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German Pages 208 Year 2000
PASCAL ROYLA
Grenzüberschreitende Finanzmarktaufsicht
Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Heinrich Dömer Dr. Dirk EWers Dr. Jürgen Welp
Band 132
Grenzüberschreitende Finanzmarktaufsicht in der EG
Von
Pascal Royla
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Royla, Pascal: Grenzüberschreitende Finanzmarktaufsicht in der EG / von Pascal Royla. Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft; Bd. 132) Zug!.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09927-3
D6 Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübemahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany
© 2000 Duncker &
ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-09927-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 8
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Wintersemester 1998/1999 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen worden. Für den Erfolg dieser Arbeit ist mein Doktorvater, Herr Professor Dr. Dirk Ehlers, nicht hinwegzudenken, dem ich an dieser Stelle meinen besonderen Dank aussprechen möchte. Mein Dank gebührt auch Herrn Professor Dr. Hans-Jürgen Jarass für die zügige Erstattung des Zweitgutachtens sowie dem Präsidenten des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen Herrn Dr. Helmut Müller für sachdienliche Ratschläge. Dank möchte ich auch den Mitarbeitern des Instituts für Öffentliches Wirtschaftsrecht der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster unter Leitung von Herrn Professor Dr. Dirk Ehlers aussprechen, die mir ihre Zeit für Diskussionen und Anregungen zur Verfügung gestellt haben. Besondere Erwähnung findet hier Klaus Lackhoff sowie Claudia Lutter für ihre computertechnische Unterstützung. Einen unschätzbaren Anteil am Gelingen dieser Arbeit haben auch all diejenigen, die mich persönlich, moralisch und sonstwie unterstützt haben. Dazu gehören insbesondere meine Familie und Susanne. Münster, im Februar 1999 Pascal Royla
Inhaltsverzeichnis Einleitung ........ . ............... . .......... . ................ . ..... . ..... . ............
19
J. Teil
Ausgangspunkte A. Entwicklung der Finanzmärkte und der Tatigkeit der Finanzunternehmen .... .
21
I. Internationalisierung der Finanzmärkte .......................................
21
11. Grenzüberschreitende Tätigkeiten und Rechtsformen der Finanzunternehmen
22
B. Grundlagen der internationalen Finanzmarktaufsicht außerhalb des Geltungsbereichs des EG-Vertrages ........................................................
23
I. Gegenstand und Zweck der Aufsicht .......................... . . . ............
23
I. Gegenstand der Aufsicht (Allgemein) ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
2. Zielsetzungen der Aufsicht ............................. . ..... . ............
24
11. Instrumente der Aufsicht .....................................................
2·5
III. Organisation der Aufsicht ....................................................
26
IV. Die Aufsicht über Finanzkonglomerate ........................ . ..............
27
V. Zielsetzungen und Probleme der internationalen Aufsicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
VI. Zwischenergebnis ............................................... . ............
30
C. Ziele und Rechtsgrundlagen des EG-Finanzmarktaufsichtsrechts ...............
31
I. Gemeinsamer Markt und Grundfreiheiten ....................................
31
I. Niederlassungsfreiheit (Art. 52 ff. EGV) .......... . ..... . ................ . .
32
2. Die Dienstleistungsfreiheit (Art. 59 ff. EGV) . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . .. . . . .
34
3. Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 73 b Abs. I EGV) .......................
36
11. Zielsetzungen der EG bei der Ausgestaltung des Finanzmarktaufsichstsrechts
36
III. Liberalisierungs- und Harmonisierungsregime der EG ........................
37
8
Inhaltsverzeichnis
D. Grundprinzipien und Stand des EG-Aufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
I. Verzicht auf einheitliches Finanzmarktaufsichtsrecht ...................... . ..
41
11. "single-Iicence"-Prinzip ......................................................
41
III. Prinzip der Herkunftslandkontrolle ...........................................
41
IV. Prinzip des harmonisierten Mindeststandards .............................. . ..
43
V. Wettbewerb der Rechtsordnungen ............................................
45
VI. Stärkung der Aufsicht über Finanzgruppen ............... . ...................
46
VII. Prinzip der Gegenseitigkeit (Reziprozitätsprinzip) ............................
47
2. Teil
Grenzüberschreitende Aufsichtsakte im System der HerkunftslandkontroUe A. Die Instrumente der grenzüberschreitenden Finanzmarktaufsicht in der EG ...
48
B. Die rechtliche Einordnung und Beurteilung der grenzüberschreitenden Aufsichtsinstrumente ("single-licence", Prüfungsrechte, Zusammenarbeit) .........
49
I. "Single-Iicence" ............ . . . .. . . .. ... .. .. . ... ... . .. . . . .. . ... . . . .. . . . . . . ... .
49
1. Die grenzüberschreitende Wirkung der "single-Iicence" ....................
50
a) Die EG-weite Wirkung ................................................
50
b) Die Einwirkung fremdstaatlicher Hoheitsgewalt im Völkerrecht........
51
aa) Staatliche Hoheitsgewalt und "extraterritoriale" Hoheitsakte ......
52
bb) Einwirkung fremdstaatlicher Hoheitsakte im Inland ...............
54
(1) Anwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts ............
54
(2) Das Instrument der Anerkennung ........................... . .
55
c) Die Anerkennung im Gemeinschaftsrecht ..............................
56
aa) Das Anerkennungsprinzip .................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
bb) Marktfreiheiten und Anerkennungspflicht .........................
57
d) "Single-Iicence" und das System der Herkunftslandkontrolle ...........
58
e) Die Rechtsnatur der "single-Iicence" und ihre Folgen ..................
59
aa) Keine Bindung an die übrigen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen.... ... ............ ........... ... ............... ..... ..........
59
bb) Keine Prüfungs- oder Aufhebungsbefugnis der übrigen mitgliedstaatlichen Gerichte ...............................................
60
Inhaltsverzeichnis
9
cc) Kein supranationaler Akt..........................................
62
dd) Keine personelle Legitimationsteilhabe ...........................
63
2. Geltungsgrund der "single-licence" ........................................
63
3. Vereinbarkeit des "single-licence"-Prinzips mit höherrangigen Rechtssätzen
65
a) Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsvertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
aal Prüfungsgegenstand und Problem der Maßstabsfindung ...........
65
bb) Verstoß gegen das Prinzip der begrenzten Ermächtigung ..........
69
(1) Primärrechtliche Grundlagen .................................
69
(a) Art. 57 EGV (i.V.m. Art. 66 EGV) .........................
69
(b) Subsidiaritätsprinzip (Art. 3 b EGV) und Grundsatz der Gemeinschaftstreue (Art. 5 EGV) ............................
72
(2) Verstoß gegen andere Rechtsgrundsätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
(a) Das Problem des effektiven Rechtsschutzes ...............
73
(aa) Anwendbarkeit der Gemeinschaftsgrundrechte im mitgliedstaatlichen Vollzug..............................
74
(bb) Die gemeinschaftliche Grundrechtsbindung und effektiver Rechtsschutz .................. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
(b) Das Problem der Inländerdiskriminierung .................
78
(c) Das Problem des Demokratiedefizits ......................
80
cc) Zwischenergebnis.................................................
82
b) Völkerrecht versus Gemeinschaftsrecht ................................
82
c) "Single-licence" und deutsches Verfassungsrecht . . . . . ...... . . .. .... ... .
84
aal Prüfungsgegenstand und Maßstab .................................
84
(1) Übertragung von Hoheitsrechten auf ausländische Staaten ....
85
(2) Vollzug von Gemeinschaftsrecht ..............................
87
(3) Nationaler Prüfungsmaßstab für den Vollzug von Gemeinschaftsrecht . . . . .. . . . . .. .. . . . . .. . . .. . .. .. . .. . .. . . . . . . .. . . . . . . . .
87
(4) Ergebnis......................................................
89
bb) Das Demokratieprinzip ...........................................
89
cc) Das Rechtsstaatsprinzip ...........................................
93
(1) Grundrechte..................................................
93
(2) Institutionelle Rechtsschutzgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
4. Ergebnis... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
10
Inhaltsverzeichnis 11. Die grenzüberschreitenden Prüfungsrechte ...... . ............................
98
1. Die Richtlinienregelung ...................................................
98
2. Die völkerrechtliche Problematik ..........................................
99
3. Rechtliche Konstruktion der Richtlinienregelung und ihre Folgen .... . ..... 100 a) Keine Bindung an die fremde Rechtsordnung.......................... 101 b) Rechtsschutz im Herkunftsmitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 10 I c) Keine supranationalen Akte ... .. .. . .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 102 d) Keine Zustimmung im Einzelfall. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 102 e) Reichweite der Prüfungsbefugnisse .................................... 103 4. Geltungsgrund ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 103
5. Die Vereinbarkeit der Richtlinienregelung mit höherrangigem Recht....... 106 a) Vereinbarkeit mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht ... . . . . . . . . . . . . . .. 106 aal Primärrechtliche Grundlagen ............................... . . . . . .. 106 bb) Rechtsstaatliche Sicherung........................................ 107 b) Völkerrecht versus Gemeinschaftsrecht ................................ 108 c) Vereinbarkeit mit deutschem Verfassungsrecht ......................... 109 aal Keine Übertragung von Hoheitsrechten auf ausländische Staaten .. 109 bb) Rechtsschutz und Legitimation .................................... 109 (I) Hinreichendes Legitimationsniveau ..................... . .....
11 0
(2) Gleichwertiger Rechtsschutzstandard ......................... 11 0 d) Ergebnis...............................................................
111
III. Die Zusammenarbeit der mitgliedstaatlichen Aufsichtsbehörden ..............
111
I. Grundlagen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ................... 113 a) Internationale Zusammenarbeit .................................. . .....
113
aal Gegenstand und Formen .......................................... 113 (1) Begriff der internationalen Verfahrenshilfe (Rechts- und Amts-
hilfe) .........................................................
113
(2) Gegenstand der Amtshilfe ....................................
114
bb) Rechtsgrundlagen ................................................. 115 cc) Voraussetzungen und Grenzen. . . . .. . .. .. .. . . . .. . . . . . .. . . . . . .. . . . . . 117 b) Zusammenarbeit der Verwaltungen in der EG .......................... 120 aal Begriff und Funktion der Zusammenarbeit der Verwaltungen ...... 121 bb) Rechtsgrundlagen ................................................. 122
Inhaltsverzeichnis
11
2. Die Zusammenarbeit nach den Richtlinien zum Finanzmarktaufsichtsrecht 124 a) Das Problem der Extraterritorialität .................................... 124 b) Gegenstand der Zusammenarbeit....................................... 125 aa) Infonnationsaustausch ............................................ 125 bb) Zusammenarbeit bei Erlaß von Maßnahmen ........... . . . . . . . . . . .. 127 cc) Bearbeitung von Beschwerden, Bestandsübertragungen ... . ..... . . 129 c) Partner der Zusammenarbeit ....................................... . ... 130 d) Voraussetzung und Grenzen der Zusammenarbeit ...................... 132 aa) Allgemeines ...................................................... 132 bb) Infonnationsaustausch ............................................ 132 cc) Zusammenarbeit bei Erlaß von Maßnahmen....................... 134 e) Rechtsqualität der Kooperationsbeiträge ............................... 135 3. Rechtliche Probleme des Infonnations- und Amtshilfeverkehrs zwischen den Aufsichtsbehörden .................................................... 136 a) Rechtsausfüllungskompetenz der Mitgliedstaaten ...................... 137 b) Grenzüberschreitender Geheimnisschutz ....................... . ....... 138 c) Die grenzüberschreitende Vollzugshilfe ........... . .................... 139
3. Teil Die rechtlichen Grundlagen des VerwaItungsvolIzugs im Bereich grenzüberschreitender Aufsichtsvorgänge A. Einf"ührung ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 B. Grundregeln für den Verwaltungsvollzug ........................... . ............ 142 I. Vorrangsanspruch, allgemeine Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts, Pflicht zur Gemeinschaftstreue ............................................... 142
11. Das Gemeinschaftsverwaltungsrecht ..... . . . .................. . ... . . . ..... . .. 144 I. Die Fonnel des EuGH ..................................................... 144
a) Diskriminierungsverbot ................................................ 145 b) Effizienzgebot ......................................................... 146 2. Die Bedeutung der allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts
147
a) Bestand................. . .............................................. 147 b) Funktion............................................................... 147
12
Inhaltsverzeichnis 3. Grundregeln des Richtlinienvollzugs ....................................... 149 a) Das Gebot zur richtlinienkonfonnen Auslegung........................ 149 b) Die unmittelbare Wirkung von Richtlinien ............................. 150
C. Administrative Kooperationsregeln für die grenzüberschreitende Aufsicht ..... 151 I. Effektivitätsgebot ............................................................ 151 11. Gleichbehandlungsgrundsatz ................................................. 154 III. Gebot der Verhältnismäßigkeit als Kostenbegrenzungs- und Subsidiaritätsregel ......................................................................... 155 IV. Trennungsprinzip ............................................................ 156
1. Rechtmäßigkeitsmaßstab .................................................. 157 a) Grenzüberschreitende Geltung des materiellen Rechts.................. 157 b) Bindung an ausländisches Recht ("Rechtsvorschriften im Allgemeininteresse") ............................................................... 158 2. Rezeptionsmaßstab ................................... . .................... 159 3. Haftung .............. . ................................. . ..... . ............ 162 a) Verantwortung......................................................... 162 b) Anspruchsberechtigte .................................................. 163 4. Rechtsschutz .............................................................. 166 a) Allgemein .................................................. . .......... 166 b) Konkurrentenklagen ................................................... 167 c) Klagen bei Verstoß gegen die Integrationsvorbehalte ................... 168 5. Gebot der Verantwortungsklarheit ......................................... 170 V. Verfahren .................................................................... 171
1. Allgemeines ............................................................... 171 2. Verfahren der grenzüberschreitenden Amtshilfe ............................ 173 a) Ersuchen der Auskunft bzw. der Handlung ............................. 173 aa) Einleitung......................................................... 173 bb) Fonn ......................... .. ................................... 174 cc) Zuständigkeit ..................................................... 174 dd) Anhörung ......................................................... 174 b) Erteilung der Auskunft bzw. der Durchführung der Leistung........... 176 c) Rechtsschutz .......................................................... 178
Inhaltsverzeichnis
13
4. Teil
Gesamtwürdigung A. Zusammenfassung
179
B. Bilanz und Reformfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 180 I. Grenzüberschreitende Aufsicht durch Netzwerkkoordination ... . ............. 180 11. Reformfragen ................................................................ 182 1. Kohärentes Rechtsschutzsystem ........................................... 182
2. Gemeinsame Verfahrensregeln für grenzüberschreitende Verwaltungsvorgänge ...................................................................... 183
Literaturverzeichnis ................ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 206
Abkürzungsverzeichnis a.A.
a. a. O.
anderer Ansicht am angegebenen Ort
ABI.
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Abs.
Absatz alte Fassung Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift); Aktiengesellschaft Anmerkung Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Artikel Auflage Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen Betriebsberater (Zeitschrift)
a.F. AG Anm. AO AöR Art. Auf!. BAK BAV BB BCCI BDGVR Begr. BGBI. BGH BGHZ BIS BR-Drs. bsplw. BVerfG BVerfGE bzw. CDE CMLRev. CR DB dens. ders. d. h. Diss. DÖV DStZ DV DVBI.
Bank of Credit and Commerce International Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht (Zeitschrift) Begründung Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes Bank for International Settlements Bundesratdrucksachen beispielsweise Bundesverfasssungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfasssungsgerichts beziehungsweise Cahiers de droit europeen (Zeitschrift) Common Market Law Review (Zeitschrift) Computerrecht (Zeitschrift) Der Betrieb (Zeitschrift) denselben derselbe das heißt Dissertation Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung (Zeitschrift) Die Verwaltung (Zeitschrift) Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis ebda EFfA EG EGV EJIL ELR EMRK endg. EPIL EU EuGH EuGRZ EuR EUV EuZW EWGV
EWR EWS f. (ff.) Fn. Foro it. FS GA GATS GATT Gazz. Uff. GBBAV gern. GG GP grdl. GS h.L. Hrsg. HS. lAIS ibid.
i.d.F. i.E. i.e.S. (StjIGH (St)IGHE ILM IOSCO
i.V.m.
ebenda European Free Trade Association Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft European Journal of International Law (Zeitschrift) European Law Review (Zeitschrift) Europäische Menschenrechtskonvention endgültig Encyclopedia of Public International Law Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Europäische Grundrechtszeitschrift Europarecht (Zeitschrift) Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts - & Steuerrecht (Zeitschrift) folgende Seite (n) Fußnote Foro italiano (Zeitschrift) Festschrift Generalanwalt General Agreement on Trade in Services General Agreement on Tarifs and Trade Gazzeta Ufficiale Geschäftsbericht des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen gemäß Grundgesetz The Geneva Papers on Risk and Insurance (Zeitschrift) grundlegend Gedächtnisschrift herrschende Lehre Herausgeber Halbsatz International Association of Insurance Supervisors ibidem in der Fassung im Ergebnis im engeren Sinne (Ständiger) Internationaler Gerichtshof Entscheidungssarnmlung des (Ständigen) Internationalen Gerichtshofes International Legal Materials International Organisation of Securities Commission in Verbindung mit
15
16
Lw.S. J.O. JuS JZ KOM KWG LIEI lit. m.N. m.w.N. MJ N. n.F. NJW Nr. NVwZ OECD OVG ÖZöRV RabelsZ RevMC RlW RL Rn. Rs. S. SAG Slg. sog. StbJb st. Rspr. SZ SZW/RSDA u.
u. a. UA u.U. VAG verb. Rs. VerBAV VersR VersRdschau VersWinschft VerwArch
Abkürzungsverzeichnis im weiteren Sinne Journal Officiel Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung Kommission Kreditwesenwesengesetz Legal Issues of European Integration (Zeitschrift) litera mit Nennungen mit weiteren Nennungen (oder Nachweisen) Maastricht Journal of European and Comparative Law (Zeitschrift) Number, Numero oder Numero neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Verwaitungsrecht Organisation für winschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Oberverwaltungsgericht Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht und Völkerrecht Rabels Zeitung für ausländisches und internationales Privatrecht Revue de Marche Commun (Zeitschrift) Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Richtlinie Randnummer (n) Rechtssache Seite Schweizerische Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Amtliche Sammlung der Entscheidungen des EuGH sogenannt Steuerberaterjahrbuch (Zeitschrift) ständige Rechtsprechung Süddeutsche Zeitung Schweizerische Zeitschrift für Winschaftsrecht I Revue suisse de droit des affaires und unter anderem Unterabsatz unter Umständen Versicherungsaufsichtsgesetz verbundene Rechtssachen Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen Zeitschrift für Versicherungsrecht Versicherungsrundschau (Zeitschrift) Versicherungswirtschaft (Zeitschrift) Verwaltungsarchiv (Zeitschrift)
AbkÜfzungsverzeichnis vgl. VO Vorb. VuR VVaG VVDStRL VW VwGO VwVfG WiVerw WM WpHG WuW ZaöRV z. B.
ZBB ZfgK ZfV
Z12 ZG ZHR Ziff. ZLR Z.T. zugl. ZVersWiss
2 Royla
vergleiche Verordnung Vorbemerkung (en) Verbraucher und Recht (Zeitschrift) Versicherungsverein( e) auf Gegenseitigkeit Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechts1ehrer Zeitschrift für Versicherungswirtschaft Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Wirtschaft und Verwaltung (Zeitschrift) Zeitschrift für Wirtschaft- und Bankrecht (Wertpapiermitteilungen) Wertpapierhandelgesetz Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift) Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für das Versicherungswesen Zeitschrift für Zölle und Verbrauchssteuern Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer (n) Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht zum Teil zugleich Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft
17
Einleitung Die Gründungsväter der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) hatten das ehrgeizige Projekt einen freien Markt zu schaffen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen des EWG-Vertrages gewährleistet ist. Die Bedingungen, unter denen die Finanzdienstleistungen angeboten werden, hängen vom Aufsichtsrecht ab, das als notwendiges Korrelat eines freien Wettbewerbs für das Funktionieren des Finanzsektors und für den Verbraucherschutz Sorge trägt. Angesichts der erheblichen Unterschiede der Aufsichtssysteme, die jeweils in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft gegolten hatten, wurden mit Erlaß der Bank-, Versicherungs- und Wertpapierrichtlinien die rechtlichen Grundlagen für einen liberalisierten europäischen Finanzraum geschaffen. Dabei wurde auf die Einführung einer spartenübergreifenden supranationalen Aufsichtsbehörde verzichtet. Aufbauend auf das Prinzip der sogenannten Herkunftslandkontrolle ordnete der Gemeinschaftsgesetzgeber die weiterhin bestehenden Kompetenzen der nationalen Aufsichtsbehörden in einer Weise neu, die zu einer erheblich gesteigerten Zusammenarbeit der Behörden bei der Aufsichtstätigkeit führt. Zu diesem Regelungswerk sind bisher zahlreiche Aufsätze und Monographien erschienen. Auffällig ist jedoch, daß sich bis auf wenige Ausnahmen nur Spezialisten mit den jeweils harmonisierten Bereichen des Kapital- und Versicherungsaufsichtsrechts beschäftigt haben 1. Die vorliegende Arbeit versucht, den weniger in den ökonomisch-rechtlichen Sachfragen des Finanzmarktaufsichtsrechts gegründeten Weg einzuschlagen. Die Arbeit konzentriert sich auf die Probleme, die aus der neuen, ungewohnt engen grenzüberschreitenden Kooperation der Aufsichtsbehörden resultieren. Mit anderen Worten, es soll der horizontalen Verknüpfung von Verwaltungsstrukturen am Beispiel der Regelungen des europäischen Finanzmarktaufsichtsrechts nachgegangen werden. Um die Hintergründe der Problematik zu erhellen, erscheint es notwendig, zunächst die Ausgangspunkte für die Schaffung eines europäischen Aufsichtsrechts sowie das Aufsichtssystem in seinem gegenwärtigen Bestand darzustellen (l.Teil), bevor das Augenmerk auf die Untersuchung der grenzüberschreitenden Instrumente der Finanzmarktaufsichtsbehörden gerichtet wird, in der eine Analyse hinsichtlich dogmatischer Konstruktion und Wirkung vorgenommen (2. Teil) und die I Im Versicherungssektor siehe vor allem: Müller, Versicherungsbinnenmarkt (1995); Fahr, VersR 1992,1033 ff.; Präve, VW 1992,8 ff.; VW 1994, 800 ff.;auf dem Kapitalmarktsektor: Cranston (Hrsg.), The Single Market and the Law of Banking (1991); Clarotti, RevMC 1989,453 ff.; Hoffmann, Banken- und Börsenrecht der EWG (1990).
2*
20
Einleitung
Grundelemente für die Entwicklung eines dazugehörigen "europäischen" Verwaltungsverfahrensrecht herausgearbeitet (3. Teil) werden sollen. Abgeschlossen wird mit einer Gesamtwürdigung (4. Teil). Nicht behandelt werden in dieser Arbeit die Aufsichtsbeziehungen im Verhältnis zu Drittstaaten, d. h. zu denen außerhalb der Gemeinschaft. Diese Beziehungen werden weniger von den "neuen" Kooperations- und Bindungseffekten erfaßt, die dem System der innergemeinschaftlichen Finanzmarktaufsicht eigen sind, sondern sie sind im wesentlichen vom Prinzip der Gegenseitigkeit geprägt2 .
2 Dazu Dakolias. LIEI 1991/2,69 ff.; Dolzer, in: HilffTomuschat (Hrsg.), EG und Drittlandsbeziehung nach 1992 (1991), S. 111 (118 ff.).
1. Teil
Ausgangspunkte A. Entwicklung der Finanzmärkte und der Tätigkeit der Finanzunternehmen Das Bedürfnis zur Neuordnung bzw. Anpassung der Aufsichtsordnung auf dem Finanzmarktsektor ist als Reaktion auf die Entwicklung der Finanzmärkte und der Tatigkeit der Finanzunternehmen zu verstehen.
I. Internationalisierung der Finanzmärkte Seit dem Ende der 70er Jahre ist ein grundlegender Wandel auf den internationalen Finanzmärkten zu beobachten 1. Dies läßt sich zum einen auf den Abbau oder zumindest die Verringerung administrativer Beschränkungen und zum anderen auf die Aufhebung oder Lockerung wettbewerbshindernder Absprachen zwischen einzelnen Marktteilnehmern zurückführen. Die Deregulierung und Liberalisierung hat im Zusammenwirken mit der weltweiten Vervielfachung des Finanzvermögens und der rasanten Fortschritte in der Nachrichtenübermittlung und Computertechnik die nationalen Finanzmärkte in einem Maße zusammenwachsen lassen, daß von einer "Globalisierung" bzw. "Internationalisierung der Finanzmärkte" gesprochen werden kann. Diese Internationalisierung hat dazu geführt, daß sich der Wettbewerb unter den Anbietern von Finanzdienstleistungen intensiviert und dieser die Konsumenten vor eine größere Auswahlmöglichkeit von Produkten und Dienstleistungen mit niedrigeren Preisen stellt 2 • Der Wunsch nach einer größeren Flexibilität an Finanzierungsformen bewirkte neben der Einführung vieler neuer Finanzprodukte, wie etwa die Swapgeschäfte, Optionen und Euronotes-Fazilitäten,3 ein erhebliches Wachstum des Wertpapierhandels 4 • Im Hinblick auf die Vorteile bei der Eigenmittelunterlegung werden die Bankbeziehung mit Wertpapierforderungen unterlegt (sog. "securitisation"). Weiterhin zeichnet sich ab, daß die im Finanzsektor traditionell branchenbezogenen Unternehmen zunehmend in branchenfremdes TerLusser, ZBB 1989, 101 (107). Von Rosen, EuZW 1993,26 (27). 3 Dazu ausführlich Pohl, Innovative Finanzinstrumente im europäischen Binnenmarkt (1993). 4 V gl. BIS, Recent Innovations, S. 129 ff.; von Rosen, EuZW 1993,26 (27). I
2
22
1. Teil: Ausgangspunkte
rain eindringen5 . Die Geschäftstätigkeit der Banken, der Versicherungsunternehmen, der Wertpapierhäuser usf. waren bisher aufgeteilt. Im Zuge der Lockerung von Aufsichtsvorschriften und eines größeren Interesses an einer Diversifizierung der angebotenen Finanzdienstleistungen engagieren sich Banken nicht nur im Wertpapiersektor, sondern auch im Versicherungssektor. Umgekehrt betätigen sich Versicherungsunternehmen auf dem Kreditsektor. Häufig läßt sich dieses Phänomen der sog. "Allfinanz,,6 auf die Gründung eines Konzerns zurückführen, in dem sich die einzelnen Finanzleistungsanbieter in einem Unter- oder Gleichordnungsverhältnis zusammenschließen 7.
11. Grenzüberschreitende Tätigkeiten und Rechtsformen der Finanzunternehmen Unter dem Banner der Internationalisierung der Finanzmärkte haben die Unternehmen ihre Aktivitäten über die Grenzen hinweg ausgeweitet. Hinsichtlich der Geschäftstätigkeiten kann unterschieden werden: Von einer grenzüberschreitenden Tätigkeit i.e.S. kann gesprochen werden, wenn das Unternehmen eine Stelle im Ausland errichtet und diese dort geschäftstätig wird 8 . Bei Dienstleistungstätigkeiten sind aber auch ohne Errichtung einer Stelle im Ausland grenzüberschreitende Aktivitäten denkbar, etwa eine Beratung im Ausland, eine Telefonauskunft ohne körperlichen Grenzübertritt sowie die Entgegennahme einer Dienstleistung, indem sich der Empfänger der Leistung ins Ausland begibt9 . Die Internationalisierung der Geschäftstätigkeit ist eng mit dem Phänomen der grenzüberschreitenden Organisation der Marktteilnehmer verbunden. Hinsichtlich der Organisation kann wieder unterschieden werden: Während sich einige Unternehmen damit begnügen ihre Dienstleistungen über ihren heimischen "Außendienst" anzubieten, präsentieren sich andere im Ausland in Form von Repräsentanzen oder eröffnen Zweigstellen 10. Die Repräsentanzen fungieren dabei als Anlauf~ Vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsberichte: April 1994, S. 49 ff.; U.-H. Schneider, WM 1990, 1649 (1649 f.). 6 Mit diesem Begriff wird allgemein die Verbindung von Banken-, Versicherungs- und sonstigen Finanzdienstleistungen gemeint. "Allfinanz"-Konzerne werden auch als Finanzkonglomerate bezeichnet, vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsberichte: April 1994,49 (49 f.); Häusele, ZVersWiss 1994, 563 (567). 7 Das "Allfinanz"-Phänomen erscheint auch durch bloße vertragliche Verbindung oder durch gemeinsamen Vertrieb durch dasselbe Institut, vgl. U.-H. Schneider, a. a. 0., S. 1650; Deutsche Bundesbank, Monatsberichte: April 1994,49 (51 f.). 8 Vgl. Bauer, S. 23. 9 Vgl. HeIlenthaI, Bankenaufsichtsrecht, S. 16 10 Es wird häufig auch von der Zweigniederlassung gesprochen, vgl. Bauer, S. 31, Fn.29.
B. Grundlagen der internationalen Finanzmarktaufsicht
23
und Vennittlungsstelle des Mutterunternehmens 11. Sie betreiben im Gegensatz zu den rechtlich unselbständigen Zweigstellen keine eigenen Geschäfte l2 . Die Finanzunternehmen erschließen sich die ausländischen Märkte schließlich über Beteiligungen. Bei Beteiligungen über 50% spricht man zumeist von Tochtergesellschaften 13 . Trotz der rechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Unternehmen sieht man sich häufig faktisch einem Haftungsverbund gegenüber, der sich durch die mögliche Einflußnahme auf Entscheidungen, internen Kreditgewährungen oder Patronatserklärungen von seiten der Muttergesellschaft ergibt l4 . Es können "heimatlose" Konglomerate entstehen, die sich aus vielen international tätigen Unternehmen zusammensetzen.
B. Grundlagen der internationalen Finanzmarktaufsicht außerhalb des Geltungsbereichs des EG-Vertrages I. Gegenstand und Zweck der Aufsicht 1. Gegenstand der Aufsicht (Allgemein)
Finanzmarktaufsicht lS stellt einen Zweig der Wirtschaftsaufsicht dar l6 • Die Programmierung der Wirtschaftsaufsicht muß durch eine öffentliche Zielsetzung gerechtfertigt sein 17 . Die Zielsetzungen sind es auch, die die Ausgestaltung der Aufsicht im einzelnen bestimmen l8 . Eine Finanzmarktaufsicht kann zunächst an einem Schutz der Gläubiger, d. h. der Anleger, Versicherten usw. interessiert sein l9. Darüber hinaus kann das öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit des Marktes Bauer, S. 30. Bauer, S. 31; Hellenthai, Bankenaufsichtsrecht, S. 18. 13 Vgl. Bauer, S. 32. 14 Vgl. Wagner, S. 21; 15 Vielfach werden die Aufsichtstätigkeiten einem Gewerbebereich zugeordnet, so daß die Bezeichnung dieser (Fach-) Aufsichten ihren Namen aus dem Gewerbebereich ableiten, z. B. bezeichnet man die Aufsicht über das Kreditwesen die Bankenaufsicht oder die Aufsicht über das Versicherungswesen die Versicherungsaufsicht. Der Begriff der Finanzmarktaufsicht ist bisher nicht eindeutig besetzt. Er dient im vorliegenden Zusammenhang dazu, um die Aufsicht über die Banken, Versicherungen und ähnlichen Finanzinstituten, wie z. B. den Wertpapierfirmen, einem Oberbegriff unterzuordnen. 16 Teilweise wird auch von Wirtschaftsüberwachung gesprochen, vgl. Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 28 I. Kritisch zum Begriff der Wirtschaftsaufsicht insbesondere Gräschner, S. 46 ff .. 17 Ehlers, Ziele der Wirtschaftsaufsicht, S. 16. 18 Vgl. Schnyder, Internationale Versicherungsaufsicht, S. 12 f. 19 V gl. Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 28 11; 11
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1. Teil: Ausgangspunkte
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oder Gewerbes selbst die Notwendigkeit der Aufsicht nach sich ziehen 20. Bei der Gestaltung der Aufsicht müssen Grenzen beachtet werden. Die Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit der Wirtschaftstreibenden muß verhältnismäßig sein, d. h. die Eingriffe in die Marktfreiheiten geeignet, erforderlich und angemessen sein 21 • Aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip folgt auch, daß es sich bei der Finanzmarktaufsicht nicht um Wirtschaftslenkung handeln darf22 . Denn eine Lenkung des Finanzmarktwesens wird nicht durch zwingende Gründe des öffentlichen Interesses geboten 23 . Ferner resultiert daraus ein Optimierungsverbot. Die Aufsicht darf keine Optimierung unternehmerischer Entscheidungen herbeiführen 24 • Als hoheitliche Überwachung von Tätigkeiten bzw. Verhalten von Marktteilnehmern, ist die Aufsicht Teil der Gewerbepolizei, d. h. der Gefahrenabwehr25 . Den Besonderheiten der Teilsektoren entsprechend können verschiedene Aufsichtssysteme unter dem Dach der Finanzmarktaufsicht bestehen 26 . In den einzelnen Mitgliedstaaten finden sich zumeist mehrere Fachaufsichtssysteme nebeneinander: eine Bankenaufsicht neben der Versicherungsaufsicht und teilweise auch eine eigenständige Aufsicht über Wertpapierhäuser. Dies läßt sich insbesondere auf die Verfolgung unterschiedlicher branchenspezifischer Ziele des Banken-, Wertpapier- sowie Versicherungsaufsichtsrechts zurückführen 27 .
2. Zielsetzungen der Aufsicht Die Aufsicht im Bankensektor will primär die allgemeine Ordnung im Kreditwesen gewährleisten, die Funktionsfähigkeit des Kreditapparats erhalten und die Gläubiger der Kreditinstitute nach Möglichkeit vor Verlusten schützen 28 . Der Struktursicherungsauftrag wird mit der besonderen Stellung des Bankensektors in der Volkswirtschaft begründet29 . Die Furcht vor einem durch Vertrauensverlust hervorgerufenen "Banken-Run" würde die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes, die Abwicklung des Zahlungsverkehrs und der Geldversorgung der Volkswirtschaft Vgl. Mösbauer, S. 243 ff.; U.-H. Schneider, WM 1990, 1649 (I65\). Vgl. Ehlers, in: Achterberg/Püttner, Bes VerwR I, Rn. 398,463; dens. Ziele der Wirtschaftsaufsicht, S. 27 f.; Schmidt, Wirtschaftsaufsicht, S. 34 ff. 22 Ehlers, a. a. 0., Rn. 398, 463; H.P. Ipsen, DÖV 1975,805 (807). 23 Ehlers, ebda. Die Abgrenzung zwischen Wirtschaftsüberwachung und Wirtschaftslenkung kann allerdings im einzelnen schwierig sein, vgl. Mösbauer, S. 422 f. 24 St. Rspr. seit BVerwGE 61,59 (63 ff.); siehe auch Ehlers, Ziele der Wirtschaftsaufsicht, S. 53 m. w. N. 2S H.P. Ipsen, DÖV 1975,805 (806); Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 28 I. 26 U.-H. Schneider, WM 1990, 1649 (1651). 27 Vgl. die vergleichende Untersuchung bei Angerer, ZVersWiss 1989, 107 ff. 28 Vgl. Bauer, S. 36 f. Zu den sonstigen Theorien zur Bankenaufsicht vgl. Stein, S. 9 ff. 29 Vgl. Mösbauer, S. 243 ff. 20
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B. Grundlagen der internationalen Finanzmarktaufsicht
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beeinträchtigen 3o . Die Schutzfunktion der Bankenaufsicht hat wiederum zwei Zielrichtungen. Es soll nicht nur ein Schutz gegenüber den Banken, sondern auch für die Banken gewährleistet werden. Dabei soll jedoch weniger die Kreditwirtschaft selbst als vielmehr das Vertrauen der Öffentlichkeit auf die Kreditwirtschaft geschützt werden 3!. Die Versicherungsaufsicht zielt in erster Linie auf den Schutz des Versicherungsnehmers vor Gefahren, die von den Gewerbetreibenden in dem "besonders sensiblen Bereich,,32 des Versicherungssektors ausgehen können 33 . Der Schutz der Belange der Versicherten findet seine Finalität in der Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge 34 . Daneben wird, ähnlich dem Strukturzweck der Bankenaufsicht, die Erhaltung eines soliden, leistungsfähigen Versicherungswesens erstrebt 35 .
11. Instrumente der Aufsicht Entsprechend der unterschiedlichen Gewichtung der Aufsichtsziele -Bankenaufsicht: Funktionssicherung; Versicherungsaufsicht: Schutz der Versichertenbelange - sind die Anforderungen an die Aufsichtsadressaten unterschiedlich. Während die Bankenaufsicht in den Mitgliedstaaten eher quantitative Anforderungen an die Kreditinstitute stellt, wirkt z. B. die deutsche Versicherungsaufsicht durch eine qualitative Kontrolle aktiv auf das Geschäft der Versicherer ein 36 . Die Mittel der Bankenaufsicht lassen sich in den Bereich der Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb, der laufenden Aufsicht und der Eingriffsbefugnisse in Gefahrensituationen unterteilen. Primäre Mittel sind dabei Bestimmungen über Eigenkapital zur Gewährleistung einer angemessenen Haftkapitalaustattung, Vorschriften über die Liquidität zur Sicherung der dauernden Zahlungsflihigkeit sowie Eingriffsbefugnisse zur Beseitigung von Gefahren, sofern die Bank vertragliche Verpflichtungen nicht mehr erfüllen kann 37 . Schließlich stehen der Bankenaufsicht Aufsichtsnormen zur Verfügung, die Anzeige- und Informationspflichten der Kreditinstitute begründen sowie Auskunfts-, Prüfungs,- und Eingriffsmöglichkeiten statuieren 38 . Häusele, ZVersWiss 1994, 563 (570). Mösbauer, S. 255 f. 32 Vgl. EuGH, Rs. 205/84, -Kommission 1 Bundesrepublik Deutschland-, Sig. 1986,3755. 33 Eh1ers, in: Achterberg/Püttner, Bes VerwR I, Rn. 398; Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 345; Schnyder, Internationale Versicherungsaufsicht, S. I!. Zu den sonstigen Theorien über die Versicherungsaufsicht vgl. Farny, S. 93 ff.; Seiling, S. 18 ff.; Stein, S. 3 ff. 34 So Mösbauer, S. 362. 35 Vgl. Farny, S. 96; Knauth, ZVersWiss 1996,232 (234); Mösbauer, S. 362 ff. 36 Vgl. Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 355; U.-H. Schneider, WM 1990, 1649 (1651). 30 31
37 38
V gl. Häusele, ZVersWiss 1994,563 (578); Knauth, ZVersWiss 1996,232 (235 ff.). Vgl. Bieg, S. 81, 101.
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1. Teil: Ausgangspunkte
Um das Versicherungsgeschäft betreiben zu dürfen, bedarf es ebenfalls grundsätzlich einer Erlaubnis. Die Zulassung zum Geschäftsbetrieb wird an die Einhaltung bestimmter Rechtsformen (AG, VVaG und öffentliche Versicherer) und des Grundsatzes der Spartentrennung 39 geknüpft4o • Darüber hinaus verlangen in der Regel die Aufsichtsgesetze den Nachweis von Eigenkapitalaustattungen in bestimmter Höhe sowie allgemein die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften. Im Rahmen der laufenden Aufsicht wird primär darüber gewacht, daß die Solvenzvorschriften, der Geschäftsplan und sonstigen rechtlichen Vorschriften eingehalten werden 41 . Im Sinne der materiellen Staatsaufsicht42 hat die Behörde Mißstände zu beseitigen, wenn die Belange der Versicherten geflihrdet sind43 . Da damit bereits zur Vermeidung einer möglichen Gefährdung Eingriffsbefugnisse bestehen, verfügt die Versicherungsaufsicht in dieser Hinsicht weitergehende Mittel als die Bankenaufsicht44 •
III. Organisation der Aufsicht Ein Blick auf die verschiedenen nationalen Aufsichtssysteme verrät, daß die Organisationsformen außerordentlich vielfältig sind45 . Während die meisten Staaten die Aufsicht von staatlichen Aufsichtsträgem ausüben lassen, gibt es etwa in Japan Selbstregulierungsmechanismen oder etwa in Großbritannien vom Staat beliehene Selbstregulierungseinrichtungen 46 . Der Staat kann sich die Aufsicht direkt vorbehalten, indem die Überwachung an die zuständigen Ministerien angegliedert wird47 • Die Banken- und Versicherungsaufsicht wird aber zumeist besonderen Auf-
39 So soll etwa das Lebens- und Krankenversicherungsgeschäft nur durch rechtlich selbständige Unternehmen betrieben werden dürfen. Die rechtliche Trennung der sensiblen Bereiche dient dem Zweck, die Versicherungsnehmer zu schützen, vgl. Farny, S. 101. 40 Vgl. Häusele, ZVersWiss 1994,563 (582). 41 Schnyder, Internationale Versicherungsaufsicht, S. 7 f. 42 V gl. dazu und zu den dem materiellen Aufsichtsystem gegenübergestellten Publizitätsund Normativsystem Farny, S. 97 f.; Mösbauer, S. 391; Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 352 ff. 43 V gl. Knauth, ZVersWiss 1996, 232 (235 f.); Schnyder, Internationale Versicherungsaufsicht, S. 8. 44 V gl. Häusele, ZVersWiss 1994, 563 (583); Knauth, ZVersWiss 1996, 232 (235 f.); Präve, VW 1994, 800 (806). Kritisch dazu Ehlers, Ziele der Wirtschaftsaufsicht, S. 50 ff. 45 Vgl. HeIlenthaI, Bankenaufsichtsrecht, S. 27 f.; Lusser, ZBB 1989, 101 (102 f.); Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 408 ff. 46 Lusser, ZBB, 101 (102). Zu den britischen Se\bstregulierungseinrichtungen siehe Neuhaus, Die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen der Versicherungswirtschaft in Großbritannien (1989). 47 Vgl. für den Bankensektor HeIlenthaI, Bankenaufsichtsrecht, S. 26; für den Versicherungssektor Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 411 mit Beispielen in Fn. 114.
B. Grundlagen der internationalen Finanzmarktaufsicht
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sichtsbehörden anvertraut (indirekte Aufsicht)48. Die unterschiedlichen Organisationsformen werden zudem noch kombiniert. In Deutschland teilen sich teilweise die Bundes- und Länderbehörden die Aufgabe der Aufsicht49 . Die Börsenaufsicht wird allein von den Bundesländern wahrgenommen 5o . Auf dem Bankensektor teilen sich die Deutsche Bundesbank und das Aufsichtsamt für das Kreditwesen die Aufsicht. Während z. B. in Frankreich die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb eines Versicherungsunternehmens vom Wirtschafts- und Finanzministerium erteilt wird, ist die laufende Aufsicht einer Aufsichtskommission zugeordnet 51 • Umgekehrt muß der Staat die Aufsicht nicht auf einzelne Aufsichtsbereiche beschränken, sondern kann, wie etwa in Dänemark, der Aufsichtsbehörde sowohl Befugnisse zur Überwachung von Versicherungen als auch Banken einräumen 52 . Für branchenübergreifende Aufsichtsangelegenheiten gibt es auch sog. "lead supervisor", die neben den klassischen Aufsichtsbehörden die Rolle eines Koordinators einnehmen, sowie eigenständige Behörden 53 . Entsprechend der unterschiedlich weiten Ausgestalung der Aufsicht können schließlich auch bewußt aufsichtsrechtliche Freiräume geschaffen werden 54 .
IV. Die Aufsicht über Finanzkonglomerate55 Die Frage nach der Notwendigkeit einer besonderen Aufsicht stellt sich dort, wo konglomeratsspezifische Risiken entstehen können 56 . Als konglomeratsspezifsiche Risiken werden vor allem die Mehrfachbelegung von Eigenmitteln, intransparente Konzernstrukturen und die Gefahr der Ansteckung angesehen. Zudem werden aufgrund der unterschiedlich zuständigen Aufsichtsbehörden Wettbewerbsverzerrungen befürchtet57 . 48 Z. B. in Deutschland (Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen). Vgl. auch Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 411; Hellenthai, Bankenaufsichtsrecht, S. 26. 49 Vgl. für den Versicherungssektor Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 408. 50 Vgl. Kümpel, WM 1994, 229 (230). 5\ Vgl. Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 409. 52 Vgl. Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 410. Ein Art "Superbehörde" soll auch in Großbritannien eingerichtet werden, siehe SZ vom 22. 5. 1997. 53 Vgl. Häusele, ZVersWiss 1994,563 (611 f., 621). 54 Lusser, ZBB 1989, 101 (102 f.). 55 Die mit den Finanzkonglomeraten verbundenen Aufsichtsprobleme werden derzeit in vielen internationalen Gremien untersucht (Banken- und Versicherungsausschuß der EG, BaseieT Ausschuß, lOSCO, Konferenz der EG-Versicherungsaufsichtsbehörden, OECD und vor allem im Joint Forum on financial conglomerates), vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsberichte: April 1994, S. 49 (49 ff.); Müller, ZfV 1997,435 (437); dazu auch Hesberg/Karten, GP 1994 Nr. 70, I ff. 56 Vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsberichte: April 1994, S. 49 (54); Häusele, ZVersWiss 1994,563 (566); ferner Müller, ZfV 1997,435 (435 f.).
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1. Teil: Ausgangspunkte
Größtenteils werden die konglomeratsspezifischen Risiken jedoch schon von den Banken- und Versicherungsaufsichtsgesetzen hinreichend gedeckt 58 . Man ist sich daher weitgehend einig, daß im Hinblick auf die in den meisten Ländern unterschiedlich gewachsenen Aufsichtssysteme eine, wenn auch erweiterte, Einzelaufsicht bestehen bleiben soll59. Die Einrichtung einer Behörde, die für alle Bereiche gleichermaßen zuständig wäre,60 und damit den Nachteil von Reibungsverlusten durch Kompetenzkonflikte beseitigen würde, bedeutete einen unverhältnismäßigen Eingriff in bewährte Strukturen, die sich aus unterschiedlichen Aufsichtszielen entwickelt haben 61 • Die Diskussion beschränkt sich daher auf die Einführung von Modellen, in denen die Einzelaufsicht grundsätzlich beibehalten wird. In dem ,,2+ 1"-Modell soll die Einzelaufsicht lediglich durch konzernspezifische Elemente, eine verstärkte Kooperation der Aufsichtsbehörden, gegebenenfalls durch eine führende Aufsichtsbehörde erweitert werden 62 . Dem wird das Modell der "Solo-Plus"-Aufsicht gegenüberstellt63 . Danach wird die Aufsicht durch eine Einzelaufsicht auf konsolidierter Basis für Finanzgruppen ergänzt. Zentrale Elemente, die bei den Modellen gemeinsam sind, sind eine intensive Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtbehörden und eine Verbesserung der Transparenz der Organisations- und Managementstrukturen durch Offenlegungs- und Informationspflichten. Eine konsolidierte Aufsicht hat den Vorteil, daß sie Wettbewerbsverzerrungen vermeidet.
V. Zielsetzungen und Probleme der internationalen Aufsicht Die bisherige Darstellung ist von einer nationalen Sichtweise geprägt. Die internationale Verflechtung der Märkte und die Zunahme von internationalen Organisationsformen birgt weitere Risiken. Primäre Zielsetzung der internationalen Aufsicht ist es, die Risiken des internationalen Finanzdienstleistungsgeschäfts zu dek57 Fitchew, European Insurance Market 1991,22 (28); U.-H. Schneider, WM 1990, 1649 (1655); 58 Vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsberichte: April 1994, S. 49 (54 ff.). 59 Siehe Deutsche Bundesbank, Monatsberichte: April 1994, S. 49 (61); Häuse1e, ZVers Wiss 1994,563 (627). 60 Ein solches System existiert etwa in Norwegen und Schweden. Dort wurde jedoch die Erfahrung gemacht, daß Ziele und Mittel der Bankenaufsicht Übergewicht gewännen, vgl. Comite Europeen des Assurances, Financial Conglomerates, S. 25. 61 Häusele, ZversWiss 1994,563 (625 f.); U.-H. Schneider, WM 1990, 1649 (1657). 62 Dieses Modell, das vergleichbare Formen in Großbritannien, Belgien und den Niederlanden findet, wird von Versicherungsaufsichtsbehörden favorisiert, vgl. Häusele, ZVersWiss 1994,563 (611 f.) 63 Näher zu diesem Modell, das von Bankenaufsichtsbehörden bevorzugt wird, Deutsche Bundesbank, Monatsberichte: April 1994, S. 49 (57 ff.); vgl. auch Van den Berghe, ZVersWiss 1997,251 (267f.)
B. Grundlagen der internationalen Finanzmarktaufsicht
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ken. Diese Zielsetzung stimmt allerdings größtenteils mit der nationalen Zielsetzung überein, da die internationalen Risiken auf die nationalen Finanzmärkte zurückwirken. Das heißt zunächst, daß der Gläubiger- bzw. Verbraucherschutz sowie die Stärkung der Bonität, der Stabilität und der Vertrauenswürdigkeit des internationalen Finanzmarktsystems ebenso Zielsetzungen der internationalen Finanzmarktaufsicht sind. Die spezifischen Risiken des internationalen Finanzmarktgeschäfts können in zwei Gruppen unterteilt werden. Die erste Gruppe ist ökonomischer Art. Dazu gehört das Länderrisiko 64 • Es erfaßt die Gefahr, daß ein zur Leistung im Ausland Verpflichteter seinen Obliegenheiten nicht nachkommt. Ebenfalls von Bedeutung besonders im Kreditgewerbe - ist das Wechselkursrisiko sowie das Zinsänderungsrisiko 65 . Schließlich spielen Risiken eine Rolle, welche die Finanzinnovationen hervorrufen 66 . Zur zweiten Gruppe gehören die Risiken, die weniger aus der Eigenart des Geschäfts resultieren. Vielmehr sind die Risiken hier durch die Diskrepanz von rechtlicher Aufsichtsdichte und zunehmender Internationalisierung der Organisationsformen bedingt. Dies ist zunächst darauf zurückzuführen, daß das internationale Finanzmarktaufsichtsrecht -außerhalb des Ge1tungsbereichs des EG-Vertrages- noch keine überstaatliche Ausgestaltung gefunden hat. Die internationale Aufsicht ist grundsätzlich von einer nationalen Sichtweise geprägt 67 . Durch die Auslagerung einer Organisationseinheit (etwa durch Gründung einer Filiale/Tochtergesellschaft oder durch eine Beteiligung) ins Ausland besteht aufgrund der unterschiedlichen Regelungsdichte in den einzelnen Ländern die Möglichkeit, einer effektiven Aufsicht zu entgehen 68 . Diesem Risiko begegnen die nationalen Aufsichtsgesetze entweder durch direkte Erstreckung ihrer Aufsichtsgesetze auf den Auslandssachverhalt oder durch eine indirekte Einwirkung auf die Muttergesellschaft69 . Zur Vermeidung von Kompetenzstreitigkeiten und einer zu großen Belastung der Unternehmen (aufgrund kumulativer Beaufsichtigung) wird daher eine internationale Koordinierung der Finanzmarktaufsichtsgesetze angestrebeo. Es gibt auf internationaler Ebene Harmonisierungsbemühungen: Im Bankenbereich sind hier besonders zu erwähnen das Basler Komitee (Basie Committee on
Dazu näher Bauer, S. 39 ff.; Möschel, ZBB 1989, 168 (169). Vgl. Hellenthai, Bankenaufsichtsrecht, S. 31 f. M Vgl. im einzelnen Pohl, EuZW 1992, 203 ff. 67 Vgl. Bauer, S. 57 ff., 60; Hellenthai, Bankenaufsichtsrecht, S. 28; Lusser, ZBB 1989, 101 (102 f.). 68 Vgl. Möschel, ZBB 1989, 168 (172). 69 Vgl. Nadig, Grenzüberschreitende Bankenaufsicht, S. 18 f. 70 Siehe nur Hellenthai, Bankenaufsichtsrecht, S. 28 ff.; Lusser, ZBB 1989, 101 (103). 64 65
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I. Teil: Ausgangspunkte
Banking Supervision)71 und die internationalen Konferenzen der Bankaufsichtsbehörden 72; auf dem Wertpapiersektor ist die International Organisation of Securities Commission (lOSCO) mit Sitz in Montreal hervorzuheben 73; auf dem Versicherungssektor sind neben der International Association of Insurance Supervisors (lAIS) die Konferenzen der Versicherungsaufsichtsbehörden sowie der Versicherungsausschuß der OECD von Bedeutung74 . Innerhalb dieser Gremien werden Modelle favorisiert, die die Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes mit der Hauptverantwortung für die Beaufsichtigung internationaler Unternehmen betrauen 75 . Zudem wird eine Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden befürwortet, um Lücken in der Beaufsichtigung zu erkennen und zu beseitigen. Zur Überwindung von völkerrechtlichen Grenzen, denen sich die Aufsichtsbehörden bei der Überprüfung und Überwachung ihrer Aufsichtsrechte und -pflichten im Ausland gegenübersehen, sind darüber hinaus Ermächtigungen zur Vornahme von Amtshandlungen im Ausland notwendig 76 . Schließlich soll eine Harmonisierung der Aufsichtsgesetze angestrebt werden, um Wettbewerbsverzerrungen aufgrund ungleicher rechtlicher Rahmenbedingungen entgegenzuwirken 77 • Die im Rahmen dieser Institutionen beschlossenen Empfehlungen haben jedoch, trotz ihrer nicht gering zu schätzenden Einflüsse, keinen verbindlichen Charakter.
VI. Zwischenergebnis Vor dem Hintergrund der Entwicklungen auf den Finanzmärkten wird das Bedürfnis einer internationalen Koordinierung und Harmonisierung verständlich. Angesichts der Vermengung und Vervielfältigung der Finanzinstrumente einerseits und den unterschiedlichen Aufsichtsstrukturen und Organisationen andererseits erweist sich diese Zielsetzung als nicht einfache Aufgabe. Hinzu kommt das Problem einer effektiven Beaufsichtigung der internationalen Finanzkonglomerate. Eine solche erfordert nicht nur einen Brückenschlag zwischen den nationalen Aufsichts71 Der Baseler Ausschuß wird nach seinem langjährigem Vorsitzenden Cooke auch Cooke-Committee genannt. Vgl. dazu Hayward/Norton, in: Norton, S. 67 ff. Besondere Erwähnung verdient das sog. Baseler Konkordat von 1983, eine Vereinbarung der Zentralbankgouverneure der zehn wichtigsten Industriestaaten innerhalb des Internationalen Währungsfonds und der Schweiz, die den Belangen des internationalen Bankenrechts Rechnung tragen will, abgedruckt in: ILM 22 (1983), S. 901 ff. 72 V gl. Nadig, Grenzüberschreitende Bankenaufsicht, S. 17 ff. 73 Dazu Köhler, WM 1990, 1953. 74 V gl. Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 440 ff. 75 Vgl. Ziff. III des Base1er Konkordats von 1983. Siehe auch Lusser, ZBB 1989, 101 (103). 76 Nadig, Grenzüberschreitende Bankenaufsicht, S. 222. 77 Hellenthai, Bankenaufsichtsrecht, S. 28 f.; Lusser, ZBB 1989, 101 (103); Möschel, ZBB 1989, 168 (170 ff.).
C. Ziele und Grundlagen des EG-Finanzmarktaufsichtsrechts
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gesetzen, sondern auch zwischen den unterschiedlichen Aufsichtsbranchen. Schließlich ist das antagonistische Paar Marktfreiheit und Regulierung in eine angemessene Relation zu bringen. An dieser Ausganglage hatte man sich bei der Gestaltung des europäischen Finanzmarktaufsichtsrechts zu orientieren.
c. Ziele und Rechtsgrundlagen des EG-Finanzmarktaufsichtsrechts Die Bemühungen der Europäischen Gemeinschaft (EG)78 zur Gestaltung des Finanzmarktaufsichtsrechts erfolgten vor dem Hintergrund der übergeordneten Ziele des EG-Vertrages: Verwirklichung der Grundfreiheiten und Schaffung eines Gemeinsamen Marktes.
J. Gemeinsamer Markt und Grundfreiheiten Zentrales wirtschaftliches Ziel der EG ist die Schaffung eines gemeinsamen Marktes (Art. 2 EGV) bzw. die Verwirklichung des Binnenmarktes (Art. 7 a EGV)79. Nach Art. 7 a Abs. 2 EGV umfaßt der Binnenmarkt "einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages gewährleistet ist". Diese Vorschrift ergänzt und präzisiert die allgemeine Zielbestimmung des Art. 3 lit. c EGV, nach der -zusätzlich zur Integration der Gütermärkte- auch die "Hindernisse für den freien Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten" zu beseitigen sind, um gemäß Art. 2 EGV "eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft, eine beständige und ausgewogene Wirschaftsausweitung, eine größere Stabilität, eine beschleunigte Hebung der Lebenshaltung und engere Beziehungen zwischen den Staaten zu fördern, die in dieser Gemeinschaft zusammengeschlossen sind". Ziel ist demnach die Schaffung eines einheitlichen europäischen Finanzraumes 80 . Zentrale Vorschriften sind dabei vor allem die Niederlassungsfreiheit 78 Entgegen dem mittlerweile üblichen Sprachgebrauch ist die Europäische Union (EU) lediglich als eine Art Dachorganisation für die drei Gemeinschaftsverträge (EGV -vorher EGWV-, EGKS, EAV) samt ihrer fusionierten Gemeinschaftsorgane zu verstehen. Von der EU wird daher nur in dieser, ihrer Funktion die Rede sein. Vgl. dazu von Bogdandy/Nettesheim, EuR 1996, 3 ff. Im folgenden wird auf dem Gebiet des Finanzmarktaufsichtsrechts zur Vereinfachung grundsätzlich die EG in Bezug genommen. 79 Zum Begriffspaar "Gemeinsamer Markt" und "Binnenmarkt" siehe Langenheine, in: Grabitz I Hilf, Art. 100 a Rn. 20 ff. (Stand: Sept. 1994); Müller-Graf, in: Dauses, A. I Rn. 111 f. (Stand: Nov. 1996).
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I. Teil: Ausgangspunkte
(Art. 52 ff. EGV), die Dienstleistungfreiheit (Art. 59 ff. EGV) und die Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 73 bEGV). Die Grundfreiheiten vermitteln unmittelbar einklagbare Rechte der Finanzmarktteilnehmer. Gleichzeitig ergeht aus diesem Primärrecht als übergeordnete Rechtsgrundlage die Gestaltung des EG-Finanzmarktaufsichtsrechts. Ferner zieht es der Ausgestaltung des EG-Finanzmarktaufsichtsrechts Grenzen.
1. Niederlassungsfreiheit (Art. 52 ff. EGV)
Der Begriff der Niederlassungsfreiheit wird in Art. 52 Abs. 2 EGV definiert. Danach umfaßt die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen nach den Bestimmungen des Aufnahmestaates für seine Angehörigen. Geschützt wird demnach zunächst die Möglichkeit, sich aktiv durch direkte eigene Erwerbstätigkeit in das Wirtschaftsleben des Gastlandes einzugliedern 81 • Für das Finanzdienstleistungsunternehmen ist die in der Definition zweite angesprochene Niederlassungsform von praktischer Bedeutung82 : das Recht, in einem fremden Mitgliedstaat Tochtergesellschaften, Zweigniederlassungen und Agenturen zu errichten 83 . In Abgrenzung zu Art. 60 Abs. 3 EGV wird die Niederlassung als eine auf Dauer konzipierte, feste Einrichtung, die einer wirtschaftlichen Tatigkeit zu dienen bestimmt ist, definiert 84 . Die mit Ablauf der Übergangszeit am 1. 1. 1970 unmittelbar anwendbare Niederlassungsfreiheit 85 garantiert den EG-Ausländern, daß sie nicht gegenüber Inländern schlechtergestellt werden. Es verbietet offene und versteckte Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit oder Ansässigkeit 86 . Umstritten ist, ob der Schutzinhalt daneben auch ein Beschränkungsverbot um faßt, das auch eine 80 Vgl. EG-Kommission, Der europäische Finanzraum, S. I f.; ferner Kieme!, in: G /T /E, 4. Auflage, Art. 69 Rn. 32; Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf, Art. 73 b Rn. 33 (Stand: Okt. 1995); R.H. Weber, in: Lenz, Art. 73 b Rn. 20 f. 81 Sog. primäre Niederlassungsfreiheit; vgl. Roth, in: Dauses, E. 1 Rn. 35 (Stand: Sept. 1994); Troberg, in: G/T/E, Art. 52 Rn. 14. 82 Sog. sekundäre Niederlassungsfreiheit; vgl. Roth, a. a. 0., Rn. 36; Troberg, a. a. 0., Rn. 14. 83 Vgl. Art. 52 Abs. I Satz 2 EGY. Art. 58 EGV stellt klar, daß Unternehmen aus den Mitgliedstaaten den Einzelpersonen gleichzustellen sind. 84 Vgl. Roth, a. a. 0., Rn. 34. 85 Dies bedeutet, daß sich jeder Gemeinschaftsbürger unmittelbar auf seine Rechte aus dem Vertrag berufen kann. Näher EuGH, Rs. 2/74, -Reyners-, Sig. 1974,631 (652); Rs. 33/ 74, -van Binsbergen-, Sig. 1974,1299 (1310 f.). 86 Unter versteckten Diskriminierungen sind Regelungen zu verstehen, die nicht an die Staatsangehörigkeiten anknüpfen, aber typischerweise nur EG-Ausländer betreffen. Vgl. dazu EuGH, Rs. 71/76, -Thieffry-, Sig. 1977, 765 (777); Rs. C-221/89, -Factortame-II-, Sig. 1991-1,3905 (3967).
C. Ziele und Grundlagen des EG-Finanzmarktaufsichtsrechts
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Rechtfertigung von unterschiedslos auf Inländer und Ausländer anwendbare Vorschriften fordert 87 . Die Rechtsprechung ist nicht eindeutig 88 . Während in älteren Urteilen noch ausdrücklich von einem Diskriminierungsverbot gesprochen wurde 89 , läßt die neuere Judikatur eine Tendenz zur Öffnung des Schutzbereichs zugunsten eines Beschränkungsverbots erkennen 90 . Die in diesen Urteilen postulierten Verbote können jedoch auch unter das Verbot der versteckten Diskriminierung subsumiert werden. Ein Teil der Literatur führt gegen die Auslegung i.S.e. Beschränkungsverbots den Wortlaut des Art. 52 Abs. 2 EGV an 91 . Dies allein überzeugt allerdings noch nicht. Denn aus dem Wortlaut kann nicht eindeutig abgeleitet werden, daß die Freiheit des Personenverkehrs gegenüber dem Waren verkehr eine andere Ausrichtung haben und nur auf eine Inländergleichbehandlung beschränkt sein sollte. Mit Hinblick auf die Zielbestimmungen des Vertrages (vgl. Art. 3 lit. c EGV) und anderen Vorschriften (etwa Art. 7 a EGV und Art. 102 a EGV) liegt es vielmehr näher, daß das Ziel einer weitergehenden Marktöffnung und die Gewährleistung einer freiheitlichen Wirtschaftsbetätigung nicht nur über eine Inländergleichgehandlung erreicht werden kann und soll92. Auch wenn vorgebracht wird, daß bei der Niederlassung ein Wirtschaftssubjekt das Zentrum seiner Tätigkeit in einen anderen Mitgliedstaat verlege, so daß es ihm grundsätzlich zugemutet werden könne, sich allen dort auf seine Tätigkeit anzuwendenden Vorschriften zu fügen 93 , kann diese Argumentation zumindest für den Fall der sog. sekundären Niederlassung nicht durchschlagen94 . Das Zentrum der Tätigkeit wird in diesem Fall eben nicht verlegt. Im Ergebnis ist somit eine Auslegung der Art. 52 ff. EGV als Beschränkungsverbot vorzugswürdig. Die notwendige Differenzierung nach primärer und sekundärer Niederlassungsfreiheit sowie nach Intensität der Behinderung (objektive und subjektive Zulassungs- und Ausübungsbeschränkungen) erfolgt nicht auf der Tatbestands-, sondern auf der Rechtfertigungsebene 95 .
87 Bleckmann, OVBI. 1986, 69 (72 ff.); ders., Europarecht, Rn. 1652 ff.; Ehlers, NVwZ 1990,810 (811); Steindorff, EuR 1988, 19 (21); Streil, in: B/B/P/S, S. 328 f.; differenzierend Roth, in: Oauses, E. 1 Rn. 71 (Stand: Sept. 1994). 88 Vgl. Randelzhofer, in: Grabitz/Hilf, Art. 52 Rn. 43 (Stand: Sept. 1992); Roth, in: Oauses, E. 1 Rn. 62 (Stand: Sept. 1994); Streinz, Europarecht, Rn. 708 d. 89 Zuletzt noch EuGH, Rs. 221/85, -Laboratorien-, Sig. 1987, 719 (737 ff.). 90 Vgl. EuGH, Rs. C-340/89, -Vlassopoulou-, Sig. 1991-1,2357 (2383); Rs. C-19/92, Kraus-, Sig. 1993-1, 1663 (1697); Rs. C-55/94, -Gebhard-, Sig. 1995-1, 4165 (4197)=JZ 1996, 465 mit Anm. von Ehlers / Lackhoff. 91 Vgl. Everling, OB 1990, 1853 (1857 f.); Troberg, in: G/T/E, Art. 52 Rn. 46 ff. 92 Vgl. Bleckmann, OVBI. 1986, 69 (72 ff.); dens., Europarecht, Rn. 1652 ff.; Ehlers, NVwZ 1990, 810 (811). 93 Everling, OB 1990, 1853 (1857); Troberg, in: G /T /E, Art. 52 Rn. 48. 94 Vgl. auch Streinz, Europarecht, Rn. 708 d. 9S SO Streinz, ebda.
3 Royla
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I. Teil: Ausgangspunkte
Zur Rechtfertigung von Eingriffen in die Niederlassungsfreiheit wendet der EuGH96 ähnliche Maßstäbe an wie auf nationale Eingriffe in den Waren verkehr. Die Rechtsprechung verlangt hier die Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses sowie die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit97 . Eindeutig hat sich der EuGH jedoch noch nicht zur dogmatischen Parellität bei der Prüfung der Rechtfertigung der Waren verkehrs freiheit und der Niederlassungsfreiheit bekannt98 . Angesichts der bei der Niederlassungsfreiheit angezeigten Differenzierungen ist vielmehr davon auszugehen, das die Rechtfertigungsprüfung bei der Niederlassungsfreiheit und der Warenverkehrsfreiheit nicht parallel läuft. Der Maßstab hängt von dem Grad der Behinderung der geschützten Tatigkeit ab. Die Behinderung ist dabei gemeinschaftsrechtsspezifisch zu beurteilen. Denn es geht nicht um eine Gleichschaltung von mitgliedstaatlicher und gemeinschaftsrechtlicher Berufsfreiheit, sondern um die Beseitigung von Hindernissen für den grenzüberschreitenden Verkehr. Vor diesem Hintergrund wird auch deutlich, daß ein Eingriff in die der Dienstleistungsfreiheit nahekommenden sekundären Niederlassungsfreiheit einer besonderen Rechtfertigung bedarf.
2. Die Dienstleistungsfreiheit (Art. S9 fT. EGV) Die Art. 59 ff. EGV gewährleisten die Freiheit der Unternehmen mit Sitz oder Niederlassung in einem Mitgliedstaat99 , grenzüberschreitend im EG-Ausland gegen Entgelt tätig zu werden, ohne daß diese Tatigkeit -gemäß der Negativdefinition des Art. 60 Abs. I EGV- den Vorschriften der Waren-, Kapitalverkehrsfreiheit oder der Freizügigkeit der Personen unterfällt. Die unmittelbar anwendbare Dienstleistungsfreiheit lOO findet somit dann Anwendung, wenn ein Finanzunternehmen sich in das EG-Ausland begibt, um dort Finanzdienstleistungen anzubieten (sog. aktive Dienstleistungsfreiheit) 101, sowie dann, wenn die Dienstleistungsnehmer sich ins EG-Ausland begeben, um die FinanzdienstIeistung vom Unternehmen anzunehmen (sog. passive Dienstleistungsfreiheit) 102. Schließlich fallen Dienstleistungsanbieter und DienstIeistungnehmer in den Schutzbereich, wenn sie ohne körperlichen Grenzübertritt grenzüberschreitend verhandeln bzw. korrespondieren ("isolierte" 96 Vgl. EuGH, Rs. C-19/92, -Kraus-, a. a. 0., S. 1697; Rs. C-55 194, -Gebhard-, a. a. 0., S.4197. 97 EuGH, ebda. 98 Vgl. Ehlers/Lackhoff, JZ 1996, 467 (468); Randelzhofer, in: Grabitz/Hilf, Art. 52 Rn. 43 c (Stand: Sept. 1992). Ebensowenig kann die Frage, wann ein Eingriff vorliegt, als noch nicht geklärt angesehen werden, Ehlers 1Lackhoff, ebda. 99 Das Gleichstellungsgebot für Unternehmen folgt aus Art. 66 i.Y.m. 58 EGV. 100 Vgl. nur EuGH, Rs. 205/84, -Kommission 1 Bundesrepublik Deutschland-, Sig. 1986, 3755. 101 Vgl. Hakenberg, in: Lenz, Art. 59 Rn. 18. 102 Grdl. EuGH, verb. Rs. 286/82 u. 26183, -Luisi und Carbone-, Sig. 1984,377 (401 ff.).
