Anwendung des § 275 BGB unverzichtbar, ist doch zunächst festzustellen, was der Schuldner überhaupt schuldet, bzw. was der Gläubiger bekommen soll, um entscheiden zu können, ob das Geschuldete bzw. die Obligation überhaupt realisierbar ist.395 Von einigen Stimmen wird hingegen vertreten, § 275 BGB sei überflüssig, da sich die Grenzen und Reichweiten der Leistungspflicht unmittelbar dem Rechtsgeschäft entnehmen ließen (1.). Ausgehend von dieser Ansicht soll die Leistungsfähigkeit der Vertragsauslegung für die Lösung der durch Leistungshindernisse aufgeworfenen Probleme kritisch analysiert werden (2.). Auf Grundlage dieser Analyse wird sodann das Verhältnis der Vertragsauslegung zu § 275 BGB erläutert (3.).

395 

Vgl. nur MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, § 275 Rn. 82.

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Teil 1 – C. Die Ausw. d. Obligationslehre auf wesentl. Fragen d. Haftung

1.  Die Heranziehung der Vertragsauslegung zur Ermittlung des geschuldeten Leistungsaufwands Das Banner der Privatautonomie schwenkend, möchte eine Strömung der Literatur die sich durch Leistungshindernisse ergebenden Probleme mittels der Vertragsauslegung lösen. Unter Berufung auf den Vorentwurf zum BGB von von Kübel sollen sich der Maßstab und die Höhe des Leistungsaufwandes allein aus dem Vertrag ergeben.396 Für diese Bestimmung maßgeblich sei wiederum allein die Parteiabrede oder – sollte eine solche fehlen – die durch die Wahl des Vertragstyps parteiautonom getroffene Gefahrenverteilung.397 Enthalte die Vereinbarung der Parteien oder der von ihnen gewählte Vertragstyp keine entsprechenden Garantieelemente, so fehle einer Verpflichtung des Schuldners, im Falle einer zufallsbedingten Leistungserschwerung einen Mehraufwand erbringen zu müssen, die erforderliche rechtsgeschäftliche Basis.398 Eine dennoch angenommene Mehrleistungspflicht missachte die Privatautonomie der Parteien und bürde dem Schuldner ein nicht zu rechtfertigendes Haftungsrisiko auf – ihr fehle kurzum jegliche causa.399 Das Fundament der Annahme, dass die Parteiabrede grundsätzlich einen bestimmten Leistungsaufwand enthalte oder zumindest Begrenzungen für einen solchen, bilden dabei folgende Überlegungen: „rechtsgeschäftsfähige“ Parteien pflegten ihre möglichen Vertragsschlüsse hinsichtlich der zentralen Punkte und eben insbesondere in Bezug auf den zu versprechenden Erfolg und die für dessen Erreichung benötigten Mittel zu prüfen und so den beabsichtigten Vertragsschluss zumindest intuitiv ökonomisch zu analysieren.400 Auch würden die dadurch gewonnenen Vorstellungen über den Leistungsaufwand regelmäßig zumindest konkludent miterklärt, da sich die Planung und Erwartung als „typisches, weil evident vernünftiges Verhalten“ für den Gegenüber unübersehbar offenbare.401 So erwarte beispielsweise der Käufer von einem privaten Verkäufer „vernünftigerweise“ keine Nacherfüllung, so dass bei Fehlen einer ausdrücklichen Abrede bei formfreien Verträgen von einem konkludenten Ausschluss der Nacherfüllung auszugehen sei.402 Doch selbst wenn die Vorstellungen der Parteien unreflektiert blieben, somit nicht das aktuelle Bewusstsein 396 

Picker, FS Konzen, 2006, S. 687 (690 ff.); ebenso Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 198 ff.; kritisch zum Verweis auf den Beitrag v. Kübels bereits Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006, S. 72; ferner Emmert, Auf der Suche nach den Grenzen vertraglicher Leistungspflichten, 2001, S. 43 ff., demzufolge v. Kübels Auffassung nicht diejenige sei, welche dem BGB zugrunde gelegt wurde. 397  Picker, FS Konzen, 2006, S. 687 (691). 398  Picker, a. a. O., S. 687 (694). 399  Picker, a. a. O., S. 687 (695). 400  Picker, in: Artz/Gsell/Lorenz, Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung, 2014, S. 1 (11). 401  Picker, a. a. O., S. 1 (11). 402 Jauernig/Berger, 17. Aufl. 2018, § 439 Rn. 5.



I.  Die Vertragsauslegung im Lichte des hiesigen Obligationsverständnisses 

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bestimmten und es folglich an einer erkennbaren und insbesondere beweisbaren Vereinbarung fehle, ändere dies an der Maßgeblichkeit des Parteiwillens nichts.403 Man dürfe einer Partei nicht unterstellen, „atypische, unbedachte Risiken auf sich zu nehmen“, weshalb im Falle der Unergiebigkeit der Vertragsauslegung oder eines non liquet „tendenziell zugunsten des Schuldners“ zu entscheiden sei.404 Der an dieser Stelle dargelegten Auffassung liegt somit stillschweigend der Grundsatz des Schuldnervorzugs zugrunde.405 Als Ergebnis dieser Auffassung sei das „normale“ Vertragsversprechen hinsichtlich Leistungserfolg und -aufwand immer erkennbar relativiert, so dass sich die Vertragserklärungen immer auf die „subjektive Realität“ der Parteien bezögen, was die Annahme ausschließe, der Schuldner verspreche den Erfolg auch für den Fall einer Leistungserschwerung, „die er weder vorhersehen konnte noch als vernünftiges Risikomanagement einplanen mußte“.406 Selbstredend halte sich diese Relativierung „im Rahmen der zwingenden Vorgaben des Gesetzes und deshalb namentlich auch in den Grenzen seiner Gefahrtragungsregeln“.407 Aus der bisherigen Darstellung ergibt sich, dass die beiden Kernargumente der Auffassung darin bestehen, dass sich das Problem der Ermittlung des geschuldeten Leistungsaufwands allein durch Vertragsauslegung (a)) oder zumindest durch die Heranziehung der gesetzlichen Gefahrtragungsnormen (b)) lösen ließe.

a)  Die Ergiebigkeit der Vertragsauslegung in Anlehnung an die frustration-of-contract doctrine des common law Als ein wesentlicher Kritikpunkt an § 275 BGB wird angeführt, dass es eine Verletzung des Grundsatzes der Privatautonomie und insbesondere der darin enthaltenen Inhaltsfreiheit der Vertragsparteien darstelle, wenn § 275 BGB auf objektivrechtlichen Verhältnismäßigkeits- und Zumutbarkeitserwägungen anstelle der dem Vertrag entnehmbaren Absichten der Parteien basiere.408 Als Beispiel für die Leistungsfähigkeit der Auslegung ohne Rückgriff auf objektivrechtliche Verhältnismäßigkeits- oder Zumutbarkeitserwägungen wird die frustration-of-contract doctrine des common law genannt.409

403  Picker, in: Artz/Gsell/Lorenz, Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung, 2014, S. 1 (11 f.). 404  Picker, a. a. O., S. 1 (12). 405 Vgl. zu diesem Grundsatz und auch zu dessen nur eingeschränkter Geltung bereits Heck, Grundriß des Schuldrechts, 1929, S. 7. 406  Picker, in: Artz/Gsell/Lorenz, Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung, 2014, S. 1 (12). 407  Picker, a. a. O., S. 1 (12). 408  Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 133. 409  Lobinger, a. a. O., S. 133 ff.

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Nach Lobingers Verständnis der frustration doctrine müsse der Inhalt des Vertrages im Lichte der Vertragsnatur und der Umstände des Vertragsschlusses ausgelegt werden und komme es immer dann zu einer Vertragsvereitelung, wenn die vom Schuldner unter den geänderten Umständen zu erbringende Leistung in der Vereinbarung keine Grundlage mehr finde, was immer dann der Fall sei, wenn sie sich von dem, was der Schuldner ursprünglich versprach, „maßgeblich“ unterscheide.410 Die für Lobinger entscheidende Frage lautet demnach, ob sich die vom Gläubiger geforderte Leistung in Anbetracht der sich seit Vertragsschluss geänderten Umstände so „grundlegend“ von der vom Schuldner bei Vertragsschluss versprochenen Leistung unterscheidet, dass der neue Leistungsinhalt ein anderer ist.411 Am Beispiel einiger Urteile anlässlich der Sperrung des Suez-Kanals im Winter und Frühjahr 1956/1957 versucht Lobinger diese Herangehensweise zu verdeutlichen.412 Wegen der Sperrung des Suez-Kanals mussten Waren über das Kap der Guten Hoffnung transportiert werden, wodurch sich die zurückgelegte Entfernung um fast 7000 Seemeilen und die Frachtsätze pro Tonne um zunächst 25 % und später sogar um 100 % erhöhten.413 Die zentrale Frage war schließlich, ob der Schuldner die Lieferung über den weiteren und teureren Seeweg schuldete, oder ob aufgrund der sich veränderten Umstände von einer Vereitelung des Vertrages auszugehen war. In Carapanayoti v. E. T. Green entschied Einzelrichter McNair, dass eine Leistung, die laut Vertrag in gängiger und üblicher Art und Weise zu erbringen ist, so zu erfolgen hat, wie dies zu der Zeit, in der die Leistung verlangt wird, gängig und üblich ist.414 Nach McNair ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Feststellung, was die für die Leistungserbringung vorgeschriebene übliche Art und Weise ist, demnach die Leistungszeit und nicht der Vertragsschluss.415 Dementsprechend hatte der Verkäufer die Ware nur dann über das Kap der Guten Hoffnung transportieren zu lassen, wenn dieser Seeweg eine zur Zeit der Leistung gängige und übliche Route darstellte.416 Soweit ersichtlich, be410 

Lobinger, a. a. O., S. 134 f. Lobinger, a. a. O., S. 135 mit Verweis auf die sog. erste Mühlbrandentscheidung des RG: RGZ 42, 114, 115 (wohl insb. abzielend auf den Satz „Die Unmöglichkeit stellt sich im Sinne des Rechts auch dann als eine dauernde dar, wenn zufolge einer notwendigen Verzögerung der Lieferung der Leistungsinhalt ein anderer wird.“) und auf die Ausführungen Lord Radcliffs in Davis Contractors Ltd. v. Fareham Urban District Council = [1956] A. C. 696, 729: „a thing radically different“. 412  Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 136 ff. 413 Ausführlich zu den Folgen der Sperrung Tsakiroglou & Co. Ltd. v. Noblee Thorl G. m. b. H. = [1962] A. C. 93, 96 f. 414  Carapanayoti & Co. Ltd. v. E. T. Green Ltd. = [1959] 1 Q. B. 131, 131. 415  Für die Begründung Carapanayoti & Co. Ltd. v. E. T. Green Ltd. = [1959] 1 Q. B. 131, 144 ff. 416  Carapanayoti & Co. Ltd. v. E. T. Green Ltd. = [1959] 1 Q. B. 131, 146. 411 

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antwortet McNair diese Frage jedoch nicht, sondern fährt mit einer alternativen Argumentation auf Grundlage der frustration doctrine fort.417 Die frustration doctrine erlaubte McNair auf die nach seiner Einschätzung bei Vertragsschluss vorliegenden Vorstellungen der Parteien abzustellen, wonach beide Parteien wohl davon ausgingen, dass die Güter über den Suez Kanal – als einer der Hauptarterien des internationalen Handels – verschifft werden würden.418 Eine fundamentalere Änderung der Umstände als die Schließung des Suez Kanals sei schwer vorstellbar, ebenso wenig, dass die Route über das Kap der Guten Hoffnung etwas anderes als eine Notfallroute darstelle.419 Auch wenn der Verkäufer grundsätzlich das Risiko erhöhter Frachtkosten zu tragen habe, handele es sich wegen der 2,5-fachen Länge der Strecke und der Möglichkeit, dass der Verkäufer deswegen besondere Vorbereitungsmaßnahmen treffen muss, um eine grundsätzlich andere Leistung.420 Die Entscheidung McNairs wurde von den Parteien nicht angefochten, der Court of Appeal kam jedoch später in einem Urteil zu zwei fast identisch gelagerten Fällen zu dem Ergebnis, dass Carapanayoti v. E. T. Green falsch entschieden worden sei.421 Lobinger zufolge habe jedoch die Methode McNairs uneingeschränkte Zustimmung gefunden.422 In allen Folgeentscheidungen, in denen vom Ergebnis McNairs abgewichen wurde, hätten sich die Richter „objektivrechtlicher Verhältnismäßigkeits- oder auch Zumutbarkeitserwägungen“ enthalten.423 Die Richter seien lediglich der Ansicht gewesen, dass der Inhalt des Vertrags, insbesondere der Vertragstyp und dessen Bedeutung für die Risikoverteilung, von McNair nicht richtig erfasst wurde.424 Auch hätten sie zutreffend festgestellt, dass sich die vom Verkäufer geschuldeten Leistungshandlungen nicht veränderten und wegen des Vertragstyps den Verkäufer das Risiko reiner Preissteigerungen traf.425 Neben der Bestimmung der geschuldeten Leistungshandlung durch Vertragsauslegung ist somit nach der hier dargestellten Auffassung auch maßgeblich, wer nach den anerkannten Gefahrtragungsregelungen des ermittelten Vertragstyps das Risiko einer zufälligen Aufwandserhöhung tragen muss.

417 

Carapanayoti & Co. Ltd. v. E. T. Green Ltd. = [1959] 1 Q. B. 131, 146 ff. Carapanayoti & Co. Ltd. v. E. T. Green Ltd. = [1959] 1 Q. B. 131, 148. Carapanayoti & Co. Ltd. v. E. T. Green Ltd. = [1959] 1 Q. B. 131, 148. 420  Carapanayoti & Co. Ltd. v. E. T. Green Ltd. = [1959] 1 Q. B. 131, 148. 421  Tsakiroglou & Co. Ltd. v. Noblee Thorl G. m. b. H. and Albert D. Gaon & Co. v. Société Inter-Professionelle des Oléagineux Fluides Alimentaires = [1960] 2 Q. B. 318, 363 (Richter Sellers L. J.), 367 (Richter Ormerod L. J.), 371 f. (Richter Harman L. J.). 422  Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 137. 423  Lobinger, a. a. O., S. 137. 424  Lobinger, a. a. O., S. 137. 425  Lobinger, a. a. O., S. 137 f. 418  419 

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b)  Der Rückgriff auf anerkannte Gefahrtragungsnormen Ergibt sich die Reichweite der Leistungspflicht nicht bereits aus den vertraglichen Vereinbarungen, so sei sie ohne Fiktion aus der gesetzlichen Verteilung der Gefahrtragung zu erschließen.426 „Ganz überwiegend“ konkretisierten die Gefahrtragungsvorschriften den Willen der Vertragsparteien, reflektierten „zumeist“ den Inhalt des Vertrages und gäben „lediglich logisch ableitend“ die richtige Rechtsfolge vor.427 Die Gefahrtragungsregeln dienten daher – selbst wenn eine subjektivistische Extremposition wegen Vorschriften wie § 616 BGB unvertretbar erscheine – immer mehr oder weniger ausgeprägt der Auslegung und Ergänzung des typischen Parteiwillens und damit dem Fortdenken des Vertrages.428 Insbesondere die §§ 446, 447 BGB seien Ausdruck der gesetzgeberischen Absicht, den typischen Parteiwillen bei Kaufverträgen zu erfassen.429 So sei unter anderem eine Teilung der Gefahr unter den Parteien bei § 446 BGB explizit abgelehnt worden, um einem rein subjektiven, ausnahmslos an der Parteivereinbarung orientierten Lösungsansatz gerecht zu werden.430 Auch § 447 BGB diene „ganz maßgeblich“ dem mutmaßlichen Willen der Parteien.431 Letztlich seien die Gefahrtragungsregeln zumindest materiell nicht mehr als sog.­ naturalia negotii sondern immer als sog. essentialia negotii anzusehen.432 Die Prämisse der dargestellten Auffassung ist folglich, dass die Auslegung der Vereinbarung bzw. „des eigentlichen Leistungsversprechens“433 als Kriterium für die Feststellung, ob der Schuldner leisten muss, ausreiche. Diese Auffassung soll im Folgenden einer kritischen Analyse unterzogen werden.

2.  Die nur eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Vertragsauslegung Es soll zunächst auf das argumentatorische Gewicht des „typischen Parteiwillens“ eingegangen werden (a)). Sodann ist allgemein auf die Leistungsfähigkeit der Vertragsauslegung zur Bestimmung der Grenzen des schuldnerischen Leistungsaufwands einzugehen (b)).434

426 

Picker, in Artz/Gsell/Lorenz, Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung, 2014, S. 1 (17). Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 141. Lobinger, a. a. O., S. 142 f. 429  Lobinger, a. a. O., S. 147 ff. 430  Lobinger, a. a. O., S. 148. 431  Lobinger, a. a. O., S. 148. 432  Lobinger, a. a. O., S. 151. Allerdings könne man Gefahrtragungsregeln von ihrer technischen Seite her immer noch als naturalia negotii bezeichnen, ders., a. a. O., S. 155. 433  Lobinger, a. a. O., S. 155. 434 Vgl. zur Schwäche der Auslegung auch Haberzettl, Verschulden und Versprechen, 2006, S. 168 ff. 427  428 



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a)  Die Untauglichkeit des „typischen Parteiwillens“ als Kriterium zur Bestimmung des Leistungsaufwandes Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der „typische Parteiwille“ von vielerlei Stimmen vereinnahmt wird, um damit teilweise gänzlich konträre Lösungsansätze vermeintlich stützen zu können.435 Wie wenig zielführend eine Argumentation auf Grundlage des typischen Parteiwillens für den konkreten Einzelfall ist, sollen die folgenden Überlegungen zeigen. Grundsätzlich stellt sich bereits das Problem, dass für eine fundierte Argumentation der typische Parteiwille bekannt sein muss. Dies ist allenfalls durch empirische Studien möglich. Solche Studien existieren für eine Vielzahl der Fälle jedoch gerade nicht oder vermögen die Komplexität und Vielfalt der möglichen Konstellation nicht ausreichend darzustellen. Doch selbst wenn entsprechende Zahlen existieren, bringen solche für den Einzelfall keinen Mehrwert, was an folgendem Beispiel veranschaulicht werden soll. Gemäß einer von der europäischen Kommission in Auftrag gegebenen Studie halten 77 % der EUVerbraucher den Vorrang der Nacherfüllung im Verbraucherrecht für vernünftig.436 Da diese Zahlen437 lediglich die Gläubigerseite widerspiegeln, lässt sich der Studie bereits nicht entnehmen, der Vorrang der Nacherfüllung entspreche dem typischen Parteiwillen in Deutschland. Außerdem bedeuten diese Zahlen auch, dass 23 % der Verbraucher in der EU438 gegen einen Vorrang der Nacherfüllung sind oder einem solchen zumindest indifferent gegenüberstehen. Des Weiteren ist einer allgemeinen Heranziehung dieser Zahlen entgegenzuhalten, dass die Gläubigerseite nur für den b2c-Bereich befragt wurde, so dass diese Zahlen allenfalls für ein Sonderprivatrecht Beachtung beanspruchen können. Es ist fraglich, ob sich ebenso viele Verbraucher für den Vorrang der Nacherfüllung 435 Einerseits für eine durch Auslegung zu bestimmende Begrenzung des Leistungsaufwands bspw. Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, insb. S. 139 ff.; für eine durch Auslegung zu ermittelnde auf eine Garantiehaftung hinauslaufende Leistungspflicht Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006, S. 69, 74 u. 81 f., wonach bei einem auf einen Erfolg gerichteten Vertrag der Schuldner grundsätzlich uneingeschränkt einstehen müsse; ähnlich wie Sutschet ausdrücklich Grigoleit, FS Köhler, 2014, S. 183 (184): „Es entspricht dem typischen Parteiwillen, dass der Vertragsschuldner grundsätzlich für die Nichterfüllung seines Leistungsversprechens haftet.“; für die Annahme einer Garantiehaftung auf Grundlage des „mutmaßlichen Parteiwillens“ auch Unberath, Die Vertragsverletzung, 2007, S. 357 f. 436  Impact Assessment SWD (2015) 274 final, S. 48 (abrufbar am 21.7.2020 unter ); ferner Consumer market study on the functioning of legal and commercial guarantees for consumers in the EU, Final report, 2015, unter 7.2.2, S. 197 (abrufbar am 21.7.2020 unter ). 437  In Deutschland lag die Zahl mit 79 % sogar etwas über dem EU-Durchschnitt, vgl. Consumer market study on the functioning of legal and commercial guarantees for consumers in the EU, Final report, 2015, unter 7.2.2, S. 197 (abrufbar am 21.7.2020 unter ). 438  Und 21 % der Verbraucher in Deutschland, vgl. a. a. O.

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aussprächen, wenn dieser Vorrang nicht nur im b2c-Bereich, sondern zugleich auch im b2b- und c2c-Bereich gilt, oder ob sie den Vorrang der Nacherfüllung im c2c-Bereich nicht als nachteilig empfänden439 und sich daher doch dagegen wendeten. Noch fragwürdiger wird die Übertragung der Zahlen auf das deutsche System, wo aus Gründen der Praktikabilität und Kostenersparnis grundsätzlich ein einheitliches Kaufrecht Anwendung finden soll.440 Selbst wenn man also – mehr oder weniger willkürlich – bei diesen Zahlen bereits von einem typischen Parteiwillen ausgehen wollte, relativieren sich diese vermutlich, wenn die Frage in einem anderen Kontext gestellt wird. Letztlich wird durch die Beachtung oben genannter Zahlen der Privatautonomie im Sinne einer selbstbestimmten Verwirklichung des Individuums keineswegs gedient, da sich diejenigen Verbraucher, die sich gegen den Vorrang der Nacherfüllung aussprechen, bei einer Befolgung des typischen Parteiwillens wiederum einer heteronom auferlegten Regelung gegenübersehen. Angesichts dieser Komplexität und der Schwierigkeit, für eine möglichst große Anzahl an Fällen eine möglichst gerechte441 Lösung zu finden, verbleibt nur der Verweis auf die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers. Das angestrebte Ziel des Gesetzgebers muss dabei sein, Regelungen zu schaffen, die in sich schlüssig sind, ein größtmögliches Maß an Rechtssicherheit bieten und dabei die ohne weiteres erkennbaren Interessen beider Parteien berücksichtigen und bestmöglich in Einklang bringen.442 Das Gesetz gibt also ein sinnvolles Modell vor und die Privatautonomie ermöglicht es, innerhalb ihrer Grenzen von diesem Modell abzuweichen.443 Mit den Worten Medicus’: „Die Funktion des dispositiven Gesetzesrechts besteht eben gerade darin, die Parteien von der Vorsorge für […] Komplikationen zu entlasten.“444 439 

Davon ausgehend Jauernig/Berger, 17. Aufl. 2018, § 439 Rn. 5; ähnlich und insb. zum b2b-Geschäft Erman/Grunewald, 15. Aufl. 2017, § 439 Rn. 27; auf den Einzelfall abstellend Derleder, NJW 2005, 2481 (2482). 440  Vgl. hierzu BT-Drs. 14/6040, S. 98. 441 Zu der diesbezüglich vorausgehenden Problematik, zunächst einmal überhaupt den Maßstab zu bestimmen, anhand dessen der Gerechtigkeitsgehalt einer Lösung ermittelt werden soll, vgl. Kymlicka, Les théories de la justice, 2003, passim; ähnlich auch Jansen, Die Struktur der Gerechtigkeit, 1998, passim; vgl. speziell zu möglichen Grundlagen der Vertragsgerechtigkeit die Darstellung verschiedener Ansätze bei Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 8 ff. m. w. Nachw. 442  Vgl. etwa Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 50 f.: die Funktion des dispositiven Rechts liege darin, den typischen Vertragszweck zu verwirklichen, indem der Vertrag „zu Ende gedacht“ werde; vgl. auch Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2010, S. 180 ff., u. a. mit dem Vorschlag, die Leerformel des gerechten Ausgleichs typischer Interessen der Parteien mithilfe der ökonomischen Analyse des Rechts zu füllen; vgl. ferner Möslein, Dispositives Recht, 2011, S. 89 ff., 438 ff. 443  Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S.43 f., 50 f.; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht. 2010, S. 3, 11, 44 ff.; zu den Funktionen des dispositiven Rechts und ihrem Verhältnis zueinander Möslein, Dispositives Recht, 2011, S. 33 ff. u. 43 ff. m. w. Nachw. 444  Medicus, Allg. Teil des BGB, 10. Aufl. 2010, S. 139 Rn. 340; ebenso Flume, Allg. Teil



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Nach alledem kann die oben dargestellte Ansicht, wonach die Gefahrtragungsnormen des BGB Ausdruck des „typischen Parteiwillens“ seien,445 nicht überzeugen. Auch kann bezweifelt werden, dass der Gesetzgeber bei den Gefahrtragungsregelungen des BGB einen „typischen Parteiwillen“ umsetzen wollte, indem er einen möglichst subjektiven Ansatz verfolgt habe.446 Selbst wenn man das von § 275 Abs. 2 BGB vorgegebene „grobe Missverhältnis“ für rechtspolitisch verfehlt ansähe, stellt es zumindest ein Kriterium dar, an dem sich eine Partei vor und nach Vertragsschluss und Erkennen des erhöhten Leistungsaufwandes orientieren kann und das somit zur Rechtssicherheit beiträgt.447 Gewiss kann nicht verleugnet werden, dass der Gesetzgeber versucht, die typischen Parteiinteressen durch Abstraktion zu ermitteln und zu berücksichtigen – schon allein, um zu vermeiden, dass das verabschiedete Gesetz faktisch keine Wirkung erlangt, weil es regelmäßig abbedungen wird oder, sofern möglich, eine andere Rechtsordnung gewählt wird. Allerdings bedeutet dies nicht, dass die ermittelten abstrakten Interessen diejenigen der Parteien im konkreten Einzelfall sind. Viel schwerwiegender kommt noch hinzu, dass die verallgemeinerten und unterstellten Parteiinteressen lediglich ein Abwägungskriterium unter vielen verschiedenen sind. So beruht der grundsätzliche Ausschluss des § 447 BGB durch § 475 Abs. 2 BGB im b2c-Bereich auf verschiedenen systematischen, überindividuellen und objektivrechtlichen Argumenten.448 Ebenso ist grundsätzlich anzuerkennen, dass die heutige Regelung des § 326 Abs. 1 BGB aus dem synallagmatischen Charakter des gegenseitigen Vertrages und damit letztlich aus dem Parteiwillen abgeleitet werden kann.449 Sie ist jedoch zugleich Ausdruck objektivrechtlicher Zurechnungs- und damit Gefahrdes bürgerlichen Rechts, Bd. 2, 4. Aufl. 1992, S. 321: „Die Normen des Zivilrechts haben […] nichts anderes zum Inhalt als eine Ergänzung der rechtsgeschäftlichen Regelungen.“ 445  Oben unter 1. b) (S. 84). 446  Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse II, 1980, S. 84: wo zur Begründung des § 446 BGB die regelmäßige Parteiintention lediglich neben dem Wesen des Kaufvertrages und der rechtsgeschichtlichen Entwicklung herangezogen wird; zur objektiven Leitbildfunktion des dispositiven Rechts auch Cziupka, Dispositives Vertragsrecht. 2010, S. 212 ff.; ausführlich zur Simulation des autonomen Parteiwillens und gesetzgeberischer und damit heteronomer Überlegungen als Gestaltungsparadigmen dispositiven Rechts auch Möslein, Dispositives Recht, 2011, S. 89 ff. m. w. Nachw. (vgl. auch die Überlegungen auf S. 438 ff. zu möglichen Regelungsstrategien des Gesetzgebers). 447  Insofern offensichtlich verfehlt ist daher die Kritik an § 275 Abs. 2 BGB bei Picker, JZ 2003, 1035 (1038), es handele sich um ein „Alles-oder-nichts-Prinzip“, weil der Schuldner nur sicher sein könne, dass ihm die Leistungsgefahr ganz oder gar nicht zugewiesen werde. Dieses Alles-oder-nichts-Prinzip gilt aus Rechtssicherheitsgründen an unzähligen Stellen des BGB, insbesondere liegt es jedoch den Gefahrtragungsregeln allgemein zugrunde. 448  Zutreffend herausgearbeitet und auch zugestanden bei Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 149 f., wo dennoch  –  ohne erkennbaren Grund – davon ausgegangen wird, dass das entscheidende Argument „offenbar“ die Verkehrsauffassung sei. 449  Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 147 ff.

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verteilungstopoi, wie sich insbesondere aus den zahlreichen Ausnahmen und Modifikationen450 ergibt, wonach jede Partei die Risiken ihrer Sphäre selbst zu tragen hat. Die Begründung hierfür liefert Lobinger selbst:451 „Die Beachtlichkeit sämtlicher in der Person oder den Sachen des Gläubigers gründender Erfüllungsrisiken müsste die Lukrativität der Schuldnerinvestitionen schon wegen deren mangelnder Voraussehbarkeit und Steuerbarkeit in weitem Unfang [sic] unkalkulierbar machen. Risiken dieser Art hängen allein von der Einzelsituation des Partners ab, in die der Schuldner aber weder Einblick hat noch haben muss oder soll. Und er kann daher seine Leistung im Normalfall gar nicht anders offerieren als eben unter Ausschluss solcher (Verwendungs-)Risiken. Andernfalls würde die Marktteilnahme für ihn zum reinen Vabanque-Spiel.“

Unter der Berücksichtigung der hier verstandenen Obligationslehre ist diese Argumentation jedoch auch auf den Gläubiger entsprechend anzuwenden. Auch der Gläubiger tätigt im Vorfeld Aufwendungen bzw. Investitionen im Hinblick auf den Erhalt der Leistung, in der Regel in Form von Rückstellungen bzw. Bereitstellung der Gegenleistung und in Form des Verzichts auf eine alternative Verwertung seiner finanziellen Mittel auf dem Markt.452 Genauso wenig wie der Schuldner mit Risiken aus der Sphäre des Gläubigers belastet werden darf, wenn es um die Frage geht, ob der Schuldner seine Gegenleistung erhält, darf der Gläubiger mit Risiken aus der schuldnerischen Sphäre belastet werden, wenn es darum geht, ob der Gläubiger die Leistung erhält.453 Die dargelegte Ansicht sieht sich jedoch noch zwei weiteren grundlegenden Bedenken gegenüber. Erstens werden offenbar lediglich jene Gefahrtragungsvorschriften genannt und als dem „typischen Parteiwillen“ entsprechend bewertet, die den Leistungsaufwand des Schuldners beschränken oder seine Gegenleistung sichern. Damit wird aber erkennbar die Obligation völlig außer Acht gelassen. Die dargelegte Ansicht verkennt, dass sich – ihrer eigenen Argumentationsweise folgend – auch der Gläubiger grundsätzlich nur dann an den Schuldner binden wird, wenn er seine Interessen als ausreichend gewahrt ansieht.454 450  Vgl.

nur § 326 Abs. 2 S. 1 Var. 1 u. 2, § 446 BGB, § 447 BGB sowie nach h.Lit. auch §§ 644, 645 BGB. Selbstverständlich ließen sich diese Vorschriften ohne Weiteres auch wieder auf einen „typischen Parteiwillen“ stützen. 451  Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 146: ausdrücklich gelten diese Ausführungen für alle Austauschverträge und werden wiederum auf den „typischen Parteiwillen“ gestützt, stehen jedoch in krassem Widerspruch zu seiner Kritik an § 311a Abs. 2 BGB, ders., a. a. O., S. 273 ff., insb. 275 ff. u. 292, wonach diese Überlegungen lediglich im Fall der „Mentalreservation“ relevant sein sollen. 452 Vgl. die entsprechende Argumentation bei Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 146. 453  Andernfalls gilt das bei Picker, in Artz/Gsell/Lorenz, Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung, 2014, S. 1 (17) in Erinnerung gerufene, „oft verkannte Prinzip“, dass das Risiko der Amortisation von Investitionen allein vom Investor zu tragen sei, nur eingeschränkt. Jedenfalls bei beabsichtigter Gleichbehandlung von Schuldner und Gläubiger muss es jedoch für beide gleichermaßen eingeschränkt oder uneingeschränkt gelten. 454  Vgl. bereits Larenz, Schuldrecht I AT, 14. Aufl. 1987, § 6 I, S. 78.



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Zweitens muss bezweifelt werden, dass die von der dargestellten Ansicht herausgearbeiteten angeblichen Widersprüche tatsächlich nicht zu erklären sind. So wird behauptet, es sei widersprüchlich, wenn der Verkäufer im Falle des transportbedingten Untergangs einer bereits konkretisierten Sache gem. § 275 Abs. 1 BGB von seiner Leistungspflicht frei wird, während er bei einem gutgläubigen Dritterwerb vom Spediteur bis zur Grenze des § 275 Abs. 2 BGB zum Rückkauf verpflichtet ist.455 Dabei wird nicht berücksichtigt, dass hier die sprichwörtlichen Äpfel mit Birnen verglichen werden. Zunächst kann bereits nicht behauptet werden, der Schuldner müsse nach Übergabe an die Transportperson überhaupt nicht mehr tätig werden. Kann der Schuldner die transportbedingte Verschlechterung bzw. den transportbedingten Untergang verhindern, so erscheint es sachgerecht, dass er den Gläubiger zumindest informieren muss, so dass dieser die erforderlichen Maßnahmen treffen kann. Denn andernfalls handelt es sich nicht um eine zufällige Verschlechterung bzw. einen zufälligen Untergang i. S. d. § 447 BGB.456 Des Weiteren regelt der im Beispiel bei Untergang der Sache anzuwendende § 447 BGB nach ganz herrschender Meinung nur die Gefahr für Sachmängel, nicht jedoch für Rechtsmängel.457 Wird die Sache also von einem verhandlungsbereiten Dritten gutgläubig erworben, ist sie weder untergegangen noch hat sie sich verschlechtert, weshalb § 447 BGB schon gar nicht einschlägig ist.458 Der von Lobinger gebildete Steinway-Fall ist demnach vielmehr mit einer Konstellation zu vergleichen, in der ein Dritter gutgläubig ein Pfandrecht an der Sache erwirbt. Für einen solchen Rechtsmangel ist dann gerade nicht der Zeitpunkt der Übergabe maßgeblich, sondern der der Eigentumsverschaffung459: der Schuldner wäre demnach auch in dieser Konstellation selbst nach der Übergabe noch zu Handlungen verpflichtet. Als Ergebnis ist demnach festzuhalten, dass es durchaus möglich ist, dass der Schuldner auch nach der Übergabe noch Leistungspflichten zu erfüllen hat. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Fortexistenz der Sache im SteinwayFall ein ausreichendes Differenzierungskriterium darstellt, um die Fälle des Untergangs und des gutgläubigen Dritterwerbs unterschiedlich zu behandeln. Der behauptete Widerspruch besteht also nur, wenn man §§ 446, 447 BGB für rechtspolitisch verfehlt hält, und diese auch auf Rechtsmängel Anwendung finden sollen.460 Die Rechtsprechung des BGH zu SIS-Einträgen461 zeigt jedoch 455  Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 156 f.; ders., GPR 2008, 262 (266). 456  Vgl. in diese Richtung etwa BeckOGK-BGB/Tröger, Stand 1.2.2020, § 447 Rn. 66, 77 m. w. Nachw. 457 BeckOK-BGB/Faust, Stand 1.5.2020, § 447 Rn. 21 m. w. Nachw. 458  Ist der Dritte nicht verhandlungsbereit, so ist die Sache untergegangen, da es keinen Unterschied macht, ob sie zerstört oder aus anderen Gründen nicht wiederbeschaffbar ist. 459 BeckOK-BGB/Faust, Stand 1.5.2020, § 447 Rn. 21 m. w. Nachw. 460  Für eine solche Forderung besteht jedoch kein Anlass, da die Vorschriften mit allgemeinen Gerechtigkeitsüberlegungen und systematischen Erwägungen gerechtfertigt wer-

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bereits, dass es sinnvoller erscheint, den Schuldner die Gefahr von Rechtsmängeln tragen zu lassen, da dieser ohnehin mitwirken muss, um den Sachverhalt aufzuklären. Ist der „typische Parteiwille“ wegen seiner Beliebigkeit also kein tragbares Argument und lassen sich die erwähnten Gefahrtragungsvorschriften auch ohne Weiteres aus objektiven Abwägungs- und Zurechnungserwägungen und systematischen Überlegungen herleiten, bleibt noch zu erörtern, ob die Leistungsfähigkeit der Vertragsauslegung tatsächlich den Einschätzungen der dargelegten Auffassung entspricht.

b)  Die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Vertragsauslegung – Die Untauglichkeit lückenhafter Verträge für die Bestimmung des Leistungsaufwandes Die Grundthese der dargelegten Ansicht lässt sich wie folgt zusammenfassen: „So wie der Grund dieser [übernommenen] Verpflichtung eben im Vertrag/der Vereinbarung liegt, müssen sich folgerichtig auch deren Grenzen aus dem Vertrag/der Vereinbarung ergeben.“462 Dieser Aussage kann allenfalls dann in ihrer Absolutheit zugestimmt werden, wenn gesetzliche Bestimmungen wie die Gefahrtragungsvorschriften als Teil des Vertrags/der Vereinbarung verstanden werden. Folgt man den soeben ausgeführten Argumenten gegen diese Sichtweise und sieht die Funktion des dispositiven Rechts in der Vertragsergänzung463, kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass Verträge/Vereinbarungen regelmäßig lückenhaft sind und einige Punkte, wie beispielsweise die Grenzen der eigenen Leistungspflicht, von den Parteien häufig nicht geregelt werden.464 Die Gründe hierfür sind vielfältig: die Parteien können einen Punkt schlichtweg übersehen haben, sie können ihn bewusst nicht geregelt haben, sie können sich bewusst nicht geeinigt oder einen Punkt nur ungenügend geregelt haben, sodass sich die getroffene den können: abgesehen von Risikosphärenüberlegungen verknüpft § 446 BGB den Vorteil der Nutznießung mit den Nachteilen der Unterhaltskosten und der Sachgefahr; § 447 BGB ist abgesehen von Sphärenüberlegungen aus der Hybridstellung der Schickschuld zwischen Holund Bringschuld abgeleitet und setzt folglich die Wertungen des § 269 Abs. 1 und Abs. 3 BGB fort. Genau genommen sieht das Gesetz demnach eine Aufteilung der Gefahren zwischen den Parteien vor – zwar keineswegs die Aufteilung derselben Gefahr, allerdings die Aufteilung verschiedener Gefahren. 461 Den Fällen ist gemein, dass die Einträge im Schengener Informationssystem nicht gelöscht wurden, weil nicht aufgeklärt werden konnte, ob ein Diebstahl oder ein Versicherungsbetrug vorlag: BGH, Urt. v. 18.1.2017 – VIII ZR 234/15 = NJW 2017, 1666; BGH, Urt. v. 26.4.2017 – VIII ZR 233/15 = NJW 2017, 3292. 462  Lobinger, GPR 2008, 262 (264) m w. Nachw. 463  Oben vor und mit Teil 1 Fn. 444. 464  Ebenso mit dem Beispiel der Haftungsbeschränkungen Arens, AcP 170 (1970), 392 (396).



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Regelung für die Lösung des später auftretenden Konflikts als unzureichend erweist.465 Dieses Ergebnis überrascht auch keineswegs, wenn man sich bei dem Versuch, die Grenzen der Leistungspflicht durch Auslegung zu bestimmen, deren Grundsätze in Erinnerung ruft. Bei der Auslegung einer Willenserklärung muss eben auf die individuelle Verständnismöglichkeit des konkreten Empfängers der Erklärung abgestellt werden.466 Es dürfen nur Willensindizien berücksichtigt werden, die für den Empfänger erkennbar waren.467 Das Idealziel der Auslegung ist folglich der wirkliche Wille des Erklärenden – und nicht etwa ein vernünftiger, redlicher, erlaubter oder aus anderen Gründen von der Gemeinschaft gebilligter Wille, da dadurch das Prinzip der finalen Selbstbestimmung verraten würde.468 Die der normativen Auslegung zugrunde gelegten Wertungen beschränken sich auf das inhaltsneutrale Ziel, die Risiken von Missverständnissen unter den Beteiligten aufzuteilen.469 Damit ergibt sich für unzählige Fälle von Vertragsschlüssen jedoch das Problem, dass es schlicht an Anknüpfungspunkten für die Ermittlung des Willens fehlt. Um ein bekanntes Beispiel von Medicus470 weiterzuführen: bestellt jemand „ein Bier“ im Wirtshaus und antwortet der Kellner hierauf mit einem schlichten „Kommt sofort“, kann durch die Ergänzung der Erklärung bzw. durch Auslegung konkludenten Verhaltens der Besteller so verstanden werden, dass er den aus der Getränkekarte oder etwa durch Aushänge erkennbaren Preis akzeptiert. Zudem kann regelmäßig aus den lokalen Gepflogenheiten geschlossen werden, um welche Art Bier es sich handeln soll. Mehr als zweifelhaft erscheint es hingegen, aus diesem kurzen Wortwechsel Schlüsse ziehen zu wollen, was der Kellner471 schuldet, wenn sich der Bestand der bestellten Biersorte kurz vor oder kurz nach dem Wortwechsel erschöpft hat.472 Dieses Beispiel ließe sich noch dahingehend zuspitzen, dass etwa noch Bier vorrätig ist, allerdings kurz vor einem Betriebsurlaub erst ein neues Fass angezapft werden 465  Insbesondere

geht das Gesetz, wie aus §§ 154, 155 BGB ersichtlich, selbst von der Möglichkeit lückenhafter Verträge aus. 466 Anstatt vieler Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 46 ff. 467  Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 47. 468  Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 47 m. w. Nachw. 469  Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 41. 470  Medicus, Allg. Teil des BGB, 10. Aufl. 2010, S. 139 Rn. 339. 471  Der Einfachheit halber wird die typischerweise vorliegende Vertretungskonstellation außer Acht gelassen. 472  Eine Vorratsschuld wird üblicherweise bei ausdrücklicher Vereinbarung oder in Fällen angenommen, in denen ein Indiz auf einen solchen Willen schließen lässt, etwa dem Kauf des Holzes eines bestimmten Lagerplatzes oder einer bestimmten Menge vom Hersteller, vgl. anstatt vieler Palandt/Grüneberg, 79. Aufl. 2020, § 243 BGB Rn. 3. Keines dieser Beispiele liegt hier vor bzw. lässt sich zwingend ohne Weiteres übertragen.

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müsste oder etwa kein Bier mehr vorrätig ist, der Kellner sich jedoch ohne Umstände beim Nachbarrestaurant eindecken könnte und der Besteller dies auch weiß, weil er im Vorbeigehen gesehen hat, dass es dort dieselben Getränke gibt. In solchen Fällen kann eine bestimmte Grenze der Leistungspflicht durch Auslegung schlicht nicht bestimmt werden.473 Die auszulegende Willenserklärung kann hinsichtlich des Umfangs der Leistungspflicht zu wenige oder zu viele Informationen enthalten und daher völlig unklar, mehrdeutig oder sogar perplex sein. Sobald jedoch eine bestimmte und damit eindeutige Rechtsfolge fehlt, die auf die veränderten Umstände Anwendung finden könnte, ist der Teil der Willenserklärung gem. § 155 BGB unwirksam.474 Mit anderen Worten: Sobald für den Gläubiger nicht eindeutig erkennbar ist, welchen Aufwand der Schuldner für die Erbringung der Leistung auf sich nehmen wird, muss eine Begrenzung der Leistungspflicht wegen dieser Unbestimmtheit eigentlich unbeachtlich bleiben. Schließlich kann dieses Ergebnis auch auf den Gedanken eines gerechten Interessenausgleichs475 gestützt werden: der Schuldner hat grundsätzlich ein Interesse, seinen Aufwand möglichst gering zu halten und soll daher die Möglichkeit haben, seine Leistungspflicht zu beschränken. Der Gläubiger hat hingegen ein Interesse, die Leistung zu erhalten und soll daher eindeutig erkennen können, wie sehr sein Obligationsinteresse durch die Beschränkung des Aufwands beeinträchtigt wird. Begrenzt der Schuldner seine Leistungspflicht hingegen nicht eindeutig, darf der Gläubiger zunächst davon ausgehen, die Leistung zu erhalten, ohne sich darum kümmern zu müssen, in welcher Weise dies geschieht.476 Aus diesen Gründen überzeugt auch das von Lobinger477 angeführte Beispiel nicht: 473  Insofern die Leistungsfähigkeit der Auslegung betreffend viel zu optimistisch Picker, in Artz/Gsell/Lorenz, Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung, 2014, S. 1 (17), der im berühmten Ringbeispiel (ebenda m. w. Nachw.) aus der Vertragsabsprache das Ob und Wie der Verschaffungspflicht und damit bejahendenfalls auch das Maß der Tiefe „Meter für Meter“ erschließen können will, bis zu der der Schuldner hinabtauchen muss, um seine Schuld zu erfüllen. 474  Vgl. beispielsweise Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 73 ff., insbesondere mit der zutreffenden Feststellung, dass es sich beim Scheinkonsens aufgrund übersehener Unbestimmtheit um einen typischen Fall des § 155 BGB handelt. 475  Eine vergleichbare Ausprägung erfährt der Gedanke im „Grundsatz der engen Auslegung einseitig belastender Vereinbarungen“; dazu anstatt vieler NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 58, insb. auch zur Gültigkeit dieser Auslegungsregel bei Individualvereinbarungen. 476  In diese Richtung auch Riehm, FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 1079 (1085), der wegen der Beweislastverteilung in § 280 Abs. 1 BGB von einem „Gedanken der vertraglichen Erfüllungsgarantie“ spricht. Diese Terminologie erscheint jedoch unglücklich, da sie unzutreffend eine gewisse Abkehr vom Verschuldensprinzip suggeriert. 477  Lobinger, GPR 2008, 262 (268).



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„Verbraucher A verkauft Verbraucher B seinen gebrauchten Volkswagen Golf III, ohne allerdings wissen zu können, dass das Fahrzeug mangelhaft ist, weil bei der letzten Inspektion in der mittlerweile insolvenzbedingt geschlossenen Vertragswerkstatt W heimlich ein älterer Austauschmotor eingebaut wurde. [Zudem h]atten sich die Parteien per Handschlag geeinigt und über die Gewährleistung keine Regelung getroffen […].“

Wenn sich Verbraucher A von seiner Werkstatt über den Tisch ziehen lässt, warum sollte dann Verbraucher B den Nachteil tragen? Es mag sein, dass Verbraucher A weder Nachbesserung noch Nachlieferung zusagen wollte. Wenn er von einem sonst üblichen Gewährleistungsausschluss absieht, war dies für Verbraucher B jedoch nicht erkennbar. Insofern ist der Obligation des Verbrauchers B Rechnung zu tragen. Auch stellt die Nacherfüllung unter Berücksichtigung der Obligation keine verschuldensunabhängige Restitutionspflicht dar, sondern vielmehr die Erfüllung des geschlossenen Vertrages, welche grundsätzlich verschuldensunabhängig geschuldet ist.478 Im Übrigen würde Verbraucher B systemwidrig – weil gegen den Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse verstoßend – plötzlich mit dem Insolvenzrisiko der Geschäftspartner von A belastet. Liegt, wie in diesem Beispiel, jedoch kein bekanntes oder erkennbares Indiz vor, dass auf den Willen zur Beschränkung der eigenen Leistungspflicht in einem bestimmten Ausmaß schließen lässt, kann sich eine solche Begrenzung der Leistungspflicht allenfalls noch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ergeben. Diese birgt jedoch, wegen der zu beachtenden Aspekte (hypothetischer Parteiwille, Üblichkeit und Billigkeit) und des fehlenden Rangverhältnisses unter diesen, die Gefahr der Rechtsunsicherheit und der richterlichen Gängelung.479 Geradezu ein Paradebeispiel für eine solche findet sich bei der von Lobinger480 als Beispiel herangezogenen Suez-Entscheidung McNairs.481 Abgesehen davon dürfte der Ansatz, die Grenze der Leistungspflicht jedes Mal aus den Einzelheiten des konkreten Vertrages und unter Berücksichtigung des typischen Parteiwillens sowie der gesetzlichen Gefahrtragungsvorschriften für 478  Vgl. bereits Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, 1948, S. 41: „Der Tatbestand, aus dem sich die Gewährleistungspflicht des Verkäufers ergibt, ist der Kaufvertrag […].“ 479  Medicus, Allg. Teil des BGB, 10. Aufl. 2010, S. 141 Rn. 344. 480  Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 136 ff. 481  Carapanayoti & Co. Ltd. v. E. T. Green Ltd. = [1959] 1 Q. B. 131, 149: „I feel no doubt at all that the continued availability of the Suez route was a fundamental assumption at the time when the contract was made, that to impose upon the sellers the obligation to ship by an emergency route via the Cape would be to impose upon them a fundamentally different obligation which neither party could, at the time when the contract was made, have dreamed that the sellers would be required to perform and that, if the parties to the contract had thought of the matter at the time, both, as reasonable men, would have accepted at once that, if the Canal was closed for an indefinite period at a time when the sellers were not in breach for failure to ship earlier, the contract would be off. Justice and reason require that, in these circumstances, both parties should be relieved from their obligations on the happening of the closing of the Canal without default of either party.“ (Herv. d. Verf.).

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den Einzelfall zu entwickeln, eine Vielzahl von Verfahren unnötig erschweren und damit verlangsamen und verteuern, ohne dass dieser Mehraufwand zu besser begründeten oder zwingenden Ergebnissen führte. Allgemein erscheint die Heranziehung der frustration doctrine als vermeintlicher Beleg für die Leistungsfähigkeit der Vertragsauslegung ungeeignet. Keineswegs haben sich die höchsten englischen Richter bei der Suez-Rechtsprechung strikt am Vertragsinhalt orientiert, ohne zugleich auf allgemeine Zumutbarkeits- und Verhältnismäßigkeitserwägung abzustellen.482 Die Vorgehensweise bei der frustration doctrine besteht grundsätzlich darin, die „ursprüngliche“ Leistung483 mit der „neuen“ zu vergleichen, um zu prüfen, ob eine „fundamentally different obligation“ vorliegt.484 Die entscheidende Frage ist dabei jedoch, wann eine wesentlich andere Leistung vorliegt. Die Formulierung „Non haec in foedera veni. It was not this that I promised to do“485 bringt jedoch keinen Mehrwert, da das Kriterium der frustration doctrine ja gerade ist, ob der Vertrag weit genug verstanden werden kann, um ihn auf die neue Situation anzuwenden. Bei genauerer Analyse der Rechtsprechung zur frustration doctrine ist dann auch ersichtlich, dass die Richter auf objektive Verhältnismäßigkeits- und Zumutbarkeitserwägungen zurückgreifen (müssen), die letztlich allesamt sehr vage bleiben und damit nicht gerade der Rechtssicherheit dienen: so wird untersucht, ob die Vertragsausführung den Parteien zumutbar ist oder ob eine der Parteien beispielsweise wegen astronomischer Kosten, unpraktikabler Leistungsalternativen oder wegen drohender erheblicher Beeinträchtigungen des Leistungsgegenstandes Einwände gegen die Vertragsfortsetzung haben muss.486 Dabei wird jedoch nicht auf die Parteien abgestellt, sondern auf den „fair and reasonable man“.487 Der frustration doctrine liegt demzufolge sehr wohl ein objektivierter Maßstab zugrunde. 482  So handelt es sich auch dem House of Lords zufolge beim frustration-Test um eine objektive Regel, vgl. Chitty on contracts, 32. Aufl., Bd. 1, Rn. 23–016; so ausdrücklich auch Lord Sommer in Hirji Mulji v. Cheong Yue S. S. Co = [1926] A. C. 497, 510: „[Frustration] is irrespective of the individuals concerned, their temperaments and failings, their interests and circumstances.“; ebenso Lord Radcliffe in Davis Contractors Ltd v. Fareham Urban District Council = [1956] A. C. 696, 728: „[…] the true action of the court […] consists in applying an objective rule of law of contract to the contractual obligations that the parties have imposed upon themselves.“ 483  Die Leistung, wie sie unter den bei Vertragsschluss vorliegenden Umständen ausgesehen hätte. 484  Chitty on contracts, 32. Aufl., Bd. 1, Rn. 23–012 f. 485  Davis Contractors Ltd. v. Fareham Urban District Council = [1956] A. C. 696, 729; ebenfalls zitiert bei Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 135. 486 Vgl. Lord Reid in Tsakiroglou & Co. Ltd. v. Noblee Thorl G. m. b. H. = [1962] A. C. 93, 118. 487  Lord Radcliffe in Davis Contractors Ltd v. Fareham Urban District Council = [1956] A. C. 696, 728. Der Grund hierfür liegt Lord Radcliffe zufolge u. a. darin, dass niemand sagen könne, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie vorgewarnt gewesen wären.

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Neben den Problemen bei der konkreten Anwendung der frustration doctrine ergeben sich jedoch auch allgemeine Bedenken: Wie den Entscheidungen zu dieser Lehre entnehmbar ist, findet sie nur sehr restriktiv Anwendung, selbst wenn die Kosten für den Schuldner extrem steigen,488 solange nur die Leistung sich nicht wesentlich ändert. Auf der anderen Seite scheint eine Anwendung der frustration doctrine unvermeidlich, sobald sich nur die Leistung wesentlich unterscheidet, selbst wenn die damit verbundenen Kosten für den Schuldner konstant bleiben oder sogar sinken.489 Das Ergebnis in Fällen explodierender Kosten mag für das englische Recht sinnvoll erscheinen, kann der Schuldner dort doch ohne Weiteres den höheren Aufwand vermeiden, indem er seinem Gläubiger den entgangenen Gewinn ersetzt.490 Der Schuldner wird daher mit den astronomischen Transportkosten nicht belastet, weil er bei Fortbestand des Vertrages dem Gläubiger lediglich den Gewinn ersetzen muss, den dieser bei Erhalt der Ware erwirtschaftet hätte. In einer Rechtsordnung, die vom Grundsatz der Naturalerfüllung491 und vom Verschuldensprinzip492 ausgeht, ist dieser Weg jedoch versperrt. Ist das entscheidende Kriterium der frustration doctrine jedoch die „wesentliche Gleichheit der Leistung“ und nicht der Leistungsaufwand und beruft man sich für ihre Rechtfertigung auf die Parteiinteressen, so beruhen die Ergebnisse dieser Doktrin letztlich jedoch darauf, das Interesse, eine „wesentlich gleiche Leistung“ erbringen/erhalten zu müssen, allgemein und immer deutlich stärker zu gewichten als das Interesse, den Leistungsaufwand möglichst gering zu halten.493 Diese Gewichtung fremder Interessen sollte der Richter jedoch nur dann vornehmen, wenn im konkreten Einzelfall eindeutige Nachweise hierfür bestehen. Selbst wenn deutliche Anhaltspunkte für ein bestimmtes Parteiinteresse bestehen, ist bei der Ziehung von Rückschlüssen auf einen bestimmten, auf gewisse Rechtsfolgen gerichteten Parteiwillen Zurückhaltung geboten. Diese Vorsicht und Achtung der Privatautonomie des einzelnen Individuums wird vom 488 

Chitty on contracts, 32. Aufl., Bd. 1, Rn. 23–021 m. zahlreichen Nachw. in Fn. 102. die obigen Beispiele bezogen müssten die Schuldner der Suez-Fälle ihre Leistung erfüllen, selbst wenn die Transportkosten astronomische Größen erreichten. Andererseits stellt eine Verschickung per Flugzeug wohl eine wesentlich andere Leistung dar, so dass diese selbst dann nicht geschuldet ist, wenn sie weniger kostet. 490  Vgl. dazu, dass im Common Law im Ausgangspunkt der Anspruch auf Erfüllung in natura die Ausnahme und der Schadensersatzanspruch die Regel ist bereits Rabel, Das Recht des Warenkaufs, Bd. 1, 1964, S. 375 ff. 491  Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung, 2015, S. 217 ff.; ferner NK-BGB/DaunerLieb, 3. Aufl. 2016, § 280 Rn. 23 m. w. Nachw. 492 Palandt/Grüneberg, 79. Aufl. 2020, § 276 Rn. 3; NK-BGB/Dauner-Lieb, 3. Aufl. 2016, § 276 Rn. 6. 493  Damit schließt ein Transport per Schiff einen Transport per Zug aus, selbst wenn dieser billiger sein sollte und mit keinerlei Mehraufwand verbunden wäre, vgl. Tsakiroglou & Co. Ltd. v. Noblee Thorl G. m. b. H. and Albert D. Gaon & Co. v. Société Inter-Professionelle des Oléagineux Fluides Alimentaires = [1960] 2 Q. B. 318, 366 mit Verweis auf In re L. Sutro & Co. and Heilbut, Symons & Co. = [1917] 2 K. B. 348. 489  Auf

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Gesetzgeber auch berücksichtigt: So wurde etwa zur Begründung des § 568 BGB a. F. ausgeführt, dass insbesondere der Richter nicht ohne Weiters von der unwidersprochenen Fortsetzung des Mietverhältnisses auf eine stillschweigende Vereinbarung der Parteien, den Mietvertrag auf unbestimmte Zeit fortsetzen zu wollen, geschlossen werden könne, „obschon die Verneinung der Verlängerung dem Interesse beider Theile widerspreche“.494 Ähnlich zurückhaltend entschied zudem Viscount Simonds in einer SuezEntscheidung. Davon ausgehend, dass die Käufer die Ware vermutlich wollten und möglicherweise bereits weiterverkauft hatten, kam er zu dem Schluss, dass die Annahme, die Suez-Route sei Vertragsbestandteil geworden, nicht zu rechtfertigen sei; letztlich müsse jede Partei die bei ihr anfallenden Kosten tragen, wenn sie sich nicht eigens dagegen schütze.495 Auch die Suez-Rechtsprechung berücksichtigte also die Obligation i. S. d. Bekommensollen des Gläubigers. Allgemein wurde vom House of Lords in der Entscheidung Tsakiroglou & Co. Ltd. v. Noblee Thorl G.m.b.H. die Lückenhaftigkeit des Vertrages betont496 und auf die Gefahr hingewiesen, eine Beschränkung der Leistungspflicht anzunehmen, weil eine solche auf die Fiktion einer Vertragsklausel hinausliefe.497

3. Fazit Damit ergibt sich folgendes Gesamtbild: § 275 BGB ist dispositives Gesetzesrecht498, welches nur zur Anwendung gelangt, wenn die Parteien die Grenzen der Leistungspflicht nicht geregelt haben. Eine solche Begrenzung der Leistungspflicht ist im Rahmen der Auslegung jedoch nur sehr zurückhaltend anzunehmen. Denn bei der Auslegung dürfen nur die für den Erklärungsempfänger bekannten oder erkennbaren Umstände und Interessen berücksichtigt werden. Liegen bekannte oder erkennbare Umstände und/oder Interessen vor, muss sich daraus auch eine bestimmte Grenze der Leistungspflicht ergeben. Die Vereinbarung muss also auf die veränderten Umstände anwendbar sein. Ist dies nicht der Fall, kommt grundsätzlich § 275 BGB zur Anwendung, es sei denn, aus der Parteivereinbarung ist erkennbar, dass das Ergebnis von § 275 BGB nicht gewollt ist. In einem solchen Fall ist der mangels vertraglicher oder gesetzlicher Regelung lückenhafte Vertrag im Wege der ergänzenden Vertrags494  Jakobs/Schubert

(Hrsg.), Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse II, 1980, S. 553 f.; die heutige geänderte Fassung des § 545 BGB soll lediglich sprachlich weniger schwerfällig wirken als der alte § 568 BGB, BT-Drs. 14/4553, S. 44. 495  Tsakiroglou & Co. Ltd. v. Noblee Thorl G. m. b. H. = [1962] A. C. 93, 113. 496  Tsakiroglou & Co. Ltd. v. Noblee Thorl G. m. b. H. = [1962] A. C. 93, 112 (Viscount Simonds), 117 u. 118 (Lord Reid), 121 f. (Lord Radcliffe). 497  Tsakiroglou & Co. Ltd. v. Noblee Thorl G. m. b. H. = [1962] A. C. 93, 114 (Viscount Simonds), 118 (Lord Reid). 498 § 275 Abs. 1 BGB ist jedoch insofern unabdingbares Recht, als die Vorschrift insbesondere die Rechtspflegeorgane vor sinnloser Inanspruchnahme bewahren soll, vgl. unten II. (S. 97 ff.).



II.  Die Wirkung von Leistungshindernissen auf die Leistungspflicht

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auslegung zu vervollständigen.499 Scheitert diese ebenfalls, ist der Vertrag entgegen der Zweifelsregelung des § 155 BGB als nicht geschlossen anzusehen. Nur durch eine restriktive Annahme einer Begrenzung der Leistungspflicht kann zwei wesentlichen Aspekten des Vertragsrechts Rechnung getragen werden. Zum einen würde durch die Annahme einer Leistungspflichtbegrenzung, die in ihrem bestimmten Umfang für den Gläubiger nicht erkennbar war, dessen Obligation nicht ausreichend berücksichtigt. War die Begrenzung der Leistungspflicht in einem bestimmten Umfang nämlich nicht erkennbar und erhebt man diese Begrenzung dennoch zum Vertragsinhalt, schätzt man das Interesse des Schuldners an der Begrenzung seiner Leistungspflicht ohne sachlichen Grund höher ein als die Obligation des Gläubigers. Ohne Rechtfertigungsgrund wird also die eine Partei bevorzugt und der Gläubiger mit für ihn nicht einschätzbaren, weil außerhalb seiner Sphäre liegenden Risiken belastet. Außerdem würde dabei völlig außer Acht gelassen, dass der Gläubiger sich und insbesondere seine finanziellen Mittel durch die Obligation an den Schuldner bindet. Zum anderen verletzt die vorschnelle Annahme einer Begrenzung der Leistungspflicht die Privatautonomie der Parteien. Denn die Privatautonomie ermöglicht es den Parteien auch, lückenhafte und/oder sogar wenig sinnvolle Verträge zu schließen. Unterstellt man den Parteien jedoch sogleich, dieses oder jenes gewollt zu haben, weil es „typisch“ oder „vernünftig“ ist, läuft man Gefahr, ihnen heteronom eine Regelung aufzudrängen. Eine solche Regelung bliebe letztlich jedoch immer nur das Ergebnis einer Fiktion des Parteiwillens.

II.  Die Wirkung von Leistungshindernissen auf die Leistungspflicht Nachdem das Verhältnis der vertraglichen Vereinbarung hinsichtlich Leistungsumfang und -grenzen zu § 275 BGB beleuchtet und festgestellt wurde, dass der Schuldner einen Leistungserfolg zu erbringen hat, bleibt zu untersuchen, welche Auswirkung Leistungshindernisse auf das Schuldverhältnis im engeren und i. w. S., auf den Anspruch und nicht zuletzt auf die Obligation haben. Ausgehend von einer Bestimmung des Begriffs „Leistungshindernis“ (1.) soll der jahrtausendealte Grundsatz „impossibilium nulla obligatio est“ (2.) untersucht werden, um sodann die genauen Rechtsfolgen des § 275 BGB zu bestimmen (3.).

1.  Der Begriff des Leistungshindernisses Der Begriff des Leistungshindernisses wird im BGB lediglich an vier Stellen verwendet: einmal in § 275 Abs. 2 S. 2 BGB und jeweils einmal in § 311a Abs. 1, Abs. 2 S. 2 sowie dessen amtlicher Überschrift. Fest500 wies bereits 2005 darauf 499  Dazu, dass die ergänzende Vertragsauslegung letztlich dieselben Probleme aufwirft wie die Auslegung des § 275 Abs. 2 BGB, bereits Bach, Leistungshindernisse, 2017, S. 327. 500  Fest, WM 2005, 2168 (2169); im Ansatz bereits Grundmann, AcP 204 (2004), 569

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hin, dass wegen der zentralen Bedeutung des Begriffs in § 311a BGB eigentlich nicht von der Haftung für anfängliche Unmöglichkeit, sondern vielmehr von der Haftung für anfängliche Leistungshindernisse gesprochen werden muss – eine Kritik, die bis heute kaum Früchte trug.501 Wesentlicher Grund für diese zurückhaltende Differenzierung zwischen anfänglicher Unmöglichkeit und anfänglichem Leistungshindernis könnte die Gesetzesbegründung sein: trotz des Wortlauts des § 311a BGB wird in den Gesetzesmaterialien zu dieser Vorschrift der Begriff lediglich im Zusammenhang mit § 119 Abs. 2 BGB verwendet.502 Dass die Differenzierung zwischen anfänglicher Unmöglichkeit und anfänglichem Leistungshindernis dennoch als zwingend anzusehen ist, ergeben folgende Überlegungen: zunächst ist die Differenzierung im Wortlaut des § 311a Abs. 2 BGB angelegt und von dogmatischer Bedeutung.503 Darüber hinaus verdeckt die Terminologie „Haftung für anfängliche Unmöglichkeit“, dass § 311a BGB auch in den Fällen der Unzumutbarkeit gem. § 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB Anwendung findet.504 Eine Anwendung des § 311a Abs. 2 BGB auch auf Fälle anfänglicher Leistungshindernisse dient zudem dem Ziel des Gesetzgebers, die Unterscheidung zwischen anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit soweit wie möglich aufzuheben, weil diese im Einzelfall häufig mit Beweisschwierigkeiten einhergeht und von Zufälligkeiten abhängt.505 Zuzugeben ist zwar, dass dann durch Beweiserhebung zu ermitteln ist, ob das Leistungshindernis bei Vertragsschluss bestand und ob der Schuldner dies wusste oder wissen musste. Die Entstehung des Leistungshindernisses und die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen hiervon dürften jedoch einfacher festzustellen sein als der genaue Zeitpunkt der Unmöglichkeit.506 Im Übrigen spricht auch der Wortlaut des § 275 Abs. 2 BGB für eine Unterscheidung zwischen Unmöglichkeit/Unverhältnismäßigkeit und Leistungshindernis. Die Vorschrift sieht vor, dass die Bestimmung der Unverhältnismäßigkeit von der Berücksichtigung der Frage abhängt, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat. Dies setzt (583 f.); ebenso Soergel/Gsell, 13. Aufl. 2014, § 311a Rn. 11 ff. m. w. Nachw.; zustimmend Palandt/Grüneberg, 79. Aufl. 2020, § 311a Rn. 4; a. A., allerdings sehr verallgemeinernd BGH, Urt. v. 22.6.2005 – VIII ZR 281/04 = NJW 2005, 2852 (2854). 501  Vgl. anstatt vieler BeckOK-BGB/Gehrlein, Stand 1.5.2020, § 311a Rn. 3: „Wird die Leistung im Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Fälligkeit oder Bedingungseintritt unmöglich, handelt es sich um nachträgliche Unmöglichkeit.“ 502  BT-Drs. 14/6040, S. 164 ff. 503  Fest, WM 2005, 2168 (2169): nur das Leistungshindernis müsse bei Vertragsschluss vorliegen und diene als Bezugspunkt für das Vertretenmüssen; für eine analoge Ausdehnung des Vertretensmaßstabs Soergel/Gsell, 13. Aufl. 2014, § 311a Rn. 15 m. w. Nachw. 504  Fest, WM 2005, 2168 (2168 f.). 505 BT-Drs. 14/6040, S. 164: „Der Eintritt der Unmöglichkeit vor oder nach Vertragsschluss kann zufällig und sein genauer Zeitpunkt zuweilen auch schwer beweisbar sein“. 506  So wird man im Falle eines Brandes etwa durch Beweiserhebung viel einfacher herausfinden können, ab wann es in etwa brannte und ab wann der Schuldner hiervon Kenntnis hätte haben müssen, als den Zeitpunkt zu bestimmen, in welchem die geschuldete Sache durch den Brand irreparabel zerstört wurde.



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jedoch die Möglichkeit voraus, dass nach der Berücksichtigung der Frage des Vertretenmüssens die Abwägung dahingehend ausfällt, dass die Leistung für den Schuldner nicht unzumutbar ist. In diesem Falle läge ein Leistungshindernis ohne grobe Unverhältnismäßigkeit vor. Das Vorliegen eines Leistungshindernisses einerseits und einer Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit andererseits stehen demnach in einem Verhältnis von Grund und möglicher Folge.507 Damit die §§ 275, 311a BGB ihre Funktion, lückenhafte Verträge zu ergänzen, erfüllen können, ist der Begriff des Leistungshindernisses weit zu verstehen. Ein Leistungshindernis ist demnach jede Tatsache, die der Leistung (gemeint ist nach dem hier vertretenen Leistungsbegriff der Leistungserfolg) und damit letztlich der Obligation als dem Bekommensollen508 entgegensteht. Damit erfasst der Begriff auch die Leistungshandlung selbst. Denn jede Leistung setzt die Überwindung eines Hindernisses voraus, da es sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch andernfalls bereits nicht um eine „Leistung“ handelt.509 Als Beispiele sind etwa der Verkauf einer abhanden gekommenen Sache eines zur Genehmigung nicht bereiten Verfügungsberechtigten510 und die Vermietung eines noch zu erbauenden Gebäudes zu nennen.511 In beiden Fällen steht der Leistung ein Umstand entgegen, der den Leistungserfolg zumindest zunächst ausschließt: im ersten Fall der ohne Genehmigung nicht zu überwindende Mangel der Verfügungsberechtigung, im zweiten Fall der Umstand, dass die vermietete Sache noch gar nicht existiert. Aber auch das Versprechen mehrerer Lieferungen aus einem zu geringen Vorrat in der Hoffnung, diesen aus eigener Produktion noch ausreichend erhöhen zu können, ebenso wie das Versprechen einer höchstpersönlichen Leistung trotz feststehender langfristiger Erkrankung in der Hoffnung, bis zur Fälligkeit der Leistung wieder gesund zu werden,512 stellen Leistungshindernisse dar. Eine genauere Betrachtung erfordern hingegen diejenigen Fälle, in denen ein konkreter Umstand vorliegt, der dem Leistungserfolg selbst noch nicht entgegensteht, jedoch eine weitere Entwicklung der Geschehnisse erwarten lässt, die sodann zur Unmöglichkeit führt. Weiter zugespitzt stellt sich die Frage, ob Risiken, die die abstrakte, d. h. von konkreten Umständen unabhängige Möglichkeit des Eintritts eines unmittelbaren Leistungshindernisses darstellen, vom 507  So bereits Fest, WM 2005, 2168 (2169), jedoch über das Verhältnis von Leistungshindernis und Ausschluss der Leistungspflicht. Über die Rechtsfolge des § 275 BGB unten unter II. 3. (S. 112 ff.). 508  Oben unter A. II. 3. (S. 19 ff.). 509 Vgl. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969, S. 206 f. 510  Vgl. nur Fest, WM 2005, 2168 (2169); Canaris, FS Heldrich, 2005, S. 11 (33 f.); OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.9.2004 – 8 U 97/04 = NJW 2005, 989 (989 ff.). 511 Vgl. Fest, WM 2005, 2168 (2169); BGH, Beschl. v. 25.11.1998 – XII ZR 12/97 = NJW 1999, 635 (635 ff.). 512  In Anlehnung an Grundmann, AcP 204 (2004), 569 (583).