C. Ziele und Grundlagen des EG-Finanzmarktaufsichtsrechts
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oder "personenunabhängige" Dienstleistungsfreiheit oder auch ,'produktverkehrsfreiheit" sowie "Korrespondenzdienstleistungsfreiheit" genannt) 103. Bei der Abgrenzung der aktiven Dienstleistungsfreiheit zur Niederlassungsfreiheit kommt es gemäß Art. 60 Abs. 3 EGV darauf an, ob die Tätigkeit vorübergehend ausgeübt wird. Mit dem EuGH 104 ist bei der Konkretisierung des vorübergehenden Charakters nicht nur auf die Dauer der Leistung, sondern auch auf die Häufigkeit, die regelmäßige Wiederkehr oder die Kontinuität abzustellen. Die Bestimmungen der Niederlassungsfreiheit sind etwa dann einschlägig, wenn eine selbständige Person, auch ohne Errichtung einer festen Einrichtung, eine Tätigkeit ganz oder überwiegend auf das Hoheitsgebiet des Bestimmungslandes ausrichtet 105. Die Dienstleistungsfreiheit gern. Art. 59 ff. EGVenthält, ebenso wie die Niederlassungs- und Warenverkehrsfreiheit 106, ein Diskriminierungs- sowie ein Beschränkungsverbot lO7 • Der EuGH wendet auf der Rechtfertigungsebene dementsprechend dieselben Kriterien wie bei der Warenverkehrsfreiheit an 108. In der Versicherungsentscheidung hat der EuGH präzisiert, daß drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen: - zwingende Gründe des Allgemeininteresses - keine Wahrung dieses Interesses durch Vorschriften des Heimatstaates des Dienstleistungserbringers und - das Prinzip der geringsten möglichen Beschränkung (Verhältnismäßigkeit)I09. 103 Vgl. z. B. EuGH, Rs. C-384/93, -Alpine Investments-, Sig. 1995-1, 1141 (1174); dazu Becker, NJW 1996, 179 ff. Weitere Varianten der erstgenannten Fälle, die allerdings für den Finanzdienstleistungssektor keine Bedeutung haben, sind die sog. Fremdenführerfälle, vgl. EuGH, Rs. C-154/89, -Kommission/Frankreich-, Sig. 1991-1,659 (685); Rs. C-180/89, Kommission/ltalien-, Sig. 1991-1,709 (721); Rs. C-198/89, -Kommission/Griechenland-, Sig. 1991-1,727 (738 f.). 104 EuGH, Rs. C-55/94, -Gebhard-, Sig. 1995-1,4165 (4197). 105 Vgl. EuGH, Rs. 205/84, -Kommission/Bundesrepublik Deutschland-, Slg. 1986, 3755 (3801 f.). 106 Zu Art. 30 EGV EuGH, Rs. 8/74, -Dassonville-, Sig. 1974, 837 (852); EuGH, Rs. 120/78, -Rewe/Bundesweinmonopolverwaltung für Branntwein ("Cassis de Dijon")-, Slg. 1979,649 (662 ff.); einschränkend EuGH, verb. Rs. C-267/91 und C-268/9I, -Keck-, Sig. 1993-1,6097 (6131). 107 SI. Rspr. seit EuGH, Rs. 33/74, -van Binsbergen-, Slg. 1974, 1299 (1309); bestätigt durch z. B. EuGH, Rs. C-76/90, -Säger-, Slg. 1991-1,4221 (4243). Unklar ist, ob die in dem Keck-Urteil entwickelten Einschränkungen auch im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit gelten; vgl. dazu EuGH, Rs. C-384/93, -Alpine Investrnents-, Sig. 1995-1, 1141 (1I77)=EuZW 1995,404 m. Anm. von Reich; Becker, NJW 1996, 179 (180 f.). Vgl. auch OLG Nürnberg, EWS 1991,53 (54), das ohne weiteres die Grundsätze der Keck-Rspr. bei der Prüfung einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit anwendet. 108 Vgl. EuGH, Rs. 279/80, -Webb-, Sig. 1981,3305 (3325); Rs. 205/84, -Kommission/ Bundesrepublik Deutschland-, Sig. 1986,3755 (3803 ff.); Rs. C-222/95, -Parodi-, WM 1997, 1697 (1699 f.); ferner zur dogmatischen Parellität bei der Prüfung Becker, NJW 1996, 179 (180); Randelzhofer, in: Grabitz / Hilf, Art. 60 Rn. 22 (Stand: Sept. 1992); Roth, in: Dauses, E. 1 Rn. 121 (Stand: Sept. 1994); Troberg, in: G /T /E, Vorb. zu den Artikeln 59 bis 66 Rn. 22 ff.
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I. Teil: Ausgangspunkte
3. Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 73 b Abs. 1 EGV) Die Vorschrift über die Kapitalverkehrsfreiheit gewährleistet, daß einseitige, grenzüberschreitende Wertübertragungen ohne Beschränkungen vorgenommen werden können. Es muß sich dabei um eine eine Vermögensanlage darstellende Wertübertragung in Form von Sach- oder Geldkapital handeln 11o• Darunter flillt etwa das Kapital für die Gründung einer Gesellschaft oder für den Erwerb von Unternehmensanteilen. Die ledigliche Übertragung von Kapital von einem Mitgliedstaat in den anderen wird dagegen von der Zahlungsverkehrsfreiheit gern. Art. 73 b Abs. 2 EGV erfaßt l 11. Aus dem Wortlaut ergibt sich, daß Art. 73 b EGVein Beschränkungsverbot enthält 112 . Der EuGH geht nicht nur davon aus, daß eine dogmatische Parallelität in der Struktur des Schutzbereichs des Art. 73 b EGV und der Art. 30, 59 ff. EGV, sondern auch in der der Schranken besteht 113 • Daher kommt ein Rekurs auf "im Allgemeininteresse liegende Ziele" in Betracht. Für den Kapitalverkehr steht die Lauterkeit des Börsengeschäfts und der Anlegerschutz im Vordergrund 114 . Der Art. 73 b Abs. 1 EGV betrifft vor allem das Bankwesen. Dabei sind primär volkswirtschaftliche als bankaufsichtsrechtliche Grundlagen der Finanzmärkte berührt 115. Zur Kapitalverkehrsfreiheit gehört etwa der Kauf oder Verkauf von Kapitalmarktpapieren, die Kreditvergabe und Kreditaufnahme sowie Bürgschaften und Garantien 116. Wegen des Erfordernisses der Einseitigkeit der Wertübertragungen fallen die Prämien und Versicherungsleistungen im Versicherungswesen aus dem Bereich der Kapitalverkehrsfreiheit heraus 117.
11. Zielsetzungen der EG bei der Ausgestaltung des Finanzmarktaufsichtsrechts Als Teil des übergeordneten Zieles eines "Gemeinsamen Marktes" soll ein einheitlicher Finanzmarkt geschaffen werden. Deshalb erlangt das Ziel der Vermei109 EuGH, Rs. 205/84, -Kommission 1Bundesrepublik Deutschland-, Sig. 1986, 3755 (3803); dazu Hübner, JZ 1987,330 ff.; ders., in: Dauses, E. IV Rn. 51 ff. (Stand: Nov. 1996); Miersch, S. 18 ff. 110 Hahn 1Follak, in: Dauses, F. II Rn. 6 (Stand: Sept. 1994); Hoffmann, Banken- und Börsenrecht, S. 25; Ress 1Ukrow, in: Grabitzl Hilf, Art. 73 b Rn. 9 (Stand: Okt. 1995). 111 Ress 1Ukrow, ebda. 112 Geiger, EGV, Art. 73 b Rn. 1. 113 Vgl. EuGH, Rs. C-148/91, -Veronica-, Sig. 1993-1,487 (518 ff.). 114 Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf, Art. 73 b Rn. 31 (Stand: Okt. 1995). 115 Hellenthai, Bankenaufsichtsrecht, S. 36. 116 Vgl. Schöne, WM 1989,873 (875). 117 Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 11.
C. Ziele und Grundlagen des EG-Finanzmarktaufsichtsrechts
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dung von Wettbewerbs verzerrungen eine zentrale Bedeutung 11 8. Um den Gemeinsamen Markt zu errichten, nennt daher Art. 3 lit. h EGV im Hinblick auf die nationalen Rechtsvorschriften u. a. als Ziel "die Angleichung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften, soweit dies für das Funktionieren des gemeinsamen Marktes erforderlich ist". Ziel ist es somit, vergleichbare Rahmenbedingungen für die Teilnehmer der Finanzmärkte in den Mitgliedstaaten zu schaffen und damit die Austauschbarkeit der Finanzprodukte zu erleichern ll9 . Auch wenn das europäische Finanzmarktrecht nicht im EG-Vertrag ausdrücklich erwähnt wird, ergibt sich dessen Existenz aus der Verwirklichung der Niederlassungs-, Dienstleistung sowie Kapitalverkehrsfreiheit 12o. Die Schaffung eines europäischen Finanzraumes ist auch im Hinblick auf die angestrebte Integration im Bereich der Wirtschafts- und Währungsunion unabdingbar l21 • Seit dem Abschluß und der Ratifizierung des Maastrichter Vertrages muß die Zielverwirklichungsmaxime den Anforderungen des Gebots der Subsidiarität (Art. 3 b EGV) genügen. Damit soll der Sorge vor einem übermäßigen Regelungsdrang der EG Rechnung getragen werden 122. Der Grad der lustitiabilität und Steuerungskraft der Vorschrift ist zwar noch nicht geklärt 123. Das Subsidiaritätsprinzip tritt jedenfalls einer umfassenden Harmonisierung des Finanzmarktaufsichtsrechts entgegen. Es zwingt die Gemeinschaftsorgane, zur sorgsamen Abwägung und Bedürfniskontrolle im Einzelfall mit Blick auf die Verwirklichung gemeinschaftlicher Ziele 124.
111. Liberalisierungs- und Harmonisierungsregime der EG Das Finanzmarktwesen unterliegt dem Liberalisierungsregime der Freiheiten der Niederlassung (Art. 52 ff. EGV), des Dienstleistungsverkehrs (Art. 59 ff. EGV) sowie des Kapital- und Zahlungsverkehrs (Art. 73 bEGV). Zwar bildet das nationale Aufsichtsrecht·nach wie vor die Grundlage für die Kontrolle über den Betrieb Hellenthai, Bankenaufsichtsrecht, S. 28 f. Vgl. Weißbuch der Kommission, KOM (85) 310 endg., Ziff. 102. 120 R.H. Weber, in: Lenz, Art. 73 b Rn. 20. 121 Kiemel, in: G/T IE, Art. 73 b Rn. 50; R.H. Weber, ebda. 122 Art. 3 b Abs. 2 EGV: "In den Bereichen, die nicht in ihre Zuständigkeit fallen, wird die Gemeinschaft nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfanges oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können." 123 Vgl. z. B. Hilf, VVDStRL 53 (1994), 7 (13); Jarass, EuGRZ 1994, 209 (211 f.); Lenaerts/Ypersele, CDE 1994,3 (72); Pieper, Subsidiarität, S. 272. 124 Von Bogdandy/Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Art. 3 b Rn. 19 (Stand: Sept. 1994); Schmidhuber, DVBI. 1993,417 (419). 118 119
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I. Teil: Ausgangspunkte
des Finanzdienstleistungsgeschäfts. Jedoch wirken die Gemeinschaftsorgane auf der Grundlage des EG-Vertrages auf die Gesetzgebung der Mitgliedstaaten ein. Zur Konkretisierung und Verwirklichung der übergeordneten EG-Vertragsziele erlassen die zuständigen Gemeinschaftsorgane die notwendigen Vorschriften. Der hierfür primär zuständige EG-Ministerrat bedient sich dazu auf dem Gebiet des Finanzmarktaufsichtsrechts in erster Linie des Instruments der Richtlinie. Gemäß Art. 189 Abs. 3 EGV ist die Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet ist, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überläßt jedoch den zur Transformation verpflichteten Mitgliedstaaten die Wahl der Form und Mittel zur Verwirklichung des vorgegebenen Ziels. Im Bereich des hier interessierenden Liberalisierungs- und Harmonisierungsregimes (Art. 57 Abs. 2, 66, 69, 100 ff. EGV u. a.) wurde die Beschlußfassung über die einzelnen Richtlinien seit der Annahme der Einheitlichen Europäischen Akte erheblich erleichtert. Gemäß der ergänzenden Bestimmung des Art. 100 a EGV muß der EG-Ministerrat auf Vorschlag der Kommission nicht mehr einstimmig, sondern kann mit qualifizierter Mehrheit entscheiden. Mit Inkrafttreten des EUVertrages ist das sog. Kodezisionsverfahren eingeführt worden, das die Stellung des Europäischen Parlaments erheblich stärkt. Gemäß Art. 189 b EGV ist dem Parlament durch einen Widerspruch mit absoluter Mehrheit die Möglichkeit gegeben, Liberalisierungs- oder Harmonisierungsentscheidungen des Rates auf diesem Gebiet endgültig zu Fall zu bringen. Weitere Rechtsquellen sind die Verordnungen (Art. 189 Abs. 2 EGV), die Entscheidungen (Art. 189 Abs. 5 EGV) sowie Empfehlungen und Stellungsnahmen (Art. 189 Abs. 6 EGV). Auf dem Gebiet des Finanzmarktaufsichtsrechts spielen insbesondere die Empfehlungen trotz ihrer Unverbindlichkeit eine nicht unerhebliche Rolle l2S • Als Vorbote verbindlicher Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane im Falle ihrer Mißachtung durch die Mitgliedstaaten können den Empfehlungen durchaus faktische Bindungswirkungen beigelegt werden.
D. Grundprinzipien und Stand des EG-Aufsichtsrechts In der EG ist eine weitgehende Koordinierung des staatlichen Finanzmarktaufsichtsrechts 126 mit dem Ziel der Liberalisierung erreicht worden 127. Das EG-Fim Vgl. Bader, EuZW 1990, 117 (118); HellenthaI, Bankenaufsichtsrecht, S. 38.
Die Bestandsaufnahme des EG-Finanzmarktaufsichtsrechts konzentriert sich hier auf das "institutionelle" Aufsichtsrecht, d. h. auf die Aufsicht über die Institute. Auf das "funktionale" Aufsichtsrecht, d. h. das Finanzvertragsrecht (z. B. Produktrecht, Insiderrecht, Rechtswahlregeln im Versicherungsvertragsrecht) wird nur eingegangen, soweit es unmittelbaren Bezug zur "institutionellen" Finanzmarktaufsicht hat. Dazu näher Hübner, in: Dauses, E. IV Rn. 33 ff. (Stand: Nov. 1996); Troberg, WM 1991, 1745 (1747 f.); sowie Lutter, S. 85 ff. m.w.N. 126
D. Grundprinzipien und Stand des EG-Aufsichtsrechts
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nanzmarktaufsichtsrecht hat sich seit 1973 insbesondere durch den Erlaß von Richtlinien herausgebildet 128 • Bei der Rechtsangleichung hat sich die Herstellung eines einheitlichen Marktes wegen der zum Teil sehr unterschiedlich ausgeprägten Regelungen in den Mitgliedstaaten als schwierige Aufgabe erwiesen 129. Aus der fast unüberschaubaren Vielzahl der Gemeinschaftsregelungen, die in diesem Bereich ergangen sind, sollen im Folgenden nur die Richtlinien Erwähnung finden, die den Kembereich der Finanzmarktaufsicht betreffen. Die Regelungen im Bereich des Börsen- und Investmentrechts werden aufgrund ihrer anderen Struktur nicht berücksichtigt 130. Grundlegende Bedeutung für die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit, der Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit haben: - die 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie von 1989 131 , - die 3. Schadensversicherungsrichtlinie von 1992 132, 127 So U.-H. Schneider, Bankrechtstag 1993, 3 (6) für den Bereich des Bankenaufsichtsrechts. Nach Lutter, S. 88, 92 besteht zumindest ein "Kem-Bank(sowie Wertpapier-)aufsichtsrecht"; ähnlich Hübner, in: Dauses, E. IV Rn. 46 (Stand: Nov. 1996) für den Bereich der Versicherungsaufsichtsrechts; Troberg, in: G /T /E, Art. 61 Rn. 15,20. 128 Einen Überblick über die EG-Maßnahmen zur Schaffung eines europäischen Finanzraums geben z. B. Hübner, in: Dauses, E. IV Rn. 3 ff. (Stand: Nov. 1996); Kiemel, in: G/T/ E, Art. 73 b Rn. 51 ff.; Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf, Art. 73 b Rn. 33 ff. (Stand: Okt. 1995); R.H. Weber, in: Lenz, Art. 73 b Rn. 22 ff.; Wouters, MI 1997, 161 (168 ff.). 129 Vgl. Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 4. 130 Dazu Grundmann, ZBB 1991, 242 ff.; Izquierdo, Die Liberalisierung und Harmonisierung des Börsenrechts (1989); Kümpel, WM 1994,229 ff.; Lutter, S. 92 ff. m. w. N.; Ress/ Ukrow, in: Grabitz / Hilf, Art. 73 b Rn. 54 ff. (Stand: Okt. 1995); von Rosen, EuZW 1993, 26 ff. Eine den Regelungen zum Banken-, Versicherungs- und Wertpapierfirmenaufsichtsrecht ähnliche Struktur weisen lediglich die Regelungen in der Richtlinie des Rates (85/ 611/ EWG) zur Koordinierung der Rechts- und VerwaItungsvorschriften betreffend Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) vom 20. 12. 1985 auf (ABI. L 375/ 3, geändert durch Richtlinie 88/220/EWG von 22. 3. 1988, ABI. L 100/31). 131 Zweite Richtlinie des Rates vom 15. 12. 1989 (89/646/EWG) zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 771780/EWG, ABI. L 386/1 (2. Bank-RL). Dazu statt vieler Bader, EuZW 1990, 117 ff.; Clarotti, RMC 1989453 ff.; Gruson/Feuring, in: Cranston, S. 19 ff.; HellenthaI, Bankenaufsichtsrecht, S. 50 ff.; Lutter, S. 325 ff. m. w. N.; Smits, LIEI 1989/1,61 ff.; Strivens, CMLRev. 1992,283 ff. In das nationale Recht umgesetzt z. B. in Deutschland durch Änderungsgesetz (4. KWG-Novelle) vom 21. 12. 1992, BGBI. I. S. 2211; in Großbritannien durch Banking Coordination (Second Council Directive) Regulations 1992 of 16/12/1992, Statutory Instrument N. 3218; in Frankreich durch Loi N. 92-665 du 161711992, J.O. 1992,9576 sowie Reglements N. 92-11 - N. 92-14 du Comite de la reglementation bancaire, 1.0. du 9/1/1993, 511; in Italien durch Decreto legislativo N. 481 deI 14/1211992, Supplemento Ordinario alla Gazz.Uff. N.131 deI 17/1211992, 296. 132 Dritte Richtlinie des Rates (92/49/EWG) vom 18. 6. 1992 zur Koordinierung der Rechts- und VerwaItungsvorschriften flir die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/ EWG und 88/357/ EWG,
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I. Teil: Ausgangspunkte
die 3. Lebensversicherungsrichtlinie von 1992 133 und - die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie von 1993 134 . Obwohl die Gemeinschaftsorgane bei der Ausgestaltung des Finanzmarktaufsichtsrechts auf eine umfassende Regelung für alle Finanzdienstleistungsunternehmen verzichtet und demgemäß eine "Drei-Säulen-Konzeption" mit eigenständigen Aufsichtssystemen für Banken, Versicherungen und Wertpapierhäuser entwickelt haben 135, liegen allen Regelungen allgemeine Prinzipien zugrunde l36 . Diese Grundprinzipien formen ein System, das aus den im Weißbuch der Kommission zur Vollendung des Binnenmarktes enthaltenen Vorschlägen l3 ? hervorgeht und sich AB\. L 228/1 (3. Schaden-RL); dazu Fahr, VersR 1992, 1032 ff.; Hohlfeld, VersR 1993, 144 ff.; Hübner, in: Dauses, E.lV Rn. 46 ff. (Stand: Nov. 1996); Weiser, EuZW 1993,29 ff. In das nationale Recht umgesetzt z. B. in Deutschland durch Gesetz (Drittes Durchführungsgesetz/EWG zum VAG) vom 21. 7. 1994, BGB\. I, S. 1630; in Großbritannien durch Insurance Companies (Third Insurance Directives) Regulations 1994, Statutory Instruments N. 1515 of 1994; in Frankreich durch Arrete ministeriel du 30/12/1993, J.O. du 1/1/1994,50; Lois N. 93-1444 et 94-5, J.O. du 5/1/1994, 231; in Italien durch Decreto legislativo deJ 17/311995, Gazz. Uff. N. 114 dei 18/511995, 58. 133 Dritte Richtlinie des Rates (92/96/EWG) vom 10. 11. 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungs vorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG, AB\. L 36011 (3. Leben-RL). In das nationale Recht umgesetzt z. B. in Deutschland durch Gesetz (Drittes Durchführungsgesetz/EWG zum VAG) vom 21. 7. 1994, BGB\. I, S. 1630; in Großbritannien durch Insurance Companies (Third Insurance Directives- Accounts and Statements) Regulations 1994, Statutory Instruments N. 1515 of 1994; in Frankreich durch Arrete ministerieJ du 3011211993, J.O. du 1/1/1994,50; Lois N. 93-1444 et 94-5, J.O. du 5111 1994, 231; in Italien durch Decreto legislativo deJ 17/3/1995, Gazz. Uff. N. 114 dei 181 511995,5. 134 Richtlinie des Rates (93/22/EWG) vom 10.5. 1993 über Wertpapierdienstleistungen, AB\. L 141/27 (WDRL); dazu Ferrarini, CMLR 1995, 1283 ff.; Grottke, EuZW 1993, 440 ff.; Jentsch, WM 1993,2189 ff.; Kümpel, WM 1994,229 ff.; Lutter, S. 100 ff., 450 ff.; Mc Donald, European Trends 1994,76 ff.; von Rosen, EuZW 1993,26 ff.; Shea, in: Cranston, S. 115 ff.; Vuillemin, RMC 1994, 307 ff. In das nationale Recht umgesetzt z. B. in Deutschland durch Gesetz (2. Finanzmarktförderungsgesetz) vom 26. 7. 1994, BGB\. I S. 1749; in Großbritannien durch Investment Services Regulations of 1995, Statutory Instruments N. 3275 of 1995; in Italien durch Decreto legislativo dei 2617/1996 N. 415, Supplemento ordinario alla Gazz. Uff. del9/8/1996 N. 133,44. 135 Dies ist u. a. darauf zurückzuführen, daß die Erste Bankrechtskoordinierungsrichtlinie (77 1780 I EWG) vom 12. 12. 1977, AB\. L 332/30 (1. Bank-RL), zuletzt geändert durch die Richtlinien 89/646/EWG und 961 J3/EG, einen sehr engen Begriff des "Kreditinstituts" gewählt hat. Danach bedeutet Kreditinstitut ein Unternehmen, desssen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren (Art. 1). Daher fallen etwa Wertpapierhäuser, die keine Einlagen entgegennehmen, nicht unter den Institutsbegriff LS. der Richtlinie. Vg\. Ress-Ukrow, in: Grabitz-Hilf, Art. 73 b Rn. 51; U.-H. Schneider, Bankrechstag 1993,3 (13). 136 Vg\. Bader, in: Büschgen/U.-H. Schneider, S. 17 (25); Lutter, S. 80; U.-H. Schneider, Bankrechtstag 1993,3 (13 ff.); Wouters, MJ 1997, 161 (169 ff.). 137 Die Vollendung des Binnenmarktes, Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat, KOM (85) 310 endg. vom 14. Juni 1985 (Ziff. 61-79).
O. Grundprinzipien und Stand des EG-Aufsichtsrechts
41
auf die Cassis-Rechtsprechung des EuGH I38 stützt. Zentrale Punkte dieses Systems sind:
I. Verzicht auf einheitliches Finanzmarktaufsichtsrecht Auf ein einheitliches Finanzmarktaufsichtsrecht wurde verzichtet 139 . Die nationalen Aufsichtssysteme werden grundsätzlich beibehalten.
11. ,,single-Iicence"-Prinzip Nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung wird eine einheitliche, EG-weit gültige Zulassung zum Finanzdienstleistungsbetrieb erteilt, sog. "singlelicence"-Prinzip. Danach wird die von einem Mitgliedstaat erteilte Erlaubnis zum Betrieb von Banken-, Versicherungs- oder Wertpapiergeschäften für alle EG-Mitgliedstaaten gelten 140. Ein Unternehmen i.S. der Richtlinien darf dann auch ohne zusätzliche Erlaubnis Zweigniederlassungen l41 im Aufnahmestaat errichten und grenzüberschreitend Dienstleistungen in jedem anderen Mitgliedstaat erbringen.
111. Prinzip der Herkunftslandkontrolle Dem föderalen Charakter der Union entsprechend war es nicht Ziel der Kommission eine zentrale EG-Aufsichtsbehörde zu schaffen l42 • Vielmehr wurde mit einem weitaus liberaleren Ansatz das Prinzip der Herkunftslandkontrolle 143 eingeführt. Danach obliegt die Aufsicht über Banken, Versicherungsuntemehmen und Wertpapierhäuser einschließlich ihrer Zweigstellen 144 grundsätzlich dem Mitglied-
138 EuGH, Rs. 120178, -Rewe/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein ("Cassis de Oijon")-, Sig. 1979,649 (662 ff.). 139 Noch zu Anfang der 70er Jahre verfolgte die Kommission einen ganzheitlichen Ansatz zur Schaffung eines "europäischen Kreditwesengesetzes", Kom.-Ook. XIV /508 172-0, Juli 1972, abgedruckt bei Römer, S. 142 ff. 140 Art. 18 der 2. Bank-RL, Art. 5 der 3. Schadens-RL, Art. 4 der 3. Leben-RL, Art. 13 der Wertpapier-RL. Ausführlich dazu unten 2. Teil B. I. 141 Unter den bestimmten Voraussetzungen unterfallen Tochtergesellschaften ebenfalls dem "single-licence"-Prinzip (vgl. etwa Art. 18 Abs. 2 der 2. Bank-RL). 142 Vgl. Lutter, S. 79. 143 Zur unterschiedlichen Terminologie siehe unten 2. Teil B. I. 1. c) bb). 144 U.U. wird der Kreis auf Tochtergesellschaften erweitert (vgl. Art. 13 i.Y.m. Art. 18 Abs. 2 der 2. Bank-RL)
42
I. Teil: Ausgangspunkte
staat, in dem das Unternehmen ihren Hauptsitz hat bzw. der schon für die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb zuständig war. Demnach schließt das Prinzip der Herkunftslandkontrolle den Grundsatz der nationalen Finanzmarktaufsicht ein. Bis auf wenige Ausnahmen 145 hat damit der Mitgliedstaat, auf dessen Gebiet die Tätigkeit ausgeübt wird, keine Überwachungs- und Kontrollbefugnisse über die Geschäftstätigkeiten, die in einem anderen Mitgliedstaat genehmigt worden sind. Das hat z. B. in Deutschland die Abschaffung der Vorschriften zur Bedingungs- und Tarifgenehmigung sowie zur systematischen Vorlage der Bedingungen und Tarife bei der Aufsichtsbehörde zur Konsequenz 146. Damit die Herkunftslandkontrolle hinreichend wirksam ausgeübt werden kann, wird die Regelung von einigen Aufsichtselementen flankiert. Sie umfassen das Recht der Herkunftslandbehörde, die ausländischen Zweigstellen in anderen EGStaaten vor Ort prüfen zu können 147. Die kontrollierten Unternehmen haben Informationspflichten gegenüber den Herkunftslandbehörden zu erfüllen 148. Schließlich besteht zur Erleichterung und Durchsetzung der Aufsicht eine Pflicht zur Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden und zur Ausräumung von rechtlichen Hindernissen für die Informationsübermittlung l49 . Tochtergesellschaften von Finanzunternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat unterliegen der Aufsicht des Mitgliedstaates, in dem sie ihren Sitz haben. Als Folge der rechtlichen Verselbständigung müssen sie somit im Sitzland eine eigene Zulassung beantragen, um dort tätig werden zu können 150. Es gilt mithin für Tochtergesellschaften das Gastland- bzw. Bestimmungslandprinzip l51. Sofern die Tochtergesellschaften nach Maßgabe der Zweiten Bankenkonsolidierungsrichtlinie in die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis miteinbezogen werden, sind grundsätz145 Auf dem Bankensektor behält der Aufnahmestaat die Verantwortung für geldpolitische Maßnahmen sowie das Recht zur Überwachung der Liquidität nach seinen eigenen nationalen Vorschriften (Art. 14 Abs. 2 der 2. Bank-RL). Schließlich kommt dem Tlitigkeits- bzw. Aufnahmeland eine Art Reservezuständigkeit zu, wenn Gesetzesvestöße durch Maßnahmen der (an sich zuständigen) Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes nicht abgestellt werden (Art. 21 der 2. Bank-RL). Wahrend die Finanzaufsicht auf dem Versicherungssektor in der alleinigen Zuständigkeit des Herkunftslandes liegt, hat das Tlitigkeits- bzw. Aufnahmeland im Bereich der sonstigen (Rechts-) Aufsicht, ähnlich der Bankenaufsicht, noch eigene Kontrollbefugnisse (vgl. etwa Art. 40 der 3. Schaden- und Leben-RL). 146 Es gibt jedoch noch Ausnahmen für Pflichtversicherungen, Krankenkostensollversicherungen und die Lebensversicherung, vgl. Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 58 f., 78 ff., 488 ff. 147 Siehe etwa Art. 15 Abs. I der 2. Bank-RL, Art. 14 der I. Schaden-RL i.d.F. des Art. \0 der 3. Schaden-RL; Art. 16 der I. Leben-RL i.d.F des Art. 9 der 3. Leben-RL; Art. 24 Abs. I derWDRL. 148 So etwa Art. 7 der I. Bank-RL i.Y.m. Art. 14 der 2. Bank-RL. 149 Siehe etwa Art. 15, 16, 21 der 2. Bank-RL, Art. 40 der 3. Schaden- und Leben-RL; Art. 19 der WDRL. 150 Eine Ausnahme sieht Art. 18 Abs. 2 i.Y.m. Art. \3 der 2. Bank-RL vor. 151 Lutter, S. 85.
D. Grundprinzipien und Stand des EG-Aufsichtsrechts
43
lich die Aufsichtsbehörden des Mitgliedstaates zuständig, in dem der Konzern sein ranghöchstes Kredit- oder Finanzunternehmen hat (Art. 4)152. Das ist zumeist das Mutterunternehmen. Insoweit gilt, aber auch nur für die konsolidierte Beaufsichtigung 153 , das Prinzip der Herkunftslandkontrolle l54 .
IV. Prinzip des harmonisierten Mindeststandards Voraussetzung des Systems der Herkunftslandkontrolle und der gegenseitigen Anerkennung ist, daß durch Hannonisierung ein aufsichtsrechtlicher Mindeststandard gewährleistet wird. Mit dem Prinzip des harmonisierten Mindeststandards wird der Sorge der Mitgliedstaaten vor unterschiedlichen wettbewerbsverzerrenden nationalen Zulassungsvoraussetzungen Rechnung getragen 155. Zudem verbürgt es im Zusammenhang mit der Kompetenzverteilung i. S. d. Herkunftslandkontrolle eine, aber auch nur eine wirksame EG-weite lückenlose Mindestaufsicht l56 . Die internationalen und nationalen Risiken der Banken-, Versicherungs- und Wertpapiertätigkeiten werden von den EG-Richtlinien weitestgehend abgedeckt. Im Bankensektor sind insbesondere die Richtlinien hinsichtlich der Zulassungsvoraussetzungen und Kriterien für die Überwachung mit Hilfe von Beobachtungskoeffezienten für die Solvabilität, Eigenkapitalaustattung und Rentabilität zu erwähnen i57 . Von Bedeutung sind weiterhin die Bankbilanzrichtlinie 158 , die Richtlinie 152 Richtlinie des Rates über die Beaufsichtigung der Kreditinstitute auf konsolidierter Basis vom 6. 4. 1992 (921 301 EWG), ABI. L 193/18, die an die Stelle der Richtlinie 83/3501 EWG vom 13.6. 1983 getreten ist. Dazu Boos, EuZW 1992,406 f.; Clarotti, RevMC 1992, 900 ff.; Lutter, S. 421 ff. m. w. N. 153 Die konsolidierte Aufsicht erübrigt nicht die Einzelaufsicht über die Tochtergesellschaften, vgl. Troberg, WM 1991, 1745 (1747), Fn. 3. 154 Boos, EuZW 1992,406 (407); vgl. auch HeIlenthai, Bankenaufsichtsrecht, S. 58; Horn, ZBB 1989, 107 (112). 155 Vgl. für den Versicherungssektor EuGH, Rs. 205/84,-Kommission/Bundesrepublik Deutschland-, Sig. 1986, 3755 (3804 ff.). 156 Grundmann, S. 7 f. 157 Richtlinie des Rates vom 17. 4. 1989 über die Eigenmittel von Kreditinstituten (891 299/EWG), ABI. L 124/16; Richtlinie des Rates vom 3. 12. 1991 zur Durchführung der Richtlinie 891 299/EWG über die Eigenmittel von Kreditinstituten (89/299/EWG), ABI. L 339/33; Richtlinie des Rates vom 16.3. 1992 zur Änderung der Richtlinie 89/299/EWG über die Eigenmittel von Kreditinstituten (89/299 1EWG), ABI. L 75148; Richtlinie des Rates (93/6/EWG) vom 15.3. 1993 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, ABI. L 141/1; Richtlinie des Rates (89/6471 EWG) über einen Solvabilitätskoeffizienten für Kreditinstitute vom 18. 12. 1989, ABI. L 386/14. Näher zu den erlassenen Bankrichtlinien HeIlenthai, Bankenaufsichtsrecht, 50 ff.; Hübner, in: Dauses, E.IV Rn. 7 ff. (Stand: Nov. 1996); Ress 1Ukrow, in: Grabitz 1 Hilf, Art. 73 b EGV Rn. 34 ff. (Stand: Okt. 1995); Zantis, EuZW 1993, 31 (32 f.).
44
1. Teil: Ausgangspunkte
zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zweck der Geldwäsche l59 , die Großkreditrichtlinie zur Vermeidung von Risikokonzentrationen bei einem einzigen Vertragspartner I 60, die Richtlinie über Einlagensicherungssysteme 161, über die Entschädigung der Anleger l62 sowie die BCCI I63 -Richtlinie zur Stärkung der Aufsicht über Finanzinstitute mit Einführung von Offenlegungs- und Informationspflichten gegenüber den Aufsichtsbehörden 164. Wesentliche Harmonisierungsschritte im Versicherungssektor bilden Richtlinien, die Mindestnormen über die Bildung und die Anlage der versicherungstechnischen Rückstellungen festgelegt und Vorschriften zur Bedingungs- und Tarifgenehmigung abgeschafft haben l65 . 158 Richtlinie des Rates vom 8. 12. 1986 über den lahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Banken und anderen Finanzinstituten (86/635/ EWG), ABI. L 372/1, dazu Lutter, S. 389 ff. m. w. N. 159 Richtlinie des Rates vom 10.6. 1991 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zweck der Geldwäsche (91/308/EWG), ABI. L 166177, dazu Carl, EWS 1991,341 ff.; Wägenbaur, EuZW 1994,711 ff. 160 Richtlinie des Rates vom 21. 12. 1992 über die Überwachung und Kontrolle der Großkredite von Kreditinstituten (92112I1EWG), ABI. L 2911; dazu Boss, EuZW 1992,574 f.; Lutter, S. 377 ff. m. w. N. 161 Richtlinie des Rates vom 30. 5. 1994 über Einlagensicherungssysteme (941l9/EG), ABI. L 135/5; dazu Hoeren, EuZW 1994, 750 ff.; Lutter, S. 434 ff. m. w. N. 162 Richtlinie des Rates und des Europäischen Parlaments (97/9/EG) vom 3.3. 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger, ABI. L 84/22; dazu Lutter, S. 515 ff. 163 Anlaß der Verabschiedung der Richtlinie war der Bankrott der Bank of Credit and Commerce International, einst siebtgrößte Privatbank. 164 Richtlinie des Rates (95/26/ EG) vom 29. 6. 1995 zur Änderung der Richtlinien 77/ 780/ EWG und 89/646/ EWG betreffend Kreditinstitute, der Richtlinien 77/239/ EWG und 92/49/ EWG betreffend Schadensversicherungen, der Richtlinien 76/267/ EWG und 92/ 96/ EWG betreffend Lebensversicherungen, der Richtlinien 92/22/ EWG betreffend Wertpapierfirmen sowie der Richtlinie 85/611/ EWG betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) zur verstärkter Beaufsichtigung dieser Finanzunternehmen, ABI. 16817 (BCCI-RL); dazu Hübner, in: Dauses, E.IV Rn. 101 (Stand: Nov. 1996) m.N. 165 Z. B. Richtlinie des Rates (73/239/EWG) vom 24. 7. 1973 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung), ABI. L228/3 (1. SchadenRL); Richtlinie des Rates (79/267/EWG) vom 5. 3. 1979 zur Koordinierung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Direktversicherung (Lebensversicherung), ABI. L 63/1 (I. Leben-RL); Zweite Richtlinie des Rates (88/357/EWG) vom 22. 6. 1988 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 73/ 239/EWG, ABI. L 172/1 (2. Schaden-RL); Zweite Richtlinie des Rates (90/619/EWG) vom 8. 11. 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/ EWG, ABI. L 330/50 (2. Leben-RL); Richtlinie des Rates (91/674/EWG) vom 19. 12.1991 über den lahresabschluß und den konsolidierten lahresabschluß von Versicherungsunternehmen, ABI. L 37417. Näher zu den erlassenen Versicherungsrichtlinien Hübner, in: Dauses, E. IV Rn. 61 ff. (Stand: Nov. 1996); Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 22 ff.
D. Grundprinzipien und Stand des EG-Aufsichtsrechts
45
V. Wettbewerb der Rechtsordnungen Da die Richtlinien nur einen wesentlichen Standard festlegen, können die Mindestanforderungen von den Mitlgliedstaaten überschritten werden, allerdings unter der Bedingung, daß sie die ausländischen Standards den inländischen als gleichwertig anerkennen 166. Infolgedessen können höhere Anforderungen an Unternehmen gestellt werden. Dabei stellt sich das Problem der Diskriminierung. Während eindeutig ist, daß Diskriminierungen, die an die Staatsangehörigkeit anknüpfen, gemeinschaftsrechtlich untersagt sind 167, herrscht Unklarheit hinsichtlich der Frage, wie "Diskriminierungen" eigener Staatsangehöriger (sog. umgekehrte Diskriminierungen) rechtlich zu behandeln sind 168. Ein ähnliches Problem ergibt sich aus folgendem: Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig werden wollen, werden zwar grundsätzlich allein von der Herkunftslandaufsicht gemäß ihren Vorschriften kontrolliert. Jedoch können sich diese Unternehmen zudem Rechtsvorschriften gegenübersehen, die das Tätigkeitsland im "Allgemeininteresse" erlassen hat l69 . Es ist naheliegend, daß hier Wettbewerbsverzerrungen zu befürchten sind. Diese Befürchtungen können jedoch zerstreut werden. Denn es ist zu erwarten, daß der "Wettbewerb der Rechtsordnungen" zu Anpassungsreaktionen der Rechtsordnungen in den Mitgliedstaaten führen wird 170. Das Konzept der Marktöffnung und die durch die Grundfreiheiten verbürgten Rechte, sich grenzüberschreitend niederzulassen und Dienstleistungen anbieten zu dürfen, werden einen mittelbaren Druck zur Liberalisierung auslösen 171. Denn die Mitgliedstaaten sind im Hinblick auf den verbleibenden Umsetzungsspielraum faktisch zur wechselseitigen Beobachtung und zum Entgegenkommen gezwungen 172.
166 Näher zu den Grenzen nationaler Rechtssetzung im Bereich des Bankaufsichtsrechts Grundmann, S. \0 ff.; Hammen, EuZW 1996,460 ff. 167 So grundsätzlich Art. 6 Abs. I EGY. 168 Zur Problematik siehe U.-H. Schneider, Bankrechtstag 1993,3 (16 f.). Näher dazu unten 2.Teil B. I. 3. a). bb) (2) (b). 169 Siehe etwa Art. 21 Abs. 5 der 2. Bank-RL, Art. 28 der 3. Schaden- und 3. Leben-RL; Art. 17 Abs. 4 der WDRL. Eine nähere Definition des Begriffs "Rechtsvorschriften des AIIgemeininteresses" bleiben die Richtlinien schuldig. Hier besteht noch Klärungsbedarf durch den EuGH. Vgl. dazu z. B. für den Bereich des Versicherungsrechts Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 97; Präve, VW 1992, 8 (8 ff.); im Bereich des Bankenrechts HeIlenthaI, Bankenaufsichtsrecht, S. 78 f. 170 Für den Banksektor siehe U.-H. Schneider, Bankrechtstag 1993, 3 (16 f.); dens., FS Heinsius, 1991,733 (744 f.). 171 Vgl. Horn, ZBB 1989, \07 (112); Nicolaysen, GS Grabitz, S. 469 (476); Ressl Ukrow, in: Grabitz I Hilf, Art. 73 b Rn. 39 (Stand: Okt. 1995). 172 Langer, ZG 1993, 193 (\99).
46
I. Teil: Ausgangspunkte
VI. Stärkung der Aufsicht über Finanzgruppen Nach dem "Drei-Säulen-Prinzip" unterfallen die einzelnen Unternehmen größerer Finanzgruppen entweder der Aufsicht über die Kreditinstitute, der Versicherungsaufsicht oder der Aufsicht über die Wertpapierhäuser. Beteiligungen von Banken an anderen Finanzinstituten bzw. Nichtbanken, die Beteiligungen von Versicherungen an sonstigen Finanzinstituen und die Errichtung von Finanzkonglomeraten werden vom Gemeinschaftsrecht nicht grundsätzlich untersagt 173. Vielmehr bleibt es dem nationalen Gesetzgeber im Rahmen der Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote nach Maßgabe des EG-Vertrags überlassen, die Beteiligungsdichte zu regeln. Andererseits sollen EG-Richtlinien den spezifischen Gefahren von Finanzgruppen, die im Zusammenhang des BCCI-Zusammenbruchs sichtbar geworden sind l74 , begegnen. Die BCCI-Richtlinie statuiert demgemäß die Pflicht zur Offenlegung der Gruppen- und Konzernstrukturen; auch Wirtschaftsprüfer werden dazu verpflichtet, Unregelmäßigkeiten bei einem Finanzinstitut zu melden. Ebenso sind bei den Überlegungen zur Beaufsichtigung der Finanzkonglomerate alle Finanzinstitute im Visier. Allerdings sollen die Lösungsansätze (Vermeidung der Mehrfachbelegung von Eigenkapital, Offenlegung von Gruppenstrukturen, Vermeidung der "Ansteckungsgefahr", Möglichkeit der Konsolidierung) nicht zu einer Verschmelzung der Aufsichtsbranchen führen, sondern lediglich zu einer wesentlichen Intensivierung des Informationsflusses zwischen Mitgliedstaatsbehörden. Diese Zusammenarbeit soll sich aber nicht einbahnig allein zwischen den branchenspezifischen Aufsichtsbehörden vollziehen. Sie erfolgt vielmehr zwischen allen Aufsichtsebenen des Finanzmarktes. Sofern an der Spitze einer Finanzgruppe ein Kreditinstitut steht oder das Mutternehmen eine Finanz-Holdinggesellschaft ist, werden diese Kreditinstitute grundsätzlich einer Beaufsichtigung auf der Basis von konsolidierten Zahlen unterstellt (2. Bankenkonsolidierungsrichtlinie). Gern. Art. 5 der Richtlinie ist regelmäßig eine Vollkonsolidierung der Kredit- und Finanzinstitute vorgesehen, die Tochterunternehmen des Mutterunternehmens sind, sowie generell die anteilsmäßige Konsolidierung der Beteiligungen, die an Kredit- und Finanzinstituten gehalten werden, weIche von einem Unternehmen, das in die Konsolidierung einbezogen ist, gemeinsam mit nicht in die Konsolidierung einbezogenen Unternehmen geleitet werden, wenn sich daraus eine beschränkte Haftung der betreffenden Unternehmen nach Maßgabe ihres Kapitalanteils ergibt. Zur Erleichterung der Durchführung dieser Vorschrift sieht die Richtlinie vor, daß die rechtlichen Hindernisse, die den für die Beaufsichtigung zweckdienlichen Informationsaustausch zwischen den in die 173 Es bestehen im Falle der Beteiligungen z.T. Mitteilungspflichten sowie Grenzvorschriften, vgl. z. B. Art. 11,12 der 2. Bank-RL. 174 Die einst siebtgrößte Bank of Comrnerce and Credit International war Bankrott gegangen.
D. Grundprinzipien und Stand des EG-Aufsichtsrechts
47
Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis einbezogenen Unternehmen und ihren Tochterunternehmen verwehren, beseitigt werden und daß die beteiligten Aufsichtsbehörden Informationen austauschen können 175. Eine Konsolidierungsrichtlinie, die den Fall erfaßt, das ein Versicherungsunternehmen an der Spitze einer Finanzgruppe steht, existiert dagegen nicht. Es liegt allerdings ein Vorschlag für eine Richtlinie über die zusätzliche Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen einer Versicherungsgruppe vor l76 . Erst im Anschluß an den Erlaß einer Richtlinie für Versicherungsgruppen soll eine koordinierte Regelung auch für Finanzkonglomerate erarbeitet werden 177.
VII. Prinzip der Gegenseitigkeit (Reziprozitätsprinzip ) Richtschnur für die Behandlung von Finanzinstituten aus Drittländern, d. h. aus Ländern außerhalb der EG, ist das Prinzip der Gegenseitigkeit (Reziprozitätsprinzip) 178. Danach wird den Finanzinstituten aus einem Drittland der Zugang zum Binnenmarkt nur dann gewährt, wenn in diesem Drittland den Finanzinstituten aus der EG, und zwar aus allen EG-Mitgliedstaaten, die gleichen Betätigungsmöglichkeiten eingeräumt werden l79 . Den Finanzinstituten aus den EG-Ländern gleichgestellt sind die Unternehmen aus den Mitgliedstaaten des Europäischen Währungsraums (EWR). Auch Völkerrechtsabkommen (etwa das "General Agreement on Trade in Services" - GATS) sind zu beachten 180. Grundsätzlich gilt in diesem Bereich weiterhin die Gastlandkontrolle (oder Tatigkeitslandprinzip), d. h. die Zweigniederlassung eines Finanzinstituts mit Sitz außerhalb der EG wird im Inland als selbständiges Unternehmen behandelt. Dies hat zur Folge, daß ein Unternehmen, das in mehreren Ländern tätig werden will, grundsätzlich in jedem Land eine Zulassung erhalten muß.
175 Siehe zu den (schon aus der 1. Konsolidierungsrichtlinie 83/3501 EWG, ABI. L 1931 18, erwachsenen) kollisions- und völkerrechtlichen Fragen Mülbert, AG 1986, I ff.; SchmidtBurgk, S. 86 ff. 176 KOM (95), 406 endg.; dazu Müller, ZfV 1997, 435 (436 f.); Van den Berghe, ZVersWiss 1997,251 ff. 177 Müller, ZfV 1997,435 (437). 178 Dazu Dakolias, LIEI 199112,69 ff.; Dolzer, in: Hilf 1Tomuschat, S. 111 (118 ff.); Nettesheim, in: Grabitz/v.Bogdandy I Nettesheim, S. 471 f. 179 So etwa Art. 9 der 2. Bank-RL, Art. 23 der 1. Schaden-RL und Art. 27 der 1. Leben-
RL.) 180 Näher dazu im Bereich des Versicherungsrechts Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 515 ff.; Schmidt/Huppenbauer, VersR 1997, 1037 ff.; im Bereich des Bankenrechts Horn, ZBB 1989,107 (111).
2. Teil
Grenzüberschreitende Aufsichtsakte im System der Herkunftslandkontrolle A. Die Instrumente der grenzüberschreitenden Finanzmarktaufsicht in der EG Dem Aufsichtssystem der EG kommt eine ganz "neue Qualität" zu 1• Dieser Aspekt erschließt sich, wenn man sich die Probleme der internationalen Aufsicht vor Augen führt. Diese resultieren in erster Linie daraus, daß die nationalen Aufsichtsgesetze und die zu deren Vollzug zuständigen Behörden wortwörtlich an Grenzen gestoßen sind. Koordinierungsbemühungen auf globaler Ebene scheitern häufig, da die Staaten selten gewillt sind, die mit internationalen Kompetenzverteilungen verbundenen Relativierungen einzel staatlicher Alleinverantwortung hinzunehmen. Angesichts der zunehmenden Internationalisierung der Finanzmärkte und der Organisationsformen der Unternehmen können sich die Staaten indes einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nicht mehr verschließen. Im Rahmen der EG ist dieser Entwicklung Rechnung getragen worden. Neben der Harmonisierung aufsichtsgesetzlicher Standards ist eine strikte Verteilung der Aufsichtskompetenzen vorgenommen worden, die der Idee eines isolierten, keiner Fremdbestimmung unterliegenden Staates den Boden entzieht. Den Behörden sind Instrumente zur Hand gegeben worden, deren Anwendung zu einer horizontalen Verknüpfung von Verwaltungsstrukturen führt. Dazu gehört zunächst das einheitliche Zulassungsverfahren ("single-licence"), nach dem eine von einem ausländischen EG-Mitgliedstaat erteilte Erlaubnis in jedem anderen Mitgliedstaat beachtet werden muß. Bereits insoweit wird eine räumliche Begrenzung nationaler Hoheitsakte überwunden. Ein weiteres Instrument ist die den Behörden eingeräumte Befugnis, ausländische Zweigstellen eines ihrer Kontrolle unterliegenden Instituts an Ort und Stelle zu überprüfen. Schließlich sehen sich die mitgliedstaatlichen Verwaltungen einer Pflicht zu einer ungewohnt engen, grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere Amts- und Vollstreckungshilfe, gegenüber. Alle diese Instrumente, die sich aus der Ratio des Systems der Herkunftslandkontrolle ergeben, werfen im Hinblick auf die damit einhergehende "Ent-Territo1
Clarotti, RevCM 1989,453 (459) spricht von einem "caractere revolutionnaire".
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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rialisierung,,2 des Rechts grundlegende Probleme des V6lker-, des Europäischen Gemeinschafts- und des Verfassungsrechts auf. Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht bildet sich hier ein spezifisches Gemeinschaftsrecht heraus, das horizontal verlaufende Handlungsstrukturen zwischen den Mitgliedstaaten betrifft. Rechtsprechung und Literatur haben sich bisher fast nur damit beschäftigt, die durch das Gemeinschaftsrecht determinierten vertikalen Einwirkungen auf die mitgliedstaatlichen Verwaltungen zu untersuchen. Dagegen hat man sich hier mit einer horizontalen "Vernetzung unterschiedlicher und unterschiedlich bleibender mitgliedstaatlicher Rechte,,3 auseinanderzusetzen. Diese grenzüberschreitenden Verwaltungsstrukturen bedürfen einer systematischen Erschließung im Hinblick auf ihre dogmatische Konstruktion, Wirkungen und Verfahrensauswirkungen. Im einzelnen sollen die drei Instrumente (single-licence, Prüfungsrechte, Zusammenarbeit) rechtlich eingeordnet und im Hinblick auf ihre Wirkungen an gemeinschafts-, völker- sowie verfassungsrechtlichen Maßstäben gemessen werden.
B. Die rechtliche Einordnung und Beurteilung der grenzüberschreitenden Aufsichtsinstrumente ("single-licence", Prüfungsrechte, Zusammenarbeit) J. ,,single-licence" Die Richtlinien zum Finanzmarktaufsichtsrecht sehen ein einheitliches Zu lassungsverfahren vor. Danach soll die in einem Mitgliedstaat erteilte Erlaubnis zum Betrieb von Banken-, Versicherungs- oder Wertpapiergeschäften für alle EG-Mitgliedstaaten gelten ("single-licence,,)4. Ein Unternehmen i.S. der Richtlinien darf dann auch ohne zusätzliche Erlaubnis Zweigniederlassungen 5 im Aufnahmestaat errichten und grenzüberschreitend Dienstleistungen in jedem anderen Mitgliedstaat erbringen. Die EG-weite Wirkung der von den zuständigen Behörden erteilten Zulassungsakte steht im diametralen Gegensatz zu Grundsätzen des Völker- und des Verfassungsrechts, wonach die Geltung von nationalen Hoheitsakten grundsätzlich auf das eigene Hoheitsgebiet beschränkt ist. Es gilt im folgenden zu untersuchen, wie sich das von der EG eingeführte "single-licence"-Prinzip mit den Anforderungen des Völker-, des Europäischen Gemeinschafts- und des Verfassungsrechts vereinSo Schmidt-Aßmann, OVBI. 1993,924 (936). Scheuing, Innovationen, S. 338. 4 Art. 18 der 2. Bank-RL 89/646/EWG, Art. 5 der 3. Schaden-RL, Art. 4 der 3. LebenRL, Art. 13 der WORL. 5 Unter den bestimmten Voraussetzungen unterfallen Tochtergesellschaften ebenfalls dem single-licence-Prinzip (vgl. etwa Art. 18 Abs. 2 der 2. Bank-RL 89/646/EWG). 2
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4 Royl.
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
baren läßt (3.) Dazu bedarf es zunächst einer genauen Klärung der Wirkungsweise und der Auswirkungen der "single-licence" (1.). Anschließend soll der Geltungsgrund der "single-licence" herausgearbeitet werden (2.).
1. Die grenzüberschreitende Wirkung der "single-licence" a) Die EG-weite Wirkung
Den Unternehmen i. S. d. Richtlinien wird, wenn sie den mitgliedstaatlichen Anforderungen des Sitzlandes genügen, eine Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb erteilt. Diese Maßnahme stellt zumeist eine Art Verwaltungsakt dar. Die Richtlinien bestimmen, daß diesen Verwaltungsakten in der gesamten Gemeinschaft Geltung zukommt6 . Insoweit kommt den mitgliedstaatlichen Entscheidungen transnationale Wirkung 7 zu, d. h. die Zulassung gilt nicht nur im Staatsgebiet des zuständigen Sitzlandes, sondern erstreckt sich auf das gesamte Gemeinschaftsgebiet. So formuliert etwa Art. 5 Abs. 1 der Dritten Schadensrichtlinie: ,,Die Zulassung gilt für die gesamte Gemeinschaft." Art. 4 ergänzt: "Die Zulassung muß bei den Behörden des Herkunftsmitgliedstaats beantragt werden." Auch Art. 18 Abs. 1 der Zweiten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie statuiert in unmißverständlicher Weise, daß "die Tätigkeiten (im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates) von jedem Kreditinstitut ausgeübt werden können, das durch die zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaates gemäß dieser Richtlinie zugelassen ist ( ... )." Auch aus den Erwägungsgründen zur Wertpapierdienstleistungsrichtlinie wird deutlich, daß "die Erteilung einer einzigen Zulassung" für das EG-weite Tätigwerden einer Wertpapierfirma genügt8 . Die Bedeutung der "single-licence" wird jedoch etwas abgeschwächt. Es folgt dem Zulassungsverfahren nämlich ein weiteres Verfahren, das eigens für die Errichtung einer Zweigniederlassung oder die Aufnahme des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs gilt. Für die Gründung einer Zweigniederlassung besteht eine Unterrichtungspflicht des inländischen Unternehmens unter Einreichung bestimmter Unterlagen gegenüber der zuständigen Herkunftslandbehörde9 . Diese prüft binnen drei Monaten die von den Richtlinien gestellten Anforderungen, wie z. B. die Angemessenheit der Verwaltungs struktur und die Finanzlage des Unternehmens, die Zuverlässigkeit und Qualifikation der Führungskräfte für die Tätig6 Art. 18 der 2. Bank-RL, Art. 5 der 3. Schaden-RL, Art. 4 der 3. Leben-RL, Art. 13 der WDRL. 7 Der Begriff wurde in diesem Zusammenhang erstmals von Schmidt-Aßmann, DYBI. 1993,924 (935) verwendet. 8 3. Erwägungsgrund. 9 Art. 10 Abs. 1 der 1. Schaden-RL und der 1. Leben-RL i.d.F des Art. 32 der 3. SchadenRL und 3. Leben-RL; Art. 17 der WDRL; Art. 19 der 2. Bank-RL.
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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keit, ehe sie den Aufnahmemitgliedstaat unterrichtet 10. Wird diese Unterrichtung verweigert, kann das Unternehmen dagegen Rechtsmittel einlegen 11. Im Falle der Weitergabe hat das betreffende Aufnahmeland noch eine Frist von zwei Monaten zur Verfügung, um die Bedingungen anzugeben, die für die Ausübung der beabsichtigten Tätigkeit in diesem Land aus Gründen des Allgemeininteresses 12 gelten l3 . Für die Aufnahme von Dienstleistungstätigkeiten gelten weniger Voraussetzungen l4 . Das Verfahren ist aber im Grundsatz das gleiche wie bei der Errichtung von Zweigniederlassungen. Die Weiterleitung der Angaben ist in beiden Fällen Voraussetzung für die Aufnahme der Tätigkeit im Aufnahme- bzw. Bestimmungsland. Das Unternehmen kann jedoch seine Tätigkeit schon dann aufnehmen, sobald es über die Mitteilung an die Aufnahme- bzw. Bestimmungslandbehörde unterrichtet worden ist bzw. die Frist verstrichen ist l5 . Entscheidungsbefugnisse stehen der Aufnahme- bzw. Bestimmungslandbehörde zu keinem Zeitpunkt zu. Dem zusätzlichen Kontrollverfahren, das im Verhältnis zur generellen Zulassung eine Art Unterzulassung darstellt, kommt daher ebenso unmittelbar grenzüberschreitende Wirkung zu. Aus der Sicht des Aufnahme- bzw. Bestimmungslandes ist letztlich entscheidend, daß es einem Unternehmen, das eine Zweigniederlassung errichten oder dort grenzüberschreitend Dienstleistungen anbieten will, das Fehlen einer eigenen Zulassung nicht mehr entgegenhalten kann, wenn der zuständige Sitzlandmitgliedstaat die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb erteilt hat. Die Zulassung muß EG-weit von den anderen mitgliedstaatlichen Verwaltungsstellen beachtet werden. Die in dem Zulassungsakt zum Ausdruck kommende fremdländische Hoheitsgewalt wirkt also unmittelbar auf die inländische Verwaltungsrechtsordnung ein.
b) Die Einwirkung Jremdstaatlicher Hoheitsgewalt im Völkerrecht
Die Einwirkung fremdstaatlicher Hoheitsgewalt berührt die völkerrechtlichen Grundsätze der "Territorialität" und der "Einseitigkeit" des öffentlichen Rechts. Diese Grundsätze sind zwar schwach entwickelt. Um die rechtliche Wirkung der Dazu näher Miersch, S. 53 f. Art. 10 Abs. 3 UAbs. 3 der I. Schaden-RL und der I. Leben-RL Ld.F des Art. 32 der 3. Schaden-RL und 3. Leben-RL; Art. 17 Abs. 3 UAbs. 3 der WDRL; Art. 19 Abs. 3 UAbs. 3 der 2. Bank-RL. 12 Vgl. dazu I. Teil Fn. 169. 13 Art. 10 Abs. 4 der 1. Schaden-RL und der I. Leben-RL i.d.F des Art. 32 der 3. Schaden-RL und 3. Leben-RL; Art. 17 Abs. 4 der WDRL; Art. 19 Abs. 4 der 2. Bank-RL. 14 Siehe Art. 14 der I. Schaden-RL und Art. 11 der I. Leben-RL i.d.F des Art. 34 der 3. Schaden-RL und 3. Leben-RL; Art. 18 der WDRL; Art. 20 der 2. Bank-RL. IS Art. 16 Abs. 3 der I. Schaden-RL und Art. 14 Abs. 3 der I. Leben-RL i.d.F. des Art. 35 der 3. Schaden-RL und 3. Leben-RL; Art. 17 Abs. 5, Art. 18 Abs. 2 Satz 2 der WDRL; Art. 19 Abs. 5 und 20 der 2. Bank-RL. 10
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
"single-licence" verdeutlichen und bewerten zu können, sollen jedoch die hier relevanten Grundzüge skizziert werden. Anschließend gilt es, das Instrument in die sich daraus ergebenden völkerrechtlichen Kategorien einzuordnen. aa) Staatliche Hoheitsgewalt und "extraterritoriale" Hoheitsakte Die staatliche Hoheitsgewalt ist Ausdruck der Souveränität des Staates l6 . Grundlegender Bestandteil des Merkmals der Hoheitsgewalt ist die Gebietshoheit 17 . Die Gebietshoheit ist die Hoheit des Staates im Territorium und über das Territorium 18. Dort besitzt der Staat das Monopol des physischen Zwanges; der Staat hat die alleinige räumliche Zuständigkeit zur Vornahme von Zwangsakten l9 . Daneben tritt die Personal hoheit des Staates. Die Personalgewalt setzt ein besonderes Treueverhältnis zwischen Staat und Staatsbürger, wozu auch juristische Personen gehören, voraus. Sie besteht grundSätzlich auch dann, wenn sich die Personen im Ausland aufualten 2o . Aus der Hoheitsgewalt sämtlicher Staaten sind Kollisionen denkbar. Die Konfliktsituationen lassen sich grundsätzlich in zwei Fallgruppen unterscheiden: In der ersten Fallgruppe übt ein Staat Hoheitsgewalt auf fremden Territorium aus. Das Völkerrecht ordnet dieser Fallgruppe auch den Begriff "extraterritoriale Hoheitsausübung" ZU 21 • In der zweiten Fallgruppe kollidieren Hoheitsakte, die auf eigenem Staatgebiet erlassen worden sind, mit der Hoheitsgewalt des Staates, dessen Territorium in Bezug genommen wird. Völkerrechtlich hat sich hier der Begriff "extraterritoriale Wirkung von Hoheitsakten" eingebürgert22 . Unerheblich ist dabei, von welcher der drei klassischen Staatsgewalten die Hoheitsakte gesetzt sind 23 . Es kann aber noch weiter differenziert werden 24 . Wenn der Staat ein Vorkommnis im Ausland als Sachverhalt zur Grundlage eigener Tatbestände in hoheitlichen Regelungen in Bezug nimmt, kann man von einer "Auslandsanknüpfung" sprechen. Eine Anknüpfung ist extraterritorial, wenn sich Personen, Tatsachen oder Sachverhalte im Ausland befinden. Davon zu trennen ist die Variante, daß eine hoheitliche Regelung 16 Die Aufgliederung des völkerrechtlichen Gehalts der souveränen Gleichheit der Staaten im Hinblick auf mögliche Berührungen, Einwirkungen und Überlagerungen der staatlichen Hoheitsgewalten ist kaum noch überschaubar; eingehend dazu Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 29 ff. \7 Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 126 ff.; K. Ipsen, Völkerrecht, S. 249. \8 Meng, a. a. 0., S. 29 ff. \9 Meng, a. a. 0., S. 39; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich, S. 342 ff. 20 Meng, a. a. 0., S. 53 ff.; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rz. 1298 f. 2\ Vgl. Meng, a. a. 0., S. 116 ff.; Siegrist, Hoheitsakte, S. I ff. 22 Vgl. Meng, a. a. 0., S. 73 ff.; Schlochauer, Die extraterritoriale Wirkung, S. 10. 23 Vgl. auch Meesen, AöR 110 (1986),398 (4IH.); Meng, ZaöRV 1984,675 (726). 24 Dieser Differenzierung folgt Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 74 ff.
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unmittelbar regelnd auf Personen oder Rechtsverhältnisse in einem anderen Staat einwirkt. Der Regelungsgehalt des Hoheitsaktes soll eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht oder eine Berechtigung unmittelbar gegenüber dem durch den Tatbestand Betroffenen bewirken. In dieser Variante kann die "extraterritoriale" Wirkung des Hoheitsaktes als "Auslandsregelung" umschrieben werden 25 . In der ersten Fallgruppe, der "extraterritorialen Hoheitsausübung", ist die völkerrechtliche Regel anerkannt, daß kein Staat ohne seine Zustimmung die Vornahme von fremden Hoheitsakten auf seinem Gebiet dulden muß 26 . Der Internationale Gerichtshof hat dies in seiner Lotus-Entscheidung so formuliert 27 : "Die erste und wichtigste Einschränkung nun, die das internationale Recht dem Staat auferlegt, ist der Ausschluß seiner Macht auf dem Gebiet eines anderen Staates, sofern nicht eine Regel besteht, die dies erlaubt." Eine Regel, die, wie in der zweiten Fallgruppe, eine Anknüpfung von rechtlichen Regelungen mit Bezug auf ausländische Sachverhalt generell verbietet, existiert nicht 28 . Grenzen werden diesen "extraterritorialen" Hoheitsakten aber dann gesetzt, wenn sie den Tatbestand eines völkerrechtlichen Deliktes verletzt. Dazu gehört das völkerrechtliche Interventionsverbot 29 • Das Interventionsverbot ist Ausdruck souveräner Staatlichkeit. Niemand darf ohne Grund in einen fremden Staat hineinregieren. In welchem Fall die Y6lkerrechtswidrigkeit indiziert ist, beschäftigt das internationale Verwaitungsrecht 30 seit Jahrzehnten 31 . Im Grundsatz besteht das Gebot eines sachlich gerechtfertigten Anknüpfungspunktes für die Regelung des ausländischen Sachverhaltes 32 sowie einer Interessenabwägung mit den Belangen des jeweils tangierten Staaten 33 . Diese Aussagen gelten allerdings uneingeschränkt 25 Auslandanknüpfung und Auslandsregelung können jedoch auch zusammenkommen. Beispiele dazu bei Meng, a. a. 0., S. 75. 26 Geck, WVR I, S. 795 f.; K. Ipsen, Völkerrecht, S. 249; Verdross! Simma, Universelles Völkerrecht, § 456. 27 Series A, Nr. 10 (1927), S. 18 =StIGHE 5 (1927), 71 (90) 28 V gl. Rudolf, BDGRV 11 (1973), 7 (17 ff.); Schlochauer, Die extraterritoriale Wirkung, S.41. 29 Meng, ZaöRV 1984,675 (748). 30 Dazu allgemein G. Hoffmann, in: von Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, 7. Aufl. (1985), S. 851 ff.; Neumayer, Internationales Verwaltungsrecht, Bd. 4 (1936). 31 Letztlich können die völkerrechtlichen Grenzen allenfalls sachbereichsspezifisch oder gar nur im Einzelfall herausgearbeitet werden. Vgl. allgemein Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 298 ff. und 327 ff.; zum Kartellrecht ausführlich Meesen, Völkerrechtliche Grenzen des internationalen Kartellrechts (1975); vgl. auch Mozet, Internationale Zusammenarbeit der Kartellbehörden (1991); zum Steuerrecht ausführlich Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts (1993). 32 Dazu Meng, ZaöRV, 675 (752 ff.); vgl. auch Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses (1992). 33 Vgl. Happe, S. 57 ff.; ausführlich Veelken, Interessenabwägung im Wirtschaftskollisionsrecht (1988).
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
nur für den Fall der Auslandsanknüpfung. Im Fall der Auslandsregelung ist grundsätzlich von der Völkerrechtswidrigkeit auszugehen, solange keine Zustimmung des betroffenen Staates vOrliegt 34 . Im Fall der Zulassungserteilung wird eine Berechtigung zum Geschäftsbetrieb nicht für das eigene, sondern auch für die Territorien der anderen Mitgliedstaaten hoheitlich ausgesprochen. Es liegt also ein Fall der Auslandsregelung vor, die ohne Zustimmung des betroffenen Staates als völkerrechtswidrig anzusehen ist.
bb) Einwirkung fremdstaatlicher Hoheitsakte im Inland Nach dem Grundsatz der beschränkten Geltung "extraterritorialer" Hoheitsakte ist der von solchen Akten betroffene ausländische Staat völkerrechtlich nicht verpflichtet, die Wirkung der Hoheitsakte außerhalb bestehender Verträge zu dulden. Umgekehrt existiert keine allgemeine Regel des Völkerrechts, die diesem Staat die Anwendung fremden öffentlichen Rechts verbietet 35 . Er kann positiv durch Anerkennung, Rechtshilfe oder Anwendung des fremden Rechts reagieren 36 . ( J) Anwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts
Die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts widerspricht dem traditionellen Verständnis des internationalen Verwaltungsrechts 37 , das vor nicht allzu langer Zeit auch noch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zugrunde lag 38 . Hinter dem Grundsatz der Unanwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts stehen Überlegungen, die darauf gründen, daß jeder Staat nur auf seinem eigenen Territorium "Herr im Haus" ist 39 . Würde sich der Staat zum Büttel fremder Staatsinteressen machen, würde dies eine Verletzung seiner eigenen Souveränität bedeuten40 . Mit der neueren Auffassung ist jedoch der prinzipielle Ausschluß der Anwendung ausländischen öffentlichen Recht und dessen territoriale Begrenzung abzulehnen 41 • Sowohl aus völkerrechtlicher als auch kollisionsrechtlicher Sicht bleibt 34 V gl. Beitzke, WVR I. S. 504; Rauser. Übertragung von Hoheitsrechten, S. 115, der vom "Grundsatz der beschränkten Geltung" spricht, unter Verweis auf Bleckrnann, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 127. V gl. auch Bleckmann, Europarecht, Rn. 651; K. Ipsen, Völkerrecht, S. 250; Neumayer, Internationales Verwaltungsrecht IV, S. 174. 35 Meesen, AöR (110), 398 (411 f.); vgl. auch Rudolf, BDGVR II (1973),7 (37f.). 36 Vgl. Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 89 ff. 37 Vgl. Neumeyer, Internationales Verwaltungsrecht IV, S. 115 f., 169 ff. 38 BGHZ 31, 367 (371); 64, 183 (189); dazu Opperrnann I Kilian, S. 102 ff. 39 Herdegen, Internationales Wirschaftsrecht, S. 39. 40 Vgl. Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich, S. 202. 41 Vgl. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, S. 38 ff.; ausführlich Happe, S. 18 ff.
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es dem Staat unbenommen, nationale Hoheitsakte mit extraterritorialer Wirkung zu respektieren oder deren Wirkung anzuerkennen 42 . Ferner wird die inländische Souveränität deshalb nicht verletzt, weil die Anknüpfung an die ausländischen Hoheitsakte aufgrund eines eigenen, inländischen Hoheitsaktes erfolgt, den der betreffende Staat grundsätzlich in freier Entscheidung setzen kann43 . D.h. die Anwendung erfolgt nicht für eine fremde Hoheit her, sondern wird aus Anwendungsbefehlen des eigenen Rechts begründet. Das Problem der Anwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts stellt sich bei dem Institut der "single-licence" folglich nicht. (2) Das Instrument der Anerkennung
Eine besondere Form der Einwirkung ausländischen öffentlichen Rechts ist die Anerkennung. Anerkennung ist die Annahme einer durch fremdes Recht geschaffenen Rechtslage, als sei sie durch einen vergleichbaren eigenen Akt geschaffen worden44 • Die Anerkennung kann dazu dienen, sowohl eigene staatliche Interessen (etwa Vermeidung doppelter Sachverhaltsfeststellungen) als auch fremde Interessen (Anerkennung als Basis zur Vollstreckungshilfe gegenüber ausländischen Behörden) durchzusetzen 45 . Während bei der fremdnützigen Anerkennung die im Ausland geschaffene Rechtslage der weiteren Vollziehung durch inländische Organe zugrundegelegt wird, dient bei der eigennützigen Anerkennung der ausländische Hoheitsakt häufig als Basis für einen eigenen entsprechenden Hoheitsakt46 . Dies gilt z. B. für die Fälle der Anerkennung von Berufsund Studienabschlüssen. Die Wirkung der Anerkennung kann demnach unterschiedlich sein. Entscheidend ist, daß grundsätzlich der über das "ob" der Anerkennung entscheidende Staat die Wirkungen der Anerkennung im Inland festlegt47 • In der Regel hat die Anerkennung von fremden Verwaltungs akten zur Folge, daß ihnen innerstaatliche Verbindlichkeit i.S.e. Tatbestandswirkung zukommt. Es ermöglicht den Behörden und Gerichten die Subsumierbarkeit des fremden Verwaltungsaktes unter eine inländische Rechtsnorm48 . Die Anerkennung von fremdländischen Hoheitsakten geschieht häufig auf der Basis einer völkervertraglichen Regelung. Nur innerhalb solcher Verträge ist die 42 Vgl. Beyerlin, S. 241 f.; Meesen, AöR 110 (1985),398 (412); Schlochauer, Die extraterritoriale Wirkung, S. 55 f. 43 V gl. Schlochauer, Die extraterritoriale Wirkung, S. 55 f., 62. 44 Vgl. Bleckmann, JZ 1985, S. 1072 ff.; Geck, WVR I, S. 55; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 90 ff.; Schlochauer, Die extraterritoriale Wirkung, S. 55. 45 Vgl. Meng, a. a. 0., 91 ff. 46 Ebda. 47 Dies betont Happe, S. 63. 48 V gl. Happe, S. 64 ff.
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
Anerkennung von Hoheitsakten auch verpflichtend49 . Regelmäßig steht die Vornahme der Anerkennung unter dem Vorbehalt ihrer Übereinstimmung mit dem ordre public der staatlichen Rechtsordnung5o . Daher besteht strenggenommen auch im Rahmen von völkerrechtlichen Anerkennungspflichten auf der administrativen Ebene eine Ermessensebene. Steht der Anerkennung kein Vorbehalt des ordre public gegenüber, so ist von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen.
c) Die Anerkennung im Gemeinschaftsrecht aa) Das Anerkennungsprinzip Aus den Erwägungsgründen zu den Richtlinien im Bereich des Finanzmarktaufsichtsrechts ist zu entnehmen, daß dem Konzept der "single-licence" der "Grundsatz der (gegenseitigen) Anerkennung" zugrunde liegt51 . Der gemeinschaftsrechtli che Begriff der Anerkennung geht sicher auf das völkerrechtliche Instrument der Anerkennung zurück. Allerdings hat sich die Funktion und Bedeutung der Anerkennung im Zuge der fortschreitenden Integrationsentwicklung in der EG entwikkelt. Unter (gegenseitiger) Anerkennung i.w.S. versteht man die wechselseitige Bestätigung der Gleichwertigkeit von Rechtsvorschriften unabhängig von deren konkreten Inhalt52 . Die Anerkennung kann zum Inhalt haben, daß der materielle Inhalt von Vorschriften eines Mitgliedstaates und die dort getroffenen Maßnahmen zur Kontrolle ihrer ordnungsgemäßen Anwendung ohne weiteres als ebenso wirksam angesehen werden wie entsprechende nationale Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaates. Sie kann aber auch davon abhängig gemacht werden, daß zusätzliche Bedingungen erfüllt sind oder ein besonderes Anerkennungsverfahren durchgeführt worden ist53 . Das Modell der Anerkennung ist zu einem Prinzip erstarkt, das an verschiedenen Stellen das Gemeinschaftsrecht durchdringt. Im Bereich der Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten hat das sog. Anerkennungsprinzip als Regulativ im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung einen entscheidenden Anstoß erfahren 54 . Ferner hält das Primärrecht Verfahren zur gegenseitigen Anerkennung bereit (Art. 100 b Abs. 1 Satz 2 EGV), um die Vollendung des Binnenmarktes voranzubringen. Schließlich hat sich die Kommission im Anschluß an die Cassis-Rechtsprechung das Anerkennungsprinzip als "neue" Strategie auf die Fahnen geschrieben, um das BinnenVgl. Bleckmann, JZ 1985, 1072 (1074 ff.); Meng, a. a. 0., S. 94, 99. Vgl. Meng, a. a. 0., S. 99; Papier/Olschewski, DVBI. 1976,475 (477 f.). 51 Siehe etwa die ersten Erwägungsgründe zur WDRL oder den fünften Erwägungsgrund zur 3. Schaden-RL. 52 Kilian, Europäisches Wirtschaftsrecht, Rn. 352. 53 Vgl. NeßIer, S. 24 ff.; Scheuing, Innovation, S. 338 ff. 54 Grundlegend hierzu EuGH, Rs. 120/78, -Rewe/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein ("Cassis de Dijon")-, Sig. 1979,649 (662 ff.). 49
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marktziel vorrangig mit dem Mittel der Anerkennung anstelle der Totalharmonisierung zu erreichen 55 . Die Anwendung und Ausweitung des Verfahrens der Anerkennung entspricht nicht nur der Idee des Binnenmarktes, sondern auch dem an Bedeutung gewinnenden Subsidiaritätsprinzip56.
bb) Marktfreiheiten und Anerkennungspflicht Der EuGH hat aus den Grundfreiheiten und dem Diskriminierungsverbot eine Anerkennungspflicht entwickelt 57 . Die in der Rechtsprechung zu Warenverkehrsfreiheit zu Art. 30 EGV seit "Cassis" verwendete Formel, wonach eine Anwendung unterschiedlos geltender Vorschriften des Aufnahmestaates durch zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses zu rechtfertigen sei, sofern es sich um im Herkunftsstaat rechtmäßig produzierte und in Verkehr gebrachte Ware handele, wird als Ausfluß eines dem Gemeinsamen Markt zugrundeliegenden Herkunftslandprinzips 58 verstanden 59. Desgleichen ist für den Bereich der Dienstleistungsfreiheit anerkannt, daß das Bestimmungsland eigene Bestimmungen nicht auf die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen anwenden kann, soweit diesen Anliegen schon durch gleichwertige Anforderungen des Herkunftsmitgliedstaats Rechnung getragen worden ist60 . Ähnliche Schlußfolgerungen hat der EuGH auch aus den Vorschriften zur Niederlassungsfreiheit gezogen, die sich ohne weiteres auf die Freizügigkeitsregeln des EG-Vertrages übertragen lassen 61 . Zwar zielen die als Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot konzipierten Grundfreiheiten in erster Linie auf eine Marktöffnung62 , d. h. daß sie primär ungeSiehe Weißbuch der Kommission, KOM (85) 310 endg., Ziff. 61-79. Vgl. statt vieler von Danwitz, S. 410 ff.; Langer, ZG 1993, 193 (202 ff.). 57 Zu den Anerkennungspflichten im Bereich der Warenverkehrsfreiheit generell MüllerGraf, in: G IT IE, Art. 30 Rn. 186 ff. 58 Der Terminus "Herkunftslandprinzip" wird nicht einheitlich verwendet: Vom Herkunftsprinzip sprechen bsplw. Joerges, FS Steindorff, S. 1247 (1252); Roth, ZHR 159 (1995), 78 (85); Steindorff, ZHR 150 (1986),687 (692); vom Ursprungslandprinzip spricht z. B. Huber, Die Europäische Integration, S. 171. 59 Neben den vorher genannten Engel, DV 1992,443 (452); Kilian, Europäisches Wirtschaftsrecht, Rn. 353. Mißverständlich EuGH, Rs. C-233 194, -Bundesrepublik Deutschland 1 Europäisches Parlament (Einlagensicherungs-systeme)-, EuZW 1997, 436 (441) = EWS 1997,198 (202), siehe dazu unten 2. Teil Fn. 67. 60 Vgl. EuGH, verb. Rs. 110 und 111/78, -van Wesemael-, Sig. 1979,35 (53); Rs. C-2221 95, -Parodi-, WM 1997, 1697 (1699 f.); vgl. auch EuGH, Rs. 205/84, -Kommission 1 Bundesrepublik Deutschland-, Sig. 1986, 3755 (3802), wonach Kontrollen, die bereits im Herkunftsland stattgefunden haben, angemessen zu berücksichtigen sind. 61 Vgl. EuGH, Rs. C-340/89, -Vlassopoulou-, Sig. 1991-1, 2357 (2383 f.). Näher zur Rechtsprechung im Hinblick auf die Anerkennungspflichten im Bereich des Art. 52 EGV H. Schneider, Die Anerkennung von Diplomen in der EG, S. 44 ff. 62 Dies betont mit Recht Engel, DV 1992, 443 (452); vgl. auch Seidel, FS Steindorff, 1455 (1471). 55
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rechtfertigte Beschränkungen verbieten. Im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung kann damit aber gleichwohl eine faktische Anerkennungspflicht äquivalenter Prüfungen, Kontrollen oder Regelungen des Herkunftsstaates verbunden sein63 . Andererseits wird den Herkunftsmitgliedstaaten hierdurch keine Regelungsverantwortlichkeit i.S.e. ausschließlichen Herkunftslandskontrolle zugewiesen 64 . Mag auch die faktische Anerkennungspflicht die Regel sein. Es setzt ein staatliches Anerkennungsverfahren voraus, um die Anerkennungspflicht von Fall zu Fall festzustellen. Die Cassis-Rechtssprechung ist nicht dahingehend zu verstehen, daß den Mitgliedstaaten die Regelungsbefugnis gänzlich entzogen, sondern lediglich auf das unbedingt Notwendige beschränkt ist 65 • Die Verantwortung der nationalen Kontrolltätigkeit ist weder übertragen, noch sind supranationale Behörden tätig geworden. Die Transnationalität der Hoheitsakte steht somit unter Prüfungsvorbehalt66 .
d) .. Single-licence" und das System der Herkunftslandkontrolle
Erst durch das sekundäre Gemeinschaftsrecht kann der Schritt vom Herkunftslandprinzip zur kompetenzrechtlichen Herkunftslandkontrolle vollzogen werden 67 . Mit der Festlegung der Zuständigkeit des Sitzstaates für die Beaufsichtigung "seiner" Unternehmen wird diesem eine exklusive Regelungsverantwortlichkeit innerhalb der Binnenmarktgrenzen zugewiesen 68 . Im System der Herkunftslandkontrolle ist daher allein die Zulassungsentscheidung des Herkunftsmitgliedstaats von Bedeutung. Die sekundärrechtlichen Regelungen zum Finanzmarktaufsichtsrecht führen mit der "single-licence" eine Regelungstechnik ein, bei der nicht nur einzelne Determinanten einer Entscheidung eines bestimmten Mitgliedstaates von den anderen Mitgliedstaaten übernommen werden, sondern die Zulassungsmaßnahme überhaupt. Dies bedeutet, daß nicht nur bereits erfolgte Zulassungen zu beachten sind, sondern 63 Roth, ZHR 159 (1995), 78 (89); ders., in: Dauses, E. I Rn. 121; Seidel, FS Steindorff, S. 1455 (1471); Steindorff, FS Lorenz, S. 561 (569). 64 Seidel, FS Steindorff, S. 1455 (1471); Steindorff, FS Lorenz, S. 561 (569). 65 Vgl. Happe, S. 137 ff.; Seidel, FS Steindorff, S. 1455 (1471). 66 In diesem Sinne nun EuGH, Rs. C-222/95, -Parodi-, WM 1997 1697 (1699): ,,Es steht fest, daß eine ( ... ) gegenseitige Anerkennung (der Zulassung) erst durch das Inkrafttreten der Zweiten Richtlinie 89/646/EWG ( ... ) möglich geworden ist". Siehe auch Schmidt-Aßmann, EuR 1996, 270 (301). 67 So ist wohl auch der EuGH, Rs. C-233/94, -Bundesrepublik Deutschland/Europäisches Parlament (Einlagensicherungssystem)-, EuZW 1997,436 (441) = EWS 1997, 198 (202) zu verstehen: Bei dem vom Gemeinschaftsgesetzgeber im Bankrecht aufgestellten Prinzip der Herkunftslandkontrolle handele "es sich nicht um ein vertraglich verankertes Prinzip". 68 Dies gilt in erster Linie für die Erlaubniserteilung zum Geschäftsbetrieb und größtenteils auch für die laufende Aufsicht. Bei letzterer verbleiben jedoch Residualkompetenzen bei den Gaststaaten.
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von vornherein alle zukünftigen Zulassungen gelten und zu berücksichtigen sind 69 . Damit entziehen die Richtlinien bzw. der nationale Umsetzungsakt den Behörden und Gerichten die Grundlage für eine Anerkennung 7o . Sie nehmen die Anerkennung vorweg; die Verwaltung und Gerichtsbarkeit sind unmittelbar an die VerwaItungsentscheidungen der anderen Herkunftsmitgliedstaaten gebunden 71. Die Wirkungserstreckung bzw. Anerkennung erfolgt ex lege (..echte Transnationalität"n). Erst recht ist es den Behörden versagt, eine eigene Zulassung auf Basis der vom zuständigen Sitzland erteilten Erlaubnis auszusprechen. Eine eigene Zulassungsentscheidung wäre nicht nur rein deklaratorischer Natur, sondern widerspräche der von den Richtlinien geschaffenen Zuständigkeitsordnung der Herkunftslandkontrolle. Wenn daher die Richtlinien anordnen, daß die Zulassungen EG-weit zu gelten haben, ist damit gemeint, daß den Akten, ohne zwischengeschaltetes Anerkennungsverfahren, unmittelbare, grenzüberschreitende Wirkung zukommen soll.
e) Die Rechtsnaturder "single-licence" und ihre Folgen Aus der Sicht der übrigen Mitgliedstaaten stellt die Zulassungentscheidung einen fremdländischen Hoheitsakt dar. Errichtet etwa ein spanisches Unternehmen, das eine Zulassung von der zuständigen Aufsichtsbehörde in Spanien erhalten hat, eine Zweigniederlassung in der Bundesrepublik Deutschland, und möchte sich ein deutsches Konkurrenzunternehmen dagegen wenden, steht allein der spanische Hoheitsakt als möglicher Anfechtungsgegenstand im Raum. Akte deutscher Behörden oder anderer Organe, etwa eine administrative Anerkennung oder eine eigene Zulassung, ergehen hier nicht. Dies hat Auswirkungen auf den Rechtsweg und auf die Befugnis für den Entzug und Beurteilung der Zulassung.
aa) Keine Bindung an die übrigen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen Die ..single-licence" wird von der Herkunftslandbehörde erteilt. Dabei kommt der Hoheitsakt allein unter dem Einfluß der Rechtsordnung zustande, unter deren Regime er erlassen worden ise 3 . Jede Rechtsordnung ist, soweit sie die Voraussetzungen für ihre eigenständige Geltung und Wirksamkeit erfüllt, autonom in ihrer Entscheidung über das Schicksal ihrer Hoheitsakte 74 . Maßgebliche Rechtsordnung Vgl. Troberg, in: G/T/E, Art. 57 Rn. 15. Wenn teilweise von "automatischer" Anerkennung gesprochen wird, kann damit nur gemeint sein, daß auf administrativer oder gerichtlicher Ebene die Anwendung des ausländischen Aktes ohne Anerkennungsverfahren erfolgt. Vgl. etwa Schwarze, Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, S. 123 (136). 71 V gl. Neßler, S. 22; Schmidt-Aßmann, DVBI. 1993,924 (935). 72 So Schmidt-Aßmann, der davon die Fallgruppen der .. vermittelten Transnationalität" und ..Transnationalität unter Prüfungsvorbehalt" trennt, EuR 1996,277 (301). 73 Rauser, Übertragung von Hoheitsrechten, S. 217 f. Vgl. auch Bleckmann, Staatsrecht 11, S. 53 f.; Stern, Staatsrecht III 11, S. 1228, 1244 f. 69
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
für die Rechtmäßigkeit des Zulassungsakts ist demnach allein die Rechtsordnung des Herkunftsmitgliedstaats. Die Zuordnung des Hoheitsaktes zur Rechtsordnung des Heimatstaats ändert sich nicht dadurch, daß die Zulassung nicht nur einze1staatliche Bedeutung hat und in die anderen EG-Mitgliedstaaten hineinwirkt. Zum einen sind die anderen Mitgliedstaaten nicht mehr für das Zulassungsverfahren zuständig. Zum anderen würde ein Zulassungsakt, der sich an fünfzehn verschiedenen Rechtsordnungen in der EG messen lassen müßte, der Konzeption der "single-licence" widersprechen 75 . Dementsprechend ermächtigen die Richtlinien allein die zuständigen Behörden des Herkunftsmitglidstaats, die Zulassung zu widerrufen bzw. zurückzunehmen 76. Art. 3 Abs. 7 f.) der Wertpapierrichtlinie vom 10. Mai 1993 räumt die Befugnis ein, die Zulassung u. a. dann zu entziehen, wenn "ein ( ... ) in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehener Fall für den Entzug vorliegt." Rechtmäßigkeitsmaßstab der "single-licence" ist nach alledem allein die Rechtsordnung des Herkunftsmitgliedstaats. bb) Keine Prüfungs- oder Aufhebungsbefugnis der übrigen mitgliedstaatlichen Gerichte Logische Konsequenz dieser fehlenden Bindung an die Rechtsordnung der betreffenden Mitgliedstaaten ist, daß zur Überprüfung allein die zuständigen Behörden und Gerichte desjenigen Mitgliedstaats befugt sind, in dem die Zulassungen erteilt worden ist77. Bestünde in jedem Mitgliedstaat, in dem sich der Akt auswirkt, eine Prüfungs- und Aufhebungsbefugnis der mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichte, hätte dies zur Folge, daß je nach Maßstab der Rechtsordnung, die Rechtmäßigkeit der Zulassung unterschiedlich beurteilt würde. Die einheitliche Geltung der "single-licence" verlöre ihre Wirkung. Demnach ist davon auszugehen, daß es den Behörden und Gerichten der Gast- bzw. Aufnahmemitgliedstaaten verwehrt ist, die Rechtmäßigkeit der Zulassungsakte zu überprüfen. Diese Auslegung entspricht auch allgemeinen Regeln des Völkerrechts. Zu einem der elementaren völkerrechtlichen Grundsätze gehört der Grundsatz der Staatenimmunität. Danach darf kein Staat die Tätigkeit eines anderen Staates seiner Rechtsprechungsgewalt unterwerfen 78. Vgl. BVerfGE 58, I (26) - Eurocontrol I. Neßler, NVwZ 1995,863 (865). 76 V gl. etwa Art. 3 Abs. 7 der WDRL. 77 Neßler, S. 3; ders., NVwZ 1995, 863 (865); vgl. auch Groß, JZ 1994, 596 (602 f.); Schmidt-Aßmann, FS Bernhardt, S. 1283 (1302 f.), der jedoch eine Entwicklung eines Systems anmahnt, daß speziell auf den transnationalen Rechtsschutz zugeschnitten ist. 78 K. Ipsen, Völkerrecht, S. 339; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 IV Rn. 47 (Stand: Jan. 1985); ders., FS Bernhardt, S. 1283 (1302); Steinberger, EPIL IO (1987), 428 ff.; Verdross I Simma, Universelles Völkerrecht, § 1168. 74
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B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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In den Richtlinien wird grundsätzlich von der alleinigen Kompetenz der zuständigen Herkunftsmitgliedstaaten ausgegangen, ihre eigenen Entscheidungen wieder aufzuheben. Hinsichtlich der justiziellen Prüfungs- bzw. Aufhebungbefugnisse treffen die Richtlinien zumeist keine Regelung. Eine ausschließliche Zuweisung an die Gerichte der Herkunftsmitgliedstaaten wird nicht statuiert. Allenfalls wird auf die Pflicht der Mitgliedstaaten hingewiesen, gegenüber ihren eigenen Akten den Rechtsweg zu eröffnen 79. So fordert z. B. Art. 26 der Wertpapier-Richtlinie die Mitgliedstaaten auf, daß "gegen Entscheidungen, die gegenüber einer Wertpapierfirma in Anwendung der gemäß dieser Richtlinie erlassenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften getroffen werden, Rechtsmittel eingelegt werden können. Dies gilt auch für den Fall, daß über einen Zulassungsantrag ( ... ) nicht binnen sechs Monaten nach seinem Eingang entschieden wird." Fehlt eine ausdrückliche Regelung in den Richtlinien hinsichtlich der Rechtsschutzmöglichkeit gegenüber den Zulassungsakten der Herkunftsmitgliedstaaten in den Gast- bzw. Bestimmungsmitgliedstaaten, ist davon auszugehen, daß von der völkerrechtlichen Regel, nach der die Überprüfung der Zulassungsakte allein durch die Gerichte des Herkunftsstaates zu erfolgen hat, nicht abgewichen werden soll. Dies entspricht der Logik des Systems der Herkunftslandkontrolle. Eine andere Auslegung ergibt sich auch nicht aus den den Gast- bzw. Bestimmungsmitgliedstaaten verbleibenden Residualkompetenzen. In bestimmten Gefahren- bzw. Notstandslagen sind diese berechtigt, Abwehrmaßnahmen zu ergreifen, wenn die Unternehmen von den für sie im Gast- bzw. Bestimmungsmitgliedstaat geltenden Rechtsvorschriften abweichen 8o . Soweit erforderlich, kann die weitere Ausübung der Tätigkeit verboten werden. Die Gast- bzw. Bestimmungsmitgliedstaaten erhalten durch diese "Gefahrenvorbehalte"Sl, die als Ausprägung des Art. 36 EGV verstanden werden können, jedoch nicht die Befugnis, unmittelbar die Zulassungsakte aufzuheben. Sie nehmen diesen lediglich zeitweise die Wirkung für ihr eigenes Hoheitsgebiet 82 . Gegen diese Akte, die allein nach Maßgabe des Rechtsregimes des tätigen Staates erlassen werden, ist gemäß den Richtlinien ausdrücklich der Rechtsweg vor den Gerichten des Gast- bzw. Bestimmungsmitgliedstaats zu eröffnen 83 . Die alleinige Kompetenz zur Aufhebung des Zulassungsaktes mit transnationalem Geltungsanspruch verbleibt jedoch bei den zuständigen Herkunftsmitgliedstaaten. Bsplw. Art. 50 der 3. Leben-RL; Art. 56 der 3. Schaden-RL Art. 40 Abs. 4 der 3. Schaden-RL bzw. Leben-RL; Art. 21 Abs. 4 der 2. Bank-RL; Art. 19 Abs. 5 der WDRL. 81 Vgl. dazu allgemein auch Schweitzer I Hummer, Europarecht, Rn. 1011 ff.; ferner Neßler, S. 33 f., 40 ff.; Schmidt-Aßmann, EuR 1996,270 (300 f.). 82 Vgl. z. B. Art. 19 Abs. 5 der WDRL, der die Vntersagungsbefugnis ausdrücklich auf das eigene Hoheitsgebiet beschränkt. 83 Siehe Art. 19 Abs. 3 VA. 3 S. 2 und Art. 21 Abs.6 S. 2 der 2. Bank-RL; Art. 17 Abs. 3 VA. 3 S. 2, Art. 19 Abs. 7 der WDRL; Art. 16 Abs. 2 S. I der 2. Schaden-RL i.d.F. des Art. 35 der 3. Schaden-RL. 79
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
cc) Kein supranationaler Akt Stellt sich die Zulassungsentscheidung als unüberprütbarer Akt einer autonomen, fremden Rechtsordnung dar, drängt sich ein Vergleich zu der Behandlung supranationaler Akte der Gemeinschaft auf. Die gemeinschaftsrechtlichen Akte sind nicht (unmittelbar) an die Verfassungen der Mitgliedstaaten gebunden; ebensowenig können sie von den nationalen Gerichten auf ihre Vereinbarkeit mit dem einzelstaatlichen Recht überprüft werden 84 . Indes ist zwischen den Akten der Gemeinschaft und den Akten eines Mitgliedstaates, die EG-weit gelten, zu unterscheiden. Es würde gegen das Prinzip der begrenzten Ermächtigung85 verstoßen, die "single-licence" den Akten der Gemeinschaftsorgane gleichzustellen. Denn aus dem Prinzip der begrenzten Ermächtigung, das seine Grundlage insbesondere in Art. 4 EGV und in dem durch den Maastrichter Vertrag eingefügten Art. 3 b Abs. 1 EGV und Art. E EUV findet, folgt eine inhaltliche und handlungsformbezogene Begrenzung der Gemeinschaft86 . Aus Art. 189 Abs. 1 EGVergibt sich zum einen, daß die Organe der EG, und auch nur diese, nur dort tätig werden dürfen, wo die Verträge die Verbandskompetenz der Gemeinschaft begründen, zum anderen, daß sie die jeweils vorgeschriebene Form des Rechtsaktes verwenden müssen. Die "single-licence" wird jedoch weder im Rahmen der Verbandskompetenz der Gemeinschaft erlassen, noch ist ein Akt einer nationalen Behörde im Katalog der zulässigen Gemeinschaftsrechtsakte enthalten. Kommt den Mitgliedstaaten daher schon keine (Gemeinschafts-)Organqualität zu, so kann der einzel staatliche Zu lassungsakt nicht als Gemeinschaftsakt mit supranationaler Wirkung qualifiziert werden, ohne daß eine zulässige Delegation an jene vorliegt. Die besondere Wirkung der "single-licence" mag somit zwar auf die Initiative des Gemeinschaftsrechts zurückzuführen sein, die Erteilung der "single-licence" bleibt jedoch Ausdruck einer originär nationalen HOheitsentscheidung87 . Aus der Sicht der Mitgliedstaaten, auf deren Territorium sich der Akt auswirkt, handelt es sich somit nicht um einen supranationalen, sondern um einen ausländischen Hoheitsakt nationaler Natur.
84 In diese Richtung vor allem EuGH, Rs. 6/64, -Costa-ENEL-, Sig. 1964, S. 1251 (1269 f.). Das BVerfG hat die Begründung seiner Zuständigkeit bisher davon abhängig gemacht, ob ein deutscher hoheitlicher Akt vorliegt, BVerfGE 37, 271 (283) - Solange I, bestätigt in BVerfGE 58, I (27) - Eurocontrol!. Auch wenn das BVerfG in seiner Maastricht-Entscheidung (E 89, 155) von seiner Rechtsprechung abgerückt ist und die Auffassung vertreten hat, daß der entscheide ne Punkt die Betroffenheit der Grundrechtsberechtigung in Deutschland sei, begründet dies grundsätzlich keine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte des Staates, in denen sich die Zulassung auswirkt, siehe unten 2. Teil B. !. 3. c) cc) (2). 85 Teilweise wird auch von einem Grundsatz oder Prinzip der begrenzten EinzeIermächtigung, enumerativen Einzelermächtigung oder begrenzten Handlungsermächtigungen gesprochen, vgl. die Nachweise bei Kraußer, Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung, S. 17. 86 Siehe näher Bleckmann, Europarecht, Rn. 380 ff.; H.P.Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 425 ff. 87 So auch Schmidt-Aßmann, DVBI. 1993, 924 (935 f.); ders., EuR 1996, 270 (273, 300 f.); vgl. auch Groß, JZ 1994, 596 ff.; Klein, Vereinheitlichung, S. 116 (140 f.).
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
63
dd) Keine personelle Legitimationsteilhabe Ist der Zulassungsakt allein Ausdruck der staatlichen Hoheitsgewalt, die den Akt erlassen hat, so stellt sich in den demokratisch verfaßten Mitgliedstaaten, auf deren Territorien sich der Akt auswirkt, die Frage nach der Legitimation. Das Demokratieprinzip verlangt im allgemeinen, daß im Ge1tungsbereich einer demokratisch verfaßten Rechtsordnung nur eine vom Staatsvolk abgeleitete Staatsgewalt ausgeübt wird, daß eine Legitimationsteilhabe des Staatsvolkes an den Hoheitsakten besteht88 . In personeller Hinsicht bedeutet dies strenggenommen, daß diejenigen, die öffentliche Gewalt ausüben, ihre Berufung letzIich auf den verfassungsmäßig geäußerten Volks willen zurückführen müssen. Konkret sind danach personelle Berufungsketten zu organisieren, an deren einem Ende der individuelle Amtswalter und an deren anderem Ende das Volk steht, wobei eine ununterbrochene Kette von Wahl- und Berufungsakten jeden bestimmten Akteur legitimieren muß 89 . Eine solche Legitimationskette läßt sich im Hinblick auf die in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Zulassung nicht mehr herstellen. Inwieweit allerdings dieser der "single-licence" anhaftende Legitimationsmangel kompensiert werden kann, soll an anderer Stelle geprüft werden. Zusammengefaßt kennzeichnet sich die "single-licence" dadurch, daß sie einen nationalen Hoheitsakt der Herkunftslandbehörde darstellt, der allein an die Rechtsordnung des Herkunftsmitgliedstaats gebunden ist und auch nur von dessen zuständigen Kontrollinstanzen überprüft bzw. aufgehoben werden kann. Aus der Sicht der demokratisch verfaßten Gast- bzw. Bestimmungsmitgliedstaaten charakterisiert sich das Instrument durch einen ihm anhaftenden (personellen bzw. institutionellen) Legitimationsmangel.
2. Geltungsgrund der "single-licence"
Der Befehl zur Einführung der "single-licence" entstammt dem Gemeinschaftsrecht. Mit dem Instrument der Richtlinie werden die Mitgliedstaaten angewiesen, die "single-licence" in das nationale Recht umzusetzen. Erst mit der Umsetzung gilt die Regelung in den jeweiligen Mitgliedstaaten. D.h. die Wirkungserstreckung der Zulasssungakte erfolgt durch den nationalen Umsetzungsakt 90 . Dieser ist grundsätzlich Geltungsgrund der "single-licence".
88 Vgl. Doehring, DVBI. 1997, 1133 (1133). Für das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gilt gemäß Art. 20 Abs. 2 GG, daß die öffentliche Gewaltausübung in ununterbrochener Legitimationskeue auf das Staats volk zurückführbar sein muß, vgl. BVerfGE 38, 258 (271); 47, 253 (275); 52, 95 (130); 68, I (88); 77, I (40); 83, 60 (72 f.). 89 V gl. Herzog, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 20 Abs. I Rn. 53 (Stand: Sept. 1980). 90 Ehlers, in: Schoch I Schmidt-Aßmann I Pietzner, VwGO, Vor. § 40 Rn. 69; Schmidt-Aßmann, DVBI. 1993,924 (935).
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
Ist die EG-Richtlinie nicht fristgemäß umgesetzt worden, kann sie ausnahmsweise unmittelbare Wirkung entfalten, wenn sie inhaltlich unbedingt, hinreichend bestimmt sowie nicht zu Lasten eines Bürgers in Anspruch genommen wird91 • Geltungsgrund für die "single-licence"-Wirkung kann daher auch die Richtlinie selbst sein92 . Dies bedeutet aber nicht, daß die Pflicht zur ordnungsgemäßen Umsetzung entfällt. Die Richtlinie ist weiterhin auf Umsetzung durch den säumigen Mitgliedstaat gerichtet, denn sie soll nicht, wie die EG-Verordnung, in den Mitgliedstaaten wirken, sondern nur innerhalb eines jeden Mitgliedstaates, der ihr Geltung verschafft93 . Dieses Zusammenspiel verdeutlicht, daß die "single-licence" nicht völlig von ihrer gemeinschaftsrechtlichen Initiative und Zielsetzung lösgelöst werden kann, ihren Geltungsgrund jedoch letztendlich durch den deutschen Umsetzungsakterlangt. Wenn zuweilen erwähnt wird, daß die grenzüberschreitende Wirkung nationaler Akte bzw. eine Anerkennungspflicht unmittelbar aus den Grundfreiheiten abzuleiten sei 94 , ist damit nicht die automatische und für alle Fälle geltende Wirkungserstreckung der Zulassungsakte gemeint. Die ausschließliche Regelungszuständigkeit i.S.e. Systems der Herkunftslandkontrolle wird durch die Grundfreiheiten nicht begründet 95 . Nach dem System der Grundfreiheiten steht die Transnationalität vielmehr unter Prüfungs- bzw. Anerkennungsvorbehalt, und erfolgt nicht ex lege. Geltungsgrund der "single-licence" ist folglich nicht die Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit (Art. 52, 59 EGV), sondern der nationale Umsetzungsakt oder ausnahmsweise die unmittelbar wirkende Richtlinie. Von dem Fall, daß der Gast- bzw. Bestimmungsmitgliedstaat die Richtlinie nicht fristgemäß umgesetzt hat, ist der Fall zu unterscheiden, daß der Sitzstaat der Unternehmen die Richtlinie nicht fristgemäß in das nationale Recht umgesetzt hat. Es stellt sich dann die Frage, ob die Unternehmen des säumigen Sitzstaates in den anderen EG-Mitgliedstaaten tätig werden können. Hier müssen wieder zwei Situationen unterschieden werden. Hat der Sitzstaat die Richtlinienbestimmungen, die die Zulassung betreffen, nicht oder fehlerhaft umgesetzt hat, dann entfaltet die Zulassung grundsätzlich keine transnationale Wirkung 96 • Entsprechend der Vlassopoulou-Entscheidung des EuGH hat eine Gleichwertigkeitsprüfung stattzufinden, an die sich ggf. eine Anerkennung der Zulassung anschließt 97 . Hat der Sitzstaat dage91 St. Rspr. des EuGH seit Rs. 33170, -S.A.C.E.lFinanzministerium der Italienischen Republik-, Sig. 1970, 1213 ff. 92 Ehlers, a. a. 0.; Neßler, S. 78; Schmidt-Aßmann, a. a. O. 93 Vgl. auch Happe, S. 103. 94 So z. B. Erhard, in: Lenz, Art. 57 Rn. 3 mit Verweis auf EuGH, Rs. 71/76, -Thieffry- , Slg. 1977,765; vgl. auch Ehlers, a. a. O. 95 Vgl. oben 2. Teil B. I. d)*. 96 V gl. Erwe I Waltz, WM 1997, 806 (807); ferner das Schreiben der Bundesaufsichtsämter für das Kreditwesen und den Wertpapierhandel vom 24. I. 1996 an die zuständigen Bankund Wertpapieraufsichtsbehörden in den anderen EU I EWR-Staaten (abgedruckt bei Kümpel/Ou, Kapitalmarktrecht, Kz. 630/1).
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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gen die Zulassung unter Beachtung der Richtlinie bzw. in richtlinienkonformer Auslegung des nationalen Aufsichtsgesetzes erlassen, muß von deren transnationaler Wirkung ausgegangen werden 98 . Die Voraussetzungen der Richtlinie sind eingehalten. Für den Aufnahmemitgliedstaat ergibt sich somit kein Grund, die durch das eigene Umsetzungsgesetz angeordnete Transnationalität zu mißachten. Geltungsgrund der Transnationalität bleibt in diesem Fall der nationale Umsetzungsakt des Aufnahmemitgliedstaates. Es läßt sich zusammengefaßt feststellen, daß Geltungsgrund der "single-licence" der nationale Umsetzungsakt oder ausnahmsweise die unmittelbar wirkende Richtlinie ist. Weiter wird vorausgesetzt, daß der Zulassungsakt aufgrund eines ordnungsgemäß umgesetzten Gesetzes oder richtlinienkonform ergangen ist.
3. Vereinbarkeit des "single-Iicence"-Prinzips mit höherrrangigen Rechtssätzen Der nationale Umsetzungsakt bzw. die unmittelbar wirkende Richtlinie müssen als Geltungsgrund der "single-licence" in ihrer spezifischen Wirkung in Übereinstimmung zu höherrangigen Rechtssätzen stehen. Eine Prüfung kann auf drei Ebenen stattfinden. Zunächst ist materieller Prüfungsmaßstab das Gemeinschaftsrecht (a), genauer das Primärrecht, das der EuGH als "Charte constitutionelle de base" betrachtet99 . Daneben kommt eine Prüfung anhand völkerrechtlicher (b) sowie verfassungsrechtlicher Maßstäbe (c) in Betracht.
a) Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsvertragsrecht
aa) Prüfungsgegenstand und Problem der Maßstabsfindung Der Geltungsgrund für das Institut der "single-licence" ist der nationale Umsetzungsakt bzw. ausnahmsweise die unmittelbar wirkende Richtlinie. Es soll jedoch nicht geprüft werden, ob die nationalen Umsetzungsakte der jeweiligen Mitgliedstaaten den Vorgaben der Richtlinien gerecht werden, sondern ob es mit dem primären Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, das "single-licence-Prinzip" einzuführen. Das in den Richtlinien zum Finanzmarktaufsichtsrecht begründete Institut soll als Ganzes auf seine Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsvertragsrecht überprüft werden.
EuGH, Rs. C-340/89, Sig. 1991-1,2357 (2383 f.). Anders Erwe 1Waltz, WM 1997,806 (807), die die vollständige Umsetzung der Richtlinie zur Voraussetzung machen. 99 EuGH, Rs. 294/83, -Les Verts 1Parlament-, Slg. 1986, 1339 (1365). 97
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
Maßstab sind in erster Linie die einschlägigen Ermächtigungsgrundlagen des Vertrages. Weiter stellt sich, insbesondere aus der Sicht der Gast- bzw. Bestimmungsmitgliedstaaten, die Frage, ob sich das Institut mit dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip vereinbaren läßt. ,,single-licence"-Akte sind im Inland nicht überprüfbar; es mangelt ihnen der personellen Legitimation. Diese gewichtigen Verfassungsprinzipien sind allerdings grundsätzlich nationalstaatlicher Natur. Sie sind daher eher als Maßstab für eine (national-) verfassungsrechtliche Prüfung heranzuziehen. Daraus darf jedoch nicht der Schluß gezogen werden, daß allgemeine Staatsprinzipien auf Gemeinschaftsebene keine Rolle spielten. Das wird z. B. schon aus Art. 215 Abs. 2 EGV deutlich, der für die außervertraglic~e Haftung auf die "allgemeinen Rechtsgrundsätze, die den Mitgliedstaaten gemeinsam sind", verweist. Die Gemeinschaftsrelevanz nationaler Verfassungsprinzipien erschließt sich vor dem Hintergrund der Vorrangsfrage des Gemeinschaftsrechts. Während der EuGH schon in den 60er Jahren die These eines autonomen Gemeinschaftsrechts, das absoluten Vorrang vor den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten genießt, vertreten hat lOO , wird in den Mitgliedstaaten eine vollständige Loslösung des Gemeinschaftsrechts überwiegend verneint 101. Obgleich die Begründung der mitgliedstaatlichen Gerichte im einzelnen unterschiedlich ist, besteht Übereinstimmung in der Annahme, daß der Vorrang des Gemeinschaftsrechts lediglich durch nationales Recht eingeräumt worden ist lO2 • Angesichts der mitgliedstaatlichen Anbindung ist aus mitgliedstaatlicher Perspektive ein uneingeschränkter Vorrang vor nationalen Verfassungsprinzipien, die die Grenzen der Integrationsöffnung bilden, undenkbar lO3 • Eine grenzenlose Ausübung autonomer gemeinschaftlicher Hoheitsgewalt verträgt sich nicht mit einer Mitgliedschaft in der Gemeinschaft, die eine souveräne Staatlichkeit, wie sich etwa aus Art. 0 EUVergibt, im herkömmlichen Sinne voraussetzt 104. Werden die Mitgliedstaaten deshalb zu Recht als "Herren der Verträge" bezeichnet, bedeutet dies jedoch nicht, daß den Mitgliedstaaten eine Definitionsmacht über die Reichweite erteilter Ermächtigungen eingeräumt worden ist, noch, daß 100 EuGH Rs. 26/62, -Van Gend aus der Literatur vor allem H.P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 61 f. 101 Vgl. Müller-Elschner, VR 1994,264 ff.; für die Bundesrepublik Deutschland BVerfGE 73,339 (375); 75, 223 (244 f.); 85,191 (204); 89,155 (190). 102 Näher Lorenz, Übertragung von Hoheitsrechten auf die EG, S. 343 ff. 103 Hirsch, NJW 1996, 2457 (2459, 2466); Huber, Recht der Europäischen Integration, S. 77 f. Eine andere (Folge-)Frage ist, welchem Gericht die Letztentscheidungskompetenz über die innerstaatliche Geltung von Gemeinschaftsrecht zusteht. Diese dürfte hinsichtlich der äußersten Verfassungsgrenzen (des Übertragbaren) bei den nationalen Gerichten liegen, da der EuGH insoweit nicht zuständig ist. Zur Bestimmung der Grenzen des Vertrags (des Übertragenen) ist allein der EuGH befugt. Hierzu näher Hirsch, NJW 1996,2457 (2460 ff.); Schockweiler, EuR 1996, 123 ff.; vgl. auch Klein, VVDStRL 50 (1991), 56 (68); Streinz, in: Isensee 1 Kirchhof, HStR VII, § 182 Rn. 38. 104 Nettesheim, GS Grabitz, S. 447 (455 ff.).
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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die gemeinschaftrechtlichen Akte vorbehaltlos am Maßstab nationaler Verfassungsprinzipien zu messen sind 105. Ebensowenig wie den Ausführungen des BVerfG'06 im Maastricht-Urteil zu den Gemeinschafts- sowie Unionsverträgen Bindungswirkung auf Gemeinschaftsebene zukommt, gelten die nationalen Verfassungsprinzipien im Rahmen der EG-Verträge '07. Sie gelten jeweils nur für ihre eigene Rechtsordnung. Lösungsansätze zur Begründung einer unmittelbaren Bindung, die von dem Gedanken ausgehen, daß den Gemeinschaftsorganen nur diejenigen Hoheitsrechte eingeräumt sind, die auch den nationalen Organe zustehen (Hypothek auf dem Vertragsschluß) 108, sind abzulehnen'09. Diese Konstruktion, nach der die nationalen Verfassungsbestimmungen als gleichsam dingliche Belastung den Akten der Gemeinschaft Grenzen setzt, geht von der verfehlten Prämisse aus, daß die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EG mit einer Zession von Rechten vergleichbar sei. Vielmehr hat der Übertragungsakt zur Folge, daß sich die Rechtsordnung zugunsten fremder, originärer Hoheitsgewalt öffnet"o. Nationale Verfassungsprinzipien können daher auf Gemeinschaftsebene nur mittelbar Bedeutung erlangen. Damit diese Anwendung finden können, bedarf es der Vergemeinschaftung. So können Verfassungsgrundsätze, argumentativ bei der Auslegung der Verträge herangezogen werden'''. Sie können, soweit sie ein Recht darstellen, das allen Mitgliedstaaten zugrundeliegt, Eingang in gemeinschaftsrechtliche allgemeine Rechtsgrundsätze finden. Grundrechte können in der Gemeinschaft nur als Gemeinschaftsgrundrechte Geltung beanspruchen 112.
lOS So aber Huber, Recht der Europäischen Integration, S. 78; vgl. auch Nettesheim, in: GrabitzlHilf, Art. 4 Rn. 58 (Sept. 1994). 106 BVerfGE 89, 155 - Maastricht. 107 Deutlich EuGH, Rs. 29/69, -Dow Chemical Iberica-, Sig. 1989, 3181 (3191): " ... kann die Gültigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane nur nach dem Gemeinschaftsrecht beurteilt werden, und es kann daher die Gültigkeit einer Gemeinschaftshandlung oder deren Geltung in einem Mitgliedstaat nicht berühren, wenn geltend gemacht wird, die Grundrechte in ihrer Ausgestaltung durch die Verfassung dieses Staates oder die Strukturprinzipien der nationalen Verfassung seien verletzt." 108 Siehe die Nachweise bei Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 24 Abs. I Rn. 56, Fn. 208 (Stand: Dez. 1992); Streinz, Grundrechtsschutz, S. 93 ff. 109 Einhellige Ansicht, vgl. nur Randelzhofer, in: Maunz 1Dürig, GG, Art. 24 Abs. 1 Rn. 56 (Stand: Dez. 1992). 110 BVerfGE 37, 271 (280) - Solange I; 58, I (28) - Eurocontrol I; 73, 339 (374) - Solange 11; ebenso Rauser, Übertragung von Hoheitsrechten, S. 25 ff., 40. 111 Zur Heranziehung von Verfassungsprinzipien im Wege der teleologischen Auslegung der Verträge siehe Nettesheim, in: Grabitz 1Hilf, Art. 4 Rn. 55 ff. (Sept. 1994); vgl. auch Kraußer, S. 138, 140 ff. 112 Pernice, in: Grabitz/Hilf, Art. 164 Rn. 43 (Stand: Mai 1995); vgl. auch Bleckrnann, Europarecht, Rn. 614. Zur Geltung von Gemeinschaftsgrundrechten und ihrer Rechtfertigung allgemein Beutler, in: G/T/E, Art. F Rn. 22 ff.; Bleckrnann, Europarecht, Rn. 572 ff.; Oppermann, Europarecht, Rn. 41l ff.; Rengeling, Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft.
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
Der EuGH hatte das Problem schon früh erkannt und im Wege rechtsfortbildender Rechtsprechung Gemeinschaftsgrundrechte und allgemeine Rechtsgrundsätze (Verhältnismäßigkeitsprinzip, Vertrauensgrundsatz u. a.) entwickelt, die er aus den mitgliedstaatlichen Verfassungsordnungen und der EMRK ableitete 113. Die Gemeinschaftsorgane haben die Zuständigkeit des EuGH zur Grundrechtsprechung in ihrer gemeinsamen Erklärung zum Grundrechtsschutz vom 5. 4. 1977 ausdrücklich anerkannt l14 ; gemäß dem durch den Maastrichter Vertrag eingefügten Art. F Abs. 2 EUV achtet die Union die Grundrechte, wie sie in der EMRK gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben. Wahrend die Entwicklung und Kodifizierung der Gemeinschaftsgrundrechte sowie der allgemeinen Rechtsgrundsätze der Sicherung des Rechtsstaatsprinzips dient, kommt dem Prinzip der begrenzten Ermächtigung als Kompetenzabgrenzungsregel eine legitimationsstiftende Funktion ZU1l5. Das ergibt sich aus folgendem: Wenn die Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane von den Ermächtigungen der Verträge gedeckt sind, geht deren Geltung auf die Integrationsöffnungsbestimmungen der Mitgliedstaaten zurück, und sind somit von den Mitgliedstaaten legitimiert. Gerade weil die gemeinschaftliche Infrastruktur durch einen Mangel an originären, im Gemeinschaftsrecht wurzelnden Legitimationszusammenhängen gekennzeichnet ist l16 und daher die Mitgliedstaaten und ihre Völker die eigentliche Legitimationsquelle sind, kommt der Kontrolle über die Reichweite der gemeinschaftlichen Ermächtigung, insbesondere bei der finalen Handhabung von Befugnisnormen, entscheidende Bedeutung zu 117. Spätestens mit der durch den Maastrichter Unionsvertrag zum Ausdruck gekommenen Velagerung der Kompetenzgewichtung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten gewinnt daher das Prinzip der begrenzten Ermächtigung elementare Bedeutung l18 . Für die gemeinschaftsrechtliche Prüfung bedeutet dies, daß zunächst untersucht wird, ob der Richtlinienbefehl von den Ermächtigungsgrundlagen des Vertrages 1I3 Genau genommen hat er der EuGH diese allgemeinen Rechtsgrundsätze nicht selbst entwickelt bzw. geschaffen, sondern als der Rechtsgemeinschaft zu Grunde liegend gefunden. Aus der Grundrechtsrechtssprechung etwa: EuGH, Rs. 11/70, -Internationale Handelsgesellschaft-, Slg. 1970, 1125; verb. Rs. 46/87, -Hoechst-, Slg. 1989, 2859; vgl. auch die Nachweise in BVerfGE 73, 335 (378) - Solange 11. Siehe zur Rechtsprechung des EuGH Beutler, in: GI T 1E, Art. F Rn. 44 ff.; Bleckmann, Europarecht, Rn. 587 ff. 114 ABI. 1977, C, 331/1. 1lS Vgl. Bleckmann, Europarecht, Rn. 380 ff.; H.P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 425 ff. 116 Vgl. BVerfGE 89, 155 (184 ff.) - Maastricht; siehe auch Steinberger, VVDStRL 50 (1991),9 (40 ff.). 117 Vgl. auch Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, § 183 Rn. 46 ff.; Klein, Vereinheitlichung, S. 116 (129 f.). 118 So von Danwitz, S. 99 mit Hinweis auf die Europäische Strukturkommission, Europa '96, S. 14 (39 f.).
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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gedeckt ist. Darüber hinaus ist die Einführung des Instituts an allgemeinen (Verfassungs-)Prinzipien zu messen, soweit sie integrierender Bestandteil von Gemeinschaftsrechtssätzen sind. So erlangen die nationalen Verfassungsprinzipien zumindest mittelbare Bedeutung.
bb) Verstoß gegen das Prinzip der begrenzten Ermächtigung 119 ( 1) Primärrechtliche Grundlagen
(a) Art. 57 EGV (i.Vm. Art. 66 EGV) Gemäß dem Prinzip der begrenzten Ermächtigung müssen die Richtlinien, die das Institut der "single-licence" einführen, von einer gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigung gedeckt sein. Die Richtlinien zum Finanzmarktaufsichtsrecht stützen sich auf Art. 57 EGV (i.Vm. Art. 66 EGV). Absatz I des Art. 57 EGVermächtigt zum Erlaß von Richtlinien zur gegenseitigen Anerkennung von Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen. Der Begriff der Anerkennung ist hier weit zu verstehen. Er umfaßt über den Wortlaut des Abs. I hinaus auch Regeln, die die Zulassung von Unternehmen zu beruflichen Tätigkeiten betreffen 120. Damit sind auch Zulassungen für Finanzdienstleistungsunternehmen von der Vorschrift erfaßt. Die Regelungen in den Finanzmarktrichtlinien gehen allerdings qualitativ noch weiter. Während die Anerkennung i. S. d. Art. 57 Abs. I EGV im herkömmlichen Sinne den Fall erfaßt, daß alle Mitgliedstaaten grundsätzlich zur Regelung des betreffenden Gebiets zuständig sind -mit der Folge, daß die Mitgliedstaaten aufgrund eines Anerkennungsakts eine zusätzliche, eigene Zulassung aussprechen l21 -, dürfen die Aufnahme- bzw. Bestimmungsmitgliedstaaten nach den Bestimmungen der Aufsichtsrichtlinien keine eigene Zulassung mehr erteilen. Ein vorgeschaltetes, administratives oder gerichtliches Anerkennungsverfahren entfällt. Soll mit der Einführung der "single-licence" nicht nur eine Wirkungserstreckung der Zulassungsentscheidung im Wege der Anerkennung, sondern der Wegfall eines Anerkennungverfahrens für alle zukünftigen Zulassungsakte verbunden sein, kann dies deshalb nur in Verbindung mit der Koordinierungsermächtigung des Art. 57 Abs. 2 EGV (i.Vm. Art. 66 EGV) geschehen 122 • Auf diese Vorschrift, die zum Erlaß von Richtlinien zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungs vorschriften
119
Zur Terminologie vgl. von Bogdandy I Neuesheim, in Grabitz/Hilf, Art. 3b Rn. 3
(Sept. 1994). Troberg, in:G/T/E,Art. 57 Rn. 14. Vgl. Troberg, in: G/T/E,Art. 57 Rn. 15. 122 A.A. wohl Troberg, in: GI T I E, Art. 57 Rn. 14 f., der die Regelung insgesamt unter Abs. I des Art. 57 EGVeinordnet. 120 121
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
der Mitgliedstaaten ermächtigt, sind die Finanzmarktrichtlinien in erster Linie gestützt worden 123; Anerkennungs- und Koordinierungsregelungen sind gekoppelt worden 124. Aber auch dem Wortlaut des Absatzes 2 des Art. 57 EGV läßt sich nicht ausdrücklich entnehmen, daß er zu Regelungen ermächtigt, die eine unmittelbare Geltung von nationalen Hoheitsakten im Geltungsbereich der EG anordnen und gleichzeitig den Aufnahme- bzw. Bestimmungsmitgliedstaaten die Kompetenz für das Zulassungsverfahren gänzlich entziehen. Doch daraus den Schluß zu ziehen, die Vorschrift erfasse nicht die Einführung der "single-Iicence", griffe zu kurz. Der Versuch, die Regelung insgesamt aus dem Wortlaut der Vorschrift heraus zu erfassen, muß nämlich scheitern. Auf Gemeinschaftsebene ist vielmehr eine teleologische Auslegung maßgeblich 125. Die Einbeziehung teleologischer Gesichtspunkte ist insofern berechtigt, als nur auf diese Weise dem Charakter der Verträge als ,,Planverfassung" Rechnung getragen werden kann und damit die Einbeziehung der Vertagsziele in die Auslegung der verschiedenen Vorschriften ermöglicht wird l26 . Im Rahmen der teleologischen Auslegung ist insbesondere der Grundsatz des "effet utile,,127 von Bedeutung 128 . Danach ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber den Willen hatte, daß jede Regelung eine Bedeutung und praktische Wirksamkeit haben muß 129. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Vertrag gerade auf eine größtmögliche Nutzwirkung seiner Vertragsbestimmungen zu deren Förderung angelegt ist. Nach dieser Lesart des "effet-utile"-Grundsatzes ist auch eine Kritik, die in dieser Methode eine unzulässige Vertragserweiterung sieht 130, nicht gerechtfertigt 131 . Zielsetzung des Art 57 Abs. 2 EGV ist es, die Grundlagen für eine umfassende Beseitigung von Niederlassungs- und Dienstleistungsbeschränkungen (Art. 66 EGV) zU schaffen 132 . Der Umfang der Koordinierung muß sich demnach nach der jeweiligen Aufgabe richten, der sie dient, und danach, ob die Voraussetzungen für die gegenseitige Anerkennung erreicht werden können 133 • Von der Koordinierung Vgl. z. B. die Präambeln der WDRL oder der 3. Schaden-RL. Vgl. auch Neßler, S. 6. m Bleckrnann, Europarecht, Rn. 542 ff.; H.P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 131 f.; Krück, in: G IT I E, Art. 164 Rn. 57; Oppermann, Europarecht, Rn. 581 ff. 126 Zur teleologischen Auslegung siehe Bleckrnann, NJW 1982, 1177 (1I80 f.); Klein, VVDStRL 50 (1991), 56 (62); Zuleeg, EuR 1969,97 (104 f.). 127 Vgl. allgemein zu diesem Begriff im Volkerrecht Rousseau, Droit International Public, S. 270 ff.; Verdross I Simma, Universelles Volkerrecht, § 780. 128 Bleckmann, NJW 1982, 1177 (1180); Oppermann, Europarecht, Rn. 583. 129 Vgl. Oppermann, ebda; Pernice, in: Grabitz/Hilf, Art. 164 Rn. 27 (Stand: Mai 1995). 130 So BVerfGE 89, 155 (210) - Maastricht, allerdings im Hinblick auf Art. 235 EGV. 131 Dies bedeutet freilich nicht, daß der Auslegung nach den Grundsätzen des "effet-utile" keine Grenzen gesetzt sind, näher dazu Streinz, FS Everling 11, S. 1491 ff. 132 Hailbronner, in: Handkommentar zur EUV I EGV, Art. 57 Rn. 6; vgl. auch Troberg, in: G/T IE, Art. 57 Rn. 31 ff. 123 124
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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können daher auch die bisher selbständigen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten erfaßt und Mechanismen der Zusammenarbeit der Behörden der Mitgliedstaaten bis hin zur Anerkennung von Verwaltungsakten etabliert werden sowie eine neue Zuordnung von Kompetenzen erfolgen, die im Interesse einer höheren Ordnung ausgerichtet wird l34 . Mit den Richtlinien zum Aufsichtsrecht sind die Aufsichtszuständigkeiten mit dem Ziel der Verwirklichung des Binnenmarkts und der Niederlassungs- sowie Dienstleistungsfreiheit neu geordnet worden. Dabei entsprach die Verteilung der Kompetenzen der auf dem Herkunftslandprinzip beruhenden Binnenmarktkonzeption. Hat man sich gegen eine zentrale europäische Aufsicht und für die Beibehaltung der nationalen Aufsichtsstrukturen entschieden, so ergibt sich als logische Lösung des Problems der Zuständigkeit für die Zulassungserteilung das System der Herkunftslandkontrolle 135 . Es sind die Sitzlandbehörden, die mit den Unterlagen und Strukturen der heimischen Unternehmen am besten vertraut sind. Ihnen die exklusive Regelungszuständigkeit für die Zulassungserteilung zuzusprechen, ist daher sinnvoll. Der Gefahr, daß die zuständigen Herkunftsmitgliedstaaten ihrer Aufgabe der Beaufsichtigung auch der ,,Auslands"aktivitäten ihrer Unternehmen nicht nachkommen und sich dies auf die Aufsichtsbereiche anderer Mitgliedstaaten auswirkt, wird dadurch Rechnung getragen, daß letztere als ultima ratio Maßnahmen für ihr Hoheitsgebiet treffen können l36 . Die sog. "Gefahrenvorbehalte" sollen nicht nur den Bestand der Gemeinschaft in Ausnahmesituationen sichern, sondern auch den legitimen Interessen der Mitgliedstaaten dienen, ihre Schutz- und Sicherheitsaufträge zu erfüllen l37 . Schließlich wird in die Ermächtigungsnorm noch hineingelesen, daß Voraussetzung für die Anwendung des Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung sei, daß sowohl der Gesetzgebungsstandard als auch die Verwaltungspraxis in den einzelnen Mitgliedstaaten ein vergleichbares Niveau haben 138. Angesichts der z.T. sehr großen Unterschiede zwischen den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen kann es in der Tat erforderlich sein, durch Rechtsangleichung oder -koordinierungen eine Egalisierung des Regelungs- und Verwaltungsstandards zu erreichen, um den Mitgliedstaaten die Akzeptanz zu erleichtern 139. Dem wurde Rechnung getragen, inTroberg, in: G IT IE, Art. 57 Rn. 31; ihm folgend Groß JZ 1994,596 (600). Vgl. Groß, ebda; Nicolaysen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 113; Randelzhofer, in: Grabitz I Hilf, Art. 57 Rn. 27 (Stand: Sept. 1992). 135 Vgl. auch Neßler, S. 37 f. 136 Art. 40 Abs. 4 der 3. Schaden-RL bzw. Leben-RL; Art. 21 Abs. 4 der 2. Bank-RL; Art. 19 Abs. 5 der WDRL. 137 Vgl. H.P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 239 ff.; näher Neßler, S. 40 ff. 138 Vgl. Klein, Vereinheitlichung, S. 116 (140); ferner Neßler, S. 5 f. 139 Den Erwägungsgründen der Präambel der Dritten Versicherungsrichtlinien läßt sich diese Zielsetzung entnehmen. Vgl. auch Neßler, S. 6; Roth, EuR 1987,7 (25), der einen Wettbewerb der Rechtsordnungen mit dem Sprungtuch der Mindestnormen fordert. 133
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
dem mit bzw. vor der Einführung der Bestimmungen zur "single-licence" Zulassungsvoraussetzungen angeglichen worden sind 140. (b) Subsidiaritätsprinzip (Art. 3 b EGV) und Grundsatz der Gemeinschaftstreue (Art. 5 EGV) Die Entscheidung für eine dezentrale Auslagerung mit horizontalen Verwaltungsstrukturen entspricht auch dem Subsidiaritätsprinzip (Art. 3 b EGV)141. Dieses räumt nicht nur der Richtlinie Vorrang vor der Regelungsform der Verordnung, sondern auch dem Verfahren der gegenseitigen Anerkennung Vorrang vor einer Totalharrnonisierung der Gemeinschaft ein 142. Die aufgrund der Ermächtigung des Art. 57 EGV (i.Y.m. Art. 66 EGV) getroffene Regelung ist schließlich als eine Ausprägung des Art. 5 EGV zu sehen. Der darin enthaltene Grundsatz der Gemeinschaftstreue verpflichtet nicht nur zu einer umfassenden vertikalen Kooperation, die direkt angesprochen wird l43 . Auch die horizontale Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten untereinander wird von Art. 5 EGVerfaßt l44 . Die Pflichten der Mitgliedstaaten reichen hier von der bloßen Mitteilung bis hin zur Anerkennung von Verwaltungsakten 145. Insofern läßt sich die Entscheidung für die Einführung der "single-licence" bzw. für das System der Herkunftslandkontrolle im Schnittpunkt der in Art. 5 und Art. 3 b EGV normierten Prinzipien ansiedeln 146. (2) Verstoß gegen andere Rechtsgrundsätze Der mit der Einführung der "single-licence" vollzogene Schritt vom Herkunftslandprinzip zur Herkunftslandkontrolle führt auf der anderen Seite zu Folgewirkungen: zur Beschränkung auf die Rechtsschutzsuche im Herkunftsstaat (a), zur 140 Etwa Art. 17 ff. der 3. Schaden-RL, die die Harmonisierung der versicherungstechnischen Rückstellungen betreffen. Zusammen mit der 2. Bank-RL wurden die finanziellen Anforderungen an die Unternehmen in der Richtlinie des Rates (89/647/EWG) vom 18. 12. 1989 über einen Solvabilitätskoeffizienten (ABI. L 386/14) harmonisiert. Vgl. auch den 8. Erwägungsgrund der 2. Bank-RL. 141 Scheuing, Innovation, S. 342. Zum Subsidiaritätsprinzip siehe auch schon oben l.Teil C. 11. 142 von Danwitz, S. 410 ff.; Langer, ZG 1993, 193 (202 ff.). 143 Zuleeg, in G/T /E, Art. 5 Rn. 1; siehe auch EuGH, Rs. C-217/88, - Weindestillation -, Slg.1990-I, 2879 (2907 f.). 144 EuGH, Rs. 32/79, -Kommission/Vereinigtes Königreich-, Sig. 1980, 2403 (2445, 2449); Rs. 42/82, -Kommission/Frankreich-, Sig. 1983, 1013 (1044); Rs. C-251189, -Athanasopoulos-, Slg. 1991-1,2797 (2848); Zuleeg, in G /T /E, Art. 5 Rn. 12; ders., VVDStRL 53 (1994), 156 (180). 145 Zu leeg, VVDStRL 53 (1994), 154 (180); vgl. auch von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Art. 5 Rn. 51 f. (Stand: Sept. 1994) 146 So in einem weiter gefaßten Kontext Schmidt-Aßmann, EuR 1996,270 (295).
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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Möglichkeit der Inländerdiskriminierung (b) sowie zu einem Legitimationsmange1 (c). Es stellt sich mithin die Frage, ob dadurch andere vertragsimmanente Grenzen verletzt werden. (a) Das Problem des effektiven Rechtsschutzes Das System der Herkunftslandkontrolle macht es erforderlich, daß für die Frage der Rechtmäßigkeit der Zulassungsakte sowie für deren Entzug nur eine Rechtsordnung maßgeblich ist '47 . Das hat zur Folge, daß nur die Gerichte des Herkunftsmitgliedstaates zur Überprüfung der Erteilung sowie des Entzugs der "single-licence" zuständig sind '48 . Diese für den Rechtsschutzsuchende erheblichen Konsequenzen werfen die Frage nach der Vereinbarkeit mit rechtsstaatlichen Grundsätzen auf. Das Rechtsstaatsprinzip verlangt grundsätzlich eine Bindung und Begrenzung von Staatsgewalt im Hinblick auf den Rechtsunterworfenen 149. Elementarer Teil des Rechtstaatsprinzips sind die Menschen- und Bürgerrechte 150. Zur Rechtsstaatlichkeit gehört weiter die Gewährleistung dieser Rechte und eine effektive Gerichtskontrolle l51 • Diese Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit gehören zu den grundlegenden gemeinschaftlichen Verfassungstraditionen wie Wertentscheidungen aller Mitgliedstaaten I52 • Auf Gemeinschaftsebene orientiert sich die Rechtsstaatlichkeit an dem "Prinzip der Rechtsgemeinschaft"153. Allerdings geht es hier nicht um ein Handeln der Gemeinschaftsorgane, sondern um nationale Hoheitsakte eines Mitgliedstaats. Vordergründig erscheint es daher naheliegender, die Frage zu klären, ob ein Hoheitsakt eines Mitgliedstaats den Rechtstaatlichkeitsvoraussetzungen eines anderen Mitgliedstaats genügen kann l54 • Mit anderen Worten: es müßte für jeden Mitgliedstaat untersucht werden, ob er einen gewissen Rechtsschutzstandard gewährleistet, damit dessen Rechtsakte von den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden kann. Diese Vorgehensweise berücksichtigte jedoch zu wenig, daß die Zulassungsregelung entscheidend vom Gemeinschaftsrecht geprägt wird. Die Erteilung der "single-licence" durch die zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats erfolgt aufgrund des RechtsanSiehe oben 2. Teil B. I. 1. e) aa). Siehe oben 2. Teil B. I. 1. e) bb). 149 Vgl. Stern, Staatsrecht I, S. 788 ff. 150 Siehe nur Herzog, in: Maunz 1Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 23 (Stand: Sept. 1980); Stern, Staatsrecht I, S. 791. 151 Vgl. Herzog, in: Maunz 1Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 27 (Stand: Sept. 1980); SchmidtABmann, in: Maunz 1Dürig, GG, Art. 19 IV Rn. 15 ff. (Stand: Jan. 1985); Stern, Staatsrecht I, S.839. 152 Scho1z, FS Steindorff, S. 1413 ff.; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23 Rn. 59 (Stand: Okt. 1996). 153 Zu1eeg, NJW 1994,545 (545 ff.); vgl. auch EuGH, Rs. 294/83, - Les Verts -, Slg. 1986,1339 (1365); Rs. C-2/88, -Zwartve1d-, Slg. 1990-1,3365 (3372). 154 Vgl. Rauser, Übertragung von Hoheitsrechten, S. 278 ff. 147
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wendungsbefehls der Aufsichtsgesetze, die die gemeinschaftlichen Bestimmungen des Finanzmarktaufsichtsrechts in das nationale Recht umgesetzt haben. Es geht hier also um mitgliedstaatlichen (indirekten, mittelbaren) Vollzug von Gemeinschaftsrecht l55 . Ferner ist bedeutsam, daß die Gemeinschaft die Lebensverhältnisse privater Rechtsträger gestaltet und als solche einbezieht. Versteht sich die Gemeinschaft als "Rechts gemeinschaft" , ist unabweisbare Anforderung einer entsprechenden Rechtsordnung ein System von Grundrechten samt rechtsschützender Institute. Dieser im europäischen Rechtsverband erforderliche Rechtsschutz wird mitunter durch die vom EuGH entwickelten ("gefundenen") allgemeinen Rechtsgrundsätze und Gemeinschaftsgrundrechte verwirklicht 156. In der Prüfung gilt es daher zu klären, ob die Gemeinschaftsgrundrechte auch für den Bereich des mitgliedstaatlichen Vollzugs gelten und hinreichende Rechtsschutzstandards setzen, die es aus "rechtsstaatlicher" Sicht erlauben, die "single-licence"-Erteilung und die Rechtsschutzsuche im Herkunftland zu konzentrieren, auch wenn die "single-licence" gemeinschafts weite Wirkungen zeitigt. (aa) Anwendbarkeit der Gemeinschaftsgrundrechte im mitgliedstaatlichen Vollzug Während sich die Handlungen der Gemeinschaftsorgane immer an den Gemeinschaftsgrundrechten messen lassen müssen l51 , muß für den Bereich des mitgliedstaatlichen Handeins differenziert werden. Die Gemeinschaftsgrundrechte sind Teil des Gemeinschaftsrechts und nur mit der Gemeinschaftsrechtsordnung verbunden. Die Gemeinschaftsgrundrechte erstrecken sich daher nicht auf jedwedes mitgliedstaatliches Handeln 158. Grundsätzlich muß die Trennung von Aufgaben und Kompetenzen zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten beachtet werden. Es ist nicht einzusehen, warum dort, wo die Mitgliedstaaten eine ausschließliche Kompetenz besitzen, alle nationalen Hoheitsakte an den Gemeinschaftsgrundrechten zu messen wären. Eine umfassende Überprütbarkeit mitgliedstaatlicher Akte ISS Im Gegensatz zu dem von den Gemeinschaftsorganenund anderen Gemeinschaftsinstitutionen selbst wahrgenommenen "direkten" Vollzug des Gemeinschaftsrechts bezeichnet man den Vollzug des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten als "indirekten" Vollzug. Dabei wird wiederum zwischen dem unmittelbaren Vollzug von Gemeinschaftsrecht, insbesondere von Verordnungen, und dem mittelbaren Vollzug, d. h. den Vollzug von nationalem Recht, das in Umsetzung von Richtlinien ergangen ist, unterschieden; zur Typologie des europäischen (Verwaltungs-)Vollzugsrechts siehe Rengeling, VVDStRL 53 (1994), 201 (205 ff., 235); Schmidt-Aßmann, DVBI. 1993,924 ff.; Schweitzer, OV 1984, 138 ff. IS6 Vgl. Beutler, in: G /T /E, Art. F Rn. 93. Das Rechtsstaatsprinzip wird ebenso durch die Grundfreiheiten sowie den Grundsätzen zur gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung gesichert. Zur Staatshaftung grundlegend EuGH, verb. Rs. C-6/90 u. C-9/90, -Francovich-, Slg. 1991-1,5357 (5416); ferner von Oanwitz, OVBI. 1997, 1 ff.; Ehlers, JZ 1996,776 ff.; Jarass, NJW 1994, 881 ff. IS7 Vgl. nur Pernice, NJW 1990,2409 (2416). ISS Sehr weitgehend aber Weiler, FS Pescatore, S. 821 (821 ff.).
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ließe sich nur mit einer veränderten Struktur der Gemeinschaft begründen: der Schaffung einer bundestaatlichen Ordnung l59 . Andererseits greift der Grundrechtsschutz der Gemeinschaft jedenfalls dann, soweit es um die Anwendung oder Durchführung von Gemeinschaftsrecht geht l60 . Dagegen spricht nicht, daß die gemeinschaftlichen Grundrechte ursprünglich entwickelt worden waren, um die Marktbürger vor Handlungen (oder Unterlassen) der Gemeinschaftsorgange zu schützen 161. Die gemeinschaftlichen Grundrechte haben die Funktion, generell einen gewissen Rechtsschutzstandard in der Gemeinschaft zu garantieren 162. Nur auf diese Weise wird ein effektiver Grundrechtsschutz gewährleistet, die Gemeinschaft ausreichend legitimiert 163. Ebensowenig kann eingewendet werden, daß die nationalen Behörden schon an ihre Verfassungsbestimmungen gebunden sind l64 . Denn haben die Gemeinschaftsgrundrechte weiter die Funktion, daß Lücken gerade dort zu schließen sind, wo der Mitgliedstaat einen gewissen Rechtsschutzstandard nicht kennt l65 • Ferner kommt ihnen die Aufgabe zu, im Rahmen des Vollzugsrechts die Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen und damit den tragenden Elementen der Vorrangsdogmatik Rechnung zu tragen l66 . Die Mitgliedstaaten können folglich im Bereich des mitgliedstaatlichen Vollzugs nicht von den Bindungen der Gemeinschaftsgrundrechte freigestellt werden. Hinzu kommt, daß die mitgliedstaatlichen Behörden im Rahmen des Vollzugs materiell Gemeinschaftsrecht anwenden. Ist der Vollzug gemeinschaftsrechtlich determiniert, handeln sie wie ein "Agent" oder ein administrativer Teil der Gemeinschaft l67 . Die mitgliedstaatliehe Handlung liegt hier geradezu im Verantwortungsbereich der Gemeinschaft l68 • In diesen Fällen ist es daher geboten, im Hinblick auf die einheitliche Wirkung des Gemeinschaftsrechts und das Ziel eines umfassenden Rechtsschutzes gegenüber gemeinschaftsrechtlich bestimmten Maßnahmen, die Mitgliedstaaten an die allgemeine Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts samt der Grundrechte zu binden.