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Begriff des Leistungshindernisses erfasst werden. Als Beispiele können das allgemeine Lebensrisiko, dass der geschuldete Gegenstand durch einen Blitz oder durch ein Feuer später zerstört wird, genannt werden. Fest stellt sich dieser Frage und betont zunächst, dass § 311a BGB die einzige Einschränkung enthalte, dass das bereits bei Vertragsschluss bestehende Leistungshindernis zugleich oder später zum Ausschluss der Leistungspflicht führe, sodass auch jeder risikobehaftete Umstand erfasst sei.513 Nach Fest ist auch das allgemeine Lebensrisiko unter den Begriff des Leistungshindernisses zu subsumieren und werde die Haftung aus § 311a Abs. 2 BGB erst durch das zusätzliche Kriterium der Erkennbarkeit der Unüberwindbarkeit im Rahmen des Vertretenmüssens wieder eingeschränkt.514 Die Subsumtion von Risiken unter den Begriff des Leistungshindernisses führt zu einer großen Zahl an Anknüpfungstatbeständen und damit zu einer weiten Anwendung des § 311a Abs. 2 BGB. Dieser weite Anwendungsbereich entspricht dem Telos der Norm: so soll § 311a Abs. 2 BGB verhindern bzw. einen Ausgleich dafür schaffen, dass der Schuldner auf Kosten des Gläubigers bewusst oder vorwerfbar unbewusst spekuliert, indem er ein wirksames Leistungsversprechen abgibt, auf welches der Gläubiger vertraut, obwohl der Schuldner im Moment des Vertragsschlusses weiß oder zumindest wissen müsste, dass der Leistung ein Hindernis entgegensteht und er das Versprechen daher aller Voraussicht nach nicht wird einhalten können.515 Wertungsmäßig kann es keinen Unterschied machen, ob die Spekulation des Schuldners darin besteht, dass er auf den Wegfall eines bestehenden Leistungshindernisses hofft (bzw. im Falle fahrlässiger Unkenntnis hoffen müsste), oder darauf hofft (bzw. hoffen müsste), dass sich ihm bekannte (bzw. fahrlässig unbekannte) Umstände entgegen der naheliegenden Erwartung nicht zu einem unüberwindbaren Leistungshindernis entwickeln. Eine Erstreckung des § 311a Abs. 2 BGB auf alle Risiken erscheint daher angemessen, zumal wenn eine Einschränkung des Vertretenmüssens mittels des Kriteriums der Erkennbarkeit der Unbehebbarkeit erfolgt, auch wenn diese weder im Wortlaut noch in der Gesetzesbegründung angelegt ist.516 Unter Berücksichtigung der hinter § 311a Abs. 2 BGB stehenden Wertung lässt sich daher eine wesentliche Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift herleiten. Besteht die Maxime des § 311a Abs. 2 BGB darin, dass der 513 

Fest, WM 2005, 2168 (2169 ff.). Fest, WM 2005, 2168 (2170); eine Kenntnis bzw. zu vertretende Unkenntnis der Unüberwindbarkeit eines Mangels forderte zuvor bereits Lorenz, NJW 2002, 2497 (2501). 515  BT-Drs. 14/7052, S. 190: „Die dem Schuldner vorzuwerfende Pflichtverletzung liegt, was § 311a Abs. 2 BGB-E auch zutreffend regelt, darin, dass der Schuldner die Leistungspflicht übernimmt, obwohl er weiß oder wissen muss, dass er sie nicht erfüllen kann.“ Ferner selbst Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 292, allerdings nur für den Fall positiver Kenntnis. 516 Vgl. Fest, WM 2005, 2168 (2170), wonach sich die Kenntnis oder zu vertretende Unkenntnis „ohne Einschränkung“ auf das Leistungshindernis beziehe. 514 



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Schuldner nicht auf Kosten des Gläubigers spekulieren soll, so führen nur solche Umstände zur Haftung des Schuldners, bei denen ex ante berechtigterweise davon auszugehen war, dass sie zu einer Leistungsstörung führen werden. Solange hingegen berechtigterweise davon ausgegangen werden durfte, dass der Schuldner wird leisten können, kann von einer Spekulation auf Kosten des Gläubigers keine Rede sein. Insofern ist Fest zuzugeben, dass sein Vorschlag nicht mit dem Wortlaut oder Willen des Gesetzgebers unvereinbar ist, weshalb es sich durchaus um eine für § 311a Abs. 2 BGB zweckmäßige Lösung handelt. Nicht zu vernachlässigen sind jedoch auch die gewichtigen systematischen Konsequenzen einer solchen Lösung: So wurde bereits darauf hingewiesen, dass es nicht zu rechtfertigen ist, weshalb der Schuldner nur bei Kenntnis/Kennenmüssen der Unmöglichkeit haften soll, nicht jedoch, wenn er bei Vertragsschluss weiß, dass es zu einer anderen Leistungsstörung, wie Verzug oder Schlechterfüllung, kommen wird.517 Konsequent wurde daraus geschlossen, dass es sich beim Maßstab der Kenntnis bzw. fahrlässigen Unkenntnis im Moment des Vertragsschlusses518 im Grunde um eine neben Vorsatz und Fahrlässigkeit hinzutretende Form des Verschuldens handelt, die im § 276 BGB zu kodifizieren ist.519 Eine Verortung bei § 276 BGB als allgemeine Form des Verschuldens und eine Anwendung auf alle Leistungsstörungen ist somit de lege ferenda zu fordern und der Maßstab der Kenntnis/ fahrlässigen Unkenntnis aus § 311a Abs. 2 BGB bereits jetzt auf alle Leistungsstörungen anzuwenden. Lediglich bei der Leistungsstörungskategorie der Unmöglichkeit ist dieser Maßstab um das auf diese Leistungsstörung zugeschnittene Kriterium der Erkennbarkeit der Unbehebbarkeit zu ergänzen. Damit ist der Auffassung zuzustimmen, die den Begriff des Leistungshindernisses sehr weit versteht. Unter den Begriff fällt daher beispielsweise auch die Konstellation, in der der Verkäufer zu importierender Ware deren Lieferung verspricht, obwohl Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, dass die Regierung des Herkunftslandes ein Ausfuhrverbot plant.520 Ebenfalls ist die Geneigtheit, regelmäßig bis zur Leistungsunfähigkeit zu erkranken, ein Leistungshindernis für denjenigen, der für ein bestimmtes Einmalereignis eine höchstpersönliche Leistung verspricht.521 Als weitere Beispiele ließen sich noch nennen das Versprechen, einen Gegenstand vom Gipfel eines Berges zu holen, obwohl die Wetterlage auf ein tödliches Unwetter hindeutet oder auch 517 

So Soergel/Gsell, 13. Aufl. 2014, § 311a Rn. 12. je nach Konstellation, im Moment des Wirksamwerdens des Angebots des Schuldners, vgl. Soergel/Gsell, 13. Aufl. 2014, § 311a Rn. 26 f. 519  Vgl. bereits Grundmann, AcP 204 (2004), 569 (580 f.); ferner Soergel/Gsell, 13. Aufl. 2014, § 311a Rn. 11 ff. m. w. Nachw. in Fn. 29. 520  Angelehnt an Fest, WM 2005, 2168 (2169); RG, Urt. v. 30.10.1917 – II 213/17 = LZ 1918, 377 (377 f.). 521  Grundmann, AcP 204 (2004), 569 (583); mit einem ähnlichen Beispiel Löwisch, AcP 165 (1965), 421 (434). 518 Bzw.,

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das Versprechen der Lieferung von Kies aus einer bestimmten Kiesgrube (und damit aus einer Vorratsschuld), obwohl Umstände vorliegen, die darauf hindeuten, dass die Kiesgrube für die Lieferung der versprochenen Menge nicht ausreichen wird. Leistungshindernis ist demnach jede Tatsache, die dem Leistungserfolg und damit der Erfüllung der Obligation entgegensteht, unabhängig von der Frage der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Unüberwindbarkeit. Die Unmöglichkeit bzw. Unverhältnismäßigkeit bzw. Unzumutbarkeit ist demnach nur eine mögliche Folge des Leistungshindernisses, ebenso wie der Verzug oder die Schlechtleistung. Im Folgenden soll erörtert werden, welche Auswirkungen ein Leistungshindernis bzw. die Unmöglichkeit bzw. Unverhältnismäßigkeit bzw. Unzumutbarkeit als mögliche Folgen des Leistungshindernisses auf das Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner hat.

2.  Unmöglichkeit und der Grundsatz impossibilium nulla obligatio Während § 275 Abs. 3 BGB die Unzumutbarkeit wegen persönlicher Verhältnisse und § 275 Abs. 2 BGB die Unverhältnismäßigkeit wegen des groben Missverhältnisses zwischen Leistungsaufwand und Gläubigerinteresse regelt, geht es bei § 275 Abs. 1 BGB um die Unmöglichkeit wegen eines dauernden Leistungshindernisses. § 275 Abs. 1 BGB soll demnach Fälle lösen, bei denen Leistungshindernisse in absehbarer Zeit nicht überwunden werden können. Auf die mannigfaltigen Detailfragen und Abgrenzungsprobleme522 soll hier nicht weiter eingegangen werden, würde dies ohne Weiteres den Rahmen dieser Untersuchung sprengen. Für die Frage des Verhältnisses zwischen der Haftung für Leistungshindernisse und der Obligation ist jedoch von maßgeblicher Bedeutung, ob und wie 522  Exemplarisch zu den Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen § 275 Abs. 1 und Abs. 2 BGB etwa Schlechtriem, FS Sonnenberger, 2004, S. 125 (129); Staudinger/Caspers, 2019, § 275 Rn. 27 m. w. Nachw., der bereits dann eine Unmöglichkeit nach Abs. 1 annehmen möchte, wenn das Leistungshindernis zwar theoretisch überwunden werden könnte, die Überwindung jedoch „schlechterdings von niemandem erwartet“ werden könne; enger MüKoBGB/ Ernst, 8. Aufl. 2019, § 275 Rn. 33 u. 55 f. m.  w.  Nachw., der den Zweck des Abs. 1 darin sieht, sinnlose Leistungsurteile zu vermeiden; für die Ansicht Ernsts spricht jedenfalls BTDrs. 14/6040, S. 128 (re. Sp.): es sei sinnlos, dem Gläubiger einen Anspruch zu geben, den der Schuldner nicht erfüllen könne und der sich demgemäß nicht einmal theoretisch im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen ließe. § 275 Abs. 1 BGB schütze demnach nicht nur den Schuldner vor einem Vollstreckungstitel, dem er nicht nachkommen kann, den Gläubiger vor der letztlich erfolglosen Verfolgung seines Naturalerfüllungsanspruchs, sondern eben auch die Rechtspflege vor einer Beschäftigung mit schlussendlich irrelevanten Fragen. Dieser dreifache Zweck würde auch erklären, weshalb die Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 BGB ipso iure wirkt und von Amts wegen festzustellen ist, während es bei den Abs. 2 und 3 dem Schuldner überlassen bleibt, die Grenze der Unverhältnismäßigkeit bzw. Unzumutbarkeit zu überschreiten, um sich seine Gegenleistung zu sichern; vgl. zur Frage der Abgrenzung zwischen Unmöglichkeit und Unvermögen bereits Rabel, FS Bekker, 1907, S. 171 (214) = Leser (Hrsg.), Rabel, Gesammelte Aufsätze, 1965, S. 1 (36).



II.  Die Wirkung von Leistungshindernissen auf die Leistungspflicht

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sich ein Leistungshindernis auf die Wirksamkeit des Vertrages auswirkt. Denn ein wirksames Schuldverhältnis ist stets Voraussetzung für das Entstehen und Fortbestehen der Obligation.

a)  Die Lehre von der Unwirksamkeit eines nicht erfüllbaren Vertrages Einzelne Stimmen in der Literatur523 halten § 311a Abs. 1 BGB für verfehlt und wollen jedenfalls bei anfänglicher objektiver Unmöglichkeit grundsätzlich eine Unwirksamkeit des Vertrages annehmen. Soweit ersichtlich wurde § 311a Abs. 1 BGB – anders als § 311a Abs. 2 BGB524 – jedoch zu keiner Zeit Gegenstand einer ausführlichen Debatte.525 Als Argument gegen § 311a Abs. 1 BGB wird angeführt, § 306 BGB a. F. habe lediglich deklaratorischen Charakter gehabt, da die Frage der Wirksamkeit eines Vertrages wegen Unmöglichkeit stets vom Willen der Parteien abhänge.526 Verhielten sich beide Parteien redlich, hätten sie den Vertrag hingegen nicht geschlossen.527 § 311a Abs. 1 BGB zwinge den Parteien also einen wirksamen Vertrag auf, den sie nicht wollten, was durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB bzw. im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach § 157 BGB festgestellt werden könne; nur durch – notfalls ergänzende – Auslegung könne der 523  Altmeppen, DB 2001, 1399 (1399 ff.); ders., DB 2001, 1821 (1822 f.), dessen Kritik sich jedoch in erster Linie gegen die Haftung auf das positive Interesse richtet; kritisch zu § 311a BGB n. F. jedenfalls bei „unsinnigen Verträgen“ auch Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 277 ff.: Konturierung des § 306 BGB  a. F. unter „umgekehrten Vorzeichen“; mit umfassender Kritik Popescu, Kein positives Interesse bei anfänglicher Unmöglichkeit und anfänglich unbehebbaren Mängeln, 2012, S. 39 ff.; von der allgemeinen Richtigkeit des § 306 BGB a. F. zumindest bei „gegenstandslosen“ Verträgen überzeugt Arp, Anfängliche Unmöglichkeit, 1988, passim. 524  Vgl. nur die Nachw. oben in der Einleitung zu Teil 1 (S. 7 f.) und in Teil 1 Fn. 621; zur Haftung bei anfänglich unmöglicher Leistung unten unter III. 2. u. 3. (S. 124 ff.). 525  Mit dieser Feststellung bereits Harke, AcP 205 (2005), 67 (81): „Daß Schuldverhältnisse, die dem Gebot von Treu und Glauben unterliegen und damit vielgestaltig sind, in ihrer Wirksamkeit nicht von der Erfüllbarkeit der vereinbarten Leistung abhängen, ist evident, […] und wird seit der Schuldrechtsreform auch nicht mehr aus dogmatischen Gründen angezweifelt.“; für die Wirksamkeit des Vertrages bereits Huber, in: Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. 1, 1981, S. 647 (813): „Daß der Grundsatz des § 306 BGB, der auf eine unmögliche Leistung gerichtete Vertrag sei nichtig, rechtspolitisch verfehlt ist, wird heute wohl kaum mehr bezweifelt“; Canaris, in: Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg.), Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, 2001, S. 43 (49) in Fn. 24: „[…] dass demgemäß die Wirksamkeit des Vertrages grundsätzlich nicht beeinträchtigt wird, sollte aus heutiger Sicht eine Selbstverständlichkeit sein“ (Herv. i. Orig.); ebenso Hammen, WM 2001, 1357 (1399): „Verträge sind nämlich nach der Konzeption des BGB stets wirksam […], wenn kein gesetzlicher Unwirksamkeitsgrund entgegensteht“; ders., FS Hadding, 2004, S. 41 (42 f.); noch weiter Stoll, JZ 2001, 589 (590 f.), der über einen wirksamen Vertrag hinaus auch eine Leistungspflicht trotz Unmöglichkeit annimmt; zur Wirkung der Unmöglichkeit auf die Leistungspflicht unten unter 3. (S. 112 ff.). 526  Popescu, Kein positives Interesse bei anfänglicher Unmöglichkeit und anfänglich unbehebbaren Mängeln, 2012, S. 52. 527  Popescu, a. a. O., S. 52 f.; ebenso Arp, Anfängliche Unmöglichkeit, 1988, S. 154.

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Parteiwille berücksichtigt und die Privatautonomie der Parteien gewahrt werden.528 Gerade die Regelung des § 311b Abs. 1 S. 2 BGB zeige, dass die anfängliche Unwirksamkeit eines Vertrages allenfalls durch den stärkeren Parteiwillen überwunden werden könne.529 Die Nichtigkeit eines Vertrages bei anfänglicher objektiver Unmöglichkeit ergebe sich zudem aus den Begriffen des Vertrages und der Nichtigkeit selbst. So sei ein Geschäft immer dann nichtig, wenn die Rechtsfolgen eines Geschäfts versagt seien bzw. das Geschäft die entsprechenden Rechtsfolgen nicht hervorzubringen vermag.530 Hinsichtlich des Vertragsbegriffs müsse berücksichtigt werden, dass der Vertrag kein Rechtskonstrukt sei, sondern lediglich begriffliches Synonym für die übereinstimmend geäußerten Rechtsfolgen, sodass der Vertrag und dessen Gehalt nur so weit reiche, wie er vom Parteiwillen getragen werde.531 Wegen der objektiven Unmöglichkeit habe der Vertrag jedoch keinen sinnvollen Inhalt und gelte die Vertragsnichtigkeit im Übrigen auch für Fälle, in denen die Leistungspflicht entweder nicht existent oder nicht durchsetzbar ist.532 Letztlich werde § 311a Abs. 1 BGB regelmäßig zirkulär mit der Existenz des § 311a Abs. 2 BGB und umgekehrt begründet.533 Auch widerspreche § 311a Abs. 1 BGB der Regelung bei öffentlich-rechtlichen Subordinationsverträgen gem. §§ 59 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, wonach ein solcher Vertrag bei objektiver Unmöglichkeit stets nichtig sei.534 Endlich sei § 311a Abs. 1 BGB schon deshalb abzulehnen, weil die Vorschrift eine „Ewigkeitsklausel“ darstelle, die den Gläubiger zur Annahme der Leistung unter Umständen „bis an sein Lebensende“ belaste, selbst wenn er kein Interesse an der Leistung mehr habe.535 Einen gänzlich anderen Ansatz verfolgt Arp, der den Sinn des § 306 BGB a. F. darin sieht, die Haftung des Schuldners für die Nichterfüllung der 528 

Popescu, a. a. O., S. 51. Popescu, a. a. O., S. 52. 530  Popescu, a. a. O., S. 42 m. w. Nachw. 531  Popescu, a. a. O., S. 48 ff., insb. S. 50 und dort Fn. 118: „Der Vertrag ist (sind) die Forderung(en).“ (Herv. i. Org.); Hammen, FS Hadding, 2004, S. 41 (50): „Es verhält sich eben so, daß aus dem nach § 311a Abs. 1 BGB wirksamen Vertrag nichts entsteht, was den vertraglichen Erklärungen der Parteien inhaltlich entspricht.“ 532  Popescu, Kein positives Interesse bei anfänglicher Unmöglichkeit und anfänglich unbehebbaren Mängeln, 2012, S. 53 ff. 533  Popescu, a. a. O., S. 56 f.; a. A. Hammen, FS Hadding, 2004, S. 41 (50), demzufolge der nach § 311a Abs. 1 BGB wirksame Vertrag nicht der Grund für einen Schadensersatz auf das positive Interesse darstelle, sondern vielmehr ein Schuldverhältnis wie bei § 179 Abs. 1 BGB und der daher der Ansicht ist, der nach § 311a Abs. 1 BGB wirksame Vertrag bewirke daher „nichts“ (S. 56). 534  Popescu, Kein positives Interesse bei anfänglicher Unmöglichkeit und anfänglich unbehebbaren Mängeln, 2012, S. 64 f. 535  Popescu, a. a. O., S. 64. 529 



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eingegangenen Verbindlichkeit auszuschließen.536 In seiner historischen Untersuchung kommt Arp zu dem Ergebnis, dass die Unwirksamkeit von Verträgen bei anfänglicher Unmöglichkeit mit der Unsinnigkeit der Verpflichtung zu einer unmöglichen Leistung begründet worden sei.537 Dass die Rechtsordnung eine unsinnige Verpflichtung nicht anerkennen könne, sei ferner entweder darauf gestützt worden, dass jegliche Verpflichtung eine Handlung, die menschlicher Handlungsfreiheit unterliegt, voraussetze oder darauf, dass vernünftige Parteien den Vertrag bei Kenntnis der anfänglichen Unmöglichkeit so nicht geschlossen hätten.538 Arp hält dieses Urteil der Rechtsordnung über die Sinnhaftigkeit von Verträgen nur bedingt für überzeugend, rechtfertigt die Existenz des § 306 BGB a. F. letztlich jedoch mit der praktischen Notwendigkeit, die sich daraus ergebe, Verträge, denen es am „Gegenstand“ mangelt, für nichtig erklären zu müssen, um die Haftung des Schuldners auszuschließen.539 Ähnlich äußerte sich das OLG Stuttgart540, demzufolge das Prinzip der Vertragsnichtigkeit wegen anfänglicher Unmöglichkeit berechtigt sei, weil ein vernünftiger Gesetzgeber den Schuldner nicht zu etwas unmöglichen verpflichten werde und zudem die Rechtsordnung ihre Bindungswirkung nicht für eine von vornherein undurchführbare Verpflichtung zur Verfügung stelle.

b)  Das Fortbestehen des Vertrages selbst bei nicht erfüllbaren Leistungen Bereits Hartmann äußerte sich kritisch zum Satz „impossibilium nulla obligatio“.541 Seiner Ansicht nach enthalte jede Obligation ihrer Natur nach ein ethisches, durch rechtliche Zwangsmittel gesichertes Soll, eine „ethische Notwendigkeit“.542 Daraus schließt Hartmann, dass kein Gegenstand der Obligation sein könne, was ohnehin notwendigerweise eintritt bzw. notwendigerweise gerade nicht eintritt, eben weil es dann an dieser ethischen Notwendigkeit fehle.543 Hartmann kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass lediglich die Verpflichtung ausgeschlossen, nicht jedoch der Vertrag oder die Obligation nichtig sei544 und führt weiter aus: 536  Arp, Anfängliche Unmöglichkeit, 1988, S. 153, ebenso S. 154, wo es heißt: „Den Ausgleich dessen, was sich der Gläubiger von der Durchführung des auf eine unmögliche Leistung gerichteten Vertrages erhoffen durfte, soll der Gläubiger nicht verlangen dürfen: Das ist der eigentliche Regelungsgehalt [des § 306 BGB a. F.].“ 537  Arp, a. a. O., S. 61 ff. und zusammenfassend S. 154. 538  Arp, a. a. O., S. 154. 539  Arp, a. a. O., S. 153 ff. 540  OLG Stuttgart, Urt. v. 9.6.1948 – Rev. 49/48 = SJZ 1949, 411 (414). 541  Hartmann, Die Obligation, 1875, S. 166 ff.; ähnlich Ehmann, FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 165 (171 f.), wonach die §§ 306, 307 BGB a. F. auf diesem römischen Satz beruhten, der jedoch „seinen Sinn schon längst verloren hatte“. 542  Hartmann, Die Obligation, 1875, S. 173. 543  Hartmann, a. a. O., S. 173. 544  Hartmann, a. a. O., S. 173 mit Fn. 10 und auch die Begründung auf S. 174 ff.

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„So sagt auch der Satz ‚impossibilium nulla obligatio‘ Nichts aus über die weitere schwierige Frage, ob und inwiefern eine Prästationspflicht für die Unmöglichkeit eintrete, eine Pflicht zum Einstehen mit einem möglichen Surrogat. […] Aber auch die Regel steckt nicht mit in jenem Satze, dass bei gleich anfänglicher wahrer Unmöglichkeit das bezügliche Rechtsgeschäft nichtig sei. Diese Nichtigkeit ist nur nebenher, aus anderem selbständigen Grunde, meistens die Folge.“545

Noch einen Schritt weiter geht Rabel, indem er Hartmanns Prämisse von der „ethischen Notwendigkeit“ anzweifelt: „Woher wissen wir, daß die Obligation eine Notwendigkeit enthalte, nenne man sie nun ethisch oder wie auch immer? […] Die Obligation enthält ein Soll, und Sollen ist nicht Müssen. Daraus, daß ich etwas nicht leisten kann, folgt notwendig, daß ich es nicht leisten werde […]. Mitnichten folgt aber daraus, daß ich es nicht schuldig sein kann. Die Obligation verläuft vielleicht im Sande […]. Aber sie kann doch, rein logisch betrachtet, existieren, als das Band zwischen den Personen, das sie ist.“546

Das Schulden bestehe demnach in einem bloßen Sollen, nicht in einem Müssen, was sich auch daran offenbare, dass der Rechtszwang, mit dem eine Forderung durchgesetzt würde, gerade nicht mit einer vis absoluta gleichgesetzt werden könne.547 Rabel gibt ferner zu bedenken, dass durch die Anordnung der Unwirksamkeit die Undurchführbarkeit der Leistung gegen den Gläubiger wirke und dass allenfalls rechtspolitische Überlegungen, wie das Prinzip der Ökonomie der Rechtspflege, für eine Unwirksamkeit sprächen.548 Darüber hinaus hält er die Differenzierung zwischen objektiver Unmöglichkeit und Unvermögen gerade in Fällen höchstpersönlicher Leistungspflichten für nicht immer durchführbar, so dass § 306 BGB a. F. bereits deswegen abzulehnen sei.549 Im Übrigen führe eine Vorschrift wie § 306 BGB a. F. zum einen dazu, dass der mangelhaft leistende Schuldner schlechter stehe als derjenige, dessen Unkenntnis über die eigene Leistungsfähigkeit so groß ist, dass er gar nicht zu erfüllen 545 

Hartmann, a. a. O., S. 173. Rabel, FS Bekker, 1907, S. 171 (178) = Leser (Hrsg.), Rabel, Gesammelte Aufsätze, 1965, S. 1 (5 f.). Zutreffend führt Rabel weiter aus, dass die Wirksamkeit trotz Sinnlosigkeit für Geldschulden seit jeher anerkannt ist und auch bei der Unmöglichkeit einer wesentlichen Gesellschafterverpflichtung der Gesellschaftervertrag erst gekündigt werden muss gem. § 723 Abs. 1 BGB. Vgl. ferner die prägnante Stellungnahme zur Unmöglichkeitslehre Hartmanns bei Rabel, FS Bekker, 1907, S. 171 (225) = Leser (Hrsg.), Rabel, Gesammelte Aufsätze, 1965, S. 1 (45 f.). 547  Rabel, RhZfZPR 3 (1911), 467 (471) = Leser (Hrsg.), Rabel, Gesammelte Aufsätze, 1965, S. 56 (60) mit zahlreichen Beispielen. Dies deckt sich mit dem in dieser Untersuchung herausgearbeiteten Obligationsbegriff, oben A. II. (S. 11 ff.) und III. (S. 28 ff.) und insb.  bei Teil 1 Fn. 95 und bei Teil 1 Fn. 179. 548  Rabel, FS Bekker, 1907, S. 171 (179 f.) = Leser (Hrsg.), Rabel, Gesammelte Aufsätze, 1965, S. 1 (6 f.); zustimmend Zweigert, SJZ 1949, 415 (415 f.) m. w. Nachw., demzufolge weder Logik noch rechtspolitische Erwägungen zu der „krassen“ Rechtsfolge des § 306 BGB a. F. zwängen; ebenso Stoll, JZ 2001, 589 (590 f.). 549  Rabel, FS Bekker, 1907, S. 171 (213 f.) = Leser (Hrsg.), Rabel, Gesammelte Aufsätze, 1965, S. 1 (36). 546 



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imstande ist.550 Zum anderen führe § 306 BGB a. F. zu Wertungswidersprüchen, wenn Dritte, wie bspw. der Dieb der geschuldeten Sache, über die Haftung des Schuldners entscheiden würden.551 Rabel hält die Anordnung der Unwirksamkeit eines Vertrages allenfalls in Fällen von Aberglaube und Borniertheit für angezeigt, also immer dann, wenn es an einem berechtigten Verkehrsinteresse fehle, erachtet aber andere Kategorien des Rechts für ausreichend, die Funktion des § 306 BGB a. F. zu übernehmen.552 Die Ansicht Rabels wurde vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 13. Januar 2011 stillschweigend bestätigt: in dieser Entscheidung hatten die Karlsruher Richter zu klären, ob für eine Lebensberatung, die sich insbesondere auf Kartenlegen stützt, eine Vergütung verlangt werden kann.553 Zwar erklärte der Bundesgerichtshof die Erbringung „übernatürlicher, ‚magischer‘ oder parapsychologischer Kräfte und Fähigkeiten“ für unmöglich i. S. d. § 275 Abs. 1 BGB.554 Damit sei gem. § 275 Abs. 1 BGB der Anspruch auf diese Leistung und an sich zudem gem. § 326 Abs. 1 BGB der Anspruch auf die Gegenleistungspflicht ausgeschlossen.555 Die Rechtsfolge des § 326 Abs. 1 BGB entfalle jedoch ausnahmsweise, wenn diese Vorschrift durch Individualvereinbarung abbedungen sei oder der Gläubiger in Anwendung des § 326 Abs. 2 BGB nach der vertraglichen Risikoverteilung ausdrücklich oder stillschweigend die Gefahr für ein bestimmtes Leistungshindernis übernommen habe und sich dieses Leistungshindernis verwirkliche.556 Eine solche Vereinbarung sei in Anerkennung der Selbstverantwortung der Vertragsparteien im Rahmen der Vertragsfreiheit wirksam.557 Ganz im Sinne Rabels hob der Bundesgerichtshof das Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache an dieses mit der Vorgabe zurück, der Frage nachzugehen, ob wegen der Lebenskrise des Beklagten und der Höhe der Vergütung nicht ein Fall des § 138 BGB vorliege.558

550  Rabel, FS Bekker, 1907, S. 171 (213) = Leser (Hrsg.), Rabel, Gesammelte Aufsätze, 1965, S. 1 (35); ebenso bereits Hartmann, Die Obligation, 1875, S. 220, der zudem auf das Interesse des Rechtsverkehrs an Planungssicherheit verweist. 551  Rabel, FS Bekker, 1907, S. 171 (214 ff.) = Leser (Hrsg.), Rabel, Gesammelte Aufsätze, 1965, S. 1 (36 ff.) auch mit Kritik zu den für dieses Problem vorgeschlagenen Lösungsansätzen. 552  Rabel, FS Bekker, 1907, S. 171 (227 ff.) = Leser (Hrsg.), Rabel, Gesammelte Aufsätze, 1965, S. 1 (47). 553  BGH, Urt. v. 13.1.2011 – III ZR 87/10 = NJW 2011, 756 m. zustimmender Anm. Looschelders in NJW 2017, 3091 f. 554  BGH, Urt. v. 13.1.2011 – III ZR 87/10 = NJW 2011, 756 (757): davon abzugrenzen seien Fälle, in denen nur eine „jahrmarktähnliche Unterhaltung erwartet und geschuldet“ werde (ebenda). 555  BGH, Urt. v. 13.1.2011 – III ZR 87/10 = NJW 2011, 756 (758). 556  BGH, Urt. v. 13.1.2011 – III ZR 87/10 = NJW 2011, 756 (758). 557  BGH, Urt. v. 13.1.2011 – III ZR 87/10 = NJW 2011, 756 (758). 558  BGH, Urt. v. 13.1.2011 – III ZR 87/10 = NJW 2011, 756 (758).

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Teil 1 – C. Die Ausw. d. Obligationslehre auf wesentl. Fragen d. Haftung

c) Stellungnahme Auf die fehlende Durchschlagskraft der Argumentation auf Grundlage des „typischen“, „hypothetischen“, „redlichen“ bzw. „vernünftigen“ Parteiwillens wurde bereits eingegangen und ist insofern auf die dortigen Ausführungen zu verweisen.559 Lediglich zusammenfassend sei wiederholt, dass die Parteien eben nicht alle Punkte eines Vertrages regeln müssen und dies auch regelmäßig nicht tun, es vielmehr ihrer Privatautonomie entspricht, einzelne Fragen offen zu lassen, für die dann soweit möglich auf das dispositive Recht zurückzugreifen ist. Hinge die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen vom Parteiwillen ab, kann § 306 BGB a. F. keinen deklaratorischen Charakter gehabt haben, weil, wie am Beispiel der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu erkennen, nicht auszuschließen ist, dass Parteien die Wirksamkeit des Vertrages trotz Sinnlosigkeit wollen und dies ausdrücklich vorsehen. Dies spricht zugleich gegen das erste Argument des OLG Stuttgart, wo übersehen wird, dass nicht das Gesetz die Parteien verpflichtet, sondern diese sich selbst. Die Annahme der Unwirksamkeit auf Grundlage des Parteiwillens verstieße gegen die Privatautonomie und ist zudem bei erkennbar entgegenstehendem Willen der Parteien wegen des Ausschlusses der ergänzenden Vertragsauslegung560 über diese nicht zu konstruieren.561 § 306 BGB a. F. hatte demnach nicht bloß deklaratorischen Charakter und war, wie die Ausführungen Rabels und des Bundesgerichtshofs zeigen, auch keineswegs „logisch zwingend“. Aber auch die Ausführungen zum Verständnis des Vertrags- und Nichtigkeitsbegriffs, welche § 306 BGB a. F. begründen sollen, vermögen nicht zu überzeugen. Dass die intendierten Rechtsfolgen eines nichtigen Rechtsgeschäfts nicht eintreten, ist die Folge der Nichtigkeit und keineswegs deren Voraussetzung.562 559  Oben unter I. 2. a) (S. 85 ff.); ebenfalls äußerst skeptisch gegenüber der ergänzenden Vertragsauslegung zur Lösung der Fälle anfänglicher Unmöglichkeit Arp, Anfängliche Unmöglichkeit, 1988, S. 44 f. 560 BGH, Urt. v. 31.1.1995 – XI ZR 56/94 = NJW 1995, 1212 (1213); BGH, Urt. v. 1.2.1984 – VIII ZR 54/83 = NJW 1984, 1177 (1178); BGH, Urt. v. 22.4.1953 – II ZR 143/52 = NJW 1953, 937 (937); RGZ 142, 23 (33). 561  Die Unvereinbarkeit mit der Privatautonomie erkennt auch Arp, Anfängliche Unmöglichkeit, 1988, S. 155, der zudem betont, dass das Argument auch auf Fälle übertragbar ist, in denen der heutige § 275 BGB keine Anwendung fände: „Eine auf der Privatautonomie und damit auf der Eigenverantwortung aufbauende Rechtsordnung kann aber niemand von den Verpflichtungen aus eingegangenen Verträgen befreien, nur weil diese sich im Nachhinein als unvernünftig herausgestellt haben. […] Es gilt doch auch, daß mit Sicherheit niemand etwas an jemand verkaufen würde, von dem er weiß, daß er zahlungsunfähig ist, niemand eine Sache vom Nichteigentümer erwerben würde, niemand ein Interesse daran haben kann, einen arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer einzustellen.“ 562  Vgl. nur Palandt/Ellenberger, 79. Aufl. 2020, Überbl. v. § 104 Rn. 27 u. 29, wo zwischen der Bedeutung der Nichtigkeit (Rn. 27: „Nichtigkeit bedeutet, dass das Rechtsgeschäft die nach seinem Inhalt bezweckten Rechtswirkungen von Anfang an nicht hervorbringen kann.“) und den Gründen der Nichtigkeit (Rn. 29: „Soll Nichtigkeit eintreten, verwendet das Gesetz in der Regel den Terminus ‚nichtig‘ […]“) unterschieden wird.



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Darüber hinaus lässt sich allen Nichtigkeitsanordnungen des BGB mindestens ein Schutzzweck entnehmen. So schützen beispielsweise §§ 134, 138 BGB die Rechtsordnung bzw. die guten Sitten563 im Allgemeinen und die §§ 104 ff., 311b Abs. 1 S. 1, § 518 Abs. 1 BGB eine der Parteien, entweder wegen einer strukturellen Benachteiligung oder zumindest vor übereilten und unüberlegten Handlungen. Deswegen kann die Nichtigkeit eines Vertrages auch nicht unmittelbar durch den Parteiwillen überwunden werden. Vorschriften wie § 311b Abs. 1 S. 2 BGB oder § 518 Abs. 2 BGB, die die Heilung der Nichtigkeit vorsehen, sind vielmehr dem Umstand geschuldet, dass die Nichtigkeit als Schutzmechanismus ihren Sinn und Zweck verliert, wenn die begünstigte Partei auf diesen Schutz verzichtet, indem sie etwa das Grundstück überträgt bzw. die Schenkung vornimmt. Abgesehen davon ist eine Schutzbedürftigkeit einer der Parteien bzw. der Rechtsordnung vor nicht erfüllbaren Verträgen jedoch nicht ersichtlich.564 Der Ausschluss des Anspruchs auf Naturalerfüllung gem. § 275 BGB verhindert bereits die Möglichkeit einer Überforderung der Rechtspflegeorgane durch sinnlose Klagen/Vollstreckungsersuche, ohne dass dafür die Nichtigkeit des Vertrages erforderlich wäre. Auch dass der Vertrag nur so weit reiche, wie der übereinstimmende Parteiwille gehe, wird bereits durch die zahlreichen dispositiven Gesetzesvorschriften widerlegt, insbesondere jedoch durch die Tatsache, dass ein irrtumsbehafteter Vertrag zwar anfechtbar aber keineswegs automatisch nichtig ist. So kann die irrende Partei an dem Vertrag festhalten, obwohl der Vertrag nicht ihrem bei Abschluss tatsächlich vorliegendem Parteiwillen entspricht. Sie muss sich sogar an dem Vertrag festhalten lassen, wenn sie etwa die Anfechtungsfrist gem. § 121 BGB versäumt oder die einzige Anfechtungserklärung gegenüber der falschen Person erfolgt (vgl. § 143 BGB). In diesen Fällen liegt zweifelsohne ein Vertrag vor, dessen Rechtsfolgen jedoch nur begrenzt mit dem jeweiligen Willen der Parteien übereinstimmen.565 Dass Rechtsgeschäfte keineswegs einen sinnvollen bzw. realisierbaren Inhalt vorweisen müssen, zeigen bereits gängige Formulierungen, wonach Rechtsgeschäfte, wie die Aufrechnung oder Abtretung, „gegenstandslos sein“ bzw. „ins Leere gehen“ können.566 Darüber hinaus würde die Voraussetzung 563  Zu § 138 BGB etwa BGH, Urt. v. 25.11.2009 – VIII ZR 318/08 = NJW 2010, 610 (612), wonach beiden Parteien ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last falle und der Vertrag daher nichtig sei. 564 Es sei denn man möchte wie Arp, Anfängliche Unmöglichkeit, 1988, S. 154 den Schuldner vor der Haftung auf das positive Interesse schützen. Letztlich ist dies jedoch eine rein rechtspolitische Überlegung und damit allein vom Gesetzgeber zu entscheiden. 565  Das Argument der anderen Ansicht gewinnt keineswegs an Schlagkraft, indem statt des subjektiven Willens der Parteien ein objektivierter Parteiwille herangezogen wird. Denn es ist nicht ersichtlich, weshalb dieser objektivierte Parteiwille durch Vorschriften wie beispielsweise § 119 ff. BGB oder auch § 269 BGB ausgefüllt wird, nicht jedoch durch § 311a Abs. 1 BGB. 566  Zur Aufrechnung: BGH, Urt. v. 18.12.1954 – II ZR 206/53 = NJW 1955, 419 (420); zur Abtretung: BGH, Urt. v. 24.4.1968 – VIII ZR 94/66 = NJW 1968, 1516 (1517); ferner zur Kündigung die Anmerkung des am Beschluss v. 4.10.195 – II ZR 87/95 beteiligten Richters am

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eines sinnvollen Vertragsinhalts eine nicht zu rechtfertigende Einschränkung der Privatautonomie darstellen. Wieso sollte der Richter in einer auf Privatautonomie gestützten Rechtsordnung entscheiden dürfen, ob ein Austauschvertrag über zwei Geldscheine desselben Betrages sinnlos und daher nichtig ist? Im Übrigen führt die Verknüpfung der Wirksamkeit eines Vertrages mit dessen Realisierbarkeit zu einer überflüssigen Vermengung der Wirksamkeits- mit der Wirkungsebene567 sowie zu einem unnötigen Hin und Her hinsichtlich der Wirksamkeit des Vertrages. Im alten Schuldrecht wurde dies bereits durch die Vorschrift des § 308 BGB a. F. belegt. Im neuen Schuldrecht wäre eine ähnliche Ausnahmeregelung zwingend, wollte man § 311a Abs. 1 BGB unangewendet lassen und der Lehre von der Unwirksamkeit eines nicht erfüllbaren Vertrages folgen. Auch im Zusammenhang mit § 326 Abs. 2 S. 1 Var. 1 BGB müsste das vorläufige Ergebnis der Unwirksamkeit im Nachhinein wieder korrigiert werden. Wird die geschuldete Sache etwa vor Vertragsschluss von einem bisher Unbekannten zerstört, wäre das Ergebnis zunächst die Nichtigkeit des Vertrages wegen mangelnder Realisierbarkeit. Stellt sich später heraus, dass der Gläubiger die Sache in der Zeit zwischen Abgabe und Zugang seiner Annahmeerklärung selbst zerstört hat, müsste im Nachhinein doch wieder die Wirksamkeit des Vertrages als Grundlage der Pflicht zur Gegenleistung angenommen werden. Als weiteres Beispiel können die Fälle des § 215 BGB herangezogen werden: würde Popescu gefolgt, müsste ein wegen Verjährung nicht durchsetzbarer Vertrag als nichtig angesehen werden, nur um dieses Ergebnis später wieder zu korrigieren, wenn sich herausstellt, dass der Gläubiger gem. § 215 BGB trotz Verjährung mit seinem Anspruch doch noch aufrechnen kann. Deutlich simpler erscheint es, sich am Wortlaut und Telos des Gesetzes zu orientieren, von der Wirksamkeit des Vertrages auszugehen und nur die Ansprüche auf Leistung und ggf. Gegenleistung als ausgeschlossen bzw. nicht durchsetzbar anzusehen. All dies führt entgegen Popescu auch nicht zu einer „Ewigkeitsfolge“ des § 311a BGB. Gegen eine überraschende Lieferung durch den Schuldner Jahre nach Vertragsschluss wird der Gläubiger bereits dadurch geschützt, dass die Rechtsprechung der Anwendung des § 275 BGB eine ex-ante-Perspektive zugrunde legt: maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung der Unmöglichkeit ist der Eintritt der Störung und ist eine vorübergehende Unmöglichkeit einer dauernden gleichzusetzen, wenn durch das Leistungshindernis die Erreichung Bundesgerichtshof Goette, DStR 1995, 1764 (1765); ebenfalls Arp, Anfängliche Unmöglichkeit, 1988, S. 230 zur Übereignung einer bereits untergegangenen Sache nach § 931 BGB, der jedoch irrigerweise meint, von der „Leere“ auf die „Folgenlosigkeit“ und davon wiederum auf die „Nichtigkeit“ schließen zu müssen, dagegen bereits oben vor und mit Teil 1 Fn. 562; dazu, dass auch geschäftsähnliche Handlungen wie das Verlangen von Schadensersatz nach § 281 BGB „ins Leere gehen“ können MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, § 281 Rn. 111 ausdrücklich mit dem Vergleich zur Abgabe einer Gestaltungserklärung bei fehlendem Gestaltungsrecht. 567  Auf diese Unterscheidung zwischen Tatbestand, Wirksamkeit und Wirkung ausdrücklich hinweisend Leenen, FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 699 (702 ff.); ders., JuS 2008, 577 (577 f.).



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des Vertragszwecks in Frage gestellt ist und ein Festhalten an dem Vertrag zumindest einer der Parteien bei billiger Abwägung der beiderseitigen Belange nicht mehr zugemutet werden könnte.568 Nur in Ausnahmefällen leitet die Rechtsprechung aus § 242 BGB eine Verpflichtung zum Neuabschluss des Rechtsgeschäfts ab.569 Darüber hinaus wäre der Gläubiger zusätzlich durch das Verjährungsrecht und das Recht der Verwirkung570 und Vorschriften wie etwa § 299 BGB geschützt. Insbesondere kann der Gläubiger bei Ungewissheit über die Unmöglichkeit zur Sicherheit auch nach § 326 Abs. 5 BGB i. V. m. § 323 BGB vom Vertrag zurücktreten.571 Der Gläubiger findet sich also keineswegs der Gefahr ausgesetzt, vom Schuldner an der Abwicklung des Vertrages festgehalten zu werden, wenn die Leistung wider Erwarten doch wieder möglich werden sollte. Sofern Popescu ferner bemängelt, öffentlich-rechtliche Verträge subordinationsrechtlicher Natur seien bei objektiver Unmöglichkeit weiterhin nichtig gem. § 59 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG i. V. m. § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, wird übersehen, dass § 59 Abs. 2 VwVfG lediglich auf Verträge gem. § 54 S. 2 VwVfG anwendbar ist, diesen also erstens ein Über-Unterordnungsverhältnis und zweitens – wie aus den Verweisungen in § 59 Abs. 2 VwVfG ersichtlich – die Grundzüge und Dogmatik des allgemeinen Verwaltungsrechts zugrunde liegen, weshalb sie allein deshalb nicht ohne Weiteres mit privatrechtlichen Verträgen vergleichbar sind. Auch zeigt bereits die Auffassung Arps, dass der Vorwurf eines Zirkelschlusses unberechtigt ist. Gerade seine Ausführungen verdeutlichen, dass zumindest dann nichts gegen die Wirksamkeit von Verträgen bei anfänglicher Unmöglichkeit spricht, wenn die Rechtsordnung auch bei Fällen offensichtlicher Absurdität zu vernünftigen und wohlbegründbaren Ergebnissen kommt. Schließlich liegt bei der Annahme eines wirksamen Vertrages ein weiterer Vorteil darin, dass das subjektive Äquivalenzverhältnis ohne innere Widersprüche erhalten bleibt. Zerstört der Gläubiger bspw. vor Zugang seiner Annahmeerklärung (und damit vor Vertragsschluss) den Leistungsgegenstand schuldhaft, behält der Schuldner seinen Anspruch auf die Gegenleistung gem. § 326 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Var. 1 BGB. Damit erübrigt sich die Ermittlung des entgangenen Gewinns nach § 252 BGB. Zwar dürften beide Lösungswege regelmäßig 568 BGH,

Urt. v. 19.10.2007 – V ZR 211/06 = NJW 2007, 3777 (3778 f.); BGH, Urt. v. 15.6.2012 – V ZR 240/11 = NJW 2012, 3096 (3096). 569  BGH, Urt. v. 15.6.2012 – V ZR 240/11 = NJW 2012, 3096 (3096). 570  Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn man dem Schuldner ein Recht auf Abnahme zuspricht. Das Kauf- und Werkvertragsrecht gewähren jeweils einen Anspruch auf Abnahme gem. § 433 Abs. 2 BGB bzw. § 640 BGB, wobei zumindest nach Rspr. und h.Lit. die Abnahme im Werksvertragsrecht grundsätzlich eine körperliche Entgegennahme voraussetzt, a. A. BeckOK-BGB/Voit, Stand 1.5.2020, § 640 Rn. 18 m. w. Nachw. Es ist nicht ersichtlich, weshalb diese Ansprüche nicht dem Verjährungsrecht unterliegen sollen. 571  Dazu, dass § 326 Abs. 5 BGB gerade auch für die Fälle der vorübergehenden Unmöglichkeit geschaffen wurde, BT-Drs. 14/7052, S. 193.

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zu denselben Ergebnissen führen, da bspw. die Ersparung von Aufwendungen bei § 252 BGB572 ebenso Berücksichtigung findet wie nach § 326 Abs. 2 S. 2 BGB. Allerdings gilt es Folgendes zu bedenken: wenn im Rahmen des § 252 BGB ohnehin der nichtige Vertrag berücksichtigt wird, womit man letztlich de facto zu nichts anderem als einer einseitigen Abwicklung des nichtigen Vertrages gelangt, ist nicht ersichtlich, weshalb dem Vertrag nicht doch ausdrücklich seine rechtliche Wirkung zugestanden wird. Nur weil dies mit dem Postulat der Nichtigkeit unvereinbar sein soll? Einfacher und zweckmäßiger erscheint es, den Vertrag als das Gewollte der Parteien anzuerkennen, diesem soweit möglich Geltung zu verschaffen und die angesichts von Leistungshindernissen auftretenden Probleme mittels des Leistungsstörungsrechts zu lösen.

d) Fazit Aus den dargestellten Gründen gibt es nach hier vertretener Auffassung kein überzeugendes geschweige denn zwingendes Argument, von der anfänglichen Unmöglichkeit bzw. dem anfänglichen Leistungshindernis auf die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts zu schließen, sofern alle Fälle anfänglicher Leistungshindernisse durch das Haftungsrecht zufriedenstellend gelöst werden können. Zutreffend wurde folglich während der Arbeiten an der Schuldrechtsreform erkannt, dass Verträge bei anfänglicher Unmöglichkeit wirksam sind, sofern die Rechtsordnung nichts anderes vorsieht.573 Ob und wie sodann die „Fälle offensichtlicher Absurdität“574 durch das Leistungsstörungsrecht gelöst werden können, soll Gegenstand der weiteren Untersuchung sein.

3.  Der Streit um die Rechtsfolge des § 275 BGB Nachdem die Unmöglichkeit nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages führt, stellt sich die Frage, welche Folgen die Unmöglichkeit bzw. Unverhältnismäßigkeit dann auslöst. Grundsätzlich und im Lichte des oben ermittelten Obligationsbegriffs könnte Arp zuzustimmen sein, wenn dieser meint, dass der Unmöglichkeit zu große Bedeutung zugesprochen wird: „Grund der Haftung oder der Befreiung ist also niemals die Unmöglichkeit selbst, ist vielmehr die Nichterfüllung bzw. die Überschreitung der Grenzen der Leistungspflicht, die Überschreitung der vereinbarten ‚Intensität des Solls der Obligation‘.“575 Eine ähnliche Formulierung findet sich bei Hartmann: „Es hat keinen Werth […], wenn […] unsere neuere Gesetzgebung eine uniforme Regel über Erlöschen der Obligationen durch ‚Unmöglichkeit der Leistung‘ aufzustellen pflegt 572  Anstatt

vieler BeckOK-BGB/Flume, Stand 1.5.2020, § 252 Rn. 19. Hammen, FS Hadding, 2004, S. 41 (42 f.). 574  Arp, Anfängliche Unmöglichkeit, 1988, S. 51. 575  Arp, a. a. O., S. 58 mit terminologischer Anlehnung an Hartmann, Die Obligation, 1875, S. 271. 573 Ebenso



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[…]. Vielmehr kann es sich hier nur darum handeln die Intensität des Soll (oportet) der einzelnen Obligationen, soweit darüber Zweifel entstehen könnten, scharf und genau zu bestimmen. Aus der, über jede Macht gesetzgeberischen Willens erhabenen, inneren Logik des Obligationsbegriffs ergiebt es sich ja dann ganz von selbst: dass die Obligation erlischt, wenn von der Seite des Schuldners her Alles geschah was geschehen sollte und dennoch der Obligationszweck definitiv vereitelt wurde.“576

Bei der Würdigung dieser Ausführungen ist zu beachten, dass beide Autoren für das Erlöschen der Obligation die definitive Vereitelung ihres Zwecks fordern. Erst aus dieser feststehenden Nichterfüllung ergebe sich das Erlöschen der Obligation und nicht bereits aus der Unmöglichkeit selbst. Beide Autoren greifen bei ihren Ausführungen auf den Begriff der Leistung zurück, welcher, wie ausgeführt,577 jedoch grundsätzlich mehrdeutig ist und daher mit größter Achtsamkeit auszulegen ist. Diese Vorsicht ist auch bei § 275 BGB anzuwenden, dessen erster Absatz folgende Bestimmung vorsieht: „Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.“ Darüber hinaus lautet die amtliche Überschrift dieser Norm „Ausschluss der Leistungspflicht“. Entscheidend für die Anwendung des § 275 BGB ist demnach, ob unter „Leistung“ der Leistungserfolg oder die Leistungshandlung zu verstehen ist. Einer Auffassung zufolge schließe § 275 BGB nicht nur den Anspruch auf die Leistung, sondern zudem auch die Pflicht zur Erbringung des Leistungserfolgs aus (a)). Einer anderen Auffassung zufolge schließe § 275 BGB nur den Anspruch auf die Leistungshandlung und die Leistungshandlung selbst aus, während der Leistungserfolg geschuldet bleibe (b)).

a)  Der Ausschluss von Anspruch und Leistungserfolg als Rechtsfolge des § 275 BGB Ein Teil der Literatur578 vertritt die Auffassung, dass § 275 BGB den Anspruch und die Pflicht zum Leistungserfolg erlöschen lasse. Die Anhänger dieser Ansicht sind so zu verstehen, dass der Gläubiger im Falle des § 275 BGB nicht nur das Recht verliere, eine Handlung des Schuldners zu fordern, sondern darüber hinaus auch das Recht auf den Leistungserfolg. Der Ausgangspunkt der Vertreter dieser Ansicht ist, dass Anspruch und Leistungspflicht untrennbar miteinander verknüpft seien, da sie lediglich denselben 576  577 

Hartmann, Die Obligation, 1875, S. 271. Oben B. III. (S. 54 ff.). 578  Schapp, JZ 2001, 583 (586); Pfeiffer, ZGS 2002, 23 (28) sieht in §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB eine Haftung für die Verletzung einer Pflicht, die gar nicht bestehe; Harke, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler, 2001, S. 29 (50 f.); ders., AcP 205 (2005), 67 (83); ders., JR 2006, 485 (passim); Freitag, NJW 2014, 113 (113 ff.); BeckOK-BGB/Lorenz, Stand 1.5.2020, § 275 Rn. 65 f.; vgl. zudem die Ausführungen bei BGH, Urt. v. 19.12.2012 – VIII ZR 96/12 = NJW 2013, 1074 (1077).

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Sachverhalt aus unterschiedlichen Perspektiven bezeichneten.579 So stelle die Legaldefinition des Schuldverhältnisses in § 241 Abs. 1 S. 1 BGB gleichzeitig auf die Sicht des Schuldners und die Sicht des Gläubigers ab, indem der Begriff des Schuldverhältnisses die Schuldnersicht wiedergebe, während das Forderungsrecht aus § 241 Abs. 1 S. 1 BGB die Perspektive des Gläubigers berücksichtige.580 Zudem lasse der Wortlaut des § 275 BGB und des § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB keinen anderen Schluss zu: die unterschiedlichen Formulierungen der Absätze 1–3 des § 275 BGB seien allein der Eleganz und Prägnanz geschuldet und ohne dogmatische Bedeutung, während § 326 Abs. 1 S. 1 BGB hingegen vorsehe, dass der Schuldner nicht zu leisten „braucht“ und damit ersichtlich das Fehlen einer Leistungspflicht unterstelle.581 Auch spreche ein Erstrechtschluss für den Ausschluss der Leistungspflicht bei allen drei Absätzen des § 275 BGB. Nach Freitags Verständnis gewähren die Absätze 2 und 3 des § 275 BGB Gestaltungsrechte, da erstens das nach der herrschenden Meinung angenommene Erlöschen des Anspruchs mit einer Einrede dogmatisch unvereinbar sei, zweitens nur Gestaltungsrechte mit ihrem Verbot des Widerrufs die erforderliche Rechtssicherheit böten, drittens aus systematischen Gründen und zur Verhinderung einer evident wertungswidersprüchlichen „Asymmetrie“ § 275 BGB als Rechtsfolge ebenso wie § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB eine Einwendung vorsehen müsse und viertens nur durch ein Gestaltungsrecht die Kondiktion nach § 813 Abs. 1 S. 1 BGB ausgeschlossen werden könne.582 Ermöglichen § 275 Abs. 2, Abs. 3 BGB dem Schuldner jedoch bereits in den Fällen der Unverhältnismäßigkeit/Unzumutbarkeit, seine Leistungspflicht auszuräumen, müsse die Leistungspflicht bei der Unmöglichkeit als stärkerem Einwand erst Recht ausgeschlossen sein.583 Schließlich sei die Annahme einer Leistungspflicht bei Unmöglichkeit nicht überzeugend, da die Unmöglichkeit gerade als Leistungsbefreiungstatbestand konzipiert sei, sie begrifflich voraussetze, dass der Schuldner zur Leistung nicht in der Lage ist, und sich eine Rechtsordnung, die dem Schuldner unerfüllbare Leistungspflichten auferlegt, zudem in inakzeptablen Wertungswidersprüchen verstricke.584 579  Schapp, JZ 2001, 583 (584); Harke, JR 2006, 485 (485); Freitag, NJW 2014, 113 (113 m. w. Nachw.): der Verweis Freitags auf Gernhuber, Das Schuldverhältnis, 1989, S. 63 f. überzeugt jedoch nicht, da Gernhuber ausdrücklich von Leistensollen und Bekommensollen spricht und nach hier vertretener Terminologie damit vom Zweck der Leistung und dem Zweck der Obligation und gerade nicht von Anspruch und Verbindlichkeit. 580  Freitag, NJW 2014, 113 (113). 581  Freitag, NJW 2014, 113 (115), wo erstaunlicherweise die amtliche Überschrift des § 275 BGB, die immerhin „Ausschluss der Leistungspflicht“ lautet, gänzlich unberücksichtigt bleibt. 582  Freitag, NJW 2014, 113 (114 f.). 583  Freitag, NJW 2014, 113 (115). 584  Freitag, NJW 2014, 113 (115), mit Verweis auf den Grundsatz impossibilium nulla est obligatio.



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Zwar kenne die deutsche Rechtsordnung die Rechtsfigur der Naturalobligation, bei der den Schuldner eine Leistungspflicht treffe, dem Gläubiger wegen Zweifeln am Inhalt der Schuld ein durchsetzbarer Anspruch jedoch versagt werde, allerdings bestehe der wesentliche Unterschied zur Unmöglichkeit darin, dass die Erbringung einer Naturalobligation grundsätzlich möglich sei.585 Keinerlei Aufschluss über die Dogmatik der Unmöglichkeit und der Naturalobligation lieferten zudem aus rechtsvergleichender Sicht DCFR und GEK-E, da sich diese auf den Ausschluss des Erfüllungsverlangens beschränkten, ohne Aussagen über die Leistungspflicht des Schuldners zu treffen.586 Im Übrigen hält diese Auffassung den Argumenten Schlechtriems entgegen, dass der Anspruch aus § 285 BGB genauso wie der Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB und die Rechtsfolgen vorübergehender Unmöglichkeit auch ohne die Annahme des Fortbestands der Leistungspflicht erklärt werden könnten. So sei innerer Geltungsgrund des § 285 BGB je nach Auffassung die inter partes verabredete bzw. vom Gesetzgeber angeordnete wirtschaftliche Zuweisung des Leistungsgegenstands zugunsten des Gläubigers oder der Grundsatz der Vorteilsausgleichung.587 Beide Ansätze trügen die Norm selbst dann, wenn man annehme, dass mit Unmöglichkeit das ursprüngliche Schuldverhältnis zur Gänze fortgefallen sei.588 Ebenfalls käme es nicht auf den Streit über die relevante Pflichtverletzung an, da zum einen ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB stets ein vorwerfbares Verhalten des Schuldners voraussetze und sich dieses nur auf die zur Unmöglichkeit führenden Umstände beziehen könne, zum Anderen Primär- und Sekundärpflichten seit der Schuldrechtsreform ohnehin entkoppelt seien.589 Bezüglich der vorübergehenden Unmöglichkeit wird vorgetragen, dass in diesen Fällen Anspruch und Verpflichtung nur einstweilen suspendiert seien, und daher später wiederaufleben könnten und darüber hinaus die „dogmatischen Verrenkungen“ dieser Auffassung eher hinnehmbar seien als der in der Trennung von Anspruch und Verbindlichkeit liegende Systembruch der anderen Ansicht.590

b)  Der Ausschluss von Anspruch und Leistungshandlung als Rechtsfolge des § 275 BGB Wohl auf Schlechtriem ist die Auffassung zurückzuführen, dass die Unmöglichkeit bei § 275 Abs. 1 BGB nicht das Leistensollen des Schuldners besei585 

Freitag, NJW 2014, 113 (116). Freitag, NJW 2014, 113 (116). 587  Freitag, NJW 2014, 113 (116). 588  Freitag, NJW 2014, 113 (116), wo bedauerlicherweise unklar bleibt, was mit „Schuldverhältnis“ gemeint ist. 589  Freitag, NJW 2014, 113 (116). 590  Freitag, NJW 2014, 113 (116 f.). 586 

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Teil 1 – C. Die Ausw. d. Obligationslehre auf wesentl. Fragen d. Haftung

tigt, sondern lediglich „den Teilaspekt ‚Erfüllung‘ blockiert“.591 Von der durch die Unmöglichkeit verursachten Befreiung des Schuldners könne nicht auf die „Nichtigkeit der Obligation“ geschlossen werden.592 Für diese These führt Schlechtriem drei Argumente an: erstens sei es naheliegend, § 285 BGB nicht als sekundären Anspruch zu verstehen, sondern als weiteres Ziel der ursprünglichen Pflicht des Schuldners, während die Naturalerfüllung dieser Pflicht wegen der Unmöglichkeit verweigert werden dürfe.593 Dies sei jedoch nur möglich, wenn man die Leistungspflicht (diesen Begriff verwendet Schlechtriem offenbar synonym zur Obligation) des Schuldners nicht erlöschen lasse.594 Zweitens setze § 280 BGB eine Pflichtverletzung voraus, die nicht vorliege, wenn die Unmöglichkeit zum Erlöschen der Pflicht führte.595 So zeige insbesondere das angelsächsische Recht, dass die Schadensersatzleistung auch als Form der Vertragserfüllung angesehen werden könne.596 Drittens lasse sich nur mit dem Fortbestehen der Erfüllungspflicht adäquate Ergebnisse bei der vorübergehenden Unmöglichkeit erreichen, da dadurch die Annahme einer „Wiederauferstehung“ der Leistungspflicht bzw. das widersinnige Ergebnis einer völligen Befreiung des Schuldners vermieden werde.597 Den Ausführungen Schlechtriems wurde später hinzugefügt, dass sich ein Fortbestehen der Leistungspflicht außerdem bei § 275 Abs. 1 BGB aus dem Willen des Gesetzgebers ergebe, der bewusst eine andere Formulierung als bei § 275 Abs. 1 BGB a. F.598 wählte.599 Zudem bleibe bei § 275 Abs. 2, Abs. 3 BGB der Erfolg ohnehin geschuldet, da diese Absätze lediglich Einreden gewährten.600 Die erfolgsbezogene Auslegung des § 275 BGB der anderen Auffassung 591  Schlechtriem, FS Sonnenberger, 2004, S. 125 (130); ähnlich bereits Wilhelm, JZ 2004, 1055 (1057): § 275 BGB schließe nur die Durchführung der Leistungspflicht aus; vgl. auch Huber, AcP 210 (2010), 319 (334), wonach § 275 Abs. 1 BGB den Erfüllungsanspruch bzw. die Pflicht zur Erfüllung in Natur ausschließe, nicht jedoch die Vertragspflicht im Sinn des vertraglichen Pflichtenprogramms „oder, wenn man so will, die Obligation“; in diese Richtung ferner Soergel/Gsell, 13. Aufl. 2014, § 311a Rn. 6 ff.; Soergel/Ekkenga/Kuntz, 13. Aufl. 2014, § 275 Rn. 23 ff.; Grigoleit, FS Köhler, 2014, S. 183 (185 f.); Benicke/Hellwig, NJW 2014, 1697 (1698); Bach, Leistungshindernisse, 2017, S. 33 ff.; MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, § 275 Rn. 72; Staudinger/Caspers, 2019, § 275 Rn. 79 ff. 592  Schlechtriem, FS Sonnenberger, 2004, S. 125 (128). 593  Schlechtriem, a. a. O., S. 125 (129). 594  Schlechtriem, a. a. O., S. 125 (129). 595  Schlechtriem, a. a. O., S. 125 (129); zustimmend Staudinger/Caspers, 2019, §  275 Rn. 83 m. w. Nachw., wonach die dadurch verursachte Entkopplung von Anspruch und Verbindlichkeit vom Gesetzgeber gesehen wurde und hinzunehmen sei. 596  Schlechtriem, FS Sonnenberger, 2004, S. 125 (129). 597  Schlechtriem, a. a. O., S. 125 (129 f.). 598  § 275 Abs. 1 BGB a. F. lautete bis einschließlich 31.12.2001: „Der Schuldner wird von der Verpflichtung zur Leistung frei, soweit die Leistung infolge eines nach der Entstehung des Schuldverhältnisses eintretenden Umstandes, den er nicht zu vertreten hat, unmöglich wird.“ 599 PWW/Schmidt-Kessel/Kramme, 14. Aufl. 2019, § 275 Rn. 5 u. 14 f. 600 Staudinger/Caspers, 2019, § 275 Rn. 82, 114 ff. m. w. Nachw. Dass es sich bei § 275 Abs. 2, Abs. 3 BGB um Einreden handele, ergebe sich nicht nur aus dem klaren Wortlaut der



II.  Die Wirkung von Leistungshindernissen auf die Leistungspflicht

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rühre im Übrigen daher, dass diese sich zu stark am Kaufvertrag als gedanklichem Ausgangspunkt orientiere, obwohl auch dort der Erfolg niemals durch den Schuldner alleine erbracht werden könne.601

c) Stellungnahme Ein Teil der vorgetragenen Argumente können im Licht der bereits ermittelten Ergebnisse dieser Untersuchung betrachtet werden: nach hiesigem Begriffsverständnis ist dem Anspruch die Leistungshandlung des Schuldners gegenübergestellt. Davon zu unterscheiden sind die Obligation als das Bekommensollen und das Leistensollen, also der Leistungserfolg als dasjenige, was der Schuldner verschaffen soll. Der Unterschied zwischen Bekommensollen und Leistensollen besteht lediglich darin, ob die Perspektive des Gläubigers (dann Bekommensollen) oder des Schuldners (dann Leistensollen) eingenommen wird. Entsprechendes gilt für den Anspruch (Sicht des Gläubigers) und die Leistungshandlung (Sicht des Schuldners). Die Obligation beschreibt demnach den durch das Rechtsgeschäft begründeten Sollzustand, während Anspruch und Leistungshandlung Vehikel darstellen, um diesen Sollzustand Wirklichkeit werden zu lassen und dem Bekommensollen und Leistensollen der Obligation Ausdruck zu verleihen. Der Streit um die Rechtsfolge des § 275 BGB dreht sich im Kern um die Frage, ob mit „Leistungspflicht“ das Leistensollen gemeint ist und mit ihrem Ausschluss zugleich das Erlöschen der Obligation einhergeht, oder ob im Falle der Unmöglichkeit „nur“ die Leistungshandlung ausgeschlossen wird.602 Für eine Auslegung des Begriffs „Leistungspflicht“ in der amtlichen Überschrift des § 275 BGB als Leistungshandlung und nicht als Leistensollen spricht zunächst der Wortlaut des § 275 Abs. 1 BGB. Wie ausgeführt dienen Leistungshandlung und Anspruch der Verwirklichung der Obligation und entsprechen sich insofern. Es erscheint daher logisch, die Aufgabe des § 275 BGB darin zu sehen, klarzustellen, dass infolge der Unmöglichkeit weder der Schuldner zur Vornahme der Leistungshandlung verpflichtet, noch der Gläubiger zum Verlangen der Leistungshandlung berechtigt ist. Auch die historische Auslegung603 scheint für ein solches Verständnis zu sprechen, wenn man auf die Gesetzesbegründung die vorgenannte DifferenzieAbsätze, sondern außerdem daraus, dass es nicht richtig sei, dem Schuldner durch die Annahme eines Gestaltungsrechts den Bereicherungsanspruch aus § 813 Abs. 1 BGB aus der Hand zu schlagen, sofern dieser in Unkenntnis der Unverhältnismäßigkeit/Unzumutbarkeit leistete (a. a. O., Rn. 82). 601 Soergel/Ekkenga/Kuntz, 13. Aufl. 2014, § 275 Rn. 27 mit dem überzeugenden Argument, dass für die rechtsgeschäftliche Übertragung des Eigentums stets eine Einigung und damit eine Erklärung des Gläubigers erforderlich ist. 602  Ebenso Soergel/Ekkenga/Kuntz, 13. Aufl. 2014, § 275 Rn. 23 ff. 603  Auf die Schaffung des § 241 BGB wird abgestellt bei Soergel/Ekkenga/Kuntz, 13. Aufl. 2014, § 275 Rn. 26: dieselben unterstellen dem historischen Gesetzgeber ein handlungsbezogenes Verständnis des Leistungsbegriffs, stellen dann jedoch zutreffend fest, dass der Leistungs-

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rung zwischen Leistungshandlung und Leistensollen anwendet. So heißt es dort etwa: „Was der Schuldner nicht leisten kann, das schuldet er auch nicht, und zwar unabhängig vom Grund seiner Unfähigkeit“.604 Nach hiesiger Differenzierung muss der Schuldner diejenige Leistungshandlung nicht erbringen, die er nicht erbringen kann. Dies heißt jedoch nicht, dass er den Leistungserfolg nicht zumindest durch Surrogate erreichen soll. Darin ist auch der von Freitag vorgebrachte „gravierende Systembruch“605 nicht zu erkennen, besteht nach hier vertretener Auffassung doch auf der anderen Seite das Bekommensollen zugunsten des Gläubigers fort. Eine gewisse Berühmtheit erlangte auch folgender Satz der Gesetzesbegründung: „Dogmatisch gesehen folgt der Anspruch auf das positive Interesse aus der Nichterfüllung des – nach § 311a Abs. 1 RE wirksamen – Leistungsversprechens und nicht etwa aus der Verletzung der – nach § 275 RE ausgeschlossenen – Leistungspflicht.“606 Gerade diesem Satz scheint die obige Differenzierung zwischen Bekommensollen/Leistensollen und Anspruch/Leistungshandlung zu Grunde zu liegen: Der Anspruch aus § 311a Abs. 1 BGB beruht auf der wirksamen Obligation, während § 275 BGB lediglich die Leistungshandlung ausschließt. Diese Auslegung der Überschrift „Ausschluss der Leistungspflicht“ vermag noch eine weitere Stelle zu erklären: Nach Vorstellung des Gesetzgebers begründe § 311a Abs. 1 BGB einen Vertrag ohne primäre Leistungspflicht, der die Grundlage für einen etwaigen Surrogationsanspruch nach § 285 RE bilde.607 Seinem Wortlaut zufolge setzt § 285 Abs. 1 BGB einen „geschuldeten Gegenstand“ voraus. Schlösse § 275 BGB nun nicht die Leistungshandlung, sondern auch das Leistensollen und damit den Leistungserfolg aus, wäre § 285 BGB mangels eines geschuldeten Gegenstands im Falle anfänglicher Unmöglichkeit unanwendbar.608 Für diese Auslegung der amtlichen Überschrift des § 275 BGB spricht auch die Systematik des allgemeinen Schuldrechts, welche in § 275 Abs. 4 BGB Ausdruck findet. Denn sofern § 275 BGB nur die Leistungshandlung des Schuldners ausschließt, nicht jedoch das Bekommen- und Leistensollen, dient die Obligation als Grundlage für die in § 275 Abs. 4 BGB genannten Rechte. Dasselbe lässt sich nicht behaupten, wenn man das Leistensollen als ausgeschlossen ansieht. Sofern etwa Freitag vorträgt, jede Schadensersatzpflicht setze ein vorwerfbares Verhalten voraus und könne dies als Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB gesehen werden, vermengt er nach hiesiger Auffassung die begriff im BGB nicht eindeutig ist (dazu oben unter B. III. [S. 54 ff.]) und kommen konsequent zu dem Ergebnis, dass der Begriff der Leistung für jede Vorschrift isoliert zu bestimmen ist. 604  BT-Drs. 14/6040, S. 127. 605  Freitag, NJW 2014, 113 (117). 606  BT-Drs. 14/6040, S. 165. 607  BT-Drs. 14/6040, S. 164 f. 608  Vgl. dazu Hammen, FS Hadding, 2004, S. 41 (51 f.).