Vgl. Pernice, NJW 1990,2409 (2416); Ruffert, EuGRZ 1995,518 (528). Bieckmann, Europarecht, Rn. 620 ff.; ders.lPieper, in: Dauses, B I. Rn. 115 f.; Pemice, NJW 1990, 2409 (2417); Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 189 ff.; so ausdrücklich auch noch Beutler, in: GI TI E, 4. Auflage, Anhang C - Grundrechtsschutz, Rn. 63 ff. 161 So aber Nicolaysen, Europarecht I, S. 55; Schöne, RIW 1989,450 (454); vgl. auch Hilf, Europäisches Verwaltungsrecht im Werden, S. 67. 162 Weiler, FS Pescatore, S. 821 (839 ff.). 163 Weiler I Lockhart, CMLRev 1995,51 (66). 164 Zur "doppe1ten Grundrechtsloyalität" siehe Pernice, NJW 1990,2409 (2417 f.); ferner Gersdorf, DVBI. 1994,674 (679 f.); Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 191. 165 Bleckmann, Europarecht, Rn. 611. 166 Gersdorf, DVBI. 1994,674 (677); vgl. auch Nico1aysen, EuR 1989,215 (224). 167 So Weiler I Lockhart, CMLRev 1995, 51 (64). 168 Vgl. Ruffert, EuGRZ 1995,518 (527). 159 160
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Im Ergebnis kann daher festgehalten werden, daß die Gemeinschaftsgrundrechte die Mitgliedstaaten bindet, soweit materiell Gemeinschaftsrecht angewendet oder durchgeführt wird 169 . Eine andere (hier nicht zu beantwortende) Frage ist, ob die Gemeinschaftsgrundrechte die nationalen Rechte vollständig verdrängen oder nur dort zur Anwendung kommen, wo der nationale Grundrechtsstandard unter dem des Gemeinschaftsrechts liegt 170. Die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Gemeinschaftsgrundrechte läßt sich auch in der Rechtsprechung des EuGH nachzeichnen 171. In den Entscheidungen Klensch und Wachauf hat der EuGH bestätigt, daß die Gemeinschaftsgrundrechte die Mitgliedstaaten auch dann binden, wenn sie Gemeinschaftsrecht durchführen 172 • In der ERT-Entscheidung führt er aus: "Fällt eine solche (nationale) Regelung dagegen in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts, so hat der Gerichtshof, wenn er im Vorabentscheidungsverfahren angerufen wird, dem vorlegenden Gericht alle Auslegungskriterien an die Hand zu geben, die es benötigt, um die Vereinbarkeit dieser Regelung mit den Grundrechten beurteilen zu können, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat und die sich insbesondere aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergeben 173." Im kurz darauf ergangenen Urteil zur Zulässigkeit des irischen Verbots zur Verbreitung von Informationen über Abtreibungsmöglichkeiten in England führte der Gerichtshof unter Bezugnahme auf ERT aus: "Dagegen besitzt er diese Zuständigkeit nicht hinsichtlich einer nationalen Regelung, die nicht in den Bereich des Gemeinschaftsrechts fällt 174 ." Schließlich entschied der EuGH im Urteil vom 8. April 1992, daß mitgliedstaatliche Maßnahmen im Lichte der Gemeinschaftsgrundrechte auszulegen seien, 169 So im Ergebnis auch Bleckrnann/Pieper, in: Dauses, B 1. Rn. 115 f., 129, 149; Gersdorf, DVBI. 1994,674 (678); Klein, VVDStRL 50 (1991), 56 (83); Pemice, NJW 1990,2409 (2417); ders.1 Kadelbach, DVBI. 1996, 1100 (1111); Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 189 ff.; ders.lGellermann/Middeke, Rechtsschutz in der EU, Rn. 980 ff.; Ruffert, ebda; Temple Lang, LIEI 1991/2,23 (30); ders., ELR 1997,3 (ll); a.A. Hilf, Europäisches Verwaltungsrecht im Werden, S. 67 ff. 170 Siehe dazu unten 3. Teil B. 11. 2. b). Zur Frage, in welchem Umfang mitgliedstaatliches Handeln insgesamt (insbesondere im Bereich der Ausnahmeregelungen zu den Grundfreiheiten) an den EG-Grundrechten gemessen werden kann, siehe Ruffert, EuGRZ 1995, 518 (528 f.); Temple Lang, ELR 1997,3 (10 ff.); sowie Jürgensen 1Schlünder, AöR 121 (1996), 200 (221 ff.), die die Reichweite der Gemeinschaftsgrundrechte parellel zur Reichweite der Kompetenz der Gemeinschaft ziehen; ähnlich auch Schweitzer 1Streinz, RIW 1984, 39 (48), Fn. 81. Dieser Ansatz birgt jedoch erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten und droht damit mitgliedstaatliche Kompetenzen über Maß auszuhöhlen. 171 Zur Rechtsprechung siehe Ruffert, EuGRZ 1995,518 (520 ff.) und Weiler/Lockhart, CMLRev 1995,51 ff., die sich mit der Kritik von Coppell Q'Neill, CMLRev 1992,669 ff. an der EuGH-Rechtsprechung auseinandersetzen. 172 EuGH, verb. Rs. 201 u. 202/85, -Klensch-, Sig. 1986, 3477 (3507 f.); Rs. 5/88, Wachauf-, Sig. 1989,2609 (2639 f.); ebenso Rs. C-2/92, -Bostock-, Sig. 1994-1,955 (983 f.). 173 EuGH, Rs. C-260/89, -ERT-, Sig. 1991-1,2925 (2964). 174 EuGH, Rs. C-159/90, -The Society for the Protection of Unborn Children-, Sig. 1991I, 4685 (4741).
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"wenn sich ein Mitgliedstaat auf Vertragsbestimmungen beruft, um eine nationale Regelung zu rechtfertigen 175 ." Eine Bindung der Mitgliedstaaten an die Grundrechte will der EuGH somit zumindest dann annehmen, wenn es um die Durchführung von Gemeinschaftsrecht oder zu rechtfertigende Einschränkungen von Grundfreiheiten geht.
(bb) Die gemeinschaftliche Grundrechtsbindung und effektiver Rechtsschutz Es nicht daran zu zweifeln, daß der EuGH, der in seiner bisherigen Rechtsprechung einen Grundrechts- und Rechtsschutzstandard entwickelt hat, der im wesentlichen dem Grundrechtsschutz der Mitgliedstaaten gleichwertig ist 176 , seine Aufgabe zur Sicherung dieses Rechtsschutzstandards weiter ernst nehmen wird. Im Gutachten vom 28. 3. 1996 über den Beitritt der Gemeinschaft zur EMRK hat der EuGH zu dieser Aufgabe ausgeführt: ,,Nach ständiger Rechtsprechung gehören die Grundrechte zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat. Dabei läßt sich der Gerichtshof von dem gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten sowie von den Hinweisen leiten, die die völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Menschenrechte geben, an deren Abschluß die Mitgliedstaaten beiteiligt waren oder denen sie beigetreten sind. In diesem Rahmen kommt der Konvention, wie der Gerichtshof ausgeführt hat, besondere Bedeutung zu ( ... )177." Zum EG-Grundrechtskatalog gehört auch die Verbürgung eines effektiven Rechtsschutzes 178. Der Zugang zu Gericht und die Begründungspflicht für ablehnende oder entziehende Verwaltungsentscheidungen ist nicht nur ein Recht, das sich aus Art. 6 und 13 EMRK sowie der Praxis der mitgliedstaatlichen Verfassungen entnehmen läßt l79 . Es liegt auch den Grundfreiheiten zugrunde l80 . In der Rechtssache Heylens führt der EuGH dazu aus: "Der freie Zugang zum Beruf ist ein Grundrecht, das jedem Arbeitnehmer der Gemeinschaft individuell vom Vertrag verliehen ist; die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes hängt wesentlich davon ab, daß Entscheidungen einer innerstaatlichen Behörde, durch die die Gewährung dieses Rechts verweigert wird, vor Gericht angefochten werden kann 181 ." Wegen der gemeinschaftsweiten Bedeutung, die der Zulassung sowie deren Entzug gemäß den Richtlinienbestimmungen zukommt, haben die MitgliedEuGH, Rs. C-62/90, -Kommission I Deutschland-, Sig. 1992-1,2575 (2609). Vgl. BVerfGE 73,339 (387) - Solange 11; kritisch Huber, Recht der Europäischen Integration,S.1I1 ff.; ders., EuZW 1997,517 (520f.). 177 EuGH, -Gutachten 2 I 94-, Sig. 1996-1, 1759 (1789); dazu Vedder, EuR 1996, 309 ff. 178 Pernice, in: Grabitz 1 Hilf, Art. 164 Rn. 87 a (Stand: Mai 1995). 179 Ebda. 175
176
180 Siehe etwa EuGH, Rs. 222/84, -Johnston-, Sig. 1986, 1651 (1682); Rs. C-340/89, Vlassopoulou-, Sig. 1991-1,2357 (2385); 181 EuGH, Rs. 222/86, -Heylens-, Sig. 1987,4097 (4117).
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
staaten infolgedessen dafür Sorge zu tragen, daß gegen die Entscheidung Rechtsmittel eingelegt werden kann. Der Rechtsschutz gegenüber den Entscheidungen ist daher gemeinschaftsrechtlich verbürgt '82 . Vom Schutzbereich der Garantie des effektiven Rechtsschutzes wird dagegen nicht das Recht umfaßt, sowohl im Herkunftsmitgliedstaat als auch im Bestimmungs- bzw. Aufnahmemitgliedstaat nach Rechtsschutz suchen zu können l83 . Es wird allein die Effektivität des Rechtsschutzes verbürgt. Diese wird gewährleistet, wenn der betreffende Bürger vor den Gerichte des Herkunftsmitgliedstaats Rechtsschutz erlangen kann l84 . Im Ergebnis läßt sich daher feststellen, daß die Regelung den Anforderungen der Rechtsstaatlichkeit auf Gemeinschaftsebene genügt. Die von außen auf einen Mitgliedstaat einwirkenden Zulassungsentscheidungen mögen zwar nicht an die inländische Grundrechtsordnung, sondern nur an die Rechtsordnung der die Zulassung erteilenden Behörde gebunden sein. Angesichts der Bindung an die EGGrundrechte und der Gewährleistung eines Rechtsschutzstandards, der im wesentlichen dem Grundrechtsschutz der Mitgliedstaaten gleichwertig ist, bestehen allerdings aus rechtsstaatlicher Sicht keine Bedenken. Die Zulässigkeit transnationaler Verwaltungsakte in der EG hängt daher von der Sicherstellung dieses gemeinschaftlichen Rechtsschutzniveaus ab 185 .
(b) Das Problem der Inländerdiskriminierung Die europaweite Lizenzierung berührt mittelbar auch das Problem der Inländerdiskriminierung l86 . Die Richtlinien gestatten nämlich, daß die Mitgliedstaaten für die Zulassungsvoraussetzungen über den Mindeststandard hinausgehende Anforderungen stellen können, die wiederum von den Mitgliedstaaten gegenseitig anerkannt werden. Folge der "single-licence" ist es daher, daß innerhalb der Gemeinschaft Unternehmen tätig sind, die unterschiedlichen Anforderungen unterliegen. Finanzdienstleistungsinstitute, die eine Zulassung im Herkunftsmitgliedstaat für das gesamte Gemeinschaftsgebiet besitzen, können dann alle Finanzdienstleistungen erbringen, soweit die Richtlinie und das Recht des Herkunftsmitgliedstaats es erlauben. Hingegen können die Institute des Bestimmungs- oder Aufnahmemit182 Eine umfassende Rechtsschutzgarantie gegenüber allen Entscheidungen, die Rechtsund Verwaltungsvorschriften beruhen, welche wiederum auf die Finanzmarktaufsichtsrichtlinien zurückgehen, wird teilweise direkt in den Richtlinienbestimmungen verankert: siehe z. B. Art. 50 der 3. Schaden-RL; Art. 56 der 3. Leben-RL; Art. 26 der WDRL. 183 Vgl. für Art. 19 Abs. 4 GG BVerfGE 58, I (42); 63, 343 (378). 184 I.E. ebenso Neßler, S. 94; vgl. auch Groß, JZ 1994, 596 (603). 185 Diesen Ansatz verkennt Neßler, S. 87 ff., da er von der unrichtigen Prämisse ausgeht, daß es sich hier um eine Übertragung von Hoheitsrechten auf einen ausländischen Staat handelt, vgl. unten 2. Teil B. I. c) aa) (1). 186 Zu diesem Problem umfassend Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen (1995).
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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gliedstaats an strengere Vorschriften ihres nationalen Aufsichtsrechts gebunden sein. Wegen der möglichen Wettbewerbs verzerrung stellt sich daher das Problem der discrimination arebours. Es bestehen schon Zweifel, ob die Furcht der Mitgliedstaaten vor einer Wettbewerbsverzerrung und einer Absenkung des Schutzniveaus begründet ist 187 . Jedenfalls aus (gemeinschafts-)rechtlicher Sicht sind solche -bewußt in Kauf genommenen - Ungleichheiten unbeachtlich. Die Ungleichbehandlung geht nämlich nicht vom EG-Gesetzgeber aus 188 . Zwar läßt sich insofern eine Kausalbeziehung zwischen der schärferen Umsetzung der Richtlinien und Gemeinschaftsregelung herstellen, als jene in Ausnutzung der von der Richtlinie gebotenen Freiräume ergehen. Jedoch ist der entscheidende Anknüpfungspunkt immer erst die konkrete rechtliche Ausgestaltung durch den nationalen Gesetzgeber 189. Die Richtlinien bleiben neutral. Das wird deutlich, wenn man sich vorstellte, daß alle Mitgliedstaaten im gleichen Umfang eine strengere Umsetzung der Richtlinien vornehmen würden. Eine Benachteiligung von Wirtschaftsteilnehmern entstünde nicht. Auch im übrigen werden solche Inländerdiskriminierungen nicht vom Gemeinschaftsrecht erlaßt. Die Richtlinien weisen nur noch dem Sitzland die Befugnis zu, die Zulassungsvoraussetzungen für die Unternehmen mit Sitz in diesem Staat zu regeln. Der Aufnahmemitgliedstaat ist für die Regelung der Zulassungsvoraussetzungen EG-ausländischer Unternehmen nicht mehr zuständig. Er darf gar nicht mehr differenzieren. Tut er es doch, verstößt er gegen die sog. Sperrwirkung l90 der Richtlinie, nach der es den Mitgliedstaaten auf einem abschließend von EG-Vorschriften geregelten Gebiet verboten ist, neue, divergierende nationale Gesetze zu erlassen. Es geht daher lediglich um eine mögliche Wettbewerbsverzerrrung, die daraus resultiert, daß verschiedene Rechtsordnungen für ihren Regelungsbereich unterschiedliche Anforderungen stellen. Solche Diskriminierungen werden jedoch nach ständiger Rechtsprechung des EuGH 191 vom Regelungsanspruch des Gemeinschaftsrechts nicht erlaßt. So führt der EuGH in der Wilhe1m-Entscheidung aus: "Das Diskrimierungsverbot umfaßt nicht Unterschiede in der Behandlung und Verzerrung, die sich für die dem Gemeinschaftsrecht unterstehenden Personen und Unternehmen aus Unterschieden zwischen den Rechsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten ergeben, sofern diese Rechtsordnungen auf alle ihrer Herrschaft unter187 Zumindest für den Lebensmittelbereich haben sich nach Streinz, WiVerw 1993, 1 (44, 63), die Befürchtungen als unbegründet erwiesen. Vgl. auch Langer, ZG 1993, 193 (202 f.). 188 In diese Richtung aber Burmester, S. 36. 189 Vgl. Epiney, Umgekehrte Diskriminierung, S. 9 f.; Miersch, S. 125. 190 So H.P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 701 f. Die Sperrwirkung läßt sich aus Art. 189 Abs. 3 EGVableiten, der den Inhalt einer Richtlinie nicht nur für die Gegenwart, sondern auch für die Zukunft verbindlich festlegt. Vgl. auch Pipkorn, in: BI BI PIS, S. 380 f. 191 EuGH, Rs. 115/78, -Knoors-, Slg. 1979, 399 (410); Rs. 175178, -Saunders-, Slg. 1979,1129 (1135); Rs. 35, 36/82, -Morson-, Slg. 1982,3723 (3736). Ebenso die Literatur: statt vieler von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Art. 6 Rn. 54 (Stand: Sept. 1994); Kischel, EuGRZ 1997, I (9); Schöne, RIW 1989, 450 (451); Zuleeg, in: GI T 1E, Art. 6 Rn. 7.
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
worfenen Personen und Unternehmen nach objektiven Merkmalen und ohne Rücksicht auf Staatsangehörigkeit der Betroffenen anwendbar sind 192 ." Auch wenn man mit der hier vertretenen Aufassung 193 davon ausgeht, daß die Grundfreiheiten prinzipiell auch ein Beschränkungsverbot enthalten, werden Benachteiligungen, die aus unterschiedlichen Regelungen in verschiedenen Rechtsordnungen resultieren und kein grenzüberschreitendes Element aufweisen, d. h. nur rein innerstaatliche Sachverhalte betreffen, nicht als Beschränkungen der Dienst- oder Niederlassungsfreiheit erfaßt l94 . Die Koexistenz unterschiedlicher Regelungen in verschiedenen Hoheitsgebieten ist lediglich Ausdruck des Anerkennungsprinzips und eines föderativen Systems l95 . Sie wird vom Subsidiaritätsgrundsatz gern. Art. 3 b Abs. 2 EGV bekräftigt. Diese "Ungleichheiten" können allenfalls auf der nationalen Ebene auf verfassungsrechtliche Grenzen stoßen l96 .
(c) Das Problem des Demokratiedefizits Möchte ein spanisches Finanzdienstleistungsunternehmen in Deutschland Dienstleistungen erbringen oder eine Niederlassung errichten, haben die deutschen Aufsichtsbehörden die Entscheidung der spanischen Aufsichtsbehörden über die Erteilung der Betriebserlaubnis unmittelbar zu beachten und können das Fehlen einer eigenen Zulassung nicht entgegenhalten. Die spanische Zulassungsentscheidung bindet daher die deutsche Gewalt innerhalb des deutschen Hoheitsgebiets. Eine personelle Legitimationsteilhabe des deutschen Volkes an der Ausübung der Hoheitsgewalt durch die spanischen Behörden läßt sich dabei nicht konstruieren 197. Dieses personelle Demokratiedefizit findet sich in allen demokratisch verfaßten Mitgliedstaaten der Gemeinschaft. Es stellt sich die Frage, ob diesem Legitimationsmangel höherrangige Gemeinschaftsgrundsätze entgegenstehen. In der EG liegt die Rechtssetzungsbefugnis in erster Linie bei dem mit Regierungsvertretern der Mitgliedstaaten beschickten Organ, dem Rat und daneben bei der Kommission, nicht aber bei dem Europäischen Parlament. Aus diesem Grunde 192 EuGH, Rs. 14/68, -Wilhelm-, Sig. 1969, I (16); vgl. auch EuGH, verb. Rs. C-92/92 u. C-326/92, -Phil Collins und CliffRichard-, Sig. 1993-1,5145 (518\). 193 Siehe oben I. Teil C. I. 194 Vgl. EuGH, Rs. C-384/93, -Alpine Investments-, Sig. 1995-1, 1141 (1175). Vgl. aber auch Bleckmann, RIW 1985,917 (918 ff.); Lackhoff/Raczinski, EWS 1997, \07 ff. 19S Siehe von Danwitz, S. 416 mit Hinweis auf Isensee, Einheit in Ungleichheit: Der Bundesstaat, in: Bohr (Hrsg.), Föderalismus - Demokratische Struktur für Deutschland und Europa, 1992, S. 139 ff. 196 Maßstabsnormen der deutschen Verfasssung für den Fall der Inländerdiskriminierung sind Art. 12 Abs. I GG und Art. 3 Abs. I GG. Die Anwendung des Gleichheitssatzes scheidet jedoch in diesen Fällen aus, weil keine Regelungen durch einen Hoheitsträger vorliegen, vgl. Huber, Recht der Europäischen Integration, S. 174 ff.; Lackhoffl Raczinski, EWS 1997, 109 (116 f.); ausführlich Epiney, Umgekehrte Diskriminierung, S. 343 ff. 197 Siehe oben 2. Teil B. I. e) dd).
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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werden zu Recht die demokratischen Legitimationsstrukturen auf Gemeinschaftsebene moniert l98 . Unklarheit besteht allerdings, ob diese Bedenken gegenüber einem europäischen oder allein gegenüber einem nationalen Demokratieprinzip erwachsen 199. Spätestens seit der Direktwahl des Europäischen Parlaments wird auf Gemeinschaftsebene vorsichtig von einem europäischen Demokratieprinzip gesprochen 2OO . Der EuGH hat in diesem Zusammenhang die Stellung des Europäischen Parlaments in den Verträgen unterstrichen 201 . Ein genauere Analyse der neueren Entscheidungen zeigt indes, daß es dem EuGH lediglich darauf ankam, daß die vertraglichen Abgrenzungen der Organkompetenzen beachtet und eingehalten werden 202 . In den neueren Entscheidungen spricht der EuGH auch nicht mehr von einem demokratischen Prinzip, sondern vom "Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts,,203. In der Präambel des Unionsvertrags heißt es lediglich, daß die Mitgliedstaaten ein Bekenntnis ablegen zu den Grundsätzen der Demokratie204 . Sicher ist hingegen, daß im Hinblick auf die mangelnde Staatsqualität der Gemeinschaft und ihre mitgliedstaatliche Anbindung (Mitgliedstaaten als "Herren der Verträge") ein nationales Legitimationsbedürfnis besteht. Zum gegenwärtigen Integrationsstand ist davon auszugehen, daß allein die Mitgliedstaaten das Fundament der Gemeinschaft bilden 205 . Maßstab für die Rechtfertigung demokratischer Legitimationsstrukturen in der Gemeinschaft sind weiterhin die mitgliedstaatlichen demokratischen Grundsätze 206 . Lösungen zur Kompensierung des Defizits sind allein in den nationalen Verfassungen zu suchen 207 . Zwar hat das BVerfG anerkannt, daß dem Europäischen Parlament bei der demokratischen Legitimation eine "stützende Funktion" zukäme, die auch noch ausbaufähig wäre 208 , beispielsweise dann, wenn Siehe die Nachweise 2. Teil Fn. 116. Vgl. auch Doehring, DVBI. 1997, 1133 (1133,1135 ff.). 200 Vgl. Bleckmann, Europarecht, Rn. 325 ff.; dens., Das Demokratieprinzip in der EG, S. 159 ff.; Zuleeg, JZ 1993, 1069 (1069 ff., 1072). 201 EuGH, Rs. 138179, -Roquette Freres- , Slg. 1980,3333 (3360); Rs. 139179, -Maizena-, Slg. 1980, 3393 (3424). 202 EuGH, Rs. C-70/88, -Parlament/Rat -, Slg. 1990-1,2041 (2072); a.A. Zuleeg, ELR 1997,19 (21). 203 Ebda. 198
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Abs. 1 der Präambel des EUV. Klein, Vereinheitlichung, S. 116 (129); vgl. auch dens., EuR 1987, 97 ff.; Streinz, DVBI. 1990,949 (958 ff.) 206 Vgl. Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 Abs. 1 Rn. 114 (Stand: Sept. 1980); Kraußer, S. 29; Streinz, a. a. 0.; dens., Europarecht, Rn. 282; a.A. Bleckmann, Europarecht, Rn. 325 ff. Dies bedeutet jedoch nicht, daß ein gemeinschaftsrechtliches Legitimationsprinzip eine andere, als eine demokratische Grundlage haben kann. Dies wird von der demokratischen Verfassungstruktur der Mitgliedstaaten sogar zwingend nahegelegt, so richtig Klein, EuR 1987,97 (100 f.). '207 Vgl. Streinz, DVBI. 1990,949 (961); ders. Europarecht, Rn. 283 f.; a.A. Steinberger, VVDStRL 50 (1991),9 (42). 208 So BVerfGE 89, 155 (186) - Maastricht. 204 205
6 Royla
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
bei der Wahl zum Europäischen Parlament der Grundsatz der Gleichheit der Wahl verwirklicht würde 209 • Die zentrale Rolle bei der Vermittlung demokratischer Legitimation verbliebe jedoch den mitgliedstaatlichen Parlamenten21O • Über das Prinzip der begrenzten Ermächtigung erlangt das Demokratieprinzip der Mitgliedstaaten auf Gemeinschaftsebene jedoch mittelbare Bedeutung. Denn, wenn in der Zustimmung der nationalen Parlamente zu den Integrationsgesetzen die demokratische Legitimierung wurzelt, bedeutet dies auf Gemeinschaftsebene, daß diese gesichert wird, wenn das Prinzip der begrenzten Ermächtigung eingehalten wird211 . Dem Prinzip der begrenzten Ermächtigung kommt insoweit aus mitgliedstaatlicher Sicht legitimationssichernde Wirkung zu. Der vom EuGH angesprochene Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts 212 ist nicht anderes als eine Ausprägung dieses Prinzips 213. Ist die Richtlinienregelung, wie oben festgestellt wurde, von der Ermächtigungsnorm des Art. 57 EGV gedeckt, ergeben sich demzufolge aus Gründen der demokratischen Legitimation keine gemeinschafts( -verfassungs)rechtlichen Bedenken.
cc) Zwischenergebnis Es kann festgehalten werden, daß die Einführung der "single-licence" nicht gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht verstößt. Art. 57 EGV ist als ausreichende Ermächtigung für die Einführung des Instituts der "single-licence" anzusehen. Die dem Ziel der Marktöffnung untergeordnete Auslegung der Vorschrift entspricht der inneren Logik des auf dem Anerkennungs- bzw. Herkunftslandprinzip beruhenden Binnenmarktkonzepts.
b) Völkerrecht versus Gemeinschaftsrecht
Die Erteilung einer Betriebszulassung für das Inland durch einen ausländischen Staat ist vorbehaltlich einer Zustimmung völkerrechtlich unzulässig214 • Wertet man die nationale Umsetzung der Richtlinien als Zustimmung der betroffenen 209 Zu dieser Voraussetzung einer demokratisch-parlamentarischen Repräsentation Klein, EuR 1987,97 (103). 210 BVerfG, ebda. Ebenso Pitschas, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1994, 503 (514); Streinz, ebda. 211 Vgl. BVerfGE 89, 155 (184, 188) -Maastricht; aus der Literatur Kraußer, S. 29 f. m.w.N; ähnlich Triantafyllou, Vom Vertrags- zum Gesetzesvorbehalt, S. 54 f. 212 EuGH, Rs. C-70/88, -Parlament I Rat-, Slg. 1990-1,2041 (2072); Rs. C-65193, -Parlamentl Rat-, Slg. 1995-1, 643 (668). 213 Zu den verschiedenen Funktionen des Prinzips der begrenzten Ermächtigung Kraußer, S. 26 ff. 214 Siehe oben 2. Teil B. I. b) aa).
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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Staaten, dann bestehen aus völkerrechtlicher Sicht keine Bedenken. Jedoch ist zu berücksichtigen, daß die Umsetzung aufgrund eines gemeinschaftsrechtlichen Befehls erfolgt. Im Fall der unmittelbaren Wirkung der Richtlinie äußert der Mitgliedstaat keinen oder sogar einen entgegengesetzten Willen. Der nationale Ausführungs akt ist allerdings ohne Belang, wenn das Gemeinschaftsrecht das Völkerrecht verdrängt. In diesem Zusammenhang ist somit zunächst der Frage nach der Geltung des allgemeinen Völkerrechts im innergemeinschaftlichen Raum nachzugehen. Das Verhältnis zwischen dem allgemeinen Völkerrecht und dem Gemeinschaftsrecht ist noch nicht abschließend geklärt 215 • In der vorliegenden Untersuchung bleiben allgemeine Fragen, die die Rechtsqualität der Gemeinschaft 216 und die Anwendung von völkerrechtlichen Regelungen im Geltungsbereich der Gemeinschaft 217 betreffen, ausgeklammert. Ins Zentrum rückt allein die Frage, ob das allgemeine Völkerrecht in den vom Gemeinschaftsrecht regierten Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten gilt. Für diejenigen, die eine reine integrationsrechtliche Auffassung vertreten, besteht aufgrund der Eigenständigkeit des Gemeinschaftsrechts kein Raum zur Anwendbarkeit von Völkerrecht, sofern es um innergemeinschaftliche Beziehungen geht 218 . Diese Sichtweise ist indes abzulehnen. Mangels normativer Verankerung einer Loslösung des Gemeinschaftsrechts ist davon auszugehen, daß die Mitgliedstaaten die "Herren der Verträge" sind219• Die Anwendung völkerrechtlicher Grundsätze auf die innergemeinschaftlichen Beziehungen ist daher grundsätzlich weiterhin denkbar22o• Andererseits ist man sich einig, daß im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten das Völkerrecht soweit verdrängt wird, wie eigene Regeln des Gemeinschaftsrechts zum Tragen kommen 221 . Dies ist sinnvoll. Denn sonst könnte sich ein Mitgliedstaat, der sich einem Hoheitsakt mit "extraterritorialer" Wirkung gegenübersieht, auch dann auf das Interventionsverbot berufen, wenn der Mitgliedstaat, der den Akt gesetzt hat, einer Gemeinschaftspflicht nachkommt 222 • Eine 215 Vgl. allgemein Bleckmann, Europarecht, Rn. 624 ff.; Schwarze, EuR 1983, I ff.; Streinz, Europarecht, Rn. 107 ff. 216 Dazu etwa Bleckmann, DÖV 1978,391 ff.; Everling, FS Mosler, S. 172 ff. 217 Dazu insbesondere Schwarze, EuR 1983, I ff. 218 Diese Auffassung wird z. B. vertreten von Everling, FS Mosler, S. 172 (176); H.P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 61 f. Auch der EuGH vertritt die These einer von den völkerrechtlichen Gründungsverträgen losgelösten Rechtsordnung, grundlegend Rs. 261 62, -van Gend & Loos-, Slg. 1963 S. I (25) und Rs. 6/64, -Costa/E.N.E.L.-, Sig. 1964, S. 1251 (1269 f.). 219 Streinz, Europarecht, Rn. 107 ff.; siehe auch die Nachweise oben 2. Teil Fn. 101. 220 Bleckmann, Europarecht, Rn. 624 ff.; Meng, Das Recht der internationalen Organisation - eine Entwicklungsstufe des Völkerrechts (1979), passim; Streinz, Europarecht, Rn. 107 ff. 221 Arnold, FS Küchenhoff, S. 165 (165 f.); Bleckmann, Europarecht, Rn. 627; Schwarze, EuR 1983, 1(5); vgl. auch Vedder, in: Grabitz/Hilf, Art. 228 (1986) Rn. 43.
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
Ausnahme ist wohl nur dort zu machen, wo das allgemeine Y6lkerrecht zwingend ist (ius cogens)223. Im Ergebnis kann daher festgehalten werden, daß die Intention des Mitgliedsstaates, der die Richtlinie umsetzt, ohne Belang ist, sofern sich der Gemeinschaftsbefehl im Geltungsbereich der Gemeinschaftsverträge bewegt. Im Hinblick auf die Einführung der "single-licence" bedeutet dies, daß entgegenstehendes Y6lkerrecht vom Gemeinschaftsrecht verdrängt wird.
c) "Single-licence" und deutsches Verfassungsrecht
aa) Prüfungsgegenstand und Maßstab Der "single-licence" ist eine Mischnatur eigen. Einerseits ist sie formell rein nationaler Natur, andererseits leitet sie materiell ihre transnationale Wirkung vom Gemeinschaftsrecht ab. Infolgedessen ist sowohl das Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht als auch das Problem der "Überwirkung,,224 ausländischer Hoheitsgewalt auf das Inland betroffen. Gemeinsamer (formeller) Geltungsgrund der Vorrangs- sowie Überwirkung ist der nationale Umsetzungsakt, d. h. die Änderungsgesetze zu den deutschen Aufsichtsgesetzen, in die die Regelung integriert worden ist225 . Sie sind somit in erster Linie Gegenstand der verfassungsrechtlichen prüfung 226 . Maßstab der Prüfung ist die deutsche Verfassung, das Grundgesetz 227 . Verstößt das Parlament bei der Umsetzung gegen Verfassungsvorschriften, sind die Umset-
Vg!. Bleckrnann, Europarecht, Rn. 636. Bleckmann, Europarecht, Rn. 643. 224 Diesen Begriff verwendet Neumayer, Internationales Verwaltungsrecht IV, S. 169. 225 Drittes Gesetz zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften (Drittes Durchführungsgesetz/EWG zum VAG) vom 21. Juli 1994, BGB!. I 1994, S. 1630 (umgesetzt durch § 110 a VAG); Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen (4. KWG-ÄndG) vom 21. Dezember 1992, BGB!. I 1992, S. 2211 (umgesetzt durch § 53 b KWG); Durchführungsgesetz zur Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (93/221EWG): Teilweise durch das Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz) vom 26. Juli 1994, BGB!. I, S. 1749 (umgesetzt durch § 2 Abs. 4 WpHG i.V.m. § 53 b KWG). 226 Wahrend man bisher davon ausging, daß nur Maßnahmen der deutschen öffentlichen Gewalt der deutschen Judikatur unterliegen (so noch BVerfGE 58, I, 27), geht das BVerfG im Maastricht-Urteil in ausdrücklicher Abweichung seiner Rechtsprechung davon aus, daß auch Akte der Gemeinschaftsorgane selbst unmittelbar zum Gegenstand verfasssungsgerichtlicher Kontrolle gemacht werden können (E 89, 155, 175). 227 Vom 23. 5. 1949 (BGB!. S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. 11. 1995 (BGB!. I S. 1492). 222 223
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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zungsakte grundsätzlich nichtig. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, daß im Falle der Nichtigkeit des Umsetzungsgesetzes die unmittelbar wirkende Richtlinie den nationalen Umsetzungsakt als Geltungsgrund ersetzen kann. Dies deutet darauf hin, daß der Maßstab für die Einführung der ..single-licence" gemeinschaftsrechtlich ausgerichtet sein muß. Die Verfassung sieht als Maßstabsnonn für die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Gemeinschaft Art. 24 Abs. 1 GG bzw. nunmehr Art. 23 GG vor. Diese Vorschriften erlauben ..Verfassungsdurchbrechungen,,228 bis zu den Grenzen der Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG. Der Maßstab des Art. 24 Abs. 1 bzw. Art. 23 GG kann allerdings unmittelbar nur herangezogen werden, wenn es um eine Übertragung von Hoheitsrechten geht. Wird Gemeinschaftsrecht vollzogen, soll ein ähnlicher Maßstab gelten 229 . Lediglich dann, wenn es weder um gemeinschaftsrechtlichen Vollzug noch um eine Übertragung i. S. d. Vorschriften geht, ist gern. Art. 1 Abs. 3 GG der Grundgesetzmaßstab ohne Relativierungen heranzuziehen.
(J)
Übertragung von Hoheitsrechten auf ausländische Staaten
Neßler vertritt die Ansicht, daß die Umsetzungs akte zu den EG-Richtlinien den ausländischen Mitgliedstaatsbehörden das Recht einräumen, Hoheitsgewalt auf deutschem Territorium auszuüben, und somit Hoheitsrechte übertragen werden 23o . Die EG-ausländischen Aufsichtsbehörden übten insofern in Deutschland Hoheitsgewalt aus, als deren Entscheidungen unmittelbar gälten und Unternehmen berechtigten, auf deutschem Hoheitsgebiet tätig zu werden. Unter Annahme dieser Prämisse stellte sich sogleich die Frage, ob das Grundgesetz eine Übertragung von Hoheitsrechten auf ausländische Staaten zuläßt. Es ist indes schon zweifelhaft, ob überhaupt eine Übertragung von Hoheitsrechten vorliegt. Der Begriff der .. Übertragung von Hoheitsrechten" in Art. 24 Abs. 1 bzw. Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG gilt als sprachlich mißglückt 231 • Allgemein wird unter ..Hoheitsrechten" die Ausübung öffentlicher Gewalt im innerstaatlichen Bereich verstanden 232 . Einigkeit besteht auch insoweit, als daß das entscheidende Kriterium für eine Übertragung von Hoheitsrechten der Durchgriff in den staatli228 Zum Problem der Qualifizierung der von den Art. 24 Abs. I GG bzw. Art. 23 Abs. I GG gesetzten Grenzen, vgl. Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 24 Abs. I Rn. 68 ff. (Stand: Dez. 1992). 229 Vgl. Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 24 Abs. I Rn. 129 ff. (Stand: Dez. 1992); Streinz, Grundrechtsschutz, S. 271. 230 Neßler, S. 79 f. 231 Dazu eingehend Rauser, Die Übertragung von Hoheitsrechten, S. 15 ff.; vgl. auch zu Art. 24 GG Mosler, in: Isenseel Kirchhof, HStR VII, § 175, Rn. 28 ff.; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 24 Rn. 12 ff.; zu Art. 23 GG Streinz, in: Sachs, GG, Art. 23 Rn. 52 ff. 231 Streinz, in: Sachs, GG, Art. 23 Rn. 53.
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ehen Hoheitsbereich ist233 . Folge der Übertragung ist, daß die Rechtsakte des Übertragungsempfangers unmittelbar, d. h. ohne staatlichen Koorparationsakt, verpflichtend und berechtigend wirken. Der Übertragungsakt ist dabei nicht gegenständlich zu verstehen. Das BVerfG formuliert zutreffend, daß die deutsche Rechtsordnung derart geöffnet wird, "daß der ausschließliche Herrschaftsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich des Grundgesetzes zurückgenommen und der unmittelbaren Geltung und Anwendbarkeit eines Rechts aus anderer Quelle innerhalb des staatlichen Herrschaftsbereichs Raum gelassen wird 234 ." Mit den deutschen Umsetzungsgesetzen wird den zuständigen Behörden im Ausland ermöglicht, unmittelbar Hoheitsgewalt auf deutschem Staatsgebiet auszuüben. Hierin aber gleichzeitig eine Übertragung von Hoheitsrechten i. S. d. Art. 24 Abs. I GG bzw. Art. 23 Abs. I Satz 2 GG zu sehen, wäre verfehlt 235 . Denn dies würde bedeuten, daß allen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft jeweils Hoheitsrechte übertragen worden wären. Art. 24 Abs. I GG bzw. Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG lassen jedoch ausdrücklich nur eine zwischenstaatliche Einrichtung bzw. die Europäische Union als Übertragungsempfänger ZU 236 . Ob außerhalb der im Grundgesetz vorgesehenen Vorschriften eine Übertragung von Hoheitsrechten auf ausländische Staaten zulässig ist, ist äußerst zweifelhaft 237 . Der Gesetzgeber hat zwar mit der Einführung des Art. 24 Abs. I a GG die Möglichkeit der Übertragung von Hoheitsrechten auf grenznachbarschaftliehe Einrichtungen zugelassen 238 . Damit hat er aber zugleich zu erkennen gegeben, daß außerhalb der Übertragungsnormen (Art. 23 GG; Art. 24 Abs. 1 GG; Art. 24 Abs. la GG) eine Übertragung von Hoheitsrechten unzulässig ist. Zudem läßt sich nur mit dieser Auslegung erklären, weshalb ausnahmsweise eine unmittelbar wirkende Richtlinie Geltungsgrund der "single-licence" sein kann. Es wäre ein Paradoxon, die Umsetzung einer Richtlinie an Kriterien zu messen, die für die "Übertragung von Hoheitsrechten auf ausländische Staaten" gelten 233 BVerfGE 37, 271 (280) - Solange I; 73, 339 (374) - Solange 11; aus der Literatur Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 227 f.; Mosler, in: Isenseel Kirchhof, HStR VII, § 173 Rn. 19 ff.; Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 24 Abs. I Rn. 30 (Stand: Dez. 1992); Rauser, Übertragung von Hoheitsrechten, S. 72 ff., 109; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 23 Rn. 54; Tomuschat, in: BK, GG, Art. 24 Rn. 8 (Stand: 1981/1985). 234 BVerfGE 37, 271 (280); 58, I (28); 73, 339 (374). 235 So aber Neßler, S. 79 f.; vgl. auch Fahr, VersR 1992, 1033 (1035); Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 421, Fn. 131. 236 Zu Art. 24 Abs. I GG Mosler, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, § 173 Rn. 38; Scheuing, EuR Beiheft 1/ 1997,7 (17); Streinz, in: Sachs, GG, Art. 24 Rn. 20. 237 Dagegen: statt vieler Scheller, JZ 1992, 904 (909); Streinz, in: Sachs, GG, Art. 24 Rn. 20; Tomuschat, in: BK, GG, Art. 24 Rn. 44 (Stand: 1981/1985) m. w. N. Dafür: Neßler, S. 81 f.; Rauser, Übertragung von Hoheitsrechten, S. 246 ff., 276. 238 Dazu Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 24 Abs. I Rn. 195 ff. (Stand: Dez. 1992); Streinz, in: Sachs, GG, Art. 24 Rn. 37 ff. Zur Problematik vor Einführung der Art. 24 Abs. la GG siehe Beyerlin, Rechtsprobleme (der lokalen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit), S. 239 ff.
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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sollen 239, und andererseits die Richtlinie, die ausnahmsweise selbst Geltungsgrund sein kann, an denjenigen, die für unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht gelten 24o .
(2) Vollzug von Gemeinschaftsrecht Vielmehr geht es hier um Vollzug von Gemeinschaftsrecht. Der Befehl zur Einführung der "single-licence" geht von der Gemeinschaft aus. Auf diese (bzw. auf die Europäischen Gemeinschaften), und nicht auf die anderen Mitgliedstaaten, sind mit dem Integrationsgesetz Hoheitsrechte i. S. d. Art. 24 Abs. 1 GG I Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG übertragen worden. Die Gemeinschaft verfügt über Rechtssetzungsbefugnisse mit Durchgriffscharakter. Wenn nun die Gemeinschaft von diesen Befugnissen Gebrauch macht, und die Mitgliedstaaten Sekundärrecht umzusetzen haben, dann vollziehen diese nur das, wozu sie jene in den Gründungsverträgen ermächtigt haben. Geht es somit um Vollzug von "übertragenem" Recht, können die Normen, die die Grenzen für eine Übertragung von Hoheitsrechten statuieren, nicht unmittelbar herangezogen werden. Erst recht sind keine Grenzen zu suchen, die für eine Übertragung von Hoheitsrechten auf ausländische Staaten gelten, soweit man diese für zulässig hält 241 . Vielmehr erlangt Art. 24 Abs. 1 GG bzw. nunmehr Art. 23 Abs. 1 GG i.V.m. dem auf das Gemeinschaftsrecht verweisenden Rechtsanwendungsbefehl als Maßstab wieder Bedeutung242 .
(3) Nationaler Prüfungsmaßstab für den Vollzug von Gemeinschaftsrecht Wenn der deutsche Gesetzgeber Richtlinien umsetzt, werden deutsche Staatsorgane tätig. Vollziehen diese Gemeinschaftsrecht, sind sie nicht nur an Gemeinschaftsrecht, sondern auch an das deutsche Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG), insbesondere auch an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG)243. Damit unterliegen die nationalen Organe grundsätzlichen einer doppelten Bindung244 . Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß sich die Mitgliedstaaten für die europäische Integration geöffnet haben. Soweit Hoheitsrechte übertragen worden sind und verfassungsrechtVgl. dazu Rauser. Übertragung von Hoheitsrechten, S. 213 ff. Dies erkennt auch Neßler, S. 80, Fn. 15, ohne jedoch daraus die Konsequenzen zu ziehen. 241 So jedoch Neßler, S. 79 ff. 242 Vgl. Pernice, NJW 1990,2409 (2417); Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 24 Abs. I Rn. 134 ff. (Stand: Dez. 1992); Streinz, in: Sachs, GG, Art. 23 Rn. 49; dens., Bundesverfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz, S. 93 ff., 139. 243 Pernice, NJW 1990,2409 (2417); Huber, Recht der Europäischen Integration, S. 38; Randelzhofer. in: Maunz/Dürig, GG, Art. 24 Abs. 1 Rn. 135 (Stand: Dez. 1992); Streinz, Grundrechtsschutz, S. 83 ff. 244 Gersdorf, DVBI. 1994,674 (680); Jürgensen I Sch1ünder, AöR 121 (1996),200 (224); Pernice, NJW 1990,2409 (2417); Weiler I Lockhart, CMLRev 1995,51 (79). 239 240
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
lieh übertragen werden durften, ist die Ausübung von Hoheitsgewalt in den einzelnen Mitgliedstaaten anzuerkennen und dem Gemeinschaftsrecht insoweit Vorrang einzuräumen 245 . Sedes materiae ist der Rechtsanwendungsbefehl in Verbindung mit Art. 24 Abs. I GG bzw. Art. 23 Abs. I Satz 2 GG 246 . Von der Vorrangswirkung werden nicht nur die unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsakte, sondern auch alle nationalen Maßnahmen erfaßt, welche vom Gemeinschaftsrecht determiniert sind247 . Folge der Vorrangswirkung ist, daß das nationale Recht im Falle einer Kollision mit dem Gemeinschaftsrecht grundsätzlich unanwendbar ist ("Anwendungsvorrang,,)248. Die Bindung der Vollzugsorgane an die Verfassung wird in den Grenzen des Rechtsanwendungsbefehls in Verbindung mit Art. 24 Abs. I GG bzw. Art. 23 Abs. I Satz 2 re1ativiert 249 . . Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts gilt grundsätzlich auch im Verhältnis zu nationalem Verfassungsrecht. Letzteres bestimmt jedoch in Art. 24 Abs. I GG bzw. Art. 23 Abs. I GG die Grenzen der Reichweite des Rechtanwendungsbefehls 25o. Die innerstaatliche Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts wird somit nicht nur durch eine Kompetenzschranke (Grenze des "Übertragenen"), sondern auch durch eine integrationsfeste Grundgesetzschranke (Grenze des "Übertragbaren") begrenzt 251 . Das Bundesverfassungsgericht hat diese Grenze in Art. 24 Abs. I GG in den konstituierenden Strukturen der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland markiert, wie sie in Art. I und 20 GG verankert und durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützt sind252 . Dazu gehört auch der Kernbestand des Grundrechtsteils des Grundgesetzes, als zum Grundgefüge der geltenden Verfassung gehörendes Essentiale 253 . Diese durch die Rechtsprechung entwickelten Schranken sind im wesentlichen von Art. 23 Abs. I GG übernommen worden 254 . Streinz, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, § 182, Rn. 32. Vgl. BVerfGE 73, 339 (375); 75, 223 (244 f.); 85,191 (204); Pernice, NJW 1990,2409 (2417); Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 24 Abs. I Rn. 135 (Stand: Dez. 1992); Streinz, Grundrechtsschutz, S. 113. 247 Vgl. statt vieler Opperrnann, Europarecht, Rn. 523 ff. 248 Vgl. auch zuletzt BVerfG, EuZW 1995,277 (279). 249 Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 24 Abs. I Rn. 135 (Stand: Dez. 1992); ähnlich auch Pernice, NJW 1990,2409 (2417 f.); Streinz, in: Isensee/ Kirchhof, HStR VII, § 182, Rn. 32. 250 Gersdorf, DVBI. 1994,674 (678); Pernice, NJW 1990,2409 (2417); Streinz, Grundrechtsschutz, S. 93 ff.; ders., in: Isensee/ Kirchhof, HStR VII, § 182, Rn. 34. 251 Hirsch, NJW 1996, 2457 (2458); Huber, AöR 116 (1991), 210 (224 f.); Klein, VVDStRL, 50 (1991), 56 (69); Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 24 Abs. I, Rn. 136 f. (Stand: Dez. 1992). 252 Vgl. BVerfGE 73, 339 (375 f.) - Solange 11. 253 Vgl. BVerfGE, 73, 339 (386 f.) - Solange 11. 254 Trotz Positivierung des Grundgesetzvorbehaltes bestehen weiterhin Unklarheiten über die exakten Grenzen der Integrationsbestimmung, vgl. Ossenbühl, DVBI. 1993,629 (632), der "allgemeine Ratlosigkeit" konstatiert. Die Ansätze zur Bestimmung der "Grenze des Übertragbaren" reichen von der Gleichsetzung mit der "Ewigkeitsklausel" (z. B. Klein, 245 246
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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(4) Ergebnis
Soweit die deutschen Umsetzungsgesetze zu den Richtlinien im Hinblick auf einen Verstoß gegen höherrangige Grundsätze geprüft werden sollen, kommt sowohl ein Verstoß gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht als auch ein Verstoß gegen Verfassungsrecht in Betracht. Letzterer kann sich daraus ergeben, daß (a) die umsetzenden Richtlinien einer gemeinschaftlichen Kompetenz entbehren, (b) der Gesetzgeber hinsichtlich des nicht materiell gemeinschaftsrechtlich determinierten Teils der Richtlinien bei der Umsetzung gegen Verfassungsbestimmungen verstößt oder (c) die Schranken des Art. 24 Abs. I GG bzw. Art. 23 Abs. 1 GG verletzt. Da die Einführung der "single-licence" keine gemeinschaftsrechtlichen Bedenken aufwirft, die Umsetzungspflicht zur Einführung der "single-licence"-Regelung hinreichend klar vom Gemeinschaftsrecht vorgegeben war und schließlich davon auszugehen ist, daß dem Gesetzgeber keine formellen Fehler im Gesetzgebungsverfahren unterlaufen sind, ist lediglich zu prüfen, ob die Regelung gegen die integrationsfesten Bestimmungen verstößt.
bb) Das Demokratieprinzip Das Demokratieprinzip gehört zu den von Art. 79 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und 2 GG geschützten Prinzipien der Verfassung. Es hat die Funktion, daß das Volk an der Ausübung der Hoheitsgewalt beteiligt wird. Die Herrschaftsgewalt muß vom Volk legitimiert sein. Die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben und die Ausübung staatlicher Befugnisse muß sich auf das Staatsvolk zurückführen lassen und grundsätzlich ihm gegenüber verantworten lassen 255 . Organisationsrechtlich bedeutet dies, daß die Staatsorgane durch das Staatsvolk konstituiert werden müssen (institutionelle Legitimation), die Ausübung von Staatsgewalt auf das Volk zurückgeführt werden muß (personelle Legitimation) sowie die Entscheidungen, sachlich mit dem Willen des Volkes übereinstimmen müssen (sachlich-inhaltlich Legitimation)256. Für die transnationalen Zulassungsakte der EG-ausländischen Mitgliedstaaten lassen sich, wie gezeigt, weder institutionell noch personell Legitimationsstränge zum deutschen Volk knüpfen. Aus der fehlenden institutionellen und personellen Legitimation ist jedoch gewiß nicht zu folgern, daß die Grenzen der Integrationsbestimmung überschritten sind. Denn bei der Konkretisierung der Anforderungen, VVDStRL 50 (1991), 56 (71); Tomuschat, in: BK, GG, Art. 24 Rn. 50 f. -Stand: 1981/1985) bishin zur Ansiedelung dieser Grenze im Vorfeld von Art. 79 Abs. 3 GG (dafür Kirchhof, EuR Beiheft 1/ 1991, 1\ (19 f.); von Danwitz, S. 454). Einen Überblick über den Meinungsstand in Rspr. und Literatur zu Art. 24 Abs. 1 GG gibt mit vielen Nachweisen Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 24 Abs. 1 Rn. 68 ff. (Stand: Dez. 1992). 255 BVerfGE, 89,155 (182) - Maastricht. 256 Vgl. Böckenförde, in: Isensee 1Kirchhof, HStR I, § 22 Rn. 26.
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
die die absolute Schranke des Art. 79 Abs. 3 GG i.Y.m. Art. 1 und 20 GG stellt, ist der gegenüber einem Staat andersartigen Struktur einer Integrationsgemeinschaft Rechnung zu tragen 257 . Die Grenzen der Integrationsermächtigung sollen die Grundprinzipien nur hinsichtlich des für eine Rechtsgemeinschaft unverzichtbaren und generellen Niveaus sichern, d. h. es geht um eine "strukturangepaßte Grundsatzkongruenz,,258. Das BVerfG hat diesen Ansatz im Maastricht-Urteil bestätigt und im Hinblick auf das Demokratieprinzip dazu ausgeführt: "Wird die Bundesrepublik Deutschland Mitglied einer zu eigenem Handeln befähigten Staatengemeinschaft und wird dieser Staatengemeinschaft die Wahrnehmung eigenständiger Hoheitsbefugnisse eingeräumt ( ... ), kann insoweit demokratische Legitimation nicht in gleicher Form hergestellt werden wie innerhalb einer durch eine Staatsverfassung einheitlich und abschließend geregelten Staatsordnung259 ." Dieses bedeutet zwar nicht, daß auf einen Zurechnungszusammenhang verzichtet werden kann. Es genügt jedoch, daß ein hinreichendes Legitimationsniveau besteht 260 . Dabei gewinnt die sachlich-inhaltliche Legitimation an Bedeutung261 . Dies gilt insbesondere für den Bereich des grenzüberschreitenden Rechtsverkehrs. Denn würde man hier stets ein personell-institutionelle Legitimationsteilhabe des Volkes einfordern, wären alle möglichen Formen der Amts- und Rechtshilfe sowie der kollisionsrechtlichen Rechtsanwendung fremder Rechte unzulässig 262 . Für diesen Bereich besteht daher die Möglichkeit einer Kompensation des Legitimationsmangels durch eine Bindung der Hoheitsausübenden an materielle Vorgaben, auf die das deutsche Volk effektiv Einfluß nehmen kann. Im Gegensatz zum völkerrechtlichen Rechtsverkehr kann jedoch nicht auf den im Internationalen Verwaltungsrecht heranzuziehenden ordre public 263 zurückgegriffen werden. Kennzeichen der "single-licence" ist es ja gerade, grundsätzlich nicht an fremde Rechtsordnungen gebunden zu sein 264 .
m Vgl. Streinz, Rechtsschutz, S. 254 ff. Streinz, ebda. BVerfGE 89, 155 (182). Vgl. auch BVerfG NJW 1995,2216 zur Sitzverteilung im Europäischen Parlament. 260 BVerfGE 83, 60 (72); 89, 155 (182) - Maastricht. 261 Rauser, Übertragung von Hoheitsrechten, S. 266 ff.; vgl. auch Neßler, S. 83; Papier I Olschewski, DVBI. 1976,475 (478). 262 Vgl. BVerfGE 63, 343 (370), wo sich das Gericht auf den Grundsatz der offenen Staatlichkeit stützt; zustimmend Beyerlin, S. 428 ff.; zurückhaltender Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991),329, (341). 263 Siehe BVerfGE 63, 343 (379); aus der Literatur G. Hoffmann, in: von Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, 7. Auf!. (1985), S. 865; Papier/Olschewski, DVBI. 1976, 475 (477 f.). 264 Vgl. Rauser, Übertragung von Hoheitsrechten, S. 267. 258
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B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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Für die sachlich-inhaltliche Einflußnahme bestehen folgende Ansatzpunkte: - das deutsche Zustimmungsgesetz zu den Verträgen - die deutschen Umsetzungsakte - das vom Ministerrat verabschiedete Richtlinienprogramm. Die inhaltlichen Vorgaben der Ermächtigungsnorm Art. 57 EGV sind zwar relativ vage. Jedoch ist dort im Kern die Anerkennung fremder Hoheitsakte für ein eingegrenztes Sachgebiet festgelegt. Während die sachlich-inhaltlich vermittelte Legitimation durch die deutschen Umsetzungsakte vernachlässigt werden kann, da der Gesetzgeber dort im Hinblick auf die detaillierten und zwingenden Vorgaben der Richtlinie lediglich als "verlängerter Arm" des europäischen Gesetzgebers gesehen werden kann 265 , ist die Möglichkeit der inhaltlichen Einflußnahme bei der Verabschiedung des Richtlinienprogramms am größten 266 . Die einschlägigen Richtlinien legen ziemlich genau die materiellen Vorgaben zur Erteilung der "single-licence" fest. Neßler spricht hier von der Richtlinie als "Entscheidungsprogramm", das die Zulassungsakte weitestgehend inhaltlich bestimmt267 . Eine wesentliche Legitimationswirkung vermögen die Entscheidungen des Ministerrats, an denen deutsche Vertreter mitwirken, indes nicht zu erzielen 268 • Dies wird schon durch die DoppelsteIlung der deutschen Vertreter als europäische Organe und deutsche Repräsentanten deutlich 269 . Ferner ist im Hinblick auf die Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat die Legitimationswirkung durch die dem Richtlinienprogramm zustimmenden deutschen Vertreter als äußerst gering einzuschätzen 27o . Allerdings wird man im Ergebnis sagen müssen, daß der unabdingbare geschützte Bereich des Demokratieprinzips nicht betroffen ist. Das BVerfG betont in seiner Maastricht-Entscheidung, daß die demokratische Legitimation zuvörderst im Zustimmungs gesetz zu den Verträgen ruht271 . Die in Art. 24 und 23 GG zum Ausdruck kommende "Offenheit für Bindungen in der Volkerrechtsgemeinschaft" erlaubt eine abgeschwächte Stringenz des Demokratieprinzips 272. Auch wenn das deutsche Volk nicht unmittelbar auf das "Entscheidungsprogramm" der Richtlinien Einfluß nehmen kann, sind die "Nachwirkungen" der Legitimation durch die Ver265 So Neßler, S. 84, der auch darauf hinweist, daß im Falle der unmittelbaren Wirksamkeit der Richtlinie die Legitimationswirkung gänzlich entfiele. 266 Dazu Neßler, S. 85 f. 267 Neßler, S. 85. 268 Klein, EuR 1987, 97 (101); Steinberger, VVDStRL 50 (1991), 9 (42). 269 Vgl. dazu Classen, AöR 119 (1994), 239 (252 ff.); Friauf, in: FriauflScholz, S. 11 ff.; Herdegen, EuGRZ 1989, 309 (313 f.). 270 Vgl. auch Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329, (340). 271 BVerfGE 89,155 (184). 272 BVerfGE 89, 155 (183).
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
träge 273 zumindest im relativierten Rahmen der Integrationsbestimmung als ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation zu sehen. Schließlich lassen sich noch zwei Gründe für ein hinreichendes Legitimationsniveau anführen: Es wurde zwar festgestellt, daß das "single-licence"-Instrument keinen ,ordre public' -Vorbehalt zugunsten der (ex lege-) anerkennenden Mitgliedstaaten kennt. Bedeutung erlangen jedoch mittelbar die in den Richtlinien verankerten "Gefahrenvorbehalte,,274. Diese erlauben es den demokratisch legitimierten Behörden des Gast- bzw. Bestimmungsmitgliedstaats, ausnahmsweise Maßnahmen gegen Unternehmen mit Sitz im EG-Ausland zu ergreifen, wenn die an sich zuständigen Herkunftsmitgliedstaaten im Fall des Verstoßes gegen im Gast- bzw. Bestimmungsmitgliedstaat zu beachtende Rechtsvorschriften nicht einschreiten. Dadurch wird der transnationale Verwaltungsakt in seinem Geltungsanspruch für das betreffende Hoheitsgebiet faktisch suspendiert275 . Legitimationswirkung dürften ferner, "die in diesem Mitgliedstaat für das Unernehmen geltenden Rechtsvorschriften" haben 276. Dazu gehören insbesondere die Vorschriften, die aus Gründen des Allgemeininteresses erforderlich sind277 . Diese in demokratischer Eigenverantwortung erlassenen Bestimmungen binden die Unternehmen an eigene Rechtsvorschriften und berechtigen die zuständigen Behörden zu Kontrollen bishin zur Untersagung der Geschäftstätigkeit im eigenen Hoheitsgebiet. Bedenkenswert ist es schließlich, ob die Anforderungen des Demokratieprinzips nicht schon deswegen geringer sind, weil sich die "single-licence"-Akte (aus der Sicht der Gast- bzw. Bestimmungsmitgliedstaaten) nur auf ausländische Unternehmen richten 278 . Zwar genießen EG-ausländische Unternehmen grundsätztlich auch Grundrechtsschutz über Art. 19 Abs. 3 GG 279 . Der Repräsentationsgedanke des Demokratieprinzips trifft jedoch auf die Ausländer nicht zu.
So Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991),329, (340). Art. 40 Abs. 4 der 3. Schaden-RL und der 3. Leben-RL; Art. 21 Abs. 4 der 2. BankRL; Art. 19 Abs. 5 der WDRL. 275 Ähnlich Neßler, S. 86. Dieser geht jedoch falschlicherweise davon aus, daß es sich um ein Fall der Verweigerung der Anerkennung handele (vgl. auch Neßler, S. 41). Die administrative Anerkennungsbefugnis besteht nämlich nicht mehr. Vielmehr nehmen die Behörden eigene originäre Befugnisse wahr. 276 Siehe Art. 40 Abs. 3, 28 der 3. Schaden-RL bzw. Leben-RL; Art. 19 Abs. 3 der WDRL, Art. 21 Abs. 5 der 2. Bank-RL. 277 Siehe etwa den 19. Erwägungsgrund zur 3. Schaden-RL sowie den 35. Erwägungsgrund zur WDRL. Eine nähere Definition des Begriffs "Rechtsvorschriften des Allgemeininteresses" bleiben die Richtlinien schuldig. Hier besteht noch Klärungsbedarf durch den EuGH. Vgl. dazu für das Versicherungsrecht Müller, Versicherungsbinnenmarkt. Rn. 97; Miersch, S. 73 ff.; für das Bankenrecht HeIlenthaI, Bankenaufsichtsrecht, S. 78 f. 278 So Papier I 0lschewski, DVBI. 1976,475 (479), Fn. 59; vgl. auch Bleckmann, StaatsR II, S. 54 f. 279 Groß JZ 1994,596 (602); Niessen, NJW 1968, 1017 ff.; Scheuing, EuR Beiheft 11 1997,7 (50); vgl. auch Bauer/Kahl, JZ 1995,1077 ff. 273
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B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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cc) Das Rechtsstaatsprinzip Das Rechtsstaatsprinzip verlangt eine Bindung der Staatsgewalt an Recht und Gesetz. Der Bindung an die Grundrechtsordnung kommt dabei essentielle Bedeutung ZU280. Gleichzeitig verlangt das Rechtsstaatsprinzip einen effektiven Rechtsschutz. Ein umfassender und effektiver Rechtsschutz gegenüber hoheitlichen Maßnahmen ist sicherzustellen 281 . (1) Grundrechte
Die zuständigen außerdeutschen Aufsichtsbehörden unterliegen keiner Bindung an das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Im Hinblick auf den Grundsatz der offenen Staatlichkeit muß jedoch von der Zulässigkeit der Ausübung ausländischer Hoheitsgewalt ausgegangen werden, wenn die Rechtsordnung, unter deren Regime und Maßgabe der Zulassungsakt erlassen wird, dem deutschen Grundrechtsstandard gleichwertig ist282 . Im Rahmen des Art. 24 Abs. 1 GG bzw. Art. 23 Abs. I Satz 1 GG wird dieser Maßstab noch gelockert, sofern gemeinschaftliche Gewalt ausgeübt. Verlangt wird weder eine Homogenität noch eine strukturelle Kongruenz mit den staatsgerichteten Vorgaben des Grundgesetzes 283 . Es genügt ein gleichwertiges Grundrechtsniveau 284 . Das BVerfG hat es daher für zulässig erklärt, daß sich die Bundesrepublik einer Hoheitsgewalt öffnet, sofern ein Grundrechtsschutz gewährt wird, der "nach Konzeption, Inhalt und Wirkungsweise" dem des Grundgesetzes "im wesentlichen" gleichkommt; der "nach dem Grundgesetz unabdingbare Grundrechtsschutz generell gewährleistet wird 285 ." Rechtsakte der Gemeinschaft, die die Grenze des Übertragbaren nicht überschreiten, seien folglich grundsätzlich innerstaatlich anwendbar286 . Materiell bestehen auf Gemeinschaftsebene die vom EuGH als allgemeine Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts entwickelten ("gefundenen") Grundrechte 287 . Diese verbürgen zweifellos den "unabdingbaren Grundrechtsschutz" des Herzog, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 23 (Stand: Sept. 1980). Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 27 (Stand: Sept. 1980); Schmidt-Aßmann, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 19 IV Rn. 15 ff. (Stand: Jan. 1985); Stern, Staatsrecht I, S.839. 282 So für die Fälle außerhalb der Übertragungsermächtigung in Art. 23, 24 GG Neßler, S. 88; Rauser, Übertragung von Hoheitsrechten, S. 281. 283 Streinz, in: Sachs, GG, Art. 23 Rn. 21. 2&4 Hirsch, NJW 1996,2457 (2464), Fn. 67. 285 BVerfGE 73,339 (378,384) - Solange 11. 286 BVerfGE 37, 271 (280, 296); BVerfGE 58, 1 (28,40); BVerfGE 73, 339 (374 ff.); BVerfGE 75, 223 (235); BVerfGE 89, 155 (174 f.); vgl. auch BVerfG, EuZW 1995, 126. 287 Siehe oben 2. Teil B. 1. 3. a) bb) (2) (a) (bb). 280 281
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
Grundgesetzes. An diese sind die mitgliedstaatlichen Organe gebunden, soweit sie materiell Gemeinschaftsrecht anwenden und durchführen. Zwar wirken die Integrationsbestimmungen nicht in den anderen Mitgliedstaaten 288 . Sie sind aber durch die erforderliche Struktur der Gemeinschaft mitbetroffen, soweit es um die Anwendung und Durchführung von Gemeinschaftsrecht geht. Die Entwicklung der im Gemeinschaftverwaltungsvollzugsrecht geltenden allgemeinen Rechtsgrundsätze289 gewährleisten daher nicht nur die Einhaltung des Grundrechtsstandards. Vielmehr erlauben sie die Einwirkung fremder Hoheitsakte, die Gemeinschaftsverwaltungsrecht vollziehen. Daher kann auch jedem Zulassungsakt eines Mitgliedstaats Vorrang eingeräumt werden - auch wenn er nach Maßgabe einer mitgliedstaatlichen Rechtsordnung erlassen wird, die keine äquivalenten rechtsstaatlichen Grundsätze kennt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß alle Mitgliedstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) beigetreten sind. Die Garantien der EMRK bestätigen, daß "die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Menschenrechte und darüber hinaus zu den hervorragenden Merkmalen heutiger Staatlichkeit" gehört29o . Sie verfestigen den Konsens der Mitgliedstaaten über einen Grundrechtsschutz, der dem Grundrechtsschutzstandard des Grundgesetzes im wesentlichen gleichkommt 291 • (2) Institutionelle Rechtsschutzgarantie
Aus dem Sinn und Zweck des Richtlinienprogramms zum Finanzmarktaufsichtrecht ergibt sich, daß der Rechtsschutz gegenüber den Zulassungsakten institutionell allein von den Gerichten des Herkunftslandes der jeweils handelnden Behörde zu gewährleisten ist292 • Zwar sind die einzelnden Rechtsschutzsysteme in den Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgestaltet 293 : In Frankreich besteht eine Verwaltungsgerichtsbarkeit, die vorrangig objektive Kontrollfunktion ausübt, und an dessen Spitze mit dem Conseil d'Etat eine Administrativjustiz steht 294 ; in England kontrolliert eine einheitliche Gerichtsbarkeit, die sowohl mit Zivil- und Strafsachen als auch mit Verwaltungssachen beschäftigt ist, die Entscheidungen der Verwaltung im Rahmen eines weiten Willkürverbots 295 . Ferner bestehen Unterschiede 288 Rojahn, in: von Münch/Kunig I1, GG, Art. 23 Rn. 18; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 23 Rn. 18. 289 Siehe unten 3. Teil B. II. 2. 290 Schmidt-Aßmann, FS Bernhardt, S. 1283 (1290 f.) im Anschluß an Bernhardt, FS Doehring, 1989, S. 23 (35). 291 Vgl. Neßler, S. 88 ff. 292 Siehe oben 2. Teil B. I. 1. e) cc). 293 Everling, NVwZ 1987, I (3); Neßler, S. 89. 294 Näher Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 13 ff. 295 Siehe Bell, in: Depuis, S. 73 ff.
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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hinsichtlich der Kontrolldichte, des einstweiligen Rechtsschutzes sowie hinsichtlich der Klagebefugnis 296 . Allen Rechtsschutzssystemen liegt jedoch ein gemeinsamer Denkansatz zugrunde: das Gebot eines wirksamen Rechtsschutzes 297 . Die Einwirkungen dieses dynamischen Elements, das auch in Art. 6 und 13 EMRK verankert ist, haben dazu geführt, daß sich die einzelnen Rechtsschutzsysteme einander genähert haben. Nicht nur in institutioneller Hinsicht ist festzustellen, daß die Staaten den Rechtsschutz in Verwaltungssachen einer spezialisierten Gerichtsbarkeit anvertrauen, sondern auch im Rahmen der Kontrolldichte bestehen Tendenzen der Annäherung 298 . Die Entwicklung zu einem kohärenten Rechtsschutzsystem ist aber auch auf die Leistung des EuGH zurückzuführen 299 . Im Rahmen des mitgliedstaatlichen Vollzugs wird die gerichtliche Kontrolle zwar grundsätzlich durch die nationalen Gerichte anhand des nationalen Rechts ausgeübt. Die Anwendung nationalen Rechts durch die Gerichte steht allerdings unter dem Vorbehalt, daß das Gemeinschaftsrecht -einschließlich der allgemeinen Rechtsgrundsätze- keine einschlägigen Vorgaben enthält3OO • Die Bindung der nationalen Organe an die allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze eröffnet somit gleichzeitig den Weg zum EuGH 301 . Dieser ist an der gerichtlichen Kontrolle mittels des Vorabentscheidunsverfahrens nach Art. 177 EGV beteiligt, das eine Kooperation von nationalen und europäischen Richtern vorsieht 302 . Eine institutionelle Beteiligung des EuGH ergibt sich auch daraus, daß der EuGH den Grundsatz entwickelt hat, daß die nationalen Gerichte dem EuGH dann vorzulegen haben, wenn sie Gemeinschaftsrecht von sich unangewendet lassen wollen 303 • Angesichts dieser sowohl materiellen als auch institutionellen Rechtsschutzgarantie bestehen daher keine Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Rechtslage mit den Anforderungen des Art. 23 Abs. 1 GG. Auch das BVerfG hat diese Rechtslage mit der in Art. 19 Abs. 4 GG verankerten Rechtsschutzgarantie insoweit für vereinbar 296 Allgemein dazu Frowein (Hrsg.), Der europäische Grundrechtsschutz und die nationale Gerichtsbarkeit (1983); siehe auch Classen, Europäisierung der VerwaItungsgerichtsbarkeit (1996). 297 Vgl. Schmidt-Aßmann, FS Bernhardt, S. 1283 (1289 f.); ferner Classen, a. a. 0., S. 10 ff. 298 Schmidt-Aßmann, FS Bernhardt, S. 1283 (1287 ff.). 299 Zur Kohärenz siehe EuGH, Rs. 314/85, -Foto Frost-, Slg. 1987, 4199 (4231); Schmidt-Aßmann, JZ 1994,832 (836); siehe auch unten 4. Teil B. II. 1. 300 EuGH, Rs. 5/88, -Wachauf-, Slg. 1989; 2609 (2639 f.); EuGH, Rs. C-60/92, -Otto-, Slg. 1993-1,5683 (5712); EuGH, Rs. C-2/92, -Bostock-, Slg. 1994-1,955 (983). 301 Der EuGH übt insoweit die Funktion eines Verwaltungsgerichts aus. Zum EuGH als "Verwaltungsgericht" siehe Scherer I Zuleeg, in: Schweitzer, S. 197 ff. 302 Im Gegensatz zum "Kooperationsverhältnis", das vom BVerfG zum Ausdruck gebracht wurde (E 89, 155, 175), handelt es sich um ein vertraglich verankertes. V gl. Gersdorf, DVBI. 1994,674 (675). 303 EuGH, Rs. 314/85, -Foto Frost-, Slg. 1987,4199 (4231).