II.  Die Wirkung von Leistungshindernissen auf die Leistungspflicht

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Frage des Haftungsgrundes mit der Frage der Zurechnung.609 Zweifelhaft erscheint auch, wie die inter partes verabredete bzw. vom Gesetz wegen eines Schuldverhältnisses angeordnete wirtschaftliche Zuweisung des Leistungsgegenstandes oder aber die Vorteilsausgleichung die Vorschrift des § 285 BGB selbst dann begründen sollen, wenn das Schuldverhältnis fortgefallen ist.610 Viel schlüssiger erscheint es, im Lichte der Obligation und dem Verständnis der Leistungspflicht als Leistungshandlung den Vertrag und das Bekommen- und Leistensollen fortbestehen zu lassen. Auf der Grundlage der Obligation als wirtschaftlicher Zuweisung lässt sich dann § 285 BGB ebenso einfach begründen wie die Höhe des Schadensersatzes nach § 249 Abs. 1 BGB, als dessen Berechnungsgrundlage das Bekommen- und Leistensollen heranzuziehen ist.611

d) Fazit Als Ergebnis ist festzuhalten, dass § 275 Abs. 1–3 BGB als unmittelbare Rechtsfolge lediglich den Ausschluss des Anspruchs auf und der Pflicht zur Leistungshandlung vorsehen. Der Leistungserfolg im Sinne des Bekommensollen und Leistensollen und damit die Obligation selbst kann hingegen fortbestehen und bildet die Grundlage anderer Ansprüche wie z. B. aus §§ 285; 280 Abs. 1, Abs. 3, 283; 311a Abs. 2 BGB. Die Obligation und damit das Bekommensollen und Leistensollen können hingegen als erloschen angesehen werden, wenn infolge der Unmöglichkeit keine anderen Forderungsrechte zur Erreichung des Obligationszwecks zur Verfügung stehen. Die Unmöglichkeit kann demnach zumindest mittelbar zum Erlöschen der Obligation und des Leistungserfolgs führen.612

4.  Ergebnis zur Wirkung von Leistungshindernissen auf die Leistungspflicht Der Begriff Leistungshindernis ist weit zu verstehen und erfasst jede Tatsache, die dem Leistungserfolg und damit der Erfüllung der Obligation entgegensteht, 609 

Dazu unten unter III. (S. 120 ff.). ist bei Freitag, NJW 2014, 113 (116) bedauerlicherweise, ob vom Schuldverhältnis im weiteren oder im engeren Sinne die Rede ist. 611  Das schädigende Ereignis i. S. d. § 249 BGB ist bei §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283; 311a Abs. 2 BGB nach ganz h. M. ohnehin die Nichterfüllung und gerade nicht die Herbeiführung der Nichterfüllung. Damit fallen Haftungsgrund als Anknüpfungspunkt für den haftungsbegründenden Tatbestand und schädigendes Ereignis als Anknüpfungspunkt für den haftungsausfüllenden Tatbestand zusammen und erleichtern so auf beiden Ebenen die Abgrenzung zu möglicherweise ebenfalls einschlägigen Anspruchsgrundlagen; vgl. hierzu MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, § 275 Rn. 72. 612 Im Ergebnis ebenso bereits Huber, AcP 210 (2010), 319 (326), der zwischen der „Überleitungsfunktion“ und der „Befreiungsfunktion“ der Unmöglichkeit differenziert; zu den zwei Funktionen der Unmöglichkeit bereits ders., in: Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. 1, 1981, S. 647 (699 f.); vgl. zu dieser Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Folge der Unmöglichkeit die Ausführungen zum französischen Recht unten unter Teil 2 B. IV. 2. (S. 209 ff.). 610  Unklar

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unabhängig von der Frage der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Unüberwindbarkeit. Die Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB führt ebenso wenig wie die Unverhältnismäßigkeit nach § 275 Abs. 2 BGB oder die Unzumutbarkeit nach § 275 Abs. 3 BGB zur Unwirksamkeit des Vertrages. Vielmehr ist der Grundsatz impossibilium nulla est obligatio so zu verstehen, dass der Schuldner nicht zur Vornahme der Leistungshandlung verpflichtet ist. Entsprechend ist mit Leistungspflicht im Sinne des § 275 BGB nicht das Leistensollen, sondern die Leistungshandlung gemeint. Das Leistensollen und das Bekommensollen und somit letztlich die Obligation erlöschen infolge einer Unmöglichkeit nur dann, wenn neben der Naturalerfüllung keine andere Erfüllungsform geschuldet und somit die Verwirklichung der Obligation ausgeschlossen ist. Die Unmöglichkeit schließt demnach unmittelbar nur die Erfüllung in Natur aus, während sie den Schuldner erst dann – und demnach nur mittelbar – befreit, wenn die Voraussetzungen anderer Ansprüche nicht vorliegen und damit eine Macht des Gläubigers über das Vermögen des Schuldners nicht mehr besteht. Aufgeworfen, jedoch noch offengeblieben ist die Frage, wie sich die Unmöglichkeit auf die Pflichtverletzung auswirkt und wie ein die Unmöglichkeit herbeiführendes Verhalten des Schuldners in die Systematik der §§ 275 ff. BGB einzuordnen ist. Mit anderen Worten: es stellt sich die Frage nach dem Bezugspunkt und dem Umfang des Vertretenmüssens.

III.  Der Bezugspunkt und Umfang des Vertretenmüssens Nach den hier getroffenen Feststellungen ist den Ansprüchen aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB und § 311a Abs. 2 BGB zunächst gemeinsam, dass beide Anspruchsgrundlagen eine Pflichtverletzung in Form der Nichterfüllung der Obligation wegen Unmöglichkeit, Unverhältnismäßigkeit oder Unzumutbarkeit voraussetzen.613 In den Fällen des § 275 Abs. 2, Abs. 3 BGB ist der Anspruch auf Naturalerfüllung zwar nicht von Anfang an ausgeschlossen, allerdings genügt es dem Wortlaut des § 311a BGB zufolge, dass das Leistungshindernis  –  nach hiesigem Begriffsverständnis also die die Unverhältnismäßigkeit oder Unzumutbarkeit begründende Tatsache – bereits bei Vertragsschluss vorliegt. Wann der Schuldner von seinem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch macht, ist folglich unerheblich. Damit wurden bisher wesentliche Fragen zum Begriff der Pflichtverletzung und zur Unmöglichkeit erörtert. Hingegen wurde eine wesentliche Aufgabe aus dem Bereich der Pflichtverletzung noch nicht behandelt: die Klärung des Verhältnisses von der Pflichtverletzung und der ihr zuzuordnenden Handlung des 613  Es liegt also sehr wohl ein objektiver Verstoß gegen eine Pflicht (vgl. hierzu BTDrs.  14/6040, S. 92) und damit eine Pflichtverletzung i. S. d. § 280 Abs. 1 BGB vor; anders BT-Drs. 14/6040, S. 165; BT-Drs. 14/7052, S. 190; Canaris, FS Heldrich, 2005, S. 11 (12 ff.).



III.  Der Bezugspunkt und Umfang des Vertretenmüssens

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Schuldners614 und damit die Frage des Vertretenmüssens. Zunächst ist festzustellen, dass die erfolgsbezogene Obligation mit dem Verschuldensprinzip als wichtiger Form des Vertretenmüssens nicht unvereinbar ist (1.). Sodann soll die zentrale Frage des Verhältnisses zwischen Pflichtverletzung und Vertretenmüssen erörtert werden (2.). Ausgehend von den bis dahin ermittelten Ergebnissen werden schließlich verschiedene Verhaltensweisen des Schuldners aufgezeigt, auf die sich das Vertretenmüssen beziehen kann (3.).

1.  Keine Unvereinbarkeit zwischen erfolgsbezogenen Obligationsverständnis und Verschuldensprinzip Der Gesetzgeber wollte bei Erlass der Schuldrechtsreform seiner Konzeption des Leistungsstörungsrechts und insbesondere der Haftung nach § 311a Abs. 2 BGB das Verschuldensprinzip zugrunde legen, weil dieses wegen der höheren Flexibilität und rechtsethischen Überzeugungskraft dem Garantieprinzip vorzuziehen sei.615 Diese rechtsethische Überzeugungskraft ergibt sich nach Deutsch aus der Überlegung, dass das Einstehenmüssen für einen Schaden stets einen Grund verlange, welcher entweder in einer Zusage bzw. Garantie liege oder von Rechts wegen bestehen müsse.616 Das Einstehen von Rechts wegen wiederum setze grundsätzlich Kausalität und eine begründete Zurechnung voraus, welche im Allgemeinen über das Verschulden erfolge.617 Das Kriterium der Zurechnung ermögliche dabei eine erträgliche, rechtsstaatlich sogar notwendige Einschränkung der Freiheit des Einzelnen jedoch nur dann, wenn die freie Willensbetätigung des Einzelnen nicht übermäßig eingeschränkt werde.618 Es kann und soll an dieser Stelle nicht das allgemeine Für und Wider des Verschuldensprinzips diskutiert werden. Die folgenden Ausführungen beschränken sich daher auf einzelne Aussagen gegen das Verschuldensprinzip, 614 Vgl. Schapp, JZ 2001, 583 (589), demzufolge der Erfolg der Schuldrechtsreform insbesondere von der Klärung dieses Verhältnisses und allgemein von den Erkenntnissen der Lehre von der Pflichtverletzung abhänge. 615  BT-Drs. 14/6040, S. 165: „Das Garantieprinzip führt zu Ergebnissen, die unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten keinesfalls zu überzeugen vermögen, während sich das Verschuldensprinzip sowohl durch höhere rechtsethische Überzeugungskraft als auch durch größere Flexibilität auszeichnet“ = Canaris, Schuldrechtsmodernisierung, 2002, S. 726 = ders., JZ 2001, 499 (506 re. Sp.); ders., FS Heldrich, 2005, S. 11 (21 ff.); für das Verschuldensprinzip als Ausdruck des Gerechtigkeitsgebots auch BGH, Urt. v. 5.10.2005 – VIII ZR 16/05 = NJW 2006, 47 (49) m. w. Nachw.; historisch kann die Verankerung des Verschuldensprinzips im deutschen BGB wohl auch auf die Beratungen der 12. Kommission des Reichstags zurückgeführt werden, wonach am Verschuldensprinzip festzuhalten sei, um die Bewegungsfreiheit des Einzelnen nicht zu sehr einzuschränken, vgl. Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse III, 1983, S. 900. Diese Aussage des historischen Gesetzgebers bezog sich zwar auf die Deliktshaftung, dürfte jedoch auf die vertragliche Haftung übertragbar sein. 616  Deutsch, AcP 202 (2002), 889 (892). 617  Deutsch, AcP 202 (2002), 889 (892). 618  Deutsch, AcP 202 (2002), 889 (892).

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die im Zusammenhang mit einem weiten Verständnis des Pflichtverletzungsbegriffs erfolgten und die daher auch der hiesigen Konzeption der Obligation entgegengehalten werden könnten. So wurde dem Verschuldensprinzip unter anderem vorgeworfen, dass das angebliche rechtsethische Postulat, wonach der Schuldner im Falle der Schuldlosigkeit aus der Haftung zu befreien sei, nicht weiterführe, sondern lediglich den Umstand verdunkele, dass die Entlastung des Schuldners nur erkauft werden könne mit einer entsprechenden Belastung des schuldlosen Gläubigers.619 Bei der Haftung für Nichterfüllung gehe es demnach nicht um eine „Strafe“, sondern allein um die Frage, welche Partei den aus der Nichterfüllung resultierenden Schaden zu tragen habe.620 Dieser Einwand berücksichtigt jedoch nicht ausreichend, dass der Schuldner gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB den Anspruch auf die Gegenleistung verliert und daher die Belastung für den Gläubiger auf etwaige aus dem Geschäft gezogene Vorteile begrenzt ist und regelmäßig im Vergleich zur Belastung des Schuldners, der weder Leistung noch Gegenleistung für sich beanspruchen kann, weniger schwer ausfallen wird. Dem Schuldner in diesem Falle auch noch für den zufälligen Untergang der Sache einstehen zu lassen, allein deswegen, weil er einen Vertrag geschlossen hat, führte zu einer zu weitgehenden Einschränkung seiner Freiheit. Zwar wird zutreffend erkannt, dass es bei der Haftung für Nichterfüllung keineswegs um eine Bestrafung des Schuldners geht. Es wird jedoch verkannt, dass die Abwägung zwischen dem durch den Gläubiger repräsentierten Verkehrsschutzinteresse und der durch den Schuldner vertretenen allgemeinen Freiheit des Einzelnen nicht einseitig zulasten einer Seite ausgehen darf, sondern durch den sachlichen Grund der Verschuldenszurechnung aufzulösen ist. Alsbald nach der Schuldrechtsreform wurden zudem zahlreiche Stimmen laut, denen zufolge es sich jedenfalls bei der Haftung nach § 311a Abs. 2 BGB um eine Garantiehaftung oder zumindest garantieähnliche Haftung handele.621 Als einer der Adressaten dieser Kritik verteidigte insbesondere Canaris die Haftung aus § 311 Abs. 2 BGB als Form der Verschuldenshaftung: Für Canaris ist das Verschuldensprinzip kein Haftungsgrund, sondern ein Zurechnungsprinzip, welches erst zusammen mit einem Haftungsgrund regelmäßig einen Schadensersatzanspruch ergebe.622 Der Haftungsgrund sei als objektive Tatbestandsseite 619  Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006, S. 32; ebenfalls zweifelnd hinsichtlich der „höheren rechtsethischen Überzeugungskraft“ des Verschuldensprinzips Grundmann, AcP 204 (2004), 569 (584). 620  Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006, S. 32. 621  Altmeppen, DB 2001, 1399 (1402); Harke, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2001, S. 29 (56); ders., AcP 205 (2005), 67 (81 ff.); Wilhelm, JZ 2001, 861 (867); Grundmann, AcP 204 (2004), 569 (584); Haberzettl, Verschulden und Versprechen, 2006, S. 80 ff.; BeckOGK-BGB/Herresthal, Stand 1.6.2019, § 311a Rn. 91 ff. m. w. Nachw. in Fn. 132. 622  Canaris, FS Heldrich, 2005, S. 11 (25 ff.); allgemeiner zur Zurechnungslehre ders., Die



III.  Der Bezugspunkt und Umfang des Vertretenmüssens

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zu sehen und ganz allgemein als Grund dafür, warum und unter welchen Voraussetzungen die Rechtsordnung einem Geschädigten Schutz gewähre.623 Die Zurechnung betreffe hingegen die subjektive Tatbestandsseite des Anspruchsgegners und solle klären, warum und unter welchen Voraussetzungen dieser für den Schaden einzustehen habe.624 Bei Verwendung des Garantiebegriffs sei diesbezüglich zu beachten, dass dieser mehrdeutig sei und daher sowohl auf Ebene des Haftungsgrundes als auch auf Ebene der Zurechnung eine Garantie vorliegen könne.625 Im Falle des § 311a Abs. 2 BGB liege grundsätzlich eine Garantie auf Ebene des Haftungsgrundes vor, welche entweder als konkludenter Bestandteil dem vertraglichen Versprechen des Schuldners entnommen werden könne oder als gesetzliche Ausgestaltung des typischen Parteiwillens aufzufassen sei: Demnach verspreche der Schuldner in erster Linie die Erfüllung der Leistung in der versprochenen Art und enthalte sein Versprechen zusätzlich und hilfsweise die Zusage, dass er zur Leistung imstande sei und andernfalls eine Geldzahlung erbringe.626 Die Garantie als konkludenter Bestandteil des Vertragsversprechens bzw. als Ausgestaltung des typischen Parteiwillens sieht sich jedoch den bereits erörterten Einwänden ausgesetzt.627 Nach den bisherigen Ergebnissen dieser UnterVertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 467 ff.; zustimmend Riehm, FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 1079 (1082); anders wohl Deutsch, AcP 202 (2002), 889 (893), wonach das Verschulden sowohl Grund als auch Grenze der Haftung sei. Zwar setzt Deutsch (vgl. a. a. O., S. 892) offenbar einen Schaden als Anknüpfungspunkt für das Verschulden voraus. Dem ist jedoch bereits entgegenzuhalten, dass nach einhelliger Auffassung im Haftungsrecht zwischen haftungsbegründendem und haftungsausfüllendem Tatbestand unterschieden wird, wobei der Schaden erst auf Ebene des haftungsausfüllenden Tatbestands maßgeblich ist und sich insbesondere (mit Ausnahme des § 826 BGB und ggf. des § 823 Abs. 2 BGB) das Verschulden nicht auf den Schaden bezieht, vgl. zu letzterem für die ganz h. M. PWW/Schaub, 14. Aufl. 2019, § 823 Rn. 4; zur Unterscheidung zwischen Haftungsbegründung (Haftungsrecht) und Haftungsausfüllung (Schadensrecht) Palandt/Grüneberg, 79. Aufl. 2020, Vorb. v. § 249 Rn. 1 und zum Verhältnis von Vorsatz und Schaden a. a. O., § 276 Rn. 10; Sofern Deutsch (a. a. O., S. 894 f.) zudem die Fahrlässigkeit als „Zurechnung des rechtswidrigen und tatbestandsmäßigen Verhaltens“ erachtet, ist dem zu entgegnen, dass nicht etwa das Verhalten zugerechnet wird – wie sollte dies bei eigenem Verhalten auch gehen? –, sondern vielmehr wird ein tatbestandsmäßiger Erfolg aufgrund eines vorwerfbaren Verhaltens einer Person zugerechnet. Dazu die weiteren Ausführungen unten. 623 Grundlegend Canaris, FS Heldrich, 2005, S. 11 (26). 624  Canaris a. a. O., S. 11 (26). 625  Canaris a. a. O., S. 11 (29 ff.), insb. seien die Beschaffenheitsgarantie i. S. d.  § 443 Abs. 1 BGB und die Haltbarkeitsgarantie des § 443 Abs. 2 BGB gesetzlich geregelte Fälle der Garantie als Haftungsgrund; vgl. auch die Ausführungen oben unter B. VI. (S. 76 f.). 626  Canaris, a. a. O., S. 11 (30 u. 32), mit Verweis auf Heck, Grundriß des Schuldrechts, 1929, S. 142, wo es heißt: „Wer eine Verpflichtung übernimmt, will allerdings dafür einstehen, daß er bei Prüfung seines Leistungsvermögens eine normale Sorgfalt angewendet hat, aber er will sich nicht zum Schadensersatz für den Fall verpflichten, daß trotzdem besondere ihm nicht erkennbare Hindernisse zu einem unrichtigen Ergebnisse geführt haben.“; zustimmend Unberath, Die Vertragsverletzung, 2007, S. 357 f. 627  Oben unter I. 2. (S. 84 ff.).

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Teil 1 – C. Die Ausw. d. Obligationslehre auf wesentl. Fragen d. Haftung

suchung erscheint eine solche Garantie zudem überflüssig.628 Folgt man der hier vertretenen Auffassung und sieht in § 275 Abs. 1–3 BGB lediglich den Ausschluss des Anspruchs auf (Natural-)Erfüllung und der Pflicht zur Leistungshandlung in Natur, während das Leistensollen des Schuldners bestehen bleibt, liegt auch im Falle des § 311a Abs. 2 BGB eine Pflichtverletzung i. S. d. § 280 Abs. 1 BGB vor und damit ein objektiver Verstoß gegen eine Pflicht, unabhängig davon, ob dieser Verstoß dem Schuldner vorgeworfen werden kann.629 Diese objektive Pflichtverletzung als Haftungsgrund ist sodann Anknüpfungspunkt für das Verschuldensprinzip.630 Hat nach der hier vertretenen Konzeption der Obligation die Handlung des Schuldners und damit dessen Möglichkeit zur Handlung keine Bedeutung für das Vorliegen einer Pflichtverletzung, stellt sich unweigerlich die Frage, ob und ggf. wo einerseits das Verhalten des Schuldners, andererseits etwaige Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe dogmatisch zu verorten sind.

2.  Das Verhältnis zwischen Pflichtverletzung und Vertretenmüssen Es besteht wohl Einigkeit darüber, dass eine Haftung des Schuldners grundsätzlich einen Haftungsgrund und eine Zurechnung voraussetzt.631 Nicht zu628  In diese Richtung schon Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, 1999, S. 528, allerdings bedauerlicherweise den Begriff der Garantie verwendend: „Wer sich etwas versprechen läßt, erwartet, daß der andere sein Versprechen hält. Diese Garantie steht nicht neben dem Versprechen, als eine zusätzliche Beteuerung, daß der Versprechende sein Versprechen auch halten werde, sondern daß das Versprechen gehalten werden wird, ist der Inhalt des Versprechens selbst“; bedauerlich ist ferner, wenn ders., ZIP 2000, 2273 (2279), bei der Haftung für das Ausbleiben eines Erfolges von einer Garantiehaftung spricht und die Anwendbarkeit dieser Haftung auf Dienstverträge anzweifelt; vgl. auch ders., in: Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. 1, 1981, S. 647 (754), wo die Anwendbarkeit einer erfolgsbezogenen Haftung auf Dienstverträge jedoch weniger kritisch gesehen wird (a. a. O., S. 722 f.) und diese Haftung gerade nicht empirisch-psychologisch aus einer „Garantieübernahme“, sondern aus dem Prinzip pacta sunt servanda abgeleitet wird (a. a. O., S. 788); dazu, dass bei der Haftung für Nichterfüllung auch auf Ebene der Zurechnung eine Garantie gerade nicht erforderlich ist, bereits Löwisch, AcP 165 (1965), 421 (434); kritisch zu diesem Rückgriff auf das Übernahmeverschulden Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006, S. 32 f. 629  Vgl. die Ausführungen zum Begriff der Pflichtverletzung oben unter B. IV. (S. 67 ff.). 630 Anders Haberzettl, Verschulden und Versprechen, 2006, S. 78 ff., der bei § 280 Abs. 1 BGB und § 311a Abs. 2 BGB von einem Versprechensmodell und nicht von einem Verschuldensmodell ausgeht, dabei offenbar jedoch zu hohe Anforderungen an die Maßstäbe einer Rechtswidrigkeitsbeurteilung stellt (wenig überzeugend daher auch die Kritik an der Herleitung der objektiven Rechtswidrigkeit aus der Verletzung einer relativen Schutzpflicht, a. a. O., S. 95 ff.; dazu auch unten unter 3. [S. 127 ff.]). Auch von einer „Fiktion des schuldhaften Verhaltens“ (a. a. O., S. 81), kann allein wegen der Beweislastumkehr keine Rede sein. Vgl. auch die grundsätzlich zutreffenden Ausführungen des., a. a. O., S. 89, wobei jedoch nicht ersichtlich ist, weshalb der Anknüpfungspunkt für das rechtswidrige Verhalten zwingend die Pflichtverletzung sein muss. 631  Deutsch, AcP 202 (2002), 889 (892); vgl. auch Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, 2002, S. 63 ff.; Benicke/Hellwig, NJW 2014, 1697 (1699); aus rechtsvergleichen-



III.  Der Bezugspunkt und Umfang des Vertretenmüssens

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letzt wegen der Allgemeingültigkeit dieses Prinzips für das Haftungsrecht liegt es nahe, Vergleiche zwischen § 280 BGB und den §§ 823 ff. BGB zu ziehen.632 Während bei § 823 Abs. 1 BGB zwischen der Rechtsgutsverletzung, als Summe eines Verletzungserfolgs, einer Handlung und der dazugehörigen Kausalität, sowie Rechtswidrigkeit und Verschulden unterschieden wird, gibt § 280 Abs. 1 BGB lediglich die Tatbestandsmerkmale Pflichtverletzung und Vertretenmüssen vor.633 Es stellt sich demnach die Frage, ob und ggf. unter welchem Tatbestandsmerkmal bei § 280 BGB das Verhalten des Schuldners, die Rechtswidrigkeit und die Kausalität zu prüfen sind. Dabei soll bezüglich des Begriffs Rechtswidrigkeit zwischen der objektiven und subjektiven Rechtswidrigkeit differenziert werden.634 Während für die objektive Rechtswidrigkeit erforderlich ist, dass keine Rechtfertigungsgründe vorliegen, setzt die Feststellung subjektiver Rechtswidrigkeit ein vorwerfbares Verhalten des Schuldners voraus.635 Nach herrschender Literatur und hiesiger Auffassung ist die Pflichtverletzung i. S. d. § 280 Abs. 1 BGB verhaltensunabhängig und rein objektiv zu verstehen.636 Bei einem Vergleich mit der deliktischen Haftung stellt diese gewissermaßen das Pendant zum Verletzungserfolg in § 823 Abs. 1 BGB dar. Deswegen sind die übrigen für eine verschuldensabhängige Schadensersatzhaftung erforderlichen Voraussetzungen – also rechtlich relevantes Verhalten, haftungsbegründende Kausalität, objektive Rechtswidrigkeit und die subjektive Rechtswidrigkeit in Form des Verschuldens – unter dem Tatbestandsmerkmal Vertretenmüssen zu prüfen. Ein wesentlicher Unterschied zwischen § 280 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 1 BGB besteht sodann darin, dass die Pflichtverletzung bei § 280 Abs. 1 BGB die Umkehr der Beweislast hinsichtlich des Vertretenmüssen mit all den gerade genannten Voraussetzungen stützt,637 während bei § 823 Abs. 1 BGB die Rechtsgutsverletzung – als Summe von Verletzungserfolg, Handlung und haftungsbegründender Kausalität – lediglich die objektive Rechtswidrigkeit indiziert. Diese weitreichende Beweislastumkehr im der Sicht Brieskorn, Vertragshaftung und responsabilité contractuelle, 2010, S. 131 ff. (haftungsauslösende Ereignis) u. S. 149 ff. (Zurechnung der Nichterfüllung); vgl. ferner die Nachweise in Teil 1 Fn. 622. 632  Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, 2002, S. 85, 102 ziehen, ausgehend von einem verhaltensbezogenen Pflichtverletzungsbegriff, konsequent eine Parallele zu § 823 Abs. 2 BGB; ferner Haberzettl, Verschulden und Versprechen, 2006, S. 28 ff.; Riehm, FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 1079 (1095) mit der Parallele zu § 823 Abs. 1 BGB; vgl. auch die Diskussion über das Verhältnis von vertraglicher und deliktischer Haftung in der französischen Rechtswissenschaft: unten Teil 2 C. (S. 213 ff.). 633  Für die h. M. Riehm, FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 1079 (1095). 634  RG, Urt. v. 30.12.1901 – VI 285/01 = RGZ 50, 60 (66). 635  RG, Urt. v. 30.12.1901 – VI 285/01 = RGZ, 50, 60 (65 f.). 636  Oben unter B. IV. (S. 67 ff.). 637  In BT-Drs. 14/7052, S. 184 (re. Sp.) heißt es gar: „Ein Vertretenmüssen des Schuldners wird durch die Pflichtverletzung indiziert“; entgegen Haberzettl, Verschulden und Versprechen, 2006, S. 77 f., liegt in diesem Auslösen der Beweislastumkehr dann auch der Sinn der hier vertretenen eigenständigen Pflichtverletzung als Nichterfüllung.

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Teil 1 – C. Die Ausw. d. Obligationslehre auf wesentl. Fragen d. Haftung

allgemeinen Schuldrecht rechtfertigt sich, abgesehen von beweisrechtlichen Erwägungen, zum einen aus dem mit der Obligation begründeten engen Band zwischen Gläubiger und Schuldner und darüber hinaus aus der Leistungserwartung des Gläubigers. Die Vertreter desjenigen Teils der Literatur, der sich für einen verhaltensbezogenen Pflichtverletzungsbegriff ausspricht, stellen bei der Verschuldenshaftung für die Prüfung der Rechtswidrigkeit auf das Verhalten des Schuldners ab.638 Die Nichterfüllung einer Leistungspflicht und damit das Nichterhalten dessen, was der Gläubiger bekommen soll, könne auf ein Verhalten des Schuldners zurückzuführen sein, keinesfalls sei dies jedoch zwingend.639 Diese Differenzierung nach der Verhaltensursächlichkeit mache gerade den Unterschied zwischen der Schadensersatzhaftung und den verhaltensunabhängigen Sekundärrechten wie Rücktritt und Zurückbehaltungsrecht aus.640 Die Nichterfüllung könne also mögliche Folge eines rechtswidrigen Verhaltens des Schuldners sein, hingegen dürfe nicht von der Nichterfüllung auf ein rechtswidriges Verhalten geschlossen werden – die Nichterfüllung sei allenfalls Indiz für ein pflichtwidriges Verhalten des Schuldners.641 Auch spreche die Notwendigkeit, handlungsbezogene Rechtfertigungsgründe berücksichtigen zu können, für ein verhaltensbezogenes Pflichtwidrigkeitsverständnis.642 Jedenfalls setze Verschulden als Beurteilungsmaßstab stets ein Verhalten des Schuldners voraus und müsse dieses Verhalten zudem objektiv rechtswidrig sein, andernfalls könne das Verhalten dem Schuldner nicht vorgeworfen werden.643 Denn der Schuldner könne vorsätzlich oder fahrlässig die Leistung nicht erbringen, ohne dass dies als rechtswidriges Verhalten qualifiziert werden müsse.644 Der Begriff der Pflichtverletzung in dem vom Gesetzgeber gewollten objektiven Verständnis sei daher verfehlt und – da eine Verschuldenshaftung Rechtswidrigkeit voraussetze, diese Rechtswidrigkeit aber der Pflichtverletzung eben nicht 638  Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, 2002, S. 64 ff.; Kohler, ZZP 2005, 25 (34 ff.); ferner Looschelders, Schuldrecht AT, 17. Aufl. 2019, § 22 Rn. 1. 639  Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, 2002, S. 65, 83 f. 640  Kohler, ZZP 2005, 25 (37). 641  Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, 2002, S. 65, 84. 642  Ehmann/Sutschet, a. a. O., S. 65 f., 84; Kohler, ZZP 2005, 25 (37 f.), mit der Folge, dass der Schadensersatzgläubiger grundsätzlich die volle Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Pflichtwidrigkeit des bestehenden Zustandes und des dazu führenden Schuldnerverhaltens habe. Dies widerspricht jedoch dem Willen des Gesetzgebers, BT-Drs. 14/6040, S. 136, wonach den Schuldner die Beweislast dafür trifft, dass „die Unmöglichkeit bzw. der Verzug nicht Folge eines von ihm zu vertretenden Umstandes ist.“ 643  Kohler, ZZP 2005, 25 (35); zum Verhältnis von Fahrlässigkeit und Rechtswidrigkeit bereits Deutsch, AcP 202 (2002), 889 (894 f. u. 899), wonach die Fahrlässigkeit zugleich Zurechnung des rechtswidrigen und tatbestandsmäßigen Verhaltens sei (S. 894 f.) und insofern Haftungsgrund, als sie den Schlussstein der Haftungsmerkmale Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Verschulden bilde (S. 899). 644  Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, 2002, S. 65 f., 84.



III.  Der Bezugspunkt und Umfang des Vertretenmüssens

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entnommen werden könne – als Haftungsgrund einer Verschuldenshaftung untauglich.645 Mit Blick auf diese Überlegungen und auf den Vergleich zwischen § 823 Abs. 1 BGB mit § 280 BGB stellt sich die Frage, was das maßgebliche Substrat der objektiven und subjektiven Rechtswidrigkeitsprüfung ist. Da die Pflichtverletzung nach hiesiger Auffassung verhaltensunabhängig verstanden wird, ist die subjektive Rechtswidrigkeit und damit das vorwerfbare Verhalten im Rahmen des Vertretenmüssens zu verorten. Hinsichtlich der objektiven Rechtswidrigkeit erscheint es möglich, diese entweder an die Pflichtverletzung646 oder an eine Handlung des Schuldners zu knüpfen.647 Tatsächlich scheinen sich die Argumente der Anhänger des verhaltensbezogenen Pflichtverletzungsbegriffs berücksichtigen und mit dem objektiven Pflichtverletzungsbegriff kombinieren zu lassen, wenn für die Prüfung der objektiven Rechtswidrigkeit auf das Verhalten des Schuldners abgestellt wird. Auf diese Weise kann das objektive Verständnis der Pflichtverletzung des Gesetzgebers und der herrschenden Literatur ebenso berücksichtigt werden wie die Überlegung, dass der Schuldner nicht haften soll, wenn sein Verhalten durch einen Rechtfertigungsgrund erfasst ist. Sofern kein Fall einer Garantie oder des § 287 S. 2 BGB vorliegt, ist für eine Haftung des Schuldners nach § 280 Abs. 1 BGB demnach erforderlich, dass sein objektiv rechtswidriges Verhalten kausal für die Pflichtverletzung wurde und ihm dies wegen Fahrlässigkeit oder Vorsatz auch vorgeworfen werden kann.

3.  Die verschiedenen Bezugspunkte des Vertretenmüssens Ist die Pflichtverletzung i. S. d. § 280 Abs. 1 BGB objektiv als Obligationswidrigkeit zu verstehen und besteht darüber hinaus das Leistensollen unabhängig von etwaigen Leistungshindernissen fort, ist fraglich, auf welches Verhalten bei der Bestimmung des Vertretenmüssens abzustellen ist. Der Umstand, dass die Obligationswidrigkeit durch verschiedene Verhaltensweisen des Schuldners verursacht werden kann, führt notwendigerweise dazu, dass all diese Verhaltensweisen zu berücksichtigen und zu prüfen sind. Der Schuldner muss also die Vermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB hinsichtlich seines gesamten, für die Pflichtverletzung in Betracht kommenden Verhal645  Ehmann/Sutschet, a. a. O., S. 65 f., 84 f. 646  In diesem Sinne zum alten Schuldrecht

Löwisch, AcP 165 (1965), 421 (422): Aus der Nichterfüllung der Leistung und dem damit verknüpften Verstoß gegen § 241 BGB ergebe sich, sofern sich keine Rechtfertigungsgründe fänden, die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Schuldners; zum § 280 Abs. 1 BGB n. F. etwa Kohler, ZZP 2005, 25 (30 f.); dagegen Haberzettl, Verschulden und Versprechen, 2006, S. 71 ff. 647  Zur Übertragung der Kontroverse von Erfolgs- und Verhaltensunrecht auf die Haftung aus Schuldverhältnissen bereits Löwisch, AcP 165 (1965), 421 (421 ff.); Kohler, ZZP 2005, 25 (35); vgl. Haberzettl, Verschulden und Versprechen, 2006, S. 27 ff.; ferner Riehm, FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 1079 (1095 ff.).

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tens widerlegen. Erst wenn der Schuldner beweisen kann, dass nicht eine seiner rechtswidrigen Handlungen bzw. Unterlassungen kausal die Obligationswidrigkeit verursacht hat, hat er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten. Aus Gründen der Praktikabilität bietet es sich an, mit den jüngsten Verhaltensweisen zu beginnen und nur dann auf ältere abzustellen, wenn sich eine jüngere Verhaltensweise als nicht kausal oder nicht objektiv bzw. subjektiv rechtswidrig darstellt.648 Im Übrigen wird dies auch der typischen Vorgehensweise im Prozess entsprechen, zumindest in denjenigen Fällen, in denen der Grund der Nichterfüllung dem Gläubiger nicht offenbart wurde. Erfüllt der Schuldner die Obligation nicht, wird der Gläubiger ihm daher zunächst ein vorsätzliches oder wenigstens fahrlässiges Unterlassen unterstellen.649 Sofern die Leistung möglich ist, kommt allenfalls ein allgemeiner Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund in Betracht, um die Vermutung des Vertretenmüssens aus § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu widerlegen.650 Ist die Erfüllung der Obligation hingegen gem. § 275 Abs. 1–3 BGB nicht möglich, ist die Nichtvornahme der Erfüllungshandlung wegen der Unmöglichkeit bzw. Unverhältnismäßigkeit bzw. Unzumutbarkeit als gerechtfertigt anzusehen.651 § 275 Abs. 1–3 BGB schließt, wie ausgeführt652, den Anspruch auf Naturalerfüllung und die entsprechende Pflicht zur Leistungshandlung aus und stellt damit zugleich eine Art Rechtfertigungsgrund für die Nichtvornahme der Erfüllungshandlung dar. Dem Schuldner kann daher wegen der Nichterfüllung allein kein Vorwurf gemacht werden, wenn er die Leistungshandlung schlicht nicht bzw. nur entgegen einer Unverhältnismäßigkeit/Unzumutbarkeit erbringen kann. Das Abstellen auf die Obligationswidrigkeit als objektive Pflichtverletzung ermöglicht jedoch, auch früheres Verhalten des Schuldners in den Blick zu nehmen. Dadurch kann berücksichtigt werden, ob sich der Schuldner selbst in die Lage des Rechtfertigungsgrundes (insb. also der Unmöglichkeit) manövriert hat. Ist dies der Fall, beispielsweise weil der Schuldner die Unmöglich648 Vgl.

Gsell, FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 337 (339); in diese Richtung auch Riehm, FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 1079 (1096 f.). 649  Dazu, dass das Unterlassen allein eine Haftung nicht rechtfertigt, bereits Haberzettl, Verschulden und Versprechen, 2006, S. 72 ff. 650 Als Beispiele für Rechtfertigungsgründe kommen neben den §§ 227, 228 BGB die gebotene Unfallhilfeleistung oder die Ausübung eines Schöffenamtes in Betracht, vgl.  MüKoBGB/Grundmann, 8. Aufl. 2019, § 276 Rn. 15; für eine Anwendung des § 275 Abs. 3 BGB auf diese Beispiele für Pflichtenkollisionen Staudinger/Caspers, 2019, § 276 Rn. 16, § 275 Rn. 109; als Entschuldigungsgründe sind gem. § 276 Abs. 1 S. 2 BGB insbesondere die §§ 827 f. BGB und allgemein der unvermeidbare Verbotsirrtum zu berücksichtigen, vgl. hierzu MüKoBGB/Grundmann, 8. Aufl. 2019, § 276 Rn. 166 ff. 651  Zumindest zu Unverhältnismäßigkeit bzw. Unzumutbarkeit als Rechtfertigungsgrund bereits Löwisch, AcP 1965, 421 (437); anders hingegen ders. zur Unmöglichkeit (a. a. O., S. 441 ff.), aufgrund der Annahme, die Unmöglichkeit schließe die Leistungspflicht aus; gegen diese Annahme oben unter II. 3. c) (S. 117 ff.). 652  Oben unter II. 3. c) (S. 117 ff.).



III.  Der Bezugspunkt und Umfang des Vertretenmüssens

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keit selbst verursacht hat, oder weil er die Notwehrlage provoziert hat, ist auf dieses zeitlich vorgelagerte Verhalten abzustellen und dem Schuldner über dieses Verhalten die Obligationswidrigkeit zurechenbar. Im Grunde greifen dabei dieselben Überlegungen, die im Strafrecht durch die Figuren der actio illicita in causa653, actio libera in causa654 und der omissio libera in causa655 schon länger anerkannt sind.656 Nach den allgemeinen Grundsätzen zu § 276 Abs. 2 BGB hat der Schuldner zudem alle Leistungsstörungen zu vertreten, die er vorhersehen und vermeiden konnte.657 Leistet der Schuldner beispielsweise trotz Fälligkeit und Durchsetzbarkeit nicht, obwohl für ihn erkennbar war, dass die Nichtleistung dazu führt, dass die Leistung später unmöglich wird oder nur mit einer weiteren Verzögerung erfolgen kann, hat er diese Unmöglichkeit bzw. die Verzögerung zu vertreten. Ebenso verhält es sich, wenn er vor Fälligkeit ihm zumutbare Maßnahmen zur Verhinderung der vorhersehbaren Unmöglichkeit unterlässt. Denn die Obligationswidrigkeit hätte in diesen Fällen durch ebendiese Maßnahmen bzw. durch die rechtzeitige Leistung vermieden werden können. Erst recht hat dies zu gelten, wenn der Schuldner sich bereits in Verzug befindet (§ 287 S. 2 BGB). Entsprechend verhält es sich bei zu vertretender Mängelleistung: auch hier wirkt das ursprüngliche Vertretenmüssen fort und hat § 287 S. 2 BGB daher lediglich eine klarstellende Funktion.658 Nichts anderes gilt für Fälle, in denen der Schuldner die ursprüngliche Mängelleistung nicht zu vertreten hat, später jedoch vom Mangel Kenntnis erlangt und trotz Behebbarkeit untätig bleibt.659 Ein weiterer Anknüpfungspunkt für das Verhalten des Schuldners ist der Vertragsschluss selbst. Wenn bei Vertragsschluss die Obligationswidrigkeit bereits vorhersehbar ist, kann diese insbesondere durch den Nichtabschluss des Vertrages vermieden werden. Das vorwerfbare Verhalten des Schuldners liegt also darin, dass er die Leistung verspricht, obwohl er weiß oder wissen muss, dass er diese nicht obligationsgemäß wird erfüllen können.660 Gemeint ist damit das 653 Umfassend Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, 30. Aufl. 2019, Vorb.  zu §§ 32 ff. Rn. 23. 654 Kühl/Heger/Kühl, 29. Aufl. 2018, § 20 Rn. 25 ff. 655 Kühl/Heger/Heger, 29. Aufl. 2018, § 13 Rn. 3. 656  Zur Zurechnung mittels der actio libera in causa im Zivilrecht bereits Unberath, Die Vertragsverletzung, 2007, S. 298 ff. (insb. S. 300 ff.). 657  Mit dieser Definition der Fahrlässigkeit etwa MüKoBGB/Grundmann, 8. Aufl. 2019, § 276 Rn. 52; Palandt/Grüneberg, 79. Aufl. 2020, § 276 Rn. 12; so auch Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, 2002, S. 84. 658  Zu den Einzelheiten Gsell, FS  Canaris, 2007, Bd. 1, S. 337 (340 ff.); zustimmend zu dieser einheitlichen Betrachtungsweise Benicke/Hellwig, NJW 2014, 1697 (1700); a. A. etwa NK-BGB/Dauner-Lieb, 3. Aufl. 2016, § 280 Rn. 38. 659  Gsell, FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 337 (354 ff.). 660  Mit einer ganz ähnlichen Formulierung Gsell, FS Canaris, 2007, Bd. 1, S. 337 (351); im Ergebnis ebenso Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, 1999, S. 670 f., allerdings mit dem

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sog. Übernahmeverschulden661, welches letztlich die Essenz des § 311a Abs. 2 BGB darstellt.662 Dass es sich beim Übernahmeverschulden um eine gewöhnliche Form des Verschuldens handelt, wird auch dadurch deutlich, dass nach ganz herrschender Meinung § 254 BGB Anwendung findet, sofern auch der Gläubiger Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis vom Leistungshindernis hat.663 Sofern die Gesetzesbegründung664 ausführt, die dem Schuldner bei § 311a Abs. 2 BGB vorzuwerfende Pflichtverletzung (und damit der Haftungsgrund) liege darin, dass der Schuldner die Leistungspflicht übernehme, obwohl er wisse oder wissen müsse, dass er sie nicht erfüllen könne, stimmt dies nicht mit der hier vertreten Auffassung überein. Der Haftungsgrund bei § 311a Abs. 2 BGB ist, wie bei § 280 Abs. 1 BGB auch, vielmehr die objektive Pflichtverletzung im Sinne der Obligationswidrigkeit, und diese ist dem Schuldner dann zurechenbar, wenn er bei Vertragsschluss wusste oder wissen musste, dass er nicht obligationsgemäß wird erfüllen können. Folgt man dem und erkennt zudem die bei Vertragsschluss vorliegende Kenntnis bzw. Vorhersehbarkeit einer drohenden Obligationswidrigkeit als allgemeinen Anknüpfungspunkt für das Verschulden an,665 ist § 311a Abs. 2 BGB als Anspruchsgrundlage nicht nur zu eng, indem sich die Vorschrift allein auf die Unmöglichkeit/Unverhältnismäßigkeit/ missverständlichen Begriff der Garantie; vgl. ferner Unberath, Die Vertragsverletzung, 2007, S. 303 ff., der diese „Garantiehaftung“ aus dem „Prinzip des mutmaßlichen Parteiwillens“ ableiten möchte: die Verwendung des Begriffs „Garantie“ und das Abstellen auf einen mutmaßlichen Parteiwillen sind jedoch überflüssig, da auch für das Verschulden bei Vertragsschluss auf die im Rahmen des § 276 Abs. 1, Abs. 2 BGB entwickelten allgemeinen Grundsätze zu Vorsatz und Fahrlässigkeit (im Sinne eines Verstoßes gegen die im Verkehr übliche Sorgfalt) abgestellt werden kann – dementsprechend vermögen die Ausführungen zu § 311a Abs. 2 BGB bei Unberath, a. a. O., S. 357 f. nicht zu überzeugen. 661  Im Ansatz bereits Heck, Grundriß des Schuldrechts, 1929, S. 142; wenn auch ohne Bezeichnung als Übernahmeverschulden gleichwohl Grundmann, AcP 2004, 569 (583); ausdrücklich Löwisch, AcP 1964, 421 (434); kritisch zum Übernahmeverschulden Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006, S. 32 f.; ferner auch Bach, Leistungshindernisse, 2017, S. 215 ff. 662  Für eine Anwendung des Übernahmeverschuldens nicht nur auf die Unmöglichkeit, sondern alle Fälle der Leistungsstörungen zutreffend etwa Soergel/Gsell, 13. Aufl. 2014, § 311a Rn. 15. 663  BGH, Urt. v. 8.5.2014 – VII ZR 203/11 = NJW 2014, 3365 (3367); für eine zumindest analoge Heranziehung Soergel/Gsell, 13. Aufl. 2014, § 311a Rn. 57; ebenso BeckOGK-BGB/ Herresthal, Stand 1.6.2019, § 311a Rn. 129 m. w. Nachw.; vgl. auch die Nennung des § 254 BGB bei BT-Drs. 14/6040, S. 165 (li. Sp.), wobei sich diese Passage genau genommen jedoch nur auf einen Anspruch aus §§ 280, 241 Abs. 2 BGB wegen Kenntnis der Gesetzeswidrigkeit bezieht. Da es sich bei der Kenntnis bzw. dem Kennenmüssen aus § 311a Abs. 2 BGB nach zutreffender Auffassung jedoch um einen Anknüpfungspunkt für das Vertretenmüssen handelt, dürfte § 254 BGB auf diese Konstellation ebenso Anwendung finden. Dies stellt auch keinen Widerspruch zu der Lösung der §§ 122 Abs. 2, 179 Abs. 3 BGB dar, da dort die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen des anderen Teils zum Ausschluss eines verschuldensunabhängigen Anspruchs führt. 664  BT-Drs. 14/7052, S. 190. 665  Vgl. Soergel/Gsell, 13. Aufl. 2014, § 311a Rn. 11 m. w. Nachw.



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Unzumutbarkeit bezieht, sondern hat § 311a Abs. 2 BGB allgemein lediglich eine klarstellende Funktion.666 Im Ergebnis sind also mehrere Anknüpfungspunkte für die Beantwortung der Frage des Vertretenmüssens zu prüfen. Sofern sich nicht ein Anknüpfungspunkt geradezu aufdrängt, dürfte der sinnvollste modus operandi sein, bei dem jüngsten Verhalten zu beginnen und auf ein älteres Verhalten nur abzustellen, wenn der Schuldner das jüngere nicht zu vertreten hat.

D.  Zusammenfassung zum deutschen Recht Der Begriff der Obligation wurde vom Gesetzgeber bewusst nicht in das BGB aufgenommen und wesentliche Teile seiner Bestimmung der Wissenschaft überlassen. In der Literatur haben sich in der Folge eine Reihe verschiedener Konzeptionen zum Verhältnis von Gläubiger und Schuldner entwickelt, auf deren Grundlage die Debatten zu Problemen des Schuldrechts geführt werden. Da diese verschiedenen Konzeptionen jedoch äußerst selten selbst Gegenstand von umfangreichen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen sind, bleiben die jeweiligen Konzeptionen recht vage und bei genauerer Betrachtung meist wenig überzeugend und stehen dadurch transparenten und gewinnbringenden Diskussionen im Weg. Auf Grundlage der umfangreichen Arbeiten Gustav Hartmanns gelangt die vorliegende Untersuchung zu einem erfolgsbezogenen Verständnis der Obligation, welches im Vergleich zu anderen, insbesondere den handlungsbezogenen Konzeptionen Jan Felix Hoffmanns und Friedrich Carl von Savignys, vorzugswürdig erscheint. Ausgehend von einer solchen erfolgsbezogenen Konzeption kann als Inhalt der Obligation die Realisierung bzw. Aufrechterhaltung eines Zustands bestimmt werden. Unter Obligation ist demnach das Bekommensollen des Gläubigers zu verstehen, der zur Erfüllung seines berechtigten Interesses eine gewisse Macht über das Vermögen des Schuldners erhält. Die Handlung des Schuldners stellt zwar das bevorzugte Mittel der Obligationserfüllung dar, ist jedoch selbst kein konstitutives Element der Obligation. Dies ergibt sich erstens daraus, dass der Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung die Handlung des Schuldners ohnehin nicht erzwingen kann, da dieser Art der Vollstreckung unter anderem die Grundrechte des Schuldners entgegenstehen. Zweitens ist zu bedenken, dass regelmäßig auch Dritte (z. B. ein anderer Gesamtschuldner, ein Bürge oder ein Dritter i. S. d. § 267 BGB) das berechtigte Interesse des Gläubigers erfüllen können, was bei handlungsbezogenen Auffassungen häufig vernachlässigt wird. Drittens müsste bei einem handlungsbezogenen Verständ666  Vgl. BGH, Urt. v. 8.5.2014 – VII ZR 203/11 = NJW 2014, 3365 (3367), wonach § 311a Abs. 2 BGB an die Stelle des § 280 BGB trete.

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nis der Obligation die Möglichkeit der Teilabtretung ausgeschlossen sein, da die Handlung gemäß der vertraglichen Vereinbarung gegenüber dem Zedenten vorzunehmen wäre. Viertens zeigen die Fälle der §§ 1976, 1991, 2175, 2377 BGB, dass Rechtsverhältnisse zwischen zwei Vermögensmassen bestehen können, ohne dass es auf unterschiedliche Rechtssubjekte oder ihre Handlungen ankommt. Fünftens ermöglicht ein Abstellen auf das berechtigte Interesse des Gläubigers, verschiedene Ansprüche bzw. Forderungen zusammenzufassen und ihre Konkurrenzen untereinander zu klären – und dies selbst dann, wenn die Ansprüche/Forderungen auf verschiedene Anspruchsziele oder gegen verschiedene Rechtssubjekte gerichtet sind. In Ergänzung zu Hartmann kommt die vorliegende Untersuchung zu dem Ergebnis, dass die Obligation erst erfüllt ist, wenn der Gläubiger mittels der durch die Obligation verliehenen Macht Befriedigung erlangt oder der Schuldner bzw. ein Dritter mit Blick auf diese Macht den Gläubiger befriedigt. Da die Obligation auf die Erfüllung des berechtigten Interesses des Gläubigers gerichtet ist, erstreckt sich die Obligation, sofern dem nicht vertragliche oder gesetzliche Regelungen entgegenstehen, auf die gesamte Vermögensmasse des Schuldners. Dieses Ergebnis deckt sich mit dem Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung und der Vorschrift des § 275 Abs. 2 BGB, auf dessen Grundlage der Schuldner seiner zunächst unbeschränkten Einstandspflicht Grenzen setzen kann, wenn das berechtigte Interesse des Gläubigers und der Leistungsaufwand des Schuldners in einem groben Missverhältnis stehen. Das Leistungsinteresse des Gläubigers kann jedoch nicht nur durch eine Leistung in natura erfüllt werden. Vielmehr kennt das deutsche Schuldrecht eine Mehrzahl verschiedener Erfüllungsformen (insbesondere Naturalerfüllung, Zahlung von Schadensersatz, Leistung eines Surrogats, Aufrechnung), die zueinander in einem Stufenverhältnis stehen. Der auf diese Weise umschriebene Begriff der Obligation hat einen Mehrwert im Begriffssystem des deutschen Schuldrechts: Da er auf das Bekommensollen des Gläubigers abstellt, beschreibt er – anders als das Schuldverhältnis im weiteren Sinne – lediglich die eine Leistungsbeziehung zwischen Gläubigerund Schuldnerseite. Im Unterschied zum Schuldverhältnis im engeren Sinne vermag der Obligationsbegriff jedoch zugleich alle Ansprüche und Forderungen – selbst bei unterschiedlichen Erfüllungsformen und Schuldnern – zusammenzufassen, sofern sie nur auf die Befriedigung desselben Gläubigerinteresses gerichtet sind. Diese Möglichkeit der Verklammerung besteht auch hinsichtlich verschiedener Forderungen, sodass die erfolgsbezogene Konzeption der Obligation schon deshalb auch den Begriff der Forderung sinnvoll ergänzen kann. Diese Ergänzung kann wiederum zu Klarheit bei Fragen aus den Bereichen der (Legal-)Zession, der Anspruchskonkurrenz und des Rechtsgrunds zum Behaltendürfen beitragen. Hat der Gläubiger beispielsweise mehrere Forderungen – etwa aus eigenem und abgetretenem Recht –, die auf die Befriedigung



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desselben Interesses gerichtet sind, darf er selbstverständlich nur eine Leistung behalten. Der Rechtsgrund zum Behaltendürfen ist demnach ein Zusammenspiel aus Forderungsrecht und Obligation. Der Begriff der Obligation schafft zudem Transparenz bei dem als mehrdeutig aufzufassenden Begriff der Leistung: so kann dem erfolgsbezogenen Bekommensollen des Gläubigers (Obligation) ein erfolgsbezogenes Verschaffensollen des Schuldners (Leistungserfolg) gegenübergestellt werden, während auf Ebene des Anspruchsbegriffs der Begriff der Leistung als Leistungshandlung zu verstehen ist. Bei der Gesetzesanwendung ist daher stets zu fragen, ob die auszulegende Vorschrift mit „Leistung“ eher das Bekommensollen des Gläubigers und damit einen Erfolg oder doch die Vornahme einer Handlung durch den Schuldner in den Blick nimmt. Das erfolgsbezogene Verständnis der Obligation und der Leistung lässt sich somit etwa zur Auslegung des Begriffs der Pflichtverletzung heranziehen. Nach der Idee des Gesetzgebers der Schuldrechtsreform und entsprechend der herrschenden Auffassung in der Literatur ist der Begriff der Pflichtverletzung objektiv zu verstehen. Dies deckt sich mit der erfolgsbezogenen Konzeption der Obligation. Demnach liegt eine Pflichtverletzung immer dann vor, wenn eine Abweichung vom Bekommensollen der Obligation besteht. Die Frage, ob und ggf. wie der Schuldner gehandelt hat, wird erst im Rahmen des Vertretenmüssens relevant. Einen weiteren Mehrwert schafft die Konzeption der Obligation schließlich im Zusammenhang mit der Haftung des Schuldners für Leistungsstörungen. Demnach haftet der Schuldner dem Gläubiger für das Ausbleiben des Obligationszwecks mit seinem gesamten Vermögen, sofern vertraglich nichts anderes vereinbart ist und gesetzliche Regelungen wie insb. §§ 275, 313 BGB nicht zu anderen Ergebnissen führen. Durch diese Vorgehensweise erspart man sich einen voreiligen Rückgriff auf die Vertragsauslegung, die bei kritischer Betrachtung ihrer Leistungsfähigkeit die Frage nach dem Umfang der schuldnerischen Haftung ohnehin nicht zu lösen vermag. Zweifellos bringen die §§ 275, 313 BGB bei ihrer Anwendung zahlreiche Probleme mit sich. Dennoch ermöglichen sie auf Grundlage der erfolgsbezogenen Obligation objektive, nachvollziehbare und damit überzeugende Ergebnisse, die bei einem Rückgriff auf die beliebige Figur des „typisierten Parteiwillens“ nicht zu erreichen sind. Schließlich können mit Hilfe der erfolgsbezogenen Obligation auch die Folgen von Leistungshindernissen für den Vertrag und für die Leistungspflicht des Schuldners erklärt werden. Stellt man bei der Obligation auf die Sicht des Gläubigers und sein Interesse an der Erreichung bzw. Aufrechterhaltung eines bestimmten Zustands ab, wobei dieser Zustand oder Leistungserfolg eben auch anders als durch Naturalerfüllung erreicht werden kann, ist naheliegend, dass ein die Naturalerfüllung hindernder Umstand nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages oder zum Ausschluss der Leistungspflicht im Sinne der Herbeiführung des Erfolgs führt. Denn selbst wenn der Gläubiger vom Schuldner die Erbrin-

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Teil 1 – D. Zusammenfassung zum deutschen Recht

gung der Leistung in natura nicht verlangen kann und der Schuldner die Leistung in natura nicht erbringen muss, so soll der Gläubiger gemäß der Obligation doch den versprochenen Zustand möglichst vollständig bekommen und der Schuldner soll diesen möglichst umfassend herbeiführen. Die Wirkung einer Unmöglichkeit i. S. d. § 275 BGB beschränkt sich deshalb zunächst auf den Ausschluss des Naturalerfüllungsanspruchs und der Pflicht, auf die Naturalerfüllung gerichtete Leistungshandlungen vorzunehmen (unmittelbare Wirkung der Unmöglichkeit). Das Leistungshindernis leitet demnach lediglich auf die weiteren Erfüllungsformen der Obligation über. Eine befreiende Wirkung entfaltet die Unmöglichkeit hingegen erst dann, wenn der Schuldner neben der Naturalerfüllung auch keinen Schadensersatz oder sonstige Surrogate schuldet. Da in diesen Fällen der Unmöglichkeit der Gläubiger zwar etwas bekommen und der Schuldner etwas leisten soll, der Schuldner jedoch überhaupt nicht leisten muss und der Gläubiger mangels Ansprüchen auf Schadensersatz oder Surrogate auch keine Macht mehr über das Vermögen des Schuldners hat, läuft die Obligation – im Sinne des Plans der Parteien – schlichtweg ins Leere. Lediglich in diesem Falle werden die Parteien von der Obligation befreit (mittelbare Wirkung der Unmöglichkeit). Nach der erfolgsbezogenen Konzeption der Obligation handelt es sich zwar bei jeder Nichterfüllung des Bekommensollens um eine Pflichtverletzung i. S. d. § 280 Abs. 1 BGB und damit auch bei der Obligationswidrigkeit aufgrund anfänglicher Unmöglichkeit. Dennoch ist das erfolgsbezogene Obligationsverständnis mit dem Verschuldensprinzip vereinbar, da der Schuldner – abgesehen von den Fällen einer Garantie oder der Zufallshaftung nach § 287 S. 2 BGB – nur dann für die Pflichtverletzung haftet, wenn sein objektiv rechtswidriges Verhalten für die Pflichtverletzung kausal wurde, er diese also zu vertreten hat i. S. d. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Unabhängig davon, ob das vorwerfbare Verhalten des Schuldners in der vorsätzlichen Verweigerung einer möglichen Leistung, einer fahrlässig verzögerten Leistung, der zumindest fahrlässigen Herbeiführung einer nachträglichen Unmöglichkeit oder der zu vertretenden Unkenntnis einer anfänglichen Unmöglichkeit liegt – der Schuldner hat stets nach § 249 Abs. 1 BGB den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand (d. h. das obligationswidrige Ausbleiben des Bekommensollen) nicht eingetreten wäre. In all diesen Fällen muss der Schuldner damit das positive Interesse des Gläubigers ersetzen. Zum Abschluss des deutschen Teils bleibt festzustellen, dass die wenigsten dieser Ergebnisse wirklich neu sind. Der größte Teil der in dieser Untersuchung vertretenen Ansätze wurde bereits vorher entwickelt. Der Verdienst der erfolgsbezogenen Obligation liegt jedoch darin, diese Vielzahl der Einzelfragen mit einem einheitlichen Begriff beantworten zu können und damit zur Einheitlichkeit, Transparenz und Überzeugungskraft der Antworten beizutragen. Dieser Aspekt begründet auch die Überlegenheit des erfolgsbezogenen



Teil 1 – D. Zusammenfassung zum deutschen Recht

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Konzepts gegenüber einem handlungsbezogenen oder auch einem gemischt handlungs-/erfolgsbezogenen Obligationsbegriff. Denn ein Obligationsbegriff, der auf die Handlung des Schuldners als konstitutives Element abstellt, vermag zahlreiche Fragestellungen, wie insb. die Verknüpfung mit dem Zwangsvollstreckungsrecht, die Fälle der Drittleistungen, den Umfang der schuldnerischen Einstandspflicht, die Möglichkeit der Teilabtretung, die Konkurrenz zwischen Forderungen aus eigenem und abgetretenem Recht, die Haftung auf das positive Interesse bei anfänglicher Unmöglichkeit oder allgemein den Übergang von sog. Primär- zu Sekundäransprüchen nicht oder nur mit einem erheblichen argumentatorischen Mehraufwand zu bewältigen. Wie dargestellt kann die erfolgsbezogene Obligation diesen Fragestellungen jedoch mit einer klaren und einheitlichen Konzeption begegnen. Bevor die Vorschriften des deutschen Schuldrechts dahingehend untersucht werden, ob und inwiefern sie ggf. die erfolgsbezogene Konzeption der Obligation noch besser hätten aufgreifen können, soll der Blick nun über den Rhein und auf das französische Recht gerichtet werden, um bei einer abschließenden bewertenden Betrachtung beide Rechtsordnungen gegenüberstellen, vergleichen und sogleich auf die Vorteile der jeweils anderen verweisen zu können.

Teil 2

Die obligation als zentraler Begriff des französischen Schuldrechts Da die Ausführungen zur Etymologie wegen desselben römischen Ursprungs entsprechend auch für den französischen Begriff der obligation1 gelten,2 besteht der offensichtlichste Unterschied zwischen Obligation und obligation in der Omnipräsenz des Begriffs in der französischen Rechtsordnung. Allein im Code civil wird die obligation an über 250 Stellen verwendet. Ein weites Verständnis der obligation findet sich in der Literatur, beispielsweise bei H. Mazeaud, der zwischen obligation contractuelle (vertragliche obligation), obligation légale stricto sensu (gesetzlicher obligation im strengen Sinne), obligation délictuelle (deliktischer obligation) bzw. quasi-délictuelle (quasi-deliktischer obligation) und den obligation quasi-contractuelle (quasivertraglicher obligation) differenziert.3 Hingegen zweifelt etwa Jourdain an, ob im außervertraglichen Bereich überhaupt von einer obligation gesprochen werden könne, oder ob nicht vielmehr der Begriff devoir zu verwenden sei.4 Gegen ein strenges Begriffsverständnis lässt sich seit der ordonnance (Verordnung) Nr. 2016-131 vom 10. Feburar 2016 die Gliederung des Code civil anführen, der im „Titre III: Des sources des obligations“ des „Livre III: Des différentes manières dont on acquiert la propriété“ neben dem „Sous-titre Ier: Le Contrat“ auch den „Sous-titre II: La responsabilité extraconctractuelle“ und den „Sous-ti1  Es wird im Folgenden, um die Eigenständigkeit des französischen Obligationsbegriffs hervorzuheben, im Zusammenhang mit der französischen Rechtsordnung die obligation klein geschrieben und kursiv gesetzt (Ausnahme: zusammengesetzte Substantive). 2  Oben Teil 1 A. I. (S. 9 ff.); entsprechend Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 13 Rn. 1 Fn. 1: „ob = en vue de“ (Herv. i. Orig.); vgl. hingegen L.‑F. Pignarre, Les obligations en nature et de somme d’argent en droit privé, 2010, S. 32, der das Präfix „ob“ mit dem Wort „étroit“ übersetzt, weshalb im deutschen von einem „engen Band“ zu sprechen wäre; ebenfalls auf die Intensität abstellend bereits Dumont, Mélanges Meylan, 1963, Bd. 1, S. 77 (78). 3  H. Mazeaud, RTD civ. 1929, 551 (561 f.). 4  Jourdain, D. 1995, 350 (353 re. Sp.) = Anm. zu Cass. Civ., 1re, Urt. v. 17.1.1995: „[…] on se demandera ensuite s’il est encore approprié de parler d’obligation de securité dans les relations extra-contractuelles. Du point de vue de la terminologie, on peut déjà en douter. L’obligation évoque le contrat en dehors duquel il n’existe que des devoirs“ (Herv. i. Orig.); zustimmend Savaux, RTD civ. 1999, 1 (12); ausführlich zur Unterscheidung zwischen obligation und devoir Hage-Chahine, La distinction de l’obligation et du devoir en droit privé, 2017, passim (insb. S. 55 ff. zu den strukturellen Unterschieden und S. 168 ff. zu der sich aus der Rechtsquelle ergebenden Unterscheidung).

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Teil 2 – A. Der Begriff der obligation im franz. Allg. Schuldrecht

tre III: Autres sources d’obligations“ vorsieht und damit die deliktische Haftung genauso wie weitere gesetzliche Tatbestände als Quellen der obligation nennt. Unabhängig davon, wie weit oder eng man den Begriff der obligation verstehen möchte, sei an dieser Stelle erneut5 betont, dass in hiesiger Untersuchung mit obligation stets lediglich die obligation contractuelle (vertragliche obligation) gemeint ist. Eine Vielzahl der Erwägungen, Argumente und ggf. sogar Ergebnisse dürften zwar auf die anderen Typen der obligation übertragbar sein, wobei die genaue Untersuchung dieser Hypothese freilich weiteren Untersuchungen überlassen werden muss. Besteht das Problem der Obligation im deutschen Recht darin, dass fast unmerklich auf Basis unterschiedlicher Begriffsverständnisse gestritten wird,6 lässt sich das Problem der französischen Rechtsordnung mit Rouvières Worten wie folgt zusammenfassen: „L’obligation, notion centrale, n’est pas définie.“7 Die obligation als zentraler Begriff der französischen Rechtsordnung ist nicht definiert. Aus diesem Grund widmet sich der erste Teil dem Begriff der obligation im französischen Allgemeinen Schuldrecht (A.). In einem zweiten Schritt wird das Verhältnis des herausgearbeiteten Obligationsverständnisses zu weiteren zentralen Begriffen des Allgemeinen Schuldrechts geklärt (B.). Zuletzt sollen die Auswirkungen der hiesigen Obligationslehre auf die vertragliche Schadensersatzhaftung untersucht werden (C.).

A.  Der Begriff der obligation im französischen Allgemeinen Schuldrecht Ebenso wie der deutsche Begriff hat die obligation ihren Ursprung im römischen Recht.8 Allerdings betont die französische Rechtsliteratur nunmehr wieder verstärkt die langsame, aber stete Entwicklung, die der obligation seit ihrer Entstehung zugrunde liege.9 Diese Auseinandersetzung mit der Evolution des Obligationsbegriffs soll in der gebotenen Kürze dargestellt werden, um of5 

Oben vor und mit Einleitung Fn. 14 f. Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, 2006, S. 42; oben vor und mit Einleitung Fn. 5. 7  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (2); ebenso Hage-Chahine, LPA 2015, Nr. 219, S. 7 (7), der ausdrücklich die Notwendigkeit einer Definition betont (S. 7 ff.); ferner Fabre-Magnan, RDC 2015, 639 (640 li. Sp.): „une notion abandonnée“; dem Reformgesetzgeber wurde in diesem Zusammenhang zudem vorgeworfen, er würde die Begriffe als etwas Unumstößliches ansehen, was offensichtlich unzutreffend sei, Libchaber, RDC 2015, 634 (634 re. Sp.). 8  Vgl. zur Etymologie bereits oben vor und mit Teil 2 Fn. 2; zu den Details unten unter I. 1. (S. 139 ff.); mit einem prägnanten geschichtlichen Überblick Zenati-Castaing/Revet, Obligations – Régime, 2013, S. 23 ff. Rn. 3. 9  Mit einem umfangreichen Beitrag zur Historie des Begriffs Forest, Essai sur la notion de l’obligation en droit privé, 2012, S. 83 ff., der sich insb. umfassend mit Entstehung und Wandel des Begriffs auseinandersetzt. Ausführlich auch L.‑F. Pignarre, Les obligations en nature et 6 



I.  Die historische Entwicklung des Wesens der obligation

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fenzulegen, auf welcher historischen Grundlage die Debatte über den Begriff der obligation in der französischen Rechtswissenschaft geführt wird. Dabei soll veranschaulicht werden, wie sich größere historische, sozio-ökonomische Veränderungen auf den Begriff der obligation auswirkten. Ein besonderer Schwerpunkt wird dabei auf den moderneren Konzeptionen zur obligation liegen (I.). In einem zweiten Teil soll dargelegt werden, welchen Inhalt und welchen Gegenstand die obligation in den Augen der französischen Rechtswissenschaft hat (II.).10 In einem dritten Schritt werden die vorgestellten Ansätze diskutiert (III.).

I.  Die historische Entwicklung des Wesens der obligation Wird die Entstehung und Entwicklung der obligation aus französischer Sicht historisch betrachtet, lassen sich drei große Entwicklungsphasen feststellen: der Zeitraum der Entstehung der obligation und der ersten Konzepte und Definitionsversuche im römischen Recht soll in einem ersten Schritt untersucht werden (1.). Mit Untergang des römischen Reiches kommt es zu einer Zäsur, die erhebliche Rück-, später jedoch auch Fortschritte in der Zeit des Mittelalters und bis zum Code civil nach sich zieht (2.). Zuletzt sind die Theorien und Konzepte darzustellen, die seit Inkrafttreten des Code civil zum Begriff der obligation entwickelt wurden (3.).

1.  Entstehung und Entwicklung der obligation im römischen Recht Bereits im alten römischen Recht (754 v. Chr. bis etwa 250 v. Chr.) finde sich die Idee der Gebundenheit bzw. Unterwerfung eines Schuldners, ohne dass der Begriff der obligation verwendet würde.11 Angesichts der überschaubaren Anzahl an Rechtsinstituten, die eine solche Bindung des Schuldners hervorbringen konnten, sei ein abstraktes Konzept und erst recht ein abstrakter, eigenständiger Begriff jedoch nicht erforderlich gewesen.12 All diesen Bindungen, gleichgülde somme d’argent en droit privé, 2010, S. 32 ff.; mit einem Überblick zu verschiedenen Konzeptionen der obligation Alvarez, Essai sur la notion d’exécution contractuelle, 2017, S. 53 ff. 10  Wie in Teil 1 A. III. (S. 28 ff.), wird unter Inhalt der obligation dasjenige verstanden, was durch die obligation erzwungen werden soll, vgl. Ziebarth, Die Realexecution und die Obligation, 1866, S. 38. Entsprechend ist mit Gegenstand der obligation dasjenige gemeint, wogegen oder worauf die obligation gerichtet ist, vgl. Teil 1 A. III. (S. 28 ff.) und Ziebarth, ebenda. 11  Cuq, Les institutions juridiques des romains – l’ancien droit, 1891, S. 331 f., 578 ff.; Dumont, Mélanges Meylan, 1963, Bd. 1, S. 77 (insb. 84 f.); Collinet, Répétitions écrites de droit romain des obligations, 1933–1934, S. 14 ff., der daher das Präfix ob mit „autour (du corps)“ übersetzt; Lepointe/Monier, Les obligations en droit romain et dans l’ancien droit français, 1954, S. 16 f., 66 ff.; Villers, Rome et le droit privé, 1977, S. 311; Brégi, Droit romain – Les obligations, 2006, S. 18 ff.; Deroussin, Histoire du droit des obligations, 2007, S. 10; L.‑F. Pignarre, Les obligations en nature et de somme d’argent en droit privé, 2010, S. 35 ff.; Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 83 ff., 88. 12  Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 88 f.; Dumont, Mélanges Meylan, 1963, Bd. 1, S. 77 (86), wonach die erste Definition von Paulus stamme.

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Teil 2 – A. Der Begriff der obligation im franz. Allg. Schuldrecht

tig ob vertraglicher oder gesetzlicher Grundlage, sei jedoch gemein gewesen, dass lediglich der Schuldner in den Blick genommen werde: die Orientierung an der Philosophie Aristoteles’,13 die gesellschaftlichen Implikationen14 und die religiös bedingte formalistische Strenge des alten römischen Rechts15 hätten dazu geführt, dass die schuldnerische Gebundenheit als Angelegenheit des Kollektiv wahrgenommen worden sei.16 Der Gläubiger habe dementsprechend nur eine sehr untergeordnete Rolle gespielt und insbesondere sei die Obligation im römischen Recht zu keiner Zeit als das persönliche Recht des Gläubigers aufgefasst worden.17 Im klassischen römischen Recht (etwa 250 v. Chr. bis etwa 300 n. Chr.) sei es schließlich zu einer Vervielfachung der rechtlichen Verhältnisse gekommen.18 Diese neue Vielfalt rechtlicher Bindungen, deren Gemeinsamkeit in der Verpflichtung des Schuldners liege, habe letztlich zur Entwicklung einer abstrakten Idee der obligation beigetragen.19 Zwar lasse sich der Zeitpunkt der Entstehung eines solchen Konzepts der obligation nicht mehr exakt bestimmen.20 Der Zeitraum der Entstehung müsse jedoch vor Gaius’ Werk „Institute“ (2. Jhd. n. Chr.) 13 

Villey, La formation de la pensée juridique moderne, 2013, S. 103 ff.; ders., Leçons d’histoire de la philosophie du droit, 1962, S. 30 ff., 188; ders., Le droit et les droits de l’homme, 1983, S. 37 ff.; Ellul, Histoire des institutions, Bd. 1–2, 1999, S. 471; Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 99 ff. 14  Wegen der ökonomischen Ungleichheit seien in der Republik grundsätzlich die Patrizier die Gläubiger und die Plebejer die Schuldner gewesen, was zu Revolten und letztlich zum Gesetz Poetelia papiria geführt habe, vgl. Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 95 u. 96. 15  Huvelin, Etudes d’histoire du droit commercial romain, 1929, S. 222 ff., demzufolge die rechtlichen Sanktionen zu jener Zeit gerade nicht dazu dienten, ein Recht des Gläubigers zu realisieren, sondern vielmehr zu gewährleisten, das Gleichgewicht des fas wiederherzustellen. 16  Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 87, 93, 96 f., 98 ff. und weitere; ähnlich Dumont, Mélanges Meylan, 1963, Bd. 1, S. 77 (79), der die seltene Erwähnung des Gläubigers damit begründet, dass der Beitrag des Schuldners, der sich schließlich selbst in Ketten lege, spektakulärer („plus ‚spectaculaire‘“) sei. 17  Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 83, 85, 87, 96 f., 101. 18  Forest, a. a. O., S. 102, 104 ff. 19  Forest, a. a. O., S. 104, 106, 93. Anderen Auffassungen zufolge sei die obligation religiösen Ursprungs, so etwa Rampelberg, Arch. phil. dr. 44 (2000), 51 (54 f.), welcher die sich aus einem religiösen Kontext entwickelte sponsio für die erste echte römische Obligation hält; vgl. auch Huvelin, Etudes d’histoire du droit commercial romain, 1929, S. 219 ff. (insb. 222 ff. 240, 257, 270), der den Ursprung in verschiedenen religiösen oder mythischen Riten sieht; wieder anderen Stimmen zufolge entspringe die obligation dem rechtlichen Zwang der fides (Cuq, Les institutions juridiques des romains, 1891, S. 578 ff.), oder der auf sozialen Gepflogenheiten beruhenden Schenkung mit Gegenleistung (Lepointe/Monier, Les obligations en droit romain et dans l’ancien droit français, 1954, S. 13 f.); Sacco, Arch. phil. dr. 44 (2000), 33 (38 ff.), sieht den Ursprung der obligation in der gemeinsamen Jagd und der darauffolgenden Aufteilung der Beute und damit historisch noch früher und teilweise sogar in der Tierwelt (a. a. O., S. 41: „on n’a pas besoin du langage articulé pour pratiquer [je ne dis pas: pour penser, pour concevoir] un tel embryon d’obligation“). 20  Genauere Aussagen lassen sich lediglich über die Verwendung des Begriffs und eng



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liegen, da dieser den Begriff abstrakt verwende, ohne ihn zu definieren, was darauf schließen lasse, dass Gaius das Konzept der obligation als bekannt voraussetzte.21 Dass Gaius die obligation als immaterielles Gut (chose incorporelle) einordnete, könne als Beginn der Abstraktion des Begriffs aufgefasst werden.22 Zwei Definitionen des Begriffs, eine von Paulus und eine von Modestinus, fänden sich erst einige Zeit später in den Digesten, wobei der Fokus beider Definitionen auf der Bindung des Schuldners liege.23 In der byzantinischen Epoche (etwa 300 n. Chr. bis 600 n. Chr.) sei es zu keinen wesentlichen inhaltlichen Entwicklungen gekommen, stattdessen habe in dieser Zeit die Formalisierung der Erkenntnisse aus der Zeit des klassischen römischen Rechts stattgefunden.24 Insbesondere sei in dieser Zeit in Justi­nians „Institutes“ diejenige Definition niedergeschrieben worden, welche fortan im französischen Rechtssystem eine zentrale Rolle einnehmen sollte:25 „obligatio est juris vinculum, quo necessitate adstringimur alicujus solvendae rei, secundum nostrae civitatis jura“.26 Diese Definition umschreibt Forest als immaterielles Band, aufgrund dessen wir gemäß den Gesetzen unserer Stadt unweigerlich zur Leistung einer Sache gezwungen werden.27 Eine bedeutsame Entwicklung in der byzantinischen Epoche stelle jedoch die neue Möglichkeit zur Verurteilung ad ipsam rem dar: fortan habe vom Schuldner die Herausgabe der Sache und nicht lediglich die Zahlung eines Geldbetrages verlangt werden können und seien entsprechende Verurteilungen durch Beamte des Richters (apparitores) vollstreckt worden.28 Forest sieht darin gar den ersten Schritt hin zum droit personnel, wobei diese Entwicklung wegen der Barbareninvasionen und dem Fall des römischen Reiches nicht weiter verfolgt worden sei.29

2.  Rück- und Fortschritte des Begriffs der obligation von Beginn des Mittelalters bis zum Code civil Die Zeit nach dem Fall des römischen Reiches wird als Rückkehr zu den primitiven Ursprüngen des römischen Rechts wahrgenommen: das Konzept der obligation sei gänzlich verschwunden, was nicht zuletzt daran gelegen habe, verwandter Wörter treffen: Pieri, Arch. phil. dr. 35 (1990), 221 (224 ff.); Cuq, Les institutions juridiques des romains – l’ancien droit, 1891, S. 332, 578 ff.; Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 88, 106. 21  Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 106 f. 22  Forest, a. a. O., S.107. 23  Forest, a. a. O., S. 108 f. 24  Forest, a. a. O., S. 118 f. 25  Forest, a. a. O., S. 119 f. 26  Inst. III, 13 pr. 27  Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 120 ff. 28  Forest, a. a. O., S. 123. 29  Forest, a. a. O., S. 125.

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dass eine Vielzahl der Geschäfte in bar abgewickelt worden sei.30 Erst mit dem wirtschaftlichen Aufschwung des 12. Jahrhunderts sei wieder ein Fortschritt des Rechts wahrnehmbar.31 Zwar habe die Obligation erst zunächst als objektives Band, das dem Schuldner einen Zwang auferlegt, wiederentdeckt werden müssen.32 Daran anschließend fänden sich jedoch Ansätze einiger neuer Ideen, allen voran jene der Formfreiheit und jene der Trennung von obligation und Klage.33 Auch seien im 13. Jahrhundert einige Rückschritte wieder rückgängig gemacht worden, etwa mit der Wiedereinführung der Möglichkeit, in Immobilien zu vollstrecken und mit der Wiederabschaffung von Privatgefängnissen.34 Die Vermengung von kirchlichem und weltlichem Recht habe zwar einerseits dem Gläubiger eröffnet, vor kirchlichen Gerichten die Exkommunikation des Schuldners zu verlangen.35 Andererseits habe das kirchliche Recht mit seinem Verbot der Lüge wesentlich zur Verbreitung der Formfreiheit beigetragen.36 Eine Art Revolution des Begriffs der obligation habe schließlich im 14. Jahrhundert ihren Anfang genommen: während die Rechtswissenschaft bisher versucht habe, das Recht als etwas Objektives durch Beobachtung aus der Wirklichkeit abzuleiten, sei sie in jener Zeit dazu übergegangen, das Individuum in den Mittelpunkt zu stellen und das Recht als das Ergebnis des Willens der Individuen zu betrachten, dessen Ausarbeitung der Autorität eines Gesetzgebers anvertraut werde.37 Das erste, im Wesentlichen auf subjektiven Rechten basierende System sei schließlich im 16. Jahrhundert von Doneau entwickelt worden.38 Es sei nicht zuletzt das von Doneau aus der Trennung von Klage und obligation 30  Giffard/Villers, Droit romain et ancien droit français – Les obligations, 4. Aufl. 1976, S. 13 f.; Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 127. 31  Gazzaniga, Introduction historique au droit des obligations, 1992, S. 47; Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 129. 32  Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 129, 131. 33  Forest, a. a. O., S. 133 ff.; zur Trennung von obligation und Klage auch Boyé, Mélanges Le Bras, 1965, Bd. 2, S. 815 (817). 34  Bart, Histoire du droit privé de la chute de l’Empire romain au XIXe siècle, 2. Aufl. 2009, S. 375 ff.; Viollet, Histoire du droit civil français, 3. Aufl. 1905, S. 638 f. Rn. 593 f.; Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 136 f. 35  Bart, Histoire du droit privé de la chute de l’Empire romain au XIXe siècle, 1998, S. 377; Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 137. 36  Roussier, Le fondement de l’obligation contractuelle dans le droit classique de l’église, 1933, S. 17 f. und S. 28 m. w. Nachw.; Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 138. 37  Zur langsamen Entwicklung des droit subjectif etwa Villey, Leçons d’histoire de la philosophie du droit, 1962, S. 221 ff.; ders., La formation de la pensée juridique moderne, 2013, S. 220 ff. (insb. 233, 240 ff.); Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 142. 38  Eyssell, Doneau – sa vie et ses ouvrages, 1970, S. 242 f.; Thireau, La doctrine civiliste avant le Code civil, in: La doctrine juridique, 1993, S. 13 (46 f.); Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 143 ff., der als weiteres prominentes Beispiel für die zunehmende Subjektivierung des Rechts die Arbeiten Grotius nennt (a. a. O., S. 145 ff.); kritisch



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abgeleitete jus persequendi, aus welchem sich das persönliche Recht des Gläubigers und letztlich die créance entwickelt habe.39 Fortan sei die obligation als Kombination aus Band (lien de droit bzw. vinculum juris) und Forderungsrecht (droit d’exiger bzw. créance) angesehen worden.40

3.  Konzeptionen und Theorien zum Obligationsbegriff seit Inkrafttreten des Code civil Auch nach dem Inkrafttreten des Code civil orientiert sich die Mehrzahl der französischen Autoren an der Definition der Institutiones Iustiniani.41 Dennoch finden sich mehrere voneinander abweichende Konzeptionen zur obligation, je nachdem ob die Autoren den Fokus der Betrachtung auf den Schuldner, den Gläubiger, die Funktion der obligation oder auf ökonomische Aspekte legen.

a)  Die conception objective der obligation Bei der conception objective handele es sich um eine Reaktion auf die extrem handlungsbezogene und daher personalistische Auffassung Savignys, weshalb der Ursprung der conception objective letztlich in Deutschland zu sehen sei.42 Der Ausgangspunkt der conception objective ist die Idee der Minimierung des persönlichen Aspekts der obligation, um diese schließlich zuvörderst als ökonomischen, für den Gläubiger positiven und für den Schuldner negativen Wert zu betrachten.43 Auch wenn die Eigenschaft der obligation, als Band zwischen Schuldner und Gläubiger zu wirken, niemals ganz verschwinde, so sei dieses Band im Laufe der Zeit von dem Wert als zentralem Element der obligation abgelöst worden.44 Die Veränderungen im Vollstreckungsrecht45 hätten dazu zur Bedeutung der Arbeiten Doneaus jedoch Villey, Leçons d’histoire de la philosophie du droit, 1962, S. 243 in Fn. 4. 39  Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 149, der zugleich betont, dass sich diese Entwicklung keineswegs linear und abrupt vollzog, sondern vielmehr die Vorstellung der obligation als Band des Schuldners und die Idee des Rechts des Gläubigers noch lange nebeneinander koexistieren sollten (ebenda, m. w. Nachw.). 40  Pothier, Traité des obligations, 1805, S. 121; Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 152. 41  Mit zahlreichen Nachweisen Pellier, Essai d’une théorie des sûretés personnelles à la lumière de la notion d’obligation, 2012, S. 28 Fn. 150. 42  Lévy-Ullmann, Répétitions écrites de droit civil approfondit, 1927/1928, S. 59 ff., der jedoch auch darauf hinweist, dass es objektive Ansätze bereits bei französischen Autoren und insbesondere bei Saleilles gab (a. a. O., S. 32 ff.); Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 25; zur Auffassung Savignys siehe oben Teil 1 A. III. 1. b) (S. 30 ff.). 43  Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 25; kritisch zu dieser Konzeption Cohet-Cordey, RTD civ. 1996, 819 (831 ff.): „La conception classique de l’obligation est moniste et subjective“. 44  E. Gaudemet, Théorie générale des obligations, 1965, S. 12; vgl. auch Lévy-Ullmann, Répétitions écrites de droit civil approfondit, 1927/1928, S. 32 ff.; Laurent, La propriété des droits, 2012, S. 78 ff.

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geführt, dass nicht mehr der Schuldner als Person hafte, sondern stattdessen sein Vermögen als Pfand für die Forderung des Gläubigers diene.46 Die obligation stelle daher vielmehr ein Band zwischen zwei patrimoines47, welche durch den Gläubiger und den Schuldner repräsentiert würden, dar und weniger ein Band zwischen den Personen selbst.48 In Wirklichkeit komme es dem Gläubiger immer auf das durch die obligation versprochene Resultat an, so dass ihm gleichgültig sein könne, durch welche Person dieses Resultat herbeigeführt werde.49 Abgesehen vom Insolvenzrisiko sei die Person des Schuldners für den Gläubiger uninteressant, weshalb die bestehende obligation auf einen neuen Schuldner übertragen werden könne.50 Es sei demnach nicht erforderlich, in solchen Fällen von der Entstehung einer neuen obligation auszugehen.51 Darüber hinaus spreche auch der Umstand, dass das Recht der obligation im Code civil in dem Abschnitt verortet ist, welcher die Art und Weise, Eigentum zu erwerben, regelt, dafür, dass es sich bei der obligation um ein droit incorporel (immaterielles Recht) und damit um ein bien (Gegenstand) handelt.52 45  Insbesondere sind zu nennen die Abschaffung der Versklavung des Schuldners bspw. durch die Lex Poetelia Papiria de nexis (vgl. Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 95, insb. Fn. 450) und das Verbot der Privatgefängnisse im Jahr 388 n. Chr. (J. Gaudemet, Les institutions de l’Antiquité, 7. Aufl. 2002, S. 496: verboten, aber nicht verschwunden) und erneut im 13. Jahrhundert (Bart, Histoire du droit privé de la chute de l’Empire romain au XIXe siècle, 2. Aufl. 2009, S. 375 f.; Viollet, Histoire du droit civil français, 3. Aufl. 1905, S. 638 Rn. 593). 46  E. Gaudemet, Étude sur le transport de dettes à titre particulier, 1898, S. 30 ff.; die Vollstreckung in die Gegenstände des Schuldners war wohl frühestens ab dem Jahr 118 v. Chr. (d. h. 636 nach der Gründung Roms) möglich: Monier, Manuel élélementaire de droit romain, Bd. 1, 5. Aufl. 1947, S. 171 f. Rn. 135; Girard, Manuel de droit romain, 8. Aufl. 1929, S. 1111 Fn. 4; Prigent, RTD civ. 2008, 401 (408 re. Sp.); zu den volkswirtschaftlichen Voraussetzungen einer Vollstreckung in die Gegenstände des Schuldners Carbonnier, Flexible droit, 10. Aufl. 2014, S. 328. 47  Grundlegend zur herrschenden théorie du patrimoine Aubry/Rau, Cours de droit civil francais d’après la méthode de Zachariae, Bd. 6, 4. Aufl. 1873, S. 229 ff. § 573 ff.; vgl. aus der umfangreichen Literatur zu dieser Theorie etwa Carbonnier, Droit civil, Bd. 2, 1. Aufl. 2004, S. 1514 ff. Rn. 664 ff.; zum Erklärungswert dieser Theorie Cohet-Cordey, RTD civ. 1996, 819 (831 ff.); ferner Zenati, RTD civ. 2003, 667 (passim). 48  E. Gaudemet, Théorie générale des obligations, 1965, S. 13. 49  Saleilles, Étude sur la théorie générale de l’obligation, 1914, S. 74. 50  Saleilles, a. a. O., S. 74. 51  Saleilles, a. a. O., S. 74. Saleilles wendet sich demnach gegen die Konstruktion der novation, wonach bei der Schuldübernahme die obligation des alten Schuldners erlischt und eine neue obligation mit dem neuen Schuldner entsteht; zur novation etwa Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 483 f. Rn. 567 ff.; zur Schuldübernahme im französischen und schweizerischen Recht auch Bolze, Mélanges Flattet, 1985, S. 11 (14 ff.). 52  Zenati-Castaing/Revet, Obligations – Régime, 2013, S. 21 Rn. 2; vgl. auch Laurent, La propriété des droits, 2012, passim und insb. S. 79; sofern Zenati-Castaing/Revet annehmen (a. a. O., S. 19), dass das Band der obligation zunächst ein physisches gewesen sei und sich erst mit der Möglichkeit des Gläubigers, auf die Sachen des Schuldners zuzugreifen, zu einem rechtlichen Band entmaterialisiert habe (ebenso etwa Prigent, RTD civ. 2008, 401 [401]), erscheint dies zumindest dann nicht belegbar, wenn angenommen wird, dass Gaius einer der ers-



I.  Die historische Entwicklung des Wesens der obligation

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b)  Die conception dualiste der obligation Wie die conception objective findet auch die conception dualiste ihren Ursprung letztlich in der deutschen Rechtswissenschaft.53 Aufbauend auf den Arbeiten der Autoren von Amira54 und von Gierke55 entwickelte sich auch im französischsprachigen Raum die Ansicht, wonach es zwischen devoir (Schuld) und responsabilité (Haftung) zu unterscheiden gelte.56 Die obligation sei eine Kombination, so die Anhänger der théorie dualiste, aus dem Element der Schuld (devoir, debitum), d. h. dem Verhältnis zwischen créance und dette, und dem Element der Haftung (engagement), d. h. dem Verhältnis zwischen contrainte (Zwang) und responsabilité (hier: Verantwortlichkeit).57 Nicht abschließend geklärt scheint unter den Vertretern dieser Auffassung die Frage, ob die beiden Elemente unabhängig voneinander bestehen können.58 Das Element der Schuld ten war, der den Begriff verwendete, da dieser die obligation bereits als immateriellen Gegenstand betrachtete (vgl. Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 106 f.; ebenso Laurent, La propriété des droits, 2012, S. 78: „jus incorporale“). 53  Pelet, La théorie dualiste de l’obligation et son application au droit suisse, 1937, S. 15; Prigent, RTD civ. 2008, 401 (401 ff.); Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 37; Zenati-Castaing/Revet, Obligations – Régime, 2013, S. 19 Rn. 1. 54  v. Amira, Nordgermanisches Obligationenrecht, Bd. 1, 1882, S. 22 ff., Bd. 2, 1895, S. 45; ders., Grundriss des germanischen Rechts, 3. Aufl. 1913, S. 211 ff. 55  v. Gierke, Schuld und Haftung im älteren deutschen Recht, 1910, passim; ders., Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 8 ff. 56  Popa, Les notions de debitum (Schuld) et d’obligatio (Haftung) et leur application en droit francais moderne, 1935, S. 285 ff.; Pelet, La théorie dualiste de l’obligation et son application au droit suisse, 1937, S. 71 ff.; Comparato, Essai d’analyse dualiste de l’obligation en droit privé, 1964, S. 168 ff.; tatsächlich könnte die conception dualiste jedoch auch ohne Weiteres auf Arbeiten wie die von Hartmann, Die Obligation, 1875 (dazu oben unter Teil 1 A. II. 3. [S. 19 ff.]) zurückgeführt werden, sofern man dessen Bekommensollen als Schuld und die Macht über das schuldnerische Vermögen als Haftung begreift. 57  Mit dieser Terminologie zum französischen Recht etwa Comparato, Essai d’analyse dualiste de l’obligation, 1964, S. 19, der hinsichtlich der Schuld zwischen der devoir général (als der vom Gesetz oder der Amtsgewalt im Allgemeininteresse allen Bürgern auferlegten Schuld) und der devoir spécial (als der Schuld zwischen zwei bestimmten Personen) unterscheidet (a. a. O., S. 25); kritisch zu dieser Rezeption von Schuld und Haftung Rémy, RDT civ. 1997, 323 (325) Fn. 8, der eine unzweckmäßige Übersetzung („traduction impropre“) von Schuld und Haftung als eine mögliche Ursache für die seines Erachtens bedauerliche Entwicklung der modernen „responsabilité contractuelle“ nennt; für die Terminologie Comparatos hingegen Prigent, RTD civ. 2008, 401, (402 f. u. 408), der die Verwendung der Begriffe devoir und engagement für Schuld bzw. Haftung für vorzugswürdig hält; mit einer abweichenden Terminologie Popa, Les notions de debitum (Schuld) et d’obligatio (Haftung) et leur application en droit francais moderne, 1935, S. 292 ff., der die beiden Bestandteile der conception dualiste der obligation als dette und responsabilité bezeichnet; ebenso Pelet, La théorie dualiste de l’obligation et son application au droit suisse, 1937, S. 71 ff.; zur Mehrdeutigkeit des Begriffs engagement etwa Cornu, Vocabulaire juridique, 11. Aufl. 2016, engagement; zum Zweck der responsabilité zudem unten unter C. (S. 213 ff.). 58  Comparato, Essai d’analyse dualiste de l’obligation, 1964, S. 13; für eine Unabhängigkeit etwa v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, S. 26 ff.; ders., Schuld und Haftung im älteren deutschen Recht, 1910, S. 98 ff.; v. Amira, Nordgermanisches Obligationenrecht, Bd. 1, 1882,

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erfasse ein Leistensollen und ein Bekommensollen.59 Zwar sei das Leisten- und Bekommensollen infolge des Vertragsschlusses mit Rechtswirkung auferlegt, allerdings gewähre das Element der Schuld dem Gläubiger keinerlei Macht zur Durchsetzung.60 Eine gewisse Macht gewähre allein das Element der Haftung, welches dem Gläubiger eine Beschlagnahme bzw. Aneignung als Ersatz für die geschuldete und nicht erbrachte Leistung gewähre.61 Das Element der Haftung habe historisch gesehen zunächst aus einer absoluten Unterwerfung unter den Willen des Gläubigers bestanden und sich über eine Art Pfand zu einer bedingten Haftung entwickelt, die erst greifen solle, wenn das Ausbleiben des vorgesehenen Ereignisses feststehe.62 Die théorie dualiste sei in Frankreich, anders als in Deutschland oder Italien, zwar erst seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts Gegenstand einer Debatte, dennoch gebe es zahlreiche Werke, denen diese duale Konzeption der obligation zumindest implizit zu Grunde liege.63

c)  Créance und dette als zwei Seiten der obligation – die définition classique Einen, zumindest auf den ersten Blick, gewissermaßen diametralen Ansatz zur conception dualiste verfolgt die Ansicht, wonach es sich bei créance und dette um die zwei Seiten der obligation handeln soll. Diese Auffassung versucht, die Erkenntnisse und Ansichten des römischen Rechts mit dem Konzept des subjektiven Rechts in Einklang zu bringen.64 Der Zweck dieser Auffassung ist demnach, die obligation als lien de droit (Rechtsverhältnis bzw. Band) mit der obligation als Entstehungsgrund des subjektiven Forderungsrechts des Gläubigers in Einklang zu bringen – und dabei die im röS. 39 ff.; zum Schweizer Recht und gegen ein unabhängiges Bestehen der Schuld Pelet, La théorie dualiste de l’obligation et son application au droit suisse, 1937, S. 292. 59  Popa, Les notions de debitum (Schuld) et d’obligatio (Haftung) et leur application en droit francais moderne, 1935, S. 295; Pelet, La théorie dualiste de l’obligation et son application au droit suisse, 1937, S. 76 ff.; Comparato, Essai d’analyse dualiste de l’obligation, 1964, S. 12. 60  Popa, Les notions de debitum (Schuld) et d’obligatio (Haftung) et leur application en droit francais moderne, 1935, S. 295 f.; Pelet, La théorie dualiste de l’obligation et son application au droit suisse, 1937, S. 76 ff.; Comparato, Essai d’analyse dualiste de l’obligation, 1964, S. 12. 61  Popa, Les notions de debitum (Schuld) et d’obligatio (Haftung) et leur application en droit francais moderne, 1935, S. 297 ff.; Pelet, La théorie dualiste de l’obligation et son application au droit suisse, 1937, S. 91 u. 97. 62  Comparato, Essai d’analyse dualiste de l’obligation, 1964, S. 13; v. Gierke, Schuld und Haftung im älteren deutschen Recht, 1910, S. 22 ff., 50 ff., 77 ff.; ausführlich auch v. Amira, Nordgermanisches Obligationenrecht, Bd. 1, 1882, S. 160 ff. 63  Comparato, Essai d’analyse dualiste de l’obligation, 1964, S. 18; ferner Terré/Simler/ Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 2 Rn. 2, wo die conception dualiste als eine anaylse classique bezeichnet wird. 64  Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 159.



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mischen Recht postulierte Einheit und Unteilbarkeit der obligation zu wahren.65 Diese Ansicht geht auf Toullier zurück, der zwar sehr wohl zwischen lien und droit differenzierte, zugleich jedoch betonte, dass es sich bei diesen um die beiden Korrelate der Obligation handele, die nur gemeinsam existieren könnten.66 Aus dieser Überlegung heraus entstand im nächsten Schritt die Idee der zweiseitigen Medaille: es handele sich bei der obligation um ein einziges Konstrukt der Rechtswissenschaft, welches jedoch einerseits aus der Sicht des Gläubigers und damit als subjektives Recht und andererseits aus der Sicht des Schuldners und damit als Band betrachtet werden könne.67 Die derzeit wohl herrschende Literatur68 nähert sich dem Begriff der obligation ausgehend von der Unterscheidung zwischen droit réel, als Recht über eine Sache, und droit personnel, als Recht gegenüber einer anderen Person. Für Carbonnier etwa beschreibt das droit de créance die aktive Seite des droit personnel und die obligation dessen passive Seite.69 Das droit de créance wiederum sei die juristische Machtbefugnis, die es einer Person erlaube, von einer anderen Person eine Leistung zu fordern, die in einem Geben, einem Tun oder einem Unterlassen bestehen könne.70 Entsprechend sei die obligation das Rechtsverhältnis, aufgrund dessen der Schuldner – unter der Gewähr und Kontrolle des Staates – gezwungen sei, dem Gläubiger eine Leistung zu erbringen.71 Das droit personnel erscheine demnach als eine gewisse Gebundenheit einer Person an eine andere Person.72 Allerdings gelte es zu beachten, dass nicht die Person selbst gebunden werde, sondern ihr Vermögen – und zwar selbst dann, wenn der Schuldner eine persönliche Handlung versprochen habe.73 Denn im Falle einer inexécution (Nichterfüllung) werde letztlich immer eine Geldsum65 Vgl. Aubry/Rau, Cours de droit civil français d’après la méthode de Zachariae, Bd. 4, 4. Aufl. 1871, § 296, S. 2 f.; Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 159. 66  Toullier, Le droit civil français, suivant l’ordre du code, Bd. 6, 4. Aufl. 1824, S. 8 Rn. 11. 67  Baudry-Lacantinerie/Barde, Traité théorique et pratique de droit civil – Des obligations, Bd. 1, 3. Aufl. 1906, S. 2 Rn. 2; Beudant, Cours de droit civil français, Bd. 8, 2. Aufl. 1936, S. 2 Rn. 2. 68 Anstatt vieler Carbonnier, Droit civil, Bd. 2, 1. Aufl. 2004, S. 1579 ff. Rn. 700 ff.; vgl. auch Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 23 Rn. 2; a. a. O. wird die Unterscheidung zwischen Recht über eine Sache und Recht gegenüber einer Person durch die Verwendung entsprechender Präpositionen deutlich („droit sur un bien“ und „droit à l’encontre du débiteur“, Herv. d. Verf.). 69  Carbonnier, Droit civil, Bd. 2, 1. Aufl. 2004, S. 1581 Rn. 701; darin ist eine Fortentwicklung der Terminologie zu erkennen, vgl. Aubry/Rau, Cours de droit civil français d’après la méthode de Zachariae, Bd. 4, 4. Aufl. 1871, § 296, S. 2 f., welche die dette als Synonym zur obligation und die créance als Synonym zum droit personnel auffassten. 70  Carbonnier, Droit civil, Bd. 2, 1. Aufl. 2004, S. 1581 Rn. 701; wobei zu beachten ist, dass die Trias aus Geben, Tun und Unterlassen des Art. 1101 C. civ. a. F. mit der ordonnance Nr. 2016-131 vom 10.2.2016 ihre gesetzliche Verankerung verloren hat, vgl. Art. 1101 C. civ. n. F. 71  Carbonnier, Droit civil, Bd. 2, 1. Aufl. 2004, S. 1581 Rn. 701. 72  Carbonnier, a. a. O., S. 1581 Rn. 701. 73  Carbonnier, a. a. O., S. 1581 Rn. 701.

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me als Schadensersatz geschuldet.74 Auch ergebe sich die Haftung des Schuldners mit seinem gesamten Vermögen aus Art. 2092, 2093 C. civ. a. F. (Art. 2284, 2285 C. civ. n. F.).75 Im Unterschied zu Carbonnier sieht der überwiegende Teil der französischen Literatur nicht in der obligation die passive Seite eines droit personnel, sondern begreift die obligation als eine spezielle Erscheinungsform des droit personnel.76 Die obligation habe demnach zwei Aspekte, die créance (Forderung) als Aktivum des Gläubigers und die dette (Schuld) als Passivum des Schuldners.77 Darüber hinaus habe die obligation einen caractère patrimonial,78 sei also in erster Linie auf die Erfüllung der ökonomischen Interessen des Gläubigers gerichtet.79 Schließlich habe die obligation einen verpflichtenden bzw. zwingenden Charakter, da sie erfüllt werden müsse und andernfalls die Sanktionen des Zivilrechts und des Zwangsvollstreckungsrechts griffen.80 Folgt man der herrschenden Literatur ist die obligation ein Rechtsverhältnis, welches den Gläubiger zur Geltendmachung einer créance berechtigt und den Schuldner zur Erfüllung einer dette verpflichtet. Die Begriffe obligation, dette und créance beschreiben nach dieser Auffassung dieselbe Situation, jedoch aus verschiedenen Blickwinkeln.81

d)  Die conception néoclassique Die conception néoclassique wurde von Forest begründet, welcher seine Auffassung selbst als neoklassizistisch bezeichnet, da er sich der Elemente der klassischen Definition bediene und diese lediglich einer umfassenderen Analyse un74  Carbonnier, a. a. O., S. 1581 Rn. 701: auch hier ist die Argumentation teilweise überholt, wurde Art. 1142 C. civ. a. F. doch durch Art. 1217 C. civ. n. F. ersetzt, dessen Abs. 1 den Schadensersatz nur mehr als eine von fünf möglichen Rechtsfolgen der inexécution vorsieht. Letztlich ist Carbonnier dennoch zuzustimmen, denn bleibt die Naturalerfüllung aus, eröffnet Art. 1217 Abs. 2 C. civ. n. F. dem Gläubiger die grundsätzliche Möglichkeit, die Rechtsbehelfe mit dem des Schadensersatzes zu kombinieren. 75  Carbonnier, a. a. O., S. 1581 f. Rn. 701. 76  Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 23 Rn. 1 f.; Terré/Simler/Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 2 f. Rn. 3; in diese Richtung, wenn auch nicht ausdrücklich von droit personnel sprechend Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 13 Rn. 1; vgl. zudem Laurent, La propriété des droits, 2012, S. 79, mit einer gewissen Annäherung an die herrschende Meinung. 77  Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 23 Rn. 1 f.; Malaurie/Aynès/StoffelMunck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 13 Rn. 1. 78 Zur théorie du patrimoine vgl. die Nachweise in Teil 2 Fn. 47. 79  Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 24 Rn. 2; Terré/Simler/Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 3 f. Rn. 4; vgl. Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 13 Rn. 1; mit der Betonung des wirtschaftlichen Zwecks auch Faure-Abbad, Le fait générateur de la responsabilité contractuelle, 2003, S. 8, 17, 21, 28 f. u. weitere. 80  Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 24 Rn. 2: „caractère contraignant“; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 13 Rn. 1. 81  Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 167.



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terziehe.82 Forest zufolge bestehe die obligation aus den Elementen dette und créance, diese stellten jedoch gerade nicht zwei Seiten einer Medaille dar, da sich die Rechtsnatur des einen Elements eklatant von der des anderen Elements unterscheide.83 Andererseits seien dette und créance untrennbar miteinander verknüpft, weshalb die obligation nur bei Vorliegen beider Elemente bestehe, so dass nicht von einer dualistischen Konzeption, sondern von einem binären System zu sprechen sei.84 Unter dem Begriff dette versteht Forest eine Regelung des objektiven Rechts, die dem Schuldner ein bestimmtes Verhalten vorschreibe.85 Dieser Ansicht liegt die Auffassung zugrunde, dass eine Rechtsordnung ein geschlossenes System aus einer endlichen Zahl an Rechtssubjekten und Rechtsobjekten sei.86 Die Aufgabe der dette, so wie ganz generell aller devoirs (Pflichten), sei es, die subjektiven Rechte der Rechtssubjekte zu schützen und auf diese Weise das Gleichgewicht innerhalb der Rechtsordnung zu garantieren.87 Allerdings verschaffe ein devoir, und damit die dette, dem Gläubiger an sich noch kein Recht – ein solches könne erst mit Verletzung des devoir entstehen.88 Dabei handele es sich bei der dette um eine spezielle Pflicht (devoir spécial), da sich diese, anders als beispielsweise das Rechtsfahrgebot, letztlich allein an den Schuldner richte.89 Das Beispiel der Steuerschuld, bei der es ebenfalls kein subjektives Recht gebe, belege zudem, dass eine Pflicht unabhängig von einem subjektiven Recht bestehen könne, weshalb die dette grundsätzlich als von der créance unabhängig anzusehen sei.90 Während die dette demnach begründe, weshalb der Schuldner erfüllen müsse und gleichzeitig den Rechtfertigungsgrund für die Maßnahmen der Zwangsvollstreckung darstelle, gehe es bei der créance um die Frage, weshalb der Gläubiger die Vollstreckung verlangen und letztlich die Leistung bekommen solle.91 Das droit de recevoir (Recht, die Leistung zu erhalten) stelle den zentralen Aspekt der créance dar.92 Es beinhalte die dem subjektiven Recht typischen Elemente des Interesses und des Willens des Gläubigers, die letztlich die Dispositionsbefugnis des Gläubigers über die créance rechtfertigten.93 Das droit de recevoir sei darüber hinaus der Grund, weshalb die obligation Dritten entgegengehalten werden könne und ggf. zu einem deliktischen Schadensersatzanspruch 82 

Forest, a. a. O., S. 171, 229. Forest, a. a. O., S. 170, 173 ff. Forest, a. a. O., S. 170 f. 85  Forest, a. a. O., S. 175 f. 86  Forest, a. a. O., S. 176. 87  Forest, a. a. O., S. 176 f. m. w. Nachw. 88  Forest, a. a. O., S. 179 f. 89  Forest, a. a. O., S. 181 ff. 90  Forest, a. a. O., S. 185 ff. 91  Forest, a. a. O., S. 192 f. 92  Forest, a. a. O., S. 196. 93  Forest, a. a. O., S. 196. 83  84 

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berechtige: während die dette lediglich den Schuldner verpflichte und der Dritte deswegen nicht gegen diese Vorschrift verstoßen könne, verletze der Dritte, wenn er den Schuldner an der Vertragserfüllung hindere, das subjektive Recht des Gläubigers und damit die allgemeine Pflicht, andere nicht zu schädigen.94 Daneben enthalte die créance noch das droit d’exiger (Recht, die Leistung zu verlangen), welches dem Gläubiger jedoch lediglich die Möglichkeit einräume, beim Staat die Ausübung von Zwangsmaßnahmen gegen den Schuldner zu verlangen.95 Das Gegenüber dieses Rechtes sei folglich nicht der Schuldner, sondern der Staat, wobei hervorzuheben sei, dass das droit d’exiger lediglich zur Initiative berechtige, da der Staat selbst entscheide, ob er Zwangsmaßnahmen tatsächlich anwende.96 Zusammengefasst sei die obligation also ein auf die Erfüllung einer Verhaltensvorschrift gerichtetes subjektives Recht.97

e)  Die obligation tripartite Einer anderen Auffassung zufolge bestehe die obligation aus drei Teilen, namentlich dem Band zwischen Gläubiger und Schuldner, der geschuldeten Leistung und der Gegenleistung im weiteren Sinne.98 Die obligation sei demnach ein Band zwischen Gläubiger und Schuldner, aufgrund dessen der Gläubiger vom Schuldner die Erfüllung einer Leistung verlangen könne, welche durch eine Gegenleistung begründet worden sei, die generell in der Verarmung des Gläubigers liege.99 Der folgenden Darstellung dieser Ansicht sei voran gestellt, dass – wie bereits an anderer Stelle betont wurde – die Herleitung dieser Auffassung bedauerlicherweise nicht in der erforderlichen Ausführlichkeit vorgenommen wurde, weshalb Missverständnisse und Unklarheiten in der Wiedergabe geradezu unvermeidlich erscheinen.100 Während die conception moniste des römischen Rechts, indem sie allein auf den Schuldner abstelle, die Sicht und folglich das Recht des Gläubigers vernachlässige,101 müsse die conception dualiste aus zwei Gründen abgelehnt wer94  95 

Forest, a. a. O., S. 196. Forest, a. a. O., S. 197. 96  Forest, a. a. O., S. 200; vgl. auch Grimonprez, De l’exigibilité en droit des contrats, 2006, S. 4: „l’exigibilité se borne au droit d’exiger sans présager de l’obtention du résultat espéré“. 97  Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 209: „l’obligation est le droit subjectif à l’exécution d’une norme de comportement“. 98  Pellier, Essai d’une théorie des sûretés personnelles à la lumière de la notion d’obligation, 2012, S. 38. 99  Pellier, a. a. O., S. 38: „[l’obligation] est un lien entre un créancier et un débiteur, en vertu duquel le premier peut exiger du second l’exécution d’une prestation causée par une contrepartie qui consiste, de manière générale, dans l’appauvrissement du créancier.“ 100 Vgl. Barthez, RTD civ. 2013, 724 (726). 101  Pellier, Essai d’une théorie des sûretés personnelles à la lumière de la notion d’obligation, 2012, S. 29 f.



I.  Die historische Entwicklung des Wesens der obligation

151

den: Zum einen wegen ihrer methodischen Schwäche, die darin bestehe, die obligation des römischen Rechts mit einem Konzept erklären zu wollen, welches erst im 19. Jahrhundert entwickelt worden sei.102 Zum anderen sei schwer vorstellbar, dass die obligation in Einzelfällen ausschließlich aus dem Element der Schuld oder der Haftung bestehe, weshalb diese Komponenten gerade nicht voneinander getrennt werden könnten.103 Beide Konzeptionen vernachlässigten darüber hinaus jedoch die cause104 und damit einen zentralen Aspekt des französischen Leistungsstörungsrechts.105 Gem. den Art. 1108, 1131 C. civ. a. F. sei schließlich eine obligation ohne cause oder mit einer cause fausse oder einer cause illicite unwirksam.106 Allerdings könne man mit einem streng materiellen Verständnis des Begriffs cause jeder obligation eine cause zuordnen, die in der entsprechenden, sozusagen umgekehrten Bereicherung des Schuldners auf Kosten des Gläubigers bestehe.107 Pellier betont damit den Gedanken der Reziprozität.108 Die Essenz der obligation bestehe folglich darin, das Gleichgewicht zwischen dem patrimoine des Schuldners und jenem des Gläubigers wiederherzustellen, nachdem das Gleichgewicht durch den gewillkürten Transfer eines Bestandteils aus dem patrimoine des Schuldners in das patrimoine des Gläubigers verletzt oder zumindest gefährdet wurde.109 Mit anderen Worten: die obligation solle sicherstellen, dass das jeweilige tatsächliche Vermögen von Schuldner und Gläubiger mit der vertraglich beabsichtigten Verteilung übereinstimme, d. h. diejenigen Positionen aufweise, die es angesichts des Vertrages haben solle. Die cause verhalte sich demnach zur obligation wie das Eigentumsrecht zur Sache, da es letztlich dessen Fundament bilde.110 102  Pellier, a. a. O., S. 32; so bereits Macqueron, Précis des obligations en droit romain, 1962, S. 8; ferner Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 63 ff.; a. A.  Cornil, Mélanges Girard, 1912, Bd. 1, S. 199 (passim). 103  Pellier, Essai d’une théorie des sûretés personnelles à la lumière de la notion d’obligation, 2012, S. 32; zur Unteilbarkeit der obligation im römischen Recht Macqueron, Précis des obligations en droit romain, 1962, S. 8; mit weiteren Argumenten gegen die conception dualiste Mignot, Les obligations solidaires et les obligations in solidum en droit privé français, 2002, S. 111 ff.; Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 74 ff. 104 Aus der nahezu unüberschaubaren Literatur etwa Colin/Capitant, Traité de droit civil – Obligations, Bd. 2, 7. Aufl. 1932, S. 53 ff. Rn. 57 ff.; ausführlich Fages, Droit des obligations, 4. Aufl. 2013, S. 133 ff. Rn. 159 ff.; mit einem Überblick ders., Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 146 f. Rn. 153; prägnant zur Unterscheidung cause objective und cause subjective Alvarez, Essai sur la notion d’exécution contractuelle, 2017, S. 69 ff.; allgemein zur cause und ihre Bedeutung für das Verständnis des neuen französischen Schuldrechts Terré/ Simler/Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 439 ff. Rn. 395 ff. 105  Pellier, Essai d’une théorie des sûretés personnelles à la lumière de la notion d’obligation, 2012, S. 34. 106  Pellier, a. a. O., S. 34. 107  Pellier, a. a. O., S. 36. 108  Pellier, a. a. O., S. 36 m. w. Nachw. 109  Pellier, a. a. O., S. 36; vgl. bereits Louis-Lucas, Volonté et cause, 1918, S. 4. 110  Pellier, Essai d’une théorie des sûretés personnelles à la lumière de la notion d’obliga-

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Teil 2 – A. Der Begriff der obligation im franz. Allg. Schuldrecht

Die cause der obligation sei bei einem synallagmatischen Vertrag die Gegenleistung und bei einem Realvertrag die Aushändigung der Sache, während unentgeltliche Verträge von dieser Konzeption nicht erfassbar seien.111

f)  Die obligation als Garantie Einen anderen Ansatz wählt Rouvière, der zunächst bemängelt, dass die gängigen Definitionen der obligation keine rechtliche Qualifizierung zuließen, und damit keine Antwort auf die Frage, ob das allgemeine Recht der obligation überhaupt Anwendung finde.112 Um sich einzelnen Fragen des allgemeinen Obligationenrechts zu nähern, wie etwa der Frage nach der (Un-) Zulässigkeit der cession de dette, und zugleich den Sinn und Zweck dieses Obligationenrechts freizulegen, sei erforderlich, sich die Funktion der obligation vor Augen zu führen.113 Rouvière zufolge bestehe die Funktion der obligation darin, sicherzustellen, dass der Gläubiger Befriedigung erfahre, weshalb es sich bei der obligation letztlich um eine Garantie im weiteren Sinne handele.114 Denn eine Garantie im weiteren Sinne sei nichts anderes als ein Mechanismus, der eine Person vor einem finanziellen Verlust bewahren solle.115 Der Unterschied zu den Sicherungsmitteln (sûretés) bestehe darin, dass diese lediglich zusätzliche Rechte neben dem Hauptrecht gewährten, während, wie sich aus den Art. 2284, 2285 C. civ. ergebe, bereits das Hauptrecht das Vermögen des Schuldners als allgemeines Pfand (gage commun) binde.116 Die obligation sei also nicht selbst Sicherungsmittel, diene diesen jedoch als konzeptioneller Ausgangspunkt.117 tion, 2012, S. 36 m. w. Nachw.; es erscheint angezeigt, an dieser Stelle hervorzuheben, dass sich Pellier eine Definition der Sache zu eigen macht, wonach das bien ein Gegenstand sei, der angeeignet wurde und pfändbar ist („définissant le bien comme une chose appropriée et saisissable“). 111  Pellier, a. a. O., S. 37. 112  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (1 f.); zu den Anforderungen an eine Definition und dem Verhältnis zwischen Definition und juristischem Konzept Bergel, Méthodologie juridique, 3. Aufl. 2018, S. 111 ff. 113  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (2). 114  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (2); zustimmend Zenati-Castaing/Revet, Obligations – Régime, 2013, S. 19 Rn. 1, S. 22 Rn. 2; vgl. auch Faure-Abbad, Le fait générateur de la responsabilité contractuelle, 2003, S. 17, 21, 28 f. u. weitere. 115  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (2); ebenso Cornu, Vocabulaire juridique, 11. Aufl. 2016, garantie unter I. 1. 116  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (3), der jedoch hinzufügt, dass die obligation kein Pfandrecht im technischen Sinne, d. h. im Sinne der Art. 2333 ff. C. civ. darstelle, da sie nicht auf eine bestimmte Sache bzw. eine bestimmte Sachgemeinschaft, sondern das gesamte Vermögen gerichtet sei und auch kein Privileg gegenüber den anderen Gläubigern des Schuldners verschaffe. 117  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (3).



I.  Die historische Entwicklung des Wesens der obligation

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Der Zweck der obligation bestehe demnach in ihrem durch Erfüllung herbeigeführten Erlöschen.118 Insofern fänden sich die drei üblichen Bestandteile der obligation (dette, créance, lien) wieder, da die dette als passiver Aspekt das gebundene Vermögen umschreibe, die créance als aktiver Aspekt den Inhalt der obligation darstelle und der lien als die Garantie die beiden anderen Bestandteile dette und créance zu einer Einheit verbinde.119 Entgegen einer älteren Auffassung,120 wonach jede obligation einen gewissen höchstpersönlichen Charakter habe, ergibt sich für Rouvière das generelle Verbot der cession de dette aus der Funktion der dette, das gesamte Vermögen des Schuldners als Haftungsmasse zu erfassen.121 Da eine cession de dette unweigerlich eine Veränderung der Garantie des Gläubigers mit sich führe, verändere die cession de dette die Reichweite der Rechte des Gläubigers, was wiederum ganz grundsätzlich nicht ohne seine Zustimmung erfolgen könne.122 Insofern sei es bereits unsinnig, von einer „cession de dette“ zu sprechen, weil die dette als Sinnbild der Haftungsmasse nicht übertragen werden könne, sondern vielmehr ausgewechselt werde.123 Hieraus ergebe sich eine Asymmetrie zwischen der cession de dette und der cession de créance, da bei der cession de créance die aus Gegenstand und Haftungsmasse bestehende obligation identisch bleibe, während sie sich bei der cession de dette aus dem beschriebenen Grunde notwendigerweise verändere.124 Dieses Ergebnis finde Bestätigung im Erbrecht, wo die Vermögensmasse des Erblassers über dessen Tod hinaus gemäß Art. 815-17 Abs. 1 C. civ. weiterhin als Haftungsmasse für die Gläubiger des Erben diene.125 Entsprechendes gelte für Art. 1844-8 Abs. 3 C. civ., der das Fortbestehen einer juristischen Person zum Zwecke der Vermögensabwicklung fingiere und so die Haftungsmasse für die Gläubiger der juristischen Person sichere.126 Darüber hinaus finde sich im Erbrecht noch die Besonderheit des Art. 878 Abs. 1 C. civ., der den Gläubigern des Erblassers auch über die Erbauseinandersetzung hinaus ihre Garantie erhalte,127 indem er es den Gläubigern des Erblassers selbst nach der Erbauseinandersetzung ermögliche, bezüglich des aus dem Nachlass stammenden Vermögensteils des Erben gegenüber dessen Gläubigern bevorzugt Erfüllung zu verlangen.

118 

Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (4).

119  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (4 f.). 120  Cass. Civ., Urt. v. 12.3.1946 = D. 1946,

268 (268): es könne nicht vermutet werden, dass die Person des Schuldners einer obligation dem Gläubiger gleichgültig wäre. 121  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (5). 122  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (5 f.). 123  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (8). 124  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (8). 125  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (9). 126  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (9 re. Sp.). 127  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (9 f.).

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Teil 2 – A. Der Begriff der obligation im franz. Allg. Schuldrecht

Die Eigenschaft der obligation, eine Garantie für den Gläubiger darzustellen, sei schließlich der Grund, weshalb dem Gläubiger erlaubt werde, den Bestand des schuldnerischen Vermögens zu sichern.128 Zwar behalte der Schuldner grundsätzlich die Verfügungsgewalt über sein Vermögen, allerdings finde diese Freiheit ihre Grenzen, sobald die Verfügungen des Schuldners dem Gläubiger schaden.129 So schütze die action paulienne130 gem. Art. 1341-2 C. civ. den Gläubiger vor Rechtsakten, die der Schuldner in schädigender Absicht vorgenommen hat, indem dem Schuldner und dem Dritten versagt wird, sich gegenüber dem Gläubiger auf diesen Rechtsakt zu berufen.131 Die Funktion der action paulienne liege folglich darin, die Haftungsmasse für den Gläubiger in der Form wiederherzustellen, wie sie vor der vorsätzlichen Benachteiligung bestand.132 Ebenso wie die action paulienne dienten auch die opposition au partage i. S. d. Art. 882 C. civ.133 und die saisie conservatoire (Sicherungsbeschlagnahme) i. S. d. Art. L. 521-1 ff. CPCE134 dazu, dem Gläubiger die schuldnerische Haftungsmasse zu erhalten bzw. unredliche Veränderungen der Haftungsmasse zu verhindern. Noch weiter gehe die action oblique i. S. d. Art. 1341-1 C. civ.,135 die sogar der Erweiterung der Haftungsmasse diene, indem sie es dem Gläubiger erlaube, im eigenen Namen für den Schuldner dessen Forderungen einzutreiben.136 Dies könne jedoch nur gerechtfertigt sein, wenn die Haftungsmasse des Schuldners unzureichend erscheine und die obligation des Gläubigers bereits fällig sei, da nur dann davon ausgegangen werden dürfe, dass die Haftungsmas128  129 

Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (10). Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (10 re. Sp.). 130  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (10 ff.); allgemein zur action paulienne etwa Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 453 ff. Rn. 530 ff.; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 667 ff. Rn. 1141 ff. 131  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (10 re. Sp.). 132  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (10 f.); zeitlich überholt ist indes das systematische Argument Rouvières, die relative Wirkung der action paulienne ergebe sich unmittelbar aus der Relativität der obligation (a. a. O., S. 11 li. Sp.), da die action paulienne nicht mehr in Art. 1167 C. civ. geregelt und auch die Relativität der obligation nicht mehr in Art. 1165 C. civ. normiert ist, sondern seit Inkrafttreten der ordonnance Nr. 2016-131 vom 10.2.2016 die Art. 1199 ff. C. civ. lediglich noch die Relativität des Vertrags vorsehen. 133  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (13 li. Sp.). Gem. Art. 882 C. civ. ermöglicht die opposition au partage den Gläubigern eines Erben, bei der Nachlassauseinandersetzung anwesend zu sein, um eine Auseinandersetzung zu Lasten der Gläubiger zu verhindern. Die Rechtsprechung hat, über den Wortlaut des Art. 882 C. civ. hinaus, diese Teilnahmemöglichkeit auf alle Personen mit berechtigtem Interesse (intérêt légitime) erstreckt, vgl. Cass. Civ., 1re, Urt. v. 7.12.1964 = Bull. civ. Nr. 545. 134  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (13 f.); allgemein zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen der saisie conservatoire etwa Leborgne, Droit de l’exécution, 3. Aufl. 2019, S. 1113 ff. Rn. 2705 ff. 135  Zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen der action oblique etwa Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 449 ff. Rn. 524 ff.; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 675 ff. Rn. 1149 ff.; Terré/Simler/Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 1629 ff. Rn. 1558 ff. 136  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (14).



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se ohne Einschreiten des Gläubigers zu dessen Befriedigung nicht ausreichen werde.137 Das Verständnis der obligation als Garantie erkläre zugleich die Einschränkung der action oblique im Sinne des Art. 1341-1 a. E. C. civ., wonach Rechte mit persönlichem Charakter nicht für den Schuldner ausgeübt werden können:138 Grundlage der action oblique sei die obligation des Gläubigers und insbesondere ihr Garantiecharakter und gerade nicht die obligation des Schuldners gegen den Dritten, weshalb der Gläubiger sich nicht anmaßen dürfe, anstelle des Schuldners über die Frage der Ausübung des Rechts mit persönlichem Charakter zu entscheiden.139 Nach Rouvières Ansicht ist die obligation folglich zu definieren als Tatbestand, dessen Ziel die Erfüllung in Natur oder zumindest mittels eines Surrogats ist und die zu diesem Zweck präventive Maßnahmen (action oblique, action paulienne etc.) erlaubt.140

4. Fazit Die Betrachtung der historischen Entwicklung der obligation in der französischen Rechtswissenschaft ergibt, dass die obligation ursprünglich als die objektive Pflicht des Schuldners aufgefasst wurde. Eine weitreichende Neuerung trat erst mit der zunehmenden Berücksichtigung der Sichtweise des Gläubigers ein. Seit der Anerkennung der Idee des subjektiven Rechts wird versucht, die obligation als eine Verknüpfung der Gläubigersicht (créance) mit der Schuldnersicht (dette) zu erklären. Trotz des gemeinsamen Ausgangspunkts unterscheiden sich die dafür entwickelten Ansichten teils signifikant. Diese Unterschiede scheinen insbesondere darauf zu beruhen, dass den verschiedenen Ansichten verschiedene Vorstellungen hinsichtlich des Ziels, des Zwecks und der Funktion der obligation zugrunde liegen. Bevor die Vor- und Nachteile der verschiedenen Ansichten herausgearbeitet werden, sollen daher zunächst Inhalt und Gegenstand der obligation näher untersucht werden.

137 

Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (14 f.). Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (15 re. Sp.) nennt als Beispiele etwa den Widerruf einer Schenkung oder die Geltendmachung immateriellen Schadensersatzes; mit weiteren Beispielen Terré/Simler/Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 1634 ff. Rn. 1562 ff. 139  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (15 re. Sp.); Terré/Simler/Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 1633 f. Rn. 1561. 140  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (3) Fn. 26 m. w. Nachw.; Rouvière zufolge sei dann auch jeder Vertrag eine obligation, d. h. eine Garantie, deren Inhalt darin bestehe, sicherzustellen, dass der Vertragsinhalt respektiert werde. Denn jede Vertragspartei würde durch den Vertragsschluss ipso jure eine Garantie über ihr gesamtes Vermögen abgeben (a. a. O., S. 12 re. Sp.: „[…] il ne semble pas excessif de considérer que tout contractant, en s’engageant, crée ipso jure une garantie sur l’ensemble de ses biens, ce qui voudrait très classiquement dire que tout contrat est une obligation, c’est-à-dire une garantie qui aurait pour objet de faire respecter tous les éléments qui y sont contenus“). 138 

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Teil 2 – A. Der Begriff der obligation im franz. Allg. Schuldrecht

II.  Inhalt (objet) und Gegenstand (contenu) der obligation Ähnlich wie im deutschen Recht wird auch in der französischen Literatur141 zwischen Inhalt (objet) und Gegenstand (contenu) der obligation unterschieden, wobei diese Unterscheidung vereinzelt auf deutschsprachige Arbeiten zur Pandektenlehre gestützt wird.142 Thema zahlreicher Ausführungen143 ist jedenfalls der objet der obligation bzw. des Vertrags144, welcher in mehreren Vorschriften (beispielsweise Art. 1110 Abs. 1, 1126, 1127, 1128, 1129 Abs. 1 C. civ. a. F. und Art. 1163 Abs. 1, 1196 C. civ. n. F.) genannt wird. Anders als im vorhergehenden Abschnitt liegt der Fokus also nicht auf der Frage, was die obligation ist, sondern gilt es zu untersuchen, worauf die obligation gerichtet ist und welche Mechanismen in Betracht kommen, wenn ihr Zweck nicht erreicht wird. Der objet der obligation wurde bereits als der in der Rechtswissenschaft umstrittenste Bereich des Obligationenrechts bezeichnet, in dem es die geringste Bereitschaft zur Einigung gebe, die entwickelten Konzepte am nebulösesten seien und die Terminologie am unübersichtlichsten.145 Insofern kann es sich bei den folgenden Ausführungen lediglich um die Wiedergabe und den Versuch der Kategorisierung eines Teils der zahlreichen unterschiedlichen Stimmen handeln.

141 Vgl. Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 193, wonach der contenu (Gegenstand) eines Rechts die Gesamtheit der rechtlichen Möglichkeiten des Gläubigers sei und der objet (Inhalt) des Rechts dasjenige, worauf es sich richte („le contenu d’un droit est l’ensemble des prérogatives qu’il confère tandis que son objet est ce sur quoi il porte“), vgl. auch a. a. O., S. 208; ebenso bereits Dabin, Le droit subjectif, 1952, S. 168 f.; MichaélidèsNouaros, RTD civ. 1966, 216 (224). 142  Comparato, Essai d’analyse dualiste de l’obligation, 1964, S. 2 ff., mit Verweis auf Arbeiten insb. Windscheids, Savignys und Brinz’; zum deutschen Recht und dem hier verwendeten Begriffsverständnis von objet (Inhalt) und contenu (Gegenstand) der obligation oben Teil 1 A. III. (S. 28 ff.). 143  Aus neuerer Zeit umfassend etwa Lucas-Puget, Essai sur la notion d’objet du contrat, 2005, passim (insb. S. 95 ff.), die im Ergebnis den objet der obligation als teleologischen Begriff auffasst und darin die Bekundung des in gleicher Weise versprochenen und erwarteten Ergebnisses sieht (a. a. O., S. 167). 144  Dazu, dass der Gesetzgeber nicht immer einwandfrei zwischen beiden differenziert anstatt vieler Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 342 Rn. 597. 145  Pelet, La théorie dualiste de l’obligation et son application au droit suisse, 1937, S. 32; als Beispiel hierfür kann die Diskussion um den Umfang des Begriffs objet herangezogen werden: die h. M. versteht unter objet de l’obligation dasjenige, was der Schuldner schuldet und den Gläubiger befriedigt, eine andere Auffassung möchte die hinter der eigentlichen Leistung stehenden Motive und Ziele mitberücksichtigen, vgl. zum Streitstand und für die h. M. L.‑F. Pignarre, Les obligations en nature et de somme d’argent en droit privé, 2010, S. 65 ff. m. w. Nachw.



II.  Inhalt (objet) und Gegenstand (contenu) der obligation

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1.  Die objektive Bestimmung des Inhalts der obligation –  die prestation als gesetzlich festgelegter objet der obligation Einer früheren Auffassung zufolge ist immer eine Sache (chose bzw. bien) als objet der obligation anzusehen.146 Diese Sache könne entweder eine positive Tatsache, etwa die Erledigung einer Arbeit oder die Zahlung einer Geldsumme, oder eine negative Tatsache, ein Unterlassen, sein.147 Dieser Auffassung liegt demnach eine objektive Bestimmung des objet zugrunde:148 entscheidend sei die prestation (Leistung) des Schuldners. Der Auffassung, wonach die prestation den objet der obligation darstelle, weil sie dasjenige sei, was der Schuldner schulde und der Gläubiger zu fordern berechtigt sei, erfuhr durch die ordonnance Nr. 2016-131 vom 10. Februar 2016 neuen Aufwind: die ehemaligen Art. 1108, 1126 ff. C. civ., die sich bisher mit dem objet der obligation beschäftigten, wurden durch diese Reform abgeschafft und durch den Art. 1163 C. civ. ersetzt, dessen erster Absatz als objet der obligation die prestation nennt.149 Die prestation wiederum könne auf einen service (Dienst), ein comportement (Verhalten), eine abstention (Unterlassung), eine chose (Sache), eine somme d’argent (Geldsumme) oder eine indemnité (Entschädigung) gerichtet sein.150 Diese Auffassung verschiebt die Frage nach dem objet der obligation demnach in die Auslegung des Begriffs der prestation und beantwortet sie mit einer Aufzählung verschiedener Leistungsarten.

146  Pothier, Traité des obligations, 1805, S. 41 Rn. 53; ähnlich bereits Saleilles, Etudes sur la théorie générale des obligations, 3. Aufl. 1914, S. 74, wonach ein bestimmter résultat geschuldet sei; Planiol/Ripert, Traité élémentaire de droit civil, Bd. 2, 10. Aufl. 1926, S. 58 Rn. 159; Comparato, Essai d’analyse dualiste de l’obligation, 1964, S. 32 f. 147  Pothier, Traité des obligations, 1805, S. 41 Rn. 53 („ce ne peut être qu’une chose qui concerne les parties“); Planiol/Ripert, Traité élémentaire de droit civil, Bd. 2, 10. Aufl. 1926, S. 58 Rn. 159 („la chose qui peut être exigée du débiteur par le créancier“), wobei dies. auch anders verstanden werden können, je nachdem ob man das französische Wort „fait“ mit Tatsache oder Handlung übersetzt, vgl. Robert, Le Petit Robert, 2017, Fait (nomen, masculin): einerseits „I. Acte, action“ und andererseits „II. Ce qui a eu lieu ou ce qui existe“; insofern scheint die Auffassung von Planiol und Ripert auch der Strömung zugeordnet werden zu können, die die Handlung des Schuldners als objet der obligation versteht (sogleich unter 2.), und stellt damit wohl das historische Bindeglied zwischen diesen beiden Auffassung dar. Tatsächlich bilden die verschiedenen Auflagen des von Planiol begründeten Lehrbuchs Traité élémentaire de droit civil die Entwicklung der herrschenden Meinung ab, vgl. einerseits noch recht objektiv ebenda und andererseits, sich bereits sehr auf die Handlungen des Schuldners und Gläubigers fokussierend Planiol/Ripert/Boulanger, Bd. 2, 4. Aufl. 1952, S. 93 f. Rn. 245 f. 148  Comparato, Essai d’analyse dualiste de l’obligation, 1964, S. 32 f. 149  Vgl. zur Reform und weiteren Auswirkungen auf die Terminologie des französischen Leistungsstörungsrechts Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 145 f. Rn. 153; kritisch zu dieser Änderung Terré/Simler/Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 389 Rn. 347. 150  Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 23 Rn. 1, S. 162 Rn. 173.

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Teil 2 – A. Der Begriff der obligation im franz. Allg. Schuldrecht

2.  Die théorie volontariste – der acte bzw. die abstention als Inhalt der prestation und damit objet der obligation Eine subjektive Bestimmung des objet der obligation verfolgt die théorie ­volontariste.151 Nach dieser Auffassung handelt es sich bei der obligation im Wesentlichen um eine Beziehung zweier Willen (volontés), wobei sich diese Beziehung aus dem devoir (Sollen) und der prétention (Anspruch) zusammensetzen soll.152 Der unmittelbare Inhalt (contenu immédiat) der obligation bestehe in der Unterwerfung eines fremden Willens.153 Der objet der obligation bestehe dementsprechend aus einer oder mehreren bestimmten Handlungen bzw. Unterlassungen (acte bzw. abstention) des Schuldners, der sog. prestation.154 Diese prestation könne in einem Tun (faire), Unterlassen (ne pas faire), oder Geben (donner) bestehen, wobei eine Tätigkeit bzw. ein Wirken (activité), ein Dienst (service) oder ein Bemühen (l’effort) des Schuldners immer mit dem Wort faire zusammengefasst werden könne und daher dieses Tun letztlich die Essenz der obligation bilde.155 Der objet der obligation wird von den Vertretern der théorie volontariste demnach als Verhältnis zweier Tätigkeiten, einerseits der Leistung ( prestation) des Schuldners und andererseits dem Zwang (coercition) des Gläubigers, begriffen.156

151  Mit einem Überblick über diese Auffassung Comparato, Essai d’analyse dualiste de l’obligation, 1964, S. 33 f. 152  Vgl. etwa Planiol/Ripert/Boulanger, Traité élémentaire de droit civil, Bd. 2, 4. Aufl. 1952, S. 93 f. Rn. 245 f.; Comparato, Essai d’analyse dualiste de l’obligation, 1964, S. 2. 153  Comparato, Essai d’analyse dualiste de l’obligation, 1964, S. 2 f. 154  Carbonnier, Droit civil, Bd. 2, 1. Aufl. 2004, S. 1926 Rn. 925; ebenso Malaurie/Aynès/ Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 341 f. Rn. 596 f.; Planiol/Ripert, Traité élémentaire de droit civil, Bd. 2, 10. Aufl. 1926, S. 58 Rn. 159 und Planiol/Ripert/Boulanger, Traité élémentaire de droit civil, Bd. 2, 4. Aufl. 1952, S. 93 f. Rn. 245 f., die allerdings den Begriff enger fassen und unter prestation die Herbeiführung einer positiven Tatsache verstehen, während negative Tatsachen unter den Begriff abstention fielen; vgl. ferner Comparato, Essai d’analyse dualiste de l’obligation, 1964, S. 3 u. 33 f. 155  So insb. Carbonnier, Droit civil, Bd. 2, 1. Aufl. 2004, S. 1926 Rn. 925; vgl. auch Planiol/Ripert/Boulanger, Traité élémentaire de droit civil, Bd. 2, 4. Aufl. 1952, S. 93 f. Rn. 246, die zwar zwischen obligation de donner (Pflicht, zu übereignen) einerseits und obligation de faire bzw. de ne pas faire (Tun bzw. Unterlassen) andererseits differenzieren, dabei jedoch betonen, dass auch die obligation de donner eine Handlung des Schuldners voraussetze und das direkte Abstellen auf die zu übereignende Sache die Rechtslage lediglich verkürzt darstelle; ähnlich wie Planiol/Ripert/Boulanger wohl auch Gaudemet, Théorie générale des obligations, 1965, S. 89, der offenbar die obligation de donner als prestation, die obligation de faire als fait und die obligation de ne pas faire als abstention bezeichnet, wobei jedoch bei der Lieferung einer Sache diese Sache mit dem objet der obligation gleichgesetzt werden könne. 156  Comparato, Essai d’analyse dualiste de l’obligation, 1964, S. 3.