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
erklärt 304 . Folgerichtig hatte das BVerfG Klagen bzw. Verfassungsbeschwerden, die unmittelbar gegen außerdeutsche / gemeinschaftliche Hoheitsakte gerichtet waren, für unzulässig erklärt305 . Jedoch rückt das BVerfG im Maastricht-Urteil ausdrücklich von seiner bisherigen Rechtsprechung ab: "Auch Akte einer besonderen, von Staatsgewalt der Mitgliedstaaten geschiedenen öffentlichen Gewalt einer supranationalen Organisation betreffen die Grundrechtsberechtigten in Deutschland. Sie berühren damit die Gewährleistungen des Grundgesetzes und die Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts, die den Grundrechtsschutz in Deutschland und insoweit nicht nur gegenüber deutschen Staatsorganen zum Gegenstand haben (Abweichung von BVerfGE 58, 1 [27])306."
Es ginge jedoch zu weit, wenn man die Entscheidung dahingehend interpretieren wollte, daß alle Hoheitsakte, die sich in Deutschland auf die Grundrechtsberechtigten auswirken, also auch die EG-ausländischen "single-licence"-Akte, der deutschen Gerichtsbarkeit, insbesondere der Verwaltungs gerichtsbarkeit unterlägen 307 • Zwar muß man annehmen, daß sich die Rechtsprechung nicht nur auf Gemeinschaftsakte bezieht. Im Hinblick auf den Anknüpfungspunkt der Grundrechtsbetroffenheit "in Deutschland" können Hoheitsakte eines anderen Mitgliedstaates nicht ausgenommen werden 308 . Jedoch ist die Aussage des BVerfG, die vom Gericht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Solange-Entscheidungen gesetzt wird, lediglich hinsichtlich seiner Rolle als Hüter der verfassungsrechtlich konkretisierten Grenzen zu sehen 309 . Es wacht über die äußersten Grenzen der innerstaatlichen Anwendbarkeit von außerdeutschen Hoheitsakten. Daher wird nicht der Rechtsakt selbst hinsichtlich seiner Rechtmäßigkeit oder Wirksamkeit überprüft, sondern allein in bezug auf seine rechtliche Wirkungserstreckung auf das deutsche Staatsgebiet. So formuliert das BVerfG an anderer Stelle, daß kompetenzüberschreitende (,ultra-vires') Gemeinschaftsrechtsakte "im deutschen Hoheitsbereich nicht verbindlich" seien 31O • Dasselbe muß für Rechtsakte gelten, die die Grenze des Übertragbaren überschreiten. BVerfGE 58, I (26 ff.) - Eurocontrol I; 59, 63 (85 ff.) - Eurocontrol 11. Vgl. BVerfGE 22, 293 (297 ff.); 37, 271 (283 ff.) -Solange I; 58, 1(27) - Eurocontrol I; 73, 339 (372 ff.) -Solange 11. 306 BVerfGE 89,155 (175). 307 Aus der Vielzahl der Kommentierungen des Maastrichts-Urteils seien erwähnt: Bleckmann / Pieper, RIW 1993, 969; Everling, GS Grabitz, S. 57; Gersdorf, DVBI. 1994, 674; Götz, JZ 1993, 1081 (1083); Hirsch, NJW 1996,2457; Horn, DVBI. 1995,89; H.-P. Ipsen, EuR 1994, I (9); Klein, GS Grabitz, S. 271; Oppermann, DVBI. 1994, 901 (906); Pernice, GS Grabitz, S. 523; Schockweiler, EuR 1996, 123 ff.; Tomuschat, EuGRZ 1993,489 (494); Zuck, NJW 1994,978; ders./Lenz, NJW 1997, 1193; Zuleeg, JZ 1994, I (4); ders., ELR 1997,19 (26). 308 Ebenso Groß, JZ 1994,596 (602); Schmidt-Aßmann, FS Bernhardt, S. 1283 (1303). 309 Groß, JZ 1994,596 (603); Streinz, Europarecht, Rn. 214 a. 310 BVerfGE 89, 155 (188) - Maastricht. 304 305
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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Weiterhin spricht es lediglich von "seinen Aufgaben". Dies läßt darauf schließen, daß es allein dem BVerfG vorbehalten bleiben soll, die absoluten Grenzen des Integrationsvorbehalt zu kontrollieren 3 !!. Es ist daher weiterhin davon auszugehen, daß Art. 19 Abs. 4 GG keine Zulassung außerdeutscher Klagegegenstände vor den Verwaltungsgerichten fordert 3 !2. Die Aussagen im Maastricht-Urteil zwingen nicht dazu, mit dem Dogma der ausschließlichen Kontrolle der Gerichte der Herkunftsstaaten zu brechen. Es werden allein die verfassungsrechtlichen Grenzen des Übertragbaren markiert, die für Rechtsakte der Gemeinschaft sowie für transnationale Zulassungsakte gelten 3 !3.
4. Ergebnis Die Einführung des "single-licence"-Prinzips verstößt weder gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht noch gegen die deutsche Verfassung. Die Richtlinienregelungen, die das Herkunftslandprinzip in kompetenzieller und rechtlicher Hinsicht verankern, werden von Art. 57 EGV gedeckt. Insbesondere das vom EuGH entwikkelte Rechtsschutzsystem, das sowohl materiell als auch institutionell auf die vollziehenden Mitgliedstaaten einwirkt, erlaubt eine transnationale Verschränkung von mitgliedstaatlichen Hoheitsentscheidungen, ohne daß es weiterer Anerkennungsakte bedarf. Die rechtsstaatliehe Sicherung erlaubt es dem deutschen Rechtsanwender, die fremden Zulassungsakte anzuwenden. Trotz des gesenkten Legitimationsniveaus ist die Wirkungserstreckung auf das deutsche Hoheitsgebiet mit den Integrationsbestimmungen vereinbar.
311 Ebenso Burgi, Verwaitungsprozeß und Europarecht, S. 33. Nicht zu verwechseln ist damit die Frage, ob das Gemeinschaftsrecht bzw. das ausländische Recht Prüfungsgegenstand bzw. Prüfungsmaßstab in einem gegen einen zulässigen Klagegegenstand eröffneten Verfahren vor den Fachgerichten sein kann, vgI. dazu unten 3. Teil C. IV. 4. Unklarheit in dieser Frage hat vor allen Dingen eine Folgeentscheidung des BVerfG, EuZW 1995, 126 = JZ 1995, 352 = NJW 1995,590, -vgI. auch BVerfG, EuZW 1995,412 -geschaffen, worin einem Verwaltungsgericht aufgegeben wurde, eine Prüfung der Banenmarktordnung am Maßstab des Art. 14 GG vorzunehmen. Dazu Everling, CMLRev 1996, 401 (434 f.); Leupold, NVwZ 1995,553 (553 ff.); Nettesheim, NJW 1995,2083 (2084 f.); Reich, EJIL 1996, 103 (103 ff.); Voss, RIW 1996,324 (324 f.); Wolffgang, ZfZ 1996, 162 (169 ff.). 3!2 Burgi, Verwaltungsprozeß und Europarecht, S. 33; Schmidt-Aßmann, JZ 1994, 832 (836). 313 So i.E. auch Burgi, a. a. 0., S. 33,55; Groß, JZ 1994,596 (602); Pernice/Kadelbach, DVBI. 1996, Il 00 (l1lI).
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
11. Die grenzüberschreitenden Prüfungsrechte 1. Die Richtlinienregelung Bedeutete die Einführung der "single-licence" bereits eine räumliche Öffnung der überkommenen Geltungsgrenzen der nationalen Hoheitsakte, wird diese Tendenz noch verstärkt, indem die Richtlinien den zuständigen Banken-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsbehörden die Befugnis vermitteln, in anderen Mitgliedstaaten eingerichtete Zweigstellen eines ihrer Kontrolle unterliegenden Kreditinstituts, Versicherungsunternehmen oder Wertpapierfirma an Ort und Stelle zu überprüfen 314 • Nach den Finanzmarktaufsichtsrichtlinien haben die Aufnahmemitgliedstaaten dafür zu sorgen, daß im Falle eines in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Finanzinstituts, das seine Tätigkeit über eine Zweigniederlassung ausübt, die zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats - nach vorheriger Unterrichtung der zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats - die für die Bank-, Versicherungs- oder Wertpapierfirmenaufsicht wesentlichen Informationen vor Ort überprüfen können 315 • Die Richtlinien sehen darüber hinaus die Möglichkeit vor, daß die zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats um die Überprüfung im Wege der Amtshilfe ersuchen316 • Diese Befugnisse stehen nicht in einem Stufenverhältnis. Voraussetzung für die direkte Prüfung vor Ort durch die Herkunftslandbehörden ist nur die vorherige Benachrichtigung der Aufnahmemitgliedstaaten. Die Befugnis der Aufsichtsbehörden zu Kontrollen in den von ihnen beaufsichtigen Unternehmen ist grundsätzlich nichts besonderes 317 • Zur ordnungsgemäßen Durchführung der Wirtschaftsüberwachung gehört es, Prüfungen durchzuführen, um das Geschäftsgebaren der Unternehmen zu kontrollieren sowie übermittelte Informationen zu verifizieren. Geradezu revolutionär ist es jedoch, den Informationsrechten auch auf fremden Territorium nachgehen zu dürfen. Bezeichnend waren die vom Bundesrat erhobenen Bedenken zur Regelung in den Versicherungsrichtlinien der 3. Generation 318 • Das hatte immerhin zur Folge, daß die Behörden des Mitgliedstaats der Zweigniederlassung nunmehr das Recht haben, sich an der Prüfung zu beteiligen 319 • Im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit ist eine sol314 Dazu auch Groß, JZ 1994, 596 ff.; Schwarze, Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, S. 126 (150). 315 Vgl. Art. 15 Abs. 1 der 2. Bank-RL; Art. 24 Abs. 1 der WDRL; Art. 14 der 1. SchadenRL i.d.F. des Art. 10 der 3. Schaden-RL; Art. 16 der 1. Leben-RL i.d.F des Art. 9 der 3. Leben-RL. 316 Vgl. Art. 15 Abs. 2 der 2. Bank-RL i.Y.m. Art. 5 Abs. 4 der Bankenkonso1idierungsRL; Art. 24 Abs. 2 der WDRL; zu den Versicherungsrichtlinien siehe unten Fn. 672. 317 Siehe zur Bankenaufsicht Groß JZ, 1994,596 (597). 318 BR-Drs. 277/91, S. 2. 319 Art. 14 S. 2 der 1. Schaden-RL i.d.F. des Art. 10 der 3. Schaden-RL; Art. 16 S. 2 der 1. Leben-RL i.d.F des Art. 9 der 3. Leben-RL.
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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che Prüfung bisher regelmäßig von der Zustimmung des betroffenen Mitgliedstaats im Einzelfall abhängig gemacht worden 32o . Auch das Gemeinschaftsrecht kennt direkte Prüfungsbefugnisse ohne Zustimmungsvorbehalt nur dort, wo die Gemeinschaft selbst Kontrollkompetenzen innehat und kraft supranationaler Gewalt im ,,Ausland" tätig wird. Das ist etwa im Kartellrecht der Fall 321 • Auch dort haben die EG-Bediensteten die Mitgliedstaaten vor der Durchführung der Prüfung zu unterrichten. Ebenso können sich die mitgliedstaatlichen Behörden an der Prüfung beteiligen sowie im Wege der (vertikalen) Amtshilfe 322 die Überprüfung auf Ersuchen der Kommission durchführen 323 .
2. Die völkerrechtliche Problematik Durch die Befugnis, unmittelbar im EG-Ausland Prüfungen vornehmen zu können, wird die aus dem Souveränitätsgrundsatz abgeleitete Territorialhoheit 324 erheblich eingeschränkt. Nach völkerrechtlicher Terminologie handelt es sich um einen Fall der "extraterritorialen Hoheitsausübung,,325. Gemäß den in der Lotus-Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs formulierten Grundsätzen verbietet es das aus der Territorialhoheit herzuleitende Gebot der Achtung staatlicher Gebietshoheit, auf fremdem Territorium hoheitlich tätig zu werden 326 . Zur völkerrechtlichen Zulässigkeit "extraterritorialer Hoheitsausübung" bedarf es eines völkerrechtlichen Titels, entweder in vertraglicher oder gewohnheitsrechtlicher Form oder in Form einer Zustimmung im Einzelfall 327 . Die Zustimmung zur Inspektion durch die Privatperson genügt nicht 328 • Die Territorialhoheit des Staates steht nicht zur Disposition Privater. In Anbetracht, daß die Richtlinien auch die Möglichkeit zur Inspektion durch Private vorsehen, stellt sich jedoch die Frage, ob die Prüfungshandlungen nicht aus der Fallgruppe der "extraterritorialen Hoheitsausübung" herausfallen und infolge320 Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 122. Zu anderen Beispielen hoheitlicher Tätigkeit im Ausland Groß, JZ 1994, 596 (598). 321 Art. 14 der VO Nr. 17 des Rates: Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages vom 6.2.1962 (ABI. Nr. L 13/204) m. Änd. Zu Inspektionsrechten im Agrarrecht siehe Priebe, ZLR 1990,266 (284 f.). 322 Zur Unterscheidung zwischen der vertikalen und horizontalen Amtshilfe siehe Meier, EuR 1989,237 ff. 323 Art. 13derEG-Kart-VONr. 17. 324 Siehe oben 2. Teil B. I. 1. b) aa). 325 Vgl. Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 116 ff.; ferner oben 2. Teil B. I. 1. b) aa). 326 StIGHE 5 (1927), 71 (90). 327 Geck, WVR I, S. 795 f.; K. Ipsen, Völkerrecht, S. 249; Rauser, Übertragung von Hoheitsrechten, S. 116; Siegrist, Hoheitsakte, S. 25 ff.; Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht, § 456. 328 Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 117.
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
dessen völkerrechtlich unproblematisch sind. Zur Fallgruppe der "extraterritorialen Hoheitsausübung" gehören grundsätzlich alle Amtshandlungen von Staatsorganen auf ausländischem Staatsgebiet mit Zwangscharakter329 . Darüber hinaus sind auch alle Maßnahmen des Staates, die er als Träger öffentlicher Gewalt in Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben trifft, als "extraterritoriale Hoheitsausübung" zu verstehen, soweit nicht Privathandlungen des Staates vorgenommen werden 33o . Teilweise wird die Ansicht vertreten, daß sog. nicht-hoheitliche Maßnahmen, worunter Maßnahmen zu verstehen sind, die auch Private vornehmen können, von dieser Gruppe auszunehmen sind 33l . Maßnahmen, die lediglich zur Ermittlung von Entscheidungsvoraussetzungen führen, d. h. jede Akte vor einer endgültigen Entscheidung auf dem eigenen Territorium, würden eine unbeachtliche Auswirkung auf das Hoheitsgebiet des anderen Staates haben 332 . Dies überzeugt jedoch nicht. Da die Ermittlungstätigkeiten in der Regel nicht ohne spätere Entscheidung gedacht werden können, besteht qualitativ ein Unterschied zu rein privaten Handlungen, die nur zu privaten Zwecken verwendet werden, welcher es nicht erlaubt, die Ermittlung ohne Zwang für zulässig zu erachten. Weiter ist beachtlich, daß schon durch die Präsenz im Ausland mittelbar ein Druck auf die Personen bzw. Unternehmen ausgeübt wird 333 . Schließlich bestätigt es die Staatenpraxis, daß das bloße Auftreten von ausländischen staatlichen Organen in Amtsausübung als ein grundsätzlich völkerrechtswidriger Akt angesehen wird 334 . Somit liegt auch dann "extraterritoriale Hoheitsausübung" vor, wenn die ausländischen Behörden von den inländischen Behörden begleitet werden oder zu PfÜfungszwecken benannte private Personen die Ermittlung wahrnehmen. Diese Handlungen sind vorbehaltlich eines völkerrechtichen Titels als unzulässig einzustufen 335 .
3. Rechtliche Konstruktion der Richtlinienregelung und ihre Folgen
Entsprechend zur Grenzöffnung für die Geschäftstätigkeiten der Unternehmen werden den Aufsichtsbehörden die Grenzen geöffnet, um ihre Aufgabe der Aufsicht über Unternehmen mit Sitz in ihrem Staat erfüllen zu können. Sie folgen den Dies ist unstreitig, vgl. nur Rauser, Übertragung von Hoheitsrechten, S. 114 f. Rauser, Übertragung von Hoheitsrechten, S. 114; Rudolf, BDGVR 11 (1973), 7 (33); Siegrist, Hoheitsakte, S. 11. 331 Stockmann, WuW 1975,243 (253). 332 Stockrnann, WuW 1975, 243 (252); vgl. auch Okresek, ÖZöRV 35 (1985),325 (331 f.); Schlochauer, Die extraterritoriale Wirkung, S. 68. 333 Mozet, Internationale Zusammenarbeit, S. 8. 334 Okresek, ÖZöRV 35 (1985), 325 (335); siehe ferner Groß, lZ 1994, 596 (599 f.) m.w.N. 335 Vgl. Groß, lZ 1994,596 (600); ferner Siegrist, Hoheitsakte, S. 158. 329
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B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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Unternehmen, denen sie eine Zulassung für den Gemeinschaftsmarkt erteilt haben. Die Einräumung gegenseitiger Prüfungsrechte ist somit eine logische Weiterführung des Systems der Herkunftslandkontrolle, das die Aufsichtszuständigkeit bei den Herkunftslandbehörden konzentriert 336 .
a) Keine Bindung an die fremde Rechtsordnung
Die grenzüberschreitenden Prüfungsrechte sind den "single-licence"-Akten in ihrer Rechtsnatur ähnlich. Die Prüfungen und Maßnahmen werden zwar im Unterschied zu den Zulassungsakten auf fremdem Hoheitsgebiet gesetzt. Wie auch die "single-licence"-Akte sind sie jedoch nationale Hoheitsakte, die allein unter dem Einfluß der Rechtsordnung zustande kommen, unter deren Regime sie erlassen worden sind 33 ? Gemäß dem Grundsatz der Einseitigkeit des Internationalen Verwaltungsrechts, der die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts grundsätzlich nicht vorsieht, erweitert sich insoweit der Anwendungsbereich des maßgeblichen Rechts der zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaaten 338 . Ohne diese Ausweitung würde den Aufsichtsbehörden die (innerstaatliche) Befugnis fehlen, jenseits des Staatsgebiets Prüfungen vorzunehmen. Dementsprechend ordnen die Richtlinien an, daß die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorschriften zu erlassen haben, damit die zuständigen Behörden über die Befugnisse und Mittel verfügen, die zur Überwachung der Geschäftstätigkeiten mit Sitz in ihrem Staatsgebiet - einschließlich der außerhalb dieses Gebiets ausgeübten Tätigkeiten - gemäß den Richtlinien und im Hinblick auf deren Anwendung erforderlich sind339 . Die zuständigen Herkunftslandbehörden sind demnach nur an eigenes Recht gebunden. Dieses erfährt insoweit "extraterritoriale Wirkung". Das gilt sowohl für das Verfahrens- und Organisationsrecht sowie für das sachliche Recht 34o •
b) Rechtsschutz im Herkunftsmitgliedstaat
Sind die ausländischen Aufsichtsbehörden lediglich an die eigene Rechtsordnung gebunden, bedeutet dies ebenso, daß die Prüfungs- und Aufhebungsbefugnis allein bei den Behörden und Gerichten des Herkunftsmitgliedstaats liege 41 • Zwar Vgl. Clarotti, RevMC 1989,453 (459). Siehe oben 2. Teil B. I. e) aa). 338 Vgl. auch Mülbert, AG 1986, I (11 ff.). 339 So etwa Art. 19 der I. Schaden-RL Ld.F. des Art. 11 der 3. Schaden-RL. 340 Groß, JZ 1994,596 (601); a.A. Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 419, der davon ausgeht, daß auf das Handeln ausländischer Aufsichtsbehörden auch inländisches Verfahrensrecht anwendbar ist. 341 So auch Groß, JZ 1994,596 (602 ff.); siehe dazu und zu weiteren Nachweisen oben 2. Teil B. I. 1. e) bb). 336
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
ist es - im Gegensatz zu den "single-Iicence"-Akten, die ihren Sinn verlören, wenn sie der Rechtsprechungsgewalt aller Mitgliedstaaten unterlägen - weniger zwingend, die Prüfungs akte insbesondere in ihrer Verfahrens- und Verwendungsfunktion allein der Kontrolle der Herkunftsstaaten zu unterwerfen 342 . Dies gilt vor allem dann, wenn sich die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats an der Prüfung beteiligen und die Mitwirkungsakte nicht mehr eindeutig zu trennen sind. Allerdings ist de lege lata entsprechend dem völkerrechtlichen Grundsatz der Staatenimmunität weiterhin davon auszugehen, daß die Rechtsprechung über fremde Hoheitsakte unzulässig ist und Rechtsschutz daher nur im Herkunftsstaat zu suchen ist 343 .
c) Keine supranationalen Akte
Ebensowenig wie das Handeln der prüfenden Behörde des Herkunftsmitgliedstaats die Rechtsnatur des Aufnahmemitgliedstaats annimmt, kann es als supranationales Handeln gewertet werden. Hinsichtlich der Rechtsfolgen und der Vorrangwirkung ist das Handeln zwar dem der Kommission im Rahmen des Art. 14 EGKart-VO Nr. 17 vergleichbar. Jedoch handeln die mitgliedstaatlichen Aufsichtsbehörden hier weder in der Funktion als zentrale, supranationale Aufsichtsinstanz noch ist ihnen eine originär gemeinschaftliche Gewalt übertragen worden 344 • Die Handlungen und Akte der Aufsichtsbehörden sind rein nationaler Natur. Dementsprechend ist auch nicht Rechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof bzw. dem Europäischen Gericht erster Instanz, sondern vor den Gerichten des Herkunftsstaats zu suchen.
d) Keine Zustimmung im Einzelfall
Wahrend in der Bankenkonsolidierungs-RL vom 13. 6. 1983 345 gern. Art. 5 Abs. 4 noch die Zustimmung des Aufnahmemitgliedstaats in jedem Einzelfall vorgesehen war, ist nach der heutigen Richtlinienregelung eine administrative Zustimmung nicht mehr erforderlich. Die Aufnahmemitgliedstaaten sind lediglich vorher zu unterrichten. Prüfungsrechte können zukünftig jederzeit wahrgenommen werden. Die Aufnahmemitgliedstaaten haben die gesamte prüfungsrechtliche Aufsicht sowie Entscheidungen gegenüber den Unternehmen zu dulden.
Bedenken äußert Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 421, Fn. 132. Siehe oben 2. Teil B. I. 1. e) bb). 344 Vgl. auch oben 2. Teil B. I. 1. e) cc). 345 1. Bankenkonsolidierungsrichtlinie (83/3501 EWG). Das gleiche gilt nach Art. 7 Abs. 7 S. 1 der 2. Konsolidierungsrichtlinie (92/30/EWG), die die Richtlinie 83/350/EWG ersetzt hat. 342 343
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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e) Reichweite der PrüJungsbeJugnisse Die Richtlinien sprechen lediglich von "Prüfungen vor Ort". Dies läßt den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung einen Spielraum hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Prüfungsrechte. Es steht ihnen grundsätzlich frei, Breite und Tiefe der Prüfung zu bestimmen. Auf jeden Fall gehört dazu ein Betretungsrecht für die Geschäftsräume 346 . Ohne ein solches wäre das Recht zur örtlichen Prüfung inhaltsleer. Dagegen besteht für die ausländischen Prüfer kein eigenes Vollstreckungsrecht 347 . Ist Zwang erforderlich, so sind die ausländischen Behörden auf die Amtshilfe des Aufnahmemitgliedstaats angewiesen. Deren Befugnissse richten sich ausschließlich nach ihrem nationalen Recht; die Beurteilung ihrer Akte ist Sache der Gerichte des Aufnahmemitgliedstaats. Diese Systematik entspricht dem in Art. 192 EGV zum Ausdruck kommenden Vorbehalt der unmittelbaren Zwangsgewalt zugunsten der Mitgliedstaaten im Verhältnis zur Gemeinschaft, der sich auf das "transnationale" Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten übertragen läßt. Andererseits werden dadurch Befugnisse zu Anordnungen von Zwangsmaßnahmen nicht ausgeschlossen 348 . Entsprechend den Ausführungen des EuGH zum europäischen Kartellermittlungsverfahren im Hoechst-Urteil ist die Verwaltunsgseffizienz von zentraler Bedeutung349 . Zur effizienten Nachprüfung gehört auch das selbständige Suchen nach Unterlagen, die "noch nicht bekannt oder vollständig bezeichnet sind,,35o. Dieses Recht muß ggf. mit Zwang durchgesetzt werden. Den Zugang zu den Unterlagen und Geschäftsräumen können sich die ausländischen Prüfer freilich nur im Wege der Amtshilfe verschaffen.
4. Geltungsgrund Geltungsgrund der grenzüberschreitenden Prüfungsrechte bzw. der dort von den betreffenden Mitgliedstaaten zu duldenden Hoheitsakte der zuständigen Aufsichtsbehörde des Herkunftsmitgliedstaats sind die die Richtlinienbestimmungen umsetzenden innerstaatlichen Vorschriften. Zwar stammt der originäre Befehl vom Gemeinschaftsrecht, nämlich von der Richtlinie. Jedoch können die Richtlinienbestimmungen im Gegensatz zu den Richtlinienbestimmungen zur "single-licence" nur in bestimmten Fällen unmittelbare Wirkung entfalten.
Vgl. Kollhosser, in: Prölss, VAG, § 83 Rn. 18. Fahr, in: ders./Kaulbach, VAG, § 110 a Rn. 17; Groß, JZ 1994,596 (604). 348 Groß, ebda; ihm folgend Schlag, S. 61 f. 349 Verb. Rs. 46/87 u. 227/88, -Hoechst-, Slg. 1989, 2859 (2926); siehe auch Pernice, in: Grabitz / Hilf, nach Art. 87 Rn. 2 zu VO Nr. 17/ Art. 14 (Stand: Okt. 1997). 350 EuGH, ebda. 346
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
Nach der Rechtsprechung des EuGH erlangt eine Richtlinie bzw. ein Teil der Richtlinie dann unmittelbare Wirkung, wenn sie nicht (oder nicht ordnungsgemäß) innerhalb einer bestimmten Frist umgesetzt worden ist, die Richtlinie inhaltlich unbedingt sowie hinreichend bestimmt ist 351 • Weiter darf die Richtlinie keine Verpflichtungen für den einzelnen begründen352 . Dies läßt sich mit folgendem begründen: Grund für die nach dem Wortlaut des Art. 189 Abs. 3 EGV grundsätzlich nicht vorgesehene unmittelbare Wirkung ist neben dem Grundsatz des "effet utile" der Grundsatz des "venire contra factum proprium": Der Staat kommt entgegen Art. 189 Abs. 3 LY.m. Art. 5 EGV seiner Umsetzungspflicht nicht nach; andererseits soll sich der Gemeinschaftsbürger nicht auf die Richtlinie berufen können. Dieses widersprüchliche Verhalten der Mitgliedstaaten soll mit der unmittelbaren Wirkung sanktioniert werden 353 . Der Staat darf aus seiner Nichtbeachtung des Gemeinschaftsrechts keinen Nutzen ziehen, d. h. er kann die Richtlinie nicht zu Lasten des einzelnen in Anspruch nehmen 354 . Infolgedessen können sich die zuständigen Aufsichtsbehörden eines Mitgliedstaats, der die Richtlinien nicht fristgemäß umgesetzt hat, im Ausland nicht auf die unmittelbare Wirkung der Richtlinienbestimmungen zur Auslandsprüfung berufen, wenn sie Zweigniederlassungen im Wege einer Duldungsverfügung zu einer Prüfung verpflichten oder Zwangsmaßnahmen verhängen wollen. Eine Ausnahme ist nur dort zu sehen, wo sich das Unternehmen mit einer Prüfung freiwillig einverstanden erklärt. Denn es nicht einzusehen, weshalb der Staat seiner aus der Richtlinie stammenden Verpflichtung nicht nachkommen können soll; der Einwand des Rechtsrnißbrauchs kann nicht entgegengehalten werden. Weiter stellt sich die Frage, ob die unmittelbare Wirkung der Richtlinie auch dann zu verneinen ist, wenn, umgekehrt, die Richtlinie im Aufnahmemitgliedstaat nicht fristgemäß umgesetzt worden ist. Denn erst durch die unmittelbare Wirkung der Richtlinie wird ein (mit der Souveränität des betroffenen Staates zu vereinbarendes) Tätigwerden des Herkunftsmitgliedstaats gegenüber den im Ausland niedergelassenen Unternehmen möglich. Insofern könnte man von einem Fall der mittelbaren Belastung bei unmittelbarer Wirkung der Richtlinie sprechen, in dem nach richtiger Ansicht die unmittelbare Wirkung auszuschließen ist 355 . Diese Ansicht Grundlegend EuGH, Rs. 7170, -Grad-, Slg. 1970,825 (838 f.). EuGH, Rs. 80/86, -Kolpinghuis Nijmegen-, Slg. 1987, 3969 (3985); Rs. 152184, Marshall-, -Slg. 1986, 723 (749); Rs. C- 168/95, -Luciano Arcaro-, Slg. 1996-1, 4705 (4726); für den Fall der vertikalen als auch der horizontalen Belastung durch die Richtlinien übereinstimmend auch die Literatur: siehe nur Ehlers, in: Erichsen, § 3 Rn. 20; Haneklaus, DVBI. 1993, 129 (132 f.); Papier, DVBI. 1993,809 (809 f.). Zu den mehrpoligen Verhältnissen, die explizit noch nicht vom EuGH entschieden wurden, vgl. allerdings EuGH, Rs. 103 I 88, -Constanzo-, Slg. 1989, 1861. 353 Vgl. EuGH, Rs. 148178, -Ratti-, Slg. 1979, 1629 (1642); Rs. 8/81, -Becker-, Slg. 1982, 53 (70). Das "estoppel"-Prinzip als Geltungsgrund ablehnend Prechal, Directives in European Community Law, S. 255 ff. 354 EuGH, Rs. C-91/92, -Faccini Dori-, Slg. 1994-1,3325 (3356); Rs. C-192/94, -EI Corte Ingles-, Slg. 1996-1, 1281 (1303). 351
352
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
105
erschließt sich aus der Tatsache, daß nur die Mitgliedstaaten und nicht Privatpersonen Adressat der Richtlinie sind. Letzteren dürfen daher im Rahmen der unmittelbaren Wirkung keine Belastungen auferlegt werden, unabhängig davon, ob dies im bi- oder mehrpoligen Rechtsverhältnis erfolgt. Der Bürger hat aufgrund seines Grundrechtsstatus ein Recht auf Einhaltung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und somit auf den Grundsatz des Vorbehaltes des Gesetzes, der vom EuGH als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts vom EuGH anerkannt wird 356 . Das Bel'!stungsverbot kann jedoch dann nicht mehr greifen, wenn die "Belastung" nur noch in einem entfernten Zusammenhang eintritt 357 . Das ist der Fall, wenn der Staat Pflichten nachkommt, die nicht primär das Staat-Bürger-Verhältnis betreffen, sondern nur allenfalls sekundär als Reflex. In diesen Fällen steht die Erfüllung einer staatlichen Pflicht im Vordergrund. Der Einwand des Rechtsrnißbrauchs rückt wieder ins Zentrum der Argumentation für die Bejahung einer unmittelbaren Wirkung. Geht es daher aus der Sicht des Aufnahmemitgliedstaats um die gegenseitige Einräumung von Prüfungsrechten, steht allein die Pflicht der Beseitigung souveränitätsrechtlicher Schranken im Vordergrund. Aus Gründen der einheitlichen Wirkung von Gemeinschaftsrechts müssen diese Schranken überwunden werden. Die Ablehnung einer Anerkennung der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien zu Lasten eines einzelnen hat deshalb nur für den Herkunftsmitgliedstaat Bedeutung. Dieser soll nicht das Unternehmen ohne innerstaatliche Ermächtigungsgrundlage zur Pflicht ziehen können. Aus der Sicht des Aufnahmemitgliedstaats erlangt die Richtlinie dagegen eine (objektive) unmittelbare Wirkung, die über die reine Umsetzungsverpflichtung hinausgeht und unabhängig davon besteht, ob sich ein einzelner darauf berufen kann 358 . Versäumt es daher der Aufnahmemitgliedstaat die Richtlinie fristgemäß umzusetzen, ist ausnahmsweise von einer unmittelbaren Wirkung auszugehen. Dies hat zur Folge, daß die Zustimmung des Staates durch die Richtlinie ersetzt bzw. die Wirkungserstreckung der auf dem betroffenen Staat gesetzten Hoheitsakte direkt von der Richtlinie angeordnet wird. Zusammengefaßt läßt sich sagen, daß Geltungsgrund der Prüfungsakte der nationale Umsetzungsakt ist. Ausnahmsweise kann die Richtlinie selbst Geltungsgrund sein. Die Richtlinie ist jedoch nur Geltungsgrund für die Wirkungserstreckung der 355 Vgl. Classen, EuZW 1993, 83 (85 f.); Ehlers, in: Erichsen, § 3 Rn. 20; Haneklaus, DVBI. 1993, 129 (132 f.).; Papier, DVBI. 1993,809 (811 f.); dens., in: FS Friauf, S. 105 (129 ff.); Royla/Lackhoff, DVBI. 1998, 1116 (1119 f.); Scherzberg, Jura 1993,225 (228); dagegen Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, S. 83 ff.; Langenfeid, DÖV 1992,955 (961); Pernice, NVwZ 1990,414 (425 f.); Pieper, DVBI. 1990,684 (686). 356 EuGH, verb. Rs. 46/87 u. 227/88, -Hoechst-, Sig. 1989, 2859 (2924); Pernice, in: Grabitz I Hilf, Art. 164 Rn. 88 (Stand: Mai 1995). 357 Die Abgrenzung im Einzelfall mag dabei schwierig sein. 358 Vgl. Klein, FS Everling I, S. 641 ff. Auch der EuGH ist im Großkrotzenburg-Urteil Rs. C-431 192, Slg. 1996-1, 2189 von einer Verpflichtung der Behörden qua Richtlinie ausgegangen, ohne daß es auf eine Vergünstigung für den Bürger ankam; dazu auch Epiney, DVBI. 1996, 409 ff.
106
2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
Hoheitsakte, die von den zuständigen EG-ausländischen Aufsichtsbehörden auf dem Gebiet des Aufnahmemitgliedstaats erlassen werden. Dagegen ist die zuständige Herkunftslandbehörde nicht berechtigt, sich auf die unmittelbare Wirkung der Richtlinie zu berufen, soweit sie im Ausland die Zweigstellen der ihrer Aufsicht unterliegenden Unternehmen zur Hinnahme der Prüfung verpflichten will.
s. Die Vereinbarkeit der Richtlinienregelung mit höherrangigem Recht a) Vereinbarkeit mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht
aa) Primärrechtliche Grundlagen Die Richtlinienregelung zur gegenseitigen Einräumung von grenzüberschreitenden Prüfungsrechten wurde auf Art. 57 Abs. 2 EGV (i.Y.m. Art. 66 EGV) gestütze59 . Es wurde gezeigt, daß die Ermächtigung zur "Koordinierung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten" weit auszulegen ist und durchaus dazu berechtigt, kompetenzielle Neuzuordnungen innerhalb der Gemeinschaft zu schaffen 360 . Im Hinblick auf das Ziel der Verwirklichung der Dienstleistungsund Niederlassungsfreiheit können daher von der Koordinierung auch die bisher selbständigen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten erfaßt und Mechanismen der Zusammenarbeit der mitgliedstaatlichen Behörden etabliert werden, die im Interesse einer höheren Ordnung ausgerichtet wird 361 . Es wurde weiter gezeigt, daß schon die Einführung der "single-licence" der Verwirklichung der Marktfreiheiten und der Idee des Binnenmarktes entsprach362 . Das auf dem Herkunftslandprinzip aufbauende System der Herkunftslandkontrolle ordnet die Aufsichtskompetenzen jeweils den Staaten zu, die mit der Aufsicht der heimischen Unternehmen am besten vertraut sind. Bleiben die Aufsichtsbehörden auch dann zuständig, wenn sich die Unternehmen grenzüberschreitend niederlassen, dann ist es nur sinnvoll, ihnen auch die Prüfungskompetenz im Ausland einzuräumen 363 • Zwar bedeutet es einen nicht nur unerheblichen Souveränitätsverlust, wenn ausländische Behörden im Inland ohne Zustimmung im Einzelfall tätig werden dürfen. Die Prüfungsrechte werden jedoch gegenseitig eingeräumt; vorbehaltlich der Einräumung von Prüfungsrechten haben die Aufnahmemitgliedstaaten auch das Recht selbst Kontrollen vor Ort durchzuführen, um ihren Aufsichtsaufgaben nachgehen zu können 364 . Zudem sind die Behörden gehalten, eng zusammen-
363
Siehe bsplw. die Präambeln der WDRL oder der 3. Schaden-RL. Oben 2. Teil B. I. 3. a) bb) (I) (a). Siehe die Nachweise oben 2. Teil Fn. 134. Siehe oben 2. Teil B. I. 3. a) bb) (I) (a). Groß, JZ 1994,596 (600).
364
Siehe Art. 24 Abs. 3 der WDRL; Art. 15 Abs. 3 der 2. Bank-RL.
359
360 361 362
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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zuarbeiten und sich gegenseitig zu informieren. Schon das Vollstreckungsmonopol der Aufnahmemitgliedstaaten erfordert eine gegenseitige Untersützung, um effizient nachprüfen zu können. Im Vordergrund steht daher nicht ein Eingriff in Hoheitsrechte, sondern die Kooperation zwischen Mitgliedstaaten zur Beaufsichtigung eines gemeinschaftsweiten Marktes. Die in den Richtlinien geschaffene Koordinierung nach Art. 57 Abs. 2 EGV (i.Y.m. Art. 66 EGV) zugunsten einer Kooperation steht schließlich auch in Einklang mit Art. 3 b EGV und Art. 5 EGV, die einerseits eine dezentrale Auslagerung von Aufgaben sowie andererseits eine effektive Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fordern 36S •
bb) Rechtsstaatliche Sicherung Es wurde darauf hingewiesen, daß die die Prüfung vornehmenden zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats nicht an die Rechtsordnung des Staates gebunden sind, auf dessen Territorium sie tätig werden, und ebensowenig deren Kontrollinstanzen unterworfen sind. Rechtsschutz ist allein im Herkunftsstaat zu suchen. Ebenso wie bei "single-licence"-Akten hängt die Zulässigkeit der Prüfungstätigkeiten auf fremden Gebiet daher von der Gewährleistung des gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzstandards ab 366 • Die Behörden vollziehen, wenn sie ihren Prüfungsrechten nachgehen, Gemeinschaftsrecht. Sie haben somit die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts zu beachten, zu denen auch die Gemeinschaftsgrundrechte gehören. Darauf, daß die Gemeinschaft grundsätzlich einen den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit entsprechenden Grundrechtsschutz bereitstellt, wurde hingewiesen 367 . Das Rechtsschutzniveau wird so gemeinschaftsweit gesichert, auch wenn die Aufsichtsbehörden im Ausland tätig werden. Im Hoechst-Urteil hat der EuGH betont, daß Art. 14 der Kart-VO Nr. 17 nicht in einer Weise ausgelegt werden dürfe, die im Ergebnis den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts und insbesondere den Grundrechten zuwiderlaufe 368 • An das Prüfungsverfahren werden Anforderungen gestellt, die dem Gebot der Rechtssicherheit und des effektiven Rechtsschutzes genügen 369 • Von besonderer Bedeutung für das Verfahren ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit37o .
Siehe oben 2. Teil B. I. 3. a) bb) (I) (b). Siehe oben 2. Teil B. I. 3. a) bb) (2) (a) (bb) a.E. 367 Siehe oben 2. Teil B. I. 3. a) bb) (2) (a) (bb). 368 EuGH, verb. Rs. 46/87 u. 227/88, - Hoechst -, Sig. 1989,2859 (2923). 369 Arnold, EuR Beiheft 1/1996, 7 (14 ff.); ferner Pemice, in: Grabitz/Hilf, nach Art. 87 Rn. 5 ff. zu VO Nr. 17 I Art. 14 (Stand: Okt. 1997). 370 Siehe EuGH, a. a. 0., S. 2924; Arnold, EuR Beiheft 1I 1996, 7 (15) m. w. N. 365
366
108
2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
Der Schutz von Geschäftsräumen wird nicht von einem besonderen Gemeinschaftsgrundrecht erfaßt 371 • Im Hinblick auf die erheblichen Unterschiede in den einzelnen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten in bezug auf Art und Umfang des Schutzes von Geschäftsräumen gegen behördliche Eingriffe hat der Gerichtshof mangels gemeinsamer Verfassungsüberlieferung der Mitgliedstaaten einen derartigen grundrechts geschützten Bereich im Gemeinschaftsrecht nicht anerkannt. Infolgedessen unterliegt die Durchsuchung nicht einem Richtervorbehalt, wie man ihn aus Art. 13 Abs. 2 GG kennt. Ein solcher Schutzbereich läßt sich für Aufsichtsermiulungsverfahren auch nicht aus Art. 8 EMRK herleiten, der dem Schutz der Wohnung und Privatsphäre dienen. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem jüngst ergangenen Urteil des EGMR, in dem Geschäftsräume erstmals in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK einbezogen wurden 373 • In dem Urteil wird deutlich, daß das Recht einen stark personalen Bezug aufweist 374 . Dieser steht in den Aufsichtsermiulungsverfahren nicht im Vordergrund. Einen Richtervorbehalt kennt Art. 8 EMRK nicht. Angesichts der vom EuGH in solchen Fällen vorgenommenen Verhältnismäßigkeitsprüfung ist der Schutzstandard daher als gleichwertig anzusehen 375 • Kennt das Gemeinschaftsrecht keinen ausdrücklich grundrechtsgeschützten Bereich von Geschäftsräumen, der einen Richtervorbehalt bei Durchsuchungen vorsieht, folgt daraus, daß EG-ausländische Behörden, die im Ausland tätig werden, einen solchen als (Mindest -)Rechtsschutzstandard nicht zu beachten haben. Selbst wenn das innerstaatliche Recht des Aufnahmemitgliedstaats eine Einschaltung eines unabhängigen Richters vorsieht, hat dies für die ausländischen Prüfer keine Relevanz, solange nicht die Behörden dieses Aufnahmemitgliedstaats um Amtshilfe ersucht werden. Diese haben dann im Rahmen der Amtshilfeleistung den Richtervorbehalt zu beachten.
b) Völkerrecht versus Gemeinschaftsrecht Das Völkerrecht verbietet es grundsätzlich, aufsichtsrechtliche Prüfungen auf fremdem Territorium vorzunehmen 376 • Die völkerrechtlichen Regeln werden jedoch vom gemeinschaftlichen Regeln verdrängt, soweit nicht jus cogens vorliegt 377 . Das ist hier angesichts der Disponibilität des Verbots der "extraterritorialen EuGH, ebda; verb. Rs. 97 - 99/87, -Dow Chemical Iberic-, Slg. 1989, 3165 (3185 f.). Vgl. EuGH, ebda.; zustimmend Kamburoglou/Pirrwitz, RIW 1990,263 (269 f.); Pernice, NJW 1990,2409 (2418); Arnold, EuR Beiheft 111996, 7 (16); ablehnend Ress/Ukrow, EuZW 1990,499 (503 f.); Scholz, WuW 1990,99 (101 ff.). 373 Urteil v. 16. 12. 1992, -Niemietz-, EuGRZ 1993, 65 (66) =NJW 93, 718 (718 f.). 374 Vgl. Arnold, EuR Beiheft 1/1996, 7 (15) 375 V gl. Pernice, in: Grabitz 1Hilf, Art. 164 Rn. 65, 79 (Stand: Mai 1995). 376 Siehe oben 2. Teil B. 11. 2. 377 Bleckmann, Europarecht, Rn. 627, 643; ferner Groß, JZ 1994, 596 (600); weitere Nachweise oben 2. Teil Fn. 221. 371
372
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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Hoheitsausübung" der Fall. Versäumt es ein Mitgliedstaat, die Richtlinie umzusetzen, bestehen infolgedessen keine völkerrechtlichen, sondern nur kompetenzielle Schranken, sofern nicht die Richtlinie ausnahmsweise unmittelbare Wirkung hat.
c) Vereinbarkeit mit deutschem Verfassungsrecht
aa) Keine Übertragung von Hoheitsrechten auf ausländische Staaten Nach der Auffassung zahlreicher Autoren handelt es sich bei der Umsetzung der Richtlinien zur Einräumung von Prüfungsrechten um einen Fall der Übertragung von Hoheitsrechten auf ausländische Staaten 378 . Im Hinblick auf Art. 24 Abs. 1 GG, der als Übertragungsempfänger nur eine zwischenstaatliche Einrichtung vorsieht, bedeutete dies, daß die Übertragung nicht von der deutschen Verfassung gedeckt wäre. Teilweise wird daher versucht, eine Lösung über den nunmehr geltenden Art. 23 Abs. 1 GG zu finden, der den Adressaten der Übertragung nicht nennt 379 . Diese Auffassung ist indes abzulehnen. Ebensowenig wie bei der Umsetzung des "single-licence"-Prinzips handelt es sich um eine originäre Übertragung von Hoheitsrechten auf ausländische Staaten 380. Der deutsche Gesetzgeber vollzieht lediglich sekundäres Gemeinschaftsrecht, das sich wiederum auf die Ermächtigung aus dem EG-Vertrag stützt. Lediglich im Zustimmungsbefehl zu diesem Vertrag liegt eine Übertragung von Hoheitsrechten (auf die Gemeinschaft), nicht jedoch in der Umsetzung der Richtlinie, die diese Übertragung konkretisiert.
bb) Rechtsschutz und Legitimation Die ausländischen Prüfer sind weder an die deutsche Rechtsordnung gebunden noch personell-institutionell legitimiert. Die "extraterritoriale Hoheitsausübung" ist jedoch zulässig, wenn die Rechtsordnung, unter deren Regime und Maßgabe der Zulassungsakt erlassen wird, dem deutschen Grundrechtsstandard gleichwertig sowie das Legitimaitonsniveau gesichert ist 381 . Im Rahmen des Art. 24 Abs. 1 GG bzw. des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG wird dabei weder eine Homogenität noch eine strukturelle Kongruenz mit den an einen Staat gerichteten Vorgaben des Grundgesetzes verlangt 382 . m Fahr, VersR 1992, \033 (1035); ders., in: Fahr/Kaulbach, VAG, § 110 a Rn. 16; Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 421, Fn. 131; vgl. auch NeßIer, S. 79 f. 379 So Fahr, in: Fahr/ Kaulbach, VAG, § 1\0 a Rn. 16. Zur Unzulässigkeit der Übertragung von Hoheitsrechten auf ausländische Staaten siehe oben 2. Teil B. I. 3. c) aal (I). 380 Vgl. oben 2. Teil B. I. 3. c) aal (I). 381 Vgl. oben 2. Teil B. I. 3. c) bb) u. ce). 382 Streinz, in: Sachs, GG, Art. 23, Rn. 21.
BO
2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
(1) Hinreichendes Legitimationsniveau
Im Hinblick auf das Zustimmungsgesetz, der Zustimmung der deutschen Beteiligten im Ministerrat bei der Entscheidung über die Richtlinien sowie der Bindung der ausländischen Prüfer an das Richtlinienprogramm und an die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Gemeinschaft ergibt sich in der Summe ein Legitimationsniveau, das den Vorgaben der Integrationsbestimmungen genügt 383 . Der Beteiligungsmöglichkeit der Aufsichtsbehörden bei der Prüfung, wie es die Versicherungsrichtlinien vorsehen 384 , kommt sicherlich auch Legitimationswirkung zu. (2) Gleichwertiger Rechtsschutzstandard
Die vom EuGH entwickelten ("gefundenen") allgemeinen Rechtsgrundsätze und Gemeinschaftsgrundrechte entsprechen dem von den Integrationsbestimmungen geforderten Rechtsschutzstandard. Diesen europäischen Rechtsschutzstandard haben die mitgliedstaatlichen Organe, soweit sie das Gemeinschaftsrecht anwenden und durchführen, zu beachten. Diese Bindung erlaubt es, Prüfungen durch ausländische Aufsichtsbehörden zu dulden, auch wenn sie keine äquivalenten nationalen Rechtsgrundsätze zu beachten haben 385 . Dies gilt auch im Hinblick auf die fehlende Anerkennung eines EG-Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung für Unternehmen und ihre Geschäftsräume 386 . Zwar bezieht die ständige Rechtsprechung des BVerfG die Geschäftsräume in den Schutzbereich des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG grundsätzlich ein 387 . Jedoch unterfallen Prüfungen in (reinen) Geschäftsräumen nicht dem Schrankensystem in Art. 13 Abs. 2 und Abs. 3 GG 388 . Infolge der nach außen wirkenden geschäftlichen Tatigkeiten, die in solchen Räumen vorgenommen werden, macht das BVerfG eine geminderte Schutzbedürftigkeit aus 389 . Das "Betreten von Betriebsräumen zum Zweck der routinemäßigen Untersuchung" sei daher "noch keine Durchsuchung,,39o. Eine Durchsuchung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG bedeutet nach ständiger Rechtsprechung erst "das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe nach Personen oder Sachen oder zur Ermittlung eines Sachverhalts, um etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung von sich 383 Zumal die Legitimationsanforderungen aufgrund der Beschränkung auf ausländische Unternehmen ohnehin schon weniger stringent sind, vgl. oben 2. Teil B. I. 3. c) bb) a.E. 384 Art. 14 S. 2 der 1. Schaden-RL Ld.F. des Art. 10 der 3. Schaden-RL; Art. 16 S. 2 der 1. Leben-RL Ld.F des Art. 9 der 3. Leben-RL. 385 Vgl. oben 2. Teil B. I. 3. c) cc) (1). 386 EuGH, verb. Rs. 46/87 u. 227/88, -Hoechst-, Sig. 1989,2859 (2924). 387 BVerfGE 32, 54 (68 ff.); 76, 83 (88). 388 BVerfGE 32, 54 (75 ff.); zur insoweit ,Jnkonsequenten" Rechtsprechung siehe Herdegen, in: BK, GG, Art. 13 Rn. 33 f. (Stand: Okt. 1993). 389 Ebda. 390 BVerwG, NJW 1988, 1278 (1279).
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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aus nicht offenlegen oder herausgeben Will,,391. Kennzeichnend ist daher für die Durchsuchung, daß sie gegen den Willen der betroffenen Unternehmen erfolgt. Da dieser Widerstand mit Zwangsmitteln beseitigt werden muß, ist die Unterstützung der heimischen Behörden erforderlich und somit wiederum der Richtervorbehalt zu beachten. Die Differenzen zwischen europäischem und deutschem Grundrechtsschutz können infolgedessen vernachlässigt werden. Der Grundrechtsstandard ist im wesentlichen gleichwertig. Da die Unternehmen gezwungen sind im Herkunftsland gerichtlichen Schutz zu suchen, sind die vom Bundesrat erhobenen Bedenken bei der Beratung des Entwurfs der 3. Versicherungsrichtlinien nicht völlig unbegründet 392 . Zudem ist zu berücksichtigen, daß die Rechtsschutzsuche u.U. erschwert werden kann, wenn sich die ansässige Aufsichtsbehörde an der Prüfung beteiligt und nicht eindeutig ist, wer die federführenden Prüfungshandlungen vorgenommen hat. Jedoch ist die Regelung solange mit Verfassungsrecht vereinbar, wie effektiver Rechtsschutz gewährt wird 393 . Danach genügt es, daß die Unternehmen im Herkunftsstaat gerichtlichen Schutz erlangen können. Diese Rechtsschutzgarantie ist gemeinschaftsrechtlich verbürgt. d) Ergebnis Die gegenseitige Einräumung von Prüfungsrechten fügt sich in die Logik des Systems der Herkunftslandkontrolle ein und wird von der Ermächtigung des Art. 57 Abs. 2 EGV (i.Y.m. Art. 66 EGV) gedeckt. Das vom EuGH entwickelte Rechtsschutzsystem, das sowohl materiell als auch institutionell auf die vollziehenden Mitgliedstaaten einwirkt, erlaubt es EG-ausländischen Aufsichtsbehörden sowohl aus gemeinschaftsrechtlicher als auch aus verfassungsrechtlicher Sicht auf dem Territorium anderer Mitgliedstaaten Prüfungen vorzunehmen.
111. Die Zusammenarbeit der mitgliedstaatlichen Aufsichtsbehörden In den Richtlinien zur Regelung des Finanzmarktaufsichtsrechts wurde eine dezentrale Vollzugslösung gewählt: Auf eine europäische Aufsichtsbehörde wurde verzichtet; die nationalen Aufsichtsstrukturen bei gleichzeitiger Harmonisierung der Aufsichtsgesetze wurden beibehalten. Mit der Einführung des Systems der Herkunftslandkontrolle wird allerdings im Hinblick auf das Ziel einer effektiven Aufsicht über den gesamten Binnenmarkt eine enge Zusammenarbeit zwischen 391 392 393
BVerfGE 28,285 (287 ff.); 47, 31 (36 f.); 51, 97 (107); 76, 83 (89). BR-Drs. 277/91, S. 2. Vgl. oben 2. Teil B. I. 3. c) cc) (2).
112
2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
den mitgliedstaatlichen Aufsichtsbehörden erforderlich. Zwar werden die Aufsichtskompetenzen bei den Behörden der Sitzlandes der Unternehmen konzentriert, d. h. es wird nur eine einzige Zulassung für das gesamte Gebiet der Gemeinschaft erteilt; die Behörden können grenzüberschreitend Prüfungen bei den ihrer Aufsicht unterliegenden Unternehmen vornehmen. Bei der Vorbereitung und Durchsetzung dieser Instrumente sind die Aufsichtsbehörden jedoch auf die Unterstützung der Aufsichtsbehörden anderer Mitgliedstaaten angewiesen 394 . Besondere Bedeutung kommt dabei dem Informationsaustausch zu. Zunächst besteht ein allgemeiner Bedarf an Verwaltungskommunikation zur Erleichterung der Aufsichtsaufgaben. Weiterhin sind Informationen dort notwendig, wo die zuständigen Behörden Entscheidungen im Rahmen ihrer alleinigen Aufsichtskompetenzen mit grenzüberschreitender Wirkung treffen will. Die Verwaltungen sind überdies auf eine Kommunikation zwischen den Mitgliedstaaten angewiesen, wo, wie in der laufenden Rechtsaufsicht, parallel verlaufende Kompetenzen bestehen. Schließlich spielt die administrative Zusammenarbeit dort eine wichtige Rolle, wo, wie bei der Vollstreckung und Durchsetzung von Entscheidungen auf fremdem Hoheitsgebiet, alleinige Kompetenzen der Aufnahme- bzw. Bestimmungsmitgliedstaaten bestehen. Die Notwendigkeit der administrativen Zusammenarbeit wird in den Richtlinien ausdrücklich anerkannt. Im 40. Erwägungsgrund der WertpapierdienstleistungsRichtlinie heißt es, daß "die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats bei der Ausübung ihrer Befugnisse auf die engste Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats zählen müssen können 395 ." Während dem Gemeinschaftsgesetzgeber einerseits die Notwendigkeit und Pflicht zur Verwaltungskooperation bewußt ist, fällt jedoch andererseits auf, daß die Richtlinien wenige Aussagen über die Tatbestände der Voraussetzung und Grenzen der Zusammenarbeit treffen. Die Bestimmung dieser Tatbestäde kann jedoch nicht unterbleiben, vor allem dann nicht, wenn durch die Kooperationsakte die private Rechtssphäre der Gemeinschaftsbürger berührt wird. Bevor darauf näher eingegangen wird (2.), erscheint es zunächst notwendig (1.), die Grundregeln der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit auf internationaler Ebene (a) darzustellen sowie (b) auf das Zusammenarbeitsmodell der Europäischen Gemeinschaft einzugehen.
394 395
Siehe dazu auch Braumüller, VersRdschau 1995/7 - 8, 26 (27). Siehe auch den 21. Erwägungsgrund der 2. Bank-RL.
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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1. Grundlagen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit a) Internationale Zusammenarbeit
Die Reichweite und Bedeutung des Instruments der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit erschließt sich erst, wenn man sich das Kooperationsspektrum und die für das internationale Kooperationsrecht geltenden Grundprinzipien vor Augen hält. aa) Gegenstand und Formen Im Hinblick auf die Internationalisierung der Finanzmärkte und der dort tätigen Unternehmen hat die Aufsicht eine internationale Ausrichtung erfahren. Viele Staaten oder Aufsichtsbehörden arbeiten daher auf internationaler Ebene zusammen. Auf einer Grundsatzebene sind sie in verschiedenen internationalen Gremien vertreten oder haben zu schlichten Formen der bilateralen Kooperation gefunden. In diesem Rahmen werden allgemeine Informationen ausgetauscht, Statistiken und Berichte über die internationale Aufsichtspraxis erstellt, mündliche Absprachen getroffen. Bei diesem regelmäßigen Kontakt steht der schlichte Gedankenaustausch im Vordergrund. Vertrauliche Informationen werden in der Regel nicht weitergegeben. Soweit der Informationsaustauch dagegen auf ein konkretes Verwaltungsverfahren gerichtet ist, spricht man von internationaler Verfahrenshilfe. (1) Begriff der internationalen Verfahrenshilfe (Rechts- und Amtshilfe)
Im Vordergrund der verfahrensrechtlichen Zusammenarbeit der Staaten im Bereich der Finanzmarktaufsicht steht die Amtshilfe. Unter internationaler Amtshilfe wird die Zusammenarbeit von Verwaltungsbehörden -ohne Rücksicht auf ein laufendes Gerichtsverfahren - verstanden 396 • In Abgrenzung dazu versteht man unter dem Begriff der internationalen Rechtshilfe die Unterstützung eines ausländischen Justizverfahrens 397 . Die Grenzen können aber fließend sein. Denn die Amtshilfe läuft zuweilen auf ein streitiges Verfahren hinaus 398 . 396 Manfrini, Entraide administrative, S. 117; Nadig, S. 29; Schnyder, SAG 1988, I (1 f.); Zulauf, SZW IRSDA 1995,50 (51). 391 Nadig, ebda; Schnyder, SAG 1988, 1 (2). Teilweise wird die Rechtshilfe auf die Unterstützung eines strafrechtlichen Verfahrens beschränkt, unabhängig davon, ob Behörden oder Gerichte daran beteiligt sind, vgl. earl I Klos, Internationale Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, S. 68. 398 Vgl. Zulauf, SZW IRSDA 1995,50 (51 f.). Jellinek, NVwZ 1982,535 (535 C.) nimmt Amtshilfe nur an, soweit es sich sowohl bei der ersuchenden als auch der ersuchten Stelle um Verwaltungsbehörden handelt; nach Prieß, EuR 1991, 342 (345 ff.) ist für die Abgrenzung maßgeblich, ob die ersuchte Stelle ein Gericht oder eine Behörde ist. Näher zur Begriffsbestimmung in bezug auf die Europäischen Amts- und Rechtshilfeabkommen (siehe Fn. 409 u. 410) siehe Berchtold, FS Loebenstein, S. 11 (12 ff.).
8 Royla
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
Ebenso wie die Rechtshilfe in Straf- und Zivilsachen 399 sind von der internationalen Amtshilfe die Instrumente abzugrenzen, die die Aufsichtsbehörden einseitig einsetzen. Die Staaten können etwa einseitige förmliche Zustellungen von Hoheitsakten vorsehen oder Auskunftspflichten für die ausländischen Zweigniederlassungen statuieren, um die Inanpruchnahme von Hilfe ausländischer Behörden zu vermeiden. In diesen Rahmen fallen auch grenzüberschreitende Inspektionen. Diese Instrumente kollidieren regelmäßig mit der Gebietshoheit anderer Staaten. Extraterritoriale Jurisdiktion ist nur in Ausnahmefällen zulässig4OO • Die Vermeidung und der Abbau internationaler (Regelungs- bzw. Rechtsanwendungs-) Konflikte sind neben dem Ziel einer wirksamen internationalen Aufsicht wesentlicher Grund für die Notwendigkeit einer internationalen Amtshilfe4ol • Andererseits können die einseitigen extraterritorialen Instrumente nicht völlig von der Betrachtung ausgeschlossen werden. Wenn sie nämlich im Rahmen internationaler Vereinbarungen gebilligt werden, komplettieren sie, als völkerrechtlich zulässige Instrumente, die internationale Kooperation bzw. erübrigen die Inanspruchnahme von Amtshilfe. (2) Gegenstand der Amtshi/fe402 Amtshilfe wird immer dann erforderlich, wenn die Aufsichtsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben Maßnahmen treffen müssen, die an die territorialen Grenzen stoßen. Ein Amtshilfeersuchen kann aus dem Bedürfnis erwachsen, Grundlagen der Verwaltungsentscheidung zu komplettieren, d. h. es geht um Sachverhaltsermittlung. Gegenstand der Amtshilfe ist hier die Übermittlung von Dokumenten, die Benachrichtigung von Verfahrensbeteiligten sowie die Durchführung von Prüfungen. Weiterhin kann es erforderlich sein, die Entscheidung selbst im Ausland zu notifizieren bzw. zuzustellen. Schließlich sind die Behörden zur Durchsetzung ihrer Entscheidungen auf Amtshilfe angewiesen. Im Mittelpunkt steht hier die Vollstreckungshilfe. Qualitativ kann unterschieden werden zwischen dem Austausch von Informationen, die schon vorhanden sind, und solchen, die noch beschafft werden müssen. Hierbei kann wieder danach unterschieden werden, ob Zwangsmaßnahmen vorzunehmen sind. In der internationalen Aufsichtspraxis über die Finanzunternehmen steht neben dem allgemeinen Gedankenaustausch zwischen den Aufsichtsbehörden die Zusammenarbeit in folgenden Fällen im Vordergrund403 :
399 400
401 402 403
Dazu näher Schnyder, SAG 1988, 1 (2 ff.). Siehe oben 2. Teil B. I. 1. b) aa). Vgl. Schnyder, SAG 1988, 1 (8, 13). Vgl. allgemein Manfrini, Entraide administrative, S. 125 f. Vgl. Nadig, S. 25 ff.
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
115
- Benachrichtigung über Entzug der Betriebszulassung eines Finanzunternehmens, das Teil einer internationalen Gruppe ist - Infonnation bei akuter Gefahr für ausländische Kunden wegen finanzieller Lage des betroffenen Unternehmens - Übennittlung von notwendigen Angaben, die zur Prüfung von Zulassungsvoraussetzungen und Solvenz der Unternehmen erforderlich sind - Benachrichtigung im Fall der Errichtung eines Tochterunternehmens oder einer Zweigniederlassung im Ausland - die örtliche Prüfung bei Zweigniederlassungen im Ausland.
bb) Rechtsgrundlagen Das Recht der internationalen Zusammenarbeit respektive der Amtshilfe in Verwaltungssachen ist durch seine Heterogenität gekennzeichnet 404 • Es mangelt bisher an einer umfassenden internationalen Regelung des Amtshilfeverkehrs. Vielmehr bestehen auf internationaler Ebene vielfältige Abkommen und Vereinbarungen in Bereichen wie der Sozialversicherung, der Kontrolle von pharmazeutischen Produkten, dem Luftverkehr405 . Mit Ausnahme des Bereichs des Steuerrechts406 wird die internationale Amtshilfe noch als "unerforschtes Neuland" bezeichnet407 . Trotz ihrer internationalen Bezüge wird die internationale Amtshilfe weitestgehend vom nationalen Recht umfaßt. Völkerrechtliche Grundsätze sind nur schwach entwickelt40s . Der Europarat hat zwar zur Amts- und Rechtshilfe zwei Konventionen ausgearbeitet: - das Europäische Übereinkommen über die Erlangung von Auskünften und Beweisen in Verwaltungssachen im Ausland vom 15. März 1978409 das Europäische Übereinkommen betreffend die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland vom 24. November 1977410 • Diese erlangen jedoch für den Bereich der Finanzmarktaufsicht wegen der darin enthaltenden weiten Subsidiaritätsklausel gegenüber bestehenden oder künftigen Vgl. Manfrini, Entraide administrative, S. 128 ff.; Schnyder, SAG 1988, I (5 ff.). Geiger, EPIL 9 (1986), 235 (235 f.). 406 Dazu ausführlich earl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen (1995). 407 Schnyder, SAG 1988, 1 (5) mit Hinweis auf Peter Honegger, Amerikanische Offenlegungspflichten in Konflikt mit schweizerischen Geheimhaltungsvorschriften (1986), S. 197. 408 Loebenstein, International Mutual Assistance, S. 16; Mülbert, AG 1986, I (13). 409 Veröffentlicht in European Treaty Series Nr. 97 und als BT-Drs. 8/3922. 410 European Treaty Series Nr. 94. 404 405
S"
116
2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
Vereinbarungen zwischen den Vertragsstaaten kaum Bedeutung411 . Von weitaus größerer Bedeutung sind dagegen die von internationalen Gremien (z. B. Baseler Ausschuß, lOSCO, Versicherungsausschuß der OECD) ausgearbeiteten Empfehlungen über die internationale Zusammenarbeit der Finanzmarktaufsichtbehörden. Besondere Erwähnung verdient daraus das "Baseier Konkordat,,412. Darin sind nicht nur Grundsätze zur internationalen Überwachung von Banken und Wertpapierhäusern, sondern auch von Finanzkonglomeraten erarbeitet worden413 . Darüberhinaus resultieren daraus zahlreiche bilaterale administrative Vereinbarungen - sog. "memoranda of understanding" - zwischen den Bankaufsichtsbehörden414 . Auf dem Versicherungssektor wurden Muster und Empfehlungen von zahlreichen Konferenzen der Versicherungsaufsichtsbehörden sowie vom Versicherungsausschuß der OECD erstellt. Diese mündeten zum Teil in multilateralen Absprachen in Form eines "Leitfadens für Verhaltensregeln für die Zusammenarbeit der Versicherungsaufsichtsbehörden,,4Is. Die von internationalen Gremien ausgearbeiteten Empfehlungen haben wichtige Impulse für die Zusammenarbeit der Finanzmarktaufsichtsbehörden bewirkt. Ebenso wie den sog. "memoranda of understanding" fehlt ihnen jedoch die rechtliche Verbindlichkeit 416. Sie können daher keine Pflichten und Rechte für die Aufsichtsbehörden begründen. Ungeachtet der Regeln der Europäischen Gemeinschaft, kann daher das internationale Recht (das "soft law" des Baseler Ausschusses sowie die Europäischen Amtshilfeübereinkommen) für den Bereich der Finanzmarktaufsicht allenfalls als Orientierung für das internationale Amtshilferecht angesehen werden. Gesetzliche Grundlagen für die grenzüberschreitende Amtshilfe lassen sich trotz ihres internationalen Bezugs größtenteils nur in den innerstaatlichen Vorschriften finden 417 .