II.  Inhalt (objet) und Gegenstand (contenu) der obligation

159

3.  Die théorie dualiste – die Kombination aus Handlung und Erfolg als objet der obligation Neben der Auseinandersetzung mit der deutschen Pandektenlehre bestehen auch hinsichtlich des objet der obligation Gemeinsamkeiten zwischen der conception objective157 und der théorie dualiste.158 Beiden Strömungen liegt die Annahme zugrunde, dass die Person des Schuldners als Objekt der Vollstreckung nicht in Betracht komme: Die Handlungen des Schuldners, und ganz allgemein sein freier Wille, könnten zwar beeinflusst, nicht jedoch kontrolliert werden, weshalb der Schuldner als Vollstreckungsobjekt von vornherein ausscheide.159 Bezüglich des objet der obligation verfolgt die théorie dualiste demnach einen kombinierenden Ansatz: nicht ein bloßer Erfolg oder ein bestimmtes Verhalten des Schuldners sei geschuldet, sondern grundsätzlich beides zugleich.160 Jede prestation als objet der obligation bestehe normalerweise aus einem objektiven Element, dem vom Gläubiger gewünschten Resultat, und dem subjektiven Element, der für dieses Resultat erforderlichen schuldnerischen Handlung.161 Diese Unterscheidung zwischen objektivem und subjektivem Element finde sich auch im Gesetz wieder, so bezögen sich die Art. 1128, 1129, 1130 C. civ.  a. F.162 auf das objektive Element und die Art. 1134 Abs. 3, 1137 Abs. 1, 157 

Oben I. 3. a) (S. 143 ff.). Vgl. oben I. 3. b) (S. 145 ff.). Popa, Les notions de debitum (Schuld) et d’obligatio (Haftung) et leur application en droit français moderne, 1935, S. 289 ff.; Pelet, La théorie dualiste de l’obligation et son application au droit suisse, 1937, S. 41 f.; Comparato, Essai d’analyse dualiste de l’obligation, 1964, S. 5 f.; zu der gewissermaßen identischen Argumentation Brinz’ bereits oben Teil  1 A. III. 1. c) (S. 35 f.). Vgl. ebenso die Argumente Koeppens oben Teil  1 A. III. 1. a) (S. 29 f.). 160  Popa, Les notions de debitum (Schuld) et d’obligatio (Haftung) et leur application en droit français moderne, 1935, S. 290 f.; Comparato, Essai d’analyse dualiste de l’obligation, 1964, S. 34: „La prestation consiste donc, le plus souvent, en un fait du débiteur tendant à produire un résultat objectif en faveur du créancier, et dans ces conditions, l’activité du débiteur n’est prise en considération qu’en tant que moyen d’amener ce résultat dû“; zu der Tatsache, dass dies bei den Anhängern der théorie dualiste nicht unumstritten ist Pelet, La théorie dualiste de l’obligation et son application au droit suisse, 1937, S. 92; vgl. ferner Lucas-Puget, Essai sur la notion d’objet du contrat, 2005, S. 130 f., 155 f. 161  Comparato, Essai d’analyse dualiste de l’obligation, 1964, S. 34 f.; vgl. auch Popa, Les notions de debitum (Schuld) et d’obligatio (Haftung) et leur application en droit français moderne, 1935, S. 285 ff.; ferner Pelet, La théorie dualiste de l’obligation et son application au droit suisse, 1937, S. 78 ff., der aufzeigt, dass unter den Vertretern der théorie dualiste umstritten ist, ob der Schwerpunkt der obligation auf dem Bekommensollen des Gläubigers oder auf der Handlung des Schuldners liegt; mit diesem Ergebnis auch Lucas-Puget, Essai sur la notion d’objet du contrat, 2005, S. 130 f. 162  Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass die Art. 1128, 1129 und 1130 C. civ. a. F. mit Wirkung zum 1.10.2016 durch die ordonnance Nr. 2016-131 vom 10.2.2016 abgeschafft wurden, denn Art. 1342 Abs. 1, 3 C. civ. n. F. sieht vor, dass die obligation erst mit dem paiement (Erfüllung) erlischt, d. h. mit der bewussten Erfüllung der geschuldeten Leistung („l’exécution volontaire de la prestation due“). Insofern kann weiterhin vertreten werden, dass dem 158  159 

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1374 Abs. 1 C. civ.  a. F.163 und Art. 1728 Nr. 1, 1880 S. 1, 1962 Abs. 1 S. 2 C. civ.  n. F.164 auf das subjektive Element.165 Diese Elemente könnten je nach Einzelfall stärker oder schwächer ausgeprägt sein und ausnahmsweise könne das objektive Element sogar ganz entfallen.166 Dies sei immer dann der Fall, wenn die Leistung ( prestation) keinem außerhalb der Handlung liegendem Ziel diene, sie also mit Vornahme der Handlung als erfüllt anzusehen sei.167 Beispiele für eine solche obligation, die lediglich ein subjektives Element enthalte, seien etwa der Dienstvertrag, oder eine Klausel, die für den Schuldner das Verbot enthält, als Konkurrent des Gläubigers in Erscheinung zu treten, sowie der Behandlungsvertrag.168 Dementsprechend handele es sich bei der Unterscheidung obligation de résultat und obligation de moyens169 auch nicht um eine Differenzierung je nach Intensität oder Grad der Gebundenheit, sondern vielmehr um zwei verschiedene Arten der obligation, wobei je nach Zufälligkeit des vom Gläubiger erhofften Ergebnisses die obligation auf eine Handlung oder auf einen Erfolg ausgerichtet sei.170 Der Kern einer jeden obligation habe jedenfalls als objet eine gewisse Sorgfalt (diligence), da jede obligation notwendigerweise eine positive oder negative Tatsache/Tathandlung des Schuldners (fait du débiteur) beinhalte.171

4.  Die conception néoclassique Wie bereits dargestellt definiert die conception néoclassique die obligation als das subjektive Recht auf die Ausführung einer Verhaltensvorschrift.172 Dieses Recht könne jedoch nicht auf den Schuldner, sein patrimoine oder die prestaCode civil nach wie vor eine zumindest auch erfolgsbezogene Konzeption der obligation zugrunde liegt. 163  Art. 1134 Abs. 3 C. civ.  a. F. entspricht Art. 1104 Abs. 1 C. civ.  n. F.; Art. 1137 Abs. 1 C. civ.  a. F. entspricht Art. 1197 C. civ.  n. F.; Art. 1374 Abs. 1 C. civ.  a. F. entspricht Art. 13011 Abs. 1 C. civ. n. F. 164  Bezüglich dieser Vorschriften hat sich die Nummerierung nicht verändert. Lediglich der Wortlaut wurde durch Art. 26 des Gesetzes Nr. 2014–873 vom 4.8.2014 (loi pour l’égalité réelle entre les femmes et les hommes) insofern geändert, dass anstelle des „en bon père de famille“ oder ähnlicher Formulierungen nun „raisonnablement“ oder Ähnliches steht. Inhaltlich hat dies jedoch keine Auswirkungen auf das Argument Comparatos. 165  Comparato, Essai d’analyse dualiste de l’obligation, 1964, S. 35; vgl. auch die Einteilung bei Popa, Les notions de debitum (Schuld) et d’obligatio (Haftung) et leur application en droit français moderne, 1935, S. 292. 166  Comparato, Essai d’analyse dualiste de l’obligation, 1964, S. 35. 167  Comparato, a. a. O., S. 38. 168  Comparato, a. a. O., S. 35 f. 169  Hierzu ausführlich unter III. 3. a) cc) (S. 177 ff.). 170  Comparato, Essai d’analyse dualiste de l’obligation, 1964, S. 37 f. 171  Comparato, a. a. O., S. 38; vgl. H. Mazeaud/L. Mazeaud/Tunc, Responsabilité civile, Bd. 1, 6. Aufl. 1965, S. 120 Rn. 103-6 m. w. Nachw. 172  Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 209. Dazu oben unter I. 3. d) (S. 148 ff.).



II.  Inhalt (objet) und Gegenstand (contenu) der obligation

161

tion selbst gerichtet sein.173 Das objet der obligation sei vielmehr das Ergebnis der exécution (Ausführung) der dette.174 Gegen den Schuldner als objet der obligation sprächen seine Grundfreiheiten, die durch Art. 16 C. civ., Art. 1 der DDHC und Art. 1 der Präambel der Verfassung von 1946 im nationalem Recht ebenso Berücksichtigung fänden wie im supranationalen Recht durch Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Art. 1, 4 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948.175 Selbst wenn man diese Vorschriften unbeachtet ließe, könne der Gläubiger den Schuldner jedoch zur exécution der dette nicht zwingen, da das Gewaltmonopol beim Staat liege.176 Dem Gläubiger verbleibe allenfalls die pouvoir d’initiative (Initiativmacht), d. h. die Möglichkeit, den Staat zur Ausübung seines Gewaltmonopols zu bewegen.177 Da Forest in dem patrimoine (Vermögen) des Schuldners die Emanation seiner Person sieht, erachtet er diese Argumente als auf das patrimoine entsprechend anwendbar.178 Aber auch die prestation, die Forest als ein Verhalten des Schuldners, welches dem Gläubiger einen Vorteil verschaffe, begreift, könne angesichts der vorgebrachten Argumente nicht Inhalt der obligation sein, da das Verhalten ebenso wenig wie dessen Ergebnis von der Person des Schuldners getrennt werden könne.179 Letztlich könne der Gläubiger lediglich die Einhaltung der dette als objektive Verhaltensvorschrift fordern und bestehe allein aus der Kombination aus créance und dette ein Recht auf ein bestimmtes Verhalten des Schuldners.180 Forest zufolge erkläre die dette, weshalb der Schuldner etwas tun müsse und weshalb er im Falle der inexécution (Nichterfüllung) bestraft werde.181 Die créance hingegen begründe die Möglichkeit des Gläubigers, die Leistung zu fordern und zu erhalten sowie diese Rechte zu schützen, zu übertragen und darauf zu verzichten.182 Der Gläubiger habe daher kein Recht über eine Leistung, sondern ein Recht auf eine Leistung.183 Dieses Recht teile sich wiederum auf in das Recht, ein Verhalten zu fordern (droit d’exiger l’exécution) und das Recht, 173  174 

Forest, a. a. O., S. 202. Forest, a. a. O., S. 202: „l’objet du droit de créance est le résultat de l’exécution de la

dette“. 175  Forest, a. a. O., S. 203. 176  Forest, a. a. O., S. 203 f. 177  Forest, a. a. O., S. 204 f. 178  Forest, a. a. O., S. 205 f.; wie Forest das patrimoine als Emanation betrachtend bereits Aubry/Rau, Cours de droit civil francais d’après la méthode de Zachariae, Bd. 6, 4. Aufl. 1873, S. 231 § 573; ebenso Carbonnier, Droit civil, Bd. 2, 1. Aufl. 2004, S. 1518 Rn. 666. 179  Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 206. 180  Forest, a. a. O., S. 207 f. 181  Forest, a. a. O., S. 192. 182  Forest, a. a. O., S. 193. 183  Forest, a. a. O., S. 206: „Le créancier n’a, avant l’exécution, aucun droit sur la prestation. Il ne dispose que d’un droit à la prestation“.

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Teil 2 – A. Der Begriff der obligation im franz. Allg. Schuldrecht

das Resultat dieses Verhaltens zu erhalten (droit de recevoir).184 Das objet der créance sei folglich die Ausführung der dette.185 Genau genommen handele es sich beim droit de recevoir um das Recht auf das Ergebnis der Leistung, während das droit d’exiger l’exécution das Recht auf die Erbringung der Leistung sei.186

5.  Die Gläubigerbefriedigung als objet der obligation Rouvière betrachtet die obligation als Garantie zugunsten des Gläubigers.187 Der Inhalt dieser Garantie sei auf die Befriedigung des Gläubigers gerichtet, welche entweder durch den paiement oder durch ein Äquivalent erreicht werde.188 Solche Erfüllungsäquivalente stellen für Rouvière die compensation189 (Aufrechnung), die dation en paiement190 (Leistung an Erfüllungs statt), die novation191 (Schuldumwandlung) und die confusion192 (Konfusion) dar.193 All diese Rechtsinstitute hätten als Gemeinsamkeit die Befriedigung des Gläubigers, welche letztlich das Erlöschen der obligation rechtfertige.194 Auch bei der prescription (Verjährung) werde, da der Gläubiger seine Forderung schließlich nicht aktiv verfolge, letztlich die Befriedigung des Gläubigers und damit die Erfüllung der Forderung widerleglich vermutet, weshalb auch eine créance prescrite (verjährte Forderung) erlösche.195 Erfüllt der Schuldner trotz Verjährung 184  185 

Forest, a. a. O., S. 208 u. insb. S. 194 ff. Forest, a. a. O., S. 208: „L’objet de la créance est l’exécution d’une norme: la dette“. 186  Forest, a. a. O., S. 208: „Plus précisément, le droit de recevoir est un droit au résultat de l’exécution, le droit d’exiger un droit à l’exécution même“. 187  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (1 ff.); dazu auch oben unter I. 3. f ) (S. 152 ff.). 188  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (4, 20); in diese Richtung auch Alvarez, Essai sur la notion d’exécution contractuelle, 2017, S. 106 ff., 258 ff.; Ghestin/Billiau/Loiseau, Le régime des créances et des dettes, 2005, S. 879 Rn. 842; ferner für die Befriedigung des Gläubigers als objet der obligation Grua, Mélanges Guyon, 2003, S. 479 (480 f.); vgl. auch Faure-Abbad, Le fait générateur de la responsabilité contractuelle, 2003, S. 8, 21 u. weitere. 189 Zur compensation etwa Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 442 ff. Rn. 514 ff.; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 695 ff. Rn. 1187 ff.; Terré/Simler/Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 1749 ff. Rn. 1678 ff. 190 Zur dation en paiement etwa Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 437 ff. Rn. 505 ff.; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 689 ff. Rn. 1179 f.; Terré/Simler/Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 1501 ff. Rn. 1422 ff. 191 Zur novation etwa Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 483 f. Rn. 567 ff.; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 691 ff. Rn 1181 ff.; Terré/ Simler/Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 1781 ff. Rn. 1710 ff. 192 Zur confusion etwa Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 493 f. Rn. 579; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 703 f. Rn. 1196; Terré/ Simler/Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 1777 ff. Rn. 1704 ff. 193  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (20); Alvarez, Essai sur la notion d’exécution contractuelle, 2017, S. 268 ff., die als Formen der satisfaction indirecte du créancier (indirekten Gläubigerbefriedigung) die compensation, die novation und die délégation nennt. 194  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (20). 195  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (21).



II.  Inhalt (objet) und Gegenstand (contenu) der obligation

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die Forderung, werde lediglich die Vermutung, dass seine Forderung vor der tatsächlichen Erfüllung erlosch, widerlegt, weshalb der Schuldner seine Leistung trotz Verjährung gem. Art. 2249 C. civ. nicht zurückfordern könne.196 Selbst die remise de dette (Schulderlass) sei durch die Vermutung der Befriedigung des Gläubigers erklärbar: die Art. 1282, 1283 C. civ. sprächen deshalb von einem preuve (Beweis) bzw. dem Vermuten ( présumer) der Befreiung des Schuldners, weil es bei der remise de dette lediglich um die Vermutung der Befriedigung des Gläubigers gehe.197 All diese Beispiele belegten, dass es beim Erlöschen der obligation letztlich stets um die Befriedigung des Gläubigers gehe.198 Erst mit der (vermuteten) Befriedigung des Gläubigers habe die obligation als Garantie ihren Zweck erreicht und erlösche.199 Letztlich dienten auch die action directe gem. Art. 1341-3 C. civ.200 und die compensation des créances connexes i. S. d. Art. 1348-1 C. civ. (besondere Form der Aufrechnung, bei der die Forderung nicht fällig [exigible] und nicht in ihrer Höhe bestimmt [liquide i. S. d. Art. L. 111-6 CPCE] zu sein braucht)201 der Befriedigung des Gläubigers, indem sie diesen vor der Insolvenz des Schuldners schützten.202

6. Fazit Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die ursprüngliche Auffassung und die théorie volontariste zwei verschiedene Facetten der obligation beleuchten. Die ursprüngliche Auffassung, der zufolge der objet der obligation darin bestehe, dass eine bestimmte Sache (chose) bzw. Tatsache erreicht wird, stellt die Gläubigersichtweise in den Mittelpunkt. Dieser Auffassung geht es insbesondere darum, was der Gläubiger vom Schuldner verlangen kann bzw. was er vom Schuldner bekommen soll. Dieses Etwas wird mit dem Begriff der prestation bezeichnet, wobei dieser Begriff – wohl bewusst – sehr weit verstanden wird. Die théorie volontariste stellt hingegen die Schuldnersicht in den Fokus der Betrachtung. Bei dieser Ansicht geht es darum, welche Handlung der Schuldner vornehmen soll, um die geschuldete Leistung zu erfüllen. Es geht demnach um 196 

Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (21 li. Sp.). Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (21 re. Sp.). Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (22 li. Sp.). 199  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (22 li. Sp.). 200 Die action directe ermöglicht dem Gläubiger einen direkten Durchgriff auf die Schuldner seines Schuldners und ist somit zumindest in diesem Aspekt funktional mit der Pfändung einer Geldforderung im Sinne des § 829 ZPO vergleichbar; zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen der action directe Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (16 ff.); Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 203 ff. Rn. 224, S. 449 Rn. 524; Terré/Simler/Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 1674 ff. Rn. 1607 ff. 201  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (19  f.); Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 446 ff. Rn. 521; Terré/Simler/Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 1629 ff. Rn. 1558 ff. 202  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (16 ff.). 197  198 

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das Leistensollen bzw. – da der Schuldnerwille dem Willen des Gläubigers unterworfen sei – um das Leistenmüssen des Schuldners. Die théorie dualiste versucht beide Ansätze in Einklang zu bringen, indem sie zwischen dem objektiven Element des Leistungserfolgs und dem subjektiven Element der Leistungshandlung differenziert und aufzeigt, dass sich diese beiden Elemente keineswegs ausschließen, sondern vielmehr gegenseitig ergänzen. In Ausnahmefällen gebe es kein objektives Element, zumindest wenn die obligation allein auf die Handlung des Schuldners gerichtet sei, könne ein Leistungserfolg nicht angenommen werden. Die conception néoclassique schließlich sieht in der dette der obligation eine objektive Verhaltensvorschrift für den Schuldner. Die Grundrechte des Schuldners verhinderten, dass seine Person, sein Vermögen oder sein Verhalten Inhalt der obligation sein könnten. Der Gläubiger sei lediglich berechtigt, ein Verfahren einzuleiten, durch welches der Schuldner zur Befolgung der dette angehalten werde. Außerdem sei er berechtigt, die durch die Einhaltung der dette hervorgebrachte Leistung behalten zu dürfen. Eine fünfte Auffassung sieht in der Befriedigung des Gläubigers den Inhalt der obligation. Erst mit der Befriedigung des Gläubigers erlösche die obligation. Es ließen sich zahlreiche Vorschriften des Code civil mit der zumindest vermuteten Befriedigung des Gläubigers erklären. Auf Grundlage der vorgestellten Ansichten zum Wesen der obligation einerseits und zu ihrem Inhalt und ihrem Gegenstand andererseits sollen im Folgenden die Stärken und Schwächen der verschiedenen Ansichten eingehender untersucht werden.

III.  Stellungnahme zu den im französischen Recht bestehenden Konzeptionen der obligation Die bisherigen Ausführungen zu den vertretenen Ansichten in der französischen Literatur führen vor Augen, dass es auch in der französischen Rechtsordnung keine Einigkeit über die Konzeption bzw. den Inhalt der obligation gibt. Obwohl der Begriff im französischen Schuldrecht geradezu omnipräsent ist, werden hinsichtlich seiner Deutung teilweise diametral entgegengesetzte Auffassungen vertreten. Die vorgestellten Ansichten sollen daher einer kritischen Analyse unterzogen werden.

1.  Ausgangspunkt der Untersuchung: die obligation als droit personnel Es erscheint sinnvoll, sich mit der herrschenden Meinung dem Begriff der obligation ausgehend von der Dichotomie aus droit réel und droit personnel zu nähern. Die obligation ist dementsprechend kein droit réel, also kein Recht über eine Sache, sondern ein Recht gegenüber einer Person, ein droit person-



III. Stellungnahme zu den im franz. Recht bestehenden Konzeptionen

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nel. Denn im Zentrum der Betrachtung der obligation steht, je nach Auffassung, das Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner bzw. die Handlung des Schuldners oder auch sein patrimoine (Vermögensmasse). Anders als beim droit réel geht es hingegen niemals unmittelbar um eine konkrete Sache und insbesondere nicht um die Rechte an einer Sache. Selbst wenn im Einzelfall der Vertrag auf eine Sache gerichtet ist, geht es zuvörderst stets, je nach Ansicht, um die Lieferung bzw. Aushändigung der Sache, oder um das Ergebnis der Lieferung oder Aushändigung, oder um die Forderung auf die Lieferung bzw. Aushändigung der Sache oder um die Forderung auf die Sache. Die obligation kann demnach allenfalls mittelbar auf eine Sache gerichtet sein. Allerdings gibt es innerhalb der herrschenden Meinung kleinere terminologische Unterschiede. Sofern Carbonnier unter obligation die passive Seite und unter créance die aktive Seite des droit personnel verstehen möchte, vermag dies nicht zu überzeugen. Zunächst ist bei den Ausführungen Carbonniers an der angegebenen Stelle nicht ersichtlich, wie er den Begriff der dette in seiner Systematik verordnen möchte. Darüber hinaus scheint Carbonnier sich selbst nicht an seine begriffliche Aufteilung des droit personnel zu halten, indem er bei der cession der obligation zwischen der cession de créance und der cession de dette unterscheidet.203 Vielmehr spricht auch der Gesetzeswortlaut für die Begriffssystematik der herrschenden Literatur und hat der Gesetzgeber diese Systematik dem Code civil mittlerweile auch zugrunde gelegt. So fassen beispielsweise die Art. 1309, 1311, 1313 C. civ. die dette als Passivseite und die créance als Aktivseite der obligation auf. Gem. Art. 1309 C. civ. hat bei einer teilbaren obligation einer von mehreren Gläubigern lediglich ein Recht auf seinen Teil der créance und ist einer von mehreren Schuldnern nur zu seinem Teil der dette verpflichtet. Entsprechend ist bei einer obligation solidaire jeder Gläubiger zur Forderung der gesamten créance berechtigt, Art. 1311 C. civ., bzw. jeder Schuldner zur Erfüllung der gesamten dette verpflichtet, Art. 1313 C. civ. Auch das Gesetz stellt also der créance die dette gegenüber und versteht diese als zwei Facetten der obligation.

2.  Créance und dette als die zwei Seiten einer Medaille? Diese Gegenüberstellung von créance und dette wirft sodann die Frage auf, ob das Bildnis der obligation als Medaille, deren eine Seite die créance und die andere Seite die dette darstellt, zu halten ist, oder ob es wegen der unterschiedlichen Rechtsnatur von créance und dette verworfen werden muss. In diesem Zusammenhang verfolgt Forest einen bemerkenswerten Ansatz, wenn er die dette als norme objective de comportement (objektive Ver203  Ausdrücklich bei Carbonnier, Droit civil, Bd. 2, 1. Aufl. 2004, S. 2449 vor Rn. 1231: „transmettre l’obligation, soit activement (cession de créance), soit passivement (cession de dette)“, ferner S. 2449 ff. Rn. 1231 ff. und S. 2461 ff. Rn. 1238 ff.

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haltensvorschrift) betrachtet. Forest ist zuzustimmen, wenn er betont, dass mit der obligation eine objektive Vorschrift entsteht, die dem Schuldner eine bestimmte Verhaltensweise vorschreibt. Die Bindungswirkung des Vertrages gem. Art. 1193 ff. C. civ. setzt sich in der obligation als Bestandteil des Vertrages fort.204 Die Rechtsordnung erkennt die freiwillige Selbstverpflichtung des Schuldners an und respektiert diese, indem sie hieran Rechtsfolgen knüpft. Sofern der Vertrag wirksam geschlossen wird, wird das Versprechen des Schuldners für ihn selbst zum Gesetz. Dies kann sogar für die obligation naturelle (Naturalobligation) behauptet werden, jedenfalls dann, wenn man annimmt, dass die Rechtsordnung die obligation naturelle materiell-rechtlich als gewöhnliche obligation anerkennt und dem Gläubiger lediglich die Klagbarkeit versagt wird.205 Hinsichtlich der Darstellung Forests gilt es jedoch zu bedenken, dass nicht allein dem Schuldner ein gewisses Verhalten abverlangt wird. Vielmehr entsteht auch gegenüber dem Gläubiger die Erwartung einer bestimmten Verhaltensweise:206 der Gläubiger soll dem Schuldner die Erfüllung nicht vereiteln und die Leistung in Empfang nehmen. Diese Erwartung konkretisiert sich etwa in dem Grundsatz, dass ein Fehlverhalten des Gläubigers, welches zur inexécution (Nichterfüllung) führt, den Schuldner entlastet und so dessen Haftung ausschließt bzw. diesen entschuldigt.207 Aber auch die Regelungen zum Gläubigerverzug sind Ausdruck dieser Erwartung an den Gläubiger. Gem. Art. 1345 Abs. 1 C. civ. kann der Schuldner, wenn der Gläubiger den Erhalt der Leistung verweigert oder verhindert, den Gläubiger in Verzug setzen. Endet die obstruction (Erfüllungsvereitelung) nicht innerhalb von zwei Monaten nach dem Inverzugsetzen des Gläubigers, kann der Schuldner gem. Art. 1345-1 Abs. 1 C. civ. die geschuldete Geldsumme bzw. die geschuldete Sache an bestimmten Stellen hinterlegen. Sollte die Hinterlegung der Sache unmöglich oder zu teuer sein, kann die Sache gem. Art. 1345-1 Abs. 2 S. 1 C. civ. verkauft werden. Während des Gläubigerverzugs hat gem. Art. 1345-3, 1345-1 Abs. 2 S. 2 C. civ. der Gläubiger alle Kosten und Gebühren zu tragen. Diese Grundsätze und Vorschriften zeigen, dass auch dem Versprechen des Gläubigers Rechtsbindung zukommt und die Nichteinhaltung des Versprechens Rechtsfolgen auslöst. Insofern verfügt sogar der Schuldner über eine gewisse Macht über das Vermögen des Gläu204  Dazu und zu den darüber hinaus gehenden Wirkungen des Vertrages Ancel, RTD civ. 1999, 771 (passim). 205  Mit diesem Ergebnis auch Terré/Simler/Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 2 Rn. 2: „L’obligation naturelle est une obligation juridique“. 206  Ähnlich anstatt vieler Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2467): „Le principe de la force obligatoire du contrat s’impose au débiteur comme au créancier“. 207  Bspw. Cass. Civ., 1re, Urt. v. 22.1.1962 = Bull. civ. Nr. 45; vgl. auch Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 276 Rn. 325; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 550 f. Rn. 958; zur Frage, welche Folgen bei Unmöglichkeit eintreten, unten B. IV. (S. 206 ff.).



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bigers, da der Schuldner bestimmen kann, wann er den Gläubiger in Verzug setzt und so dem Gläubiger die Kostenpflicht aus Art. 1345-3 C. civ. auferlegt. Selbstverständlich ist zu berücksichtigen, dass die Macht des Schuldners im Falle des Ausbleibens der Annahme relativ gering ausfällt im Vergleich zur Macht des Gläubigers im Falle des Ausbleibens der Leistung. Forest ist demnach zuzugeben, dass der erste Teil der obligation eine objektive Regelung hinsichtlich des Zwecks der obligation enthält. Das von ihm als dette bezeichnete Element der obligation fasst den Willen der Parteien im Verhältnis von Gläubiger und Schuldner zusammen, so dass bindend festgelegt wird, was der Gläubiger vom Schuldner bekommen soll. Entgegen Forest erfasst dieses Element der obligation jedoch nicht nur Vorgaben für das Verhalten des Schuldners, sondern bindet zugleich den Gläubiger an den Inhalt der obligation. Da mit dem Begriff dette jedoch gewöhnlich, und gerade auch bei Forest, allein die Schuldnerseite erfasst werden soll, erscheint der Begriff der dette nicht recht für dieses überparteiliche Element zu passen. Soweit ersichtlich findet sich auch in der übrigen Literatur zur obligation kein Begriff, um die Bindung des Schuldners und zugleich die Bindung des Gläubigers an ein gemeinsames Ziel (die Erfüllung der obligation) auszudrücken. Für diesen Zweck geeignet erscheint das Wort dessein, welches sich mit „Absicht“ oder „Plan“ ins Deutsche übersetzen ließe,208 und dessen Verwendung hiermit vorgeschlagen wird. Mit dessein soll schlichtweg dasjenige erfasst werden, was die Parteien hinsichtlich eines Leistungsverhältnisses bei Vertragsschluss erreichen wollten. Bei einem einseitig verpflichtenden Vertrag, etwa einer Schenkung, meint dessein demnach, dass der Gläubiger in den Genuss der Leistung (im Beispiel des Geschenkes) kommen soll. Bei einem synallagmatischen Vertrag, wie etwa dem Kauf, umschreibt das dessein der einen obligation, dass der Käufer als Gläubiger der Kaufsache diese erhalten soll, während das dessein der zweiten obligation den Umstand erfasst, dass der Verkäufer als Gläubiger des Kaufpreises eben diesen bekommen soll. Folgt man diesen Erwägungen, kann Forests Versuch, das allgemeine Verbot der cession de dette mit der Natur der dette zu begründen, schließlich nur fehlschlagen. Denn nicht die dette hat nach dieser Terminologie die Eigenschaft einer objektiven Verhaltensvorschrift, sondern das dessein. Dieses gilt jedoch für Gläubiger und Schuldner, so dass sich hieraus keine Schlussfolgerungen für die Natur der dette bzw. der créance ziehen lassen. Wie für den Schuldner auch ist für den Gläubiger eine objektive Verhaltensvorschrift anzunehmen, da sich auch der Gläubiger Erwartungen hinsichtlich seines Verhaltens gegenübersieht und ein Abweichen von diesen Erwartungen für ihn negative Rechtsfolgen auslöst. Der zentrale Unterschied zwischen den Verhaltenspflichten des Gläubigers 208 Vgl. Robert, Le petit robert, 2017, Dessein: „but, détermination, intention, objet, projet, propos, résolution, visée, volonté, vue“.

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und des Schuldners ist jedoch, dass dem Schuldner in der Regel gleichgültig sein wird, wer seine Leistung entgegennimmt. Selbst wenn der Gläubiger die Entgegennahme verweigert, bleibt das Risiko für den Schuldner gering, da der Gläubiger im Annahmeverzug gem. Art. 1345-3 C. civ. für alle Kosten aufkommen muss. Droht die Hinterlegung zu kostspielig zu werden, kann die Sache gem. Art. 1345-1 Abs. 2 C. civ. versteigert werden, sodass auch die Verwahrstelle die Insolvenz des Gläubigers nicht zu fürchten braucht. Da das Insolvenzrisiko des Gläubigers für den Schuldner somit in der Regel unbedeutend bleibt, ist die Person des Gläubigers regelmäßig austauschbar, ohne dass der Schuldner zustimmen muss (Art. 1321 Abs. 4 C. civ.). Anders verhält es sich hingegen mit der Person des Schuldners, die für den Gläubiger wegen des Insolvenzrisikos in der Regel eine entscheidende Rolle spielt. Mit Rouvière209 ist der Sinn und Zweck des Verbots der cession de dette210 also darin zu sehen, dem Gläubiger die Vermögensmasse des Schuldners zu erhalten. Zusammenfassend ergibt sich folgendes Bild: Forests Ansatz, wonach die obligation ein beabsichtigtes Verhaltensprogramm bzw. ein bestimmtes Ziel in rechtlich verbindlicher Weise festlegt, erscheint zutreffend. Ein konstitutives Element der obligation ist demnach die intendierte Vermögensverschiebung, wobei der Begriff Vermögen dabei sehr weit zu verstehen ist, da es sich um einen Dienst, eine Sache, eine Handlung usw. handeln kann und der objektive Wert zunächst keine Rolle spielt. Dieses konstitutive Element gilt für Schuldner und Gläubiger gleichermaßen, weshalb es entgegen Forest nicht als dette bezeichnet werden kann. Als Begriff für dieses Element wird für die weitere Untersuchung das französische Wort dessein vorgeschlagen. Gleichzeitig ist damit die herrschende Meinung, die die obligation mit einer zweiseitigen Medaille vergleicht, nicht widerlegt. Der Vergleich ist jedoch dahingehend zu präzisieren, dass die Medaille oder Münze aus einem Kern und einer Umrandung besteht.211 Das dessein bildet den Kern der obligation und legt ihr Ziel verbindlich fest. Den äußeren Ring bilden hingegen die créance und die dette. Die zwei Seiten der Medaille unterscheiden sich folglich nur hinsichtlich des äußeren Rings, der vom Standpunkt des Gläubigers aus gesehen die créance darstellt, während der Schuldner von der anderen Seite im äußeren Ring die dette erblickt. Das Bild der Münze schließt die historisch begründete Auffassung der obligation als Band keinesfalls aus. Denn es wird wohl kaum bezweifelt werden, dass mit Entstehung der obligation zwischen Schuldner und Gläubiger eine Sonderverbindung entsteht, welche die zuvor isolierten Rechtssubjekte an209 

Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (5 re. Sp.). wäre es wohl, von einem Zustimmungsvorbehalt zu sprechen, da gem. Art. 1327 Abs. 1 C. civ. die dette nur mit Zustimmung des Gläubigers übertragen werden kann. 211  So wie sich auch die 1- und 2-EURO-Münzen aus einem Kern und einer Umrandung zusammensetzen. 210 Präziser



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einanderbindet.212 Im Übrigen entspricht dies auch der hier vertretenen Vorstellung des dessein, wonach sich beide Parteien an die jeweils andere „ketten“, um das vorgestellte Ziel zu erreichen. Nach diesen ersten Annäherungen an das Wesen der obligation bleibt jedoch noch zu erörtern, worauf das dessein genau gerichtet ist. Es stellt sich demnach die Frage nach dem Inhalt des dessein und damit dem Inhalt der obligation. Ebenso gilt es die Begriffe créance und dette genauer zu untersuchen.

3.  Das objet der obligation Gemäß Art. 1163 Abs. 1 C. civ. hat die obligation als objet eine gegenwärtige oder künftige prestation (Leistung). Allerdings verschafft diese gesetzliche Bestimmung keine weiteren Einsichten in das Wesen der obligation. Vielmehr verschiebt sie die Frage nach dem objet der obligation in den Begriff der prestation.213 Es ist daher zu untersuchen, welchen Inhalt die prestation hat. Der Code civil definiert die prestation allerdings nicht. Der Bericht des Justizministeriums an den Präsidenten der République lässt vermuten, dass mit dem neuen Art. 1163 C. civ. der Inhalt der obligation lediglich sprachlich neu umschrieben werden sollte, ohne dass der Gesetzgeber jedoch inhaltliche Auswirkungen beabsichtigt hätte.214 Zwingend erscheint diese Deutung des Berichts jedoch keineswegs, da der Gesetzgeber an anderer Stelle ausdrücklich betonte, die alten Bestimmungen modernisieren und anpassen zu wollen.215 Wegen dieser Ungewissheit soll zunächst unterstellt werden, dass die ordonnance Nr. 2016-131 vom 10. Februar 2016 das objet der obligation nicht beeinflussen wollte. Diese Vorgehensweise bietet den Vorteil, bei der Auslegung des Art. 1163 Abs. 1 C. civ. n. F. die zur vorherigen Fassung des Code civil entwickelten Argumente und Grundsätze zunächst berücksichtigen zu können. Die unter Beachtung des alten Rechts ermittelten Ergebnisse müssen sich anschließend jedoch an den Neuerungen der Reform messen lassen. In diesem Zusammenhang sind für das alte Recht allen voran die Art. 1101, 1126 C. civ. a. F. 212  Vgl. hierzu etwa Hage-Chahine, La distinction de l’obligation et du devoir en droit privé, 2017, S. 52 ff., wonach für die Unterscheidung zwischen obligation und devoir maßgeblich auf den lien abzustellen sei, da dieser den strukturellen Unterschied zwischen den beiden Bereichen ausmache. 213  Zu dieser Unterscheidung zwischen objet de l’obligation und objet de la prestatoin umfassend Lucas-Puget, Essai sur la notion d’objet du contrat, 2005, S. 98 ff. 214  JORF Nr. 0035 v. 11.2.2016, Text 25, S. 11: „Il est ensuite rappelé, conformément au droit positif, que l’objet de l’obligation peut être présent ou futur, et qu’il doit être possible, déterminé ou déterminable, conformément aux principes actuels du code civil (article 1163)“ (Herv. d. Verf.). 215  JORF Nr. 0035 v. 11.2.2016, Text 25, S. 10: „La présente sous-section reprend donc, en les modernisant et en les adaptant à l’évolution de la vie économique, les dispositions qui relèvent dans le code civil de l’objet du contrat […].“ Der Gesetzgeber wollte demnach die alten Vorschriften zum objet aufgreifen, sie dabei jedoch an die Bedürfnisse der Entwicklung des Wirtschaftslebens anpassen.

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zu nennen, welche zwischen der obligation de donner, der obligation de faire und der obligation de ne pas faire unterschieden. In eine sehr ähnliche Richtung geht die bereits dargestellte216 Aufzählung verschiedener Leistungsarten der obligation, der zufolge die obligation auf einen Dienst, ein Verhalten, eine Sache, eine Geldsumme oder eine Entschädigung gerichtet sein kann. Im Folgenden wird daher in einem ersten Schritt der Frage nachgegangen, ob eine solche Differenzierung nach der jeweiligen Leistungsart zu weiteren Erkenntnissen hinsichtlich des objet der obligation führen kann (a). In einem zweiten und dritten Schritt wird schließlich der Frage nachgegangen, ob stattdessen der Inhalt der obligation vielmehr in einem Verhalten (b) oder einem bestimmten Erfolg (c) zu sehen ist.

a)  Die Differenzierung nach Art der Leistung Ursprünglich wurde angesichts der Art. 1101, 1136 ff. C. civ. a. F. zwischen obligation de donner, obligation de faire und obligation de ne pas faire differenziert (aa). Erst später wurde (wieder) die Unterscheidung zwischen obligation en nature (auf eine Erfüllung in Natur gerichtete obligation) und obligation monétaire (auf eine Erfüllung in Geld gerichtete obligation) hervorgehoben (bb).217 Seit 1925 wird zudem zwischen obligation de résultat (auf einen Erfolg gerichtete obligation) und obligation de moyen (auf die Anwendung bestimmter Mittel gerichtete obligation) unterschieden (cc.).

aa)  Die traditionelle Dreiteilung der obligation –  obligation de donner, de faire und de ne pas faire Die traditionelle Unterscheidung zwischen obligation de donner, de faire und de ne pas faire in den Art. 1101, 1136 ff. C. civ.  a. F. wurde durch die ordonnance Nr. 2016-131 vom 10. Februar 2016 nicht übernommen. Nach der alten Dreiteilung hatte der Schuldner demnach entweder das Eigentum zu übertragen (obligation de donner), etwas zu tun (obligation de faire) oder etwas zu unterlassen (obligation de ne pas faire).218 In der Literatur wird teilweise weiterhin an dieser Unterscheidung festgehalten mit dem Argument, dass diese einem didaktischen Interesse diene.219 Allerdings wurde auch die traditionelle Drei216 

Oben unter II. 1. (S. 157 f.). Carbonnier, Droit civil, Bd. 2, 1. Aufl. 2004, S. 1926 ff. Rn. 925; dabei war Carbonnier wohl der erste, der sich für eine solche Differenzierung aussprach, vgl. L.‑F. Pignarre, Les obligations en nature et de somme d’argent en droit privé, 2010, S. 7; mit diesem Ergebnis auch Libchaber, Recherches sur la monnaie en droit privé, 1992, S. 180. 218  Anstatt aller Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 14 Rn. 2. 219  Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 14 Rn. 2; a. A.  Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 162 f. Rn. 174, der im Zusammenhang mit der ordonnance Nr. 2016-131 vom Verschwinden (la disparition) bzw. der Aufgabe (l’aban217 



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teilung des Code civil immer wieder kritisiert: während einige Stimmen220 in der Literatur die Existenz der obligation de donner anzweifelten, sprachen sich manche Stimmen221 für die Anerkennung einer obligation de praestare aus.222 Gegen die obligation de donner wurde angeführt, dass wegen des effet translatif die Eigentumsübertragung automatisch stattfinde und der Schuldner daher nicht gebunden sei, etwas zu tun, weshalb schließlich nicht von einer obligation gesprochen werden könne.223 Dem wurde wiederum entgegengehalten, dass auch in der französischen Rechtsordnung der Eigentumsübergang nicht stets mit Vertragsschluss stattfinde, wie beispielsweise Art. 211–17 Abs. 1 C. mon. fin. belege.224 Für die Anerkennung der Kategorie der obligation de praestare spreche das historische Argument, dass bereits das römische Recht zwischen der obligation de dare, de facere und de praestare differenziert habe.225 Zudem fülle die obligation de praestare, die auf die Überlassung von Etwas gerichtet sei, diejenige Lücke, die zwischen der obligation de donner als Eigentumsverschaffungspflicht einerseits und der obligation de faire bzw. ne pas faire als Verhaltenspflicht andererseits bestehe: sie sei mehr als die obligation de faire, jedoch weniger als die obligation de donner.226 Beispiele für eine obligation de praestare seien etwa die Überlassung einer Sache, aber auch die Überlassung der Person bzw. des Körpers des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber.227 don) dieser Differenzierung spricht; zurückhaltender Jourdain, JCP G 2016, 1557 (1558 li. Sp.): die traditionelle Unterteilung sei nicht notwendigerweise überholt. 220  Fabre-Magnan, RTD civ. 1996, 85 (passim); dies., RDC 2015, 639 (640), die sich letztlich dennoch für eine gesetzliche Verankerung der obligation de donner ausspricht (a. a. O., S. 641); zustimmend Ancel, RTD civ. 1999, 771 (782 ff.); a. A. Huet, Mélanges Ghestin, 2015, S. 425 (426 ff., 429). 221  G. Pignarre, RTD civ. 2001, 41 (passim); dies., D. 2001, 3547 (passim); dies., D. 2007, 384 (387 ff.); Fabre-Magnan, RTD civ. 1996, 85 (106 f.); dies., RDC 2015, 639 (641 f.); Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2446 ff.) m. w. Nachw.; Huet, Mélanges Ghestin, 2015, S. 425 (428 f.); vgl. auch Maire, Volonté et exécution forcée de l’obligation, 2018, S. 67 ff. 222  Ein Ende dieser Diskussionen prognostiziert hingegen Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 162 Rn. 174. 223  Ghestin, D. 1981, 1 (4); Saint-Alary-Houin, Mélanges Raynaud, 1985, S. 733 (747 f.); Fabre-Magnan, RTD civ. 1996, 85 (insb. 89 ff.); dies., RDC 2015, 639 (640), wenngleich zurückhaltender: „sans que le débiteur lié par le contrat […] ait nécessairement à accomplir une obligation […], en particulier une obligation de donner“ (Herv. d. Verf.); Antonmattei/ Raynard, Droit civil – contrats spéciaux, 7. Aufl. 2013, S. 144 f. Rn. 156: „S’il faut rechercher quelque part l’obligation de donner, c’est au Panthéon des obligations.“; Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2443). 224  Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 163 Rn. 174; vgl. mit weiteren Beispielen zur obligation de donner G. Pignarre, RTD civ. 2001, 41 (54 ff.). 225  Fabre-Magnan, RTD civ. 1996, 85 (86 ff.); dies., RDC 2015, 639 (641 f.); G. Pignarre, RTD civ. 2001, 41 (46 ff.); Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2446). 226  Fabre-Magnan, RDC 2015, 639 (641 f.); G. Pignarre, RTD civ. 2001, 41 (52 ff.). 227  Fabre-Magnan, RDC 2015, 639 (641 f.); ausführlich zur Überlassung des Arbeitnehmers dies., in: Supiot (Hrsg.), Le travail en perspective, 1998, S. 101 (103 ff.); a. A. G. Pignarre, D. 2001, 3547 (passim), die eine obligation de praestare zulasten des Arbeitgebers

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Für die Aufrechterhaltung und Kodifizierung der traditionellen Dreiteilung wird die ständige Rechtsprechung seit dem Urteil Whistler vom 14. März 1900 angeführt, welche eine Zwangsvollstreckung für nicht möglich erklärt, wenn eine obligation personnelle de faire oder de ne pas faire (persönliches Handeln bzw. Unterlassen) geschuldet ist.228 Die gesetzliche Verankerung der genannten Differenzierung sei letztlich wünschenswert, da lediglich die obligation de faire bzw. obligation de ne pas faire einen ausreichend persönlichen Charakter haben könne, um unter dieses Zwangsvollstreckungsverbot zu fallen.229 Diese kurze Darstellung derjenigen Stimmen der französischen Literatur, die an einer Dreiteilung der obligation nach Art der Leistung festhalten wollen, zeigt jedoch bereits, dass eine solche Dreiteilung keine weitergehenden Erkenntnisse für die Bestimmung des Inhalts der obligation liefern kann. Erstens besteht bereits keine Einigkeit über die Kategorien der Einteilung.230 So ist umstritten, ob die obligation de donner überhaupt als eigene Kategorie existiert und die Dreiteilung aus der obligation de donner, de faire und de ne pas faire besteht oder die obligation de ne pas faire vielmehr von der obligation de faire erfasst und als dritte Kategorie die obligation de praestare hinzuzuziehen ist. Zweitens erscheint eine Subsumtion unter die Kategorien als zumindest diffizil, insbesondere die Einordnung der Arbeitsleistung als obligation de praestare erscheint zweifelhaft, kann in der Arbeit doch auch eine bloße Handlung und damit eine obligation de faire gesehen werden. Zwar ist prima facie eine gewisse Vergleichbarkeit zwischen einer Sache, die bei einer Vertragspartei in Verwahrung gegeben wird und die daher von dieser Partei vor Schäden bewahrt werden muss (vgl. etwa Art. 1880 S. 1, 1927 C. civ.), und dem Arbeitnehmer, der sich selbst in den Betrieb des Arbeitgebers begibt und daher von diesem vor Schäden bewahrt werden muss (vgl. Art. L. 4211-1 C. trav.), nicht von der Hand zu weisen. Allerdings schuldet der Arbeitnehmer nicht ein Hingeben seiner Person, sondern lediglich die Erbringung bestimmter Handlungen. Dass sich der Arbeitnehmer für die Erbringung der Arbeitsleistung in den Betrieb des Arbeitgebers begibt und sich dort ggf. gewissen Gefahren aussetzt, ist bloße Folge seiner Verpflichtung. Die Schutzpflicht trifft zudem nicht den Arannimmt, welche darin bestehe, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Arbeit zur Verfügung stellt; in diese Richtung wohl auch Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2446 f., insb. Fn. 87); mit weiteren Beispielen G. Pignarre, RTD civ. 2001, 41 (53 ff.). 228  Cass. Civ., Urt. v. 14.3.1900 = Sirey 1900.I.489 (affaire Eden c. Whistler); bestätigt durch Cass. Civ., 1re, Urt. v. 20.1.1953 = JCP 1953.II.7677; grundlegend auch CA Paris, 1re, Urt. v. 4.7.1865 = D. 1865.II.201 (affaire Rosa Bonheur); vgl. hierzu auch Fabre-Magnan, RDC 2015, 639 (641). 229  Fabre-Magnan, RDC 2015, 639 (641); in dieselbe Richtung Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2437 u. 2439), die jedoch zugibt, dass eine Einordnung als obligation de faire bzw. obligation de ne pas faire nicht ausreicht, um die Zwangsvollstreckung in Natur auszuschließen (a. a. O., S. 2442 f.). 230  Vgl. zu den verschiedenen Auffassungen, was unter der obligation de donner zu verstehen sei etwa Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2443 ff.).



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beitnehmer als Schuldner der obligation de praestare, sondern den Arbeitgeber, weshalb beide Konstellationen letztlich doch nicht vergleichbar sind. Drittens sind die drei Kategorien der obligation entbehrlich, wenn es darum geht, den höchstpersönlichen Charakter einer obligation festzustellen. Die Frage, ob die Zwangsvollstreckung in Natur wegen des höchstpersönlichen Charakters einer obligation ausgeschlossen ist, ist anhand der Umstände des Einzelfalles und insbesondere dem Grad der Höchstpersönlichkeit zu bestimmen.231 Eine vorherige Subsumtion unter eine der drei Kategorien erscheint hierfür unnötig kompliziert und teilweise sogar irreführend.232 Erfolgt die Eigentumsübertragung bereits durch den Vertragsschluss, so dass der Schuldner nicht weiter tätig werden muss, erübrigt sich eine Zwangsvollstreckung ohnehin, womit es auf die Frage der Höchstpersönlichkeit der obligation und damit auch auf die Frage, ob eine obligation de donner vorliegt, nicht mehr ankommt. Als weiteres Beispiel für die zweifelhafte Zweckmäßigkeit dieser Kategorisierung können die Vorschriften zur Zwangsräumung herangezogen werden. Das vierte Buch des Code de procédures civiles d’exécution (Art. L. 411-1 ff. CPCE) regelt die besondere Situation der Zwangsräumung und dies unabhängig davon, ob die betroffenen Räume beispielsweise von einem Verkäufer oder von einem Mieter zu Unrecht nicht übergeben wurden. Auch hier werden die maßgeblichen Sachfragen also unabhängig davon geregelt, ob der Ausgangspunkt der Zwangsvollstreckung eine obligation de donner oder eine obligation de praestare ist. Die traditionelle Dreiteilung der obligation, je nach Art der Leistung, erfüllt demnach ein didaktisches Interesse, erscheint jedoch sowohl für das droit des obligations (Schuldrecht) als auch das Zwangsvollstreckungsrecht aus dogmatischer Sicht als nicht präzise genug und erscheint daher entbehrlich.233 231  Ausdrücklich auch Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2448): „En dehors des situations particulières où l’exécution en nature est écartée pour des raisons purement matérielles, la possibilité de sanctionner l’inexécution d’une obligation contractuelle par l’exécution forcée en nature repose sur le degré d’implication physique ou morale du débiteur dans l’exécution de l’obligation, dans le caractère ‚substituable ou non du débiteur‘.“; zustimmend Lucas-Puget, Essai sur la notion d’objet du contrat, 2005, S. 131. 232  Vgl. nur die Debatte zur restriktiven Anwendung des Art. 1142 C. civ. a. F., wonach der Einordnung als obligation de faire noch keine Aussage über die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung in Natur entnommen werden kann, da es hierfür vor allem auf die Höchstpersönlichkeit der obligation ankommt: sehr anschaulich Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2439 ff.); ebenso Maire, Volonté et exécution forcée de l’obligation, 2018, S. 60 m. w. Nachw., S. 69 ff. und insb. S. 71 f., wo die Abschaffung der traditionellen Dreiteilung durch die Gesetzesreform begrüßt wird, weil die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung gerade nicht von der Einordnung der obligation in eine der drei Kategorien abhänge. Letztlich stellt auch die Rechtsprechung allein auf den Grad der Höchstpersönlichkeit ab: etwa Cass. Civ., 1re, Urt. v. 20.1.1953 = JCP 1953.II.7677; Cass. Soc., Urt. v. 20.6.1963 = JCP 1963.IV.105 = Bull. civ. Nr. 531; im Ergebnis ebenso G. Pignarre, RTD civ. 2001, 41 (44) m. w. Nachw.: sofern dies. meint (a. a. O., S. 75 f.), diesem Problem mit der Einführung der obligation de praestare begegnen zu können, sind dem die oben genannten ersten beiden Argumente entgegenzuhalten. 233 Ebenso L.‑F. Pignarre, Les obligations en nature et de somme d’argent, 2010, S. 72,

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bb)  Die (wiederentdeckte) Zweiteilung der obligation in obligation en nature und obligation de somme d’argent Entgegen der soeben dargestellten traditionellen Dreiteilung fand die Zweiteilung in obligation en nature und obligation de somme d’argent im Code civil von 1804 zunächst keine gesetzliche Verankerung.234 Mit der ordonnance Nr. 2016-131 vom 10. Februar 2016 wurden jedoch die Art. 1343 ff. C. civ. eingeführt, die einige Besonderheiten hinsichtlich der Erfüllung von Geldschulden regeln. Diese Art der Differenzierung war in Rechtsprechung235 und Literatur236 jedoch bereits länger anerkannt. Pignarre zufolge ist die obligation de somme d’argent älter als die obligation en nature.237 Letztlich sei das Konzept der obligation mit dem ersten römischen Geld entstanden, beide Phänomene seien demnach gleichzeitig aufgetreten und hätten sich gewissermaßen gegenseitig bedungen.238 Die traditionelle Unterteilung verschiedener Typen der obligation je nach Inhalt der Leistung sei erst viel später aufgekommen als die Unterscheidung zwischen obligation en nature und obligation de somme d’argent.239 Diese ließe sich auf die Gesetze Silia und Calpurnia aus dem Jahr 149 v. Chr. zurückführen, die bereits zwischen einer auf Geld gerichteten actio einerseits und einer auf eine bestimmte Sache gerichteten actio andererseits differenzierten.240 Die Unterscheidung zwischen obligation en nature und obligation de somme d’argent rechtfertige sich bereits aus der Eigenheit des Geldes, selbst bei mehrmaliger Verwendung nicht verbraucht zu werden.241 Eine weitere Besonderheit besonders anschaulich in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen zur Einordnung der obligation de somme d’argent, S. 73 f.; die Rechtsprechung stellt mit Blick auf Art. 46 CPC lediglich fest, dass die Zahlung einer Geldsumme weder eine livraison effective de la chose (Lieferung der Sache) noch eine exécution de la prestation de service (Erbringung der Dienstleistung) sei, Cass. Civ., 1re, Urt. v. 16.3.1999 = Bull. civ. I Nr. 96; Cass. Com., Urt. v. 22.10.1996 = JCP 1997.II.22821; Cass. Com., Urt. v. 21.3.1989 = Bull. civ. IV Nr. 95; Cass. Com., Urt. v. 9.3.1999 = Bull. civ. IV Nr. 56. 234 Ebenso L.‑F. Pignarre, Les obligations en nature et de somme d’argent en droit privé, 2010, S. 8. 235 Vgl. zur Anwendung des Art. 1895 C. civ. auf weitere Vertragstypen und damit zur Festigung des Nominalismusprinzips als allgemein gültigen Grundsatz Cass. Req., Urt. v. 25.2.1929 = Gaz. Pal. 1929.I.802; Cass. Req., Urt. v. 25.10.1932 = Gaz. Pal. 1933.I.36. 236  Libchaber, Recherches sur la monnaie en droit privé, 1992, insb. S. 179 ff.; Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2444); Carbonnier, Droit civil, Bd. 2, 2004, S. 1926 ff. Rn. 925; L.‑F. Pignarre, Les obligations en nature et de somme d’argent en droit privé, 2010, passim; Flour/Aubert/ Savaux, Les obligations, Bd. 1, 16. Aufl. 2014, S. 32 ff. Rn. 46 ff.; zu den Besonderheiten des Geldes im Vergleich zu anderen Wirtschaftsgütern auch Testart, Aux origines de la monnaie, 2001, S. 14 ff. 237  L.‑F. Pignarre, Les obligations en nature et de somme d’argent en droit privé, 2010, S. 39 ff. 238  L.‑F. Pignarre, a. a. O., S. 40. 239  L.‑F. Pignarre, a. a. O., S. 41. 240  L.‑F. Pignarre, a. a. O., S. 41. 241  Testart, Aux origines de la monnaie, 2001, S. 15; L.‑F. Pignarre, Les obligations en



III. Stellungnahme zu den im franz. Recht bestehenden Konzeptionen

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des Geldes sei es, neben der Zahlung zusätzlich die Ermittlung des Wertes einer bestimmten Leistung zu ermöglichen.242 Während der bei Vertragsschluss in Geld ermittelte Wert der obligation en nature keinerlei Schwankungen unterliege, da stets die Leistung in Natur unabhängig von ihrem Geldwert geschuldet sei, repräsentiere die obligation de somme d’argent eine Kaufkraft, welche ständigen Änderungen ausgesetzt sei.243 Allein das Nominalismusprinzip sorge dafür, dass stets die vereinbarte Summe geschuldet werde und nicht die bei Vertragsschluss mit der Summe zum Ausdruck gebrachte Kaufkraft.244 Manche Anhänger dieser Unterscheidung zwischen obligation en nature und obligation de somme d’argent möchten darauf aufbauend die dette de valeur (Geldwertschuld) als Hybrid zwischen den beiden anderen Obligationsarten einordnen, da die dette de valeur zunächst einen bestimmten unveränderbaren Wert und später eine unveränderbare Geldsumme als Inhalt der obligation habe.245 Pignarre vertritt hingegen die Ansicht, die dette de valeur sei keine obligation, sondern lediglich ein Mechanismus, der es erlaube, die Entstehung einer obligation de somme d’argent in die Zukunft zu verschieben.246 Dies ergebe sich bereits daraus, dass ein Wert an sich ungeeignet sei, den Inhalt einer obligation darzustellen.247 Denn der Wert sei schließlich nur eine psychosoziologische Angabe, wohingegen eine obligation stets nature et de somme d’argent en droit privé, 2010, S. 43, daher äußert sich ders. auch kritisch zur Einordnung der obligation de somme d’argent als chose consomptible (Verbrauchsgegenstand), S. 82 ff. 242  Libchaber, Recherche sur la monnaie en droit privé, 1992, S. 22 und weitere, der grundlegend zwischen unité de valeur und unité de paiement unterscheidet; im Wesentlichen zustimmend L.‑F. Pignarre, Les obligations en nature et de somme d’argent en droit privé, 2010, S. 44: Das Geld definiere sich als ein Prozess, welcher zunächst die unité de valeur (Werteinheit) einsetze, um den Wert der dette zu bestimmen, und schließlich die unité de paiement (Zahlungseinheit), um die dette zu begleichen. „La monnaie se définit donc comme un processus qui fait intervenir successivement une unité de valeur qui permet de déterminer le quantum de la dette et une unité de paiement qui permet de liquider cette même dette.“ (Herv. i. Org.). Im Unterschied zu Libchaber ist für Pignarre (a. a. O., S. 46, 50) der Prozess der Wertermittlung für die Entstehung der obligation zwingend notwendig und geht der Entstehung daher stets voraus. 243  Libchaber, Recherche sur la monnaie en droit privé, 1992, S. 180; L.‑F. Pignarre, Les obligations en nature et de somme d’argent en droit privé, 2010, S. 10. 244  L.‑F. Pignarre, Les obligations en nature et de somme d’argent en droit privé, 2010, S. 10 f. 245  So etwa Flour/Aubert/Savaux, Les obligations, Bd. 1, 16. Aufl. 2014, Rn. 48; dagegen Libchaber, Recherche sur la monnaie en droit privé, 1992, S. 181 ff.; vgl. zu dieser Frage auch L.‑F. Pignarre, Les obligations en nature et de somme d’argent en droit privé, 2010, S. 12 f. 246  L.‑F. Pignarre, a. a. O., S. 13. 247  L.‑F. Pignarre, a. a. O., S. 13, 45; a. A. Libchaber, Recherche sur la monnaie en droit privé, 1992, S. 29 f.: „l’objet de l’obligation est composé d’unités de valeur, […] la prestation se fait par transfert d’unités de paiement“; andererseits äußert ders. selbst Zweifel, a. a. O., S. 27 Fn. 2: „Il est vrai qu’il n’est pas certain que la valeur soit encore dans le domaine juridique“.

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auf ein monetäres oder nichtmonetäres „bien“ (Gegenstand) bzw. eine Leistung gerichtet sei, die einen bestimmten Wert habe.248 Dieser Auffassung ist darin zuzustimmen, dass die Unterscheidung zwischen obligation en nature und obligation de somme d’argent nicht unwesentlich ist. Wie die Einführung der Art. 1343 ff. C. civ. zeigt, bestehen bei Geldschulden einige Besonderheiten (wie z. B. Nominalismusprinzip, Zinsen, Währung etc.). Auch für die Anwendung des Code des procédures civiles d’exécution ist maßgeblich, ob einerseits aus einer in der Höhe bestimmten oder bestimmbaren (Art. L. 111-6 CPCE) obligation de somme d’argent in eine Geldforderung des Schuldners (Art. L. 211-1 ff. CPCE), in einen beweglichen körperlichen Gegenstand (Art. L. 221-1 ff. CPCE), ein immaterielles Recht (Art. L. 231-1 ff. CPCE), in spezielle bewegliche Gegenstände (Art. L. 241-1 CPCE) oder in unbewegliches Vermögen (Art. L. 311-1 ff. CPCE) vollstreckt wird, oder ob andererseits eine obligation en nature etwa im Wege der Zwangsräumung (Art. L. 411-1 ff. CPCE) oder der Herausgabe einer Mobilie mittels der saisie-appréhension (Art. L. 222-1 CPCE) vollstreckt werden soll. Die größte Besonderheit der Geldschulden aus zwangsvollstreckungsrechtlicher Sicht ist jedoch, dass nicht zwischen der Erfüllung in Natur und der Erfüllung mittels Surrogats unterschieden werden kann, weshalb die Zwangsvollstreckung solange Erfolg haben wird, wie der Schuldner zahlungsfähig bleibt.249 Auch wenn die Unterscheidung zwischen obligation en nature und obligation de somme d’argent im Lichte des französischen Zwangsvollstreckungsrechts durchaus berechtigt ist, bestehen Zweifel, ob sie für hiesige Untersuchung zweckmäßig sein kann. So gibt Pignarre selbst zu Bedenken, dass der objet einer obligation stets in einem monetären oder nicht-monetären Gegenstand oder einer Handlung besteht.250 Auch Pignarre lässt demnach die Möglichkeit offen, den Inhalt der obligation in der Verschaffung eines Gegenstandes oder der Vornahme einer Handlung zu sehen. Für ihn ist die Unterteilung in obligation en nature und obligation de somme d’argent eine autonome Kategorisierung, die nicht mit anderen Fragen vermengt werden sollte und daher neben anderen Konzepten bestehen kann.251

248 

S. 45.

L.‑F. Pignarre, Les obligations en nature et de somme d’argent en droit privé, 2010,

249  Carbonnier, Droit civil, Bd. 2, 2004, S. 1928 Rn. 925; Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2444). 250  L.‑F. Pignarre, Les obligations en nature et de somme d’argent en droit privé, 2010, S. 45. 251  L.‑F. Pignarre, a. a. O., S. 75 f.



III. Stellungnahme zu den im franz. Recht bestehenden Konzeptionen

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cc)  Die Unterscheidung zwischen obligation de moyens und obligation de résultat Eine weitere, weit verbreitete Auffassung252 möchte die geschuldeten Leistungen danach unterteilen, ob der Schuldner einen Erfolg (obligation de résultat) oder lediglich eine gewisse Anstrengung zu erbringen hat (obligation de moyens). Diese Differenzierung wurde von Demogue begründet.253 Zwar ist diese weder im Code civil angelegt, noch fand sie Eingang in die ordonnance Nr. 2016-131 vom 10. Februar 2016 oder in das Reformvorhaben zur responsabilité civile vom 13. März 2017. Dennoch sprechen sich einige Stimmen für die Beibehaltung dieser Unterscheidung aus.254 Demogue entwickelte die Kategorien obligation de résultat und obligation de moyens im Rahmen seiner Untersuchung des Verhältnisses zwischen deliktischer und vertraglicher Haftung.255 Eine zu dieser Zeit weit verbreitete Auffassung nahm an, dass der Kläger im Falle der deliktischen Haftung die faute (die Verantwortlichkeit) des Beklagten beweisen müsse, während sich die vertragliche Haftung zumindest solange aus der inexécution (Nichterfüllung) ergebe, bis der Schuldner die Voraussetzungen eines anerkannten Entschuldigungsgrundes bewiesen habe.256 Demogue versucht hingegen nachzuweisen, dass das System der Beweislast in beiden Haftungsregimen identisch sei.257 Die entscheidende Frage sei bei beiden Haftungsgrundlagen, ob der Beklagte gesetzlich bzw. vertraglich einen Erfolg oder lediglich die Vornahme bestimm252  Jourdain, JCP G 2016, 1557 (1558 re. Sp.) bezeichnet die Resonanz als nahezu einstimmig: „la quasi-totalité de la doctrine francaise“. 253  Demogue, Traité des obligations en général, Bd. 5, 1925, S. 536 ff. Rn. 1237. Ob es diese Einteilung bzw. erste Ansätze davon bereits im römischen Recht gab, ist umstritten: Hils, Die Unterscheidung zwischen der obligation de résultat und der obligation de moyens, 1969, S. 7 ff. 254  Jourdain, JCP G 2016, 1557 (passim), der betont, wie sehr diese Unterscheidung bereits in der französischen Rechtstradition verankert sei; vgl. Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 271 Rn. 319, der im Unterschied zu der traditionellen Dreiteilung (oben unter aa) (S. 170 ff.) und insb. Teil 2 Fn. 219) im Zusammenhang mit der Differenzierung obligation de résultat/obligation de moyens eine Aufgabe bzw. ein Verschwinden dieser Ansicht nicht erwähnt. 255  Demogue, Traité des obligations en général, Bd. 5, 1925, S. 523 ff. Rn. 1230 ff. 256 Vgl. zum Meinungsstand Demogue, Traité des obligations en général, Bd. 5, 1925, S. 537 Rn. 1237; für diese Ansicht etwa Huc, Commentaire théorique et pratique du code civil, Bd. 7, 1894, S. 143 Rn. 95; Colin/Capitant, Traité de droit civil – Obligations, Bd. 2, 7. Aufl. 1932, S. 70 ff. Rn. 77 ff.; Baudry-Lacantinerie/Barde, Traité théorique et pratique – Des obligations, Bd. 1, 3. Aufl. 1906, S. 400 f. Rn. 356; Saleilles, Étude sur la théorie générale de l’obligation, 1914, S. 436 ff., der sich zugleich jedoch gegen die Vermutung eines schuldhaften Verhaltens ausspricht und die faute in der inexécution sieht; zumindest für die obligation de résultat ebenso H. Mazeaud/L. Mazeaud, Responsabilité civile, Bd. 1, 2. Aufl. 1934, S. 627 Rn. 681; zu der damit eng verknüpften Frage nach dem Verhältnis der Begriffe inexécution und faute contractuelle etwa Tallon, Mélanges Cornu, 1994, S. 429 (passim); Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 270 Rn. 318; vgl. auch die Ausführungen unten unter B. III. (S. 202 ff.). 257  Demogue, Traité des obligations en général, Bd. 5, 1925, S. 538 u. 542 f. Rn. 1237.

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ter Maßnahmen schulde.258 Sofern er einen Erfolg schulde, sei die Verantwortlichkeit des Schuldners mit Ausbleiben des Erfolgs zu vermuten, andernfalls, d. h. sofern er die Vornahme bestimmter Maßnahmen schulde, habe der Kläger die Verantwortlichkeit zu beweisen.259 Das Konzept Demogues wurde schließlich von zahlreichen Stimmen aufgegriffen und dem Versuch der Optimierung unterzogen.260 In den letzten beiden Jahrzehnten wurden darüber hinaus Vorschläge unterbreitet, die Unterteilung in obligation de résultat und obligation de moyens zu kodifizieren.261 Als Argument für die Unterscheidung zwischen obligation de résultat und obligation de moyens wurde vorgetragen, dass allein mit ihrer Hilfe die vermeintliche Antinomie zwischen Art. 1137 C. civ.  a. F. und Art. 1147 C. civ.  a. F. aufgelöst werden könne.262 Der Widerspruch zwischen den beiden Vorschriften bestehe darin, dass einerseits Art. 1137 C. civ. a. F. den Schuldner von seinen Pflichten befreie, sofern dieser die erforderliche Sorgfalt walten ließ, während andererseits Art. 1147 C. civ. a. F. für eine Befreiung darüber hinaus fordere, dass die inexécution auf einem von außen kommenden (sog. caractère d’extériorité), unvorhersehbaren (sog. caractère d’imprévisibilité) und unüberwindbaren (sog. caractère d’irrésistibilité) Ereignis beruhe, womit nach dieser Vorschrift jede in der Sphäre des Schuldners begründete Ursächlichkeit der Nichtleistung unweigerlich zu dessen Haftung führe.263 258 

Demogue, Traité des obligations en général, Bd. 5, 1925, S. 538 f. Rn. 1237. Vgl. die Beispiele bei Demogue, Traité des obligations en général, Bd. 5, 1925, S. 538 ff. Rn. 1237; vgl. auch die Argumente bei Tunc, JCP G 1945.I.449, Rn. 8 ff. 260  H. Mazeaud, RTD civ. 1936, 1 (22 ff.), der u. a. eine andere Terminologie verwendet (obligation déterminée einerseits und obligation de prudence et de diligence andererseits); Esmein, Mélanges Ripert, 1950, Bd. 2, S. 101 (108 ff.) mit Kritik an der Terminologie Demogues und H. Mazeauds; H. Mazeaud/L. Mazeaud/Tunc, Responsabilité civile, Bd. 1, 6. Aufl. 1965, S. 113 Rn. 103-2 ff.; Frossard, La distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 1965, passim, insb. S. 49 ff.; Bellissent, Contribution à l’analyse de la distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 2001, passim. 261  P. Catala (Hrsg.), Avant-projet de réforme du droit des obligations et de la prescription, 2006, S. 49 f. (Begründung) u. S. 103 (Art. 1149): „L’obligation est dite de résultat lorsque le débiteur est tenu, sauf cas de force majeure, de procurer au créancier la satisfaction promise […]. L’obligation est dite de moyens lorsque le débiteur est seulement tenu d’apporter les soins et diligences normalement nécessaires pour atteindre un certain but […].“; Avant-projet de réforme du droit de la responsabilité civile vom 16.7.2012 (größtenteils vertraulich, Art. 40 jedoch teilweise abgedruckt bei Jourdain, JCP G 2016, 1557 [1558 mi. Sp.]): „‚Lorsque le débiteur est tenu de procurer au créancier la satisfaction promise […]. Lorsque le débiteur est seulement tenu d’apporter les soins et diligences normalement nécessaires pour atteindre un certain but […]‘“. 262  Demogue, Traité des obligations en général, Bd. 6, 1931, S. 164 Rn. 153 u. S. 642 ff. Rn. 597 ff.; vgl. H. Mazeaud, RTD. Civ. 1936, 1 (40). Das Verhältnis dieser beiden Vorschriften setzt sich in ihren Nachfolgeregelungen Art. 1197 und Art. 1231-1 C. civ. fort, wenngleich die Formulierung des neuen Art. 1197 C. civ. im Vergleich zu Art. 1137 C. civ. a. F. enger gewählt scheint, vgl. hierzu Jourdain, JCP G 2016, 1557 (1557 f.). 263  H. Mazeaud/L. Mazeaud/Tunc, Responsabilité civile, Bd. 1, 6. Aufl. 1965, S. 730 Rn. 655 ff.; Rodière, RTD civ. 1954, 201 (205); Rémy, RTD civ. 1997, 323 (345); Bellissent, 259 



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Es wurden als Gegenentwürfe zur Unterscheidung obligation de résultat/de moyens unterschiedliche Ansätze entwickelt, um diesen vermeintlichen Widerspruch aufzuheben. Nach einer Auffassung soll Art. 1137 C. civ.  a. F. nur auf die obligation de donner und Art. 1147 C. civ. a. F. nur auf die obligation de faire bzw. de ne pas faire anwendbar sein.264 Dagegen spreche jedoch bereits der Wille des historischen Gesetzgebers und der klare Wortlaut der Art. 1146, 1147, 1148 C. civ. a. F., welche ausdrücklich auch die obligation de donner nennen.265 Zudem sei der Sorgfaltsmaßstab des Art. 1137 C. civ. a. F. auf die obligation de conserver (Aufbewahrungspflicht) anzuwenden, welche als obligation de faire einzuordnen sei.266 Schließlich sei Art. 1137 C. civ. a. F. Ausdruck eines allgemeinen Prinzips, welches in zahlreichen anderen Vorschriften, die wiederum jeweils eine obligation de faire beträfen, aufgegriffen werde.267 Die Anhänger der Unterscheidung zwischen obligation de moyens und obligation de résultat möchten den vermeintlichen Widerspruch zwischen Art. 1137 und Art. 1147 C. civ. a. F. damit erklären, dass Art. 1137 C. civ. a. F. lediglich auf die obligation de moyens anzuwenden sei, während Art. 1147 C. civ. a. F. allein für die obligation de résultat gelte.268 Das Vorliegen einer obligation de résultat führe zur Anwendung des Art. 1147 C. civ. a. F. und sei daher bereits wegen des Ausbleibens des geschuldeten Erfolgs ein vorwerfbares Fehlverhalten des Schuldners widerleglich zu vermuten.269 In Fällen des Art. 1137 C. civ. a. F., d. h. bei Vorliegen einer obligation de moyens, müsse der Contribution à l’analyse de la distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 2001, S. 144 ff. und mit weiteren Nachw. in Fn. 745; allerdings wurde das Kriterium der extériorité mit der ordonnance Nr. 2016-131 v. 10.2.2016 abgeschafft: stattdessen stellt Art. 1218 C. civ. darauf ab, dass sich das Ereignis der Kontrolle des Schuldners entzieht („un événement échappant au contrôle du débiteur“), vgl. hierzu Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 273 ff. Rn. 323; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 549 f. Rn. 956 f. 264  Rodière, RTD civ. 1954, 201 (205 f.) m. w. Nachw.; Bellissent, Contribution à l’analyse de la distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 2001, S. 145. 265  Bellissent, Contribution à l’analyse de la distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 2001, S. 145 f. 266  Bellissent, a. a. O., S. 146. 267  Bellissent, a. a. O., S. 146. 268  Demogue, Traité des obligations en général, Bd. 6, 1931, S. 164 Rn. 153 u. S. 642 ff. Rn. 597 ff.; H. Mazeaud/L. Mazeaud, Responsabilité civile, Bd. 1, 2. Aufl. 1934, S. 618 Rn. 671; Frossard, La distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 1965, S. 68 ff.; Rémy, RTD civ. 1997, 323 (344): „promesse d’un avantage“ im Falle des Art. 1147 C. civ. a. F. und „promesse d’un certain comportement“ bei Art. 1137 C. civ. a. F., der selbst jedoch bereits die Antinomie bezweifelt; Carbonnier, Droit civil, Bd. 2, 1. Aufl. 2004, S. 2190 f. Rn. 1072; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 537 f. Rn. 939; vgl. ferner Bellissent, Contribution à l’analyse de la distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 2001, S. 145 m. w. Nachw.; kritisch Tunc, JCP G 1945.I.449, Rn. 22; anders auch H. Mazeaud/L. Mazeaud/Tunc, Responsabilité civile, Bd. 1, 6. Aufl. 1965, S. 741 Rn. 663, die in Art. 1137 C. civ. a. F. eine obligation de résultat sehen. 269  Carbonnier, Droit civil, Bd. 2, 1. Aufl. 2004, S. 2190 f. Rn. 1072; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 537 f. Rn. 939; etwas anders noch Frossard,

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Gläubiger hingegen einen Verstoß gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht beweisen.270 Der Differenzierung zwischen obligation de moyens und obligation de résultat werden jedoch mehrere Einwände entgegengehalten.271 So wird häufig hervorgehoben, dass jede obligation ein zu erreichendes Ergebnis (résultat) und die zu diesem Ergebnis führenden Mittel (moyens) erfasse.272 Auch fehle es an einem eindeutigen Kriterium, um die kaum überschaubare Vielfalt der Obligationsformen in eine der beiden Kategorien einzuordnen.273 Sofern mit der Unterscheidung obligation de résultat/obligation de moyens die Frage der Verteilung der Beweis- und Darlegungslast beantwortet werden soll, wird dem entgegengehalten, dass diese bereits in Art. 1315 Abs. 1 u. Abs. 2 C. civ. a. F. (heute: Art. 1353 Abs. 1 u. Abs. 2 C. civ.) geregelt wurde.274 Darüber hinaus wurde bereits in Frage gestellt, ob der Beweis der inexécution einer obligation La distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 1965, S. 108, der eine faute im Falle der obligation de résultat für nicht erforderlich hält. 270  Carbonnier, Droit civil, Bd. 2, 1. Aufl. 2004, S. 2191 Rn. 1072; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 537 Rn. 939; wiederum noch anders Frossard, La distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 1965, S. 78, wonach bei der obligation de moyens die faute vermutet werden kann oder nicht. 271  Kritisch aus internationaler Sicht etwa Alessi, ERPL 2005, 657 (insb. 682 ff.); Hils, Die Unterscheidung zwischen der obligation de résultat und der obligation de moyens, 1969, S. 171. 272  Planiol/Ripert/Boulanger, Traité de droit civil, Bd. 2, 4. Aufl. 1952, S. 244 f. Rn°699: „Toute obligation comporte un résultat à obtenir et des moyens propres à le procurer“; Esmein, Mélanges Ripert, 1950, Bd. 2, S. 101 (110): „Dans tous les contrats, ce que le débiteur s’engage à faire, c’est donner ses soins en vue de procurer un certain résultat, et c’est à propos de chacun de ses actes qu’on apprécie s’il est ou non reprochable“; Rémy, RTD civ. 1997, 323 (343); Lucas-Puget, Essai sur la notion d’objet du contrat, 2005, S. 127, 151 f.; Malaurie/Aynès/StoffelMunck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 541 Rn. 948: „[C]elui qui promet un résultat est tenu, en même temps, d’une obligation de moyens. Inversement, celui qui promet des moyens, promet aussi certains résultats“. So schulde etwa der Arzt zwar nicht den Heilungserfolg, zumindest jedoch Diagnose- und Therapiemaßnahmen am vereinbarten Ort zur vereinbarten Zeit (a. a.O, Fn. 16); im Ergebnis auch Tallon, Mélanges Cornu, 1994, S. 429 (437): sowohl bei der Verletzung einer obligation de moyens als auch bei der Verletzung einer obligation de résultat werde letztlich immer ein Ergebnis nicht erreicht: der Schuldner habe nicht getan, was er versprochen hatte („c’est toujours un résultat qui n’est pas atteint: le débiteur n’a pas fait ce qu’il avait promis“); a. A. jedoch wenig überzeugend Frossard, La distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 1965, S. 54, der meint, dass jede obligation auf ein Ziel gerichtet sei und die Besonderheit der obligation de moyens darin liege, dass der Schuldner dieses Ziel gerade nicht erreichen müsse; ferner Faure-Abbad, Le fait générateur de la responsabilité contractuelle, 2003, S. 29, 251. 273  Planiol/Ripert/Boulanger, Traité de droit civil, Bd. 2, 4. Aufl. 1952, S. 244 f. Rn°699; Tallon, Mélanges Cornu, 1994, S. 429 (433); Rémy, RTD civ. 1997, 323 (343); Malaurie/Aynès/ Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 540 f. Rn. 948; um der Vielfalt der Konstellationen gerecht zu werden, wurden verschiedene Abstufungen vorgeschlagen – nicht weniger als sieben verschiedene finden sich bei Alvarez, Essai sur la notion d’exécution contractuelle, 2017, S. 340 f. 274  Rémy, RTD civ. 1997, 323 (343); Faure-Abbad, Le fait générateur de la responsabilité contractuelle, 2003, S. 249 ff.



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de résultat, wie von den Anhängern dieser Unterscheidung behauptet, tatsächlich immer leichter zu führen sei als der Beweis der inexécution einer obligation de moyens.275 Schließlich sei die Unterscheidung obligation de résultat und obligation de moyens auch nicht erforderlich, weil Art. 1147 C. civ. a. F. den allgemeinen Grundsatz regele und Vorschriften wie Art. 1137 C. civ. a. F. lediglich Ausnahmen vorsähen.276 Gegen dieses Argument wurde wiederum vorgebracht, dass der Sorgfaltsmaßstab des Art. 1137 C. civ. a. F. grundsätzlich als allgemeines Prinzip anerkannt sei.277 Darüber hinaus führe eine solche Ansicht zu einer künstlichen Aufspaltung des Sorgfaltsmaßstabs, wonach der „vernünftige“ Schuldner des Art. 1137 C. civ. a. F. vom „exzellenten“ Schuldner des Art. 1147 C. civ. a. F. zu unterscheiden sei.278 Die genannten Argumente vermögen den Ansatz, wonach die Art. 1137, 1147 C. civ. a. F. bzw. Art. 1197, 1231-1 C. civ. n. F. in einem Grundsatz-Ausnahme-Verhältnis zueinanderstehen, jedoch nicht zu widerlegen. Wie bereits ausgeführt, überzeugt die Differenzierung und Anwendung der Vorschriften abhängig davon, ob eine obligation de donner oder eine obligation de faire vorliegt, mangels eindeutigem Unterscheidungskriterium nicht. Unter derselben Schwäche leidet die Differenzierung zwischen obligation de résultat und obligation de moyens. Zugleich laufen beide Lösungsansätze Gefahr, einen einheitlichen Sachverhalt und damit eine einheitliche Verpflichtung bzw. obligation ohne Not in mehrere obligations aufzuteilen. Darüber hinaus beschränkt ein solches Verständnis die Anwendung des Sorgfaltsmaßstabs der vernünftigen Person keineswegs. Es mag zahlreiche Vorschriften geben, die die Haftung des Schuldners auf Verstöße gegen die allgemeine Sorgfalt begrenzen.279 Auch mögen einige dieser Vorschriften in analoger Anwendung auf weitere Konstellationen anwendbar sein.280 All dies ändert jedoch nichts daran, dass der 275  Tallon, Mélanges Cornu, 1994, S. 429 (437) mit dem Hinweis darauf, dass der Beweis einer inexécution regelmäßig auf den Beweis einer negativen Tatsache hinausläuft (Fn. 39); zustimmend Rémy, RTD civ. 1997, 323 (343). 276 So bereits Colin/Capitant, Traité de droit civil  –  Obligations, Bd. 2, 7. Aufl. 1932, S. 70 ff. Rn. 77 ff.; ferner Tallon, Mélanges Cornu, 1994, S. 429 (434); Rémy, RTD civ. 1997, 323 (344 f.); Faure-Abbad, Le fait générateur de la responsabilité contractuelle, 2003, S. 242 ff. 277  Ségur, La notion de faute contractuelle en droit français, 1954, S. 92; Bellissent, Contribution à l’analyse de la distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 2001, S. 146; kritisch zu dem vorgenannten Argument auch H. Mazeaud/L. Mazeaud/Tunc, Responsabilité civile, Bd. 1, 6. Aufl. 1965, S. 740 f. Rn. 663, obwohl dies. Art. 1137 C. civ. a. F. gerade nicht als Ausdruck eines allgemeinen Prinzips auffassen. 278  Bellissent, Contribution à l’analyse de la distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 2001, S. 146 f. 279  Vgl. etwa Art. 1301-1 Abs. 1, 1728 Nr. 1, 1729, 1766, 1806, 1880, 1962 Abs. 1 C. civ. 280  Mit dieser methodischen Vorgehensweise ließen sich einige Urteile zur obligation de moyens weiterhin rechtfertigen. Anstelle der Frage, ob nur ein bestimmtes Verhalten geschuldet sei, müsste der Richter demnach feststellen, ob eine Regelungslücke vorliegt und die zu entscheidende Konstellation mit einer gesetzlich geregelten vergleichbar ist.

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Code civil zumindest im Ausgangspunkt den Schuldner für Zufälle (sog. cas fortuit281) haften lässt, sofern diese nicht die Voraussetzungen der force majeure erfüllen oder nicht ein vertragliches oder gesetzliches Haftungsprivileg vorliegt. Insofern kann auch von einem „exzellenten“ Schuldner nicht die Rede sein. Der gewöhnliche Schuldner des Code civil haftet grundsätzlich im cas fortuit282, unabhängig davon, ob er sich zuvor vernünftig oder exzellent verhalten hat. Die Funktionalität und Stimmigkeit dieses Ansatzes soll an folgendem, von H. Mazeaud, L. Mazeaud und Tunc aufgeworfenen283 und von Bellissent aufgegriffenen284 Beispiel285 erläutert werden: Angenommen V verkauft K eine Maschine und verpflichtet sich, diese bis zu einem bestimmten Zeitpunkt von Paris zu K nach Lyon zu bringen. V lädt die Maschine auf einen LKW und kontrolliert dessen Zustand (insbesondere Motoröl, Lichter, Luftdruck und Abnutzung der Reifen etc.). In diesem Beispiel wurde K gem. Art. 1196 Abs. 1, Abs. 3 C. civ. mit Vertragsschluss Eigentümer und trägt die Gefahr der zufälligen Verschlechterung der Sache. Gem. Art. 1197 C. civ. trifft V die Verpflichtung, die Sache zu erhalten und dabei die Sorgfalt einer vernünftigen Person anzuwenden. Mit dieser Konstellation als Ausgangspunkt können zwei Varianten unterschieden werden. In der ersten Variante wird V in einen Unfall verwickelt, dessen Verursachung allein einem Dritten vorzuwerfen ist. Für V handelt es sich demnach um ein unkontrollierbares, unvorhersehbares und unvermeidbares Ereig281  Mit

dieser Terminologie für Fälle, in denen weder die Voraussetzungen eines faute noch die der force majeure erfüllt sind, Bellissent, Contribution à l’analyse de la distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 2001, S. 154; vgl. auch Art. 1302 C. civ. a. F., wo mit cas fortuit diejenigen Fälle gemeint waren, in denen die geschuldete Sache ohne Verschulden (sans faute) des Schuldners unter- oder verlorengehen; mit „cas fortuit“ können jedoch auch die Konstellationen der force majeure gemeint sein, Bros, Dr. et patr. 2016, Nr. 259, 40 (40 re. Sp.); ebenso Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 546 Rn. 952 mit Verweis auf Art. 1148 C. civ. a. F., in welchem jedoch, wenn man das Wort ou (oder) eng auslegt, die force majeure vom cas fortuit unterschieden wird; zumindest offen gelassen bei Saleilles, Étude sur la théorie générale de l’obligation, 1914, S. 436, wonach sich cas fortuit und faute gegenseitig ausschließen sollen: „le cas fortuit seul supprime l’indemnité et le cas fortuit commence là où cesse la faute“. 282  Hier und im Folgenden ist unter cas fortuit die Konstellation zu verstehen, in der weder die Voraussetzungen eines faute, noch die der force majeure erfüllt sind, vgl. die Ausführungen in Teil 2 Fn. 281. 283  H. Mazeaud/L. Mazeaud/Tunc, Responsabilité civile, Bd. 1, 6. Aufl. 1965, S. 732 Rn. 660; Frossard, La distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 1965, S. 22 mit der Hypothese, dass diese Fälle bei Schaffung des Code civil noch unvorstellbar waren. 284  Bellissent, Contribution à l’analyse de la distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 2001, S. 153 ff. 285  Der Einfachheit halber bleiben besondere Vorschriften des Kauf- und Transportrechts wie bspw. Art. 1610, 1611, 1614 C. civ. und Art. L. 133-1 Code du commerce außer Betracht; weitere Beispiele aus der Rechtsprechung des Cour de cassation finden sich bei Rodière, RTD civ. 1954, 201 (212 ff.), der in diesem Zusammenhang von einer responsabilité sans faute spricht.



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nis und damit um einen Fall der force majeure gem. Art. 1218 C. civ.286 Gem. Art. 1231-1 C. civ. haftet V in dieser Variante weder für die durch den Unfall verursachte Verschlechterung der Maschine, noch für die verspätete Lieferung. Denn Art. 1231-1 C. civ. schließt bei force majeure die Haftung sowohl für eine Schlechtleistung als auch für eine verzögerte Leistung aus. In der zweiten Variante des Falles wird V nicht von einem Dritten in einen Unfall verwickelt, sondern es platzt auf der Autobahn einer seiner Reifen. Infolge des Bremsmanövers kommt der LKW, in einer für V unvermeidbaren Weise, von der Straße ab und die an sich ordnungsgemäß gesicherte Maschine wird beschädigt. Da der LKW zunächst geborgen und die Maschine umgeladen werden muss, erfolgt die Lieferung des V erst nach dem vereinbarten Zeitpunkt. Die Schwachstelle des Reifens hätte zuvor nur durch eine zeitaufwändige und kostenintensive Kontrolle erkannt werden können. In dieser Variante scheint sich V nicht auf Art. 1231-1 C. civ. berufen zu können, da der platzende Reifen aus seiner Sphäre stammt und an sich auch kein unkontrollierbares Ereignis darstellt.287 Das Besondere an dieser Variante ist jedoch, dass V, indem er den Zustand des LKW in zumutbarer Weise kontrollierte, alles getan hat, was von einem vernünftigen Schuldner erwartet werden kann. Wendet man hierauf die Art. 1137, 1147 C. civ. a. F. bzw. Art. 1197, 1231-1 C. civ. n. F. an, haftet V für die aufgrund der verzögerten Lieferung entstandenen Schäden, nicht jedoch für die Beschädigung der Maschine. Denn während sich der Schuldner hinsichtlich der Verzögerung nicht auf eine – vorliegend eben fehlende – force majeure und damit nicht auf Art. 1231-1 C. civ. berufen kann, hat er mit seiner Kontrolle des LKW alles getan, was von einem vernünftigen Schuldner erwartet werden kann und genießt er hinsichtlich der Verschlechterung der Sache daher das Privileg des Art. 1197 C. civ. Dieses Beispiel zeigt, dass die Frage der schuldnerischen Haftung anhand des Verhältnisses der Art. 1197, 1231-1 C. civ. n. F. beantwortet werden kann, ohne dass es der Unterscheidung obligation de moyens/obligation de résultat bedarf. Gem. Art. 1231-1 C. civ. n. F. haftet der Schuldner grundsätzlich in allen Fällen, in denen nicht die Voraussetzungen der force majeure im Sinne des Art. 1218 C. civ. n. F. vorliegen, es sei denn, es greift zu seinen Gunsten ein gesetzliches oder vertragliches Haftungsprivileg. 286  Mit diesem Ergebnis auch H. Mazeaud/L. Mazeaud/Tunc, Responsabilité civile, Bd. 1, 6. Aufl. 1965, S. 732 Rn. 660; Bellissent, Contribution à l’analyse de la distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 2001, S. 153 ff. 287 Vgl. Bellissent, Contribution à l’analyse de la distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 2001, S. 153 ff.; dass Art. 1218 C. civ. nunmehr auf ein „événement échappant au contrôle du débiteur“ (ein der Kontrolle des Schuldners entzogenes Ereignis) abstellt, und nicht mehr auf das Kriterium der „extériorité“, dürfte aufgrund der Abwandlung des Beispiels (die Neigung des Reifens, bei höherer Geschwindigkeit zu platzen, war grundsätzlich erkennbar, wenn auch nur mit unverhältnismäßigem Aufwand) keine Rolle spielen, vgl. zum neuen Art. 1218 C. civ. und dieser Frage auch Bros, Dr. et patr. 2016, Nr. 259, 40 (insb. 42).

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Auch die Unterscheidung zwischen obligation de résultat und obligation de moyens überzeugt folglich nicht. Abgesehen vom Fehlen eines eindeutigen Unterscheidungskriteriums bietet die Differenzierung keinen wirklichen Mehrwert für die Anwendung der Vorschriften des Code civil oder die Beantwortung beweisrechtlicher Fragen.

dd) Fazit Die vorgestellten Differenzierungen nach Art der Leistung haben einen gewissen didaktischen und auch heuristischen Wert, da sie es erlauben, sich der wachsenden Vielzahl möglicher Vertragsverhältnisse intellektuell zu nähern und sich auf diese Weise einen Überblick zu verschaffen. Allerdings führen die Unterscheidungskriterien zu einer unnötigen Aufspaltung der obligations, wobei sich zugleich die versuchten Kategorisierungen nicht eindeutig einhalten lassen. Darüber hinaus verbergen die vorgestellten Differenzierungen regelmäßig die entscheidende Sachfrage: so geht es in der Zwangsvollstreckung regelmäßig um die Fragen, ob die geschuldete Leistung allein vom Schuldner oder auch vom Dritten erbracht werden kann und welche Folgen eine Zwangsvollstreckung für den Schuldner hätte. Diese Fragen sind jedoch grundsätzlich unabhängig von der traditionellen Dreiteilung obligation de donner, de faire und de ne pas faire zu beantworten.288 Ebenso wenig sollten beweisrechtliche Fragen danach entschieden werden, ob eine obligation de moyens oder eine obligation de résultat vorliegt, sondern ausschließlich nach beweisrechtlichen Erwägungen.289 Entsprechendes gilt für Regelungen über die Zuständigkeit eines Gerichts. Anstatt zu versuchen, die Gesetzesanwendung von der Einordnung des Sachverhalts in verschiedene Kategorien abhängig zu machen, erscheint es vorzugswürdiger, die Frage, ob eine Vorschrift auf einen bestimmten Sachverhalt Anwendung findet, unmittelbar mittels der Grundsätze der juristischen Methodenlehre zu beantworten. Mit anderen Worten: der Schuldner haftet im Falle eines cas fortuit290 nicht deshalb, weil man etwa eine obligation de résultat annehmen könnte, sondern allein deshalb, weil der Schuldner gem. Art. 1231-1 C. civ. grundsätzlich für den cas fortuit haftet und eben keine force 288  In diese Richtung gehen zumindest im Ansatz auch die Überlegungen bei Huet, Mélanges Ghestin, 2015, S. 425 (438 f.), ohne dass jedoch die erforderlichen Konsequenzen daraus gezogen würden; für die obligation de faire und die Anwendung des Art. 1142 C. civ. a. F. vgl. Maire, Volonté et exécution forcée de l’obligation, 2018, S. 60 m. w. Nachw., S. 69 ff. und insb. S. 71 f., wo die Abschaffung der traditionellen Dreiteilung durch die Gesetzesreform begrüßt wird, weil die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung gerade nicht von der Einordnung der obligation in eine der drei Kategorien abhänge. 289  In diese Richtung bereits Ségur, La notion de faute contractuelle en droit français, 1954, S. 47 ff. und insb. S. 50 ff., wo ders. auf die Art der Leistungsstörung (Verspätung, endgültige Nichterfüllung, teilweise Nichterfüllung, mangelhafte Erfüllung oder Verstoß gegen eine Unterlassenspflicht) abstellt. 290  Zum Begriff oben Teil 2 Fn. 281.



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majeure und kein vertragliches oder gesetzliches Haftungsprivileg Anwendung findet. Kann beim Inhalt der obligation demnach ebenso wenig zwischen obligation de résultat und obligation de moyens wie zwischen obligation de donner, de faire und de ne pas faire oder obligation en nature und obligation monétaire differenziert werden, bleiben lediglich noch die Möglichkeiten, dass die obligation auf einen acte (Handlung) des Schuldners oder einen bestimmten Erfolg gerichtet ist.

b)  Der acte als objet der obligation Auch die Ansicht, wonach die obligation auf die Vornahme einer schuldnerischen Handlung gerichtet ist, sieht sich erheblichen Bedenken ausgesetzt. Zunächst sprechen die fundamentalen Rechte des Schuldners aus Art. 16 C. civ., Art. 1 DDHC, Art. 1 der Präambel der Verfassung von 1946, Art. 4 Abs. 1 u. Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Art. 1, 4 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 gegen den acte als objet der obligation.291 Es erscheint wenig zweckmäßig, den acte zunächst als Obligationsinhalt festzulegen, um sodann feststellen zu müssen, dass der Gläubiger diesen überhaupt nicht vollstrecken darf. Zwar beschneidet auch die Zwangsvollstreckung in das Vermögen die Freiheit des Schuldners. Denn er verliert durch die Zwangsvollstreckung die betroffenen Teile seines Vermögens und kann über diese nicht mehr verfügen. Dadurch wird er in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt. Diese abstrakte Einschränkung in der (positiven) Freiheit, mit diesen Vermögensteilen frei zu verfahren, ist jedoch weniger schwerwiegend und daher das mildere Mittel gegenüber der Erzwingung einer bestimmten Handlung, die eine konkrete Einschränkung der (negativen) Freiheit, diese Handlung nicht vorzunehmen, darstellen würde.292 Zweitens kann festgehalten werden, dass eine Handlung des Schuldners grundsätzlich nicht erzwungen werden kann. Ganz unabhängig von dem Um291 Vgl. Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 203 ff.; Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2451 ff.), ohne Nennung konkreter Grundrechte, dafür mit dem Hinweis auf die Abschaffung körperlichen Zwangs im Zivil- und Handelsrecht durch das Gesetz Loi du 22 juillet 1867 relative à la contrainte par corps; im Ergebnis ebenso und dabei auf die dignité (Würde) des Schuldners abstellend Frossard, La distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 1965, S. 78; ebenso jedoch ohne Begründung Beudant, Cours de droit civil français, Bd. 8, 2. Aufl. 1936, S. 316 Rn. 436; zum Schutz der Grundrechte des Schuldners und zugleich zur Entwicklung des französischen Zwangsvollstreckungsrechts in diesem Zusammenhang Maire, Volonté et exécution forcée de l’obligation, 2018, S. 49 ff; zu dieser Entwicklung auch Leborgne, Droit de l’exécution, 3. Aufl. 2019, S. 10 ff. Rn. 8 ff. 292  Mit anderen Worten: Die Erzwingung eines aktiven Tuns stellt einen größeren Eingriff in die Freiheit des Schuldners dar als die Erzwingung eines Unterlassens; ebenso Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2459): „[…] il apparaît moins attentatoire à la liberté de l’individu d’exiger de lui une abstention qu’une action“; im Ergebnis auch Dupré-Dallemagne, La force contraignante du rapport d’obligation, 2004, S. 183 ff.

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stand, dass ein acte eine gewisse Freiwilligkeit des Handelnden voraussetzt, steht dem Gläubiger nur eine begrenzte Reihe an Mitteln zur Verfügung, um Druck auf den Schuldner auszuüben.293 So kann der Gläubiger etwa gem. Art. 1425-1 ff. CPC unter bestimmten Voraussetzungen beim Tribunal d’instance eine injonction de faire (Erfüllungsanordnung) beantragen. Die Nichtbeachtung einer solchen richterlichen Anordnung zieht jedoch keinerlei rechtliche Konsequenzen nach sich und führt lediglich zur Aufnahme des gewöhnlichen Erkenntnisverfahrens (vgl. Art. 1425-4 Abs. 3 CPC).294 Damit handelt es sich bei der injonction de faire um ein Verfahren mit dessen Hilfe lediglich die mangelnde Erfüllungsbereitschaft des Schuldners offengelegt werden kann, weshalb es in der Praxis selten Anwendung findet.295 Eine weitere Möglichkeit, Druck auf den Schuldner auszuüben, besteht in der Verhängung einer astreinte (Zwangsgeld), Art. L. 131-1 ff. CPCE.  Diese ist deutlich effizienter als die injonction de faire, obwohl sich die Sanktion des Zwangsgeldes unmittelbar nicht gegen den Schuldner, sondern lediglich gegen dessen patrimoine (Vermögen) richtet.296 Durch diese indirekte Maßnahme297 kann einerseits die Freiheit des Schuldners gewahrt werden, denn 293  Abwegig erscheint der von Forest vorgeschlagene Ansatz, zwischen sanctions disciplinaire (Disziplinarmaßnahmen), wie der exception d’inexécution und der résolution unilatérale, als Rechten und Maßnahmen des Gläubigers, denen sich der Schuldner entziehen könne, indem er leiste, einerseits und den sanctions étatiques (staatlichen Sanktionen), denen sich niemand und insbesondere der Schuldner nicht entziehen könne, andererseits, zu differenzieren, vgl. Forest, Essai sur la notion d’obligation en droit privé, 2012, S. 205; denn diese Unterteilung geht nicht auf: der Schuldner kann sich auch den staatlichen Maßnahmen entziehen, wenn er rechtzeitig leistet, ebenso wie er sich der résolution unilatérale entziehen kann; zudem kann sich der Schuldner selbst der action directe nicht entziehen, wenn sein eigener Schuldner freiwillig an den Gläubiger zahlt, bevor er selbst seinen Gläubiger befriedigt; sowohl die rechtlichen Mittel des Gläubigers als auch die staatlichen Zwangsmaßnahmen dienen demnach dazu, Druck auf den Schuldner auszuüben, ebenso Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2464); vgl. mit diesem Ergebnis auch die Ausführungen zur responsabilité von Pelet, La théorie dualiste de l’obligation et son application au droit suisse, 1937, S. 73: „Le pouvoir de saisie ne fonde pas la responsabilité, il la présuppose et en découle. Elle-même est un élément de caractère privé, logiquement et pratiquement indispensable au rapport juridique, qui sans elle serait une forme vaine, incapable de suffire à sa fonction économique“; vgl. auch Dupré-Dallemagne, La force contraignante du rapport d’obligation, 2004, S. 213 ff. 294 Ebenso Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2464); Dupré-Dallemagne, La force contraignante du rapport d’obligation, 2004, S. 224 f. 295  Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2464). 296  Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2455 u. 2461 ff.); vgl. auch Dupré-Dallemagne, La force contraignante du rapport d’obligation, 2004, S. 219 f. 297  Cornesse spricht von einer mesure indirecte d’exécution (indirekten Vollstreckungsmaßnahme), weil die Maßnahme nicht unmittelbar auf die Erfüllung der obligation gerichtet sei (a. a. O., S. 2456, insb. auch S. 2440 u. 2455 mit der überzeugenden Einteilung der Vollstreckungsmöglichkeiten in exécution forcée directe, exécution forcée indirecte und dommages et intérêts bzw. exécution par équivalent); ebenso Terré/Simler/Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 1595 ff. Rn. 1522 ff.; zwischen exécution directe, exécution indi-



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dieser entscheidet selbst, ob er die obligation erfüllt.298 Andererseits wird dem Richter mit der astreinte ermöglicht, den Schuldner selbst zur Erfüllung zu bewegen, was regelmäßig die Interessen des Gläubigers besser befriedigt als die Erfüllung durch einen Dritten.299 Abgesehen davon, dass der Schuldner folglich nicht zur Vornahme der Handlung gezwungen werden kann, sondern lediglich ein Anreiz gesetzt wird, den Gläubiger selbst zu befriedigen, findet die astreinte in Fällen, in denen wegen besonderer Fähigkeiten allein der Schuldner in der Lage ist, die Erfüllung zu bewirken, keine Anwendung.300 In diesen Fällen muss damit gerechnet werden, dass eine astreinte dazu führt, dass der Schuldner zwar pro forma erfüllt, dabei jedoch jegliche Sorgfalt außer Acht lässt, so dass das Erfüllungsinteresse des Gläubigers letztlich doch unerfüllt bleibt.301 Aber auch die Mittel der sog. exécution forcée directe, die begrifflich auf die Erfüllung der obligation selbst und unmittelbar gegen den Schuldner gerichtet sind,302 erzwingen letztlich nicht die Handlung des Schuldners, sondern lediglich das geschuldete Ergebnis: im Wesentlichen geht es bei der sog. exécution forcée directe um Fälle, in denen der Eigentümer vom Schuldner die Verschaffung einer Sache verlangt.303 Unabhängig davon, ob es sich um eine Mobilie und damit um eine Vollstreckung mittels der saisie-appréhension (Art. L. 222-1 CPCE) oder um eine Immobilie und damit um eine Zwangsräumung (Art. L. 411-1 ff. CPCE) handelt, sind die Vollstreckungsmechanisrecte und exécution forcée des obligations monétaires unterscheidend Malaurie/Aynès/StoffelMunck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 658 ff. Rn. 1129 ff. 298  Damit wird in dem Spannungsverhältnis, welches zwischen der Freiheit des Schuldners und dem Recht des Gläubigers an der Erfüllung besteht, der schuldnerischen Freiheit der Vorrang gewährt, vgl. Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2438); vgl. ferner Maire, Volonté et exécution forcée de l’obligation, 2018, S. 55 f., 82 ff. 299 Ebenso Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2462 u. allgemeiner 2455); in diese Richtung auch Dupré-Dallemagne, La force contraignante du rapport d’obligation, 2004, S. 163 ff. Diese Ansicht ähnelt sehr der zum deutschen Recht dargestellten Hierarchie der Erfüllungsformen (oben Teil 1 A. III. 3. [S. 40 ff.]). 300  Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2454 u. 2462). 301  Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2454). Vgl. die ganz ähnliche Argumentation zu § 888 ZPO, insb. RG, Urt. v. 8.7.1897 – VI 144/97 = RGZ 39, 420 (422): „Die Motive bemerken weiter, es werde sich nie mit Gewißheit feststellen lassen, daß der Schuldner die bei der Handlung anzuwendenden besonderen Fähigkeiten hat; er werde den Mangel derselben durch ungenügende Ausführung der erzwungenen Handlung darthun. Damit ist auf den wahren Grund hingewiesen, weshalb Handlungen, die nur bei nicht gewöhnlichen Eigenschaften und Fähigkeiten mit dem verlangten Erfolge vorgenommen werden können, den Zwangsmitteln des § 774 nicht unterworfen sein können, daß nämlich das Vorhandensein solcher außergewöhnlichen Eigenschaften und Fähigkeiten sich nicht mit der hier erforderlichen Gewißheit feststellen läßt, und daß eben deshalb deren Anwendung der Einwirkung durch die Zwangsmittel des § 774 entzogen ist. Dies gilt jedoch nicht für Handlungen, die nur ein gewöhnliches Maß an Fähigkeiten erfordern.“ 302  Vgl. zur Terminologie die Nachweise oben in Teil 2 Fn. 297. 303 Vgl. Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2457).

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men darauf ausgerichtet, dem Gläubiger die Sache zu verschaffen, ohne auf die Mitwirkung des Schuldners angewiesen zu sein.304 Entsprechendes gilt für die constatation judiciaire de la vente immobilière, die es ermöglicht, gegen den Widerstand des Schuldners die für die Abwicklung eines wirksamen Immobilienverkaufs erforderlichen Vollzugsakte durchzuführen.305 Als drittes Argument gegen den acte als objet der obligation ist anzuführen, dass die obligation erfüllt werden kann, ohne dass eine Mitwirkung des Schuldners erforderlich ist. So sieht Art. 1342-1 C. civ. die Möglichkeit vor, dass ein Dritter für den Schuldner die obligation erfüllt. Darüber hinaus kann der Gläubiger mittels der action directe gem. Art. 1341-3 C. civ. selbst und unmittelbar auf das Vermögen des Drittschuldners zugreifen und ist hierfür eine Handlung seines Schuldners gerade nicht erforderlich.306 Auch im Falle der compensation (Aufrechnung) und der compensation pour connexité gem. Art. 1347 ff. C. civ. und Art. 1348 ff. C. civ. gilt der Gläubiger als befriedigt und die obligation damit als erfüllt, ohne dass der Schuldner hieran mitgewirkt hätte. Der acte des Schuldners kann demnach nicht erzwungen werden. Zudem ist seine Erzwingung für die Erfüllung der obligation auch nicht notwendig. Es erscheint nur konsequent, die Handlung des Schuldners sodann als das anzuerkennen, was sie ist: nicht mehr als eine von zahlreichen Erfüllungsformen, wenngleich auch nicht weniger als die ursprünglichste und makelloseste Form der Erfüllung und somit diejenige, die den ursprünglichen Parteiinteressen am ehesten gerecht wird. Folgt man der hier vertretenen Auffassung und nimmt damit an, dass sich die Parteiinteressen in der rechtlich verbindlichen, objektiven Vorschrift des dessein wiederfinden, gilt es zu untersuchen, ob nicht die Verwirklichung des dessein als objet der obligation in Betracht kommt.

c)  Die Verwirklichung des dessein als objet der obligation Wie bereits erwähnt, erfasst das dessein den Zweck der obligation. Das dessein legt rechtsverbindlich fest, was Gläubiger und Schuldner mit der obligation erreichen wollen. Dem Zweck der obligation entsprechend enthält das dessein zudem Erwartungen an die Verhaltensweisen der Parteien. Der hier postulierte Ansatz findet sich bereits bei anderen Stimmen der französischen Literatur. Al304 Ausdrücklich Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2457): „Le critère de l’exécution forcée directe en nature, dans tous ces cas, est paradoxal. Alors que l’exécution forcée directe renvoie à l’image de l’exécution par le débiteur lui-même de l’obligation elle repose sur la possibilité de se passer de son intervention“. 305  Cass. Req., Urt. v. 18.3.1912, Sirey 1914.I.11; Cass. Req., Urt. v. 17.6.1938 = Gaz. Pal. 1938.II.378; implizit auch Cass. Civ., 1re, Urt. v. 7.2.1968 = Bull. civ. I Nr. 54; Terré/Simler/ Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 1603 Rn. 1532; Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2457 f.). 306  Anstatt aller Terré/Simler/Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 1674 ff. Rn. 1607 ff.



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lerdings soll an dieser Stelle der Versuch unternommen werden, diesen Ansatz zu vertiefen und Maßstäbe für die Feststellung des dessein zu liefern. So führt etwa Rouvière307 aus: „L’objet de la garantie est en même temps son objectif: satisfaire juridiquement le créancier.“308 Rouvière zufolge sei außerdem die créance, d. h. das Forderungsrecht des Gläubigers, der objet der Garantie, während die dette die Haftungsmasse des Schuldners darstelle und der lien, als die eigentliche Garantie, die créance und dette zu einer Einheit verbinde.309 Dieser Konzeption der Gläubigerbefriedigung steht der bereits gegen Forest vorgebrachte Einwand entgegen, dass die Erfüllung der obligation regelmäßig nicht allein dem Interesse des Gläubigers dient.310 Schwerer wiegt jedoch, dass es Rouvières Ansatz an einem Maßstab mangelt, wann der Gläubiger als befriedigt anzusehen ist. Die Überlegung, der Gläubiger sei juristisch befriedigt, wenn die créance erfüllt sei, vermag nicht zu erklären, warum sich die créance den Umständen anpasst und nach welcher Grundlage sich beispielsweise der Schadensersatzanspruch des Gläubigers bemisst. Hinsichtlich der Anpassung der créance könnte zwar – allerdings äußerst positivistisch – auf das Gesetz verwiesen werden. Und gegen den zweiten Einwand ließe sich anführen, dass sich die Höhe des Schadensersatzanspruchs aus der ursprünglichen, auf Naturalerfüllung gerichteten créance ergibt. Letzteres ist jedoch genau die Argumentationsweise, die mithilfe des dessein zusammengefasst werden soll, allerdings mit dem Vorteil, dass die Rechte des Gläubigers die gesamte Zeit über auf den Willen der Parteien zurückgeführt werden können: auch die ursprüngliche créance ist lediglich darauf gerichtet, einen bestimmten, durch die obligation festgelegten Zustand zu verwirklichen – eben die Verwirklichung des dessein und damit die Realisierung der Absichten der Parteien. Obwohl die Ansichten der beiden Autoren im Ergebnis nicht besonders weit auseinanderfallen dürften, können gegen Rouvière auch die Ausführungen Saleilles311 vorgebracht werden: 307  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (4): Der Inhalt der Garantie sei zugleich ihr Zweck, die juristische Befriedigung des Gläubigers. 308 Dass Rouvière ebenda mit garantie die obligation meint, erscheint außer Frage zu stehen, heißt es doch a. a. O. S. 2 re. Sp.: „Pour que le régime puisse vraiment être dit ‚général‘ il faut également saisir l’obligation en général et pour ainsi dire ‚à l’état pur‘. Dans cette voie, l’étude propose de la définir comme une garantie […].“ Vgl. ferner a. a. O., S. 2 ff. und den Titel („L’obligation comme garantie“) des Beitrags; ähnlich auch Faure-Abbad, Le fait générateur de la responsabilité contractuelle, 2003, S. 21. 309  Rouvière, RTD civ. 2011, 1 (4 f.). 310  Oben unter III. 2. (S. 165 ff.). 311  Saleilles, Etudes sur la théorie générale des obligations, 3. Aufl. 1914, S. 74: In Wirklichkeit wolle der Gläubiger das Ergebnis, das er sich von der Leistung erwarte; ihm sei dabei gleichgültig, von wem dieses Resultat herbeigeführt werde. Ohne Zweifel sei die Person des Schuldners wegen der Garantie (bzw. Haftungsmasse) für den Gläubiger wichtig; aber die Garantie der Forderung sei eben nicht die Essenz der obligation.

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Teil 2 – A. Der Begriff der obligation im franz. Allg. Schuldrecht

„En réalité ce que veut le créancier, c’est le résultat qu’il attend de la prestation; il lui importe peu que ce résultat lui soit procuré par tel ou tel. Sans doute, la personne du débiteur lui importe pour la garantie de la créance; mais la garantie de la créance n’est pas l’essence même de l’obligation.“

Allerdings unterlässt es auch Saleilles, die „essence“ der obligation bzw. das Ergebnis, welches sich der Gläubiger von der prestation erwartet, näher zu bestimmen. Es wäre denkbar, das dessein der obligation in dem von den Parteien verfolgten wirtschaftlichen Ziel des Vertrages zu sehen.312 So setzt denn auch die Rechtsprechung bei der Frage, ob eine Indexierungsklausel wirksam ist, den Zweck der obligation mit dem Zweck des Vertrages gleich.313 Der objet der obligation wird demnach mit dem but économique de l’opération (wirtschaftlichen Zweck der Unternehmung) gleichgesetzt.314 Eine Erhöhung dieser Rechtsprechung zu einem allgemeinen Grundsatz ginge jedoch viel zu weit. Das but économique ist grundsätzlich ein unbeachtliches, und nur für die Frage der Wirksamkeit der Indexierungs-Klausel ausnahmsweise beachtliches Motiv der Parteien. Nicht umsonst stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen an den Beweis der Verwendung der Geldsumme.315 Sofern die Parteien den über die Leistung hinausgehenden Zweck der obligation nicht vereinbaren und damit zum Vertragsinhalt erheben, bleibt der Zweck unbeachtliches Motiv. Sofern jedoch nicht auf den wirtschaftlichen Zweck des Vertrages abgestellt werden kann, bleibt als Zweck der obligation noch der Zustand, der unmittelbar dann eintritt, wenn die Parteien die für die versprochene Leistung erforderlichen Handlungen vornehmen. Folgt man diesem Ansatz meint dessein denjenigen objektiven Zustand, den die Parteien bei Vertragsschluss vor Augen haben und der entsteht, wenn der Schuldner dem Gläubiger die versprochene Leistung anbietet und der Gläubiger diese Leistung annimmt. Diesem Ansatz können jedenfalls nicht die Anschauungen der théorie dualiste entgegengehalten werden. Sofern diese davon ausgeht, dass es Fälle gebe, in denen die obligation allein ein subjektives Element enthalte,316 ist dem nicht zuzustimmen: jede Handlung führt unweigerlich zu einem objektiv feststellbaren Zustand. Es ist zwar richtig, dass es Verträge gibt, in denen der objektive Erfolg bereits durch die Handlung des Schuldners herbeigeführt wird. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Unterscheidung zwischen objektivem Element 312 So etwa Faure-Abbad, Le fait générateur de la responsabilité contractuelle, 2003, S. 21, 28 f.; vgl. zudem Alvarez, Essai sur la notion d’exécution contractuelle, 2017, S. 66 ff. zum Zweck des Vertrages. 313  Cass. Civ., 1re, Urt. v. 9.1.1974 = JCP 1974.II.17806; Cass. Civ., 1re, Urt. v. 5.10.1994 = Bull. civ. I Nr. 269. 314 So ausdrücklich Flour/Aubert/Savaux, Les obligations, Bd. 3, 9. Aufl. 2015, S. 123 Rn. 129 u. allgemein zur Frage der Wirksamkeit von Indexierungsklauseln S. 121 ff. Rn. 126 ff. 315  Cass. Civ., 1re, Urt. v. 27.10.1981 = Bull. civ. I Nr. 311. 316  Oben unter II. 3. (S. 159 ff.).



III. Stellungnahme zu den im franz. Recht bestehenden Konzeptionen

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(dem Leistungserfolg) und dem subjektiven Element (der schuldnerischen Leistungshandlung) hinfällig würde. Wenig überzeugend erscheint erst recht die Annahme, es gebe Fälle, in denen die obligation lediglich aus einem subjektiven Element bestehe. Immerhin ist in einer Vielzahl von Fällen der Leistungserfolg i. S. d. Zustands, der unmittelbar nach Vornahme der Handlung besteht, nicht an die Person des Schuldners geknüpft: so dürfte es nicht unüblich sein, dass anstelle des langjährigen Hausarztes auch die Urlaubsvertretung oder ein anderer Arzt einer Gemeinschaftspraxis die Untersuchung des Patienten vornimmt und ggf. eine Diagnose stellt. Der Erfolg, in diesem Beispiel die Untersuchung des Patienten zur vereinbarten Zeit und am vereinbarten Ort, ggf. mit anschließender Diagnose und Behandlungsempfehlung, kann unabhängig davon eintreten, welcher Arzt gehandelt hat. Dieses Prinzip der Erfüllung durch Dritte ist in Art. 1342-1 C. civ. gesetzlich verankert. Dieses Beispiel317 zeigt jedoch, dass selbst in Fällen, in denen der Leistungserfolg unmittelbar durch die Leistungshandlung des Schuldners herbeigeführt werden kann, die Leistungshandlung vom Leistungserfolg zu unterscheiden ist, weil der Leistungserfolg eben auch auf andere Weise als durch die Handlung des Schuldners eintreten kann. Eine Besonderheit hierzu bilden lediglich diejenigen Konstellationen, in denen der Schuldner höchstpersönlich zu leisten hat und der Gläubiger dementsprechend die Leistung eines Dritten verweigern darf, vgl. Art. 1342-1 C. civ. a. E.318 In diesen Sonderkonstellationen kann jedoch wiederum der durch die Handlung herbeigeführte Erfolg von der Handlung selbst und damit das subjektive Element vom objektiven Element unterschieden werden, wenn auch mit der Besonderheit, dass nur das subjektive Element den Eintritt des objektiven Elements bewirken vermag. Dies bedeutet im Ergebnis, dass entgegen der Ansicht Comparatos das subjektive Element ohne das objektive Element gerade nicht den objet der obligation bilden kann. Vielmehr ist eher das Gegenteil anzunehmen: für die Bestimmung des objet und damit des Gegenstandes der obligation ist allein das objektive Element, d. h. der Leistungserfolg, erforderlich. Die Frage nach dem subjektiven Element, was also der Schuldner zu tun hat, ist für den objet der obligation lediglich insofern relevant, als man sich auf diese Weise dem Leistungserfolg nähern kann, wenn dieser zunächst unklar erscheint. Aus diesen Überlegungen kann wiederum abgeleitet werden, dass das Verhältnis zwischen Leistungshandlung und Leistungserfolg in unterschiedlichen Abstufungen vorliegen kann.319 In manchen Fällen tritt der Leistungserfolg un317  Mit weiteren Beispielen Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 541 Rn. 948. 318  Als Abwandlung des obigen Beispiels ließe sich etwa an einen Patienten denken, der sein vertraglich zugesichertes Chefarzt-Privileg geltend macht. 319  Vgl. hierzu Tunc, JCP G 1945.I.449, Rn. 8 ff., der darin wohl zutreffend die Grundlage der Unterscheidung zwischen obligation de moyens und obligation de résultat sieht. Die von Tunc vorgebrachten Argumente (insb. Fn. 26), die es rechtfertigen sollen, dass der Gläubiger

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Teil 2 – A. Der Begriff der obligation im franz. Allg. Schuldrecht

mittelbar mit Vornahme der Leistungshandlung ein, ohne dass ein zusätzlicher Umstand zu beachten wäre: beispielsweise, wenn der Arzt lege artis versucht, eine Diagnose zu erstellen. Der Inhalt der obligation ist hier ein Zustand, der bereits durch die ursprünglich versprochene Leistungshandlung erreicht wird. In anderen Fällen ist der Leistungserfolg nicht nur an der Vornahme der Leistungshandlung zu messen, sondern muss noch ein zusätzlicher äußerer Umstand vorliegen: wenn beispielsweise ein Zahnarzt eine Füllung setzt, soll diese eine absehbare Zeit und gewöhnliche Einwirkungen von außen überdauern, was sich meist simpel überprüfen lässt. Stellt sich heraus, dass die Füllung voraussichtlich nicht hält bzw. nicht gehalten hat, liegt die Annahme nahe, dass die Leistungshandlung nicht dem entspricht, was der Schuldner vertraglich zugesagt hat. Zusätzlich zur Leistungshandlung wird demnach eine Tatsache versprochen, die sich leicht feststellen und bei deren Fehlen von einer mangelhaften Leistungshandlung auszugehen ist. Wieder anders liegen diejenigen Fälle, in denen der Schuldner nach Vorstellung der Parteien über keine oder nur sehr begrenzte Möglichkeiten der Einflussnahme verfügt: beispielsweise, wenn er einen bestimmten Aktienverlauf garantiert oder die Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft eines Dritten verspricht. In diesen Fällen tritt die Leistungshandlung hinter den Leistungserfolg zurück. Der objet einer obligation ist demnach in der Erreichung des von den Parteien bei Vertragsschluss beabsichtigten Resultats zu sehen. Die obligation bezweckt demnach nichts anderes als die Erfüllung des Plans bzw. der Absicht der Parteien hinsichtlich eines zukünftigen Zustandes.

4. Fazit Die hier vertretene Auffassung kann schwerlich als Novum bezeichnet werden. Vielmehr besteht eine Vielzahl an Überschneidungen mit den bisherigen Ansichten. So findet sich der Ansatz, wonach die obligation einen Kern beinhaltet, der das Ziel des Vorhabens abbildet, bereits bei Forest. Mit der herrschenden Meinung kann ferner nicht ernsthaft geleugnet werden, dass sich die Sicht des Schuldners auf die obligation signifikant von der des Gläubigers unterscheidet. Das hier vertretene Ergebnis stellt gewissermaßen eine Verschmelzung dieser beiden Ansätze dar, wobei jedoch nicht außer Acht gelassen wird, dass alle Parteien einer obligation für deren Verwirklichung sorgen sollen. Gerade wenn man die obligation mit den hier vorgebrachten Argumenten erfolgsbezogen verstehen möchte, ergibt sich ein objektives Element, welches als Ziel bzw. dessein der obligation aufzufassen ist. Die Handlung des Schuldners ist, angesichts der zahlreichen Erfüllungssurrogate, nur eine von mehreren Möglichkeiten, dieses dessein zu realisieren. die sich daraus ergebenden Beweisschwierigkeiten tragen solle, vermögen hingegen nicht zu überzeugen.



III. Stellungnahme zu den im franz. Recht bestehenden Konzeptionen

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Auch mit der Auffassung Pelliers gibt es Überschneidungen. Insbesondere ist auch nach hier vertretener Ansicht die obligation sozusagen ein Werkzeug, um die vertraglich oder gesetzlich festgelegte Vermögensverteilung zu verwirklichen. Mit Streichung der cause aus dem Code civil findet Pelliers conception tripartite jedoch keine gesetzliche Grundlage mehr. Darüber hinaus erscheint sie, indem sie den Reziprozitätsgedanken in den Mittelpunkt rückt, unnötig kompliziert und vermag zudem nicht, einseitig verpflichtende Verträge zu berücksichtigen. Des Weiteren bestehen Ähnlichkeiten mit dem Ansatz Rouvières, wonach die obligation sicherstellen soll, dass der Gläubiger Befriedigung erfährt. Bei Rouvière stellt sich jedoch die Frage, wie überhaupt festgelegt wird, wie und wann der Gläubiger Befriedigung erfährt – mit anderen Worten: wonach sich der Umfang der Garantie richtet. Diese Funktion übernimmt das dessein, welches erforderlich ist, um den Rahmen der Erfüllungsmöglichkeiten abzustecken. Der erste Teil der Obligation ist demnach das dessein bzw. Sollen, welches rechtlich verbindlich ist. Allerdings muss dieser Sollzustand nicht vollständig Wirklichkeit werden, sondern kann das tatsächlich herbeigeführte Ergebnis hinter dem Sollzustand zurückbleiben. Insofern unterliegt die Obligation einer dynamischen Betrachtung. Der Sollzustand ist nur soweit herbeizuführen, wie dies rechtlich und tatsächlich möglich ist. Diese Frage der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit deckt der zweite Teil der obligation ab. Dieser ist die gewisse Macht, die für die Realisierung des rechtlich verbindlichen Vorhabens sorgen soll. Diese Macht findet Ausdruck im Verhältnis créance/dette, wobei die créance das konkrete Forderungsrecht bezeichnet und die dette die konkrete Leistungshandlung, die vom Schuldner erwartet wird. Während das dessein als zu erreichender Sollzustand feststeht, passen sich créance und dette je nach Geschehen den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten an. Diese Anpassung erfolgt nach dem Grundsatz, dass das dessein möglichst umfassend erreicht werden soll. Es ergibt sich demnach eine Art Wechselwirkung zwischen den beiden Elementen der Obligation: das dessein ist das Telos der durch die obligation verschafften Macht. Alle Forderungsrechte der einen Partei und die damit einhergehenden Handlungspflichten der anderen Partei, d. h. die créance und die dette in ihrer jeweiligen aktuellen Form, dienen letztlich der möglichst umfassenden Realisierung des durch das dessein festgelegten Sollzustands. Ohne diese Macht über das fremde Vermögen ist das dessein wertlos. Es besteht allenfalls als beschreibender Aspekt fort, indem es wiedergibt, was die Parteien ursprünglich erreichen wollten. Andererseits kann die Rechtsordnung keine Macht über ein fremdes Vermögen gewähren, wenn nicht feststeht, was diese Macht bezwecken soll. Das dessein ist demnach zugleich der die gewährte Macht rechtfertigende Grund und Mittel zur Festlegung ihres Umfangs.

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Teil 2 – B. Das Verhältnis der obligation zu weiteren zentralen Begriffen

Daraus kann nun gefolgert werden, dass ein Element der obligation sinnvollerweise nicht ohne das andere bestehen kann. Ohne das dessein wäre nicht ersichtlich, wie weit das Recht bzw. die Handlungspflicht der jeweiligen Partei reicht. Ohne die gewährte Macht wird das dessein ein rein beschreibender Umstand ohne rechtliche Wirkung. Eine obligation setzt nach hiesiger Konzeption also die beiden Elemente „dessein“ und „Macht über ein fremdes Vermögen“ voraus. Als Ergebnis der bisherigen Überlegungen bietet sich demnach folgende Definition an: Die obligation ist ein privatrechtliches Band zwischen zwei oder mehr Parteien, welches die Erreichung eines beabsichtigten Leistungserfolgs (Erfüllung) bezweckt und aus diesem Grund eine gewisse Macht über das fremde Vermögen gewährt. L’obligation est un lien de droit entre deux ou plusieurs parties, qui vise à la réalisation d’un certain dessein des parties et qui, à cette fin, alloue un certain pouvoir sur le patrimoine de l’autrui.

Entsprechend der Vorgehensweise hinsichtlich des deutschen Rechts soll diese Definition als Ausgangspunkt für die Betrachtung weiterer zentraler Begriffe des französischen Schuldrechts dienen. Zugleich wird dabei überprüft, ob diese Definition im französischen System Bestand haben kann und dort ggf. sogar einen Mehrwert generiert.

B.  Das Verhältnis der obligation zu weiteren zentralen Begriffen des französischen Leistungsstörungsrechts Die obligation besteht demnach aus den beiden Elementen dessein und créance/ dette, wobei die créance und die dette bezwecken, den mit dem dessein umschriebenen Zustand möglichst umfassend zu verwirklichen. Im Folgenden sollen daher – ausgehend von der Verwirklichung des dessein, d. h. der intendierten Erfüllung in Natur, über die Nichterfüllung bis hin zur Unmöglichkeit – einige zentrale Begriffe des französischen Schuldrechts beleuchtet werden. Zu beginnen ist dabei mit dem Begriff der prestation, der im Code civil an zahlreichen Stellen verwendet wird und daher eine wichtige, wenn auch im Vergleich zur obligation weniger zentrale Rolle einnimmt (I.).320 Erfolgt die prestation, spricht der Code civil von dem sog. paiement (Art. 1342 C. civ.) (II.). Bleibt die prestation hingegen aus, liegt eine inexécution vor, wobei das Verhältnis dieses Begriffs zu dem der faute noch immer Thema einer umfangreichen Debatte ist (III.). Eine Ursache der inexécution kann die impossibilité (Unmöglichkeit) sein, die es u. a. von dem Begriff der force majeure abzugrenzen gilt (IV.). 320  Während der terminus obligation im Code civil an ca. 260 Stellen verwendet wird, kommt die prestation auf ca. 100 Nennungen.



I.  La prestation – die Leistung

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I.  La prestation – die Leistung Gewöhnlich wird der Begriff der prestation weit verstanden und ist dessen Bedeutung nicht eindeutig bestimmt: mit prestation kann sowohl das geschuldete Ergebnis einer Handlung als auch die Handlung selbst gemeint sein.321 Dies wirft einerseits die Frage auf, inwiefern die prestation vom dessein abzugrenzen ist, wenn das dessein das von den Parteien intendierte Ergebnis der Leistungsabwicklung erfassen soll (1.). Mit anderen Worten: muss der Begriff des dessein nicht überflüssig erscheinen, wenn Art. 1163 Abs. 1 C. civ. ausdrücklich besagt, dass die obligation als objet eine prestation habe und diese prestation erfolgsbezogen verstanden wird? Auf der anderen Seite ist es denkbar, dass die prestation in der dette aufgeht, wenn beide Begriffe die schuldnerische Handlung beschreiben bzw. dasjenige, was der Schuldner tun soll (2.).

1.  Die Überschneidungen zwischen dessein und prestation im Sinne des Leistungserfolgs Wenn die prestation als das Ergebnis einer Handlung aufgefasst wird, beschreibt die prestation in simplen Fällen regelmäßig denselben Zustand wie das dessein. Hat der Schuldner beispielsweise die geliehene Sache zurückgeben, so kann der Zustand, der mit der Rückgabe eintritt, als prestation und als dessein bezeichnet werden. In diesen Fällen entsprechen sich das objet der obligation und die prestation gegenseitig, die prestation ist nichts anderes als die faktische Verwirklichung des objet der obligation.322 Unterschiede zwischen den Begriffen bestehen jedoch in komplexeren Konstellationen. Gem. Art. 1111-1 Abs. 2, 1306 C. civ. kann eine obligation auch mehrere prestations haben. Gerade Art. 1306 C. civ., der bestimmt, dass der Schuldner im Falle der obligation cumulative mehrere Leistungen zu erbringen hat und ihn lediglich die Erbringung aller Leistungen befreit, spricht dafür, dass der Begriff der prestation und derjenige des objet der obligation nicht generell gleichgesetzt werden können. Denn in den Fällen des Art. 1306 C. civ. hat die obligation lediglich ein objet und damit ein dessein, nämlich denjenigen Zustand, der nach Erfüllung aller prestations eintritt. Zudem lässt sich an dieser Stelle die obligation alternative anführen: gem. Art. 1307 C. civ. besteht die obligation alternative aus mehreren prestations, wobei die Erbringung einer Leistung genügt, um den Schuldner zu befreien. Es erscheint naheliegend, in diesem Fall und entsprechend bei der obligation cumulative mehrere des321 

Cornu, Vocabulaire juridique, 11. Aufl. 2016, prestation Nr. 1; vgl. auch Lucas-Puget, Essai sur la notion d’objet du contrat, 2005, S. 143 ff. 322  Libchaber, Recherches sur la monnaie en droit privé, S. 29: „Entre l’objet de l’obligation et la prestation, il y a une parfaite correspondance: la prestation est l’actualisation matérielle de l’objet de l’obligation“; vgl. ferner Lucas-Puget, Essai sur la notion d’objet du contrat, 2005, S. 129.

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Teil 2 – B. Das Verhältnis der obligation zu weiteren zentralen Begriffen

seins anzunehmen, da jede Leistung einen anderen Zustand herbeiführt. Allerdings sind die Art. 1307-1 ff. C. civ. vielmehr so zu verstehen, dass auch bei der obligation alternative lediglich ein Zustand zu erreichen ist. Im Unterschied zu den simplen Konstellationen, in denen das dessein durch die Erbringung eines Leistungserfolgs erreicht wird323, setzt die Erfüllung der obligation alternative neben der Erbringung einer bestimmten Leistung zusätzlich noch deren vorherige Auswahl voraus, Art. 1307-1 C. civ.324 Entsprechend soll in den Fällen der obligation facultative gem. Art. 1308 Abs. 1 C. civ. der Schuldner zunächst eine Auswahl treffen und die gewählte Leistung sodann erbringen. Auch hier ist ein einziger Zustand geschuldet. Der Unterschied zur obligation alternative besteht lediglich darin, dass bei der obligation facultative keine prestation mehr geschuldet wird, sobald die primär vereinbarte Leistung wegen force majeure unmöglich ist, Art. 1308 Abs. 2 C. civ. Im Gegensatz dazu müssen bei der obligation alternative hingegen entweder alle Leistungen, Art. 1307-5 C. civ., oder zumindest die durch Erklärung konkretisierte Leistung, Art. 1307-2 ff. C. civ., wegen force majeure unmöglich sein. Im Ergebnis hat die obligation immer nur ein dessein, nämlich das Ergebnis, welches mit Auswahl einer der Leistungen und der Erbringung dieser Leistung erreicht wird. Auch ein Blick auf das Zwangsvollstreckungsrecht offenbart Unterschiede zwischen den Begriffen dessein und prestation. Gem. Art. 1163 C. civ. soll die obligation als Inhalt bekanntlich eine gegenwärtige oder künftige prestation haben. Bezeichnenderweise ist im Code des procédures civiles d’exécution jedoch nicht von der Vollstreckung einer prestation, sondern von der exécution forcée einer créance liquide et exigible die Rede.325 So lautet Art. L. 111-2 CPCE: „Le créancier muni d’un titre exécutoire constatant une créance liquide et exigible peut en poursuivre l’exécution forcée sur les biens de son débiteur dans les conditions propres à chaque mesure d’exécution.“

Art. L. 111-6 CPCE ergänzt diesbezüglich: „La créance est liquide lorsqu’elle est évaluée en argent ou lorsque le titre contient tous les éléments permettant son évaluation“. Mit anderen Worten: das französische Zwangsvollstreckungsrecht dient gerade nicht der Erfüllung einer prestation, sondern vielmehr der Beitreibung einer Forderung, deren Wert bezifferbar sein muss. Dies überrascht 323  Vgl. auch Art. 1163 Abs. 1 C. civ.: „L’obligation a pour objet une prestation présente ou future“. 324  Für eine wirksame Auswahl ist darüber hinaus die Bekanntgabe der Wahl erforderlich, vgl. Art. 1307-3, 1307-4 C. civ. 325  Der Begriff prestation findet im CPCE lediglich an vier Stellen Verwendung: in Art. L. 111-5 Nr. 1 CPCE im Zusammenhang mit notariell beurkundeten Verträgen, in Art. L. 112-2 Nr. 6 CPCE im Zusammenhang mit dem Pfändungsschutz von Sozialhilfeberechtigten und in Art. L. 213-5 Abs. 4, L. 213-5 Abs. 3 CPCE im Zusammenhang mit Unterhaltspflichten ( prestations familiales).



I.  La prestation – die Leistung

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wenig, dient das Zwangsvollstreckungsrecht doch nicht allein der Verwirklichung vertraglicher Leistungen. Eine Differenzierung zwischen dem dessein als Zweck der obligation einerseits und der prestation im Sinne eines Leistungserfolgs andererseits ermöglicht in terminologischer Hinsicht jedoch, eine Brücke zwischen materiellem Vertragsrecht und Zwangsvollstreckungsrecht zu schlagen. Die Verwirklichung des dessein und damit des Gläubigerinteresses verbindet die prestation als ursprünglich vereinbarten Leistungserfolg im materiell-rechtlichen Sinne und darüber hinaus etwaige Schadensersatzansprüche einerseits mit der créance liquide im prozessualen Sinne andererseits. Der Begriff des dessein veranschaulicht auf diese Weise, weshalb der Gläubiger durch die exécution forcée en nature directe ebenso materiell-rechtlich befriedigt wird wie durch die exécution forcée en nature indirecte oder die exécution forcée par équivalent.326 Sofern Cornesse bei allen drei Vollstreckungsmechanismen von einer „réalisation de la prestation“ spricht,327 erscheint dies nicht ganz präzise zu sein, da lediglich die exécution forcée en nature directe und die exécution forcée en nature indirecte zu einer Verwirklichung der prestation führen können, während die exécution forcée par équivalent allein die Zahlung eines Geldersatzes und damit die Erfüllung des Gläubigerinteresses, nicht jedoch der prestation im Sinne des ursprünglich vereinbarten Leistungserfolgs bewirkt. Überschneidungen zwischen dem dessein und der prestation können andererseits wiederum in Art. 1111-1 C. civ. gesehen werden. Für die Einordnung als contrat à exécution instantanée i. S. d. Art. 1111-1 Abs. 1 C. civ. ist es ohne Bedeutung, ob der Schuldner oder ein Dritter die prestation unique vornimmt (vgl. Art. 1342, 1342-1 C. civ.).328 Entscheidend ist allein, dass die obligation durch eine einzige Leistung ausgeführt werden kann („les obligations peuvent s’exécuter en une prestation unique“). Mit der Ausführung dieser einen prestation wird demnach das dessein realisiert. In diesem Fall kann das dessein mit dem Leistungserfolg dieser prestation gleichgesetzt werden. Selbiges gilt jedoch nicht für den contrat à exécution successive (Dauerschuldverhältnis) i. S. d.  Art. 1111-1 Abs. 2 C. civ., der mindestens eine obligation beinhaltet, die aus mehreren prestations besteht, die zeitlich gestreckt ausgeführt werden. In diesem Falle ist das dessein als der beabsichtigte Zustand anzusehen, der sich aus der Summe der einzelnen Leistungserfolge ergibt. Als weiteres Beispiel, in dem sich dessein und prestation entsprechen, lassen sich Art. 1112-1 Abs. 2, 1136, 1137 Abs. 3, 1139 C. civ. anführen, welche 326  Zu diesen drei Formen von Vollstreckungsmöglichkeiten bereits oben vor, nach und in Teil 2 Fn. 297. 327  So verstanden bei Cornesse, RRJ 2003, 2433 (2455). 328  Dazu, dass es bei der Erfüllung durch Dritte allein um den Leistungserfolg geht: LucasPuget, Essai sur la notion d’objet du contrat, 2005, S. 144.