Vgl. Mülbert, AG 1986, I (13). Dazu oben in l. Teil B. V. Fn. 7l. 413 Vgl. Zulauf, in: Nobel, S. 26 (36 ff.); ferner Deutsche Bundesbank, Monatsberichte: April 1994, S. 49 ff. 414 Zu solchen Vereinbarungen im Bankbereich siehe Kuntze, ZfgK 1993, 18 (20); Szagunn/Haug/Ergenzinger, KWG, § 8 Rn. 21 ff. 415 Siehe dazu Braumüller, VerschRdschau 1995/7 - 8,26 (3\); Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 439 ff.; dens., in: GoldbergIMüller, VAG, Vorbem. zu §§ 111 a -111 e; Pollak/Knudsen, in: Bericht der VIII. Konferenz der Europäischen Versicherungsaufsichtsbehörden, S. 39 ff.; ferner GB BAV 1992,45; 1993,44. 416 Vgl. Manfrini, Entraide administrative, S. 134 ff. 417 Zu den neuen für die schweizerische Banken-, Börsen und Anlagefondsaufsicht geltenden Amts- und Rechtshilfevorschriften, die 1995 bzw. 1996 in Kraft getreten sind, siehe Zulauf, SZW I RSDA 1995, 50 ff. 411
412
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
117
cc) Voraussetzungen und Grenzen Im Hinblick auf das grundsätzliche völkerrechtliche Verbot der extraterritorialen Jurisdiktion bedarf es insbesondere zur Sachverhaltsermittlung und zur Durchsetzung von Entscheidungen der Amtshilfe ausländischer Behörden. Mangels einer umfassenden Regelung zur allgemeinen internationalen Amtshilfe sowie zur Amtshilfe auf dem Gebiet der Finanzmarktaufsicht im Besonderen bestehen allerdings weiterhin Unklarheiten bezüglich der Voraussetzungen und Grenzen des internationalen Amtshilfeverkehrs418 • Ausführliche Regelungen zum Amts- und Rechtshilferecht haben sich für Steuerangelegenheiten herausgebildet 419 . Diese können zwar nicht unbesehen übernommen werden. Die Standards der Verfahrenshilfe in Steuersachen sind unter Rücksichtnahme auf den äußerst sensiblen Bereich der internationalen Besteuerung entwickelt worden42o ; ferner dürfen vertragliche Grundsätze nicht auf Bereiche übertragen werden, denen es an gesetzlichen Grundlagen mangelt. Dennoch lassen sich aus den verschiedenen Amtshilferegelungen Gemeinsamkeiten herausarbeiten, die man als Grundzüge der internationalen Amtshilfe bezeichnen kann421 . Aus der Sicht des ersuchenden Staates bestehen grundsätzlich keine besonderen Grundsätze 422 . Aktive Amtshilfeersuchen sind nicht beschränkt. Die ersuchende Behörde darf freilich keine innerstaatlichen Vorschriften (z. B. Geheimhaltungsvorschriften, Grundrechte, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) verletzen. Denn an diese ist sie auch im grenzüberschreitenden Verkehr gebunden. Internationale Abkommen oder innerstaatliche Vorschriften bestimmen u. U. eine besondere Form des Ersuchens. Die Zusammenarbeit kann etwa allein auf dem diplomatischen Wege zulässig sein. Regelmäßig erfolgt die Amtshilfe nur auf Antrag423 . In manchen Fällen ist jedoch auch eine spontane oder automatische Auskunft vorgesehen 424 . Nach den Empfehlungen des Baseler Konkordats haben sich die Aufsichtsbehörden unverzüglich zu informieren, sobald sie Kenntnis von Umständen erlangen, die die Interessen der Gläubiger einer Bank gefährden könnten 425. Vgl. Mülbert AG 1986, 1 (13). Vgl. RL 77/799 über die gegenseitige Amtshilfe der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern und der Mehrwertsteuer, ABI. L 336 v. 27. 12.77, S. 15 (geändert durch RL 7911070). Siehe auch Neßler, S. 175 ff. m. w. N. 420 Vgl. Friauf, StbJb 1984/1985 317 (327 f.), der auf die Besonderheiten des Schutzes des Steuergeheimnisses hinweist. 421 Eine Darstellung findet sich bei Loebenstein, International Mutual Assistance, S. 4 ff.; Neumayer, Internationales Verwaltungsrecht IV, S. 351 ff.; ferner Berchtold, FS Loebenstein, S. 11 ff. 422 Vgl. Carll Klos, a. a. 0., S. 86 ff. 423 Manfrini, Entraide administrative, S. 144. 424 Zu anderen Arten des Auskunftsverkehrs in Steuersachen siehe Carll Klos, a. a. 0., S. 103 ff. 418
419
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
Eine Pflicht zur Leistung von Amtshilfe besteht nur, wenn ein völkerrechtlicher Vertrag dies vorsieht. Im übrigen steht es im Ermessen des ersuchten Staates, Amtshilfe zu leisten. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß das Ermessen nicht völlig frei sein kann, da grundsätzlich ein genuines Interesse an einer funktionierenden Zusammenarbeit besteht. Im Mittelpunkt des internationalen Amtshilferechts stehen die Grenzen der Amtshilfeleistung426 . Es geht dabei um die Frage, unter weIchen Voraussetzungen die Leistung von Amtshilfe verweigert werden darf bzw. muß. Zentraler Grundsatz des internationalen Amtshilfeverkehrs ist es, daß die Amtshilfeleistung nicht gegen innerstaatliche Vorschriften des ersuchten Staates verstoßen d~27. Daraus folgt nicht nur, daß die ersuchte Behörde die Verwaltungsverfahrensvorschriften einzuhalten hat, sofern diese anwendbar sind, sondern auch die innerstaatlichen Geheimhaltungsvorschriften. Die Behörde hat grundsätzlich das Amtsgeheimnis, das Geschäfts- und Betriebsgeheimnis (z. B. Bankgeheimnis) sowie den Datenschutz zu beachten 428 . Amtshilfeleistungen, die Eingriffe nachsichziehen, insbesondere zur Anwendung von Zwangsmaßnahmen führen, bedürfen einer gesetzlichen Grundlage429 . Weiterhin ist die Amtshilfe zu verweigern, wenn die Erledigung des Ersuchens geeignet wäre den ordre public zu beeinträchtigen430. Bestandteile des ordre public sind die fundamentalen Grundsätze der Rechtsordnung wie die Souveränität, die nationale Sicherheit, die öffentlichen Ordnung und andere wesentliche Interessen des ersuchten Staates. Dazu gehören auch die Grundrechte 431 . Zwar ergibt sich die Pflicht, sie zu beachten, schon aus deren Wirkung auch bei Sachverhalten mit Auslandsbezug432 . Jedoch sehen zahlreiche (Vollstreckungs-) Amtshilfeabkommen vor, daß die ersuchten Staaten unanfechtbare und vollstreckbare Verwaltungsakte
Vgl. Manfrini, Entraide administrative, S. 144 f. Vgl. Berchtold, FS Loebenstein, S. 11 (19 ff.); Loebenstein, a. a. 0., S. 55 ff.; Manfrini, Entraide administrative, S. 146 ff. 427 Berchtold, FS Loebenstein, S. 11 (20); Loebenstein, a. a. 0., S. 66; Neßler, S. 176; Neumayer, Internationales Verwaltungsrecht IV, S. 370; Manfrini, Entraide administrative, S. 157 f.; Mülbert, AG 1986, I (14). So auch Art. 7 des Europäischen Übereinkommens über die Erlangung von Auskünften und Beweisen in Verwaltungssachen im Ausland vom 15. März 1978. 428 Berchtold, FS Loebenstein, S. I1 (20). Dies bedeutet jedoch noch nicht, daß eine Amtshilfe ausgeschlossen ist. Zum schweizerischen Geheimnisschutz bei der grenzüberschreitenden Bankenaufsicht siehe Nadig, S. 36 ff., 52 ff. 429 Schnyder, SAG 1988, I (5); Neßler, S. 177; Manfrini, Entraide administrative, S. 158. 430 Geiger, EPIL 9 (1986), 235 (238); Manfrini, Entraide administrative, S. 158; Neßler, S. 176; Schnyder, SAG 1988, 1 (10, 11). So auch Art. 7 Abs. I Iit b des Europäischen Übereinkommens über die Erlangung von Auskünften und Beweisen in Verwaltungssachen im Ausland vom 15. März 1978. 431 Papier 10Ischewski, DVBI. 1976,475 (478). 432 Vgl. Neßler, S. 177, Fn. 121. 425 426
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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ohne eigene Sachprüfung vollstrecken müssen433 . Die Grundrechte kommen dann in der ordre-public-Klausel zur Geltung. Neben die rechtliche Unmöglichkeit tritt als weitere Grenze die tatsächliche Unmöglichkeit der Amtshilfeleistung434 . Grenzen ergeben sich ferner aus den ausdrücklich vertraglich geregelten Verweigerungs gründen. So können die Staatsverträge einen strengeren Geheimnisschutz als das nationale Recht des ersuchten Staates vorsehen. Weiterhin kann bei der Weitergabe von Informationen eine engere Zweckbindung vorgesehen sein. Der Grundsatz der Zweckbindung, der besagt, daß die empfangenen ausländischen Behörden die Informationen nur zum gesetzlichen Zweck verwenden dürfen, ergibt sich im übrigen schon aus den nationalen Vorschriften 435 . In der Regel wird den ersuchten Staaten vorbehalten, daß sie eine Weitergabe der Informationen an andere Behörden von einem Einverständnis der ersuchten Behörde abhängig machen (sog. Prinzip der langen Hand)436. Ein weiterer Grundsatz des internationalen Amtshilferechts ist das Gegenseitigkeitsprinzip437, das zu den elementaren Prinzipien des Völkerrechts gehört438 . Danach darf der ersuchte Staat die Amtshilfeleistung verweigern, wenn der ersuchende Staat eine gleichartige Amtshilfe nicht erbringen würde. Dies führt jedoch nicht zwingend zum Scheitern der Amtshilfe. Der ersuchte Staat hat es in der Hand, sich dennoch für eine Zusammenarbeit zu entscheiden439 . Als Ausfluß des Gegenseitigkeitsprinzips wird teilweise der Grundsatz angesehen, daß die Amtshilfe nicht nur dann ihre Grenzen findet, wenn die Amthilfeleistung gegen Vorschriften des ersuchten Staates verstößt, sondern auch, wenn die Erfüllung der ersuchten Handlung nach dem Recht des ersuchenden Staates rechtswidrig ist44o . Dies kann jedoch nicht überzeugen. Unklar ist schon, inwieweit die Amtshilfe zu verweigern wäre, wenn die inländischen Eingriffstatbestände nur annähernd gleichwertig sind44l . Weiter spricht dagegen, daß eine inzidente Überprü433 Zu solchen (Vollstreckungshilfe-)Abkommen in Steuersachen siehe Carll Klos, a. a. 0., S. 214 ff.; Papier/Olschewski, DVBI. 1976,475 ff.. 434 Berchtold, FS Loebenstein, S. 11 (21). 435 Neßler, S. 177. Die Beschränkung des Verwendungszwecks bildet zugleich ein Adaption des Gedankens der Spezialität aus dem Recht der Rechtshilfe in Strafsachen, vgl. Manfrini, Entraide administrative, S. 160. Dabei ist jedoch lediglich zu verlangen, daß die ausländische Behörden aufgrund von Gesetzen handelt, welche grosso modo den gleichen Zwecken und dem Vollzug ähnlicher Vorschriften dienen, so Zulauf, SZW I RSDA 1995, 50 (57). 436 Vgl. Schnyder, SAG 1988, 1 (8 f.), der dieses Prinzip als Teil des Spezialitätsgrundsatzes behandelt; ferner Zulauf, SZW I RSDA 1995, 50 (57 f.). 437 Schnyder, SAG 1988, I (9). 438 Verdross I Simma, Universelles Völkerrecht, § 64. 439 Vgl. Schnyder, SAG 1988, I (9); Zulauf, SZW I RSDA 1995,50 (56 f.). 440 So Loebenstein, International Mutual Assistance, S. 62, 65 f.; Manfrini, Entraide administrative, S. 157 f.; Mülbert, AG 1986, 1 (14). 441 Siehe dazu Carll Klos, a. a. 0., S. 130; Schnyder, SAG 1988, 1 (8); Zulauf, SZW I RSDA 1995,50 (57).
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
fung der Amthshilfeersuchen nicht nur eine erhebliche Erschwernis für den Amtshilfeverkehr wäre, sondern auch eine völkerrechtlich unzulässige Einmischung in die Angelegenheiten des ersuchenden Staates bedeutete442 • Es kann daher zusammenfassend für die Grenzen der internationalen Amtshilfe festgehalten werden: Verweigerungsgründe bestehen, wenn die Amtshilfe nach dem Recht des ersuchten Staates .nicht rechtmäßig, die Amtshilfeleistung tatsächlich unmöglich ist oder gegen den ordre public des ersuchten Staates verstößt. Schließlich sind die staatsvertraglichen Vereinbarungen zu beachten. Eine Pflicht zur Amtshilfe besteht mit anderen Worten nur, wenn die internationale Rechtsgrundlage dies fordert und nicht gegen innerstaatliches Recht verstoßen wird.
b) Zusammenarbeit der Verwaltungen in der EG
Die Verwaltung des Gemeinschaftsrechts liegt hauptsächlich in den Händen der Mitgliedstaaten. Denn das Gemeinschaftsrecht wird zum größten Teil von den Mitgliedstaaten vollzogen. An dieser dezentralen Vollzugstruktur wird sich angesichts des an Bedeutung zunehmenden Subsidiaritätsprinzips kaum etwas ändern. Es verwundert daher nicht, daß sich das Interesse der EG-Kommission an der Aufgabe ,,Zusammenarbeit der Verwaltungen" verstärkt443 • Auch in der Literatur wird die VerwaItungskooperation als immer wichtiger werdende Steurungsressource erkannt444 . In der Mitteilung ,,Zusammenarbeit der Verwaltungen" von 1994 entwirft die Kommission einen Gemeinschaftsrahmen für die Entwicklung der VerwaItungskooperation445 • Im Vordergrund steht dort die Entstehung eines ,,Netz(es) klar identifizierbarer Korrespondenten" zum Austausch von Basisinformationen. Dabei wird das Funktionieren dieses Netzes von der Einhaltung zweier Prinzipien abhängig gemacht: der Verhältnismäßigkeit und der Vertraulichkeit. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit soll dabei nicht nur als Schutzinstrument zugunsten der Marktbürger, sondern auch als kostensparendes, ökonomisches Instrument dienen. Da GeheimhaItungsvorschriften nicht zur Lahmlegung des gemeinschafts weiten Informationsverkehrs führen dürfen, spielt weiter die Vertraulichkeit im Umgang mit Daten, die die Mitgliedstaaten von anderen Mitgliedstaaten erhalten haben, eine wichtige Rolle. In einem Bericht zur Verwaltungszusammenarbeit vom 29. 1. 1996 hat die Kommission angekündigt, daß sie gegebenenfalls Grundregeln für die ZuSo zutreffend Berchtold, FS Loebenstein, S. 11 (22). Siehe Mitteilung der Kommission an den Rat vom 22. 12. 1993, KOM (93), 632 endg.; ferner die Entschließung des Rates vom 16.6. 1994 über die Entwicklung der Zusammenarbeit der Verwaltungen bei der Anwendung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts im Rahmen des Binnenmarktes, ABI. 1994, C 179/ 1. 444 Vgl. vor allem Schmidt-Aßmann, EuR 1996, 270 ff.; ferner Scheuing, Innovation, S. 289 (331 ff.); SiedentopflHausschild, DÖV 1990,445 ff. 44S KOM (94), 29 endg., als BR-Drs. 241 /94. 442 443
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
121
sammenarbeit in den einzelnen Bereichen erstellen will, die auch verbindlichen Charakter haben können446 .
aa) Begriff und Funktion der Zusammenarbeit der Verwaltungen Wie im V6lkerrecht dient die Zusammenarbeit der Verwaltungen der Koordination ihrer Handlungen und Maßnahmen. Das Koordinationsziel ist klar vorgegeben. Es geht um die einheitliche und wirksame Durchführung der Gemeinschaftsvorschriften447 . Dafür ist aber nicht nur ein reibungsloses und auf Transparenz beruhendes Zusammenspiel von Handlungen und Maßnahmen der Verwaltungen erforderlich. Es setzt vielmehr voraus, daß auch Rechtsvorschriften bestehen, die den Verwaltungen der Mitgliedstaaten die Zusammenarbeit ermöglichen 448 . Denn in der Regel sind die nationalen Vorschriften in ihrem Anwendungsbereich auf das eigene Hoheitsgebiet beschränkt. Mangels (Bundes-)Staatsstruktur können die territorialen Grenzen auch nicht hinweggedacht werden. Einseitige grenzüberschreitende Instrumente verstoßen innerhalb der Gemeinschaft grundsätzlich gegen die Souveränität der anderen Staaten. Zulässig ist die extraterritoriale Jurisdiktion daher nur dort, wo der Gemeinschaftsgesetzgeber diese Grenzen geebnet hat449 . Zur administrativen Zusammenarbeit in der EG gehören daher nicht nur die koordinierenden Rechtshandlungen der Verwaltungen selbst, sondern auch die die Kooperation bestimmenden Rechtsvorschriften. Ferner ist es das Ziel der Zusammenarbeit, gegenseitiges Vertrauen in die nationalen Verwaltungen schaffen45o • Dies gilt insbesondere im Bereich der gegenseitigen Anerkennung von Hoheitsakten 451 . Wichtige Instrumente der Vertrauensbildung sind, neben dem Informationsaustausch zwischen den jeweils zuständigen Verwaltungseinheiten, der Austausch von Mitarbeitern und regelmäßige Konsultationstreffen452. Partner der Zusammenarbeit sind die zur Durchsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zuständigen mitgliedstaatlichen Behörden und die Kommission. Nimmt die Kommission eigene Verwaltungszuständigkeiten wahr, wie im Bereich des EG-Wettbewerbsrechts, ist sie häufig auf die Mitarbeit der Mitgliedstaa446 KOM (96), 20 endg., S. 8; vgl. auch den Rat in seiner Entschließung vom 29. 5. 1996 zur einheitlichen und wirksamen Anwendung des Gemeinschaftsrechts und zu Sanktionen bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des Binnenmarktes, ABI. 1995, C 188/1(3). 447 Dies unterschreicht die Entschließung des Rates vom 29. 5. 1995, a. a. 0., S. 3. 448 Vgl. Schmidt-Aßmann, EuR 1996,270 (272). 449 Vgl. oben 2. Teil B. I. 3. b). 450 Siehe Mitteilung der Kommission und Entschließungen des Rates, a. a. 0.; ferner Neßler, S. 62; Zuleeg, VVDStRL 53 (1994),154 (179 f.). 451 Vgl. Happe, Grenzüberschreitende Wirkung, S. 108 ff. 452 Vgl. Mitteilung der Kommission, a. a. 0., S. 8.
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
ten angewiesen. Insoweit lassen sich vertikale (zwischen Mitgliedstaaten und Kommission) und horizontale (zwischen Mitgliedstaaten untereinander) Formen unterscheiden. Es existieren auch gemischte Kooperationsformen, in denen die Kommission als Sammler- oder VermittlersteIle tätig oder gar in Entscheidungszusammenhänge miteinbezogen wird453 . Zusammenfassend läßt sich für die Zusammenarbeit der Verwaltungen in der EG sagen, daß sich die administrative Kooperation im weiten Sinne aus Rechtshandlungen und Rechtsvorschriften zusammensetzt, die der einheitlichen und wirksamen Durchsetzung der Gemeinschaftsvorschriften dienen. Je nach dem, ob die Kommission beteiligt ist, kann zwischen horizontalen und vertikalen Kooperationsformen unterschieden werden.
bb) Rechtsgrundlagen Ebensowenig wie im Völkerrecht existiert im Gemeinschaftsrecht eine umfassende Rechtsgrundlage, die die Voraussetzungen und Grenzen einer administrativen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten regelt. Ungeachtet sekundärrechtlicher Bestimmungen und einzelner primärrechtlicher Bestimmungen (z. B. Art. 89 Abs. 1 S. 2, , 105 Abs. I, 115 Abs. 2, 118 EGV) sieht die Kommission jedoch eine grundlegende Pflicht zur Zusammenarbeit in Art. 5 und 30 EGV verankert454 . Aus Art. 30, 36 S. 2 EGV in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip hat auch der EuGH eine Pflicht der mitgliedstaatlichen Behörden zur gegenseitigen Unterstützung entnommen 455 . Bei dieser mittelbaren Pflicht steht allerdings eher das Verbot im Vordergrund, den freien Warenverkehr behindernde Maßnahmen zu unterlassen 456 . Die Vorschriften bieten keine hinreichend breite Basis für eine allgemeine Pflicht zur Zusammenarbeit, zu der auch Amtshilfeverpflichtungen im engeren Sinne zählen sollen. Eine umfassende Pflicht zur Zusammenarbeit trifft die mitgliedstaatlichen Verwaltungen aber aus Art. 5 EGV457 . Zwar ist in Art. 5 EGV nur die vertikale Zusammenarbeit angesprochen, die die Mitgliedstaaten im Verhältnis zur Kommission und umgekehrt betrifft. Aber aus dem in der Vorschrift niedergelegten Grundsatz der Gemeinschaftstreue wird auch eine horizontale Kooperationspflicht abgeleitet458 . 453 Vgl. dazu Schmidt-Aßmann, EuR 1996, 270 (273 f.); Scheuing, Innovation, S. 289 (332 ff.); Meier, EuR 1989,237 (240) spricht von einer Aufgabe als "Tagungsleiter". 454 Mitteilung der Kommission, a. a. 0., S. 8. 455 Siehe die Nachweise bei Meier, EuR 1989, 237 (244, Fn. 7). 456 Meier, EuR 1989,237 (245); vgl. auch Schmidt-Aßmann, EuR 1996,270 (294). 457 Siehe oben 2. Teil B. I. 3. a) bb) (1) (b). 458 A.A. lediglich Meier, EuR 1989, 237 (245).
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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Art. 5 EGV schafft eine Pflichtenbasis. Diese ist allerdings durch einen Rückgriff auf andere Grundsätze des Gemeinschaftsrechts zu ergänzen. Insoweit ist an ein allgemeines europäisches Kooperationsverwaltungsrecht zu denken, das sich an allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrechts ausrichtet459 • Um Voraussetzungen, Verfahren und Grenzen der Kooperation genauer zu strukturieren, bedarf es jedenfalls weiterer Konkretisierungen durch das Sekundärrecht460 . Eine umfassende Regelung zur Amtshilfe durch Informationsaustausch hat der Gemeinschaftsgesetzgeber in Steuerangelegenheiten getroffen461 . Sie enthält detaillierte Regelungen zu den Voraussetzungen, zu den Arten (Auskunft auf Ersuchen, Spontanauskunft, automatische Auskunft) und zu den Grenzen des Auskunftsverkehrs. Es werden Verweigerungs gründe aufgezählt, der Geheimnisschutz geregelt. Die Richtlinie betrifft allerdings nur den horizontalen Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten. Im Bereich der horizontalen Kooperation ist weiter die mehrfach geänderte Beitreibungs-Richtlinie 76/308/ EWG über die gegenseitge Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft sind, sowie von Abschöpfungen und Zöllen zu nennen462 . Sie legt Regeln zum Informationsaustausch (Verfahren und Verweigerungsgründe) fest. Kern des Verfahrens ist die Beitreibung von Forderungen. Die Vollstreckungshilfe ergeht auf Antrag der ersuchenden Behörde. Der Vollstreckungstitel muß unanfechtbar und die Beitreibung im Inland erfolglos gewesen sein .. Es kann ein besonderes Anerkennungsverfahren für den ausländischen Titel ergehen. Weiterhin trifft Art. 12 der Richtlinie besondere Vorkehrungen für den Rechtsschutz des Vollstreckungsschuldners. Während des gesamten Verfahrens haben sich die Behörden gegenseitig zu informieren. Im übrigen sind die sekundärrechtlichen Regelungen eher durch eine Abwesenheit von konkreten Regeln zur Durchführung der Zusammenarbeit gekennzeichnet463 . In der Regel werden nur allgemein gegenseitige Unterstützungspflichten statuiert. Verweigerungsgründe und Verfahrensregeln werden ausgespart.
Siehe dazu unten 3. Teil C. So zu Recht Meier, EuR 1989,237 (245 ff.). 461 Richtlinie über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern, 771799/EWG, ABI. 1977, L 336/15, geändert durch die Richtlinie 79/1070/EWG, ABI. 1979, L 331/8 und durch Richtlinie 92/ 12/EWG, ABI. 1992, L 76. Dazu earl/Klos, a. a. 0., S. 177 ff.; Kerwat, DStZ 1993,517 ff.; Krabbe, RIW 1986, 126 ff. 462 ABI. L 73118, zuletzt geändert durch Richtlinie vom 27.12.1979, ABI. 1979, L 331/ 10. Einen knappen Überblick gibt auch Schmidt-Aßmann, EuR 1996,270 (278 f.). 463 Neßler, S. 63. Zu weiteren sekundärrechtlichen Regeln siehe Scheuing, Innovation, S. 289 (332 ff.); Schmidt-Aßmann, EuR 1996,270 (275 ff.). 459
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
2. Die Zusammenarbeit nach den Richtlinien zum Finanzmarktaufsichtsrecht
Die Richtlinien bekennen sich mehrfach zur Notwendigkeit der Kooperation der Aufsichtsbehörden als unerläßliche Voraussetzung für das Funktionieren des Binnenmarktes der Finanzinstitute464 • Insbesondere die parallele Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden bei der Rechtsaufsicht mit primärer Durchsetzungskompetenz der Herkunftslandbehörden erfordert eine enge Zusammenarbeit, ferner dann, wenn die Aufsichtsbehörden Maßnahmen mit extraterritorialer Wirkung treffen. Denn die in ihrem Staatsgebiet betroffenen Behörden möchten über diese Maßnahmen informiert werden. Schließlich ist es im Vorfeld solcher Maßnahmen notwendig, sich über die Marktgegebenheiten im Ausland zu informieren.
a) Das Problem der Extraterritorialität
Der Gemeinschaftsgesetzgeber war sich bei Erlaß der Richtlinien bewußt, daß die territorialen Grenzen bzw. die territoriale Hoheit grundsätzlich Beachtung finden müssen. Zur Überwindung des Problems der Extraterritorialität gehen die Richtlinien unterschiedliche Wege. Teilweise wird die Geltung und Zulässigkeit von extraterritorialen Instrumenten unmittelbar angeordnet465 . Dies gilt für die single-licence-Akte und die grenzüberschreitenden Prüfungsrechte, die jeweils ohne zwischengeschaltetes Anerkennungsverfahren unmittelbare Geltung beanspruchen. Teilweise werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, daß die Aufsichtbehörden die Tätigkeiten der ihrer Aufsicht unterliegenden Unternehmen auch außerhalb ihres Hoheitsgebiets überwachen können466 . Damit wird den Mitgliedstaaten nicht nur der Erlaß grenzüberschreitender Auskunftspflichten aufgegeben, sondern auch der Erlaß von Bestimmungen, die einen grenzüberschreitenden Amtshilfeverkehr zum Informationsaustauch ermöglichen. Weiterhin haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, daß die notwendigen Zustellungen amtlicher Schriftstücke in ihrem Staatsgebiet möglich sind, wenn die Herkunftslandbehörden im Rahmen der grenzüberschreitenden Rechtsaufsicht Maßnahmen gegenüber den 464 Siehe bsplw. den 40. Erwägungsgrund der WDRL, den 21. Erwägungsgrund der 2. Bank-RL; ferner Art. 28 der 2. Schaden- und Leben-RL sowie die Erwägungsgründe zu den letztgenannten Richtlinien, in denen es heißt, daß "für den Bereich des freien Dienstieistungsverkehrs eine besondere Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten sowie zwischen diesen Behörden und der Kommission vorzusehen ist". 465 Eine Rücksichtnahme auf die territoriale Hoheitsgewalt der Mitgliedstaaten liegt hier lediglich in der Wahl der Richtlinie als Regelungsinstrument: sie bedarf der Umsetzung ins nationale Recht durch die Mitgliedstaaten. Die darin zum Ausdruck kommende Rücksichtnahme wird aber wiederum durch die EuGH-Rechtsprechung zur unmittelbaren Wirkung erheblich relativiert. 466 Siehe z. B. Art 19 Abs. 3 der I. Schaden-RL i.d.F. des Art. II der 3. Schaden-RL.
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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Unternehmen ergreifen 467 . In diesen beiden Gruppen geht es primär darum, daß die gesetzlichen Grundlagen sowohl für die Ausübung der eigenen als auch der EG-ausländischen Aufsichtsbehörde geschaffen werden. Wo notwendige Maßnahmen von Aufsichtsbehörden im Ausland durchgesetzt werden müssen, sehen die Richtlinien vor, daß sich die Aufsichtsbehörden einander Amtshilfe leisten. Dies gilt insbesondere im Bereich der laufenden Rechtsaufsicht468 . Die Richtlinien anerkennen damit einerseits die Durchsetzungshoheit der Mitgliedstaaten für ihr Staatsgebiet. Andererseits normieren sie eine Amtshilfeverpflichtung, damit die Aufsicht im gesamten Gebiet der Gemeinschaft effektiv ausgeübt werden kann. b) Gegenstand der Zusammenarbeit
aa) Informationsaustausch Ungeachtet der Pflichten der Mitgliedstaaten, die effektive Aufsicht durch Erlaß von Rechtsvorschriften zu gewährleisten, kennzeichnet sich die Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden in erster Linie durch ein institutionalisiertes Kommunikationsnetz. Grundlage dafür sind zunächst die in den Richtlinien enthaltenen Generalklauseln, wonach die zuständigen Behörden einander alle Auskunfte und Unterlagen übermitteln, die zweckdienlich sind469 . Konkrete Informations- und Konsultationspflichten ergeben sich weiter aus den Richtlinien, soweit es um Aufsichtsmaßnahmen gegenüber Unternehmen mit EG-Auslandsbezug geht. Dies gilt insbesondere für die Fälle der Errichtung einer Zweigniederlassung, des Widerrufs von Zulassungen, bei Maßnahmen im Falle der Verletzung von Rechtsvorschriften im Aufnahme- bzw. Bestimmungsland, bei der Sperrung von Vermögenswerten der Versicherer sowie im Fall von Vor-Ort-prüfungen. Neben den unternehmensbezogenen Informationen tauschen die Aufsichtsbehörden allgemeine Erkenntnisse aus 470 . Dies kann die Übersendung von Berichten, den Austausch von Statistiken oder von allgemeinen Erfahrungen betreffen. Der Übergang von allgemeinen zu konkreten, untemehmensbezogenen Informationen kann dabei fließend sein. Teilweise wird diese Art von Informationsaustausch di467 Art. 40 Abs. 5 S. 2 der 3. Schaden-RL und Leben-RL; Art. 19 Abs. 5 S. 2 der WDRL; Art. 21 Abs.4 S. 2 der 2. Bank-RL. Zur Problematik grenzüberschreitender Zustellungen siehe Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 249 ff. 468 Art. 40 der 3. Schaden-RL und Leben-RL; Art. 19 der WDRL; Art. 21 der 2. Bank-RL. 469 Art. 19 Abs. 2 S. 2 der I. Schaden-RL i.d.F. des Art. 11 der 3. Schaden-RL; Art. 23 Abs. 2 S. 2 der 1. Leben-RL i.d.F. des Art. 10 der 3. Leben-RL; Art. 23 Abs. 3 der WDRL; Art. 7 Abs. I der I. Bank-RL; Art. 7 der 2. Bankenkonsolidierungsrichtlinie; ferner sieht Art. 4 der BCCI-RL einen Informationsaustausch mit Einrichtungen vor, die nach den Erfahrungen im BCCI-Fall und im Maxwell-Skandal bei der Erkenntnis von Mißständen in Finanzinstituten eine Schlüsse1rolle spielen können. 470 Vgl. Braumüller, VersRdschau 1995/7 - 8, 26 (30).
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
rekt von den Richtlinien vorgesehen471 . Teilweise haben sich die Aufsichtsbehörden auf Grundlage der Generalklausel darauf verständigt, die Aufsichtspraktiken untereinander abzustimmen472 . Vor eine besondere Aufgabe werden die Aufsichtsbehörden dadurch gestellt, daß die Unternehmen bei Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat auch die Rechtsvorschriften beachten müssen, die im Allgemeininteresse erlassen worden sind473 . Die Beachtung von Rechtsvorschriften mehrerer Rechtsordnungen erfordert eine enge Kooperation der Aufsichtsbehörden474 . Die Vorschriften des Allgemeininteresses sind einmal in dem Verfahren bei der Errichtung einer Zweigniederlassung Gegenstand des Informationsverkehrs. Vor Aufnahme der Niederlassungstätigkeit übermittelt die Gastlandbehörde der Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes die zwingenden Vorschriften475 , um ihnen die Unterrichtung der betreffenden Unternehmen zu ermöglichen. Weiterhin spielen die Vorschriften des Allgemeininteresses eine Rolle bei der laufenden Rechtsaufsicht476 • Da primär die Behörden des Herkunftslandes zum Ergreifen von Maßnahmen berechtigt sind, sofern die ihrer Aufsicht unterstehenden Unternehmen zwingende Vorschriften des Aufnahmelandes verletzen, müssen sie Kenntnis von den jeweils geltenden Vorschriften des Allgemeininteresses haben. Der Informationsaustausch ist in diesem Zusammenhang schließlich insofern von Bedeutung, als -entgegen der sonstigen Verwaltunggrundsätze477 - eine Anmeldung zum Niederlassungs- und Dienstleistungsverkehr nicht der Betriebspflicht unterliegt und sich auch in ihrem zeitlichen Geltungsbereich nicht beschränkt. Das Finanzunternehmen kann daher zu jedem beliebigen Zeitpunkt nach der Anmeldung den Betrieb aufnehmen oder wieder einstellen. Das Informationsbedürfnis der Behörde des Gastlandes, sich einen Überblick über die Tatigkeiten ausländischer Unternehmen in ihrem Staatsgebiet verschaffen zu können, ist hier evident. 471 Bsplw. sehen Art. 43 der 3. Leben-RL und Art. 44 der 3. Schaden-RL vor, daß auf Antrag bestimmte statistische Daten über die Geschäfte übermittelt werden, die in den jeweiligen Ländern im Wege der Nieder1assungs- oder Dienstleistungsfreiheit getätigt werden. 472 Zu solchen Vereinbarungen siehe Braumüller, VersRdschau 1995/7 - 8, 26 (31); Kuntze, ZfgK 1993, 18 (20 f.); Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 425 ff.; Szagunn/Haug/ Ergenzinger, KWG, § 8 Rn. 21 f.; ferner GB BAV 1992,45; 1993,44. 473 Zum Problem der näheren Konkretisierung des Allgemeininteressses siehe oben 1. Teil Fn.169. 474 Vgl. Hohlfeld, VersR 1993, 144 (145); Präve, ZfV 1995,258 ff. 475 Art. Art. 10 Abs. 4 der 1. Schaden-RL und 1. Leben-RL jeweils i.d.F. des Art. 32 der 3. Schaden- und Leben-RL; Art. 19 Abs. 4 der 2. Bank-RL; Art. 17 Abs. 4 der WDRL. Angesichts des Wortlauts ("gegebenenfalls") besteht jedoch keine Pflicht zur Mitteilung, vgl. Entwurf einer Mitteilung der Kommission, ABI. 1995, C 291/7 ff. vom 4. 11. 95 und vom 28. 5. 96. Dies spricht auch dafür, daß die Aufsichtsbehörden die ausländischen Rechtsvorschriften schon bei der Zulassungserteilung prüfen. Zur deutschen Praxis im Versicherungssektor siehe Schreiben des BAV, in: VerBAV 1996,51; vgl. auch Präve, VW 1992,8 ff. 476 Art. 40 der 3. Schaden-RL und Leben-RL; Art. 19 der WDRL; Art. 21 der 2. Bank-RL.
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Vgl. Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach, VAG, § 6 Rn. 2.
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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bb) Zusammenarbeit bei Erlaß von Maßnahmen Eine intensive Zusammenarbeit sehen die Richtlinien bei Erlaß von Maßnahmen gegenüber Unternehmen vor, die grenzüberschreitend tätig sind oder tätig werden wollen 478 . Das gilt insbesondere im Fall des Erlöschens der Betriebserlaubnis479 , der Anordnung von Maßnahmen gegenüber Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig sind (Maßnahmen bei Verstoß gegen zu beachtende Rechtsvorschriften des Gastlandes48o ; Verfügungsbeschränkungen über Vermögenswerte der Versicherer481 ), sowie im Fall der Durchsetzung von Maßnahmen bei der Vor-Ort-Prüfung im Ausland. Dabei ist allerdings zu beachten, daß die Richtlinien nicht durchweg das klassische Modell der grenzüberschreitenden Amtshilfe normieren 482 . Das ist wie folgt zu verstehen: Im Rahmen der laufenden Rechtsaufsicht ist der Gastlandbehörde zwar nicht jedwede Kompetenz genommen worden. Jedoch ist unter Berücksichtigung des Systems der Herkunftslandkontrolle lediglich von einer Art subsidiären Aufsichtskompetenz auszugehen483 . Die Gastlandbehörde kann die Finanzinstitute wohl auf die Verletzung von Rechtsvorschriften hinweisen. Sollen Maßnahmen ergriffen werden, muß sich die Gastlandbehörde indes grundsätzlich zunächst an die Herkunftslandbehörde wenden484 . Darin ist kein Amtshilfeersuchen zu sehen. Denn die Gastlandbehörde ersucht nicht die Durchsetzung eigener Maßnahmen, sondern setzt die Herkunftslandbehörde in Kenntnis und ersucht damit lediglich das originäre Tätigwerden der Herkunftslandbehörde kraft eigener Zuständigkeit485 . Erst wenn das Ersuchen erfolglos geblieben ist, trifft die Gastlandbehörde eigene Maßnahmen, die aber wiederum ohne das Mitwirken der Herkunftslandbehörde ergehen486.
Vgl. auch Braumüller, VerschRdschau 1995/7 - 8, 26 (29 f.). Art. 22 Abs. I der 1. Schaden-RL i.d.F. des Art. 14 der 3. Schaden-RL und Art. 26 Abs. 1 der 1. Leben-RL i.d.F. des Art. 13 der 3. Leben-RL; Art. 21 Abs. 9 der 2. Bank-RL; Art. 19 Abs. 9 der WDRL. 480 Art. 40 der 3. Schaden-RL und Leben-RL; Art. 19 der WDRL; Art. 21 der 2. Bank-RL. 481 Art. 20 der 1. Schaden-RL i.d.F. des Art. 13 der 3. Schaden-RL und Art. 24 der 1. Leben-RL i.d.F. des Art. 12 der 3. Leben-RL. 482 Vgl. Fahr, in: Fahr I Kaulbach, VAG, § lIla Rn. 2 ff. 483 Roth, NJW 1993,3028 (3031); Reich, VuR 1993, 10 (13) spricht von "Residualbefugnissen". 484 So auch Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 825, der das Zusammenwirken jedoch in den Rn. 417, 419 als Amtshilfe bezeichnet. 485 Zur Frage der Rechtsqualität dieser Aufforderung siehe einerseits (schlichtes Verwaltungshandeln) Fahr, in: Fahr I Kaulbach, VAG, § 111 a Rn. 3; Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 825; andererseits (Verwaltungsakt) Miersch, S. 104 f. Aus Sinn und Zweck der Richtlinienregelung ergibt sich nur, daß die Aufforderung nicht zwangsweise durchgesetzt werden kann, so auch Miersch, S. 105; anders Kollhosser, in: Prölls, VAG, § 111 b Rn. 2 ff., der davon ausgeht, daß die Gastlandbehörde von vornherein Anordnungen gegenüber den Unternehmen erlassen kann, und diese nach erfolglosem Ersuchen bei der Herkunftslandbehörde auch selbst durchsetzen kann. 478
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
Ausnahmsweise kann die Gastlandbehörde in Eilfällen unmittelbar gegen das Unternehmen vorgehen487 . In diesen Fällen müssen die Kommission und die Herkunftslandbehörden unterrichtet werden488 • Der Kommission kommt zudem das Recht zu, die Aufhebung der Eilmaßnahme zu verlangen489 . Dies zeigt, daß das abgestufte Kompetenzmodell im Rahmen der laufenden Rechtsaufsicht ein hohes Maß an Kooperationsbereitschaft erfordert490 • Während die Gastlandbehörde mehr die Rolle einer Alarmbereitschaft einzunehmen hat, ist von der Herkunftslandbehörde die Bereitschaft zu zügigen und wirksamen Reaktionen zu erwarten 491 . Ein Amtshilfeverfahren i.e.S. erfolgt dagegen dann, wenn die Herkunftslandbehörde auf dem Gebiet tätig werden möchte, wo sie die alleinige Aufsichtskompetenz hat. Das ist z. B. bei der Finanzaufsicht gegenüber den Versicherungsunternehmen der Fa1l492 • Nach den Versicherungsrichtlinien können die Herkunftslandbehörden Verfügungsbeschränkungen über Vermögenswerte der Versicherungsunternehmen erlassen, wenn die finanzielle Situation des Unternehmens dies erfordert493 • Da aber nur die Gastlandbehörden in der Lage sind, Sperrverfügungen für das eigene Hoheitsgebiet zu erlassen, müssen die Herkunftlandbehörden jene um diese Amtshilfeleistung ersuchen. Weiterhin kommt Amtshilfe im Fall der grenzüberschreitenden Vor-Ort-Prüfung in Betracht. Entweder ersuchen die zuständigen Herkunftslandbehörden direkt die Gastlandbehörden um die Durchführung der Prüfung494 oder sie führen sie selbst durch495 . Im letzten Fall sind die Herkunftslandbehörden wiederum auf die Amtshilfe angewiesen, falls sich die Zweigniederlassung weigert, die Prüfung durch die 486 Art. 40 Abs. 5 der 3. Schaden-RL und Leben-RL; Art. 21 Abs. 4 der 2. Bank-RL; Art. 19 Abs. 4 der WDRL. 487 Art. 40 Abs. 6 der 3. Schaden-RL und Leben-RL; Art. 21 Abs. 7 der 2. Bank-RL; Art. 19 Abs. 8 der WDRL. 488 Lediglich in den Versicherungsrichtlinien ist die Einschaltung der Kommission nicht vorgesehen. 489 Art. 21 Abs. 7 UAbs. 2 der 2. Bank-RL; Art. 19 Abs. 8 UAbs. 2 der WDRL 490 Fahr, VersR 1992, 1033 (1047); Hohlfeld, VersR 1993, 144 (145); Reich, VuR 1993, 10 (13); Roth, NJW 1993,3028 (3032). 491 Vgl. Braumüller, VerschRdschau 1995/7 - 8, 26 (31 u. Fn. 23); Kuntze, ZfgK 1993, 18 (20). 492 Vgl. Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 415 ff. 493 Art. 20 der I. Schaden-RL i.d.F. des Art. 13 der 3. Schaden-RL und Art. 24 der I. Leben-RL i.d.F. des Art. 12 der 3. Leben-RL. 494 Art. 15 Abs. 2 der 2. Bank-RL i.V.m. Art. 7 Abs. 7 der 2. Konsolidierungsrichtiinie (92/30/EWG); Art. 24 Abs. 2 der WDRL. In den Versicherungsrichtlinien ist diese Möglichkeit nicht mehr ausdrücklich vorgesehen. Dennoch haben sich die EG-Versicherungsaufsichtsbehörden darauf verständigt, daß die Gastlandbehörden beauftragt werden können. Im Hinblick auf die Erwägungsgründe, die zur Zusammenarbeit auffordern, und angesichts der später ergangenen Regelung in der WDRL, die eine ähnliche Interessenlage aufweist, dürfte dies mit den Versicherungsrichtlinien zu vereinbaren sein. Allerdings dürfen die beauftragten Behörden im Inland nur aufgrund einer rechtlichen Ermächtigung handeln. Vgl. auch Braumüller, VerschRdschau 1995/7 - 8, 26 (29).
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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Herkunftslandbehörde zuzulassen. Die Pflicht zur Vollstreckungshilfe kann zwar nicht explizit aus den Richtlinienbestimmungen entnommen werden. Sie läßt sich jedoch aus einer Gesamtschau der Richtlinienregelungen zur Zusammenarbeit der Behörden i.Y.m. Art. 5 EGV sowie aus dem "effet-utile"-Grundsatz, der eine Auslegung zugunsten der praktischen Wirksamkeit fordert, herleiten. Würde man nämlich eine solche Pflicht verneinen, wären die den Herkunftslandbehörden eingeräumten Prüfungsbefugnisse angesichts der exklusiven Vollstreckungskompetenz der Gastlandbehörden zahnlos. Die neue Zuordnung der Aufsichtskompetenzen zugunsten der Herkunftsländer wäre nicht konsequent geregelt. Daher ist von einer Pflicht zur Vollstreckungshilfe auszugehen, die ihre Rechtsgrundlage zumindest in Art. 5 EGV findet. Soweit einem Finanzunternehmen die Betriebserlaubnis entzogen wird oder aus anderen Gründen erlöscht, sehen die Richtlinien ein weitere Form des Zusammenwirkens vor. Die Gastlandbehörden werden zunächst von dem Wegfall der Zulassung unterrichtet496 . In diesem Fall verpflichten die Richtlinien die Gastlandbehörden unmittelbar zur Vornahme von geeigneten Maßnahmen, damit das betreffende Unternehmen nicht neue Tatigkeiten im Gebiet des Gastlandes aufnimmt. Über diese "automatische" Pflicht hinaus haben sie "im Benehmen" mit der Herkunftslandbehörde ggf. weitere Maßnahmen zu treffen. cc) Bearbeitung von Beschwerden, Bestandsübertragungen Weitere Gegenstände der Zusammenarbeit sind die Bearbeitung von Beschwerden und Anfragen497 sowie -im Bereich des Versicherungswesens- die Übertragung von Versicherungsbeständen, die ausländische Versicherungsunternehmen mit Sitz in der EG im Inland durch eine Niederlassung oder im Dienstleistungsverkehr erworben haben. Bei der Bestandsübertragung muß grundsätzlich die Genehmigung der Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes erteilt werden498 . Zustimmen müssen auch alle Aufsichtsbehörden derjenigen Staaten, in denen Risiken belegen sind. Insofern bedarf es einer engen Zusammenarbeit zwischen den betreffenden Aufsichtsbehörden499 . 495 Art. 14 der 1. Schaden-RL i.d.F. des Art. 10 der 3. Schaden-RL; Art. 16 der 1. LebenRL i.d.F. des Art. 9 der 3. Leben-RL; Art. 15 Abs. 1 der 2. Bank-RL; Art. 24 Abs. 1 der WDRL. 496 Art. 22 der 1. Schaden-RL Ld.F. des Art. 14 der 3. Schaden-RL und Art. 26 der 1. Leben-RL Ld.F. des Art. 13 der 3. Leben-RL. In Art. 21 Abs. 9 der 2. Bank-RL und Art. 19 Abs. 9 der WDRL wird lediglich davon gesprochen, daß "entsprechende Maßnahmen" zu treffen sind. Das beinhaltet sowohl die Pflicht, unmittelbar selbst Maßnahmen durchzuführen, als auch die Pflicht, nach Aufforderung der Herkunftslandbehörde ("entsprechend") Maßnahmen zu ergreifen. 497 Siehe dazu für den Versicherungssektor Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 428, 869 ff.; für den Bankensektor Kuntze, ZfgK 1993, 18 (20 f.). 498 Art. 12 der 3. Schaden-RL und Art. 11 der 3. der Leben-RL, die die Art. 11 der 2. Schaden-RL und 6 der 2. Leben-RL neu gefaßt haben.
9 Royl.
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
b) Partner der Zusammenarbeit Die Zusammenarbeit findet zwischen den jeweils zuständigen Aufsichtsbehörden statt. D.h. es wird der umständliche Weg über die diplomatischen Kanäle umgangen und direkt miteinander zusammengearbeitet. Mit den "zuständigen Behörden" sind in erster Linie die jeweils zuständigen Aufsichtsbehörden auf dem Versicherungssektor, dem Bankensektor oder dem Wertpapiersektor gemeint. Wie die Aufsicht im einzelnen organisiert wird, bleibt aber den Mitgliedstaaten selbst überlassen. Daher kann es vorkommen, daß es, wie in Dänemark, nur eine zuständige Behörde für den gesamten Finanzmarkt gibt, oder umgekehrt für jeden Sektor eine, ferner, daß es, wie in Deutschland, neben einer Aufsichtsbehörde des Bundes noch andere Länderaufsichtsbehörden für einen Sektor gibt5OO • Es kann auch sein, daß die Aufsichtaufgaben nicht von behördlichen Stellen oder Ministerien, sondern, wie in Großbritannien, von Selbstregulierungsorganisationen wahrgenommen werden. Nach alledem können schon allein auf einem Aufsichtssektor unterschiedlichste Stellen Partner der Zusammenarbeit sein. Es bestehen jedoch Vereinbarungen, daß auf einem Aufsichtssektor grundsätzlich nur eine Behörde pro Land im internationalen Verkehr Kooperationspartner sein S01l501. Eine weitere Verflechtung von Aufsichtsinstitutionen ergibt sich aus der zunehmenden Zahl und Bedeutung von Allfinanzunternehmen. Da in den meisten Mitgliedstaaten, die Organisation der Aufsicht nach bestimmten Dienstleistungsbereichen (Banken, Versicherungen und Wertpapiergeschäfte) getrennt ist, müssen die für die jeweiligen Aufsichtsbereiche zuständigen Behörden miteinander kooperieren 502 • Für den Fall, daß an der Spitze eines Finanzkonglomerats eine Bank, eine Finanzholding oder ein gemischtes Unternehmen steht, sieht bereits Art. 7 Abs. 4 der Zweiten Bankenkonsolidierungsrichtlinie (1992) einen umfassenden Auskunftsverkehr zwischen allen beteiligten Aufsichtsbehörden vor. Ein auf alle Finanzinstitute bezogener Infonnationsaustausch ist auch in der BCCI-Richlinie vorgesehen. Dabei wird der Kreis der Partner einer Zusammenarbeit auf Einrichtungen erweitert, die bei der Erkennung von Mißständen eine Schlüsselrolle einnehmen 503 . Zu den jeweiligen zuständigen Aufsichtsbehörden tritt die Kommission als Partner der Zusammenarbeit. In erster Linie obliegt ihr die Aufgabe der Koordination der Aufsicht über den Binnenmarkt. Sie besteht vordergründig in rein technischen Hilfsmitteln wie die Sammlung von Infonnationen und der Organisation von Zusammenkünften, kann darüber hinaus auch ein sachliches Eingreifen vorsehen 504 .
499 Vgl. Braumüller, VerschRdschau 1995/7 - 8, 26 (28); Szagunn / Haug / Ergenzinger, KWG, § 8 Rn. 23; ferner den Bericht des BAV über die EG-Versicherungsaufsichtskonferenz, in: VerBAV, 1995,217. soo Vgl. Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 408 ff. ~l Vgl. Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 429. ~2 Vgl. oben 1. Teil D. VI. ~3 Art. 4 der BCCI-RL.
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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Ferner kommt der Kommission teilweise die Funktion als Streitschlichtungsstelle zwischen den Behörden zu sos . Partner ist die Kommission auch in den von den Richtlinien vorgesehenen Ausschüssens06 . In den Ausschüssen sitzen die Kommission und die nationalen Aufsichtsbehörden, die jeweils für die Anwendung der nach den Richtlinien zu treffenden Maßnahmen zuständig sinds07 . Die Ausschüsse sind ein wichtiges Forum der Zusammenarbeit, in denen u. a. Stellungsnahmen zu Vorhaben der Kommission erarbeitet werden. Die Einsetzung solcher Ausschüsse präjudiziert nicht andere (bi- oder multilaterale) Formen der Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden so8 . Dazu gehören die "Konferenz der Versicherungsaufsichtsbehörden"s09, die "Kontaktgruppe der Bankaufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten", die Kooperationssitzungen der Zentralbankpräsidenten der EG im Rahmen des Unterausschusses für Bankenaufsicht des Europäischen Wahrungsinstituts sowie der "Ausschuß leitender Vertreter der Aufsichtsbehörden für den Wertpapiermarkt" , die den institutionellen Rahmen für die allgemeine, laufende Kooperation bilden. Sie leisten die Vorarbeit für Weiterentwicklungen des Aufsichtsrechts und und spielen eine Rolle bei der Interpretation bestehender Regelungen SIO• Die Kommission ist in diesen Gremien regelmäßig vertreten. S04 Mitteilungspflichten an die Kommission bestehen z. B. hinsichtlich der Beziehungen zu Drittländern (Art. 7 der WDRL; Art. 8, 9 der 2. Bank-RL; Art. 29 a S. I lit a u. b, 29 b Abs. I der 1. Schaden-RL -eingefügt durch Art. 4 der Richtlinie 90/618/EWG vom 8. 11. 1990-; Art. 32 a S. I lit a u. b; 32 b Abs. I der 1. Leben-RL -eingefügt durch Art. 9 der 2. Leben-RL-), und bzgl. der Maßnahmen im Rahmen der Rechtsaufsicht, die von einem Aufnahmeland al1gemein oder in ihrer Notfal1kompetenz getroffen werden (Art. 21 Abs. 7 und 10 der 2. Bank-RL; Art. 19 Abs. 8 und 10 der WDRL; Art. 40 Abs. 10 der 3. SchadenRL und 3. Leben-RL). S05 Art. 21 Abs. 7 UAbs. 2 der 2. Bank-RL; Art. 19 Abs. 8 UAbs. 2 der WDRL. 506 Siehe zum Bereich der Bankenaufsicht die jeweils letzten Erwägungsgründe der I. und 2. Bank-RL (,,Beratender Ausschuß" der Bankaufsichtsbehörden) sowie Art. 11 der 1. BankRL. Zum "Versicherungsausschuß", der durch die Richtlinie 91/675/ EWG des Rates vom 19. 12. 1991 (ABI. L 374/32) errichtet wurde, siehe Braumül1er, VerschRdschau 1995/7 -8, 26 (31); Mül1er, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 335 ff. Zur Einsetzung eines Wertpapierausschusses liegt ein Richtlinienvorschlag vor, KOM (96), 292 endg. Al1gemein zu den Ausschüssen der Gemeinschaft Meng, ZaöRV 1988, 208 ff. S07 De jure werden die nationalen Aufsichtsbehörden nicht in den Ausschüssen repräsentiert, sondern es werden die Mitglieder ad personam ernannt. Im Regelfal1 sitzen jedoch die Vertreter der Aufsichtsbehörden als Mitglieder im Ausschuß, vgl. Braumül1er, VerschRdschau 1995/7 - 8, 26 (31). S08 Dies wird in den Erwägungsgründen zu den oben angegebenen Richtlinien ausdrücklich betont. Siehe zu den auf dem Finanzmarktsektor bestehenden und anvisierten Gremien auch den Bericht der Kommission vom 29. 1. 1996 zur Verwaltungszusammenarbeit, KOM (96), 20 endg., S. 42 ff. S09 Dazu Braumül1er, VerschRdschau 1995/7 - 8, 26 (31); Mül1er, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 440. 510 Braumül1er, a. a. 0., S. 32.
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2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
d) Voraussetzung und Grenzen der Zusammenarbeit
aa) Allgemeines Der allgemeine Erfahrungs- und Informationsaustausch nimmt ein großes Feld der Zusammenarbeit ein. Um ein reibungsloses Funktionieren dieser Zusammenarbeit zu gewährleisten, hat der Gemeinschaftsgesetzgeber Ausschüsse errichtet und allgemeine Pflichten der Zusammenarbeit normiert. Dort jedoch, wo es um die konkrete Mitwirkung an Aufsichtsentscheidungen geht, ist eine weitere rechtliche Ausgestaltung notwendig 511 • In diesen Fällen, die man als gemeinschaftsrechtliche Amtshilfe bezeichnen kann, stellt sich um so dringlicher die Frage nach den Tatbeständen der Begründung und Begrenzung der Zusammenarbeit. Schon bei den internationalen Regelungen zum Amtshilfeverkehr ist aufgefallen, daß solche Vorschriften eher ausgespart worden sind. Das konkrete Verfahren und die Grenzen ergeben sich erst aus dem nationalen Recht. Ähnliches gilt -mit Ausnahme der EG-Amtshilferichtlinie zum Steuerrecht- für die EG-Richtlinien 512 . Insbesondere werden keine besonderen Verwaltungsverfahrensgrundsätze festgelegt. Ebenso fehlt es an interadministrativen Streitschlichtungsverfahren sowie an Regelungen über Kosten und Auslagen. Die konkrete Ausgestaltung des Kooperationsrechts obliegt auch hier grundsätzlich den Mitgliedstaaten513 . Aus den Richtlinienregelungen lassen sich Verfahrensabläufe nur in Ansätzen herausarbeiten.
bb) Informationsaustausch Die Richtlinien sehen vor, daß sich der Informationsaustausch direkt zwischen den Behörden vollzieht. Die Kommission wird grundsätzlich nicht miteinbezogen. Rechtliche Basis des Auskunftsverkehrs sind Generalklauseln, die die ersuchten Behörden verpflichten, auf Anfrage alle Informationen zu liefern, die zur Aufsicht zweckdienlich sind514 . Darüber hinaus sehen die Richtlinien zahlreiche Unterrichtungspflichten vor, ohne daß die Übermittlung konkret ersucht werden muß. Dies gilt insbesondere dann, wenn Maßnahmen im Rahmen der laufenden Rechtsaufsicht beabsichtigt oder erlassen worden sind515 .
m Vgl. Schmidt-Aßmann, EuR 1996,270 (276). 512 Vgl. Neßler, S. 181. SI3 Neßler, S. 182 ff.; siehe ferner Entschließung des Rates vom 29. 6.1995 (ABI. 1995, C 188, S. I), in der grundsätzlich bekräftigt wird, daß es Sache der Mitgliedstaaten ist, wie die Gemeinschaftsvorschriften am besten anzuwenden sind. 514 Art. 19 Abs. 2 S. 2 der 1. Schaden-RL i.d.F. des Art. 11 der 3. Schaden-RL; Art. 23 Abs. 2 S. 2 der 1. Leben-RL i.d.F. des Art. 10 der 3. Leben-RL; Art. 23 Abs. 3 der WDRL; Art. 7 Abs. I der I. Bank-RL; Art. 7 der 2. Bankenkonsolidierungsrichtlinie. 51S Art. 40 der 3. Schaden-RL und Leben-RL; Art. 19 der WDRL; Art. 21 der 2. Bank-RL.
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
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Nach den Richtlinien haben die Mitgliedstaaten jeweils dafür zu sorgen, daß Vorschriften zur Verfügung stehen, auf deren Grundlage die Behörden grenzüberschreitend Informationen austauschen können 516 . Die Behörden handeln nach Maßgabe derjenigen Vorschriften, die für den Auskunftsverkehr in ihrem Lande einschlägig sind. Dies entspricht dem internationalen Grundsatz des Amtshilferechts, nach dem für die Amtshilfeleistung das Recht des ersuchten Landes maßgeblich ist517 . Eine konkrete Ausgestaltung hat der Geheimnisschutz erfahren. Zunächst sollen alle Personen, die für die zuständigen Behörden tätig sind, dem Berufsgeheimnis unterliegen 518 . Der Inhalt des Berufsgeheimnisses wird einheitlich definiert. Darüber hinaus wird geregelt, in welchem Rahmen vertrauliche Informationen verwertet und an wen sie weitergegeben werden dürfen. Genannt wird etwa der Informationsfluß zwischen den mit der Beaufsichtigung der Banken, Versicherungen oder Finanzmärkte betrauten Stellen oder zwischen diesen und Revisoren und Liquidatoren 519 . Entsprechend dem "Prinzip der langen Hand,,52o ist die Weitergabe an bestimmte Behörden und Organe nur erlaubt, wenn eine Zustimmung der Behörde vorliegt, die die Information erteilt hat bzw. im Fall der Vor-Ort-Prüfungen die Zustimmung der zuständigen Behörden des Landes vorliegt, in dem die Prüfung vorgenommen worden ist521 . Entsprechend vieler internationaler Amtshilfeabkommen wird auch geregelt, daß die Informationen lediglich zu bestimmten Zwecken verwendet werden können 522 . Schließlich wird in vielen Regelungen der Austausch auf den erforderlichen Informationsverkehr beschränkt523 . Dies ist selbstverständlich und Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes524 . Es dürfen nur Informationen übermittelt werden, die zweckdienlich sind und tatsächlich benötigt werden, weil etwa die ersuchende Behörde den Sachverhalt nicht oder nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand durch eigene Ermittlungen auf seinem Staatsgebiet aufklären kann. Schließlich dürfen die inländisch Betroffenen nicht übermäßig belastet werden.
Siehe z. B. Art 19 Abs. 3 der 1. Schaden-RL Ld.F. des Art. 11 der 3. Schaden-RL. Vgl. oben 2. Teil B. III. 1. cc). 518 Art. 15 Abs. 1 der 3. der Leben-RL und Art. 16 Abs. I der 3. Schaden-RL; Art. 25 Abs. I der WDRL; Art. 12 der 1. Bank-RL i.d.F. des Art. 16 Abs. 1 der 2. Bank-RL; Art. 4 Abs. 1 der BCCI-RL. 519 Art. 15 Abs. 5 der 3. der Leben-RL und Art. 16 Abs. 5 der 3. Schaden-RL; Art. 25 Abs. 5 der WDRL; Art. 12 der 1. Bank-RL i.d.F. des Art. 16 Abs. 5 der 2. Bank-RL. 520 Vgl. oben 2. Teil B. III. 1. a) cc). 521 Art. 15 Abs. 6 der 3. der Leben-RL und Art. 16 Abs. 6 der 3. Schaden-RL; Art. 25 Abs. 8 der WDRL; Art. 12 der 1. Bank-RL i.d.F. des Art. 16 Abs. 8 der 2. Bank-RL. 522 Art. 15 Abs. 4 der 3. der Leben-RL und Art. 16 Abs. 4 der 3. Schaden-RL; Art. 25 Abs. 4 der WDRL; Art. 12 der 1. Bank-RL Ld.F. des Art. 16 Abs. 4 der 2. Bank-RL. 523 Z. B. Art. 23 Abs. 3 UAbs. 3 der WDRL. 524 Vgl. schon oben 2. Teil B. III. 1. b). 516 517
134
2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
Für den Kommunikationsverkehr mit der Kommission werden keine zusätzlichen Geheimnisbestimmungen normiert. Dies ist auch nicht erforderlich, denn der Geheimnisschutz bei der EG-Kommission ist schon in Art. 214 EGV geregelt. Der darin normierte Geheimnisschutz ist sehr strikt525 . Dabei wird zwischen Geschäftsgeheimnissen und anderen Informationen, die unter das Berufsgeheimnis fallen, differenziert. Letztere, die aus der Sicht der EG-Bediensteten ,.Amtsgeheimnisse,,526 sind, können können nach einer Interessen -bzw. Güterabwägung weitergegeben werden 527 . Der Begriff "Geschäftsgeheimnisse" wird verstanden als alle kommerziellen, betrieblichen und technischen Informationen, die nur wenigen Personen bekannt sind und deren Geheimhaltung zur Vermeidung von Schaden geboten ist528 . Die Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen soll nach der Rechtsprechung des EuGH ausnahmslos ausgeschlossen sein529 . Im Gegensatz zu der EG-Amtshilferichtlinie in Steuersachen (Art. 3) werden keine weiteren Verweigerungsgründe normiert 53o. Insbesondere eine ordre-public-Klausel oder Regelungen hinsichtlich der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse lassen sich in den Richtlinien nicht finden. Ebensowenig bestehen Vorschriften, die die ersuchten Behörden dazu anhalten, die Auskunftsverweigerung zu begründen.
cc) Zusammenarbeit bei Erlaß von Maßnahmen Soweit es um die Zusammenarbeit im Rahmen der "gestuften" Rechtsaufsicht geht, liegt keine Amtshilfe Le.S. VO~3J. Die Behörden erlassen im Rahmen ihrer Kompetenz und aufgrund ihrer Rechtsordnung Maßnahmen, ohne daß das Mitwirken der Behörde eines anderen Mitgliedstaates erforderlich ist. Flankiert werden diese Maßnahmen lediglich von Unterrichtungs- und Informationspflichten. Dagegen verpflichten die Richtlinien im Rahmen der Sperrung von Vermögenswerten, des Erlöschens der Zu.lassung und der Vor-Ort-Prüfung zur Amtshilfe m Vgl. EuGH, Rs. 53/85, -AKZO-, Slg. 1986, 1965 (1992); ferner Neßler, S. 163 f.; Lieberknecht, WuW 1988,833 (848). ~26 Geiger, Art. 214 Rn. 2; Hummer, in: Grabitz 1 Hilf, Art. 214 Rn. 17 (Stand: Mai 1995). m Hummer, in: Grabitz 1 Hilf, Art. 214 Rn. 20 (Stand: Mai 1995). m Lieberknecht, WuW 1988,833 (845); vgl. auch Pernice, in: Grabitz 1Hilf, nach Art. 87 Rn. II zu VO Nr. 171 Art. 20 (Stand: Okt. 1997). ~29 EuGH, Rs. 53/85, -AKZO-, Slg. 1986, 1965 (1992). Jedenfalls bedarf es zur Preisgabe eines Geschäfts-geheimnisses eines eindeutig überwiegenden öffentlichen Interesses, vgl. Lieberknecht, WuW 1988,833 (848); ferner Hix, Recht auf Akteneinsicht, S. 91 ff., der für einzelfallbezogene Interessenabwägung eintritt. ~30 Dies schließt die Existenz weiterer (ungeschriebener) Versagungsgründe jedoch nicht aus, siehe dazu unten 3. Teil C. ~31 Vgl. oben 2. Teil B. III. 2. b) bb).
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
135
i.e.S 532 . Die Behörden des Gastlandes werden nur auf Ersuchen tätig. Es betrifft daher zwangsläufig nur einen konkreten Einzelfall. Die ersuchten Behörden kommen dem Amtshilfeersuchen "im Rahmen ihrer Befugnisse" nach 533 . Die Richtlinien gehen infolgedessen davon aus, daß die Bestimmungen, auf deren Grundlage die einzelnen Mitgliedstaaten tätig werden, unterschiedlich ausgestaltet sein können. Soweit die Vorschriften nicht koordiniert sind, sind somit die innerstaatlichen Vorschriften Grenze der Amtshilfeleistung. Weitere Voraussetzung und Versagungsgründe werden nicht normiert. Soweit die Maßnahmen von Informationspflichten begleitet sind, gelten die oben beschriebenen Grenzen zum Informationsaustausch534 . Voraussetzung einer Vor-Ort-Prüfung der Herkunftslandbehörde ist lediglich, daß die Aufnahmelandbehörde vorher benachrichtigt wird 535 • Ein besonderes Anerkennungsverfahren ist nicht vorgesehen 536 . Soweit Vollstreckungshilfe geleistet werden muß 537 , kommen die Gastlandbehörden dem Ersuchen ebenso "im Rahmen ihrer Befugnisse" nach, d. h. die Anordnungen der Herkunftslandbehörde sind direkt nach den eigenen Vorschriften zu vollstrecken.
e) Rechtsqualität der Kooperationsbeiträge
Die Rechtshandlungen im Rahmen der administrativen Kooperation können unterschiedlicher Art sein538 . Sie reichen von schlichten-informativen Erfahrungsaustauschen über konkrete Informationen bis hin zu Vollstreckungsakten. Weiter lassen sich Maßnahmen mit und ohne Durchgriffswirkung gegenüber den Unternehmen unterscheiden. Das gilt, je nach Dichte und Institutsbezug, sowohl für den Informationsverkehr als auch für die Aufsichtsmaßnahmen. Soweit, wie bei den Maßnahmen der grenzüberschreitenden Rechtsaufsicht, komplexe Entscheidungs532 Art. 20 der 1. Schaden-RL i.d.F. des Art. 13 der 3. Schaden-RL und Art. 24 der 1. Leben-RL i.d.F. des Art. 12 der 3. Leben-RL (Sperrung von Vermögenswerten); Art. 22 der 1. Schaden-RL i.d.F. des Art. 14 der 3. Schaden-RL und Art. 24 der 1. Leben-RL i.d.F. des Art. 12 der 3. Leben-RL; Art. 21 Abs. 9 der 2. Bank-RL; Art. 19 Abs. 9 der WDRL (Erlöschen der Betriebserlaubnis); Art. 14 der 1. Schaden-RL i.d.F. des Art. 10 der Schaden-RL; Art. 16 der 1. Leben-RL i.d.F. des Art. 9 der 3. Leben-RL; Art. 15 der 2. Bank-RL i.V.m. Art. 5 der I. Bank-RL; Art. 24 der WDRL (Vor-Ort-Prüfung). 533 Art. 15 Abs. 2 der 2. Bank-RL i.V.m. Art. 5 Abs. 4 S. 2 der 1. Bank-RL; Art. 24 Abs. 2 S. 2 der WDRL. 534 Oben 2. Teil B. III. 2. d) bb). 535 SO Z. B. Art. 14 der 1. Schaden-RL i.d.F. des Art. 10 der 3. Schaden-RL; Art. 16 der 1. Leben-RL i.d.F. des Art. 9 der 3. Leben-RL; Art. 15 Abs. I Bank-RL; Art. 24 Abs. I der WDRL. 536 Fahr, VersR 1992, 1033 (1035), hält das Fehlen eines besonderen Verfahrens für bedenklich. 537 Zur Begründung einer solchen Pflicht siehe oben 2. Teil B. III. 2. b) bb). 538 Vgl. auch Schmidt-Aßmann, EuR 1996,270 (275 ff.).
136
2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
zusammenhänge bestehen, sind Kooperationsbeiträge im Vorfeld und als Folge von Entscheidungen vorstellbar. Auch die in den Versicherungsrichtlinien vorgesehene Beteiligung der Gastlandbehörde an den Vor-Ort-Prüfungen der Herkunftslandbehörde539 ist ein rechtlicher Kooperationsbeitrag. Dabei besteht natürlich die Gefahr, daß die Verantwortung im Handlungs- oder Entscheidungsgefüge verwischt wird 54o • Eine klare Zuordnung der Handlungen ist insbesondere dort notwendig, wo Entscheidungen mit belastender Wirkung für Private getroffen werden. Denn die Frage der Zuordnung determiniert wiederum weitere Fragen zur Haftung und zum Rechtsschutz 541 . Wichtig ist es, noch einmal festzuhalten, daß die Handlungen und Entscheidungen der beteiligten Behörden und Einrichtungen unbeschadet ihrer gemeinschaftsrechtlichen Determinierung solche des nationalen Rechts bleiben. Alle Amtshilfeleistungen einer Behörde (Beschaffung und Erteilung von Informationen, gewaltsame Erzwingung des Zutritts zu den Geschäftsräumen, Sperren der Vermögenswerte etc.) sind nationale Hoheitsakte des Staates, der sie erlassen hat 542 . Da der nationale Rechtsschutz grundsätzlich nur gegen Maßnahmen der eigenen Hoheitsgewalt eröffnet ist, muß sich der Rechtsschutzsuchende je nach Kooperationsbeitrag an unterschiedliche Gerichte wenden 543 . Entsprechend den Ausführungen zur Prüfungs- und Aufhebungskompetenz bei single-licence-Akten können die Gerichte, die aufgrund von Vollstreckungsmaßnahmen im Inland angerufen worden sind, keine Überprüfung des zugrundeliegenden Hoheitsaktes der ausländischen Behörden vornehmen 544 • Dies hat zur Folge, daß ein Unternehmen, das sich gegen die Durchsetzung einer Vor-Ort-Prüfung wehren möchte, vor dem inländischen Gericht nicht vorbringen kann, daß die Anordnung der Prüfung selbst rechtswidrig sei (etwa außerhalb der Finanzaufsicht). Dies entspricht den Grundsätzen, die der EuGH im Hoechst-Urteil für den Rechtsschutz gegen kartellrechtlichen Prüfungsmaßnahmen der Kommission entwickelt hat545 .
3. Rechtliche Probleme des Informations- und Amtshilfeverkehrs zwischen den Aufsichtsbehörden
Bei der Übermittlung von Informationen drohen Geheimnisse, die von den innerstaatlichen Behörden beschafft oder erlangt worden sind, preisgegeben zu wer539 Art. 14 S. 2 der I. Schaden-RL i.d.F. des Art. 10 der Schaden-RL; Art. 16 S. 2 der I. Leben-RL i.d.F. des Art. 9 der 3. Leben-RL. 540 Vgl. Priebe, ZLR 1990,266 (286); Schmidt-Aßrnann, EuR 1996, 270 (296 f.). 541 Näher dazu unten 3. Teil C. IV. 5. 542 Vgl. schon Neurnayer, Internationales Verwaltungsrecht IV, S. 368. 543 Siehe dazu ausführlich unten 3. Teil C. IV. 4. 544 Vgl. Groß, JZ 1994,596 (604). 545 Vgl. EuGH, verb. Rs. 46/87 u. 227/88, -Hoechst -, Slg. 1989,2859 (2927 f.).