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Teil 2 – B. Das Verhältnis der obligation zu weiteren zentralen Begriffen

die valeur de la prestation (den Wert der Leistung) nennen. Gem. Art. 1112-1 C. civ. muss der Gläubiger nicht Auskunft darüber geben, welchen Wert die Erbringung der Leistung für ihn hat. Ausgangspunkt für die wirtschaftliche Betrachtung des Gläubigers kann dabei der Leistungserfolg sein, so dass sich der Gläubiger fragen wird, welchen Preis er zu zahlen bereit ist, damit ein bestimmter Zustand eintritt. In einem solch einfachen Fall entspricht der Wert der prestation dem Wert des dessein und können beide Begriffe synonym verwendet werden. Für den Schuldner geht es bei dem Wert der Leistung hingegen um seine Kosten und seinen Gewinn. Sein Ausgangspunkt ist demnach weniger der Leistungserfolg als vielmehr die vorzunehmende Leistungshandlung. Insofern ist zwischen dessein und prestation auch bei Art. 1112-1 Abs. 2 C. civ. grundsätzlich zu unterscheiden. Demnach können die Begriffe prestation, verstanden als Leistungserfolg, und dessein, als der mit der obligation beabsichtigte Zustand, in besonders einfachen Konstellationen dasselbe Resultat umschreiben und sich insofern überschneiden. Allgemein betrachtet und insbesondere mit Blick auf das Zwangsvollstreckungsrecht sind beide Begriffe jedoch nicht deckungsgleich, weshalb eine Differenzierung zur adäquaten Umschreibung komplexer Konstellationen sinnvoll erscheint.329

2.  Die Überschneidungen zwischen dette und prestation als Leistungshandlung Versteht man unter prestation hingegen eine Handlung, scheint der Begriff synonym zur dette, als der vom Schuldner erwarteten Handlung, verwendet werden zu können. Überschneidungen zwischen den Begriffen liegen immer dann vor, wenn der Code civil den Begriff der prestation nennt, um auf die Person des Schuldners und die Schuld im Allgemeinen hinzuweisen. Als ein Beispiel für eine solche Überschneidung lassen sich die Art. 1302, Art. 1342 C. civ. nennen. Gem. Art. 1302 Abs. 1 C. civ. setzt der paiement eine dette voraus, andernfalls ist das Erhaltene zurückzugeben. Art. 1342 Abs. 1 C. civ. definiert den paiement als bewusste Ausführung der geschuldeten Leistung ( prestation due), welche zum Erlöschen der dette führt (Art. 1342 Abs. 3 C. civ.). Entsprechend zur obligation ist auch die prestation due im Art. 1342 C. civ. erfolgsbezogen zu verstehen, da gem. Art. 1342-1 C. civ. auch der Dritte den paiement und damit den geschuldeten Leistungserfolg herbeiführen kann. Der Inhalt der prestation due bestimmt sich demnach nach der obligation und, sofern diese Regelungslücken enthält, nach dem Gesetz (vgl. Art. 1342-2 ff. 329  Mit einem ganz ähnlichen Ergebnis zum Verhältnis von prestation und objet der obligation Libchaber, Recherches sur la monnaie en droit privé, 1992, S. 183 ff., mit weiteren Beispielen aus dem Bereich der Geldschulden.



I.  La prestation – die Leistung

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C. civ.). Wird eine bestimmte Leistungsmodalität weder durch die obligation noch durch das Gesetz geregelt, kann der Schuldner eine Variante auswählen, sofern diese die Erreichung des dessein nicht beeinträchtigt.330 Der durch den paiement herbeigeführte Erfolg soll dem dessein grundsätzlich möglichst genau entsprechen. Allerdings kann sich die dette im Laufe der Zeit verändern und der Schuldner anderes als die ursprünglich intendierte Handlung zur Erfüllung in Natur schulden.331 In diesem Zusammenhang gilt es eine wichtige Voraussetzung zu beachten. Im Falle der Drittleistung ist erforderlich, dass der Dritte auch tatsächlich für den Schuldner schuldbefreiend tätig wird.332 Zwar kann der mit dem dessein verfolgte Zustand im Wege des Art. 1222 C. civ. durch einen Dritten auf Kosten des Gläubigers herbeigeführt werden. Dies führt jedoch nicht zur Erfüllung des dessein der obligation zwischen Gläubiger und Schuldner. Der Schuldner bleibt vielmehr gem. Art. 1222 Abs. 1 S. 2 C. civ. zum Ersatz der Kosten verpflichtet. Da der Dritte im Falle des Art. 1222 C. civ. seine eigene obligation und seine eigene prestation due erfüllen möchte und nicht die des Schuldners, besteht dessen dette fort, jedoch mit verändertem Inhalt. Dass die dette hingegen mehr ist als die geschuldete Handlung, lässt sich Art. 1324 Abs. 2 S. 1 C. civ. entnehmen, der die nullité, die exception d’inexécution, die résolution und die compensation des dettes connexes als Beispiele für die exceptions inhérentes à la dette (Ausnahmen, die der dette innewohnen) nennt. Die Gemeinsamkeit dieser Beispiele besteht darin, dass sie die Frage betreffen, ob eine Leistungshandlung derzeit bzw. überhaupt geschuldet ist. Sie gehen über die bloße Leistungshandlung hinaus und betreffen demnach die Frage der Schuld selbst und sind allein deshalb der dette und nicht der prestation immanent. Der Begriff prestation kann demnach allenfalls dann als Synonym zur dette verwendet werden, wenn allein der Schuldner die Leistung vornehmen kann. Zumindest in diesem Fall besteht keine Gefahr für Missverständnisse.

3. Fazit Je nachdem wie der Begriff der prestation zu verstehen ist – ob als Leistungshandlung, -erfolg oder als Kombination aus beidem – kann sich dieser mit dem 330  Nicht erforderlich erscheint es hingegen, wie Grua, Mélanges Guyon, 2003, S. 479 (481 ff.), auf sekundäre obligations abzustellen, die wiederum erfüllt werden müssen, was sodann tertiäre obligations erfordert, die wiederum erfüllt werden müssen usw. („une course circulaire en théorie sans fin“, a. a. O., S. 482); Gruas Ansicht erscheint jedoch zutreffend, wenn man im paiement, anders als hier, nicht nur ein abstraktes Resultat, sondern auch eine konkrete Aktivität des Schuldners sieht. 331  Ausführlich hierzu unten unter C. (S. 213 ff.). 332  Vgl. Cass. Civ., 1re, Urt. v. 17.12.1996 = Bull. civ. I Nr. 459: „le paiement fait par un tiers au moyen de ses propres deniers au nom du débiteur libère calablement ce dernier à l’égard de son créancier“.

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Teil 2 – B. Das Verhältnis der obligation zu weiteren zentralen Begriffen

dessein bzw. der dette überschneiden. Hierbei handelt es sich jedoch um Ausnahmen, die die Notwendigkeit einer generellen, begrifflichen Unterscheidung nicht ausräumen können. Die prestation führt regelmäßig zur Erfüllung der obligation, weshalb im Folgenden der damit eng verbundene, bereits erwähnte Begriff des paiement untersucht werden soll.

II.  Le paiement – die Erfüllung Der Begriff paiement ist in Art. 1342 Abs. 1 C. civ. legaldefiniert: „Le paiement est l’exécution volontaire de la prestation due.“ Die Zahlung ist die Ausführung der geschuldeten Leistung. Entgegen des allgemeinen Sprachgebrauchs meint paiement (Zahlung) nicht allein die Erfüllung einer Geldforderung, sondern erfasst die Zahlung im juristischen Sprachgebrauch alle Formen der Erfüllung.333 Allerdings erscheint fraglich, in welchen Konstellationen ein paiement und damit ein Erlöschen der Schuld gem. Art. 1342 Abs. 3 C. civ.334 anzunehmen ist. Neben der Ausführung der geschuldeten Leistung durch den Schuldner selbst bzw. einen Erfüllungsgehilfen ( paiement pur et simple),335 ist der paiement par compensation allgemein anerkannt.336 Die compensation enthält zwei paiements, d. h. die Ausführung zweier geschuldeter Leistungen und dient letztlich der Erfüllung zweier obligations.337 Dass die compensation eine eigenständige Regelung in den Art. 1347 ff. C. civ. erfahren hat, steht der Einordnung als paiement nicht entgegen, sondern ist damit zu begründen, dass die compensation für die Parteien über die Erfüllung hinaus eine Sicherheit in Form eines Vollstreckungssurrogats darstellt.338 Gem. Art. 1342-1 C. civ. kann der paiement auch von einem Dritten erbracht werden. Funktional hat die Drittleistung denselben Wert wie die Leistung des Schuldners, auch wenn ein gewisser Unterschied nicht zu leugnen ist.339 Dieser 333  Anstatt aller Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 423 Rn. 485. 334  Einen anderen Erklärungsansatz zum Erlöschen der Schuld bei Erfüllung verfolgt Lau-

rent, La propriété des droits, 2012, S. 475 ff., wonach die Erfüllung zur Abtretung führt und die obligation allein nach den Grundsätzen der confusion erlösche. 335  N. Catala, La nature juridique du payement, 1961, S. 262 unterscheidet zwischen der Drittleistung und dem payement pur et simple; weniger deutlich differenzierend Terré/Simler/ Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 1493 ff. Rn. 1413 ff.; Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 433 ff. Rn. 499 ff. 336  Carbonnier, Droit civil, Bd. 2, 1. Aufl. 2004, S. 2486 Rn. 1253; Huet, Mélanges Ghestin, 2015, S. 425 (427); Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 442 ff. Rn. 514 ff.; vgl. auch Terré/Simler/Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 1750 Rn. 1678. 337 Vgl. Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 442 Rn. 514; ebenso Terré/Simler/ Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 1750 Rn. 1678, wonach es jedoch auch möglich sei, von einer Befreiung vom paiement zu sprechen („une double dispense de paiement“). 338 Vgl. Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 442 Rn. 514; ebenso Terré/Simler/ Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 1750 f. Rn. 1678. 339  N. Catala, La nature juridique du payement, 1961, S. 20 Rn. VIII, S. 262 ff.



II.  Le paiement – die Erfüllung

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Unterschied liegt letztlich in dem Umstand, dass die obligation ihr Ziel erreicht, jedoch nicht durch eine Handlung des Schuldners, wie ursprünglich bei Vertragsschluss vorgesehen.340 Wegen Art. 1342-1 C. civ. können auch eine Vielzahl der Fälle der exécution forcée als paiement angesehen werden. Im Falle der Zwangsvollstreckung in Mobilien zur Erfüllung eines Herausgabeanspruchs (appréhension des meubles corporels) soll der Gerichtsvollzieher (huissier) die herauszugebenden bzw. zu liefernden Mobilien beim Schuldner sicherstellen und zum Gläubiger transportieren, vgl. Art. L. 222-1 CPCE.341 In diesen Fällen kann der Gerichtsvollzieher als Dritter im Sinne des Art. 1342-1 C. civ. angesehen werden. Demnach können die Art. 1342 ff. C. civ. auch herangezogen werden, wenn die Erfüllung des dessein im Wege der Zwangsvollstreckung herbeigeführt wird.342 Einer solchen Anwendung des Art. 1342 Abs. 3 C. civ. könnte entgegenstehen, dass der paiement gem. Art. 1342 Abs. 1 C. civ. eine exécution volontaire voraussetzt. Wenn diese exécution volontaire als freiwillige Erfüllung verstanden wird,343 erscheint eine Anwendung des Art. 1342 Abs. 3 C. civ. auf einige Fälle der Zwangsvollstreckung schwer vertretbar. Insbesondere in den Fällen der paiement par compensation, in denen die andere Partei die Aufrechnung erklärt, und den Fällen, in denen die Gerichtsentscheidung eine Erklärung des Schuldners ersetzt344, ist der Schuldner bei der Erfüllung überhaupt nicht beteiligt und erschiene es geradezu widersprüchlich, in diesem Fall von einer Freiwilligkeit der Leistung zu sprechen. Allerdings gibt es angesichts des Telos des Art. 1342 C. civ. keinen Grund, die dette nicht auch in diesen Fällen erlöschen zu lassen. Die Vorschrift ist demnach zumindest analog anzuwenden. Der paiement ist folglich die Erfüllung der obligation und führt daher zum Erlöschen der dette. Nach hier vertretener Auffassung ist der paiement demnach als Folge einer exécution zu verstehen.345 Der paiement bzw. die exécu340  N. Catala, a. a. O., S. 265; sofern dies. a. a. O. ausführt, die Aktivität des Schuldners sei nicht nur ein Mittel zur Erreichung des Obligationszwecks, ist dem teilweise zuzustimmen: die Handlungen des Schuldners sind die ursprünglichste Form der Erfüllung der Obligation, jedoch keineswegs die einzige; vgl. hierzu auch die bei Roujou de Boubée, Essai sur la notion de réparation, 1974, S. 141 ff. angesprochene Hierarchie der Vorgehensweise, um den Vertrag möglichst genau zu erfüllen. 341  Ausführlich zur appréhension des meubles corporels etwa Leborgne, Droit de l’exécution, 3. Aufl. 2019, S. 693 ff. Rn. 1496 ff. 342  Zweifelnd etwa N. Catala, La nature juridique du payement, 1961, S. 19, die jedoch ersichtlich von einer viel weniger erfolgversprechenden Zwangsvollstreckung ausgeht, jedenfalls jedoch auch im Schadensersatz und nicht nur in der Naturalerfüllung eine bestimmte Befriedigung des Gläubigers sieht; zu den Veränderungen und der zunehmenden Effizienz in diesem Bereich etwa Leborgne, Droit de l’exécution, 3. Aufl. 2019, S. 693 Rn. 1496. 343  Cornu, Vocabulaire juridique, 11. Aufl. 2016, exécution Nr. 3  – volontaire; vgl. auch Robert, Le petit robert, 2017, volontairement, wo als zweite Bedeutung „sans y être forcé, bénévolement“ angegeben ist. 344  Dazu oben unter A. III. 3. b) (S. 185 ff.), insb. vor und mit Teil 2 Fn. 305. 345 Ebenso Alvarez, Essai sur la notion d’exécution contractuelle, 2017, S. 260 und

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Teil 2 – B. Das Verhältnis der obligation zu weiteren zentralen Begriffen

tion können wiederum den Fällen der inexécution bzw. der faute, in denen der Schuldner nicht vollständig, zu spät oder überhaupt nicht erfüllt, gegenübergestellt werden.346 Im Folgenden sollen daher die Begriffe inexécution und faute und insbesondere ihr Verhältnis zueinander im Lichte des hiesigen Obligationsbegriffs beleuchtet werden.

III.  Die inexécution und die faute In der französischen Rechtswissenschaft herrscht grundsätzlich Einigkeit darüber, dass der Begriff der inexécution weit zu verstehen ist: er erfasst die inexécution totale (vollständige Nichterfüllung), die inexécution partielle (teilweise Nichterfüllung), die inexécution défectueuse (fehlerhafte Nichterfüllung) und die inexécution tardive (verspätete Nichterfüllung).347 Hingegen wurde die Frage, ob neben dem Begriff der inexécution im vertraglichen Bereich überhaupt noch Bedarf an dem Begriff der faute (contractuelle) besteht, in der Vergangenheit uneinheitlich beantwortet.348 Einer Auffassung zufolge sei der Begriff faute contractuelle nichts anderes als die unter Umständen zur Schadensersatzpflicht des Schuldners führende inexécution (Nichterfüllung) einer obligation contractuelle.349 Die Verwendung insb. auch die Ausführungen zur Lehre von der Objektivierung des paiement (l’objectivation du paiement), S. 264 ff., jeweils m. w. Nachw.; vgl. ferner Dupré-Dallemagne, La force contraignante du rapport d’obligation, 2004, S. 162 ff. mit einem ähnlich weiten Verständnis des Begriffs exécution. 346  Gegen diese Gegenüberstellung Alvarez, Essai sur la notion d’exécution contractuelle, 2017, S. 32 f. mit dem Argument, es gebe zwischen exécution und inexécution noch viele Graubereiche. Dies überzeugt jedoch nur, wenn man mit Alvarez, und anders als hier, exécution und inexécution sehr eng versteht und nicht als relativ weite Begriffe. 347  Für die ganz h. M. etwa Bellissent, Contribution à l’analyse de la distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 2001, S. 141 f.: „L’inexécution s’entend donc de toute défaillance contractuelle appréciée à un moment donné“; ebenso Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 270 Rn. 318; Faure-Abbad, Le fait générateur de la responsabilité contractuelle, 2003, S. 136 f.; Ségur, La notion de faute contractuelle en droit français, 1954, S. 40. 348  Für den Begriff der faute etwa Esmein, Mélanges Ripert, 1950, Bd. 2, S. 101 (108 f.): „les mots inexécution de l’obligation signifient non pas l’acte blâmable qu’est la faute pour le public, mais le fait que le créancier n’a pas obtenu la satisfaction qu‘il attendait du contrat“; Rodière, RTD civ. 1954, 201 (passim); Bellissent, Contribution à l’analyse de la distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 2001, S. 136 ff.; zumindest gegen den Begriff der faute contractuelle ordinaire Tallon, Mélanges Cornu, 1994, S. 429 (passim, insb. S. 437 f.); noch strenger gegen den Begriff der faute im Allgemeinen Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 270 Rn. 318; Faure-Abbad, Le fait générateur de la responsabilité contractuelle, 2003, S. 135 ff.; vgl. auch Alvarez, Essai sur la notion d’exécution contractuelle, 2017, S. 339 f. 349  Colin/Capitant, Traité de droit civil – Obligations, Bd. 2, 7. Aufl. 1932, S. 69 Rn. 76; H. Mazeaud/L. Mazeaud, Responsabilité civile, Bd. 1, 2. Aufl. 1934, S. 627 Rn. 681; Ségur, La notion de faute contractuelle en droit français, 1954, S. 21 („l’inexécution de l‘obligation qui constitue la faute“) und weitere und ganz allgemein auf S. 12: der faute juridique könne nur die Verletzung einer obligation juridique sein, wobei es auf die Frage der Vorwerfbarkeit (imputa-



III.  Die inexécution und die faute

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des Begriffs in der Vergangenheit, insbesondere durch die Rechtsprechung und im Rahmen der zur faute entwickelten Ansichten in der Literatur, sei kein Argument für die Beibehaltung der faute im vertraglichen Kontext.350 Für die Abschaffung dieses Begriffes im Vertragsrecht könne hingegen angeführt werden, dass das Fehlverhalten des Schuldners anhand einer Vielzahl unterschiedlicher Kriterien bestimmt werde und, anders als im Deliktsrecht, eben nicht am Maßstab des vernünftigen Schuldners.351 Das Abstellen auf die faute führe in Verbindung mit dem Festhalten an der obligation de résultat zudem zu der Verkennung der Tatsache, dass auch der Schuldner einer obligation de résultat bei Ausbleiben des Leistungserfolges nicht geleistet und damit, außer in Fällen der force majeure, eine faute im Sinne eines Verstoßes gegen die Sorgfalt eines vernünftigen Schuldners begangen habe.352 Darüber hinaus lasse die Heranziehung der faute im Vertragsrecht die Unterschiede zum Deliktsrecht verblassen, was letztlich die unerfreulich hohe Aufmerksamkeit, die dem vertraglichen Schadensersatz zuteilwerde, verursache.353 Eine Gleichsetzung der faute mit der inexécution contractuelle habe zudem den Vorteil, dass sich Ausführungen über die Frage, was eine faute contractuelle überhaupt sei und wie diese im Verhältnis zur force majeure stehe, erübrigten.354 Eine faute contractuelle liege bei jeglicher Form der inexécution vor, unabhängig von der Frage, ob diese inexécution dem Schuldner vorwerfbar (imputable) sei oder nicht, und entfalle erst mit der korrekten Erfüllung der obligation.355 Die faute contractuelle sei daher grundsätzlich entbehrlich und nur ausnahmsweise bei der Anwendung des Art. 1231-3 C. civ., der Frage der Wirksamkeit von Vereinbarungen über die Haftungsbeschränkung, in Fällen beiderseitigem Verschulden oder gesetzlicher Spezialregelungen relevant.356 Einer anderen Auffassung zufolge gebe es im Vertragsrecht zwei Arten der faute: die faute contractuelle erfasse die inexécution der obligation, während die faute im traditionellen Sinne den Verstoß gegen den Sorgfaltsmaßstab des

bilité) nicht ankomme; Tallon, Mélanges Cornu, 1994, S. 429 (431, 437); Faure-Abbad, Le fait générateur de la responsabilité contractuelle, 2003, S. 135 ff.; Cornu, Vocabulaire juridique, 11. Aufl. 2016, faute I (civ.) – contractuelle; vgl. auch Leturmy, RTD civ. 1998, 839 (868, 870). 350  Tallon, Mélanges Cornu, 1994, S. 429 (430 ff.). 351  Tallon, a. a. O., S. 429 (433, 434), das dort erwähnte Konzept des „bon père de famille“ wurde durch den Maßstab der „personne raisonable“ ersetzt, vgl. Art. 26 des Loi Nr. 2014–873 v. 4.8.2014. 352  Tallon, a. a. O., S. 429 (433 f.). 353  Tallon, a. a. O., S. 429 (434 f.); vgl. Faure-Abbad, Le fait générateur de la responsabilité contractuelle, 2003, S. 146 ff. 354  Tallon, Mélanges Cornu, 1994, S. 429 (435, 438); zustimmend etwa Leturmy, RTD civ. 1998, 839 (870); kritisch zu der Vielzahl an Auffassung auch Faure-Abbad, Le fait générateur de la responsabilité contractuelle, 2003, S. 143 ff. 355  Tallon, Mélanges Cornu, 1994, S. 429 (438). 356  Tallon, a. a. O., S. 429 (438 f.).

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Teil 2 – B. Das Verhältnis der obligation zu weiteren zentralen Begriffen

vernünftigen Schuldners beschreibe.357 Die inexécution sei demnach eine besondere faute aus dem Vertragsrecht, die sich aus der Missachtung ebenjener Sorgfalt einer vernünftigen Person (sog. faute ordinaire) ergebe.358 Für die Feststellung einer Schadensersatzpflicht des Schuldners sei daher in drei Schritten vorzugehen: zunächst müsse der genaue Inhalt der obligation bestimmt und das tatsächliche Verhalten des Schuldners mit dem theoretisch geschuldeten Verhalten verglichen werden.359 Ausgehend von diesem Vergleich ergebe sich in dem zweiten Schritt, ob sich der Schuldner grundsätzlich schadensersatzpflichtig gemacht habe oder nicht.360 Unabhängig vom Ergebnis der Bemühungen sei die obligation erfüllt, wenn der Schuldner sich so verhalte, wie dies von einem vernünftigen Schuldner zu erwarten sei.361 Erst in einem dritten Schritt sei die force majeure zu berücksichtigen, welche im Falle ihres Vorliegens den Schuldner exkulpiere.362 Eine dritte Auffassung versteht unter der faute den Komplementärbegriff zur force majeure.363 Demnach beginne dort, wo die faute ende, der Bereich der force majeure und umgekehrt.364 Der Beweis einer force majeure schließe deswegen das Vorliegen einer faute zwingend aus.365 Zwar verlangten Art. 1147, 1148 C. civ. a. F. ausdrücklich nicht den Beweis einer force majeure, um eine faute ausschließen zu dürfen, der Beweis der force majeure sei jedoch deshalb zu fordern, weil allein aus dem Beweis, dass eine bestimmte faute nicht begangen wurde, nicht darauf geschlossen werden könne, dass überhaupt keine faute 357  Bellissent, Contribution à l’analyse de la distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 2001, S. 156 f.; zu dieser unterschiedlichen Verwendung des Begriffs faute auch bereits Ségur, La notion de faute contractuelle en droit français, 1954, S. 17 ff. („élément illicite“) und 57 ff. („élément psychologique et moral“). 358  Bellissent, Contribution à l’analyse de la distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 2001, S. 157. 359  Bellissent, a. a. O., S. 157. 360  Bellissent, a. a. O., S. 157. 361  Bellissent, a. a. O., S. 156. 362  Bellissent, a. a. O., S. 157. 363 Grundlegend Tunc, RTD civ. 1945, 235 (passim); zustimmend Ségur, La notion de faute contractuelle en droit français, 1954, S. 100 ff.; Rodière, RTD civ. 1954, 201 (204); H. Mazeaud/L. Mazeaud/Tunc, Responsabilité civile, Bd. 1, 6. Aufl. 1965, S. 741 ff. Rn. 664; Terré/Simler/Lequette/Chénedé, Les Obligations, 12. Aufl. 2019, S. 898 ff. Rn. 838 ff.; einen völlig anderen Ansatz vertritt Larroumet, Mélanges Catala, 2001, S. 543 (546), für den die force majeure nicht die inexécution bzw. die faute ausschließt, sondern die Kausalität zwischen inexécution und dommage. 364  Tunc, RTD civ. 1945, 235 (237 ff.); Rodière, RTD civ. 1954, 201 (204); ausführlich H. Mazeaud/L. Mazeaud/Tunc, Responsabilité civile, Bd. 1, 6. Aufl. 1965, S. 743 ff. Rn. 665 ff.; im Ergebnis auch Terré/Simler/Lequette/Chénedé, Les Obligations, 12. Aufl. 2019, S. 908 ff. Rn. 850; vgl. auch die Darstellung dieser Ansicht bei Bellissent, Contribution à l’analyse de la distinction des obligations de moyens et des obligations de résultat, 2001, S. 148 Rn. 256. 365  Tunc, RTD civ. 1945, 235 (239 ff.); Rodière, RTD civ. 1954, 201 (207); ebenso H. Mazeaud/L. Mazeaud/Tunc, Responsabilité civile, Bd. 1, 6. Aufl. 1965, S. 789 Rn. 694-6.



III.  Die inexécution und die faute

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begangen wurde.366 Nach diesem Verständnis sind zwei Formen der inexécution zu unterscheiden: die inexécution imputable, der eine faute zugrunde liege und die zur Schadensersatzpflicht des Schuldners führe, und die inexécution non imputable, die nicht auf einer faute, sondern einer force majeure basiere und die deshalb keine Schadensersatzpflicht des Schuldners zur Folge habe.367 Angesichts der Vielzahl an Monographien und anderer Beiträge zur faute368 soll an dieser Stelle gar nicht erst der Versuch einer umfassenden Auseinandersetzung unternommen werden. Es erscheint vielmehr ausreichend, festzustellen, dass auch hier auf Grundlage verschiedener Konzeptionen der obligation gestritten wird.369 Die zuerst dargestellte Auffassung versteht die obligation offenbar rein objektiv und damit erfolgsorientiert: jegliche Form der inexécution sei mit einer faute gleichzusetzen. Dabei wird jedoch nicht ausreichend gewürdigt, dass sowohl Gesetz als auch Rechtsprechung durchaus differenzieren, wie beispielsweise an Art. 1231-3 C. civ. oder Art. 1732 C. civ. zu erkennen ist. Die zweite Auffassung verfolgt einen stark subjektiv aufgeladenen Begriff der faute und fokussiert sich auf die Handlung des Schuldners: unabhängig davon, ob das versprochene Ergebnis eingetreten sei oder nicht, liege eine inexécution vor, wenn der Schuldner hinter dem zu erwartenden Verhalten zurückbleibe. Dies vermag jedoch nicht zu überzeugen. Denn konsequenterweise müsste dann zu Lasten eines Schuldners, der es einerseits mit der Sorgfalt nicht ganz so genau nimmt und daher hinter dem Maßstab des vernünftigen Schuldners zurückbleibt, andererseits jedoch – vielleicht wegen einer glücklichen Fügung – dennoch rechtzeitig und entsprechend der vertraglichen Vereinbarung leistet, eine inexécution angenommen werden. Eine solche Bezeichnung als inexécution wäre jedoch nicht nur wenig sinnvoll, weil an sie keine Rechtsfolgen geknüpft würden, sondern widerspräche zudem dem Begriff des paiement i. S. d. Art. 1342 Abs. 1 C. civ.370 Ausgehend von den bisherigen Ergebnissen ist im Wesentlichen der dritten Auffassung zu folgen, wobei für die weitere Untersuchung folgende Präzisierungen vorgenommen werden: Ausgangspunkt der Rechte des Gläubigers ist 366  Tunc, RTD civ. 1945, 235 (241 ff.); Rodière, RTD civ. 1954, 201 (207 f.); vgl. auch die Beispiele bei H. Mazeaud/L. Mazeaud/Tunc, Responsabilité civile, Bd. 1, 6. Aufl. 1965, S. 788 f. Rn. 694-6. 367  Rodière, RTD civ. 1954, 201 (204); zumindest für die obligation de résultat mit diesem Ergebnis auch H. Mazeaud/L. Mazeaud/Tunc, Responsabilité civile, Bd. 1, 6. Aufl. 1965, S. 786 ff. Rn. 694-6; ferner bereits Esmein, Mélanges Ripert, 1950, Bd. 2, S. 101 (108 f.); vgl. auch Terré/Simler/Lequette/Chénedé, Les Obligations, 12. Aufl. 2019, S. 898 Rn. 838 f. mit der Unterscheidung zwischen inéxution und inexécution fautive. 368  Vgl. nur die zahlreichen Nachweise bei Faure-Abbad, Le fait générateur de la responsabilité contractuelle, 2003, S. 143 ff. 369  Vgl. auch die Einteilung bei Faure-Abbad, Le fait générateur de la responsabilité contractuelle, 2003, S. 143 f. 370 Zum paiement oben unter II. (S. 200 ff.).

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Teil 2 – B. Das Verhältnis der obligation zu weiteren zentralen Begriffen

gem. Art. 1217 Abs. 1 C. civ. die inexécution, welche nach hiesiger Konzeption der obligation einen objektiven Verstoß gegen das dessein darstellt. Es ist folglich zu fragen, welcher Zustand nach der obligation erreicht werden soll und ob dieser in Natur bzw. mittels eines vertraglich oder gesetzlich anerkannten Surrogats erreicht wurde. Mit einem Teil der Literatur371 kann bei Nichterreichen des dessein von einer faute objective gesprochen werden. In einem zweiten Schritt geht es um die Frage der imputabilité, d. h. um die Frage der Vorwerfbarkeit der inexécution. Sofern das Ausbleiben der Erfüllung dem Schuldner vorwerfbar ist, die inexécution also als imputable zu bezeichnen ist, kann von einer faute subjective gesprochen werden. Da jedoch nicht eindeutig ist, ob unter faute subjective lediglich ein Verstoß gegen die Sorgfalt des vernünftigen Schuldners zu verstehen ist, oder ob hierunter auch die Übernahme einer garantie, die Fälle der cas fortuit und des Verzugs fallen (vgl. Art. 1351 C. civ.), sind die Begriffe der faute objective und der faute subjective zu vermeiden. Es ist lediglich in den gesetzlich vorgesehenen Fällen, wie beispielsweise Art. 1231-3 C. civ., der Begriff der faute zu verwenden.372 Nach hier vertretener Auffassung sind die Art. 1217 ff. C. civ. demnach wie folgt zu verstehen: die inexécution, d. h. die objektive Abweichung vom dessein der obligation, ist dem Schuldner vorwerfbar, solange dieser nicht beweisen kann, dass der exécution ein Fall der force majeure entgegenstand (vgl. den letzten Halbsatz des Art. 1231-1 C. civ.). Ein anderer Maßstab gilt nur, wenn die Parteien vertraglich einen anderen Haftungsmaßstab vereinbart haben oder dieser vom Gesetz vorgesehen ist (wie etwa in Art. 1732 C. civ.). Da das Gesetz somit die Haftungsmechanismen anhand der force majeure darstellt, soll diese im Folgenden im Kontext des hiesigen Obligationsbegriffs genauer untersucht werden. Dabei soll es auch um das Verhältnis der force majeure zu der impossibilité gehen, und damit um eine Frage, die bei der Anwendung des Art. 1351 C. civ. eine zentrale Rolle einnimmt.

IV.  Die (im)possibilité und die force majeure im französischen Obligationenrecht Wie soeben gezeigt, besteht eine enge sachliche Verknüpfung zwischen der imputabilité und der force majeure. Zusätzlich besteht bei der force majeure ein enger Zusammenhang zur impossibilité, wie sich insbesondere aus den Art. 1307-2, 1307-4, 1307-5, 1308 Abs. 2, 1351 C. civ. ergibt. Diese doppelte Verbindung lässt es lohnenswert erscheinen, die Begriffe der force majeure und 371  Zur Lehre von der faute objective etwa H. Mazeaud/L. Mazeaud, Responsabilité civile, Bd. 1, 2. Aufl. 1934, S. 627 Rn. 681; im Ergebnis auch Tallon, Mélanges Cornu, 1994, S. 429 (437 ff.); zustimmend Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 270 Rn. 318. 372  Es ist Tallon zuzustimmen, wenn er alle sperrigen und unnötigen Begriffe zurückdrängen möchte, ders., Mélanges Cornu, 1994, S. 429 (438).



IV.  Die (im)possibilité und die force majeure

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der impossibilité im Lichte der hiesigen Obligationslehre genauer zu betrachten (2.). Abgesehen davon handelt es sich bei der Unmöglichkeit um eine wichtige Leistungsstörungskategorie, so dass es auch deshalb das Zusammenspiel dieser Begriffe zu untersuchen gilt. Zuvor soll jedoch kurz aufgezeigt werden, welche Anforderungen das französische Recht hinsichtlich der possibilité (Möglichkeit bzw. Umsetzbarkeit) des objet einer obligation stellt (1.).

1.  Die possibilité als Voraussetzung der obligation Im Unterschied zum deutschen Recht (§ 311a Abs. 1 BGB) verlangt Art. 1163 Abs. 2 C. civ. eine prestation possible (mögliche Leistung). Ein Vertrag, der eine von Anfang an unmögliche Leistung vorsieht, ist demzufolge nichtig.373 Begründet wird diese Lösung damit, dass die obligation ein Band zwischen zwei Rechtssubjekten sei, aufgrund dessen das eine Rechtssubjekt etwas für das andere tun soll (devoir).374 Gerade das Verb devoir (sollen) bilde den Kern des Begriffs.375 Allerdings gebe es kein Sollen ohne Können, Sollen und Können seien vielmehr die beiden Seiten der obligation.376 Die obligation entstehe erst gar nicht, wenn ihr Gegenstand von vornherein unmöglich sei, und entfalle, wenn ihr Gegenstand nachträglich unmöglich werde.377 Die Unmöglichkeit sei, in Anlehnung an die Maxime impossibilium nulla obligatio, daher kein Entschuldigungs-, sondern ein Schuldbefreiungsgrund.378 Allerdings ist hinzuzufügen, dass nach h. M. lediglich die anfängliche impossibilité absolue (absolute Unmöglichkeit), d. h. eine bei Vertragsschluss für jede Person geltende Unmöglichkeit, zur Unwirksamkeit des Vertrages führe.379 Verspreche der Schuldner hingegen eine Leistung, deren Erfüllung seine Fähigkeiten und Möglichkeiten übersteige, liege eine impossibilité realtive (relative Unmöglichkeit) vor, die die Wirksamkeit des Vertrages nicht berühre.380

373 

Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 165 Rn. 179; Carbonnier, Droit civil, Bd. 2, 1. Aufl. 2004, S. 2012 Rn. 970; Terré/Simler/Lequette/Chénedé, Les Obligations, 12. Aufl. 2019, S. 406 Rn. 364. 374  Carbonnier, Droit civil, Bd. 2, 1. Aufl. 2004, S. 1917 Rn. 922. 375  Carbonnier, a. a. O., S. 1917 Rn. 922. 376  Carbonnier, a. a. O., S. 1917 Rn. 922. 377  Carbonnier, a. a. O., S. 1921 Rn. 922; zur Unmöglichkeit zur Zeit des Vertragsschlusses auch Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 165 Rn. 179. 378  Carbonnier, Droit Civil, Bd. 2, 1. Aufl. 2004, S. 1921 Rn. 922: „[L’impossibilité] est plus qu’une simple excuse: c’est une exclusion d’obligation“ (Herv. i. Orig.). 379  Carbonnier, a. a. O., S. 2012 f. Rn. 970; Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 165 Rn. 179; Terré/Simler/Lequette/Chénedé, Les Obligations, 12. Aufl. 2019, S. 406 Rn. 364. 380  Carbonnier, Droit civil, Bd. 2, 1. Aufl. 2004, S. 2012 f. Rn. 970; Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 165 Rn. 179; Terré/Simler/Lequette/Chénedé, Les Obligations, 12. Aufl. 2019, S. 406 Rn. 364.

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Teil 2 – B. Das Verhältnis der obligation zu weiteren zentralen Begriffen

Dieses Ergebnis basiere auf dem Prinzip, dass jede Partei das Risiko trage, nicht leistungsfähig genug zu sein.381 Es wurde bereits zum deutschen Recht herausgearbeitet, dass diese Verknüpfung zwischen Sollen und Können keineswegs zwingend ist.382 Gerade die Fälle der impossibilité relative belegen, dass eine Partei etwas schulden kann, zu dessen Erfüllung sie nicht in der Lage ist. Dagegen ließe sich zwar anführen, dass es allein auf die Frage der absoluten bzw. objektiven Erfüllbarkeit ankomme, also dasjenige nicht geschuldet werden könne, was niemand zu erfüllen in der Lage ist. Dem folgend gäbe es kein subjektives Sollen ohne objektives Können. Entsprechend der Argumentation zur deutschen Schuldrechtsreform ist jedoch nicht ersichtlich, weshalb ein Schuldner, der wissentlich oder fahrlässig eine absolut unmögliche Leistung verspricht, nicht zu Schadensersatz verpflichtet sein soll, während ein Schuldner, der wissentlich oder fahrlässig eine relativ unmögliche Leistung verspricht, Schadensersatz leisten muss. Gewiss besteht der Unterschied darin, dass eine Leistung im Falle der relativen Unmöglichkeit zumindest theoretisch möglich ist. Ausgehend vom hiesigen Obligationsbegriff stellt die Erfüllung in Natur jedoch nur eine von mehreren Möglichkeiten dar, das dessein zu erfüllen. Ob die Erfüllung in Natur überhaupt möglich ist, ist eher eine Frage des Übergangs vom Naturalanspruch auf Ersatzansprüche. Da das dessein nur den Plan und die Absicht der Parteien zusammenfasst und nicht unbedingt vollständig erreicht werden muss, damit die obligation erlischt, hat die Erfüllbarkeit einer prestation, die nach hiesiger Terminologie streng vom dessein und dem objet der obligation zu unterscheiden ist, für die Wirksamkeit einer obligation keine Bedeutung. Dies bedeutet zwar nicht, dass es überhaupt keine Erwägungen gäbe, die für die Regelung des Art. 1163 Abs. 2 C. civ. sprechen. Selbstverständlich kann der Gesetzgeber im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative mit Blick auf das generelle Bedürfnis effektiven Rechtsschutzes und der Notwendigkeit eines effizienten Einsatzes der begrenzten Gerichtsressourcen durchaus anordnen, dass sich die Gerichte mit Rechten aus Verträgen über anfänglich absolut unmögliche Leistungen erst gar nicht auseinandersetzen. Es erscheint jedoch mehr als fraglich, ob dieser Effekt tatsächlich das erwünschte Ausmaß annimmt, wenn man bedenkt, dass die Feststellung der anfänglichen objektiven Unmöglichkeit zunächst eine Abgrenzung von der impossibilité relative einerseits und der nachträglichen Unmöglichkeit andererseits mit all den damit verbundenen Beweisproblemen erfordert. Aus dogmatischer Sicht ist auf Grundlage der hiesigen Konzeption der obligation zudem fragwürdig, weshalb sich ein Gläubiger mit weniger als dem positiven Interesse zufriedengeben soll, nur weil der die objektive Unmöglichkeit begründende Um381  Carbonnier, Droit civil, Bd. 2, 1. Aufl. 2004, S. 1921 Rn. 922: „Chacun supporte le risque d’être faible“. 382  Oben unter Teil 1 C. II. 2. (S. 102 f.).



IV.  Die (im)possibilité und die force majeure

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stand zufällig kurz vor dem Vertragsschluss aufgetreten ist und nicht kurz danach.383 Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die possibilité der ursprünglich vereinbarten prestation keine dogmatisch zwingende Bedingung für die Wirksamkeit eines Vertrages ist. Art. 1163 Abs. 2 C. civ. setzt jedoch eine prestation possible für einen wirksamen Vertrag voraus. Dies vermag im Lichte der bisherigen Ergebnisse nicht zu überzeugen, ist als Entscheidung des Gesetzgebers jedoch hinzunehmen.

2.  Die Voraussetzungen und Folgen der impossibilité und der force majeure Die force majeure ist in Art. 1218 Abs. 1 C. civ. legaldefiniert. Eine force majeure liegt vor, wenn im vertraglichen Bereich ein Ereignis bei Vertragsschluss vernünftigerweise nicht vorhergesehen werden konnte, sich dieses Ereignis der Kontrolle des Schuldners entzieht und seine Folgen mit geeigneten Maßnahmen nicht vermieden werden können und deshalb die Erfüllung der obligation durch den Schuldner verhindert ist. Für das Vorliegen der force majeure ist demnach erforderlich, dass vier Voraussetzungen zusammentreffen: ein vom Schuldner nicht zu beeinflussendes, unvorhersehbares Ereignis mit unüberwindbaren Folgen muss zur Unmöglichkeit der Leistung führen.384 Die Voraussetzungen der force majeure sind zwar recht unbestimmt und bedürfen daher der Auslegung nach den Umständen des Einzelfalls.385 Es scheint bei der Anwendung des Art. 1218 Abs. 1 C. civ. jedoch ganz wesentlich zu sein, jedes Tatbestandsmerkmal selbständig zu betrachten. Insbesondere darf die Unüberwindbarkeit der Folgen des Ereignisses nicht mit der Unmöglichkeit der Leistung vermengt werden.386 So kann beispielsweise387 das Nichtauslaufen eines Fährschiffes für die Transportgesellschaft, die Pilgern die Beförderung von Marseille nach Haifa zu einem bestimmten Ankunftstag versprochen hat, regelmäßig eine unüberwindbare Folge des Streiks der Matrosen sein. Zur Unmöglichkeit der Leistung führt der Streik hingegen nur, wenn die Beförderung mit einem bestimmten Schiff bzw. bestimmten Schiffen vereinbart wurde, und diese vom Streik betroffen sind. Ist das Transportmittel ver383 

Zu diesem Argument des Zufalls im deutschen Recht BT-Drs. 14/6040, S. 164 (li. Sp.). Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 273 ff. Rn. 323; mit nur drei Tatbestandsmerkmalen Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 547 ff. Rn. 954 ff., die die Kriterien der Unvermeidbarkeit und Unmöglichkeit unter dem Begriff der irrésistibilité (Unabwendbarkeit) zusammenfassen möchten. Vgl. jedoch die sogleich vorgebrachten Argumente gegen diese Zusammenlegung. 385 Ebenso Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 546 Rn. 952 m. w. Nachw. in Fn. 47, insofern bestehe eine Parallele zur frustration-of-contract doctrine; zu letzterer siehe oben unter Teil 1 C. I. 1. a) u. 2. b) (S. 81 ff.). 386  So jedoch etwa Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 547 f. Rn. 954. 387  In Anlehnung an Cass. Com., Urt. v. 12.11.1969 = Bull. civ. I Nr. 327. 384 Ebenso

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Teil 2 – B. Das Verhältnis der obligation zu weiteren zentralen Begriffen

traglich nicht genau bestimmt, muss die Transportgesellschaft auf andere Verkehrsmittel, wie z. B. ein anderes Schiff oder ein Flugzeug, zurückgreifen, wenn dadurch die rechtzeitige Ankunft ermöglicht wird. Hingegen führt der Ausfall des eindeutig bestimmten Transportmittels zur Unmöglichkeit der Leistung.388 Das eben genannte Beispiel zeigt zugleich, dass der Maßstab der force majeure strenger ist als der Maßstab der personne raisonnable (vernünftige Person): es genügt für das Verneinen der force majeure, dass das Ereignis, wie im Beispiel der Streik der Matrosen, vernünftigerweise vorhergesehen werden konnte. Der Schuldner bleibt in diesem Fall verpflichtet und schuldet bei Nichterfüllung Schadensersatz gem. Art. 1231 ff. C. civ. Sofern hingegen der vernünftige Schuldner, der i. S. d. Art. 1197 C. civ. eine Sache zu liefern hat, bei Vertragsschluss die mögliche künftige Verschlechterung der Sache vorhersieht, kommt es zusätzlich darauf an, ob ihm die Vermeidung der Verschlechterung zuzumuten ist. Den Schuldner trifft nur dann keine Schadensersatzpflicht, wenn die Maßnahmen, die eine Verschlechterung der Sache verhindern würden, von einer vernünftigen Person nicht erwartet werden können.389 Folgt man dieser Argumentation, muss das oben390 formulierte Ergebnis, wonach faute und force majeure grundsätzlich in einem Komplementärverhältnis zueinanderstehen, präzisiert werden: dieser Grundsatz des Komplementärverhältnisses gilt lediglich in Fällen, in denen der Haftungsmaßstab nicht gesetzlich oder vertraglich besonders geregelt ist. In ebendiesen Fällen ist eine inexécution, sofern die Voraussetzungen der force majeure nicht gegeben sind, immer vorwerfbar (imputable). Ist der Haftungsmaßstab hingegen durch Gesetz oder wirksame Parteiabreden konkretisiert, ist die inexécution dem Schuldner nur dann vorwerfbar, wenn er den Haftungsmaßstab verletzt. Dabei kann der Haftungsmaßstab im Vergleich zur force majeure durchaus verschärft werden, insbesondere durch die vertragliche oder gesetzliche Übernahme einer Garantie391. Der Schuldner kann jedoch auch privilegiert werden, etwa durch die An388  Dies ist die Konstellation, die der französische Kassationsgerichtshof zu entscheiden hatte, vgl. Cass. Com., Urt. v. 12.11.1969 = Bull. Nr. 327; entgegen Malaurie/Aynès/StoffelMunck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 547 Rn. 954 Fn. 52 kann demnach nicht angenommen werden, das Ereignis sei überwindbar gewesen. Vielmehr hatte die Transportgesellschaft Schadensersatz zu leisten, weil der Streik vorhersehbar war und aus diesem Grund keine force majeure vorlag (aus dem Urteil des Kassationsgerichtshofs, a. a. O.: „la grève de l’équipage était, dans le climat de l’époque, un évenement tout à fait probable“). 389  Als Maßstab für die Beurteilung, ob eine Maßnahme zuzumuten ist, bietet sich das Verhältnis zwischen Leistungsaufwand und Leistungsinteresse an, wie es auch in Art. 1221 C. civ. Anwendung findet. 390  Unter III. (S. 202 ff.). 391  Vgl. bspw. die Art. 1625 ff. C. civ. für die garantie des Verkäufers gegenüber dem Käufer. Der vertraglichen Haftungsverschärfung können Grenzen gesetzt sein, vgl. etwa Art. 1929 C. civ.: „Le dépositaire n’est tenu, en aucun cas, des accidents de force majeure, à moins qu’il n’ait été mis en demeure de restituer la chose déposée“. Der Verwahrer haftet demnach niemals für Fälle der force majeure, es sei denn er befand sich im Verzug. Dazu, dass der Maßstab der force majeure i. S. d. Art. 1218 C. civ. nur als Grundsatz zu verstehen ist, der nicht dem



IV.  Die (im)possibilité und die force majeure

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wendung des Sorgfaltsmaßstabs der personne raisonnable392 oder des Sorgfaltsmaßstabs in eigenen Angelegenheiten.393 Als wichtigste Voraussetzung der force majeure wird häufig die impossibilité (Unmöglichkeit) angesehen.394 Gem. Art. 1218 Abs. 1 C. civ. muss das der force majeure zugrunde liegende Ereignis die exécution de son obligation par le débiteur (die Erfüllung seiner obligation durch den Schuldner) verhindern. Der Zusatz par le débiteur spricht dafür, dass eine impossibilité relative (subjektive Unmöglichkeit) genügt, um eine force majeure annehmen zu können. Sofern manche Stimmen395 Art. 1218 C. civ. lediglich auf Fälle anwenden möchten, in denen der geschuldete corps certain (konkrete Gegenstand) bzw. der gesamte Vorrat untergegangen und daher eine impossibilité absolue anzunehmen ist, vermag dies nicht zu überzeugen. Erstens zeigen die systematische Stellung (hinter Art. 1351 C. civ.) und der Wortlaut des Art. 13511 C. civ. („Lorsque l’impossibilité d’exécuter résulte de la perte de la chose due […]“396), dass es sich bei der untergegangenen Sache lediglich um einen besonderen Anwendungsfall der force majeure handelt. Zweitens sind durchaus Fälle denkbar, in denen die Erfüllung eines Dienstes bzw. die Lieferung einer nicht untergegangen Sache unmöglich wird.397 Drittens betrifft die von den Vertretern dieser Ansicht angeführte Rechtsprechung398 Geldschulden, die jedoch nicht als gewöhnliche Gattungsschulden angesehen werden können.399 Damit genügt nach hier vertretener Auffassung die impossibilité relative um eine force majeure anzunehmen. Wenn jedoch auch die impossibilité relative für die Annahme einer force majeure ausreichend ist, kann die Formulierung „exécution de son obligation par ordre public angehört und von dem daher durch Parteiabrede und selbstverständlich durch Gesetz abgewichen werden kann: Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 547 Rn. 953. 392  Wie etwa in Art. 1197, 1880 C. civ. 393  Vgl. Art. 1927 C. civ. 394  Mignot, LPA 2016, Nr. 67 S. 5 (6 li. Sp.); Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 275 Rn. 324; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, 10. Aufl. 2018, S. 545 Rn. 954. 395  So etwa Mignot, LPA 2016, Nr. 67, S. 5 (6 li. Sp.). 396  In etwa: Wenn die Unmöglichkeit auf dem Untergang der geschuldeten Sache beruht […]. 397  Beispielsweise wenn die einzige Zufahrtsstraße zum Gläubiger versperrt wird und im Falle einer Fixschuld nicht rechtzeitig wieder geöffnet wird. 398  So beispielsweise die bei Mignot, LPA 2016, Nr. 67, S. 5 (6 li. Sp.) in Fn. 5 zitierte Entscheidung Cass. Civ., 1re, Urt. v. 23.4.1969 = Bull. civ. Nr. 138. 399  So gibt es bei Geldschulden beispielsweise keine individualisation (Konkretisierung) bzw. erfolgt diese erst mit Übergabe des Geldes (für erstgenannte Ansicht: Libchaber, Recherches sur la monnaie en droit privé, 1992, S. 100 f.; für eine Konkretisierung mit Übergabe L.‑F. Pignarre, Les obligations en nature et de somme d’argent, 2010, S. 77 ff.). Darüber hinaus kann für die Begleichung von Geldschulden in das gesamte Vermögen des Schuldners vollstreckt werden (Art. L. 111-2 CPCE), sofern nicht Pfändungsgrenzen entgegenstehen (vgl. etwa Art. L. 112-2 CPCE).

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Teil 2 – B. Das Verhältnis der obligation zu weiteren zentralen Begriffen

le débiteur“ nach der hiesigen Terminologie mit dem Begriff der prestation und damit der Leistung durch den Schuldner gleichgesetzt werden. Art. 1218 C. civ. hat als Voraussetzung demnach einen Umstand, den Carbonnier als die direkte Wirkung der Unmöglichkeit bezeichnet: die Leistung kann zumindest vom Schuldner nicht mehr erfüllt werden.400 Darüber hinaus gebe es jedoch noch die indirekte bzw. mittelbare Wirkung der Unmöglichkeit in den Fällen der force majeure, in denen die Unmöglichkeit zum Erlöschen der obligation führe.401 Dieser Grundsatz der potentiell doppelten Wirkung der Unmöglichkeit scheint der Code civil übernommen zu haben: so tritt die mittelbare Wirkung der Unmöglichkeit, d. h. das Erlöschen der obligation, lediglich unter den strengen Voraussetzungen der force majeure ein und darf der Schuldner zudem keine Garantie übernommen haben und nicht in Verzug gesetzt worden sein, Art. 1351 C. civ. Hat der Schuldner eine obligation alternative i. S. d. Art. 1307 ff. C. civ. versprochen, muss zudem eine prestation ausgewählt und diese Wahl mitgeteilt worden sein, Art. 1307-2 ff. C. civ. Wurde noch keine prestation ausgewählt, wird der Schuldner erst dann frei, wenn jede einzelne prestation aufgrund eines Falles der force majeure unmöglich wurde, Art. 1307-5 C. civ. Art. 13511 Abs. 1 C. civ. sieht eine Ausnahme zugunsten des sich im Verzug befindlichen Schuldners vor, so dass die mittelbare Wirkung der Unmöglichkeit auch zu seinen Gunsten greifen kann. Allerdings gilt es zu beachten, dass Art. 1351-1 Abs. 2 C. civ. die Ausnahme des Abs. 1 wiederum einschränkt, so dass die obligation bestehen bleibt, sofern es Rechte gibt, die der Schuldner an den Gläubiger abtreten kann. Für dieses Verständnis, wonach die mittelbare Wirkung der Unmöglichkeit im Falle des Art. 1351-1 Abs. 2 C. civ. eingeschränkt ist und daher die obligation fortbesteht, spricht bereits der eindeutige Wortlaut der Vorschrift, demzufolge der Schuldner verpflichtet ist („il est tenu“), die bestehenden Rechte an seinen Gläubiger („à son créancier“) abzutreten. In dieser Konstellation stellt die Abtretung der Rechte des Schuldners an den Gläubiger ein Erfüllungssurrogat dar, welches den Umständen entsprechend der Verwirklichung des dessein möglichst nahekommt. Liegt ein Fall der force majeure trotz Unmöglichkeit hingegen nicht vor, etwa weil der Schuldner die Unmöglichkeit bei Vertragsschluss vorhergesehen hat, schließt Art. 1221 C. civ. die Verfolgung der ursprünglichen prestation durch den Gläubiger aus: die exécution en nature kann nicht verlangt werden, wenn die Leistung unmöglich ist. Auch Art. 1221 C. civ. ist folglich Ausdruck des Verständnisses, dass die Unmöglichkeit eine zwingende unmittelbare und eine nur mögliche mittelbare Wirkung hat. Gem. Art. 1221 C. civ. ist die prestation ausgeschlossen (unmittelbare Wirkung), die obligation erlischt (mittel400  Carbonnier, Droit civil, Bd. 2, 2004, S. 1921 Rn. 922, der betont, dass dies letztlich lediglich die Feststellung der Realität darstelle. 401  Carbonnier, a. a. O., S. 1921 Rn. 922.



IV.  Die (im)possibilité und die force majeure

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bare Wirkung) hingegen lediglich unter den zusätzlichen Voraussetzungen der Art. 1351 f. C. civ.

3. Fazit Der Grundsatz impossibilium nulla est obligatio lebt im französischen Recht fort („À l’impossible nul n’est tenu“).402 Allerdings bedarf dieser Grundsatz der weiteren Erläuterung, dass er auf Geldschulden überhaupt nicht anwendbar ist und unmittelbar lediglich auf die prestation, d. h. die konkret geschuldete Leistungshandlung, Anwendung findet. Die obligation selbst erlischt, als mittelbare Folge der Unmöglichkeit, hingegen erst unter weiteren Voraussetzungen, insbesondere muss ein Fall der force majeure gegeben sein. Das Unmögliche („l’impossible“) dieser Maxime meint demnach die schuldnerische Leistungshandlung. Keine direkten Auswirkungen hat die Unmöglichkeit zunächst auf die obligation, welche nur in denjenigen Fällen erlischt, in denen statt der Naturalerfüllung auch keine andere Form der Erfüllung geschuldet wird und in denen die obligation daher dauerhaft unerfüllt bleiben muss. Im Folgenden soll das Verhältnis zwischen dem dessein und seiner Erfüllungsformen genauer untersucht werden. Insbesondere soll der Frage nachgegangen werden, welche Auswirkungen die bisherigen Ergebnisse für das Verständnis des Verhältnisses zwischen Naturalerfüllung und Erfüllungssurrogaten haben. Diese Untersuchung soll am Beispiel der responsabilité contractuelle erfolgen, an der seit einiger Zeit erhebliche Kritik geübt wird und die immer wieder – und insbesondere in jüngerer Zeit – Gegenstand von Reformbemühungen ist.403

C.  Die Auswirkungen der Obligationslehre auf das Verständnis der responsabilité contractuelle –  das Verhältnis von Naturalerfüllung und Erfüllungssurrogaten Im Lichte der bisherigen Ergebnisse ist festzuhalten, dass die obligation auf die Verwirklichung des dessein, d. h. des bei Vertragsschluss vereinbarten Plans der Parteien, gerichtet ist. Da sich die tatsächlichen Verhältnisse jedoch laufend ändern, können sich auch die créance und die dette ändern. Diese dienen dazu, einen Zustand herbeizuführen, der dem von den Parteien beabsichtigten 402  Anstatt vieler mit dieser Übersetzung ins Französische Planiol/Ripert, Traité élémentaire de droit civil, Bd. 2, 10. Aufl. 1926, S. 210 Rn. 620; jüngst Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 165 Rn. 179. 403  Insb. seien genannt die Proposition de loi portant réforme de la responsabilité civile vom 9.7.2010, vorgebracht von L. Béteille; ferner der Avant-projet de loi – réforme de la responsabilité civile vom 29.4.2016; zuletzt der Projet de réforme de la responsabilité civile vom 13.3.2017, vorgebracht von J.‑J. Urvoas.

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Teil 2 – C. Die Ausw. d. Obligationslehre auf d. Verständnis d. resp. contr.

unter Berücksichtigung der Umstände am ehesten entspricht. Der Gläubiger kann daher die exécution en nature fordern, d. h. die Ausführung der für die Erreichung des dessein erforderlichen Leistungshandlungen durch den Schuldner (Art. 1221 C. civ.). Darüber hinaus kann der Gläubiger unter gewissen Voraussetzungen die Erfüllung selbst organisieren und vom Schuldner lediglich die Erstattung der hierfür erforderlichen Geldsummen verlangen (Art. 1222 C. civ.). Bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 1351-1 Abs. 2 C. civ. hat der Schuldner dem Gläubiger ihm an der untergegangenen Sache zustehende Rechte abzutreten. Schließlich kann die dette des Schuldners auch im Wege der Aufrechnung erlöschen (Art. 1347 Abs. 1 C. civ.). All diese Tatbestände haben gemeinsam, dass sie den Gläubiger befriedigen, indem sie einen Zustand herstellen, der dem von den Parteien intendierten Ergebnis möglichst weitgehend entspricht.404 Sie führen somit zur exécution der obligation. Die Frage, ob dies auch für die responsabilité contractuelle gilt, wird in Frankreich hingegen lebhaft diskutiert. Während ein Teil der französischen Literatur die responsabilité contractuelle (vertragliche Haftung) als eine Form der responsabilité civile (zivilrechtliche Haftung) und damit als eine Form des Schadensersatzes einordnet (II.), sieht eine andere Strömung in der responsabilité contractuelle lediglich eine Form der Erfüllung mittels Surrogats (exécution par équivalent) (I.). Dabei handele es sich keineswegs um einen rein dogmatischen Streit, da die Qualifizierung der responsabilité contractuelle als ein Mittel der Erfüllung (exécution) bzw. der Wiedergutmachung (réparation) Auswirkungen darauf habe, ob der Richter oder die Partei über die genaue Rechtsfolge bestimme.405 Besonders relevant ist diese Frage für die Leistungserbringung durch Dritte: wird diese als Form der Erfüllung aufgefasst, kann der Gläubiger frei wählen und muss der Richter diese Wahl respektieren; andernfalls, d. h. bei einer Einordnung als réparation, liege es im Ermessen des Richters, dem Gläubiger stattdessen eine Geldzahlung zuzusprechen.406 Die zu erörternde Proble404  Vgl. die Formulierung bei Roujou de Boubée, Essai sur la notion de réparation, 1974, S. 142: „une exécution du contrat aussi exacte que possible“; zur Aufrechnung etwa Huet, Mélanges Ghestin, 2015, S. 425 (427): „paiement par compensation“; mit derselben Terminologie bereits Carbonnier, Droit civil, Bd. 2, 1. Aufl. 2004, S. 2486 Rn. 1253; vgl. allgemein zum Verhältnis devoir, créance, prétention und droit à la prestation Prigent, RTD civ. 2008, 401 (405 ff.). 405  Dazu insbesondere Rémy-Corlay, RDC 2005, 13 (22 und bei 34 f. mit Kritik zu dieser Verteilung); vgl. auch Roujou de Boubée, Essai sur la notion de réparation, 1974, S. 159 ff.; umfassend zu dieser Frage ferner Maire, Volonté et exécution forcée de l’obligation, 2018, S. 403 ff.; Terré/Simler/Lequette/Chénedé, Les Obligations, 12. Aufl. 2019, S. 927 ff. Rn. 860 ff.; vgl. auch Art. 1228 C. civ. als Ausdruck des weiten Handlungsspielraums des französischen Richters. 406  Rémy-Corlay, RDC 2005, 13 (22); für eine Einordnung der Selbstvornahme bzw. der Leistungserbringung durch Dritte (remplacement) als exécution sprechen nun die Art. 1221, 1222 C. civ. n. F. (= Art. 1143, 1144 C. civ. a. F.), die unter der Überschrift „L’exécution forcée en nature“ (Erzwungene Naturalerfüllung) sowohl das Recht des Gläubigers vorsehen, Naturalerfüllung zu verlangen (Art. 1221 C. civ. n. F.), zugleich aber in Art. 1222 C. civ. n. F.



I.  Die responsabilité contractuelle als exécution par équivalent

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matik ist also eng mit der Frage verbunden, was genau unter dem Begriff exécution zu verstehen ist.407

I.  Die responsabilité contractuelle als exécution par équivalent Nach dieser Auffassung geht es bei der responsabilité contractuelle nicht um die Zahlung eines Schadensersatzes wegen einer Haftung, sondern vielmehr um einen Effekt der vertraglich vereinbarten obligation.408 Sobald der Gläubiger auf den Zwang des Vollstreckungsrechts zurückgreife, nehme die vertraglich vereinbarte obligation üblicherweise die Form des Schadensersatzes an, da eine Naturalerfüllung nur ausnahmsweise verlangt bzw. erhalten werden könne.409 Dafür spreche bereits die Tradition des Code civil, da Art. 1142 C. civ. a. F. vorsah, dass sich jede obligation, die auf eine Handlung oder ein Unterlassen gerichtet ist, durch Schadensersatzzahlungen auflöse („se résout“).410 Auch der Aufbau des Code civil weise darauf hin, dass die Schadensersatzzahlung als Erfüllungssurrogat anzusehen ist, schließlich werde die responsabilité contractuelle im 3. Buch unter dem Titre III „Des contrats ou des obligations conventidie Selbstvornahme auf Kosten des Schuldners regeln. Die Selbstvornahme auf Kosten des Schuldners kann jedoch mit der französischen Rechtsprechung durchaus als eine spezielle Form des Schadensersatzes betrachtet werden, da beim Schuldner eben nicht die Naturalerfüllung vollstreckt wird, sondern nur die aufgrund der Selbstvornahme anfallenden Kosten. Funktional betrachtet dürfte es keinen Unterschied machen, ob der Schuldner zunächst Schadensersatz verlangt oder zunächst die Erfüllung vornimmt bzw. vornehmen lässt und dann die dafür anfallenden Kosten einfordert; vgl. zu dieser Frage, auch aus rechtsvergleichender Sicht, Rémy-Corlay, RDC 2005, 13 (19 ff. m. w. Nachw. zur Rechtsprechung). 407  Rémy-Corlay, RDC 2005, 13 (14); vgl. zu dieser Frage auch Roujou de Boubée, Essai sur la notion de réparation, 1974, S. 139 ff.; Faure-Abbad, Le fait générateur de la responsabilité contractuelle, 2003, S. 8 ff., 21 u. insb. 237 f.; insb. stellt sich in diesem Zusammenhang das Problem der Abgrenzung zwischen exécution forcée und réparation en nature, dazu etwa Maire, Volonté et exécution forcée de l’obligation, 2018, S. 9 ff., 411 ff. 408 Ausdrücklich bereits Domat, Les loix civiles dans leur ordre naturel, 1695, Bd. 1, S. 80; vgl. auch Pothier, Traité des obligations, S. 106 ff. Rn. 159 ff.; Rémy, RTD civ. 1997, 323 (324 f.); Leturmy, RTD civ. 1998, 839 (870 f.); Savaux, RTD civ. 1999, 1 (3); Faure-Abbad, Le fait générateur de la responsabilité contractuelle, 2003, S. 21; in diese Richtung auch RémyCorlay, RDC 2005, 13 (passim). 409  Rémy, RTD civ. 1997, 323 (325), der zudem von einem weiten Verständnis der exécution ausgeht und in der responsabilité contractuelle eine Form des paiement sieht (a. a. O., S. 352 f.: „si toute l‘exécution forcée devient réparation, il n’y a plus d’exécution que volontaire“ und „la ‚responsabilité contractuelle‘ conserve nécessairement une fonction de payement“); ebenso bereits Roujou de Boubée, Essai sur la notion de réparation, 1974, S. 139 ff. (insb. S. 141). 410  Rémy, RTD civ. 1997, 323 (325); diese Argumentation ist heute immer noch gültig, da die Art. 1217, 1231 ff. C. civ. n. F. vorsehen, dass der Gläubiger Schadensersatz verlangen kann, wenn der Schuldner nicht leistet und gilt dies nunmehr auch für jede Art von obligation und nicht nur für die obligation de faire bzw. obligation de ne pas faire; zustimmend Savaux, RTD civ. 1999, 1 (3); so auch Rémy-Corlay, RDC 2005, 13 (22): der Schadensersatz weise die Besonderheit auf, sich an jede Art von obligation anpassen zu können.

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Teil 2 – C. Die Ausw. d. Obligationslehre auf d. Verständnis d. resp. contr.

onnelles en général“ (Verträge oder vertragliche Obligationen im Allgemeinen) behandelt, und nicht im Titre IV „Des Engagements qui se forment sans convention“ (Verpflichtungen, die ohne Vereinbarung entstehen), in welchem die deliktische Haftung geregelt ist.411 Die Systematik des Gesetzes lasse also darauf schließen, dass die responsabilité délictuelle erst eine auf Schadensersatz gerichtete Verpflichtung begründe, die ohne Vereinbarung entstehe, während die Nichterfüllung des Vertrages keine neue obligation zu erzeugen brauche, da die Nichterfüllung des Vertrages selbst der Grund der Schadensersatzpflicht sei.412 Nähme man hingegen auch im Rahmen der responsabilité contractuelle eine neue eigenständige obligation an, müsste die Nichterfüllung nicht nur als Entstehungsgrund für diese eigenständige obligation herangezogen werden, sondern auch als Erlöschensgrund der ursprünglichen obligation.413 Dies könne jedoch gerade nicht der Fall sein, da anerkannt sei, dass die für die Naturalerfüllung bestellten Sicherungsmittel auch der Sicherung der Schadensersatzzahlung dienten.414 Zumal die ursprüngliche obligation gem. Art. 1351, 1351-1 C. civ. n. F. (= Art. 1302 C. civ. a. F.) erst dann erlösche, wenn sie dem Schuldner unmöglich wurde und ihm diese Unmöglichkeit nicht vorgeworfen werden kann, was jedoch im Umkehrschluss bedeute, dass im Falle eines Schuldvorwurfs die obligation fortbestehe.415 Erschwerend komme hinzu, dass die Annahme einer neuen eigenständigen obligation bei gleichzeitigem Erlöschen der 411  Rémy, RTD civ. 1997, 323 (325). Seit Inkrafttreten des Art. 2 der ordonnance Nr. 2016131 vom 10.2.2016 wird im Titel 3 des 3. Buches des Code civil unter „Des sources d’obligations“ (Die Quellen der Obligationen) nunmehr zwischen dem Vertrag als Quelle (Untertitel 1: „Le contrat“) und der außervertraglichen Haftung als Quelle (Untertitel 2: „La responsabilité extracontractuelle“) unterschieden. Auch dieses Argument hat durch die Reform grundsätzlich nicht an Geltung verloren. 412  Rémy, RTD civ. 1997, 323 (325) mit Blick auf den Titel 4 des 3. Buches des Code civil: „engagement formé sans convention“ (Verpflichtung ohne Vereinbarung); Faure-Abbad, Le fait générateur de la responsabilité contractuelle, 2003, S. 21, 225 ff.; ebenso Rémy-Corlay, RDC 2005, 13 (23 ff.); vgl. auch Savaux, RTD civ. 1999, 1 (3 ff. m. w. Nachw.), der im Ergebnis zustimmt, jedoch darauf hinweist, dass sich die „klassische Lehre“ keineswegs so einig war, wie von Rémy dargestellt, sondern einige Stimmen zwischen faute simple und dol differenzierten und beim dol die Entstehung einer neuen obligation annahmen; mit dieser Differenzierung nach faute simple und dol etwa Pothier, Traité des obligations, 1805, S. 106 ff. Rn. 159 ff. (faute simple) und S. 114 ff. Rn. 166 ff. (dol). 413  Rémy, RTD civ. 1997, 323 (325 f.); so jedoch Laurent, La propriété des droits, 2012, S. 426 ff. 414  Rémy, RTD civ. 1997, 323 (326 Fn. 12); ebenso bereits Cass. req., Urt. v. 9.5.1881 = Sirey 1882.I.150 (S. 151: „l’obligation de faire se résolvant, aux termes de l’art. 1142, en dommages-intérêts en cas d’inexécution de la part du débiteur, ces dommages-intérêts sont alors dus, non en vertu d’une obligation nouvelle, mais en vertu de l’obligation originaire dont ils deviennent la sanction dans l’hypothèse prévue par la loi“); Cass. req., Urt. v. 20.3.1922 = D. 1923, 21 (22); a. A. Grandmoulin, De l’unité de la responsabilité, 1892, S. 15 ff.; für ein Fortbestehen der Sicherheiten trotz neuer obligation im Wege einer Surrogation Laurent, La propriété des droits, 2012, S. 427 f. 415  Rémy-Corlay, RDC 2005, 13 (25) mit Verweis auf Art. 1302 C. civ. a. F. (= Art. 1351, 1351-1 C. civ. n. F.).