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
137
den. Geheimnisschutz ist Ausdruck des Grundrechtsschutzes546 . Es stellt sich daher die Frage, ob im Rahmen des grenzüberschreitenden Informationsverkehr ein ausreichender Geheimnisschutz gewährleistet wird (b). Bevor diese Frage beantwortet werden kann, muß jedoch zunächst geklärt werden, inwieweit die Mitgliedstaaten befugt sind, dem Informationsverkehr selbst Grenzen zu setzen (a). Bei der im Rahmen der Vor-Ort-Prüfungen ggf. erforderlichen Vollstreckungshilfe stellt sich das Problem, daß die Behörden, mangels Prüfungskompetenz, den Grundakt selbst nicht kontrollieren können, sondern ihn direkt vollstrecken müssen. D.h. im Kern wird der sachliche Inhalt und der Gegenstand der Vollstreckungsakte von einer fremden Hoheitsgewalt festgelegt; die vollziehenden Gastlandbehörden handeln "blind". Dem könnten höherrangige Rechtssätze entgegenstehen (c).
a) RechtsausJüllungskompetenz der Mitgliedstaaten
Sofern von der Richtlinie keine ausdrückliche Vorgaben gemacht werden, muß untersucht werden, wie weit die Rechtsausfüllungskompetenz der Mitgliedstaaten bzgl. der Tatbestände der Grenzen der Aufsichtskooperation reicht. Können die Mitgliedstaaten z. B. Vorschriften erlassen, die den Amtshilfevekehr untersagen, wenn andernfalls der ordre public beeinträchtigt würde? In den Richtlinien wird mehrfach deutlich, daß es in erster Linie Aufgabe der Mitgliedstaaten ist, die rechtlichen Voraussetzung dafür zu schaffen, daß die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften wirksam durchgesetzt werden können 547 . Die Richtlinien normieren lediglich den Rahmen der Zusammenarbeit. Die Rechtsausfüllungskompetenz liegt bei den Mitgliedstaaten 548 • Dies bedeutet zugleich, daß die gemeinschaftrechtliche Amtshilfe den Grenzen der Rechtsordnung des jeweils ersuchten Staates unterliegt. Freilich dürfen die Amtshilferegelungen nicht so gefaßt werden, daß die Zusammenarbeit immerfort an den unzulänglichen Vorschriften eines Kooperationspartners scheitert. Die Mitgliedstaaten haben insoweit den Grundsatz des "effet utile" zu beachten 549 . Danach haben sie bei der Umsetzung zu berücksichtigen, daß die praktische Wirksamkeit der Richtlinien nicht vereitelt wird.
Breuer, NVwZ 1986, 171 (171 f.). Siehe z. B. Art 19 Abs. 3 der 1. Schaden-RL i.d.F. des Art. 11 der 3. Schaden-RL und Art. 15 Abs. 2 der 2. Bank-RL i.Y.m. Art. 5 Abs. 4 S. 2 der 1. Bank-RL; Art. 24 Abs. 2 S. 2 der WDRL ("im Rahmen ihrer Befugnisse"). 548 Vgl. Neßler, S. 181 ff. 549 Zum "effet-utile"-Grundsatz als Verwaltungskooperationsregel siehe unten 3. Teil C. H. 546 547
138
2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
b) Grenzüberschreitender Geheimnisschutz
Die innerstaatlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten normieren einen Geheimnisschutz 55o . Geschützt werden soll das Handels-, Betriebs-, Gewerbe- oder Geschäftsgeheimnis. Im deutschen Verfassungsrecht ist der Geheimnisschutz durch das auf Art. 2 Abs. 1 i.Y.m. Art. 1 Abs. 1 GG (i.Y.m. Art. 14, 12 GG) gestützte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung determiniert 551 . Da die Grundrechte das Handeln der nationalen Organe auch bei Sachverhalten mit Auslandsbezug bestimmen, gilt der verfassungsrechtliche Geheimnisschutz auch im grenzüberschreitenden Amtshilfeverkehr552 . Die innerstaatlichen Vorschriften zum Geheimnisschutz binden jedoch nur die eigenen nationalen Behörden. Insofern ist der Geheimnisschutz bei der grenzüberschreitenden Übermittlung von Informationen nur gesichert, wenn der Empfängerstaat einen gleichwertigen Schutz vorsieht553 • Zwar kennen alle Mitgliedstaaten einen Geheimnisschutz. Das Schutzniveau variiert jedoch nicht unerheblich 554 . Daher schreiben die Richtlinien zum Finanzmarktaufsichtsrecht Regeln für die Informationsweitergabe vor555 • Darin werden die Aufsichtsbehörden einem einheitlich definierten Berufsgeheimnis unterworfen; vertrauliche Informationen dürfen grundsätzlich nicht offenbart werden. Diese Regelung schließt es jedoch nicht aus, daß ein unterschiedliches Maß in den einzelnen Rechtsordnung hinsichtlich der Frage besteht, wann eine Information als vertraulich zu behandeln ist. Ferner ist zu berücksichtigen, daß andere Richtlinien durchaus strengere Schutzmaßstäbe kennen: die sog. Kongruenzklause1556 . Danach kann die Informationsweitergabe verweigert werden, wenn der Empfängerstaat keinen gleichwertigen Geheimnisschutzstandard garantiert. Würde allerdings immer der höhere Maßstab eines Kooperationspartners zum Maßstab gemacht, würde es der Wirksamkeit der Zusammenarbeit der Behörden hinderlich sein. Der Informationsverkehr wäre durch eine zusätzliche rechtsvergleichende Geheimnisschutzkontrolle belastet. Kongruenzklauseln sind daher, 550 Zum Geheimnisschutz in Deutschland siehe Lieberknecht, WuW 1988,833 (833 ff.); zum französischem Recht Lalande, WuW 1988, 290 ff.; zum englischen Recht Edward, WuW 1988,388 ff. m Breuer, NVwZ 1986, 171 (172, 176); Carl/Klos, DStZ 1990, 341 ff.; aus der BVerfGRechtsprechung vgI. BVerfGE 65, I (41 ff.); 67, 100 (142). m VgI. Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe, S. 79; Neßler, S. 160; zur Grundrechtsgeltung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten siehe unten 3. Teil C. IV. I. a). SS3 VgI. Neßler, S. 161. 554 Neßler, S. 162; Schröder, FS Schlochauer, S. 137. m Art. 15 der 3. der Leben-RL und Art. 16 der 3. Schaden-RL; Art. 25 der WDRL; Art. 12 der I. Bank-RL i.d.F. des Art. 16 der 2. Bank-RL; Art. 4 der BCCI-RL. 556 Z. B. Art. 11 Abs. 4 der Chemikalien-Richtlinie, RL 79/381/EWG, ABI. L 259/10. Allgemein zu solchen Kongruenzklauseln siehe Neßler, S. 169.
B. Rechtliche Einordnung und Beurteilung
139
wenn möglich, zu vermeiden, zumal die in den Richtlinien zum Finanzmarktaufsichtsrecht getroffene Regelung schon einen sehr weitgehenden Geheimnisschutz gewährleistet. Im Ergebnis bestehen jedenfalls keine Bedenken. Es ist zu berücksichtigen, daß im Rahmen des Informationsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten die Gemeinschaftsgrundrechte zu beachten sind. Der in geregelte Art. 214 EGV Schutz der Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen wird vom EuGH als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes anerkannt 557 . Damit wird ein Geheimnisschutzniveau gewährleistet, das zwar dem deutschen nicht äquivalent, jedoch gleichwertig ist. Es erlaubt den Mitgliedstaaten, grundrechtsrelevante Informationen zu übermitteln, auch wenn der Empfängerstaat einen abgesenkten Geheimnisschutzstandard hat. Für die Rechtsausfüllungskompetenz der Mitgliedstaaten bedeutet dies, daß Verweigerungsgründe unter Berücksichtigung des "effet-utile-Grundsatzes" nur insoweit normiert werden dürfen, als diese mit den Richtlinienbestimmungen und sonstigem höherrangigen Gemeinschaftsrecht, insbesondere den Gemeinschaftsgrundrechten, vereinbar sind. Zum "effet utile" der Richtlinie gehört es auch, die Grundlagen für eine enge Zusammenarbeit zu bereiten, um gegenseitiges Vertrauen zu schaffen und die Aufsichtsvorschriften wirksam durchzusetzen 558 . Verweigerungsgründe dürften somit kaum Platz haben.
c) Die grenzüberschreitende VollzugshilJe
Die Pflicht zur grenzüberschreitenden Vollzugshilfe ist aus rechtsstaatlicher Sicht nicht ohne Probleme. Wenn, wie bei der zwangsweisen Durchsetzung der Prüfungen vor Ort, Vollzugshilfe geleistet wird, findet keine Sachprüfung des der inländischen Vollstreckung zugrundeliegenden Hoheitsaktes der ausländischen Behörde statt559 . D.h. während die Vollstreckung selbst nach den innerstaatlichen Vorschriften der ersuchten Behörde erfolgt, beurteilt sich die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung nach den Vorschriften der ersuchenden Behörden. Gemäß dem dualistischen Rechsschutzkonzept kann die Grundverfügung nur vor den Gerichten im Herkunftsland angegriffen werden. Weiter bestehen aus nationaler Sicht Bedenken hinischtlich der Legitimität der Vollstreckungsentscheidungen. Zwar wird die Grundverfügung von nationalen Organen vollzogen, die demokratisch legitimiert sind; jedoch können die Behörden den Grundakt nicht selbst prüfen, sondern müssen ihn, sofern die sonstigen nationalen Verfahrensvorschriften gewahrt sind, di551 EuGH, Rs. 53/85, -AKZO-, Sig. 1986, 1965 (1992); vgl. auch EuGH, Rs. 145/83,Adams-, Sig. 1985,3539 (3587 ff.); Pernice, in: Grabitz/Hilf, Art. 164 Rn. 79a (Stand: Mai 1995). 558 Siehe auch unten 3. Teil B. 11. I. b). 559 Siehe oben 2. Teil B. 11. 3. b).
140
2. Teil: Grenzüberschreitende Aufsichtsakte
rekt vollstrecken. Die Richtlinien sehen kein besonderes Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren vor. Ferner wird, entgegen sonstiger Vollstreckungsabkommen, keine ordre-public-Klausel normiert, die dem "durch die Anerkennung und Vollziehung ausländischer Hoheitsakte bedingten ,Hineinregieren ' ausländischer öffentlicher Gewalt und dem Unterworfensein des einzelnen unter eine fremde Staatsgewalt,,560 materielle Grenzen setzt. Die rechtlichen Bedenken können indes zerstreut werden. Denn entspricht das Konzept der gemeinschaftsrechtlichen Vollstreckungshilfe, ebenso wie das der "single-licence"-Akte, den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts und des deutschen Grundgesetzes. Die Statuierung einer Pflicht zur gegenseitigen Vollstrekkungshilfe findet ihre Grundlage in Art. 57 EGV (i.Y.m. Art. 66 EGV) i.Y.m. Art. 5 EGY. Der Rechtsschutz vor den Gerichten des Herkunftslandes wird sowohl in den Richtlinien als auch in den Gemeinschaftsgrundrechten gewährleistet561 . Letztere sichern vor allem ein allgemeines rechtsstaatliches Niveau. Dies erlaubt es aus verfassungsrechtlicher Sicht, den Rechtsschutzsuchenden an Gerichte anderer Mitgliedstaaten zu verweisen. Hinzu kommt, daß die materielle Sicherung des grundrechtlichen Schutzes eine gewisse Abschwächung der Legitimationsanforderungen rechtfertigt 562 . Im Ergebnis ist es daher mit höherrangigen Rechtsgrundsätzen vereinbar, daß bei der Vollzugshilfe eine inzidente Überprüfung des zugrunde liegenden Hoheitsaktes unterbleibt.
560 561 562
So Papier I Olschewski, DVBI. 1976,475 (478). Vgl. oben 2. Teil B. I. 3. a) bb) (2) (a) (bb). Siehe oben 2. Teil B. I. 3. c) bb).
3. Teil
Die rechtlichen Grundlagen des Verwaltungsvollzugs im Bereich grenzüberschreitendender Aufsichtsvorgänge A. Einführung Nach der Einordnung und Beurteilung der neuen Steuerungsinstrumente der Finanzmarktaufsicht steht nun die Frage ihrer Anwendung und Durchsetzung im Zentrum der Untersuchung. Die grenzüberschreitenden Aufsichtsinstrumente müssen mit der nationalen Verwaltungsrechtsdogmatik in Einklang gebracht werden. Das ist nicht ohne Probleme. Nicht nur die grenzüberschreitenden Verflechtungen bewirken eine Änderung von administrativen Handlungs- und Rezeptionsstrukturen; vielmehr gehen schon vom Gemeinschaftsrecht zahlreiche Impulse auf die nationalen Rechtsrnaßstäbe der Verwaltungen aus I. Zwar gilt für den Vollzug von Gemeinschaftsrecht eine Zuständigkeitsvermutung zugunsten der nationalen Ebene, die in dem Begriff der "organisatorischen und verfahrensrechtlichen Autonomie" zum Ausdruck gebracht wurde 2 ; mangels entsprechender Kompetenz ist die Gemeinschaft nicht befugt, das allgemeine Verwaltungsrecht als solches zu regeln 3 . Jedoch liegt die Europäisierung des Verwaltungsrechts angesichts des Vorrangsanspruchs kompetenzgemäß ergangenen Gemeinschaftsrechts in Verbindung mit der aus der Gemeinschaftstreue des Art. 5 EGV folgenden Pflicht der Mitgliedstaaten zur Gewährleistung eines effektiven Verwaltungsvollzugs 4 auf der Hand. Der ge1 Vgl. Cassesse, Der Staat 1994,25 ff.; Everling, NVwZ 1987, 1 ff.; Ehlers, DVBI. 1991, 605 ff.; Engel, DV 25 (1992), 437 ff.; Klein, Vereinheitlichung, S. 117 ff.; dens., Der Staat 1994, 39 ff.; Rengeling, VVDStRL 53 (1994), 202 ff.; Scheuing, Innovation, S. 289 ff.; Schmidt-Aßmann, DVBI. 1993,924 ff.; Schoch, JZ 1995, 109 ff.; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bde. I und 11; dens. (Hrsg.), Das Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß (1996); Streinz, in: Schweitzer, S. 241 ff.; Zuleeg, VVDStRL 53 (1994), 153 ff. 2 Zum Begriff Rengeling, VVDStRL 53 (1994), 202 (231). 3 Von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 427 ff.; Engel, DV 25 (1992), 437 (460); Hilf, in: Vewaltungsrecht im Werden, S. 67 (89); Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. I u. 11, S. 50 f. und S. 1397 ff.; Streinz, in: Schweitzer, S. 241 (245 Fn. 30); Vedder, EuR Beiheft 1/1995, 75 (90); a.A. lediglich Bleckmann, Europarecht, Rn. 1316; F1auss, Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, S. 116; Zuleeg, VVDStRL 53 (1994), 154 (195). H.P. Ipsen, in: Vewaltungsrecht im Werden, S. 123, hält aus rechtspolitischer Sicht eine Kodifizierung des Verwaltungsrechts für noch "verwegener" als den Entwurf einer Verfassung der Gemeinschaft. 4 Vgl. von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Art. 5 Rn. 43 ff. (Stand: Sept. 1994); Streinz, in: Schweitzer, S. 241 (246); Zuleeg, in: G/T/E, Art. 5 Rn. 5.
142 3. Teil: Verwaltungsvollzug im Bereich grenzüberschreitender Aufsichtsvorgänge
meinschaftsrechtliche Anspruch auf eine einheitliche und effektive Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts besteht unabhängig davon, ob die Mitgliedstaaten das Gemeinschaftsrecht unmittelbar (z. B. Verordnungen) oder mittelbar vollziehen (d. h. Anwendung von nationalen Ausführungsgesetzen) oder gar nur zu "beachten,,5 haben (z. B. die Beihilfevorschriften der Art. 92 f. EGV). Auch wenn die Behörden organisatorisch Teil der nationalen Verwaltung bleiben, so werden sie doch funktionell für die Zwecke des materiellen Gemeinschaftsrechts in Dienst genommen 6 . Man kann daher von einer "Instrumentalisierung" der nationalen Verwaltung sprechen 7 . Die europäischen Einwirkungen sind vielfältig und je nach Vollzugstyp und Aufgabenbereich unterschiedlich 8 . Will man Verwaltungsgrundregeln für den Vollzug der grenzüberschreitenden Aufsichtsinstrumente bestimmen, erscheint es notwendig zunächst die allgemeinen Grundregeln des europäischen Verwaltungsrechts sowie die vollzugstypischen Verwaltungsstandards aufzuzeigen (B.). In einem zweiten Schritt (c.) sollen dann die kooperations- und aufgabenspezifischen Verwaltungsbausteine herausgearbeitet werden, die das Gemeinschaftsrecht den grenzüberschreitenden Handlungsvorgänge der Verwaltungen zugrundelegt.
B. Grundregeln für den Verwaltungsvollzug I. Vorrangsanspruch, allgemeine Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts, Pflicht zur Gemeinschaftstreue Gleich ob es um die Grundregeln des Europäischen Verwaltungsrechts geht, die allgemein, lediglich für den mittelbaren Vollzug oder für die administrative Kooperation der Aufsichtsbehörden gelten: sie lassen sich auf wenige Schlüsselbegriffe zurückführen: den Vorrangsanspruch des Gemeinschaftsrechts, die aus Art. 5 EGV abgeleitete Pflicht zur Gemeinschaftstreue sowie die Geltung der allgemeinen Rechtsgrundsätze. - Der Vorrangsanspruch bewirkt, daß mitgliedstaatliches Recht, das denselben Regelungsgegenstand wie das Gemeinschaftsrecht hat und eine mit diesem unvereinbare Lösung vorschreibt, unangewendet bleiben muß9 . Der Anwendungsvor5 Dazu Schmidt-Aßmann, DVBI. 1993, 924 (926); Streinz, in: Schweitzer, S. 241 (263). Scheuing, Innovation, S. 289 (296), spricht von "respektierendem Vollzug". 6 Cassesse, Der Staat 1994, 25 (26); Klein, Vereinheitlichung, S. 117 (135); Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 11, S. 1058 f.; Streinz, in: Isensee I Kirchhof, HStR VII, § 182 Rn. 19. 7 Scheuing, Innovation, S. 289 (298 f.). 8 Vgl. Pernicel Kadelbach, DVBI. 1996, 1100 (1102 ff.). 9 Vgl. statt vieler Oppermann, Europarecht, Rn. 523 ff.
B. Grundregeln für den Verwaltungsvollzug
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rang erstreckt sich auch auf künftig erlassenes Recht, so daß die sog. lex posterior-Regel ausgeschlossen ist 10. Neben diesen "direkten" Kollisionslagen sind Fälle denkbar, in denen sich nationale Vorschriften vollzugshindernd auswirken, ohne im direkten Normwiderspruch zu einer Gemeinschaftsvorschrift zu stehen 1I • Man spricht von "indirekten" Kollisionen 12. Gerade für den Verwaltungsvollzug des Gemeinschaftsrechts ist dies eine typische Fallsituation. Denn das nationale Verwaltungsvollzugsrecht bleibt in der Regel mangels gemeinschaftlichen Ver~altungsrechts die Grundlage der Rechtsanwendung, auf die nicht verzichtet werden kann. Die Einwirkung des Gemeinschaftsrechts erfordert gegebenenfalls nur eine harmonisierende Auslegung bzw. Modifikation. Auf diese Fälle ist der Vorrangsanspruch daher nicht ohne weiteres anwendbar 13 . - Nach Art. 5 EGVergreifen die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen, um ihre gemeinschaftsrechtlichen Pflichten zu erfüllen. Der darin zum Ausdruck kommende Grundsatz der Gemeinschaftstreue verpflichtet nicht nur die rechtsetzenden Organe, sondern alle Träger öffentlicher Gewalt, also auch die Verwaltungen, das Gemeinschaftsrecht wirksam durchzusetzen l4 . Art. 5 EGV umfaßt auch die Pflicht zur Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen 15. Insoweit bietet die Bestimmung des Art. 5 EGVeinen Transformationshebel, der für den Bereich des grenzüberschreitenden Aufsichtsrechts von besonderer Bedeutung ist. - Die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts haben als "konkretisiertes Primärrecht" einen erheblichen Einfluß auf die Ausgestaltung des Verwaltungsrechts l6 . Aufgrund der grundsätzlich fehlenden Kompetenz der Ge-
EuGH, Sig. 1964, 1251 (1271). Grundlegend dazu Huthmacher, Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts, S. 134 ff. und passim; Weber, EuR 1986, 1 (11 ff.). 12 Der Sprachgebrauch ist nicht einheitlich. Rengeling 1 Middeke 1GelIermann, Rechtsschutz, Rn. 943 ff. sprechen von "mittelbaren" Kollisionen, von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 115 von "unechten" Kollisionslagen; wie hier z. B. Huthmacher und Weber, a. a. O. Da eine Normkollision im eigentlichen Sinne gar nicht vorliegt, eignet sich am ehesten der Begriff der "unechten" Kollision. 13 Vgl. EuGH, Rs. 33/76, -Rewe-, Slg. 1976, 1989 (1998); verb. Rs. 205-215/82, -Deutsche Milchkontor-, Sig. 1983,2633 (2665 f.); Rs. C-142/87, -BUG-Alutechnik-, Sig. 1990-1, 3437 (3456); von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 115 f.; Klein, Vereinheitlichung, S. 117 (136 f.). 14 EuGH, Rs. 14/83, -Colson-, Slg. 1984, 1891 (1909); Rs. C-I06/89, - Marleasing -Slg. 1990-1, 4135 (4159); Rs. C-91 192, - Faccini Dori -, Slg. 1994-1,3325 (3357); von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Art. 5 Rn. 43 ff. (Stand: Sept. 1994); Zu1eeg, in: G/T/E, Art. 5 Rn. 6; dagegen will von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 347 f., diese Pflichten allein auf das allgemeine Diskriminierungsgebot und den Grundsatz der Funktionssicherung des Gemeinschaftsrechts stützen. IS Oben 2. Teil B. I. 3. a) bb) (1) (b). 16 Schmidt-Aßmann, DVBl. 1993,924 (927); vgl. auch Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. I, S. 57 ff. 10 11
144 3. Teil: Verwaltungsvollzug im Bereich grenzüberschreitender Aufsichtsvorgänge
meinschaft, Regeln des allgemeinen Verwaltungsrechts zu erlassen, stellen die allgemeinen Rechtsgrundsätze im wesentlichen das allgemeine Verwaltungsrecht der EG dar 17 •
11. Das Gemeinschaftsverwaltungsrecht Die nationalen Behörden wenden bei der Durchführung von Gemeinschaftsrecht das nationale Verwaltungsvollzugsrecht vorbehaltlich gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben an. Die von der nationalen Verwaltung zu beachtenden Vorgaben werden von dem Begriff des "Gemeinschaftsverwaltungsrechts" erfaßt 18 . Das Gemeinschaftsverwaltungsrecht ist Teil des ,,Europäischen Verwaltungsrechts", also "derjenigen geschriebenen und ungeschriebenen Rechtssätze des Gemeinschaftsrechts, die den Vollzug des Gemeinschaftsrecht in konkreten Situationen regeln,,19. Im Bereich des Verwaltungsvollzugsrecht können die Verwaltungsorganisation 2o , das Verwaltungsverfahren 21 und die Handlungsformen der Verwaltungen 22 betroffen sein.
1. Die Formel des EuGH Obwohl das Gemeinschaftsrecht auf dessen einheitliche Geltung und volle Wirksamkeit drängt, übt sich der EuGH in Zurückhaltung und erklärt, daß bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts ungeachtet möglicher Divergenzen das jeweilige mitgliedstaatliche Verwaltungsvollzugsrecht anzuwenden sei, "soweit das Gemeinschaftsrecht einschließlich der allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze hierfür keine gemeinsamen Vorschriften enthält 23 ." Streinz, in: Schweitzer, S. 241 (248). Schmidt-Aßmann, DVBI. 1993,924 (926). Davon zu unterscheiden sind das "EG-Eigenverwaltungsrecht", das "Konventionalverwaltungsrecht" und das "einzelstaat1i"che Verwaltungsrecht" . 19 Streinz, in: Schweitzer, S. 241 (243). 20 Dazu Scheuing, Innovation, S. 289 (303 ff., 319 ff.); Schwarze, Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, S. 126 (148 ff.); Streinz, in: Schweitzer, S. 241 (258 ff.). Zu den Einflüssen auf das französische und englische Verwaltungsorganisationsrecht siehe die Landesberichte von Flauss und Jowell/ Birkinshaw, in: Schwarze, Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, S. 62 ff., 295 f. 21 Dazu Gassner, DVBI. 1995, 16 ff.; Weber, in: Schweitzer, S. 55 ff. und die Beiträge von Arnold, Bullinger, Vedder, in: EuR Beiheft 1/1995. 22 Dazu Scheuing, Innovation, S. 289 (299 ff., 316 ff.). 23 Grundlegend EuGH, verb. Rs. 205-215/82, - Deutsche MiIchkontor -, Sig. 1983, 2633 (2665); ebenso Ehlers, DVBI. 1991, 605 (611 f.); Rengeling/Middeke/Gellermann, Rechtsschutz, Rn. 963 ff.; Scheuing, Innovationen, S. 289 (306); Streinz, in: Schweitzer, S. 241 (264 f.). 17 18
B. Grundregeln für den Verwaltungs vollzug
145
Spezielle gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen zum Verwaltungsvollzugsrecht, insbesondere für den Bereich des mittelbaren mitgliedstaatlichen Vollzugs, bestehen jedoch zumeist nicht. In den Richtlinien zum Finanzmarktaufsichtsrecht lassen sich etwa nur Vorschriften zur Begründung von Verwaltungsmaßnahmen sowie zur Eröffnung des Rechtsweges finden 24 . Daher hat der EuGH über Art. 5 EGV zwei weitere Grundsätze präzisiert25 , um die Anwendung des nationalen Rechts in Gemeinschaftssachen zu begrenzen: den Grundsatz der Nichtdiskriminierung im Anwendungsbereich der Verträge und den der Funktionsfähigkeit (Effizienz) der Gemeinschaft 26 .
a) Diskriminierungsverbot
Das Diskriminierungsverbot besagt, daß bei der Anwendung nationalen Rechts im Vollzug des Gemeinschaftsrechts keine Unterschiede im Vergleich zu solchen Verfahren gemacht werden dürfen, in denen über gleichartige, rein innerstaatliche Rechtsstreitigkeiten entschieden wird 27 . Dies dient zum einen dem Interesse des Marktbürgers. Diesem dürfen z. B. keine weitergehenden Verpflichtungen auferlegt werden, als dies in rein nationalen Verfahren geschieht, ohne daß die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist28 . Zum anderen dient es dem Interesse der Gemeinschaft: Die mit dem Vollzug des Gemeinschaftsrechts betrauten Behörden haben ebenso sorgfältig und nach den gleichen Modalitäten vorzugehen wie in rein national gelagerten Fällen und müssen dabei das Gemeinschaftsinteresse berücksichtigen 29 .
24 Begründung: z. B. Art. 19 Abs. 3 VA. 3 S. I und Art. 21 Abs. 6 der 2. Bank-RL; Art. 26 Abs. 2 der I. Leben-RL i.d.F. von Art. 13 der 3. Leben-RL; Art. 16 Abs. 2 S. I der 2. Schaden-RL i.d.F. des Art. 35 der 3. Schaden-RL; Art. 40 Abs. 9 der 3. Schaden und der 3. LebenRL; Art. 17 Abs. 3 VA. 3 S. I und Art. 19 Abs. 7 der WDRL; Rechtsweg: z. B. Art. 19 Abs. 3 VA. 3 S. 2 der 2. Bank-RL; Art. 17 Abs. 3 VA. 3 S. 2, Art. 19 Abs. 7 und Art. 26 der WDRL, Art. 50 der 3. Leben-RL; Art. 56 der 3. Schaden-RL; Art. 16 Abs. 2 S. 1 der 2. Schaden-RL i.d.F. des Art. 35 der 3. Schaden-RL. 2S EuGH, a. a. 0., S. 2665, wo mit dem Hinweis auf Art. 5 EGV indes nur das "ob" der Pflicht erfaßt wird. 26 Grundlegend EuGH, Rs. 6/64, -Costa/E.N.E.L.-, Sig. 1964,1251 (1269 f.). 2? EuGH, Rs. 119 u. 126/79, - Lippische Hauptgenossenschaft/BALM -, Slg. 1980, 1863 (1879); verb. Rs. 205-215/82, -Deutsche Milchkontor-, Sig. 1983,2633 (2666); Rs. 309/85, -Barra-, Sig. 1988, 355 (376). 28 EuGH, verb. Rs. 205-215/82, - Deutsche Mi1chkontor -, Slg. 1983,2633 (2666 f.); vgl. auch Rengeling 1Middeke 1GelIermann, Rechtsschutz, Rn. 976; Streinz, in: Schweitzer, S. 241 (268). 29 EuGH, a.a.O, S. 2670; weiter Rengeling/Middeke/Gellermann, Rechtsschutz, Rn. 977; Streinz, in: Schweitzer, S. 241 (267).
10 Royla
146 3. Teil: Verwaltungsvollzug im Bereich grenzüberschreitender Aufsichtsvorgänge
b) EffizienzgeboPO Die Pflicht der Mitgliedstaaten, für die volle Wirksamkeit der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften Sorge zu tragen 31 , konkretisiert der EuGH dahingehend, daß die Anwendungs des nationalen Rechts die Tragweite und die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts nicht beeinträchtigen darf. Damit ist nicht gemeint, daß jedwede Behinderung materieller Gemeinschaftsnormen untersagt ist. Das Effizienzgebot besagt vor allem, daß die Verwirklichung des Gemeinschaftsrechts "praktisch nicht unmöglich" gemacht werden darf, was anhand der vom Gerichtshof erarbeiteten Kriterien im Einzelfall ermittelt werden muß 32 . Tendenziell läßt sich feststellen, daß die EuGH-Rechtsprechnung strenger wird und das Augenmerk mehr auf die Grenzen der Beeinträchtigung als auf die Hinnahme von Divergenzen gerichtet wird 33 . Dabei besteht die Gefahr, daß das nationale Verwaltungsvollzugsrecht über das Maß determiniert wird 34 . Als normative Grenze ist, trotz seiner schwachen Steuerungskraft 35 , auch das Subsidiaritätsprinzip (Art. 3 b Abs. 2 EGV) zu bemühen. Das Effizienzgebot hat bisher eine entscheidende Rolle bei Fragen der Rückforderung gemeinschaftswidriger Beihilfen 36 und des verwaltungsgerichtlichen einstweiligen Rechtsschutzes gegen gemeinschaftsrechtlich determinierte Verwaltungsakte gespiele 7 .
30 Das Effizienzgebot wird auch teilweise auch ,,Beeinträchtigungsverbot" , ,,Effektivitätsgebot", "Verbot praktischer Undurchführbarkeit" oder "Vereitelungsverbot" bezeichnet, siehe zur Terminologie Scheuing, Innovation, S. 289 (306 Fn. 74). 31 EuGH, Rs. 106/77, - Simmenthal 11 -, Sig. 1978,629 (645). 32 EuGH, verb. Rs. 205 - 215/82, - Deutsche Milchkontor -, Sig. 1983, 2633 (2666); zuletzt EuGH, Rs. C-24/95, - Alcan -, Sig. 1997-1, 1591 (1616). 33 Siehe EuGH, Rs. C-142/87, - BUG-Alutechnik -, Sig. 1990-1, 3437 (3456 ff.); verb. Rs. 6/90 u. C-9/90, - Francovich -, Sig. 1990-1,5357 (5413 f.); Rs. C-24/95, -Alcan-, Sig. 1997-1, 1591 (1617 ff.); ferner Engel, DV 25 (1992), 443 (457); Klein, Vereinheitlichung, S. 117 (136); Rengeling, VVDStRL 53 (1994), 202 (229); Scheuing, Innovation, S. 289 (307, 312). Ohnehin laufen das Diskriminierungs- und das Effizienzgebot gegeneinander, soweit man letzteres als eine Form der Schrankenziehung für die tolerablen Divergenzen der unterschiedlichen Verwaltungsrechtsordnungen der Mitgliedstaaten ansieht. Daher kann immer nur eines der Gebote Geltung beanspruchen, vgl. Streinz, in: HStR VII, § 182 Rn. 25. 34 Kritisch von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 368 ff. u. passim; Rengeling, VVDStRL 53 (1994), 202 (222 ff.); Schoch, JZ 1995, 109 (116 f.). 35 V gl. Schmidt-Aßmann, DVBI. 1993, 924 (932), der daher zur Begrenzung das in Art. 5 EGV verankerte "Gebot zur gegenseitigen Rücksichtnahme" heranziehen möchte. 36 Vgl. dazu EuGH, Rs. 5/89, - BUG Alutechnik -, Sig. 1990-1,3437; Rs. C-24/95, -AIcan -, Sig. 1997-1, 1591; BVerwGE 92,81. Aus der Literatur z. B. Ehlers, DVBI. 1991,605 (612 f.); ders., in: Erichsen, § 3 Rn. 21 ff.; Pache, NVwZ 1994, 318 ff.; Scheuing, Innovation, S. 289 (308 ff.); Streinz, Europarecht, Rn. 485 ff.; Triantafyllou, NVwZ 1992,436 ff. 37 V gl. EuGH, Rs. C-213/89, - Factortame -, Sig. 1990-1, 2433 (2473 f.); verb. Rs. C143/88 u. C-92/89, - Zuckerfabrik Süderdithmarschen -, Sig. 1991-1,415 (540); dazu z. B. Dänzer-Vanzotti, RIW 1992,733 ff.; Schlemmer-Schulte, EuZW 1991,307 ff.; Schwarze, FS Börner, S. 389 (393 ff.); Triantafyllou, NVwZ 1992, 129 ff.
B. Grundregeln für den Verwaltungsvollzug
147
2, Die Bedeutung der allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts
Nach der "Soweit-Formel" des EuGH haben die Mitgliedstaaten auch die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts zu beachten, die als Ausprägungen rechtsstaatlich-grundrechtlicher Standards vom EuGH herausgearbeitet worden sind 38 . a) Bestand
Für das Verwaltungsvollzugsrecht sind folgende Grundsätze von besonderer Bedeutung 39 : - Gesetzmäßigkeit der Verwaltung - rechtliches Gehör, wozu das Recht auf Akteneinsicht gehört - Vertrauensschutz - Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - Rechtssicherheit - Gleichbehandlungsgrundsatz bzw. Willkürverbot - Begründungszwang - Recht auf faires Verfahren - Vertraulichkeit des Schriftverkehrs sowie Wahrung von Berufs- und Geschäftsgeheimnissen - entsprechende Verwertungsverbote - ne bis in idem - Untersuchungsgrundsatz - effektiver Rechtsschutz. b) Funktion
Die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts gelten nach heutiger gefestigter Ansicht nicht nur für das Gemeinschaftshandeln, sondern auch für 38 Zur Gewinnungsmethode der allgemeinen Rechtsgrundsätze speziell des Verwaltungsrechts Klein, Vereinheitlichung, S. 117 (132); Streinz, in: Schweitzer, S. 241 (249 ff.). 39 Eine Übersicht mit Nachweisen insb. der Rechtsprechung findet sich bei Klein, Vereinheitlichung, S. 117 (132); Pernice, in: Grabitz/Hilf, Art. 164 Rn. 88 ff. (Stand: Mai 1995); Zuleeg, VVDStRL 53 (1994), 154 (170 ff.); speziell für das Verwaltungsverfahrensrecht: Gassner, DVBI. 1995, 16 (17 ff.); Grabitz, NJW 1989, 1776 (1779 ff.); Vedder, EuR Beiheft 1/1995,75 (80 f.); Weber, in: Schweitzer, S. 55 (72 ff.).
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148 3. Teil: Verwaltungsvollzug im Bereich grenzüberschreitender Aufsichtsvorgänge
den sog. indirekten Vollzug4o . Dies bringt der EuGH in der "Soweit-Formel" zum Ausdruck, wenn er sagt, daß nationales Recht nur anzuwenden ist, wenn "Gemeinschaftsrecht einschließlich der allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze hierfür keine gemeinsamen Vorschriften enthält,,41. Insoweit kommt den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrecht zumindest die Funktion als Auslegungsdirektive und Prüfungsmaßstab für das innerstaatliche Verwaltungsvollzugsrecht ZU42 , also eine ähnliche Rolle wie die deutschen verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere das Rechtsstaatsprinzip, für das Verwaltungsrecht43 . Überdies stellt sich die Frage, ob den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen auch eine verdrängende Wirkung zukommt. Obwohl ein wortgetreues Verständnis der "Soweit-Formel" einen solchen Schluß zuläßt, hat der EuGH diese Konsequenz nicht gezogen und das nationale Verwaltungsvollzugsrecht auch in den Fällen für anwendbar erklärt, wo das Gemeinschaftsrecht über inhaltsgleiche allgemeine Rechtsgrundsätze verfügte 44 . Umgekehrt bedeutet dies jedoch, daß die nationalen Vollzugs bestimmungen , die den allgemeinen Rechtsgrundsätzen widersprechen oder einer gemeinschaftskonformen Auslegung nicht zugänglich sind, im Einzelfall verdrängt werden45 . Da es sich allerdings nur um "Grundsätze" handelt, kann der Anwendungsvorrang nur nach Abwägung mit anderen widerstreitenden Belangen zum Tragen kommen46 . Demnach vermögen sie einerseits dem nationalen Vollzugsrecht Grenzen ziehen, andererseits das Festhalten an innerstaatlichen Vollzugsbestimmungen legitimieren, die dem Effizienzgebot widerlaufen, sofern
40 Grabitz, NJW 1989, 1776 (1781 f.); Klein, Vereinheitlichung, S. 117 (137); Rengelingl Middekte/Gellermann, Rechtsschutz, Rn. 978 f.; Streinz, in: Schweitzer, S. 241 (275 ff.); a.A. Hilf, Verwaltungsrecht im Werden, S. 67 (83); differenzierend nach unmittelbaren und mittelbaren Vollzug Lehr, S. 215 ff. (dessen Hinweis, daß bei der Wahl des .,schonenderen" Instruments der Richtlinie nationales Recht zum Zuge komme und daher das Interesse an der einheitlichen Geltung der allgemeinen Rechtsgrundsätze nicht ausreiche, um entgegenstehendes nationales Recht zu verdrängen, jedoch nicht überzeugt); Stettner, in: Dauses, B III. Rn. 40 (Stand: Sept. 1994). 41 EuGH, verb. Rs. 205 -2151 82, - Deutsche Milchkontor -, Sig. 1983,2633 (2665). 42 Götz, EuR 1986,29 (44 f.); Grabitz, NJW 1989, 1776 (1781); Klein, Vereinheitlichung, S. 117 (137); ders., Der Staat 1994,39 (45); Pernice, NJW 1990,2409 (2417); Rengelingl Middeke/Gellermann, Rechtsschutz, Rn. 979; Streinz, in: Schweitzer, S. 241 (275); vgl. auch Huthmacher, Der Vorrang des Gemeinschaftsrechs, S. 96 ff. 43 Vgl. Streinz, in: Schweitzer, S. 241 (249) m.N. in der Rechtsprechung des BVerfG. 44 EuGH, verb. Rs. 205 -215 182, -Deutsche Milchkontor-, Sig. 1983,2633 (2669 f.); ebenso Götz, EuR 1986, 29 (44); Klein, Vereinheitlichung, S. 117 (137); ders., Der Staat 1994, 39 (45); Rengeling/Middeke/Gellermann, Rechtsschutz, Rn. 979; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. I, S. 67; Streinz, in: Schweitzer, S. 241 (266, 275 f.); a.A. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 499 f.; Hilf, in: Schwarze, S. 67 (81 ff.).; Lehr, S. 215 f. 4S Grabitz, NJW 1989, 1776 (1781); Rengeling 1Middeke 1GelIermann, Rechtsschutz, Rn. 982. Ebenso Klein, Vereinheitlichung, S. 117 (137 f.), der jedoch zutreffend darauf hinweist, daß die gemeinschaftsrechtlichen Maßstäbe auch hinreichend präzisiert sein müssen, um Verdrängungswirkung haben zu können. 46 Klein, Vereinheitlichung, S. 117 (137); Rengeling, VVDStRL 53 (1994), 202 (228 f.).
B. Grundregeln für den Verwaltungsvollzug
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es einem Interesse entspricht, das sich mit einem allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz deckt47 . Als Ergebnis kann festgehalten werden: Die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrecht fungieren bei der mitgliedstaatlichen Durchführung des Gemeinschaftsrechts als Maßstab und Auslegungshilfe. Ihnen widersprechende Regelungen des nationalen Rechts sind unangewendet zu lassen. Sie greifen weiter dort ein, wo das betreffende innerstaatliche Recht keinen ausreichenden Schutz bietet48 • Als Auslegungsdirektive, schließlich, sind sie geeignet, unbestimmte Rechtsbegriffe und innerstaatlichen Behörden eingeräumte Ermessensspielräume im gemeinschaftsrechtlichen Sinne zu determinieren.
3. Grundregeln des Richtlinienvollzugs Die mitgliedstaatlichen Aufsichtsbehörden wenden bei der grenzüberschreitenden Finanzmarktaufsicht nationales, jedoch Gemeinschaftsrecht bezogenes Ausführungsrecht an. Im Rahmen dieses sog. mittelbaren Vollzugs haben die nationalen Behörden zusätzlich vollzugstypische Vorgaben des Gemeinschaftsrechts zu beachten.
a) Das Gebot zur richtlinienkonformen Auslegung
Nach gefestiger Rechtssprechung des EuGH haben die nationalen Behörden, das nationale Recht, das in Umsetzung von Gemeinschaftsrecht ergangen ist, richtlinienkonform auszulegen 49 . Die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung ist Unterfall eines allgemeinen Gebots zur gemeinschaftsfreundlichen Auslegung des nationalen Rechts, das wiederum seine rechtliche Grundlage in Art. 5 EGV hat 50 . Damit eng verknüpft ist der primärrechtliche Grundsatz der Effektivität. Da der Wille des nationalen Gesetzgebers dahingehend zu interpretieren ist, daß das Umsetzungsgesetz den Vorgaben der Richtlinie entsprechen möge, läßt sich diese Pflicht auch aus dem einzelstaatlichen Recht begründen51 . Vgl. z. B. EuGH, Rs. 33176, - Rewe -, Sig. 1976, 1989 (1998). V gl. Schlußantrag des Generalanwalts Verloren van Themaat in EuGH, verb. Rs. 205 215/82, - Deutsche Mi1chkontor -, Sig. 1983,2633 (2675). 49 Vgl. EuGH, Rs. 14/83, -Colson-, Sig. 1984, 1891 (1909); Rs. C-I06/89, -Marleasing -, Slg. 1990-1,4135 (4159); ferner BVerfGE 75, 223 (237); Langenfeld, DÖV 1992,955 (964 ff.); Jarass, Grundfragen, S. 89 ff.; dens., EuR 1991,211 ff.; Prechal, Directives in European Community Law, S. 73 ff.; Schrnidt-Aßmann, DVBl. 1993,924 (932 f.). Von der richtlinienkonformen Entscheidung ist wiederum die korrekte Auslegung des Gemeinschaftsrechts selbst zu unterscheiden, dazu Lutter, JZ 1992,593 ff. 50 V gl. von Bogdandy, in: Grabitz 1Hilf, Art. 5 Rn. 55 (Stand: Sept. 1994); Zuleeg, in: GI T/E, Art. 5 Rn. 6. 47 48
150 3. Teil: Verwaltungsvollzug im Bereich grenzüberschreitender Aufsichtsvorgänge
Diese Pflicht findet ihre Grenze in dem Wortlaut der auszulegenden Norm. Ihr Ergebnis darf nicht über die Interpretation hinausgehen, die auch mit rein nationalen Auslegungsmethoden erzielt werden kann 52 • Der Einsatzbereich der Pflicht zur gemeinschaftskonformen Auslegung liegt daher in erster Linie dort, wo unbestimmte Rechtsbegriffe und Ermessensspielräume der Verwaltung bestehen. Voraussetzung für die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung ist lediglich, daß sie inhaltlich geeignet und die Umsetzungsfrist abgelaufen ist53 . Eine Einklagbarkeit durch Dritte muß nicht gegeben sein54 . Insofern kommt diesem Institut ein weiter Anwendungsbereich zu, das einen erheblichen Einfluß auf die nationalen Verwaltungen ausübt55 .
b) Die unminelbare Wirkung von Richtlinien
Hinzu kommt, daß Richtlinien, im Falle der nicht frist- oder ordnungsgemäßen Umsetzung, unmittelbare Wirkung entfalten können 56 . Die mit dem Vollzug der Ausftihrungsgesetze betrauten Verwaltungen sehen sich infolgedessen an zusätzliche Rechtsquellen gebunden. Der unmittelbare und mittelbare Vollzug können hier ineinander übergehen. Angesichts der Kollisionsfähigkeit einer in unmittelbare Wirkung erwachsenen Richtlinie haben die nationalen Behörden nach der Rechtssprechung des EuGH die Pflicht, entgegenstehendes nationales Recht unangewendet zu lassen 57 . Diese sanktionsbewehrte 58 Verwerfungspflicht, die das deutsche Recht bisher nicht kannte 59 , hat eine ..Europäisierung der Gesetzesbindung" der Verwaltung zur Folge60 . SI Näher Gellermann, Beeinflußung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, S. 104 ff. Daneben wird die Pflicht aus Art. 189 Abs. 3 EGV begründet, vgl. Prechal, a. a. 0., S. 205. S2 Vgl. Jarass, EuR 1991,211 (216); Langenfeld ,DÖV 1992,955 (965). S3 Klein, FS Everling I, S. 641 (647); Nettesheim AöR 119 (1994), 261 (277); Prechal, a. a. 0., S. 22 ff.; a.A. Haneklaus, DVBI. 1993, 129 (130 f.), der für eine richtlinienkonforme Auslegung auch dann plädiert, wenn der Umsetzungsakt schon vor Fristablauf erfolgt. S4 Vgl. Jarass, EuR 1991,211 (212); Nettesheim AöR 119 (1994), 261 (276); a.A. Scherzberg, Jura 1993, 225 (232). Dies gilt auch nach der neueren Rechtsprechung des EuGH auch für die Annahme der unmittelbaren Wirkung der Richtlinie, vgl. EuGH, Rs. C-431/91, Großkrotzenburg -, Sig. 1995,1- 2189 (2220 f.). ss Kritisch daher Schmidt-Aßmann, DVBI. 1993, 924 (932 f.). S6 Zu den Voraussetzungen und Grenzen siehe oben 2. Teil B. 11.4. S7 EuGH, Rs. 103/88, -Constanzo-, Sig. 1989, 1861 (1870 f.). Dadurch entsteht natürlich Rechtsunsicherheit, Ehlers, DVBI. 1991,605 (611); König, DVBI. 1997,581 (584 ff.), der daher dafür plädiert, in den Mitgliedstaaten eine institutionalisierte Hilfestellung für den Verwaltungsvollzug von Gemeinschaftsrecht einzurichten. S8 Grundlegend EuGH, verb. Rs. C-6/90 u. C-9/90, -Francovich-, Sig. 1990-1, 5357 (5416); zur Staatshaftung weiter aus der Fülle der Literatur von Danwitz, DVBI. 1997, I ff.; Eh1ers, JZ 1996,776 ff.; Jarass, NJW 1994, 881 ff., jeweils m. w. N. aus der Rechtsprechung des EuGH.
c. Administrative Kooperationsregeln
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c. Administrative Kooperationsregeln für die grenzüberschreitende Aufsicht Während die bisher dargestellten Grundsätze für alle Fonnen des Vollzugs von Richtlinienrecht von Bedeutung sind, geht es nun darum, gemeinschaftsrechtliche Grundregeln herauszuarbeiten bzw. zu konkretisieren, die im Besonderen für die Handhabung der grenzüberschreitenden Instrumente der Aufsichtsbehörden gelten, die durch das Gemeinschaftsrecht in das nationale Verwaltungsrecht plaziert worden sind. Dieses Unternehmen ist nicht anspruchslos, da hier Standards entwickelt werden müssen, die für ein Beziehungsnetzwerk zwischen nicht hierarchisch miteinander verbundenen Verwaltungsträgern gelten sollen. Die Rolle eines übergeordneten Koordinators und Stabilisators wird hier niemandem zugewiesen. Die Funktionsrahigkeit der "horizontalen" Kooperation wird davon abhängen, daß sie sich selbst verfestigt und stabile Strukturen schafft, gleichzeitig aber noch Ausgangspunkt für produktive Innovationen und Impulse sein kann. Im Ergebnis darf der Gesamteffekt jedenfalls nicht dazu führen, daß das administrative Kooperationsrecht dort, wo es die Belange der Bürger berührt, seine Rechtsschutzfunktion mißachtet.
I. Effektivitätsgebot Von besonderer Bedeutung für die grenzüberschreitende Aufsicht ist das Effektivitätsgebot61 . Es setzt sich aus dem Gebot der gemeinschaftsfreundlichen Auslegung des nationalen Rechts, der Kooperationspflicht der Aufsichtsbehörden sowie aus dem für den indirekten Verwaltungsvollzug geltenden Diskriminierungs- und Effizienzgebot zusammen. Als eine Art Optimierungsgebot62 verlangt es einerseits, daß die Verwaltungen die Wahrscheinlichkeit zu minimieren haben, daß ein gemeinschafts widriger Zustand besteht bzw. fortbesteht 63 , andererseits, daß die Gemeinschaftsvorschriften möglichst effektiv und einheitlich zur Entfaltung gebracht werden. Für das Kooperationsrecht gewendet hat das Effektivitätsgebot folgende Bedeutung: Das Aufsichtssystem erfordert eine enge Zusammenarbeit. Deren nonnative Aus der Literatur z. B. Herzog, in: Maunz I Dürig, Art. 20 VI Rn. 61 ff. So Neßler, S. 96. Schmidt-Aßmann, DVBI. 1993,924 (932 f.), stellt sich die Frage, ob die administrative Berechtigung zum Gesetzesdispens vom Integrationsprogramm gedeckt ist; verneinend: Stadie, NVwZ 1994,435 (438); in diesem Sinne auch Di Fabio, NJW 1990, 947 (953). 61 Der Begriff ist in Abgrenzung zum enger gefaßten ,.Effizienzgebot" gewählt und ist im Sinne einer allgemeinen Funktionssicherung des Gemeinschaftsrechts zu verstehen, vgl. auch von Bogdandy, in: Grabitz I Hilf, Art. 5 Rn. 7 (Stand: Sept. 1994). 62 Zur Bedeutung des Begriffs siehe Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 75 ff. 63 Schmidt-Aßmann, DVBI. 1993,924 (931). 59 60
152 3. Teil: Verwaltungsvollzug im Bereich grenzüberschreitender Aufsichtsvorgänge
Grundlage sind in erster Linie die Kooperationsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten, die auf der in den Richtlinien und Art. 5 EGV statuierten Pflichtenbasis aufbauen. Erweisen sie sich im Einzelfall als unzulänglich, haben die Aufsichtsbehörden die Pflicht, sie im Lichte der Gemeinschaftsregelungen erweiternd oder restriktiv auszulegen 64 . Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit darf aufgrund innerstaatlicher Rechtsvorschriften nur insoweit behindert werden, als die rechtlichen Hinderungsgründe mit dem gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen zu vereinbaren sind. Die Kooperation darf nicht "praktisch unmöglich" gemacht werden. Daher müssen etwa nationale Sachnormen ggf. so ausgelegt werden, daß sie auch grenzüberschreitende Sachverhalte erfassen 65 . Einer solchen "extraterritorialen" Auslegung können im zwischenmitgliedstaatlichen Raum keine völkerrechtlichen Schranken entgegengehalten werden 66 . Raum für eine "extraterritoriale" Auslegung der nationalen Ermächtigungsnormen ist vor allem dort, wo die Richtlinien den Aufnahmemitgliedstaaten die Befugnis geben, im Rahmen der laufenden Rechtsaufsicht Auskunftsrechte gegenüber Unternehmen mit Sitz im Ausland auszuüben 67 . Dies gilt insbesondere für die mit der Aufgabe der Aufsicht über Wertpapierfirmen betrauten Behörden der Dienstleistungstätigkeitsländer, soweit sie die Einhaltung der Wohlverhaltensregeln überwachen 68 . Ferner kann es erforderlich sein, innerstaatliche straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionsvorschriften erweiternd auszulegen. Die Mitgliedstaaten sind grundsätzlich aus Art. 5 EGV dazu gehalten, die Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Regeln durch wirksame Sanktionen sicherzustellen 69 • Dies er-
Vgl. Schmidt-Aßmann, EuR 1996,270 (295 f.). Kollisionsrechtlich erfolgt die Ennittlung der Kollisionsnormen als "verdeckte" Rechtsanwendungsnorm durch Auslegung der Sachnorm im Einzelfall, vgl. Neumayer, Internationales Verwaltungsrecht IV, S. 473 f.; für den Bereich des Bankenrechts Mülbert, AG 1986, I (4 ff.); Schmidt-Burgk, S. 89 ff.; für den Bereich des Versicherungsrechts Schnyder, Internationale Versicherungsaufsicht, S. 32 f. 66 Zur Verdrängung des Völkerrechts durch das Gemeinschaftsrechts siehe schon oben 2. Teil B. I. 3. b); ferner Mülbert, AG 1986, I (5). 67 Siehe z. B. Art. 40 Abs. 2 der 3. Schaden-RL und Leben-RL; Art. 19 Abs. 2 der WORL; Art. 21 Abs. 2 der 2. Bank-RL. Es wird dabei zwar nur von Vorlagepflichten gesprochen, jedoch dürfte Auskunftsrechte mitumfaßt sein, da sie in der Regel weniger belastend sind, vgl. Miersch, S. 71, Müller, Versicherungsbinnenmarkt Rn. 540. Ein Auskunftsrecht wird ausdrücklich in Art. 6 Abs. 1 der 2. Konsolidierungs-RL anerkannt. 68 Siehe auch § 35 Abs. 2 Satz I der WpHG des Reg.-Entwurfs zur 6. KWG-Novelle, BROrs.963-96. 69 Vgl. die Entschließung des Rates vom 29.5. 1996 zur einheitlichen und wirksamen Anwendung des Gemeinschaftsrechts und zu Sanktionen bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des Binnenmarktes, ABI. 1995, C 188/1. Zu Sanktionen im indirekten Vollzugsystem des Gemeinschaftsrechts siehe Pernice / Kadelbach, OVBI. 1996, 11 00 (1112 f.); ausführlich Böse, Strafen und Sanktionen im europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 253 ff.. 64
6S
C. Administrative Kooperationsregeln
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fordert nach der Rechtsprechung des EuGH die Festlegung "tatsächlicher, verhältnismäBiger und abschreckender Sanktionen,,7o. Verweigern sich z. B. die Unternehmen einer Vor-Ort-Prüfung, wird dies in der Regel als Ordnungswidrigkeit geahndet71 . Wenn nun aber eine ausländische Zweigstelle den Tatbestand einer solchen Ordnungswidrigkeit erfüllt, kann der PflichtverstoB angesichts des im Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden strengen Territorialiätsgrundsatzes72 häufig nicht verfolgt werden 73. Um dem Gebot wirksamer Sanktionen nachzukommen, müssen die Behörden die Sanktionsvorschriften i. S. d. Gemeinschaftsrechts so auslegen, dltB auch Auslandsachverhalte erfaßt sind. Andererseits dürfen sich die Aufsichtsbehörden nicht ohne weiteres über ihr eigenes Recht hinwegsetzen. Das Gebot zur wirksamen Durchsetzung ist nicht grenzenlos, sondern "rechtsstaatlieh gebunden,,74. Die Behörden dürfen die Grenzen der national anerkannten Auslegungsmethoden nicht überschreiten 75. Solange den Richtlinien keine unmittelbare Wirkung zukommt, müssen die nationalen Aufsichtsbehörden, insbesondere bei Eingriffen in Rechte Dritter, die Kooperation verweigern bzw. auf Auskünfte verzichten. Das meint der EuGH, wenn er davon spricht, daß nationale Behörden im Rahmen ihrer ,,zuständigkeit", also innerhalb ihrer Bindung an das nationale Gesetz, zur gemeinschaftskonformen Auslegung verpflichtet seien76 . Bei der "extraterritorialen" Auslegung dürfen zudem nicht die im Sinne des Systems der Herkunftslandkontrolle geordneten Kompetenzen der Aufsichtsbehörden überspielt werden. Schließlich ist auch das Spannungsverhältnis zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrechts zu beachten77. Letztere vermögen nach Abwägung im Einzelfall eine Verweigerung der Kooperation, die sich auf gemeinschaftsrechtlich anerkannte Erwägungen stützt, zu rechtfertigen. Das Effektivitätsgebot verlangt weiter, daß das Kooperationsverfahrenrecht als Garant für ein reibungslose Zusammenarbeit eingesetzt wird. Ein Optimum wird erst durch ein Kooperationssystem erreicht, das durch Transparenz, prompter Kooperationsbereitschaft und funktionierenden Kommunikationssystemen gekennzeichnet ise s. Die Strukturierung des Verfahrens der Zusammenarbeit durch Transparenz und Rationalität ist gleichzeitig von nicht unerheblicher Bedeutung für ein EuGH, Rs. 68/88, - Kommission I Griechenland -, Slg. 1989,2965 (2985). Vgl. Z. B. in Deutschland § 56 Abs. 1 Nr. 1 KWG und § 144 Abs. 1a Nr. 8 VAG. 72 Vgl. in Deutschland § 50WiG. 73 Di Amato, Foro italico 1989 IV, 108 (112); Groß, JZ 1994,596 (602). 74 So Scheuing, Innovation, S. 289 (326). Vgl. auch Rengeling, VVDStRL 53 (1994), 202 (228 f.); Schmidt-Aßmann, DVBI. 1993,924 (931 f.). 75 Siehe die Nachweise oben 3. Teil Fn. 52 76 EuGH, Rs. 14/83, - Colson -, Slg. 1984, 1891 (1908 f.); vgl. auch Jarass, EuR 1991, 211 (219); dens., Grundfragen, S. 93 f. 77 Siehe oben 3. Teil B. 11. 2. b) und die Nachweise in 3. Teil Fn. 46. 78 Siehe die Mitteilung der Kommission, KOM (94), 29 endg., S. 4 u. passim. 70
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154 3. Teil: Verwaltungsvollzug im Bereich grenzüberschreitender Aufsichtsvorgänge
rechtsstaatliches und demokratisches Verwaltungsrecht 79 • Aus dem Effektivitätsgebot, das insoweit in einem engen Zusammenhang mit der aus Art. 5 EGV resultierenden Pflicht der Zusammenarbeit steht, ergibt sich daher die Pflicht, die anderen Kooperationspartner darüber zu informieren, welche nationalen Behörden für welche Bereiche zuständig sind. Überdies ist anzugeben, welche Amtswalter innerhalb dieser Behörden für die Zusammenarbeit zuständig sind. Neben diesem Gebot der Transparenz haben die zuständigen Behörden darauf zu achten, daß die Information schnell übermittelt und präzise formuliert werden. Dazu gehört es, u.U auf Standardvordrucke oder auf automatisierte Informationsverarbeitung zurückzugreifen 8o ; Sprachregelungen sind zu treffen. Dies ist erforderlich, damit die Behörden besser und effizienter reagieren können. Ungenaue Formulierungen hemmen die Zusammenarbeit über das Erschwernis durch die Sprachbarrieren hinaus. Schließlich ist angesichts der Durchsetzungsprioriät der Behörden der Herkunftsländer im Rahmen der laufenden Rechtsaufsicht nicht nur eine Alarmbereitschaft der Behörden der Tätigkeitsländer angezeigt. Eine effiziente Aufsicht über den gemeinsamen Markt verlangt vielmehr, daß die Herkunftsländer prompt auf die "irregularites" reagieren und angemessene Maßnahmen ergreifen. Um eine reibungslose und effiziente Zusammenarbei zu ermöglichen, kann es erforderlich sein, durch bi- oder multilaterale Vereinbarungen der Aufsichtsbehörden Leitfaden oder "memoranda of understandings" aufzustellen, an denen sich die Kooperationshandlungen orientieren können 8 !. Das Konventionsverwaltungsrecht bietet Raum, prozedurale Regeln aufzustellen, um Regelungslücken der Richtlinien zu schließen. Das gilt etwa für das finanzmarktaufsichtsrechtliche Beschwerdesystem82 . Hier muß z. B. geklärt werden, welche Beschwerdestelle in grenzüberschreitenden Fällen zuständig sein soll.
11. Gleichbehandlungsgrundsatz Der Gleichbehandlungsgrundsatz, der in den Grundfreiheiten, Art. 6 EGV und dem ungeschriebenen allgemeinen Gleichheitssatz 83 sowie teilweise ausdrücklich in den Richtlinien verankert ist, verpflichtet die mitgliedstaatlichen Behörden in erster Linie, Verfahren mit Gemeinschaftsbezug genauso zu behandeln wie gleichVgl. Schmidt-Aßmann/Rühl, EuR Beiheft 111997,87 (89). Die Kommission will ein elektronisches Netzwerk (EDENIS -Electronic data exchange network in insurance) errichten, über das die Versicherungsaufsichtsbehörden Informationen über die Beaufsichtigung von Versicherungsunternehmen austauschen können, siehe Bericht der Kommission, KOM (96), 20 endg., S. 43. 81 Siehe die Nachweise zu solchen Vereinbarungen oben 2. Teil Fn. 414. 82 Siehe Kuntze, ZfgK 1993, 18 (21); Müller, Versicherungsbinnenmarkt Rn. 869 ff.; Szagunn/Haug/Ergenzinger, KWG, § 8 Rn. 23. 83 EuGH, verb. Rs. 117176 u. 16177, -Ruckdeschel-, Slg. 1977, 1753 (1770); Rs. 245/81, - Edeka -, Slg. 1982,2745 (2754). Vgl. aus der Literatur nur Kischel, EuGRZ 1997, 1 ff. 79
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C. Administrative Kooperationsregeln
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artige, rein innerstaatliche Verfahren 84 . Im Vordergrund steht dabei der Schutz des Unionsbürgers. Angesichts der in der Finanzmarktaufsicht zunehmenden Verschränkung von administrativen Handlungen erfährt der Gleichbehandlungsgrundsatz eine weitere Ausprägung: die Aufsichtsbehörden und Gerichte haben die von anderen Aufsichtsbehörden erlassenen Maßnahmen und Kooperationshandlungen ebenso zu behandeln wie eigene 85 ; im Rahmen von grenzüberschreitenden Prüfungen festgestellte Sachverhalte und andere übermittelte Informationen müssen grundsätzlich einen genauso hohen Beweiswert besitzen wie eigene Handlungen; übermittelte Daten müssen genauso vertraulich behandelt werden wie eigene 86 ; sofern um Zusammenarbeit gebeten wird, muß die Behörden so verfahren, als ob sie in Erfüllung eigener Aufgaben handeln. So verstanden ist das Gleichbehandlungsgebot als prozedurale Gleichstellungsregel zu verstehen, das in enger Nachbarschaft zum Effektivitätsgebot und dem Anerkennungsprinzip steht.
III. Gebot der VerhäItnismäßigkeit als Kostenbegrenzungs- und Subsidiaritätsregel Die in den Richtlinien verankerten Kooperationspflichten stehen zumeist unter dem Vorbehalt der ,.Erforderlichkeit" oder der ,,zweckdienlichkeit,,87. Darin kommt der bei der Anwendung von Gemeinschaftsrecht zu beachtende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz88 zum Ausdruck. Der Grundsatz impliziert aber nicht nur eine Beschränkung der Zusammenarbeit im Hinblick auf den Unionsbürger- bzw. Untemehmensschutz. Er fungiert zugleich als Kostenbegrenzungsregel 89 . Der Nutzen der Zusammenarbeit muß in einem angemessenen Verhältnis zu den aufgewendeten Ressourcen stehen. Das Gebot zu einer dem Amtshilfe- oder Auskunftsersuchen vorgeschalteten Kosten-Nutzen-Analyse soll eine unnötige Beanspruchung des grenzüberschreitenden Kooperationssystems vermeiden helfen. Ein Ersuchen um eine Auskunft zur Sachverhaltsaufklärung wäre daher nicht erforderlich, wenn der Sachverhalt bereits im Inland vollständig aufgeklärt worden ist. Daraus könnte der Schluß gezogen werden, daß grundsätzlich jedwede Möglichkeit der innerstaatlichen Sachermittlung Vorrang vor einem Kooperationsersuchen Siehe oben 3. Teil B. 11. I. a). Vgl. auch Schmidt-Aßmann, EuR 1996,270 (297), der in diesem Zusammenhang von ,,Äquivalenzregeln" spricht. 86 Vgl. Mitteilung der Kommission, KOM (94), 24 endg., S. 5. 87 Bsplw. Art. 19 Abs. 2 S. 2 der I. Schaden-RL i.d.F. des Art. 11 der 3. Schaden-RL; Art. 23 Abs. 2 S. 2 der 1. Leben-RL Ld.F. des Art. 10 der 3. Leben-RL; Art. 23 Abs. 3 der WDRL; Art. 7 Abs. 1 der 1. Bank-RL; Art. 7 der 2. Bankenkonsolidierungsrichtlinie.\ 88 Vgl. dazu nur Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 11, S. 690 ff., 830 ff. 89 Vgl. Mitteilung der Kommission, KOM (94), 24 endg., S. 5. 84 85
156 3. Teil: Verwaltungsvollzug im Bereich grenzüberschreitender Aufsichtsvorgänge
hätte 9o . Eine solche Regelung sieht Art. 8 Abs. 3 der EG-Amtshilferichtlinie für das Steuerrecht vor: Die im Wege der Amtshilfe in Anspruch genommenen ausländischen Finanzbehörden können verlangen, daß die ersuchende Behörde sowohl ihre rechtlichen als auch ihre personellen Ermittlungsmöglichkeiten ausschöpft. Diese Regelung entspringt vor allem dem Gedanken, daß die ersuchenden Behörden nicht aus Gründen des Personalmangels oder aus steuerpolitischen Gründen die Ermittlungsarbeit auf den ersuchten Mitgliedstaat abwälzen können sollen91 . Sie ist Ausdruck des völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsprinzips 92. In diesen Fällen soll aber kein absolutes Auskunftsverbot bestehen. Die Gewährung der Amtshilfe steht dann vielmehr im Ermessen. Ein solcher Subsidiaritätsgrundsatz kann indes aus den Richtlinien zum Finanzmarktaufsicht nicht herausgelesen werden. Die Inanspruchnahme der Auslandshilfe kann sich in Einzelfällen als zweckdienlich und erforderlich erweisen, auch wenn daneben innerstaatliche Ermittlungen möglich sind. Das europäische Aufsichtssystem erfordert laut Richtlinien eine enge Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden. Eine strenge Geltung des Gegenseitigkeitsprinzips verträgt sich damit nicht. Eine enge und reibungslose Zusammenarbeit kann nur funktionieren, wenn sie als gleichrangiges Instrument neben den innerstaatlichen Instrumenten steht. Eine generelle Nachrangigkeit der zwischenstaatlichen Amtshilfe besteht infolgedessen nicht. Grenzen ergeben sich nur aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser verhindert die Inanspruchnahme der Amtshilfe erst dann, wenn sich das Instrument konkret als unzweckdienlich oder aus Kostengründen als unverhältnismäßig erweist. Faktische Schwierigkeiten, die aus Übersetzungsproblemen oder der Erwartung geringerer Hilfsbereitschaft ausländischer Behörden resultieren, können angesichts des Effektivitätsgebots nicht ausschlaggebend sein.
IV. Trennungsprinzip Trotz der engen Verflechtung der mitgliedstaatlichen Aufsichtsvorgänge sind die einzelnen Handlungen der Aufsichtsbehörden jeweils ihren Rechtsordnungen zuzuordnen. Es entspricht dem Trennungsprinzip93, daß die in Ausführung von europäischem Richtlinienrecht und sonstigem Gemeinschaftsrecht ergangenen Hoheitsakte der Mitgliedstaaten weder supranationale Akte noch Akte besonderer Art94 , 90 Vgl. dazu im Steuerrecht Carl / Klos, Internationale Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, S. 87 ff. 91 Carl/Klos, RIW 1995, 146 (149). 92 Vgl. Neß1er, S. 180. 93 Schmidt-Aßmann, FS Bernhardt, S. 1287 (1303); ders., EuR 1996, 270 (296) spricht von einem "Trennungsmodell". 94 Vgl. Happe, S. 104, der von "Tertiärrecht" spricht.
C. Administrative Kooperationsregeln
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sondern nationale Akte sind95 . Das hat Auswirkungen auf den Rechtmäßigkeitsund Rezeptionsmaßstab sowie auf die Staatshaftung und den Rechtsschutz.