I.  Die responsabilité contractuelle als exécution par équivalent

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alten obligation die force obligatoire (Rechtswirkung) des Vertrages relativiere, während dessen bindende Wirkung durch die Anerkennung der responsabilité contractuelle als Erfüllungssurrogat hingegen ausreichend Berücksichtigung finde.416 Die Anerkennung einer responsabilité contracatuelle zur Entschädigung eines Schadens widerspräche zudem dem Ziel des Vertrags, welches darin bestehe, Waren und Dienste auszutauschen, also Vermögen zu verschieben, und nicht Schäden zu ersetzen.417 Der aufgrund der responsabilité contractuelle geschuldete Schadensersatz diene daher lediglich dazu, den Gläubiger in diejenige Situation zu versetzen, in der er sich bei ordnungsgemäßer Erfüllung befände.418 Zwar sei die Zahlung von Schadensersatz gewiss eine bloß unvollkommene Erfüllung, diese sei jedoch immerhin besser als eine nicht erbrachte Naturalerfüllung und in jedem Falle besser als bei Unmöglichkeit überhaupt keine Leistung zu erhalten.419 Ließe man über diese Erfüllung hinaus einen vertraglichen Schadensersatz zu, bestehe die Gefahr, den Inhalt des Vertrages ohne den Willen der Parteien künstlich zu vergrößern, nur um die Entschädigung des Opfers sicherzustellen.420 Hingegen bringe die Reparation eines Schadens allein über die responsabilité délictuelle und unabhängig von der Frage, ob zwischen Schädiger und Opfer ein Vertrag bestehe, zahlreiche Vorteile mit sich, wie etwa eine leichtere Abgrenzung zwischen den Haftungsregimen und eine stärkere Legitimation der non-cumul-Regel.421 Darüber hinaus gelte es zu beachten, dass es sich bei der Schadensersatzzahlung lediglich um einen Rechtsbehelf des Gläubigers handele, der diesem im Falle der Nichterfüllung neben weiteren Rechtsbehelfen, wie insbesondere der „exécution forcée en nature“, der „exception d’inexécution“, der „résolution“ und ggf. der „réfaction du contrat“, zustehe, was bereits ausschließe, dass die inexécution die ursprüngliche obligation zum Erlöschen bringe.422 Auch die unterschiedlichen Schadensersatzansprüche im besonderen Schuldrecht dürften nicht mit der responsabilité verwechselt werden, da der Code civil im besonderen Schuldrecht nur den genauen Umfang der vereinbarten obligation bestimme, und nicht etwa die Haftung des Schuldners.423 416  417 

Rémy-Corlay, RDC 2005, 13 (25). Savaux, RTD civ. 1999, 1 (9); Faure-Abbad, Le fait générateur de la responsabilité contractuelle, 2003, S. 24 ff. 418  Savaux, RTD civ. 1999, 1 (15, 17 u. 18: „satisfaction par équivalent“); Faure-Abbad, Le fait générateur de la responsabilité contractuelle, 2003, S. 21, 233 ff. 419  Rémy-Corlay, 2005, 13 (25); Faure-Abbad, Le fait générateur de la responsabilité contractuelle, 2003, S. 21. 420  Savaux, RTD civ. 1999, 1 (9). 421  Leturmy, RTD civ. 1998, 839 (871). 422  Rémy, RTD civ. 1997, 323 (326); Rémy-Corlay, RDC 2005, 13 (25); Faure-Abbad, Le fait générateur de la responsabilité contractuelle, 2003, S. 225 ff. u. insb. 234 f., 238; vgl. auch Art. 1217 C. civ. n. F. mit einer sehr ähnlichen Aufzählung der Rechtsbehelfe des Gläubigers. 423  Rémy, RTD civ. 1997, 323 (327).

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Für die Entwicklung eines einfachen, kohärenten und gerechten Haftungsrechts sei demnach entscheidend, dass der Vertrag ganz allgemein wieder als dasjenige verstanden werde, was er sei: das Versprechen eines bestimmten Vorteils, und nicht das Versprechen eines bestimmten Verhaltens des Gläubigers.424 Damit erübrige sich auch das Abstellen auf eine faute contractuelle.425

II.  Die responsabilité contractuelle als Ausgleich für einen erlittenen Schaden Nach anderer Auffassung bestehen lediglich in Nebenpunkten Unterschiede zwischen der responsabilité délictuelle und der responsabilité contractuelle, deren praktische Bedeutung jedoch eine Grenzziehung zwischen den beiden Haftungsregimen erforderlich machten.426 Gewiss liege der zentrale Unterschied zwischen der responsabilité délictuelle und der responsabilité contractuelle darin, dass bei der vertraglichen Haftung bereits eine Rechtsbindung zwischen Schädiger und Geschädigtem bestehe.427 Dies bedeute jedoch nicht, dass bei der vertraglichen Haftung nicht ebenfalls eine neue obligation entstehe.428 Um annehmen zu dürfen, dass die bestehende vertragliche obligation die Entstehung einer neuen obligation durch die responsabilité contractuelle verhindere, sei der Nachweis erforderlich, dass es sich um dieselbe obligation handele.429 Dieser könne jedoch nicht erbracht werden, da die ursprüngliche, mit dem Vertrag begründete obligation den Zweck 424  Rémy, RTD civ. 1997, 323 (354), dies gelte selbst dann, wenn eine bestimmte Handlung versprochen wurde. 425  Rémy, RTD civ. 1997, 323 (354 f.); Rémy-Corlay, RDC 2005, 13 (26). 426 Bereits H. Mazeaud, RTD civ. 1929, 551 (553); Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 268 ff. Rn. 316.; vgl. auch Ségur, La notion de faute contractuelle en droit français, 1954, S. 12; diese Konzeption scheint auch dem Projet de réforme de la responsabilité civile vom 13.3.2017, vorgebracht von J.‑J. Urvoas, zugrunde zu liegen; vgl. zudem Larroumet, Mélanges Catala, 2001, S. 543 (544), der jedoch eine Grenzziehung auf Rechtsfolgenseite, wonach die responsabilité contratuelle lediglich eine exécution par équivalent gewährleiste, während die responsabilité délictuelle eine réparation sicherstelle, für nicht möglich hält. 427  H. Mazeaud, RTD civ. 1929, 551 (554); a. A. Planiol/Ripert, Traité élémentaire de droit civil, Bd. 2, 10. Aufl. 1926, S. 304 f. Rn. 876 f., die der responsabilité délictuelle die Verletzung einer obligation légale (im Unterschied zur obligation contractuelle) zugrunde legen, weshalb von einem einheitlichen faute gesprochen werden könne (vgl. auch a. a. O., S. 293 Rn. 864 u. S. 303 ff. Rn. 873 ff.), auch wenn die Art des faute Einfluss auf die Schadenshöhe habe (hierzu a. a. O., S. 314 f. Rn. 897). 428  Grandmoulin, De l’unité de la responsabilité, 1892, S. 7 ff.; Planiol/Ripert, Traité élémentaire de droit civil, Bd. 2, 10. Aufl. 1926, S. 304 f. Rn. 876; H. Mazeaud, RTD civ. 1929, 551 (555); vgl. ferner Dupré-Dallemagne, La force contraignante du rapport d’obligation, 2004, S. 155: die responsabilité contractuelle verändere (transforme) tiefgreifend die ursprüngliche obligation. 429  H. Mazeaud, RTD civ. 1929, 551 (555); ähnlich auch Dupré-Dallemagne, La force contraignante du rapport d’obligation, 2004, S. 154 f.: die responsabilité habe nichts mit der exécution der geschuldeten Leistung zu tun.



III.  Die resp. contr. als exécution par équivalent und Ausgleich eines Schadens 219

habe, eine Naturalerfüllung herbeizuführen, während die durch die responsabilité contractuelle begründete obligation lediglich dem Ersatz eines Schadens diene.430 Die Quelle der jeweiligen obligation sei bei der ursprünglichen obligation der Vertrag selbst, bei der haftungsrechtlichen obligation die inexécution (Nichterfüllung) als fait générateur (erzeugender Umstand).431 Diese beiden Ursachen der obligation seien auch deshalb strikt voneinander zu unterscheiden, weil die erste auf den Willen der Parteien zurückzuführen sei, während sich die vertragliche Haftung aus dem Gesetz ergebe.432 Zwar sähe Art. 1302 C. civ. a. F. (Art. 1351, 1351-1 C. civ. n. F.) das Fortbestehen der ursprünglichen obligation bei vorwerfbarer inexéuction vor.433 Dies stelle jedoch kein überzeugendes Argument gegen die Annahme der Entstehung einer neuen obligation dar, denn der Gesetzgeber habe mit dem Art. 1302 C. civ. a. F. (Art. 1351, 13511 C. civ. n. F.) lediglich eine häufig anzuwendende, praktische Lösung schaffen und gerade nicht ein dogmatisches Problem lösen wollen.434 Umstritten innerhalb dieser Strömung der Literatur ist sodann, ob es der responsabilité contractuelle überhaupt bedarf, oder ob man diese nicht in der responsabilité délictuelle auflösen könne.435 Gegen eine solche Abschaffung der responsabilité contractuelle wird jedoch angeführt, dass ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen der schadensrechtlichen und der ursprünglichen, vertraglichen obligation bestehe, der in der Anerkennung der responsabilité contractuelle Berücksichtigung finde.436 Dieses enge inhaltliche Band sei auch von den Redakteuren des Code civil beachtet worden, indem diese die respon430  H. Mazeaud, RTD civ. 1929, 551 (555 f.); mit einem ähnlich engen objet der obligation bereits Grandmoulin, De l’unité de la responsabilité, 1892, S. 10 ff.; ferner Larroumet, Mélanges Catala, 2001, S. 543 (544 ff.): insbesondere spreche auch gegen eine exécution par équivalent der Umstand, dass der damnun emergens und der lucrum cessans ersetzt werde und nicht der Geldwert der créance. 431  H. Mazeaud, RTD civ. 1929, 551 (556); noch weiter geht Grandmoulin, der in der Verletzung der créance ein délit civil im Sinne des Art. 1382 C. civ. a. F. sieht, ders., De l’unité de la responsabilité, 1892, S. 3, 8, 13, 15 und weitere; vgl. Larroumet, Mélanges Catala, 2001, S. 543 (546). 432  H. Mazeaud, RTD civ. 1929, 551 (556); einen gewissermaßen entgegengesetzten Ansatz wählt Grandmoulin, der den Vertrag und das Gesetz auf den Willen der Parteien stützt, da der Wille des Staates nichts anderes als der Wille der Gesamtheit seiner Bürger sei, ders., De l’unité de la responsabilité, 1892, S. 4 f. Das Ergebnis bleibt jedoch dasjenige von Mazeaud: Da Vertrag und Gesetz keinen wesentlichen Unterschied aufwiesen (zum Ganzen, a. a. O., S. 4 ff.), könne es auch nur eine responsabilité geben. 433  H. Mazeaud, RTD civ. 1929, 551 (557). 434  H. Mazeaud, RTD civ. 1929, 551 (557); ähnlich bereits Grandmoulin, De l’unité de la responsabilité, 1892, S. 8 ff. 435  Für eine haftungsrechtliche Abwicklung über das Deliktsrecht etwa Grandmoulin, De l’unité de la responsabilité, 1892, passim, der sich u. a. auf die Vorentwürfe des BGB stützen möchte (a. a. O., S. 34); sehr viel zurückhaltender Larroumet, Mélanges Catala, 2001, S. 543 (553 f.), der eine Vereinheitlichung nur dann für wünschenswert hält, wenn Vertragspartner und Dritter denselben Schaden wegen desselben Risikos geltend machen. 436  H. Mazeaud, RTD civ. 1929, 551 (559).

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Teil 2 – C. Die Ausw. d. Obligationslehre auf d. Verständnis d. resp. contr.

sabilité contractuelle im Kapitel über die Wirkung vertraglicher obligationen (Chapitre III: „De l’effet des obligations“ im Titre III: „Des contrats ou des obligations conventionnelles en générales“) verorteten.437 Derjenige Teil der Literatur, der die responsabilité contractuelle anerkennt, betont zudem, dass beide Haftungsregime zwar auf denselben Grundlagen aufbauten, jedoch in Detailfragen unterschiedliche Regelungen vorsähen und daher zu unterscheiden seien.438 Beide Haftungsregime erforderten für eine Haftungsbegründung einen Schaden (dommage), einen haftungsbegründenden Umstand (je nach Autor faute oder fait générateur) und zuletzt eine die beiden ersten Tatbestandsmerkmale verbindende Kausalität.439 Unterschiede ergäben sich jedoch etwa bei der Verteilung der Beweislast, der Reichweite der Haftung und zusätzlichen Voraussetzungen wie etwa dem Inverzugsetzen (la mise en demeure) des Schädigers.440 Für eine korrekte Anwendung der responsabilité contractuelle sei schließlich erforderlich, in zwei Schritten vorzugehen: zunächst müsse der genaue Vertragsinhalt durch Auslegung festgestellt werden, um sodann prüfen zu können, ob der Schuldner für das Zurückbleiben der Wirklichkeit hinter dem vertraglichen Sollzustand verantwortlich zu machen ist.441 Sobald der Gläubiger das Bestehen der obligation beweisen könne, sei der Schuldner für die inexécution verantwortlich, es sei denn, er könne sich auf einen Entschuldigungsgrund stützen.442 Für das Beweisen der inexécution sei von zentraler Bedeutung, was genau vertraglich versprochen wurde.443 Der genaue Vertragsinhalt wiederum sei per Auslegung zu bestimmen, wobei die ausdrücklichen Vereinbarungen der Parteien Vorrang genössen und die verkehrsüblichen Gewohnheiten (usages) und das Gesetzesrecht nur heranzuziehen seien, wenn ausdrückliche Vereinbarungen fehlten bzw. sich als unklar herausstellten.444 437 

H. Mazeaud, RTD civ. 1929, 551 (559). H. Mazeaud, RTD civ. 1929, 551 (559 ff.); Larroumet, Mélanges Catala, 2001, S. 543 (551 f.); Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 269 f. Rn. 316. 439  H. Mazeaud, RTD civ. 1929, 551 (560); Larroumet, Mélanges Catala, 2001, S. 543 (546); vgl. Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 270 ff. Rn. 317 ff. (responsabilité contracatuelle) und S. 327 ff. Rn. 375 ff. (responsabilité extracontractuelle); ferner Terré/Simler/ Lequette/Chénedé, Les obligations, 12. Aufl. 2019, S. 888 f. Rn. 827 f. 440  H. Mazeaud, RTD civ. 1929, 551 (560 f.); vgl. auch Larroumet, Mélanges Catala, 2001, S. 543 (548 f., 551 f.), der auch Unterschiede bei der faute sieht. 441  H. Mazeaud, RTD civ. 1929, 551 (569 ff.), der terminologisch offenbar faute und violation de l’obligation gleichsetzt und diese von der responsabilité abgrenzt (vgl. a. a. O., S. 571 f. und dort Fn. 1); Fages, Droit des obligations, 9. Aufl. 2019, S. 271 Rn. 319 verteilt die Beweislast abhängig vom Vorliegen einer obligation de résultat oder einer obligation de moyens; allgemein zur faute oben unter B. III. (S. 202 ff.). 442  H. Mazeaud, RTD civ. 1929, 551 (579). 443  H. Mazeaud, RTD civ. 1929, 551 (613), ohne ausdrückliche Nennung der Differenzierung nach obligation de résultat und obligation de moyens, aber in diese Richtung weisend. 444  H. Mazeaud, RTD civ. 1929, 551 (628 ff.), demzufolge sowohl dispositives als auch zwingendes Recht den Willen der Parteien widerspiegele, da diese nicht gezwungen würden, 438 



III. Die resp. contr. als exécution par équivalent und Ausgleich eines Schadens 221

Zusammengefasst soll die responsabilité contractuelle demnach als eine Form der responsabilité civile dem Ersatz eines Schadens dienen. Bei ihrer Anwendung seien jedoch Besonderheiten zu berücksichtigen, die sich aus ihrer vertraglichen Grundlage ergeben. Dies wirft die Frage auf, ob die responsabilité contractuelle nicht beiden Funktionen zugleich dienen kann: der Erfüllung mittels eines Surrogats und dem Schadensersatz. Dies ist die Ansicht einer vermittelnden Auffassung.

III.  Die responsabilité contractuelle als exécution par équivalent und Ausgleich eines Schadens Eine vermittelnde Auffassung versucht die Ansätze der beiden erstgenannten Strömungen zu vereinen, indem sie der responsabilité contractuelle eine doppelte Funktion zuspricht. Huet zufolge bestehe die Besonderheit der responsabilité contratuelle darin, dass sie sowohl ein „paiement par équivalent“ (Zahlung mittels Ersatzes) als auch eine „réparation de dommages“ (Wiedergutmachung) bezwecke.445 Die responsabilité contractuelle sichere demnach die Erfüllung mittels eines Surrogats, was nichts anderes als die Sanktionierung der bisherigen Schuld sei.446 Darüber hinaus sorge die responsabilité contractuelle jedoch auch für eine Wiedergutmachung desjenigen Schadens, der anlässlich der Vertragserfüllung entstehe und aufgrund dessen sich ein neues Band zwischen Gläubiger und Schuldner bilde.447 Die Zahlungsfunktion der responsabilité contractuelle sei beispielsweise daran zu erkennen, dass der Schuldner dem Gläubiger bei der Schlechtleistung die Wertdifferenz zwischen Ist- und Sollleistung zu entschädigen habe.448 Darüber hinaus sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Sicherungsmittel nicht nur die Naturalerfüllung, sondern auch die Entschädigung garantieren sollen.449 Die responsabilité contractuelle beruhe in ihrer Zahlungsfunktion demnach nicht auf einer neuen obligation, sondern stelle vielmehr die Verlängerung (le prolongement), Folge (la suite) bzw. Projektion (la projection) der ursprüngden Vertrag abzuschließen, sondern vielmehr mit dem freiwilligen Vertragsabschluss konkludent ausdrückten, auch das zwingende Recht anzuerkennen und zu wollen (a. a. O., S. 632 f.). 445  Huet, Responsabilité contractuelle et responsabilité délictuelle, 1978, S. 25 ff.; zustimmend wohl Savaux, RTD civ. 1999, 1 (6 Fn. 32 a. E.); in diese Richtung auch Tallon, RTD civ. 1994, 223 (227 f. u. 236); ferner Brieskorn, Vertragshaftung und responsabilité contractuelle, 2010, S. 29 f., 437 ff.; ähnlich auch Laurent, La propriété des droits, 2012, S. 428 f.; in dieser doppelten Funktion sieht Leturmy, RTD civ. 1998, 839 (867) den Ursprung der ganzen Diskussion. 446  Huet, Responsabilité contractuelle et responsabilité délictuelle, 1978, S. 25. 447  Huet, a. a. O., S. 25, 28. 448  Huet, a. a. O., S. 29. 449  Huet, a. a. O., S. 29 m. w. Nachw.; ferner Dupré-Dallemagne, La force contraignante du rapport d’obligation, 2004, S. 155.

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Teil 2 – C. Die Ausw. d. Obligationslehre auf d. Verständnis d. resp. contr.

lichen obligation dar.450 Bei der Zahlungsfunktion handele es sich demnach um die Kompensation der im Zusammenhang mit der Vertragsabwicklung erwarteten Vorteile.451 Die Wiedergutmachungsfunktion diene hingegen der Entschädigung desjenigen Schadens, der sich anlässlich der Vertragserfüllung in der Person des Schuldners oder seinen Gegenständen realisiere, sofern sich dieser Schaden nicht zugleich aus dem Ausbleiben des vertraglich vereinbarten Vorteils ergebe.452 Demnach geht es um den Ersatz von Schäden, die über das Ausbleiben der vertraglich geschuldeten Leistung hinausgehen.453 Es handele sich um dieselben Schäden, die auch über die responsabilité délictuelle zu ersetzen seien, allerdings mit der Besonderheit, dass sie ihre Ursache in der Ausführung der vertraglichen Leistungspflicht fänden.454 Das praktische Interesse dieser Auffassung liege in der unterschiedlichen Behandlung des Schadensersatzes, je nachdem, ob dieser auf der Zahlungsoder der Wiedergutmachungsfunktion der responsabilité contractuelle beruhe. Unterschiede ergäben sich für den Entstehungszeitpunkt des Rechts auf Schadensersatz, welcher wiederum für die Berechnung von Zinsen relevant sei,455 für die Verjährung und für die Möglichkeit, die Schuldner zu Gesamtschuldnern zu verurteilen.456 Die vermittelnde Auffassung versucht demnach, den Streit innerhalb der responsabilité contractuelle aufzulösen, indem sie dieser eine Zahlungsfunktion und eine Wiedergutmachungsfunktion zuweist. Diese bestehen jedoch nebeneinander und überlagern sich nicht, da entweder die Zahlung mittels eines Geldersatzes oder der Schadensausgleich bezweckt ist.

IV. Stellungnahme Ausgehend von der hiesigen Konzeption der obligation ist der letztgenannten Auffassung zuzustimmen. Die responsabilité contractuelle dient der Verwirk450  Huet, Responsabilité contractuelle et responsabilité délictuelle, 1978, S.  29 m. w. Nachw.; so bereits Gaudemet, Théorie générale des obligations, 1965, S. 378; vgl. auch Carbonnier, Droit Civil, Bd. 2, 1. Aufl. 2004, S. 2186 Rn. 1070; ferner Dupré-Dallemagne, La force contraignante du rapport d’obligation, 2004, S. 155. 451  Huet, Responsabilité contractuelle et responsabilité délictuelle, 1978, S. 32, 36 f.: daher sollen auch der entgangene Gewinn eines Reisenden, der sein Ziel nicht rechtzeitig erreicht, über die Zahlungsfunktion ersetzbar sein. 452  Huet, a. a. O., S. 32 f., 36 f. 453  Huet, a. a. O., S. 30; vgl. Dupré-Dallemagne, La force contraignante du rapport d’obligation, 2004, S. 154 f. 454  Huet, Responsabilité contractuelle et responsabilité délictuelle, 1978, S. 30. 455  Huet, a. a. O., S. 38 ff. (insb. auch Fn. 1) u. insb. S. 27 Fn. 2; vgl. zur Unterscheidung jugement déclaratif und jugement constitutif etwa Carbonnier, Droit Civil, Bd. 2, 1. Aufl. 2004, S. 2186 Rn. 1070 u. S. 2401 Rn. 1203. 456  Huet, Responsabilité contractuelle et responsabilité délictuelle, 1978, S. 40 Rn. 32.



IV. Stellungnahme

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lichung der obligation, indem sie das Ausbleiben der Naturalerfüllung mit einer Geldzahlung kompensiert. Zugleich dient die responsabilité contractuelle jedoch auch dem Ausgleich bzw. der Wiederherstellung derjenigen Schäden, die bei der Vertragsausführung in einer dem Schuldner vorwerfbaren Weise dem Gläubiger entstanden sind. Dies scheint im Übrigen auch dem Verständnis des Gesetzgebers zu entsprechen, der die responsabilité contractuelle gemeinsam mit der responsabilité délictuelle reformieren möchte. Der aktuelle Reformentwurf457 sieht dabei sowohl gemeinsame Vorschriften (vgl. Art. 1235 ff. RE) als auch spezielle Vorschriften für die responsabilité délictuelle (Art. 1241 ff. RE) und die responsabilité contractuelle (Art. 1250 ff. RE) vor. Auch der Reformgesetzgeber sieht demnach in der responsabilité contractuelle eine Form der responsabilité civile, bei der es wegen des vertraglichen Ursprungs jedoch Besonderheiten zu beachten gilt, wie etwa die unterschiedliche Definition der force majeure (vgl. Art. 1253 Abs. 2, Abs. 3 RE und Art. 1218 C. civ.). Die responsabilité contractuelle ist demnach eine besondere Form der responsabilité civile, die maßgeblich durch ihre beiden Funktionen der Zahlung und der Wiedergutmachung geprägt wird. Im Rahmen der Zahlungsfunktion stellt der Schuldner mit der Geldsumme einen Zustand her, der dem bei Vertragsschluss vereinbarten dessein weitestgehend entsprechen soll. Er hat dem Gläubiger daher den objektiven Wert der Leistung in Geld zu verschaffen. Ausgangspunkt für die Berechnung ist demnach die ursprüngliche dette und damit die prestation im Sinne des Leistungserfolgs, der bei Vertragsschluss für die Erfüllung des dessein zu erbringen war. Im Rahmen der Wiedergutmachungsfunktion hat der Schuldner dasjenige zu leisten, was erforderlich ist, um eine negative Abweichung von dem bei Vertragsschluss vereinbarten dessein auszugleichen. Beschädigt er bei Ausführung des Vertragsverhältnisses das Eigentum des Gläubigers und leistet darüber hinaus jedoch vertragsgemäß, weichen die tatsächlichen Verhältnisse im Ausmaß der Beschädigung vom dessein ab. Diese Abweichung kann durch die responsabilité contractuelle aufgefangen werden. Abweichend von der Vorstellung Huets lässt die hiesige Konzeption der obligation eine Betrachtung zu, bei der die Wiedergutmachungsfunktion ohne neue obligation bzw. neuen lien de droit auskommt. Grundlage der responsabilité contractuelle ist stets dieselbe obligation und insbesondere dasselbe dessein. Darüber hinaus scheint es Gründe zu geben, die Zahlungsfunktion der responsabilité contratuelle enger zu fassen und insbesondere den entgangenen Gewinn und entgangene Nutzungen auf die Kombination aus Zahlungs- und Wiedergutmachungsfunktion zu stellen. Für eine solche Anschauung spricht zunächst der Umstand, dass diese Schadensarten nicht von der ursprünglichen Leistung erfasst sind. Bei einem ein457 

voas.

Projet de réforme de la responsabilité civile vom 13.3.2017, vorgebracht von J.‑J. Ur-

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Teil 2 – C. Die Ausw. d. Obligationslehre auf d. Verständnis d. resp. contr.

fachen Kauf besteht die dette bzw. prestation due lediglich in der Lieferung einer Sache. Die Nutzungen bzw. den Gewinn aus einem Weiterverkauf hat der Gläubiger schließlich selbst zu ziehen. Andererseits entsteht dieser Schaden auch nicht aus einer Verletzung der bestehenden Güter des Gläubigers, so dass er ebenso wenig unter die Wiedergutmachungsfunktion fällt. Erst die Kombination aus beiden Funktionen ermöglicht die Abwicklung dieses Schadenstyps. Zudem ermöglicht eine solche Anschauung ein besseres Verständnis des Art. 1217 Abs. 2 C. civ. Gemäß dieser Vorschrift sind die Sanktionen der inexécution kombinierbar, solange sie nicht inkompatibel sind, wobei der Schadensersatz immer hinzutreten können soll. Dies wirft jedoch die Frage auf, welche Sanktionen inkompatibel sind. Können etwa Rücktritt und Schadensersatz nebeneinander geltend gemacht werden? Schließt eine exécution forcée en nature nach Art. 1222 C. civ. die Geltendmachung eines Schadensersatzes aus? Der Rücktritt hat gem. Art. 1229 Abs. 1 C. civ. das Ende des Vertrags zur Folge. Zwar tritt diese Rechtsfolge nicht uneingeschränkt ein: so sieht Art. 1230 C. civ. vor, dass manche Vertragsklauseln wirksam bleiben und wandelt sich das Vertragsverhältnis ggf. gem. Art. 1229 Abs. 3, Abs. 4 C. civ. in ein Rückgewährschuldverhältnis. Als Sanktion hat die résolution gem. Art. 1224 ff. C. civ. den Zweck, die unerfüllte Leistung und insbesondere ihre Gegenleistung wegfallen zu lassen. Stützt man die oben genannten Schadenstypen jedoch allein auf die Zahlungsfunktion der responsabilité contractuelle, scheint einem Schadensersatz damit allerdings die Grundlage entzogen. Anders verhält es sich bei der exécution forcée en nature im Sinne des Art. 1222 C. civ. Eine mögliche Abweichung vom dessein besteht bei einer Erfüllung durch den Gläubiger oder einen Dritten darin, dass diese für den Gläubiger möglicherweise teurer ist. In diesem Fall kann er Ersatz der Mehrkosten verlangen, d. h. dasjenige, was vor der Schaffung des Art. 1222 Abs. 1 S. 2 C. civ. im Wege der Zahlungsfunktion ersetzbar war. Im Übrigen können wie geplant Nutzungen gezogen oder ein Gewinn realisiert werden, so dass der Gläubiger bei einer Gesamtbetrachtung nun exakt so gestellt ist, wie er bei einer ordnungsgemäßen Erfüllung durch den Schuldner stünde. Mit der Ersetzung der Mehrkosten nach Art. 1222 Abs. 1 S. 2 C. civ. entfällt deshalb der Zweck der Zahlungs- und auch der Wiedergutmachungsfunktion der responsabilité contractuelle, da jeder weitere Vorteil den Gläubiger besserstellen würde als bei einer ordnungsgemäßen Erfüllung des dessein und damit die Gefahr einer Doppelkompensation droht. Die exécution forcée en nature ist demnach nur dann mit dem Schadensersatz kombinierbar, wenn andere Güter des Gläubigers beschädigt werden und mit der Wiedergutmachungsfunktion der responsabilité contractuelle zu ersetzen sind. Nur in diesem Fall wird eine Doppelkompensation vermieden. Dem hier vertretenen System kann scheinbar ein Einwand entgegengebracht werden. Nach den bisherigen Ergebnissen stellt eine Abweichung der faktischen Verhältnisse vom dessein eine inexécution dar. Mit anderen Worten: so-



IV. Stellungnahme

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lange der Schuldner nicht in Natur oder mittels eines gesetzlich oder vertraglich anerkannten Erfüllungssurrogats ordnungsgemäß erfüllt, liegt eine inexécution vor. Sofern ihre speziellen Voraussetzungen ebenfalls gegeben sind, stehen dem Gläubiger demnach die Sanktionen aus Art. 1217 ff. C. civ. zur Verfügung. Um auf das Transportbeispiel zurückzukommen:458 kann der Gläubiger gem. Art. 1224 ff. C. civ. den Vertrag auflösen oder gem. Art. 1223 C. civ. den Preis mindern, wenn der Schuldner die Sache in einem mangelhaften Zustand übergibt, er diesen gem. Art. 1197 C. civ. jedoch nicht zu verantworten hat? Man könnte geneigt sein, aus der systematischen Stellung des Art. 1218 C. civ. vor den Sanktionen der Art. 1219 ff. C. civ. zu schließen, dass die Sanktionen des Gläubigers stets dann ausgeschlossen sind, wenn eine force majeure bzw. eine gesetzliche oder vertragliche Haftungsprivilegierung greift und dem Schuldner die inexécution daher nicht vorwerfbar (imputable) ist. Dies erscheint jedoch ein zu weitgehender Ansatz zu sein. Darüber hinaus wäre bei einem solchen Verständnis die Erwähnung der force majeure in Art. 1231-1 C. civ. überflüssig. Naheliegender und zweckmäßiger dürfte es sein, in einem solchen Fall die Sanktionen als grundsätzlich einschlägig zu betrachten. Zumal die spezielleren Voraussetzungen durchaus geeignet erscheinen, sachgerechte Einzelfalllösungen zu gewährleisten. Wenn die Sache beispielsweise nur leicht beschädigt ist und die Nutzung nicht weiter beeinträchtigt, ist eine résolution gem. Art. 1224 C. civ. mangels einer ausreichenden Schwere der Nichterfüllung (inexécution suffisamment grave) ausgeschlossen. Dem Gläubiger bleibt dann nur eine Minderung des Kaufpreises gem. Art. 1223 C. civ. Eine solche wiederum wäre als unverhältnismäßig (de manière proportionelle) im Sinne des Art. 1223 C. civ. auszuschließen, wenn die Beschädigung der Kaufsache durch den Gläubiger verursacht wurde bzw. dieser die Gefahr der Verschlechterung zu tragen hat. Auch bei einem weiten Verständnis der inexécution scheint die hiesige Konzeption der obligation demnach durchaus mit dem Allgemeinen Leistungsstörungsrecht des französischen Code civil und insbesondere der responsabilité contractuelle vereinbar. Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass der für eine inexécution zu leistende Schadensersatz in seiner Zahlungsfunktion weniger ist als die exécution en nature. Er dient jedoch dazu, einen Zustand herzustellen, der dem dessein der obligation möglichst nahekommt. Die Annahme einer neuen obligation, auf welche die responsabilité contractuelle zu stützen wäre, ist nicht erforderlich. Vielmehr beruht die vertragliche Haftung auf der ursprünglichen obligation. Im Übrigen weist sie große Ähnlichkeiten zur responsabilité délictuelle auf, weshalb durchaus von einer responsabilité zu sprechen ist. Allerdings gilt es wegen der besonderen Konstellation, dass zwischen Schädiger und Geschädigtem ein lien de droit (Rechtsverhältnis) besteht, regelmäßig Unterschiede zwischen der 458 

Oben unter A. III. 3. a) cc) (S. 177 ff.).

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Teil 2 – D. Zusammenfassung zum französischen Recht

responsabilité contractuelle und der responsabilité délictuelle zu beachten, wie etwa bei der Definition der force majeure oder dem ggf. zusätzlichen Erfordernis der mise en demeure.

D.  Zusammenfassung zum französischen Recht Der Begriff der obligation und insbesondere derjenige der obligation contractuelle findet sich im Code civil zwar an zahlreichen Stellen, dennoch definiert das Gesetz den Begriff nicht. Wegen der Omnipräsenz des Begriffs ist dieser in der französischen Literatur Thema einer Vielzahl teils umfangreicher Arbeiten, die sich mit der historischen Entwicklung ebenso auseinandersetzen wie mit der gegenwärtigen Bedeutung des Begriffs. Die französischen Untersuchungen zur Geschichte des Begriffs der obligation gelangen zu dem Ergebnis, dass sich die obligation über die Jahrhunderte langsam von einer stark schuldnerzentrischen Sichtweise weg und mehr zu einer gläubigerorientierten Konzeption hin entwickelt habe. Seit der Anerkennung des subjektiven Rechts wird versucht, die obligation als eine Verbindung der Pflicht des Schuldners (dette) mit dem Forderungsrecht des Gläubigers (créance) zu erklären. Abhängig vom Schwerpunkt der Betrachtung, d. h. je nachdem, ob der Fokus auf dem Schuldner, dem Gläubiger, der Funktion oder ökonomischen Aspekten der obligation liegt, wurden von der französischen Literatur verschiedene Konzeptionen zur obligation erarbeitet, von denen namentlich die conception objective, die conception dualiste, die définition classique, die conception néoclassique, die conception tripartite und die Konzeption, welche die obligation als eine garantie betrachtet, zu nennen sind. Entsprechend der Vielzahl unterschiedlicher Konzeptionen zur obligation werden in der französischen Literatur eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze zu ihrem Inhalt (objet) vertreten. Seit der ordonnance Nr. 2016-131 vom 10. Februar 2016 ist in Art. 1163 Abs. 1 C. civ. zwar die prestation als objet der obligation gesetzlich festgelegt. Allerdings lässt der Code civil offen, was unter prestation zu verstehen ist. In der Literatur wurde bzw. wird als objet der obligation unter anderem Folgendes angesehen: der acte (bzw. die abstention) des Schuldners, eine Kombination aus einem objektiven (Resultat) und einem subjektiven Element (Handlung), die exécution der dette oder die Befriedigung des Gläubigers. Soweit ersichtlich besteht Einigkeit darüber, dass es sich bei der obligation um ein Recht gegenüber einer Person und damit um ein droit personnel handelt. Weitestgehend unstreitig ist auch, dass die obligation aus Sicht des Gläubigers ein Forderungsrecht (créance) und aus Sicht des Schuldners eine Pflicht bzw. Schuld (dette) enthält. Zustimmung verdient insbesondere Grégoire Forest, der in seiner umfangreichen Untersuchung zum Begriff der obligation zu dem Er-



Teil 2 – D. Zusammenfassung zum französischen Recht

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gebnis gelangt, dass durch die obligation in Form der dette für den Schuldner eine objektive Verhaltensvorschrift (norme objective de comportement) entsteht. Dieser Gedanke wurde in der vorliegenden Untersuchung dahingehend weiterentwickelt, dass sich genau genommen nicht nur der Schuldner eine objektive Verhaltensvorschrift auferlegt. Auch der Gläubiger erklärt bei Begründung der obligation verbindlich, etwas erhalten zu wollen und muss deshalb im Falle des Annahmeverzuges mit seinem Vermögen für alle Kosten und Gebühren einstehen. Da es – soweit ersichtlich – bisher keinen Begriff zur Umschreibung dieses überparteilichen, verbindlichen Ziels der obligation gibt, wird in der vorliegenden Untersuchung hierfür die Verwendung des Wortes dessein vorgeschlagen. Das dessein stellt als Zweck der obligation ihr erstes konstitutives Element dar. Hinsichtlich der Konkretisierung der prestation als objet der obligation gem. Art. 1163 Abs. 1 C. civ. werden unterschiedliche Ansätze vertreten und können insbesondere die Auffassungen, die vor der ordonnance Nr. 2016-131 vom 10. Februar 2016 entwickelt wurden, herangezogen werden, da der Gesetzgeber mit der Neufassung des Art. 1163 C. civ. inhaltlich offenbar nicht weiter Position beziehen wollte. So wird nach der Art der Leistung weiterhin eine Dreiteilung der obligations in obligation de donner, obligation de faire und obligation de ne pas faire ebenso vertreten wie eine Zweiteilung in obligation de somme d’argent und obligation en nature. Weit verbreitet ist ebenfalls eine Unterscheidung zwischen obligation de moyens und obligation de résultat. Diesen Differenzierungen – mit Ausnahme der in Art. 1343 ff. C. civ. und im Code des procédures civiles d’exécution gesetzlich anerkannten Dichotomie von obligation en nature und obligation de somme d’argent – ist jedoch entgegenzuhalten, dass sie zu einer überflüssigen Aufspaltung der Konzeption der obligation führen, sich die versuchten Kategorisierungen häufig nicht eindeutig einhalten lassen und die Unterscheidungen meist von den entscheidenden Sachfragen ablenken. Gegen den acte als objet der obligation sprechen die fundamentalen Rechte des Schuldners ebenso wie das französische Zwangsvollstreckungsrecht, das eine Erzwingung der Handlung des Schuldners gegen seinen Willen nicht vorsieht. Ferner ist im französischen Recht eine Handlung des Schuldners zur Erfüllung der obligation nur in Ausnahmefällen erforderlich. Als Inhalt der prestation und damit der obligation ist daher die Verwirklichung des dessein anzusehen. Der Zweck der obligation liegt in der Erreichung des von den Parteien bei Vertragsschluss beabsichtigten Resultats. Allerdings muss dieser Sollzustand nicht vollständig Wirklichkeit werden. Der Sollzustand des dessein ist zwar möglichst umfassend, zugleich jedoch nur soweit herbeizuführen, wie dies rechtlich und tatsächlich möglich ist. Die Frage der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit wird dabei durch créance und dette beantwortet, die abhängig von den aktuellen Umständen und somit auf Grundlage einer dynamischen Betrachtung festlegen, was der Gläubiger zu fordern berechtigt und der Schuldner zu leisten verpflichtet ist. Den Rahmen der

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Teil 2 – D. Zusammenfassung zum französischen Recht

créance und der dette bildet jedoch stets das dessein, wodurch verhindert wird, dass der Schuldner zu viel leisten muss bzw. der Gläubiger zu viel erhält. Der Begriff der prestation ist, vergleichbar mit seinem deutschen Pendant, der Leistung, mehrdeutig. Mit prestation kann ebenso der Leistungserfolg wie die Leistungshandlung gemeint sein. In einfach gelagerten Konstellationen können sich die Begriffe dessein und prestation deshalb entsprechen, da beide den Erfolg der geschuldeten Handlung umschreiben können. Der Begriff des dessein bietet dennoch einen Mehrwert, da er insbesondere erlaubt, zwischen der prestation im Sinne des durch die geschuldete Handlung herbeigeführten Leistungserfolgs einerseits und dem Ziel der Zwangsvollstreckung bzw. dem Ziel der obligation andererseits, welche ohne die ursprünglich geschuldete Handlung erreicht werden können, zu unterscheiden. Im Übrigen sieht der Code civil Konstellationen vor, in denen erst mehrere prestations die obligation erfüllen. In einem solchen Fall ermöglicht es der Begriff des dessein, zwischen dem Zweck der obligation (Erfüllung aller prestations) und dem Erfolg einer einzelnen prestation zu differenzieren. Sofern unter prestation die Leistungshandlung des Schuldners verstanden wird, kann sich der Begriff mit dem der dette überschneiden. Da der Schuldner nach der hier vertretenen Konzeption der obligation jedoch stets die Erfüllung des dessein und damit einen Erfolg schuldet, geht die dette stets über die bloße Leistungshandlung des Schuldners hinaus. Die erfolgsbezogene Konzeption der obligation ist auch mit dem Erfüllungsrecht der Art. 1342 ff. C. civ. vereinbar. Der Begriff des paiement ist als Erfüllung des dessein zu verstehen. Art. 1342 Abs. 1 C. civ. ist, auch wenn die Vorschrift eine exécution volontaire voraussetzt, deshalb jedenfalls analog auf die Fälle einer erfolgreichen Zwangsvollstreckung anzuwenden, damit das durch die Zwangsvollstreckung erreichte Ziel auch materiell-rechtlich Folgen zeitigt und die dette erlöschen lässt. Im Lichte der in dieser Untersuchung vertretenen erfolgsbezogenen Konzeption der obligation meint der – nach soweit ersichtlich einhelliger Auffassung weit zu verstehende – Begriff der inexécution die objektive Abweichung vom Sollzustand des dessein. Die Untersuchung der verschiedenen Konzeptionen zur obligation verschafft hingegen Klarheit, wenn von dem Begriff der inexécution derjenige der faute abgegrenzt werden soll. Da der Begriff der faute auf Grundlage verschiedener Auffassungen zur obligation definiert wird, gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher und teils diametraler Ansätze zur faute. Da die Terminologie zur faute mittlerweile als sehr unübersichtlich und deshalb kaum mehr darstellbar zu beschreiben ist, wird auf Grundlage der bisherigen Ergebnisse vorgeschlagen, auf den Begriff vollständig zu verzichten und lediglich zwischen der inexécution imputable und der inexécution non imputable zu differenzieren. Bezüglich der imputabilité gilt dabei, dass dem Schuldner eine inexécution in der Regel nur dann vorwerfbar (imputable) ist, wenn kein Fall der force majeure vorliegt. Von dem grundsätzlich geltenden Maßstab der force ma-



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jeure kann jedoch für den Schuldner nachteilig (insbesondere durch die Übernahme einer garantie) oder vorteilhaft (durch gesetzliche oder vertragliche Haftungsprivilegien) abgewichen werden. Eine force majeure liegt gem. Art. 1218 Abs. 1 C. civ. im vertraglichen Bereich stets dann vor, wenn ein Ereignis bei Vertragsschluss vernünftigerweise nicht vorhergesehen werden konnte, sich dieses Ereignis der Kontrolle des Schuldners entzieht, seine Folgen mit geeigneten Maßnahmen nicht vermieden werden können und deshalb die Erfüllung der obligation durch den Schuldner verhindert wird. Diese Verhinderung der Erfüllung durch den Schuldner meint nichts anderes als die impossibilité relative und damit die Unmöglichkeit für den Schuldner. Das französische Recht unterscheidet demnach die impossibilité, die lediglich die schuldnerische Handlung und damit die prestation ausschließt, von der force majeure, bei deren Vorliegen der Gläubiger keine Forderungsrechte gegen den Schuldner geltend machen kann, womit letztlich die Erreichung der obligation ausgeschlossen wird. Dementsprechend differenziert Jean Carbonnier zwischen der unmittelbaren Wirkung der Unmöglichkeit (Ausschluss der prestation) und der mittelbaren Wirkung der Unmöglichkeit (Ausschluss der obligation, wenn die zusätzlichen Voraussetzungen der force majeure vorliegen). Liegen die weiteren Voraussetzungen der force majeure hingegen nicht vor, kommt es allein zur unmittelbaren Folge der Unmöglichkeit: die prestation kann nicht erbracht werden, während die obligation als Grundlage für Surrogats- und Schadensersatzansprüche fortwirkt. Erkennt man damit an, dass eine obligation auch ohne eine prestation possible (mögliche Leistung) bestehen kann, ist kein dogmatisch zwingender Grund ersichtlich, der die Voraussetzung der possibilité in Art. 1163 Abs. 2 C. civ. rechtfertigen könnte: eine obligation kann es demnach auch ohne eine prestation possible geben. Im Lichte dieser Ergebnisse ist bedauerlich, dass der französische Reformgesetzgeber mit der ordonnance Nr. 2016-131 vom 10. Februar 2016 weiterhin an der Unwirksamkeit von Verträgen bei objektiver anfänglicher Unmöglichkeit festgehalten hat. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Schuldner, der fahrlässig oder vorsätzlich eine objektiv unmögliche Leistung verspricht, besser stehen soll als der Schuldner, der fahrlässig oder vorsätzlich eine lediglich für ihn unmögliche Leistung verspricht. Soweit dem Schuldner die inexécution vorwerfbar (imputable) ist, wie etwa im Falle der bloß unmittelbaren Folge der Unmöglichkeit, besteht die obligation demnach fort und ist die Grundlage dafür, dass der Schuldner dem Gläubiger Schadensersatz zu leisten hat. Da mit der obligation auch das dessein fortbesteht, kann dieses zur Berechnung der Schadensersatzhöhe herangezogen werden. Diese Konzeption hat zudem den Vorteil, dass die für die Naturalerfüllung bestellten Sicherungsmittel auch der Sicherung des Schadensersatzanspruchs dienen können. Andererseits sind Parallelen zwischen der vertraglichen Haftung auf Schadensersatz (responsabilité contractuelle) und

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Teil 2 – D. Zusammenfassung zum französischen Recht

der deliktischen Haftung (responsabilité délictuelle) nicht von der Hand zu weisen: beide Regime erfordern grundsätzlich einen fait générateur (Haftungsursache), einen dommage (Schaden) und einen lien de causalité (Kausalität) zwischen Ursache und Schaden. Unterschiede bestehen hingegen bei der Verteilung der Beweislast, der Reichweite der Haftung, der Definition der force majeure und etwaigen zusätzlichen Voraussetzungen (z. B. dem Inverzugsetzen des Schuldners). Die responsabilité contractuelle ist daher als eine besondere Form der responsabilité civile anzusehen, durch die nicht nur die obligation mittels einer Geldzahlung erfüllt (Zahlungsfunktion), sondern zugleich auch ein beim Gläubiger in einer dem Schuldner vorwerfbaren Weise entstandener Schaden ersetzt werden soll (Wiedergutmachungsfunktion). Abhängig von der Art der Schadensposition kann die responsabilité contractuelle mehr der Zahlungsfunktion oder mehr der Wiedergutmachungsfunktion dienen. Ein entgangener Gewinn ist jedoch allein wegen der Kombination beider Funktionen ersetzbar. Für den französischen Teil ist zum Abschluss festzuhalten, dass die erfolgsbezogene Konzeption der obligation mit den geltenden Lösungen des französischen Schuldrechts vereinbar ist und in einer Gesamtbetrachtung den anderen in der französischen Rechtswissenschaft vertretenen Konzeptionen überlegen erscheint. Ein handlungsbefreiter Ansatz zur obligation kann eine Vielzahl verschiedenster Fragen des französischen Schuldrechts transparent und überzeugend beantworten. Insbesondere die Anerkennung des dessein als der von den Parteien verfolgte verbindliche Plan kann dazu beitragen, die Ergebnisse des Schuldrechts mit denen des Zwangsvollstreckungsrechts in Einklang zu bringen und Einzelfragen wie die Erfüllung der obligation durch Dritte, die Regelungen des Annahmeverzugs, das Verhältnis zwischen Begriffen wie inexécution, faute, force majeure und impossibilité oder das Verhältnis zwischen der responsabilité contractuelle und der responsabilité délictuelle zu klären. Die klare und einheitliche Konzeption der erfolgsbezogenen Konzeption hat zudem den Vorteil, dass sie zahlreiche, meist nur mäßig erfolgreiche Kategorisierungsversuche zur obligation weitestgehend obsolet werden lässt, so dass diesen nurmehr ein didaktischer bzw. heuristischer Wert zuerkannt werden kann. Damit macht die erfolgsbezogene obligation den Blick frei für die maßgeblichen Sachfragen etwa des Beweis-, Vollstreckungs- und Erfüllungsrechts. In einem abschließenden Teil sollen nun die Ergebnisse zum deutschen und französischen Recht vergleichend gegenübergestellt und insbesondere auch auf die Stärken und Schwächen des jeweiligen Schuldrechts im Lichte dieser Ergebnisse eingegangen werden.

Teil 3

Unterschiede und Gemeinsamkeiten der untersuchten Rechtsordnungen Die Untersuchungen zum deutschen und französischen Recht haben gezeigt, dass in der deutschen und der französischen Rechtswissenschaft auf Grundlage unterschiedlicher Verständnisse des Begriffs der Obligation gestritten wird. Wie in der Einleitung bereits mit Verweis auf Sutschet betont, muss dieses Streiten jedoch unfruchtbar bleiben. Denn wie die vorliegende Untersuchung zeigt, gibt es zahlreiche Schnittstellen zwischen der allgemeinen Frage, was unter einer Obligation zu verstehen ist, und speziellen Fragen des Schuldrechts. Die Relevanz der Konzeption der Obligation für die Beantwortung einer Vielzahl dieser Fragen ist dabei nicht von der Hand zu weisen. Um nur ein Beispiel zu nennen: für die Anwendung der Vorschriften zur vertraglichen Haftung ist es unerlässlich, sich Klarheit über die Obligation zu verschaffen, um Begriffe wie Pflichtverletzung, inexécution, Leistungshindernis, impossibilité, Vertretenmüssen oder force majeure auslegen zu können. Vergleichend lässt sich festhalten, dass sich in beiden Rechtsordnungen ein erfolgsbezogenes Verständnis der Obligation als einheitliche, klare und deshalb überlegene Konzeption erweist. Ein rein erfolgsbezogener Ansatz vermeidet Abgrenzungsschwierigkeiten und kann dennoch unter anderem dazu beitragen, die Ergebnisse des materiellen Erfüllungsrechts mit denjenigen des Zwangsvollstreckungsrechts in Einklang zu bringen, die Erfüllung durch Dritte zu erklären, die positive Haftung für eine bei Vertragsschluss objektiv unmögliche Leistung zu rechtfertigen, den Umfang der sog. Sekundäransprüche ebenso wie den Umfang der schuldnerischen Leistungspflicht abzustecken und einige weitere Fragen etwa zur Abtretung oder zum Annahmeverzug zu beantworten. In beiden Rechtsordnungen ist Sinn und Zweck der Obligation, einen Zustand herzustellen, der dem von den Parteien bei Vertragsschluss beabsichtigten Ziel möglichst nahekommt. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass die wichtigste und „reinste“ Form der Erfüllung der Obligation stets die Leistungshandlung des Schuldners bleibt. Neben der Naturalerfüllung durch den Schuldner können jedoch auch Leistungen Dritter oder andere Tatbestände, wie etwa eine Aufrechnung, die Lieferung einer anderen Sache oder eine Geldzahlung, zur Erfüllung der Obligation führen.

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Teil 3 – Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Rechtsordnungen

Das erfolgsbezogene Verständnis der Obligation folgt insbesondere aus den Feststellungen, dass in beiden Rechtsordnungen die Handlung eines Dritten Erfüllungswirkung besitzt und die Handlung des Schuldners nicht erzwungen werden kann. Zwar sehen beide Rechtsordnungen Mittel vor, die den Schuldner zur Ausführung der geschuldeten Leistungshandlung bewegen sollen (wie etwa Zurückbehaltungsrechte und die Verhängung von Zwangsgeld). Aus praktischer Sicht sprechen jedoch die Beachtung der Grundrechte des Schuldners bei der Anwendung staatlicher Gewalt gegen eine Erzwingung einer Handlung. Aus theoretischer Sicht ergibt sich zudem das Problem, dass eine Handlung einen flüchtigen Zustand darstellt, der allein vom Willen des Handelnden abhängt und daher ohnehin nicht kontrolliert werden kann. In beiden Rechtsordnungen sind daher vor allem diejenigen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erfolgsversprechend, für die eine Mitwirkung des Schuldners nicht erforderlich ist. Den Schuldrechtssystemen beider Rechtsordnungen liegt demnach eine binäre Konzeption der Obligation zugrunde. Die Obligation besteht aus einem Element des Sollens, welches auch als Obligationszweck oder dessein bezeichnet werden kann: Bei Vertragsschluss einigen sich Gläubiger und Schuldner auf einen bestimmten Zustand, der erreicht werden soll. Als zweites Element verfügt die Obligation über einen Mechanismus, der den Parteien eine gewisse Macht über das Vermögen der anderen Partei verschafft. Dieser Mechanismus findet vor allem Ausdruck in dem Zusammenspiel aus Forderungsrecht/Schuld und Anspruch/Leistungspflicht in der deutschen Rechtsordnung bzw. créance und dette im französischen Recht. Diese Macht dient letztlich der Erreichung des Sollens bzw. des dessein. Zwischen diesen beiden Elementen der Obligation besteht eine Art Wechselwirkung. Während das Sollen bzw. der dessein den Umfang des Forderungsrechts bzw. der créance vorgibt, hängt das Fortbestehen bzw. Fortwirken der Obligation maßgeblich vom Forderungsrecht bzw. der créance ab. Zwei Ursachen können somit zum Vergehen der Obligation führen: die Obligation erlischt, wenn dasjenige erbracht wird, was der Gläubiger zu fordern berechtigt ist. Darüber hinaus verblasst die Obligation zu einer folgenlosen Hülle und kann insbesondere nicht mehr als Rechtsgrund zum Behaltendürfen dienen, wenn infolge Unmöglichkeit die Naturalerfüllung ausgeschlossen ist und auch sonst keine Forderungsrechte gegen den Schuldner bestehen (sog. mittelbare Folge der Unmöglichkeit). Hingegen wurden zwingende dogmatische Gründe, in den Fällen der Unmöglichkeit stets von einem Erlöschen der Obligation oder gar der Nichtigkeit des ihr zugrunde liegenden Vertrages auszugehen, nicht offenbar. Im Lichte der vorliegenden Konzeption erscheint es daher überzeugender, auch im Falle einer anfänglichen objektiven Unmöglichkeit von der Wirksamkeit des Vertrages und jedenfalls zunächst vom Bestehen der Obligation auszugehen, um diese als Grundlage für Ansprüche auf Schadensersatz oder auf Herausgabe von Surrogaten heranziehen zu können. Denn es ist nicht ersichtlich, weshalb



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ein Schuldner, der fahrlässig oder vorsätzlich eine objektiv unmögliche Leistung verspricht, besser stehen soll als ein Schuldner, der fahrlässig oder vorsätzlich eine nur für ihn unmögliche Leistungspflicht übernimmt. Bezüglich der verschiedenen Erfüllungsformen der Obligation (Naturalerfüllung durch den Schuldner oder Dritte, Herausgabe von Surrogaten, Schadensersatz, Aufrechnung) ist vom Grundsatz der Einheitlichkeit auszugehen. Alle Erfüllungsformen führen zum Erreichen des Sollens bzw. dessein und damit zum Erlöschen der Obligation. Allerdings gibt es unter den Erfüllungsformen eine Hierarchie und gilt grundsätzlich insbesondere der Vorrang der Naturalerfüllung, der durch das Fristsetzungserfordernis im deutschen Recht bzw. die Notwendigkeit eines mise en demeure im französischen Recht Ausdruck findet. Neben diesen dogmatischen Gemeinsamkeiten teilen die deutsche und die französische Rechtsordnung jedoch auch eine ganz wesentliche Schwäche: die Gesetzestexte und Gesetzesbegründungen enthalten selten klare Aussagen zur Konzeption der Obligation. Sofern es Ausführungen zur Konzeption gibt, betreffen diese lediglich einzelne Aspekte oder beschränken sich darauf, zu erklären, dass die Ausarbeitung eines Konzepts der Wissenschaft überlassen wird. Für ein solches Vorgehen ließe sich zwar anführen, dass es schließlich Aufgabe der Rechtswissenschaft ist, ein einheitliches und möglichst widerspruchfreies System zu entwickeln. Dem ist jedoch zu entgegnen, dass es die Anwendung des Gesetzes deutlich vereinfachen würde, wenn der Gesetzgeber eine klare Vorstellung seiner Konzeption formulieren würde – was natürlich in einem ersten Schritt erfordert, dass er eine solche entwickelt. Aber nicht nur die Auslegung einzelner Vorschriften, sondern auch der nationale wie internationale wissenschaftliche Diskurs würde von einer einheitlichen Konzeption und einer insgesamt einheitlicheren Terminologie in ganz beachtlicher Weise profitieren. Die Gesetzesbegründung zur deutschen Schuldrechtsreform kann beispielsweise an vielen Stellen so verstanden werden, dass der Gesetzgeber von einer erfolgsbezogenen Konzeption der Obligation ausgeht. Darüber hinaus sprechen auch der neue § 311a BGB und die Neufassung des § 275 BGB für ein solches Verständnis. Dennoch wurde für § 280 BGB bedauerlicherweise der Begriff der Pflichtverletzung gewählt und mit § 311a Abs. 2 BGB eine Anspruchsgrundlage geschaffen, der es nicht bedarf, wenn man den Anknüpfungspunkt der Vorhersehbarkeit bei Vertragsschluss in § 276 BGB aufgenommen hätte. Diese Inkonsequenzen sowie zahlreiche Formulierungen der Gesetzesbegründung, die sich zur argumentatorischen Stützung sowohl einer erfolgsbezogenen als auch einer handlungsbezogenen Konzeption heranziehen ließen, zeigen, dass sich der deutsche Schuldrechtsreformgesetzgeber entweder über seine Konzeption nicht ausreichend im Klaren war, oder ihm der Mut fehlte, diese konsequent umzusetzen. Es hätte der Akzeptanz der deutschen Schuldrechtsreform vermutlich nicht geschadet, wenn in der Vorschrift des § 280 BGB der Begriff der Nichterfüllung verwendet und dieser dort zudem erläutert oder zumindest umschrieben würde.

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Als Vorbild hierfür kann Art. 1217 Abs. 1 C. civ. herangezogen werden, der zumindest mittelbar den Begriff der inexécution definiert. Würde man den Anfang des § 280 Abs. 1 S. 1 BGB ändern in „Wird eine Leistung aus dem Schuldverhältnis nicht erfüllt (…)“, könnte ein zwischen den ersten beiden Absätzen des § 280 BGB neu einzufügender Absatz beispielsweise wie folgt lauten: „Eine Nichterfüllung liegt vor, wenn der Gläubiger den Leistungserfolg nicht oder nicht wie geschuldet erhält.“ Aus den Verweisungen der Folgeabsätze ergäbe sich dann zusätzlich, dass die nicht ordnungsgemäße Erfüllung und damit der Begriff der Nichterfüllung auch die Fälle des Verzugs und der Schlechtleistung erfasst. Hinsichtlich des Zentralbegriffs des Leistungsstörungsrecht setzt das französische Recht mit seiner inexécution die erfolgsbezogene Konzeption der obligation demnach besser um als das deutsche Recht. Eine weitere Stärke des französischen Schuldrechts im Vergleich zum deutschen Recht liegt darin, dass der Code civil mit Art. 1221 C. civ. nicht nur die unmittelbaren Folgen der Unmöglichkeit (impossibilité) regelt, sondern darüber hinaus auch Vorschriften für die mittelbaren Folgen der Unmöglichkeit vorsieht: Art. 1351 C. civ. hebt beispielsweise hervor, dass der Schuldner grundsätzlich wegen einer Unmöglichkeit nur soweit befreit wird, wie die Voraussetzungen der force majeure vorliegen, er keine Garantie übernommen hat und sich zur Zeit der Unmöglichkeit nicht in Verzug befand. Ebenfalls ist positiv für das französische Recht anzuführen, dass die Definition der force majeure in Art. 1218 C. civ. einen gelungenen Ansatz darstellt, um sich der Frage zu nähern, ob dem Schuldner die inexécution vorgeworfen werden kann. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Definition der force majeure die Vorhersehbarkeit nennt und damit die Anknüpfungspunkte für die Vorwerfbarkeit einer inexécution nach dem allgemeinen Haftungsmaßstabs des französischen Code civil in einer Vorschrift zusammengefasst wurden. Im deutschen BGB muss für diese Frage § 276 BGB ebenso wie § 311a Abs. 2 BGB herangezogen werden, obwohl der einheitliche Haftungsgrund in der Nichterfüllung wegen Unmöglichkeit zu sehen ist und damit über §§ 280, 283 BGB erfassbar wäre. Den § 311a Abs. 2 BGB betreffend ist im Lichte der erfolgsbezogenen Konzeption aus rechtsvergleichender Sicht jedoch bedauerlich, dass das französische Recht eine Haftung für die anfängliche subjektive Unmöglichkeit nicht kennt. Überzeugende Argumente dafür gibt es nach hier vertretener Auffassung nicht. Allerdings kann eine solche Haftung durch die Streichung der beiden Wörter „possible et“ in Art. 1163 Abs. 2 C. civ. ohne Weiteres eingeführt werden. Eine Gesamtschau der bisherigen Ausführungen zum geltenden deutschen und französischen Recht ergibt, dass beide Rechtsordnungen eine nahezu identische Konzeption der Obligation verfolgen, in der Umsetzung jedoch an verschiedenen Stellen weiter oder weniger weit vorangeschritten sind als die jeweils andere Rechtsordnung. Der Umstand, dass die Konzeptionen der Ob-



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ligation nahezu identisch sind, darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei der Obligation gerade nicht um ein zwingendes, unwandelbares Konzept handelt. Dies belegen insbesondere die in der französischen Literatur erarbeiteten historischen Entwicklungen des Obligationsbegriffs. Dass beiden Rechtsordnungen eine sehr ähnliche Konzeption der Obligation zugrunde gelegt werden kann, dürfte vielmehr auf die ähnlichen politischen, sozio-ökonomischen und auch rechtlichen Verhältnisse zurückzuführen sein. Um es mit den Worten Planiols und Riperts zusammenzufassen: „On répète à l’envi que les obligations représentent la partie immuable du droit; il semble que leurs règles principales soient des vérités universelles et éternelles, comme celles de la géométrie et de l’arithmétique. C’est une illusion. Sans doute cette matière est moins soumise que les autres aux contre-coups des révolutions politiques; elle n’y échappe cependant pas entièrement, bien que ses transformations soient plus lentes.“1

1 

Planiol/Ripert, Traité élémentaire de droit civil, Bd. 2, 10. Aufl. 1926, S. 58 Rn. 160.

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Sachregister action directe 163, 188 action oblique 154 f. action paulienne 154 Anspruchsmehrheit 26, 48 f., 53, 74 f. astreinte 186 f. Aufrechnung 43 f. Auslegung, siehe Vertragsauslegung Bekommensollen 20, 25–29, 34, 37 f., 42, 46, 61, 65, 75 f., 99, 117 BGB-Gesetzgeber 10 f., 17 breach of contract 18 Bürgschaft 22 f., 53 cas fortuit 182–184, 206 cause 151 f. CISG 12, 16 compensation 162 f., 188, 199–201 conception dualiste 145, 146 conception moniste 139–141, 150 conception néoclassique 148–150, 160 conception objective 143 f. condemnatio pecuniaria 41 constatation judiciaire de la vente ­immobilière 188 définition classique 146–148 dessein 167–169, 188–190, 193–199, 201, 206, 208, 212, 223–228 diligens pater familias 38 Drittschadensliquidation 50 droit personnel 147, 164 f. droit réel 147, 164 f. Eigentumsverschaffungspflicht 60–62 Einstandspflicht, unbeschränkte 37–40, 44 f. Erbrecht 24 f., 30, 153 Erfüllung, relative 22 f.

Erfüllungssurrogat 43–45; siehe auch Geldersatz Etymologie – Obligation 9 – obligation 137 exécution 214 f., 217, 221, 224 f. – forcée 187, 196 f., 201, 224 – impossible 14 faute 177, 202–206, 210, 220, 228 force majeure 14, 182–184, 196, 203– 206, 209–213, 223, 225 f., 228 f. Forderung 31–33, 51 f., 74 f. – Objekt 31–33 Forderungsrecht 31–33, 74–76 – einheitliches 12–17, 41 Frist, angemessene 62 f. frustration-of-contract doctrine 81–83, 94 f. Garantie 76 f., 122 f. – selbständige 76 f. – unselbständige 76 f. Gefahrtragungsnormen 57 f., 84, 87–89 Geldersatz 40–43 Gesetzesrecht, dispositives 86, 90, 96 Gesetzgeber – des BGB 10 f. – Einschätzungsprärogative 86 – Schuldrechtsmodernisierung 98, 116– 118, 121 – Schuldrechtsreform 7, 67 f., 130 Haftpflicht, heteronome 19 Handlung – fingierte 21, 22 – schuldnerische 30, 33–35, 37 Handlungsfreiheit 21

252

Sachregister

impossibilité – absolue 207 f., 211 – relative 207 f., 211, 229 impossibilium nulla obligatio 102–112, 120, 207, 213 Individualschutz 31–33 inexécution 69, 147 f., 161, 166, 177 f., 180 f., 202–206, 210, 216 f., 219 f., 224 f., 228 f. injonction de faire 186 Institutionenschutz 31–33 Konfusion 24 Legalzession, siehe Zession Leistung 54, 99, 113 Leistungserfolg 55, 57–63, 65 f., 70–72, 99, 102, 113, 117 f., 191 f. Leistungshandlung 55 f., 60–62, 66, 70– 72, 99, 117 f., 124, 191 f. Leistungshindernis 97–102 Leistungspflicht 113–116 – autonome 19 – halbseitige 2, 65 Leistungsstörung 68, 100 f., 129 Moralphilosophie 41 Mutterpflicht 2, 18 f. Nacherfüllung 41, 80, 85 f., 93 Naturalerfüllung 40–45, 95, 116, 124 Naturalobligation 3, 11, 115 Nichterfüllung 70–72, 122, 126, 128 Nichtigkeit, siehe Unwirksamkeit Nichtleistung 70–72, 129 Nominalismusprinzip 175 f. Obligation – Einheit der 40, 45 – Ende 78 – Etymologie 9 – Gegenstand 34 – Inhalt 29 f., 33–37, 40 – Intensität 38–40 – moderne 20 – römische 20 – Zweck 20, 25–29, 31, 34–38, 42, 45 f., 113, 117; siehe auch Bekommensollen

obligation – alternative 195 f., 212 – contenu 156, 158 – cumulative 195 f. – de donner 170–173, 179, 181, 184 – de faire 170–173, 179, 181, 184 – de ne pas faire 170–173, 179, 184 – de praestare 171–173 – de somme d’argent 174–176 – en nature 174–176 – Etymologie 137 – facultative 196 – Garantie 152–154, 162 f. – historische Entwicklung 139–155 – mittelalterliche 142 f. – moderne 143–155 – objet 156–161, 169 f., 185, 188–193, 195, 226, 227 – römische 138–141, 150 f. – de moyens 160, 177–181, 183 f. – de résultat 160, 177–181, 183 f. – naturelle 166 – tripartite 150 f. ordonnance Nr. 2016-131 137, 157, 169 f., 174, 177 paiement 162, 198–201, 205, 221, 228 Parteiwille, typischer 84–89, 93, 95 f., 108, 123 patrimoine 144, 151, 160 f., 165, 186 perpetuatur obligatio 9 f.,13, 17, 36 personne raisonnable 210 f. Pflichten – erfolgsbezogene 59, 68 f., 72 – handlungsbezogene 59, 68 Pflichtenprogramm, vertragliches 17–19 Pflichtverletzung 67–69, 72 f., 115 f., 118–120, 124–130 prestation 157 f., 160 f., 169, 195–199, 212, 226–229 – possible 207, 209, 229 Primäranspruch 12 f., 16, 44 f. Privatautonomie 80 f., 84, 86, 91, 95–97, 103 f., 107–110 Recht, subjektives 142 f., 149 Rechtsgrund zum Behaltendürfen 74–76 Rechtsmangel 89

Sachregister

Rechtsverhältnis, fingiertes 24 Rechtszuweisung, siehe Individualschutz responsabilité 214–226, 229, 230 Römisches Recht 9 f. Sachmangel 18, 89, 93 saisie-appréhension 176, 187 Schuldnerverzug 129 Schuldnervorzug 81 Schuldrechtsmodernisierung 12, 67 Schuldverhältnis 10, 12, 21, 47–49 – im engeren Sinne 22, 48–51, 74 – im weiteren Sinne 19, 48–51 Schutzrechte 52 – rechtsfortsetzende 15, 42, 52 – rechtsverwirklichende 15, 42 Sekundäranspruch 12 f., 16, 44 f. Substanzrecht 52 f., 74 Suez-Kanal 82 f., 93–96 Teilabtretung 23 f. théorie dualiste 159 f., 190 théorie volontariste 158 Tilgung, siehe Erfüllung Typenpluralismus, schuldrechtlicher 56 Übernahmeverschulden 130 Unmöglichkeit 7 f., 10, 12–14, 16–18, 67 f., 98 f., 102, 112–116, 120, 127 – anfängliche 7 f., 18, 98, 103–111, 118, 120

253

– nachträgliche 98 Unwirksamkeit 103–112 Verhältnismäßigkeit, objektive 81, 83, 94; siehe auch Zumutbarkeit, objektive Vermögen, schuldnerisches 38–40 Vermögenshaftung 31, 33 – unbeschränkte 40, 44–46 Verordnung Nr. 2016-131, siehe ordonnance Nr. 2016-131 Verschaffensollen 65 Verschulden 71, 101, 125–130 – siehe auch Verschuldensprinzip – Übernahmeverschulden 129 f. Verschuldensprinzip 95, 121 f., 124 Vertrag, öffentlich-rechtlicher 104, 111 Vertragsauslegung 80–84, 90–92, 95 f., 103 f., 108, 123 Vertretenmüssen 120 f., 125, 127–130 Willensbeugung 34 Zession 52 f., 74 f. Zumutbarkeit, objektive 81, 83, 94; siehe auch Verhältnismäßigkeit, objektive Zwangsvollstreckung 21 f., 33, 64 f., 131, 135, 141–143, 148 f., 159, 172 f., 176, 184–188, 196 f., 201 Zweckerreichung 26, 27 Zweckfortfall 26, 27