1. Rechtmäßigkeitsmaßstab Jeder Kooperationsbeitrag einer Aufsichtsbehörde kommt allein unter dem Einfluß der Rechtsordnung zustande, unter deren Regime er erlassen worden ist 96 . Die Rechtmäßigkeit bzw. die Rechtswidrigkeit der Kooperationsakte beurteilt sich nur nach einer Rechtsordnung eines Mitgliedstaates. Die gleichzeitige Bindung der nationalen Behörden an gemeinschaftsrechtliche Grundsätze ändert daran nichts. Das Trennungsprinzip wird auch nicht durchbrochen, wenn die Behörden im Ausland Prüfungen vornehmen. Entgegen dem früheren Dogma der Deckungsgleichheit von Geltungsbereich und Staatsgebiet bestimmt das nationale Recht das Handeln der Behörde auch auf fremden Territorium. Die innerstaatlichen Organisations- und Zuständigkeitsnormen müssen auch bei ausländischen hoheitlichen Aktivitäten beachtet werden 97 . Auch der Anwendung des nationalen Verfahrensrechts steht in der Regel nichts entgegen98 .
a) Grenzüberschreitende Geltung des materiellen Rechts
Das gilt auch für das materielle Aufsichtsrecht. Die Richtlinien verpflichten die Mitgliedstaaten sogar ausdrücklich dazu, die erforderlichen Vorschriften zu erlassen, damit die zuständigen Behörden über die Befugnisse und Mittel verfügen, die zur Überwachung der Geschäftstätigkeiten mit Sitz in ihrem Staatsgebiet - einschließlich der außerhalb dieses Gebiets ausgeübten Tatigkeiten - gemäß den Richtlinien und im Hinblick auf deren Anwendung erforderlich sind 99 . Die zuständigen Herkunftslandbehörden sind also nur an das eigene materielle Recht gebunden, welches insoweit "extraterritoriale Wirkung" erfahrt. Ebenso gelten im Rahmen der grenzüberschreitenden Finanzmarktaufsicht die in den einzelnen, mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen verankerten Menschenund Bürgerrechte 100. Die inländische Staatsgewalt hat auch im Ausland die Grundrechte, die U.U. von den gemeinschaftrechtlichen Grundrechten modifiziert werOben 2. Teil B. I. 1. e) dd). Oben 2. Teil B. I. I. e) aa). 97 Groß, JZ 1994,596 (601). 98 Vgl. für das deutsche Verwaltungsverfahrensrecht Kopp, VwVfG, § 2 Rn. 58. 99 So etwa Art. 19 Abs. 3 der I. Schaden-RL i.d.F. des Art. 11 der 3. Schaden-RL. 100 Vgl. Hofmann, S. 68 ff. u. passim; Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Art. I Rn. 52; Neßler, S. 144; Oppermann, FS-Grewe, S. 512 (523); Schröder, FS Schlochauer, S. 136 (138); Stern, Staatsrecht III 11, S. 1224 ff. 95
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158 3. Teil: Verwaltungsvollzug im Bereich grenzüberschreitender Aufsichtsvorgänge
den, zu beachten 101. Dies ist im Hinblick auf die Gewährleistung des gemeinschaftsrechtlichen Schutzstandards sogar unabdingbar lO2 • Gegen eine solche Ausdehnung der Grundrechte kann nicht eingewendet werden, daß es völkerrechtlich geboten sei, die fremde Rechtsordnung zu achten, und daher einen Grundrechtsoktroi zu vermeiden gilt lO3 • Auch wenn der Respekt vor fremden Rechtsordnungen im völkerrechtlichen Verkehr beachtlich sein mag, kann dies in einer vom Gemeinschaftsrecht geschaffenen Kompetenzordnung keine Rolle spielen. Die Richtlinien haben mit der Zuweisung der Aufsichtskompetenz an die Herkunftslandbehörden den Geltungsbereich der Aufsichtsregeln der Tätigkeitsländer weitestgehend ausgeschlossen. Erlassen die Herkunftslandbehörden nun ,Hoheitsakte gegen "ihre" im Ausland tätigen Unternehmen, dürfen diese nicht schutzlos gestellt werden. Unter dem Aspekt der Abwehrfunktion und der Einräumung von Verfahrensteilhabe müssen die Grundrechtspositionen auch auf Sachverhalte mit Auslandsbezug ausgedehnt werden 104. Dies ist auch gemeinschaftsrechtlich geboten. Angesichts der subsidiären Geltung der Gemeinschaftsgrundrechte kann von der Gefahr eines "Grundrechtsexpansionismus" demnach keine Rede sein.
b) Bindung an ausländisches Recht ("Rechtsvorschriften im Allgemeininteresse")
Dem Trennungsprinzip entspricht der Gedanke der Einseitigkeit des Internationalen Verwaltungsrechts. Danach ist die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts nicht vorgesehen. Eine Modifizierung erfahrt das Trennungsprinzip durch das EG-Aufsichtsrecht. Danach haben die Unternehmen im Gastland die geltenden ,,Rechts vorschriften des Allgemeininteresses" zu beachten 105. Dabei handelt es A.A. lediglich von Olshausen, DVBI. 1974,652 (654 f.). Vgl. oben 2. Teil B. I. 3. a) bb) (2) (a). 103 Auf diese Gefahr weist Opperrnann, FS Grewe, S. 512 (529 ff.) hin; vgl. auch Stern, Staatsrecht III 11, S. 1242. 104 So auch Neßler, S. 145. Dagegen möchte Seiling, Versicherungs aufsicht und Grundrechte, S. 154 ff., die Auslandgeltung der Grundrechte nicht auf grundrechtliehe Schutzpflichten erstrecken, da die Schutzbelange der ausländischen Kunden schon hinreichend durch die ,,Rechtsvorschriften des Allgemeininteresses" geschützt wären. Diese Ansicht würde jedoch bedeuten, daß überall dort, wo der Aufnahmestaat solche Vorschriften bereithält, die Geltung der eigenen Rechtsordnung beschränkt wäre. Dies widerspricht jedoch dem System der Herkunftslandkontrolle. In erster Linie bleibt die Rechtsordnung des Herkunftstaates maßgeblich. Dies schließt es zwar nicht aus, daß daneben auch Rechtsvorschriften des Aufnahmestaates zu beachten sind. Der EuGH hat jedoch in dem Versicherungsurteil (Rs. 205/84, -Kommission 1Deutschland-, Sig. 1986, 3755 (3803) betont, daß die Vorschriften im Allgemeininteresse nur Beachtung finden, wenn dieses Interesse nicht schon im Herkunftsland durch Bestimmungen gewahrt ist. Dies spricht für eine vorrangige Geltung der Vorschriften des Herkunftslandes. Von einer Verdrängung der in diesen Vorschriften zum Ausdruck kommenden grundrechtlichen Schutzpflichten kann daher keine Rede sein. lOS Art. 40 der 3. Schaden-RL und Leben-RL; Art. 19 der WDRL; Art. 21 der 2. Bank-RL. 101
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sich nicht um gemeinschaftsrechtliche Vorschriften, sondern um nationale Vorschriften, die im innerstaatlichen Allgemeininteresse der jeweiligen Aufnahmestaaten erlassen worden sind lO6 . Mit den Vorschriften des Allgemeininteresses sind in erster Linie aufsichtsrechtliche Bestimmungen gemeint 107 , d. h. Vorschriften öffentlich-rechtlicher Natur. Sofern die Unternehmen die im Aufnahmeland zu beachtenden Rechtsvorschriften im Allgemeininteresse verletzen, haben in erster Linie die Behörden des Herkunftslandes Maßnahmen zu treffen, um jene Rechtsvorschriften d';Jrchzusetzen 108 • Das Richtliniensystem hat daher zur Folge, daß die Herkunftslandbehörden auch ausländisches öffentliches Recht zu beachten haben, soweit es im Allgemeininteresse liegt. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß die auf die Verletzung der im Allgemeininteresse erlassenen Rechtsvorschriften hin ergehenden Maßnahmen in Ausübung der jeweils handelnden Staatsgewalt ergehen lO9 • Insoweit gilt weiterhin das Trennungsprinzip. Es handelt sich strenggenommen auch nicht um eine (unmittelbare) Anwendung öffentlichen ausländischen Rechts, sondern um eine solche kraft nationalen Rechtanwendungsbefehls, also letztlich um eine solche des nationalen Rechts.
2. Rezeptionsmaßstab
Das EG-Aufsichtsrecht bedingt, daß die mitgliedstaatlichen Behörden im Bereich der grenzüberschreitenden Finanzmarktaufsicht ausländische Hoheitsentscheidungen unmittelbar zu beachten haben. Hat ein Unternehmen eine Zulassung in einem Mitgliedstaat erhalten, dürfen die anderen Mitgliedstaaten dem Unternehmen das Fehlen einer eigenen Zulassung nicht entgegenhalten. Weiter haben die Behörden Prüfungen fremder Behörden auf ihrem Territorium hinzunehmen und gegebenenfalls Vollstreckungshilfe zu leisten, wobei deren Prüfungsanordnungen unmittelbare Grundlage der eigenen Vollstreckungsmaßnahmen sind. In diesem Zusammenhang wird auch von der Tatbestands- oder Bindungswirkung des ausländischen Hoheitsaktes gesprochen 110. Virulent ist dabei die Frage, wie weit die Grenzen der innerstaatlichen Bindung an die von EG-ausländischen Behörden ergangenen Aufsichtsakte gehen 111. Die Richtlinien schweigen dazu. Der EuGH hat lediglich Regeln zur Rechtmäßigkeit 106 Ehlers, NVwZ 1990, 810 (812 f.); Hohlfeld, VersR 1993, 144 (149); Hübner, JZ 1987, 330 (332); Miersch, S. 75. 107 Vgl. Miersch, S. 76 m. w. N.; Präve, VW 1992, 8 (9 ff.); umstritten ist lediglich, ob auch Normen des Privatrechts erfaßt werden: während die vorstehend genannten dafür sind, spricht sich insbesondere Fahr, VersR 1992, 1033 (1036), ausdrücklich dagegen aus. 108 Art. 40 der 3. Schaden-RL und Leben-RL; Art. 19 der WDRL; Art. 21 der 2. Bank-RL. 109 Vgl. oben 2. Teil B. I. e) dd). 110 Vgl. Neßler, S. 119 ff. 111 Vgl. Neßler, S. 29 ff., 121 ff.; dens., NVwZ 1995,863 (865); Schmidt-Aßmann, EuR 1996, 270 (299 ff.); Vedder, EuR / Beiheft I 1995, S. 75 (90).
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und Rechtssicherheit für das EG-Eigenverwaltungsrecht entwickelt 112. Gemäß dem Trennungsprinzip ist zunächst davon auszugehen, daß allein die Rechtsordnung des Staates maßgeblich ist, dessen Behörde den Akt erlassen hat. Dementsprechend hängt die Wirksamkeit einer "single-licence" oder einer Prüfungsanordnung im Ausland allein davon ab, ob die Bestimmungen des Herkunftsstaates den Hoheitsakten rechtliche Wirksamkeit verleihen. Die Behörden haben folglich die Bindungswirkung zu akzeptieren, solange die transnationalen Verwaltungsakte rechtlich existent sind. Dies impliziert, daß auch rechtswidrige Verwaltungsakte respektiert werden müssen, sofern sie nicht unwirksam sind. Als Grenze der Bindungswirkung können drei Gründe angeführt werden: integrationsrechtliche Grenzen, richtlinienrechtliche Grenzen sowie das Recht der erlassenden Staates 113 . Das innerstaatliche Recht der rezeptierenden Behörden hat grundsätzlich keinen Einfluß auf die Bindungswirkung der transnationalen Hoheitsakte" 4 . Das ist die Folge des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts vor dem nationalem Recht. Eine (eher nur theoretische) Ausnahme besteht jedoch dann, wenn die Bindungswirkung eine Überschreitung der innerstaatlichen Integrationsgrenzen zur Folge hätte. In diesem Fall wäre die Geltung der transnationalen Verwaltungsakte im eigenen Rechtsraum nicht mehr vom innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl gedeckt 115. Indes ist rechtlich bedeutsam, daß die Behörden weder verpflichtet noch berechtigt sind, die Integrationsvorbehalte durchzusetzen" 6 . Art. 5 EGV zwingt nämlich die nationalen Behörden, von einem umfassenden gemeinschaftsrechtlichen Vorrang auszugehen. Die Geltungserstreckung der transnationalen Verwaltungsakte wird von dieser Vorrangswirkung erfaßt. Die nationalen Behörden haben keine Kompetenz diese Bindung zu lösen. Selbst den nationalen Fachgerichten steht eine Verwerfungsbefugnis nicht zu. Sie müssen dem EuGH vorlegen 117. Die nationalen Behörden können die transnationalen Hoheitsakte somit erst dann als unverbindlich betrachten, wenn dies zuvor von der zur Überprüfung der Bindungswirkung zuständigen Instanz festgestellt worden ist" 8 . Nur in bestimmten Fällen räumen die Richtlinienbestimmungen den Mitgliedstaaten das Recht ein, Einfluß auf die Geltungserstreckung der transnationalen Verwaltungsakte zu nehmen" 9 . So erlauben Art. 40 der Dritten Schadens- und Le112 Vgl. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 11, S. 911 ff.; Weber, in: Schweitzer, S. 55 (61 ff.). 113 So auch Neßler, S. 121 ff. 114 Neßler, S. 121. 1IS Oben 2. Teil B. I. 3. c) cc) (2). 116 Vgl. Schockweiler, EuR 1996, 123 (128); Zuck/Lenz, NJW 1997, 1193 (1197). 117 Vgl. EuGH, Rs. 314/85, - Foto Frost -, Slg. 1987,4199 (4225); bestätigt durch BVerfGE 82,159 (194). 118 Dies ist in Deutschland letztlich das BVerfG; dazu unten 3. Teil C. IV. 4. c). 119 Vgl. Neßler, S. 122; Schmidt-Aßmann, EuR 1996,270 (301).
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bensversicherungsrichtlinie, Art. 21 der Zweiten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie und Art. 19 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie dem Tätigkeitsmitgliedstaat im Ausnahmefall eine Untersagung der Aufnahme weiterer Geschäftstätigkeiten in seinem Hoheitsgebiet. Auch hier haben sie keinen direkten Einfluß auf die Wirksamkeit des transnationalen Hoheitsaktes. Sie wirken nur mittelbar auf die Bestandskraft der "single-licence" ein, indem sie die Geltungserstreckung für den Bereich ihrer eigenen Hoheitsgebiete "hemmen". Die "single-licence" entfaltet dann erst wieder EG-weite Geltung, wenn die Maßnahmen aufgehoben werden. Darauf kann wiederum die Kommission Einfluß nehmen I2 o. Entsprechend dem Trennungsprinzip ist für die Bindungswirkung in erster Linie das Recht des erlassenden Staates ausschlaggebend. Widerruft die Aufsichtsbehörde des Herkunftsstaates die Zulassung, entfällt auch die gemeinschaftsweite Bindungswirkung. Umgekehrt können auch rechtswidrige Zulassungserteilungen in Bestandskraft erwachsen, sofern sie nicht unwirksam sind. Das gleiche gilt für die Prüfungsanordnungen im Ausland. Diese müssen und können trotz ihrer Rechtswidrigkeit auch vollstreckt werden. Dies muß grundsätzlich auch dann gelten, wenn die Rechtswidrigkeit auf einem Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht beruht. In diesen Fällen können die Gastlandbehörden lediglich mit ihren Notfallkompetenzen arbeiten. Die betroffenen Unternehmen müssen die Rechtswirkungen vor den Gerichten des Staates angreifen, dessen Behörden gehandelt haben 121. Auf sekundärer Ebene können sie die Behörden für die durch das rechtswidrige Handeln verursachten Schäden in Anspruch nehmen I22 . Die Behörden können einen transnationalen Aufsichtsakt nur dann ignorieren, wenn er schon von vorneherein keine rechtliche Wirksamkeit entfalten konnte. In diesem Fall kommt ihm keine Bindungswirkung zu. Voraussetzung dafür ist in der Regel, daß ihm die Rechtswidrigkeit geradezu auf die Stirn geschrieben ist, d. h. wenn der Akt mit besonders schweren und offensichtlichen Fehlern behaftet ist l23 . Für die Beurteilung der Nichtigkeit i.S.e. rechtlichen Nichtexistenz ist allerdings allein die Rechtsordnung des Staates maßgeblich, der den Akt gesetzt hat. Dies kann zur Rechtsunsicherheit führen l24 • Insoweit ist eine enge Kooperation zwischen den betreffenden Behörden unerläßlich. 120 Art. 21 Abs.7 UAbs. 2 der 2. Bank-RL; Art. 19 Abs. 8 UAbs. 2 der WDRL. Die Versicherungsrichtlinien sehen diese Möglichkeit nicht vor. 121 Dies ist aus Gründen der Rechtssicherheit insbesondere dann geboten, wenn der der Folgehandlung zugrundeliegende Akt bestandskräftig geworden ist. So auch der EuGH, Rs. C-188/92, - Textilwerke Deggendorf 1-, Slg. 1994-1,833 ff. in einem Fall, in dem der Kläger versäumt hatte, gegen ein Handeln der Gemeinschaft vorzugehen, und nun vor den nationalen Gerichten inzident die Rechtmäßigkeit des bestandskräftigen Gemeinschaftsaktes prüfen lassen wollte. 122 Dazu unten 3. Teil C. IV. 3. 123 Zum Nicht-Akt im Gemeinschaftsrecht siehe Wenig, i'n: Grabitzl Hilf, Art. 173 Rn. 11 (Stand: Mai 1986); ferner GA Roemer, Slg. 1961,611 (669 f.): "offensichtliche Verletzung von Zuständigkeitsvorschriften" . 124 Kritisch daher zu Recht Vedder, EuR I Beiheift I 1995,75 (90).
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162 3. Teil: Verwaltungsvollzug im Bereich grenzüberschreitender Aufsichtsvorgänge
3. Haftung a) Verantwortung
Die Richtlinienregelungen treffen bzgl. der Haftung der einzelnen Behörden keine Regelung 125 • Es ist jedoch entsprechend dem dem Trennungsprinzip zugrundeliegenden Gedanken davon auszugehen, daß jede Behörde nur für ihr eigenes Handeln und gemäß ihrer eigenen Rechtsordnung haftet. Unerheblich ist, ob die Aufsichtsbehörde im Inland tätig wird, ihr Handeln wie im Fall der Erteilung der "single-licence" Wirkung im Ausland zeitigt oder ob sie, wie im Fall der Auslandsprufungen, auf fremdem Territorium agiert. Dies entspricht auch den Grundsätzen der völkerrechtlichen Haftung für völkerrechtliches Unrecht 126 . Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes kommt nur in Betracht, wenn man die Kooperationsakte der Behörden funktional, i.S.e. Organleihe, den ausländischen Behörden zurechnen könnte 127. Dies würde jedoch eine Weisungsabhängigkeit voraussetzen, die im Richtliniensystem nicht normiert wird. Ebensowenig läßt sich eine Haftungsüberleitung für fremdländisches Handeln aus der Umsetzung der Richtlinien herleiten 128. Denn für einen Haftungszusammenhang zwischen der in der Gestattung fremdländischer Einwirkung auf eigenem Hoheitsgebiet und der Rechtswidrigkeit eines das Richtlinienrecht vollziehenden ausländischen Hoheitsaktes fehlt es an einer hinreichenden rechtlichen Verknüpfung der Entscheidungsapparate in sowohl organisatorischer als auch materieller Hinsicht. Die Mitgliedstaaten haben keinen Einfluß auf den konkreten Inhalt der Entscheidung noch sind sie weisungsbefugt. Sofern Amtshilfe oder ein anderer Kooperationsbeitrag geleistet wird, ist hinsichtlich der Folgen der ersuchten bzw. getätigten Handlung nicht die ersuchende Behörde, sondern allein die den Kooperationsbeitrag leistende Behörde verantwortlich. Demnach hat z. B. die inländische Behörde, die eine PfÜfungsanordnung der ausländischen Herkunftslandbehörde im Inland vollstreckt, für ihre Vollstrekkungshandlungen einzustehen. Resultiert hingegen der Schaden aus der der Vollstreckung zugrundliegenden rechtswidrigen Anordnung, ist die Herkunftslandbehörde Haftungsverpflichtete 129. Die Dichotomie der Haftungsverantwortlichkeit wird auch dann beibehalten, wenn Gemeinschaftsorgane in den Entscheidungszusammenhang einbezogen 125 Eine Haftungsregelung findet sich etwa in Art. 23 der Datenschutzrichtlinie 95/46/ EG, die jedoch eher deklatorischer Natur ist. 126 Vgl. nur Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rz. 1669. 127 Siehe zur Haftungverschiebung in solchen Fälllen im Völkerrecht Seidl-Hohenveldern, V61kerrecht, Rz. 1668; im Gemeinschaftsrecht EuGH, Rs. 14, 16, 17,20,24,26,27/60 u. 11 61, - Meroni -, Sig. 1961,345 (366); Rs. 175/84, - Krohn -, Sig. 1986,753 (768); von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Art. 215 Rn. 56,106 (Stand: Okt. 1997). 128 So auch Neßler, S. 150 ff. 129 Dazu näher unten 3. Teil C. V. 2. b).
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sind 130. Dies entspricht der Zuständigkeitsverteilung der Gerichte. Der EuGH kann nur über solche Schadensersatzforderungen entscheiden, die auf einem rechtswidrigen Verhalten beruhen, das von einem Organ der Gemeinschaft ausgeht. Dagegen können über Schäden, die von nationalen Stellen verursacht worden sind, nur nationale Gerichte entscheiden 131. Der EuGH geht davon aus, daß die gemeinschaftsrechtliche Haftung nur subsidiär heranzuziehen ist, wenn die nationalen Behörden rechtswidriges Gemeinschaftsrecht vollziehen, erst recht dann wenn sie dabei ihrerseits (zusätzlich) rechtswidrig handeln 132 .
b) Anspruchsberechtigte
Soweit die nationalen Behörden in Ausübung ihrer Aufsichtsaufgaben in bezug auf Auslandssachverhalte tätig werden, können sowohl Inländer bzw. inländische Unternehmen betroffen sein, die im Ausland tätig sind oder tätig werden wollen, als auch Ausländer betroffen sein, die Aktivitäten im Inland beabsichtigen oder im Ausland mitbetroffen sind. Unproblematisch können sich die Inländer auf das Haftungsrecht derjenigen inländischen Behörde berufen, deren Handeln für den Schaden verantwortlich war l33 . So können etwa italienische Banken, deren Zweigstellen im Ausland geprüft wurden, einen dabei verursachten Schaden nach italienischem Haftungsrecht geltend machen. Es spielt keine Rolle, daß sich die Prüfung im Ausland vollzogen hat. Entscheidend ist, daß italienische Staatsgewalt für den Schaden verantwortlich war. Es ist jedoch denkbar, daß auch ausländische (natürliche oder juristische) Personen durch staatlich genehmigtes Wirtschaftsshandeln oder durch Prüfungshandlungen Eigentumsschäden oder Vermögensschäden erleiden. Logische Folge der Zuständigkeitsverteilung i. S. d. des Herkunftlandprinzips und des Trennungsprinzips kann auch hier nur sein, daß das Haftungsrecht der Aufsichtsbehörde, deren Verhalten den Schaden verursacht hat, maßgeblich ist. Ein Blick in das deutsche Staatshaftungrecht zeigt allerdings, daß die Anspruchsberechtigung der Ausländer nicht ohne rechtliche Probleme ist l34 . Das 130 Zur Abgrenzung der Haftungssysteme der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten siehe Gilsdorf/Oliver, in: G/T/E, Art. 215 Rn. 73 ff. (4. Auflage); Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. I, S. 520 ff.; von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Art. 215 Rn. 47 ff. (Stand: Okt. 1997). 131 EuGH, Rs. 175/84, - Krohn -, Slg. 1986, 753 (768). 132 EuGH, verb. Rs. 5, 7 u. 13 bis 24/66, - Kampffmeyer I -, Slg. 1967,331 (358); Rs. 30/66, -Becher-, Slg. 1967,385 (414); kritisch dazu Gilsdorf/Oliver, in: G/T/E, Art. 215 Rn. 80 m. w. N. (4. Auflage); Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. I, S. 523; von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Art. 215 Rn. 57 (Stand: Okt. 1997). Zu ungeschriebenen gemeinschaftsrechtlichen Haftungsinstituten Schwarze, a. a. 0., S. 516 ff. 133 Daneben bleibt es dem Staat, auf dessen Territorium die Schadensursache gesetzt wurde, freilich unbenommen, eine zusätzliche Entschädigungsregelung zugunsten des Geschädigten zu statuieren.
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Amtshaftungsrecht statuiert in § 7 des Reichsbeamtenhaftungsgesetz (RBHG)135 einen Haftungsausschluß gegenüber Ausländern 136. Ferner setzt das Entschädigungsinstitut des enteignungsgleichen und enteignenden Eingriffs einen Eingriff in das Eigentumsrecht aus Art. 14 GG voraus 137 . Gemäß Art. 19 Abs. 3 GG können sich jedoch nur inländische juristische Personen auf das Grundrecht aus Art. 14 GG berufen 138 . Hier hilft jedoch zumindest 139 Art. 6 Abs. 1 EGV, der eine Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit 140 verbietet 141. Dies hat zur Folge, daß der Tatbestand der Haftungsnonnen kraft Vorrangswirkung des Gemeinschaftsrechts insoweit nicht zur Anwendung kommt, als dieser auf Inländer beschränkt ist. Allerdings verbietet Art. 6 Abs. 1 EGVeine Diskriminierung nur, wenn und soweit der sachliche Anwendungsbereich der Nonn berührt ist l42 . ,Jm Anwendungsbereich des Vertrages" bedeutet zunächst, daß alle Sachverhalte, die von den anderen Regelungen des Vertrages erfaßt werden, einbezogen sind l43 . Darüber hinaus werden jedoch auch alldiejenigen nationalen Bestimmungen erfaßt, denen eine notwendige akzessorische Funktion bei der Realisierung einer gemeinschaftsrechtlichen Position zukommt l44 . Diese weite Auslegung wird auch vom EuGH vertreten, wenn er Ausführlich dazu Neßler, S. 127 ff. m RGBI. 1910, S. 798. 136 Zur Vereinbarkeit mit dem nationalen Verfassungsgrundsatz der Gleichbehandlung gern. Art. 3 Abs. 1 GG siehe Ossenbüh1, Staatshaftungsrecht, S. 81 ff. m.N. 137 Os sen bühl, Staatshaftungsrecht, S. 201. Umstritten ist lediglich, worauf der Anspruch gründet: seit dem Naßauskiesungs-Urteil des BVerfGE 58, 300 stützt der BGH den Anspruch auf Gewohnheitsrecht, während in der Literatur teilweise der Anspruch direkt aus Art. 14 Abs. 1 GG hergeleitet wird, vgl. Ehlers, VVDStRL 51 (1992), 213 (243); Schoch, Jura 1989, 529 (534 f.). 138 Im übrigen stünde einer Inanspruchnahme des Rechts aus Art. 14 Abs. 1 GG im Ausland nichts entgegen, siehe oben 3. Teil C. IV. I a). 134
139 Daneben wird erwogen, ob nicht schon völkerrechtliche Grundsätze gegen die Beschränkung der fremdenrechtlichen Haftung sprechen, siehe dazu K. Ipsen, Völkerrecht, S. 663. Weiterhin soll hier offenbleiben, ob speziellere gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbote eingreifen, vgl. zu dieser Problematik von Bogdandy, in: Grabitz I Hilf, Art. 6 Rn. 55 ff. (Stand: Sept. 1994). 140 Der Begriff der Staatsangehörigkeit ist im Sinne der Staatszugehörigkeit zu lesen, der als Überbegriff juristische Personen einschließt. Die Zugehörigkeit einer juristischen Person zu einem Mitgliedstaat ergibt sich aus Art. 58 EGV, vgl. von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Art. 6 Rn. 32 (Stand: Sept. 1994). 141 Zu § 7 RBHG: Hauschka, NVwZ 1990, 1155 (1157); Neufelder, NJW 1974,979; Neßler, S. 128 ff.; a.A. BGH NJW 1985, 1287 (1288). Zu Art. 19 Abs. 3 GG: von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Art. 6 Rn. 51 (Stand: Sept. 1994); Ehlers, JZ 1996,776 (781); Jarass, in: Jarass I Pieroth, GG, Art. 19 Rn. 15; Neßler, S. 139 ff.; Niessen, NJW 1968, 107 (1020); Scheuing, EuR Beiheft 111997, 7 (50); a.A.lediglich Stern, Staatsrecht III/I, S. 1146. 142 Vgl. von Bogdandy, in: Grabitz I Hilf, Art. 6 Rn. 36 ff. (Stand: Sept. 1994). 143 Zuleeg, in: GI T I E, Art. 6 Rn. 12. Zur Frage, ob Art. 6 Abs. 1 EGVauch bei ungenutzten Gemeinschaftskompetenzen greift, siehe etwa Kische1, EuGRZ 1997, 1 (7). 144 von Bogdandy, in: Grabitz I Hilf, Art. 6 Rn. 36 (Stand: Sept. 1994).
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judiziert, daß Art. 6 EGV auf Sachverhalte zur Anwendung komme, wenn diese "Berührungspunkte mit irgendeinem der Sachverhalte aufweise, auf die das Gemeinschaftsrecht abstellt,,145; es müsse eine "gemeinschaftsrechtlich geregelte Situation" vorliegen 146. Um eine uferlose Ausdehnung des Begriffs zu vermeiden, bedarf es allerdings eines ausreichenden unmittelbaren Zusammenhangs 147. Demnach ist die Anwendung des Art. 6 Abs. 1 EGV auf die staatshaftungsrechtlichen Bestimmungen nicht schon deswegen abzulehnen, weil der Gemeinschaft keine ausdrückliche vertragliche Kompetenz zur Regelung der Staatshaftung zukommt. Es genügt für die Anwendung vielmehr, wenn das rechtswidrige Handeln Auswirkungen auf die vom Vertrag oder die vom Sekundärrecht verbürgten Freiheiten hat 148 . Erst recht muß Art. 6 Abs. I EGV gelten, wenn die Richtlinien, wie im vorliegenden Fall, die Zuständigkeiten in der Weise ordnen, daß nationale Behörden ausschließlich bzw. neben anderen Behörden für grenzüberschreitende Sachverhalte zuständig sind 149 . Erleiden EG-Bürger aufgrund dieser gemeinschaftsrechtlich eingeräumten Zuständigkeit Schäden, gleich ob sie in Ausübung ihrer Grundfreiheiten betroffen oder lediglich unbeteiligte Dritte sind, stehen diese Sachverhalte in einem hinreichend spezifischen Bezug zum Gemeinschaftsrecht, mit der Folge daß Art. 6 Abs. I EGV anwendbar ist. Die nationalen Haftungsbeschränkungen werden insoweit verdrängt. Ein weiteres Problem werfen nationale Vorschriften auf, die bestimmen, daß die Aufsichtsbehörden die ihr zugewiesenen Aufgaben nur im "öffentlichen Interesse" wahrnehmen 150. Sie haben die Funktion, eine Staatshaftung gegenüber Verbrauchern auszuschließen 151. Davon werden auch EG-ausländische Verbraucher erfaßt. Die Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften wird im Schrifttum im Hinblick auf grundrechtliche Schutzpflichten kontrovers beurteilt 152 . Darauf kann und soll hier 145 EuGH, verb. Rs. 35 u. 36/82, - Morson -, Sig. 1982,3723 (3736); vgl. auch EuGH, Rs.C-323/95,-Heyes-,Slg.1997-I, 1711 (I 723f.). 146 EuGH, Rs. 186/87, - Cowan-, Slg. 1989, 195 (219). 147 Der EuGH, a. a. 0., S. 221, verlangt eine "Konnexität" zwischen dem gemeinschaftsrechtlichen geregelten Element des Sachverhalts und der spezifischen Rechtsfolge, die die nationale Norm regelt. Nach EuGH, Rs. C-323/95, -Heyes-, Sig. 1997-1, 1711 (1724) soll eine ,,mittelbare" Auswirkung auf den innergemeinschaftlichen Handel genügen. 148 Von Bogdandy, in: Grabitz 1Hilf, Art. 6 Rn. 44 (Stand: Sept. 1994); Neßler, S. 130. 149 Ähnlich für die Klagebefugnis von im Ausland betroffenen Dritten Engel DV 25 (1992),437 (459). 150 Im deutschen Aufsichtsrecht finden solche Regelungen in § 6 Abs. 3 KWG und § 81 Abs. I S. 3 VAG. 151 Im Verhältnis zu den Adressaten der Aufsichtsmaßnahmen besteht dagegen die Möglichkeit eines Staatshaftungsanspruchs. Vgl. Ehlers, in: Achterberg/Püttner, Bes. VerwR I, Rn. 452, 514. 152 Siehe einerseits Habscheid, S. 119 ff.; Nicolaysen, GS-Martens, S. 663 (668 ff.); Seiling, S. 124 ff.; andererseits Ehlers, in: Achterberg/Püttner, Bes. VerwR I, Rn. 452, 514; dens., Ziele der Wirtschaftaufsicht, S. 59 ff.; Szagunn 1 Haug/Ergenzinger, KWG, § 6 Rn. 14 ff.
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nicht in der Tiefe eingegangen werden. Es ist zwar angesichts der gemeischaftsrechtlichen Zuständigkeitsverteilung von einer Auslandsgeltung der grundrechtlichen Schutzpflichten auszugehen l53 . Angesichts des weiten Ermessensspielraums, den die Legislative zur Ausfüllung von grundrechtlichen Schutzpflichten hat, kann jedoch nicht konkret bestimmt werden, wie der Gesetzgeber den Rechtsschutz zu realisieren hat l54 • So hat sich die Europäische Gemeinschaft mit dem Erlaß der Einlagensicherungsrichtlinie (941 19/EG) vom 30. 5.1994 155 sowie der Richtlinie über Systeme für die Entschädigung der Anleger (97/7 lEG) vom 3. 3.1997 156 für ein Sicherungssystem entschieden, das die Ansprüche der Ein- bzw. Anleger abdecken soll. Jedenfalls besteht mangels Ungleichbehandlung von EG-ausländisehen und inländischen Verbrauchern kein Raum für die Anwendung der (allgemeinen oder speziellen) gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote.
4. Rechtsschutz a) Allgemein
Das Trennungsprinzip hat schließlich zur Folge, daß Rechtsschutz vor den Gerichten desjenigen Mitgliedstaats zu suchen ist, dessen Behörde tätig geworden ist. Prüfen französische Behörden in Deutschland eine Niederlassung einer französischen Bank, kann gegen die Prüfungsanordnung nur Rechtsschutz vor den französischen Gerichten erlangt werden. Der Klageweg zu einem deutschen Gericht wäre in Ermangelung einer "öffentlichen-rechtlichen Streitigkeit" i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 1 VwG0 157 nicht eröffnet bzw. die Klage aufgrund fehlender "deutscher Gerichtsbarkeit" bzw. "internationaler Zuständigkeit" unzulässig 158 • Es ist allerdings zu berücksichtigen, daß es für die Unternehmen, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat haben, geradezu selbstverständlich ist, Rechtsschutz in ihrem Sitzstaat zu suchen. Möchte eine inländische Zweigstelle klagen, so ist prozessual gesehen das ausländische Mutterunternehmen Beteiligter des Verfahrens.
m A.A. Seiling, S. 154 ff. Wie hier im Ergebnis auch Elbing, S. 99 f.; DietIein, S. 120 ff. Siehe hierzu schon oben 3. Teil Fn. 104. 154 Ehlers, Ziele der Wirtschaftsaufsicht, S. 60. Zu den grundrechtIichen Schutzpflichten der EG siehe Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 206 f. ISS AB\. L 135/5. IS6 AB\. L 84/22. IS7 In der Fassung vom 19. 3. 1991, BGB\. I S. 686, zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. 11. 1996, BGB\. I S. 1626. IS8 Vg\. Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 40 Rn. 69; ferner Burgi, Europarecht und Verwaltungsprozeßrecht, S. 31 m. w. N. Mißverständlich Rennert, in: Eyermann, VwGO, vor § 40 Rn. 10, da sowohl Klagegegenstand und Prüfungsmaßstab als auch unmittelbare Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts und mittelbare Anwendung kraft deutschen Rechts verwechselnd.
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b) Konkurrentenklagen Anders ist die Situation eines Unternehmens, das sich gegen die Zulassung einer EG-ausländischen Aufsichtsbehörde wenden möchte. Bei solchen Konkurrentenklagen ist der inländische Kläger genötigt vor das Gericht eines anderen Landes zu gehen. Aber ein solcher Fall wird nur selten vorkommen. Nach deutschem Recht etwa müßte der Kläger gern. § 42 Abs. 2 VwGO eine Rechtsverletzung substantiiert darlegen, d. h. der Kläger müßte als Dritter konkret die Verletzung eines ihm zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechts rügen. Einen Schutz vor Wettbewerb oder Konkurrenz ergibt sich aus den deutschen Grundrechten grundsätzlich nicht l59 . Nur in wenigen Fällen vermitteln einfachrechtliche Vorschriften in Form von Bedürfnis- und Grenzkapazitätsvorschriften Drittschutz l60. Im Finanzmarktaufsichtsrecht existieren solche Vorschriften dagegen nicht. Auch das Gemeinschaftsrecht kennt grundsätzlich keinen Konkurrenzschutz. Denn ist es gerade die Wettbewerbsfreiheit, die als fundamentales Prinzip des Gemeinschaftsrechts anerkannt wird 161. Einen Anspruch, andere von der Wahrnehmung der gemeinschaftsrechtlich sowie verfassungsrechtlich verbürgten Freiheitsrechte auszuschließen, kann es selbst dann nicht geben, wenn der Konkurrent durch die Zulassung des Mitbewerbers wirtschaftlich ruiniert wird l62 . Allenfalls in Subventionsfcillen von seiten der öffentlichen Hand kommen sowohl nach Gemeinschaftsrecht (Art. 93 III 2 LV.m Art. 92 I EGV)163 als auch nach nationalem Recht l64 Konkurrentenklagen vor nationalen Gerichten in Betracht. Die Subventionen werden jedoch in der Regel unabhängig von der Erteilung zur Betriebserlaubnis gewährt. Daher wäre in solchen Fällen isoliert gegen den Akt der Bezuschussung vorzugehen. Eine gegen die Zulassung gerichtete Klage wäre nicht statthaft. Von größerer Bedeutung sind Konkurrentenklagen im französischen Rechtsschutzsystem l65 . Zwar gibt es in Frankreich auch keine Popularklage l66, jedoch 159 Zu Art. 14 Abs. I GG BVerwGE 39, 329 (336 f.); 65, 167 (173); Jarass, in: Jarass/ Pieroth, Art. 14 Rn. 19; zu Art. 12 Abs. 1 GG BVerfGE 34, 252 (256); BVerwGE 39, 329 (337); Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 12 Rn. 14 f. Vgl. auch Huber, Konkurrenzschutz, S. 299 f.; kritisch Classen, S. 44 ff. 160 Es ist allerdings schon zweifelhaft, ob diese Vorschriften im Rahmen des grenzüberschreitenden Verkehrs mit dem Gemeinschaftsrecht zu vereinbaren sind, vgl. dazu Ehlers, NVwZ 1990, 810 (815). 161 Vgl. EuGH, Rs. 240/83, - ADBHU -, Sig. 1985,538 (550); Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 27. 162 Ehlers, Ziele der Wirtschaftsaufsicht, S. 27. 163 Siehe EuGH, Rs. C-354/90, - Transformateurs de Saumon -, Sig. 1991-1, 5505 (5527 f.); H.P. Schneider, DVBI. 1996, 1301 (1301 ff., 1306 f.). 164 Vgl. OVG Münster, NVwZ 1984,522 (524 f.); Brohm, FS-Menger, 1985, S. 235, 242, 244 ff. 165 Vgl. Classen, S. 60 f. 166 Vgl. Chapus, Droit du Contentieux Adminstratif, S. 183 ff.; Vedel/Devolve, Droit Adminstratif, Bd. 11, S. 267.
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genügt ein "interet pour agir", das großzügiger bemessen ist als die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) in Deutschland l67 . Es genügt u.U. auch ein bloß wirtschaftliches Interesses eines Konkurrenten l68 . Indes hat das "interet po ur agir" insgesamt eine rein prozessuale Bedeutung. Es ist die ,,Eintrittskarte" zum Gericht. Bei der Begründetheit der Klage sind dann alle verfahrens- und materiellrechtlichen Gründe beachtlich, die die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Aktes beeinträchtigen können 169. Auf die tatsächliche Betroffenheit des Klägers kommt es nicht mehr an 170. Darin kommt die Funktion der französischen Verwaltungsgerichtsbarkeit zum Ausdruck, die eine schwerpunktmäßig objektive Kontrollfunktion ausübt l71 . Im Ergebnis wird damit der Konkurrenzschutz nicht weiter gezog~n. Denn kann der Konkurrenzschutz angesichts der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben auch in Frankreich kein zulässiges Regelungsziel sein. Das französische Verwaltungs gerichtssystem eröffnet dem Bürger mit der Anfechtungsklage nur gleichzeitig ein Verfahren, mit dem kontrolliert werden kann, ob das objektive Recht rechtmäßig ausgeführt worden ist l72 • Kommen Konkurrentenklagen gegen Aufsichtsakte in Frankreich eher in Betracht als in Deutschland, bedeutet dies demnach nur, daß der Zugang zum Gericht erleichtert ist.
c) Klagen bei Verstoß gegen die Integrationsvorbehalte
Soweit der Kläger geltend machen möchte, daß ein ausländischer transnationaler Zulassungsakt, die Entziehung desselben oder eine ausländische Prüfungsanordnung nicht mit den inländischen Integrationsvorbehalten vereinbar ist, etwa weil die Behörde Mindestanforderungen eines effektiven Rechtsschutzes mißachtet oder Prüfungen außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs vornimmt 173 , stellt sich die Frage nach dessen prozessualen Möglichkeiten. Rechtsschutz vor den innerstaatlichen Fachgerichten scheidet aus, da die ausländischen Akte keine zulässigen Klagegegenstände sind. Ebenso scheidet eine Klage vor der europäischen Gerichtsbarkeit aus, da die Art. 173 ff. EGV keine Klagemöglichkeit der Bürger gegen nationale Akte vorsehen. In Deutschland kann das BVerfG nicht direkt angerufen werden, sondern es muß gemäß § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG zunächst der Rechtsweg zu Lerche, Landesbericht Frankreich, S. 1(4); Woehrling, NVwZ 1985,21 (24). Beispiele bei Classen, S. 6l. 169 Classen, S. 64. Zur Kontrolldichte im Bereich der Wirtschaftsaufsicht siehe Lerche, a.a.O, S. 25 ff. 170 Zur umstrittenen Frage, ob das europäische Rechtsschutzsystem eher dem französischen ähnelt, vgl. z. B. Classen, S. 65 ff. 171 Vgl. Lerche, a.a.O, S. 5; Schmidt-Aßmann, FS-Bemhardt, S. 1284 (1287); Woehrling, NVwZ 1985,21 (23). 172 Vgl. Woehrling, a. a. 0. 173 Z. B. wenn die die Versicherungsaufsichtsbehörde zu Unrecht davon ausgeht, daß sie im Rahmen der Finanzaufsicht prüft. 167 168
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den an sich zuständigen Gerichten des Herkunftslandes beschritten und erschöpft sein 174. Innerstaatlichen, fachgerichtlichen Rechtsschutz gegen die Entscheidungen der Gerichte des Herkunftslandes gibt es ohnehin nicht. Erst wenn die Klage vor den Gerichten des Herkunftslandes kein Erfolg hat, kann der unterlegene Kläger mit der Verfassungsbeschwerde das BVerfG anrufen. Die Verfassungsbeschwerde ist auf das einschlägige Grundrecht zu stützen, zumindest aber auf die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Dabei ist weiter zu berücksichtigen, daß auch das B VerfG Art. 177 EG V zu beachten hat 175. Das BVerfG ist Gericht i. S. d~ Vorschrift und es entscheidet über Rechtsstreitigkeiten 176. Daher ist es gemäß Art. 177 Abs. 3 EGV nicht nur vorlageberechtigt, sondern auch vorlagepflichtig, weil seine Entscheidungen nicht mehr mit innerstaatlichen Mitteln angegriffen werden können 177 . Die Entscheidungen des EuGH sind auch grundsätzlich verbindlich 178, jedoch besteht die Verbindlichkeit wiederum nur in den Grenzen des Integrationsvorbehalts. Ob diese Grenzen überschritten sind kann das BVerfG aber erst beurteilen, wenn es die Meinung des EuGH zum konkreten Fall kennt. Daraus läßt sich folgern, daß das BVerfG vorlagepflichtig ist, wenn nicht schon der EuGH vorher mit der Sache befaßt war 179 . Das kann der Fall sein, wenn schon die Gerichte des Herkunftslandes bezüglich der betreffenden Fragen vorgelegt haben 180. Weiterhin ist rechtlich bedeutsam, daß sich das BVerfG auf eine "generelle" Gewährleistung des von Verfassungs wegen Gebotenen beschränkt l81 . Das BVerfG hat klargestellt, daß es seine Gerichtsbarkeit in einem "Kooperationsverhältnis" zum Europäischen Gerichtshof ausübt. Mit dem Begriff des "Kooperationsverhältnisses" wird ein Verständnis zum Rechtsschutzauftrag illustriert, der die Fälle erfaßt, in denen die unabdingbaren Verfassungsgehalte gewährleistet werden müssen, weil der EuGH dies nicht leistet oder zu leisten vermag l82 . Dies muß der Beschwerdegegner hinreichend deutlich machen.
174 Die Gerichte der anderen Mitgliedstaaten sind insoweit Rechtsweg i. S. d. § 90 Abs. 2 S. I BVerfGG. 175 Huber, Europäische Integration, S. 192; Zuck/Lenz, NJW 1997, 1193 (1199). 176 Opperrnann, Europarecht, Rn. 653. 177 Die Vorlagepflicht hat auch das BVerfG anerkannt, E 52, 187 (201), obwohl es selbst noch nie vorgelegt hat. 178 Vgl. BVerfG, ebda. 179 Vgl. Streinz, Europarecht, Rn. 217 a; Zuck/Lenz, NJW 1997, 1193 (1199). 180 Bestreitet das Unternehmen im Rahmen einer Auslandsprüfung durch die Versicherungsaufsichtsbehörden, daß sie im Rahmen der Finanzaufsicht tätig wird, ist in der Regel davon auszugehen, daß das an sich zuständige Gericht des Herkunftslandes dem EuGH vorlegen wird. 181 BVerfGE 89, 155 (175) - Maastricht. 182 Burgi, Verwaltungsprozeß und Europarecht, S. 42; vgl. auch Huber, EuZW 1997, 517 (519 f.); Tomuschat, EuGRZ 1993, 489 (489 f.); dagegen sehen Zuck/Lenz, NJW 1997, 1193 (1195) den Rechtsschutzsauftrag des BVerfG einzelfallbezogen.
170 3. Teil: Verwaltungsvollzug im Bereich grenzüberschreitender Aufsichtsvorgänge
Rechtsfolge einer stattgebenden Verfassungsbeschwerde ist die Nichtanwendbarkeit des ausländischen Aktes auf deutschem Territorium. Die rechtliche Wirksamkeit des Prüfungs- bzw. des Zulassungsaktes wird dagegen nicht berührt. Es wird lediglich die "automatische" Geltungserstreckung auf das deutsche Territorium beseitigt. 5. Gebot der Verantwortungsklarheit
Angesichts des dualistischen Haftungs- und Rechtsschutzsystems wird deutlich, daß der Verantwortung und Zurechenbarkeit eine besondere Bedeutung zukommt, sofern grenzüberschreitende Entscheidung und Handlungen im Rahmen der Zusammenarbeit getroffen werden l83 • Das kann an folgenden Beispielen veranschaulicht werden: Prüft die Versicherungsaufsichtsbehörde des Herkunftslandes "ihre" Zweigniederlassung im Ausland, sind die Versicherungsaufsichtsbehörden des Gastlandes befugt, an der Prüfung im Rahmen ihrer Zuständigkeit teilzunehmen l84 • Hier mag es im Einzelfall zu Unklarheiten kommen, welche Behörde für einzelne Kontrollakte verantwortlich ist 185 . Die Zuordnung einer Handlung kann auf Beweisschwierigkeiten stoßen. Auch im Bereich der Tätigkeitslandaufsicht, in dem der Aufsichtsbehörde des Tätigkeitslandes nur eine subsidiäre Durchsetzungskompetenz zukommt, können im Einzelfall Präzisierungen notwendig sein, um die Rechtsqualität der Aufsichtsmaßnahme zu verdeutlichen. Denn die Unternehmen laufen Gefahr, sich bestandskräftigen Entscheidungen gegenüberzusehen, sofern sie nicht erkennen können, gegen welche Kooperationsakte Rechtsbehelfe erhoben werden müssen. Eine aus unklaren Mitwirkungsakten resultierende Verminderung des Rechtsschutzes oder Ungewißheit der Haftung muß vermieden werden l86 . Daher ist ein Gebot der Verantwortungsklarheit zu formulieren l87 . Es verlangt eine gewisse Rechtsförmlichkeit, damit die von den Aufsichtshandlungen betroffenen Unternehmen ihre Verteidigungsrechte in Kenntnis des richtigen Verfahrensgegners wahrnehmen können. Das Gebot der Verantwortungsklarheit kann rechtsdogmatisch aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs abgeleitet werden, der wiederum zum Kernbestand der verwaltungsverfahrensrechtlichen Gewährleistungen im europäischen Raum gehört, die unter dem Begriff "Verteidigungsrechte" zusammengefaßt werden l88 . Der So auch Schmidt-Aßmann, EuR 1996. 270 (292, 296). Art. 14 S. 2 der 1. Schaden-RL Ld.F. des Art. 10 der 3. Schaden-RL; Art. 16 S. 2 der 1. Leben-RL Ld.F des Art. 9 der 3. Leben-RL. 185 Für den Bereich der Lebensmittelkontrollen Priebe, ZLR 1990, 266 (286). 186 Vgl. auch die Kritik der Literatur zu koordinierten Prüfungen im Steuerrecht: Eilers, eR 1988, 90 1 (905); Werra, BB 1988, 1160 (1162). 187 Dieser Begriff geht auf Schmidt-Aßmann, EuR 1996,270 (296) zurück. 188 Vgl. dazu nur Schwarze, Europäisches VerwaItungsrecht, Bd. 11, S. 1201 ff. 183
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C. Administrative Kooperationsregeln
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Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist ein Ausfluß des deutschen RechtsstaatsprinZipS189, der englischen Regeln der "natural justice"l90 sowie der französischen "droits de la defense,,191. Der EuGH hat die Regel "audi alteram partem" als fundamentalen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anerkannt, der auch beim Fehlen einschlägiger Bestimmungen eingreift und ihm damit gleichsam Grundrechtsqualität zuerkannt 192. Das Anhörungsgebot impliziert ganz wesentlich auch ein Recht auf Information, soweit dies zur Vorbereitung der Verteidigung notwendig ist 193 . Das Gebot der Verantwortungsklarheit läßt sich demnach ohne weiteres als Komplementärrecht zum Anhörungsgebot verstehen: Den betreffenden Unternehmen muß zunächst Klarheit darüber verschafft werden muß, wozu sie ihre Verteidigungsrechte wahrnehmen sollen. Dies läßt sich auch als ein Gebot eines "fairen Verfahrens,,194 begreifen.
V. Verfahren Neben dem Gebot der Effektivität, der Gleichbehandlung, der Verhältnismäßigkeit sowie der Verantwortungsklarheit, sind weitere verwaItungsverfahrensrechtliche Grundsätze zu beachten, die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ableiten lassen, und für das Verfahren der administrativen Kooperation von Bedeutung sind. 1. Allgemeines Das Verwaltungsverfahren (und die Verwaltungsorganisation) bestimmt sich grundsätzlich nach dem innerstaatlichen Recht. Dementsprechend überlassen die Richtlinien den Mitgliedstaaten die Wahl und Organisation über die für die BeaufSchwarze, a. a. 0., S. 1213. Schwarze, a. a. 0., S. 1228 ff. 191 Schwarze, a. a. 0., S. 1202. Zur Verankerung des Grundsatzes in anderen Mitgliedstaaten siehe Schwarze, a. a. 0., S. 1225 ff., 1245 ff. 192 Vgl. z. B. EuGH, Rs. 17/74, - Transocean -, Sig. 1974, 1063 (1080 f.); Rs. 85/76,Hoffmann-La Roche -, Sig. 1979,461 (511); verb. Rs. 46/87 u. 227/88, - Hoechst -, Sig. 1989,2859 (2923); siehe ferner Due, CDE 1987, 383 ff.; Gassmer, DVBI. 1995, 16 (17 ff.); Schwarze, a. a. 0., S. 1275 ff.; Weber, in: Streinz, S. 55 (78 ff.). 193 Das schließt in der Regel ein Recht auf Akteneinsicht ein, vgl. Due, CDE 1987, 383 (392 f.); Gassmer, DVBI. 1995, 16 (20 ff.); Hix, S. 32 ff. 194 Ein solches Recht auf "faires Verfahren" kennt auch der EuGH, Rs. 293/84, - Sorani -, Sig. 1986,967 (974 f.); Rs. 294/84, - Adams -, Sig. 1986,977 (989). Vgl. für das deutsche Verwaltungsverfahrensrecht aus der Rechtsprechung nur BVerfGE 43, 154 (166), wo von der "Garantie eines Mindeststandards an ordentlicher und fairer Gestaltung des verwaltungsmäBigen Procedere" die Rede ist. Für das englische Verwaltungsverfahrensrecht vgl. die Entscheidung Queens Bench Div. per Parker CJ., Re K (H) (an infant), (1967), I All ER 226 (231), in der das Gebot der FairneB ("duty to act fairly") als Handlungsmaxime nicht nur für ,judicial decisions", sondern auch für "executive decisions" anerkannt wird. 189
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172 3. Teil: Verwaltungs vollzug im Bereich grenzüberschreitender Aufsichtsvorgänge
sichtigung zuständigen Behörden 195. Sie müssen lediglich im Recht des betreffenden Mitgliedstaats anerkannt sein. Im zwischenstaatlichen Verhältnis wird die Zuständigkeit vom Herkunftslandprinzip beeinflußt. Dieses ist für den Bereich der Zulassungserteilung voll verwirklicht worden. Eine parallele Antragsstellung ist ausgeschlossen. Um die Gefahr einer Mehrfachzuständigkeit zu vermeiden, verpflichtet die BCCI-Richtlinie die Mitgliedstaaten dazu, die Zulassung wieder zu entziehen, wenn die Unternehmen die Rechtsordnung eines Mitgliedstaats in der Absicht gewählt haben, sich den strengeren Anforderungen eines anderen Mitgliedstaats zu entziehen, in denen sie den überwiegenden Teil ihrer Tätigkeiten auszuüben beabsichtigen oder ausüben l96 . Hauptverwaltung und satzungsmäßiger Sitz des beaufsichtigten Unternehmens müssen sich in demselben Mitgliedstaat befinden 197. Vereinzelt statuieren die Richtlinien eine Begründungs- und Bekanntgabepflicht 198 sowie die Pflicht, den Rechtsweg zu eröffnen 199 , sofern Maßnahmen gegenüber einzelnen Unternehmen getroffen werden. Das Geheimnisschutzverfahren ist ausführlich geregelt 2OO • Soweit personenbezogene Daten ausgetauscht werden, muß auch die EG-Datenschutzrichtlinie (95/46/ EG) vom 24. Oktober 1995 beachtet werden201 . Schließlich ist rechtlich bedeutsam, daß die Zulassungs- sowie Prüfungsmaßnahmen, denen eine EG-weite Bedeutung zukommt, eine Öffnung des nationalen Verwaltungsverfahren nachsichziehen können 202 . Das ist dann der Fall, wenn Dritte von den Maßnahmen der Aufsichtsbehörden im Ausland betroffen werden. Wenn die Richtlinien die Zuständigkeiten so ordnen, daß ausschließlich die Herkunftslandbehörden für das Verfahren zuständig ist, muß allen von den Maßnahmen betroffenen Personen ein Mitwirkungsrecht eingeräumt werden 203 • Diese "Europäisierung" des nationalen Verfahrensbeteiligungsrechts ergibt sich nicht nur aus dem Diskriminierungsverbot, sondern schon aus rechtsstaatlichen Gesichtspunk195 Vgl. z. B. Art. 3 der 2. Bank-RL LV.m. Art. I der 2. Bankenkonsolidierung-RL; ferner Kümpel, WM 1994, 229 (230). 196 7. Erwägungsgrund. 197 Art. 2 Abs. 2 der BCCI-RL. 198 Bsplw. Art. 21 Abs. 6 der 2. Bank-RL; Art. 40 Abs. 9 der 3. Schaden-RL und der 3. Leben-RL; Art. 19 Abs. 7 der WDRL. Ausführlich zur gemeinschaftsrechtlichen Begründungspflicht Müller-Ibold, Die Begründungspflicht im europäischen Gemeinschaftsrecht und im deutschen Recht, S. 13 ff.; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 11, S. 1349 ff. 199 Eine generalklauselartige Rechtsweggaranite findet sich in Art. 26 der WDRL, Art. 50 der 3. Leben-RL und Art. 56 der 3. Schaden-RL. 200 Art. 15 Abs. I der 3. der Leben-RL und Art. 16 Abs. I der 3. Schaden-RL; Art. 25 Abs. I der Wertpapier-RL; Art. 12 der 1. Bank-RL Ld.F. des Art. 16 Abs. 1 der 2. Bank-RL; Art. 4 Abs. I der BCCI-RL. Siehe auch oben 2. Teil B. III. 2. d) bb). 201 ABI. L 281/31. 202 Vgl. Neßler, S. 100 ff. 203 Ähnlich Engel, DV 25 (1992), 437 (459).
C. Administrative Kooperationsregeln
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ten 204 . Mitwirkungsrechte Dritter sind vom EuGH als allgemeiner gemeinschaftsrechtlicher Grundsatz anerkannt worden 205 . Obgleich der EuGH konzediert, daß die Verfahrenspositionen Dritter schwächer als die der unmittelbar Hauptbetroffenen ausgestaltet sein können, müssen deren wirtschaftlichen und rechtlichen Belange hinreichend berücksichtigt werden 206 . Die Beteiligungsrechte werden primär auf den Grundsatz des rechtlichen Gehörs zurückgeführt. Da die Aufsichtszuständigkeit mit dem Sitz des Unternehmens, d. h. der "Staatsangehörigkeit" des Unternehmens korreliert, wird, auch unter Beachtung der geringen gemeinschaftsrechtlichen Relevanz des Konkurrenzschutz 207 , eine Verfahrensbeteiligung von Ausländern jedoch nur in sehr seltenen Fällen vorkommen.
2. Verfahren der grenzüberschreitenden Amtshilfe Das grenzüberschreitende Amtshilfeverfahren umfaßt die Fälle, in denen die Behörden bei der Sachverhaltsermittlung oder der Entscheidung aufgrund defizitärer Befugnis auf die Mithilfe ausländischer Behörden angewiesen sind. Hierbei stellt sich die Frage, welche verfahrensrechtlichen Schritte sowie welche Grundsätze diese Form der Zusammenarbeit bestimmen.
a) Ersuchen der Auskunft bzw. der Handlung
aa) Einleitung Die Einleitung eines grenzüberschreitenden Amtshilfeverfahrens erfolgt immer auf Ersuchen. Das "ob" der Einleitung steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der nationalen Aufsichtsbehörden. Die ersuchende Behörde ist Herrin des Verfahrens und kann das Amtshilfeersuchen jederzeit zurücknehmen. Maßgeblich ist das nationale Recht unter Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze. Die ersuchende Behörde muß zu dem von ihr verfolgten Vorhaben, zu dem Hilfe erbeten wird, rechtlich befugt sein. Ein Ersuchen wäre etwa im Fall der Unverhältnismäßigkeit zu unterlassen. Soweit lediglich gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip als Kostenregel verstoßen wird 208 , räumt dies der ersuchten Behörde ein Ver204 NeßIer, S. 10 I f. "Einfallstor" dieser Verfahrensbeteiligtenerweiterung ist im deutschen Recht § 13 VwVfG, vgl. Neßler, S. 103 ff., der aufgrund der Disparitäten in den einzelnen Verwaltungsverfahrensgesetzen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beteiligung Dritter Friktionen anmahnt. 20S Vgl. EuGH, verb. Rs. 142 u. 1561 84,-BAT-, Sig. 1987,4487 (4573). 206 Vgl. EuGH, ebda; Arnold, EuR Beiheft 1/1995, 7 (28); Hix, Recht auf Akteneinsicht, S.67. 207 Vgl. oben 3. Teil C. IV. 4. b). 208 Siehe oben 3. Teil C. 111.
174 3. Teil: Verwaltungsvollzug im Bereich grenzüberschreitender Aufsichtsvorgänge
weigerungsgrund ein. Ein Verwertungs verbot für die ersuchende Behörde resultiert daraus jedoch nicht. bb)Form Amtshilfeersuchen sind administrative Verfahrenshandlungen, die formlos möglich sind209 . Sie können mündlich, fernmündlich oder schriftlich erfolgen. Angesichts des zu beachtenden Effektivitätsgebots ist jedoch ein schriftliches, formalisiertes Verfahren vorzuziehen, um ein schnelleres und transparenteres Verfahren zu erreichen 21O. Aus dem genannten Grund ist auch häufig eine Begründung des Ersuchens erforderlich. Der Umfang der Begründung hängt ferner von den in Frage stehenden Rechtsvorschriften ab, bei Daten auch von deren "Sensibilität".
cc) Zuständigkeit Das Transparenzgebot erfordert eine klare Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Mitgliedstaaten. Die gesetzlich festgelegte Zuständigkeit und die Einhaltung des Dienstweges ist auch aus datenschutzrechtlichen Gründen geboten. Denn sie ist Voraussetzung dafür, daß "sensible" Daten in gesetzlich zulässiger Weise verwertet bzw. weitergeleitet werden können 211 . dd) Anhörung Verfahrensrechtlich bedeutsam ist die Frage, ob vor einem Auskunftsersuchen an das Ausland ein Anhörungsrecht der betroffenen Personen oder Unternehmen besteht. Das Recht auf Gehör soll den Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung geben. Dies ist wiederum nur möglich, wenn diesen die Tatsachen bekannt sind. Daher müssen die Behörden ihnen grundsätzlich auch die entscheidungserheblichen Tatsachen mitteilen oder ermöglichen, die Tatsachen in Erfahrung zu bringen 212 . Im deutschen Verwaltungsverfahrensgesetz wird eine Anhörung allerdings davon abhängig gemacht, ob eine verbindliche Entscheidung gegenüber dem Verfahrensbeteiligten ergehen so1l213. Der Stellung eines Amtshilfeersuchens mangelt es regelmäßig an dieser Verbindlichkeit. Das Ersuchen ist eine bloße Rechtshandlung214 . Eine Anhörung wäre demnach nicht geboten. 209 V gl. Carl! Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, S. 115. 210 Siehe oben 3. Teil C. I. 211 V gl. Eilers! Heintzen, RIW 1986, 619 (619). 212 Vgl. Ehlers, Jura 1996,617 (620). 213 So §§ 28, 13 VwVfG. 214 Vgl. Kopp, VwVfG, § 4 Rn. 13; Schwochert, RIW 1991,843 (844).
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Zu einem anderen Ergebnis könnte man jedoch kommen, wenn man die gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte beachtet. Diese sehen ein Recht auf Gehör im Verwaltungsverfahren vor215 . Eine Anhörung ist danach immer geboten, wenn ein Eingriff in eine geschützte Rechtsposition vorliegt 216 . In dem Ersuchen an das Ausland kann eine Weitergabe von Daten und somit ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung217 liegen 218 . Der Beteiligte muß zudem vor der Einleitung des Ersuchens wissen, ob ihm aus der Weiterleitung ein irreparabler Schaden erwächst219 • Ein solches Recht auf Gehör läßt sich auch aus dem deutschen Verfassungsrecht ableiten. Zwar gilt Art. 103 Abs. 1 GG nur für das Gerichtsverfahren, jedoch kann das Anhörungsrecht im Verwaltungsverfahren, soweit in Rechte des Bürgers eingegriffen wird, aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus der Menschenwürde hergeleitet werden 22o . Ein generelles Anhörungsgebot resultiert daraus allerdings nicht. Denn es ist zu berücksichtigen, daß mit der Richtlinienregelung, die eine Weitergabe von Information unter Beachtung eines bestimmten Verwendungszweckes an EG-ausländische Behörden erlaubt, die dem Berufsgeheimnis unterliegen, eine den Anforderungen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung entsprechende gesetzliche Regelung vOrliegt 221 . Zudem kommt dem Verfahren der Zusammenarbeit eine herausragende Funktion zu, die institutionell verfestigt werden soll. Eine automatische Anhörung aller potentiell Betroffenen verträgt sich damit nicht222 • Der Amtshilfeverkehr würde weitgehend lahmgelegt werden. Eine Anhörung ist jedoch dann geboten, wenn eine Verletzung von Geschäftsgeheimnissen oder anderer Rechte droht223 • In diesen Fällen dienen die Rechte der Beteiligten im Verfahren auch dazu, der Behörde eine möglichst vollständige Entscheidungsgrundlage zu liefem 224 • Eine korrekte Durchführung des Verfahrens sichert die Entscheidung zudem vor einer Aufhebung durch die Gerichte.
m Vgl. z. B. EuGH, Rs. 17/74, - Transocean -, Sig. 1974, 1063 (1080 f.); Rs. 85176, Hoffmann-La Roche-, Slg. 1979, 461 (511); verb. Rs. 46/87 u. 227/88, - Hoechst -, Slg. 1989,2859 (2923). 216 Vgl. Schwochert, RIW 1991,843 (845). 217 Siehe dazu BVerfGE 65, I (41 ff.) - Volkszählungsurteil. 218 Vgl. Friauf, StbJb 1984/85,317 (344); Werra, BB 1988, 1160 (1163) 219 Ritter, DStZ 1974, 267 (274 f.); vgl. auch Koch, in: HHSp, AO, § 117 Rn. 75 f. m. w. N. 220 Ehlers, Jura 1996, 617 (617 f.); Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abs. I Rn. 62 (Stand: Nov. 1988). 221 Vgl. auch Krabbe, RIW 1986, 126 (132) zur Regelung der grenzüberschreitenden Amtshilfe in Steuersachen. 222 Es liegen keine Entscheidungen des EuGH vor, die darauf hindeuten, daß das gemeinschaftsrechtliche Anhörungsrecht einen weiteren Umfang hat. Anders wohl, aber ohne nähere Angaben, Schwochert, RIW 1991,843 (845). 223 Vgl. auch Kopp, VwVfG, § 4 Rn. 13 u. § 28 Rn. 3; ferner Prieß, EuR 1991,342 (353). 224 Schmidt-Aßmann/Rühl, EuR Beiheft 1/1997,87 (109).
176 3. Teil: Verwaltungsvollzug im Bereich grenzüberschreitender Aufsichtsvorgänge
b) Erteilung der Auskunft bzw. der Durchführung der Leistung
Die Amtshilfeleistung wird in der Regel nur auf Ersuchen erteilt. Daneben haben die Aufsichtsbehörden sich auch spontan zu informieren, sofern es in den Richtlinien vorgesehen ist 225 . Die zuständigen Aufsichtsbehörden prüfen, ob die erbetene Amtshilfeleistung nach dem eigenen Recht möglich ist. Weigerungs gründe sind: - die rechtliche Unmöglichkeit, wobei das gemeinschaftsrechtliche Effektivitätsund Gleichbehandlungsgebot zu beachten sind, und - die tatsächliche Unmöglichkeit, wobei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Kostenbegrenzungsregel zu berücksichtigen ist. Dagegen ist die ersuchte Behörde grundsätzlich nicht befugt, die Amtshilfe mit der Begründung zu verweigern, das Amtshilfeersuchen bzw. das dem zugrundeliegende Vorhaben sei nach dem Recht des ersuchenden Staates rechtswidrig; für die Zu lässigkeit des Amtshilfeersuchens trägt dieser die Verantwortung 226 . Dies ergibt sich einerseits aus dem Wesen der Amtshilfe als ergänzender Hilfe, andererseits ist es Folge des Trennungsprinzips. Einwendungen, die sich auf das Recht des ersuchenden Staates gründen, sind dort von den Betroffenen vorzubringen. Eine Ausnahme gilt aber dann, wenn dem Amtshilfersuchen die Rechtswidrigkeit geradezu auf die Stirn geschrieben ist bzw. offensichtlich rechtsmißbräuchlich ist 227 . Maßstab ist dabei nicht das Recht der ersuchten sondern der ersuchenden Behörde. Für Art, Form und Inhalt der Amtshilfeleistung, d. h. für die der Erfüllung des Amtshilfeersuchens im Bereich der ersuchten Behörde dienenden Maßnahmen, kommt es grundsätzlich allein auf das Recht der ersuchten Behörde an, z. B. für die Richtigkeit einer Auskunft oder für die Einhaltung des Vollstreckungsrechts. Die ersuchte Behörde kann die Amtshilfe nur leisten, wenn sie nach ihrem eigenen Recht für die Durchführung zuständig und befugt ist. Soweit bei der Beschaffung der erbetenen Informationen oder der Vollstreckungleistung in Rechte Dritter eingegriffen wird, bedarf es einer zusätzlichen gesetzlichen Rechtsgrundlage. In diesen Fällen ist grundsätzlich auch eine Anhörung erforderlich, sofern nicht ein gesetzlicher Ausnahmegrund eingreift. Soweit schon im eigenen Datenfundus vorhandene Informationen übermittelt werden, bedarf es nach den eben genannten Grundsätzen 228 nur dann einer Anhörung der inländisch Betroffenen, wenn die Verletzung von Geschäftsgeheimnissen oder anderer Rechte droht. m Siehe etwa Art. 22 der I. Schaden-RL i.d.F. des Art. 14 der 3. Schaden-RL und Art. 26 der I. Leben-RL i.d.F. des Art. 13 der 3. Leben-RL; Art. 40 der 3. Schaden-RL und LebenRL; Art. 19 der WDRL; Art. 21 der 2. Bank-RL. 226 Vgl. Berchtold, FS Loebenstein, S. II (22); ferner Carll Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, S. 143; Koch, in: HHSp, AO, § 117 Rn. 149; Neumayer, Internationales Verwaltungsrecht IV, S. 368. 227 Siehe Carll Klos, a. a. 0., S. 143; Koch, in: HHSp, AO, § 117 Rn. 150. 228 Oben 3. Teil C. V. 2. a) dd).
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Eine strukturelle Friktion ergibt sich allerdings aus der Tatsache, daß die Rechtswidrigkeit des Amtshilfeersuchens nicht ohne Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der Amtshilfeleistung bleibt 229 . Die ersuchte Behörde wendet nämlich, soweit sie eine Amtshilfehandlung vornimmt, inhaltlich das ausländische Recht der ersuchenden Behörde insofern an, als es kraft eines innerstaatlichen Rechtanwendungsbefehls des ersuchten Staates in Bezug genommen wird 230 • Dabei kann nur auf rechtmäßiges bzw. wirksames Recht verwiesen werden, da anderenfalls die ersuchte Behörde ohne rechtliche Grundlage handelte und damit gegen das Gesetzmäßigkeitsprinzip verstieße 231 • Insoweit führt die Rechtswidrigkeit des Ersuchens auch zur Rechtswidrigkeit der dazu geleisteten Amtshilfehandlung. Dem steht der Grundsatz gegenüber, daß es den Organen des ersuchten Staates gemäß dem Trennungsprinzip verwehrt ist, die ausländische Handlung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen 232 . Dieses vom EuGH im Hoechst-Urteil bekräftigte Dogma gilt aus Gründen der Rechtssicherheit erst recht, wenn der der Amtshilfeleistung zugrundeliegende Akt bestandskräftig geworden ist233 . Mit anderen Worten, die Amtshilfeersuchen können nur dann als unverbindlich betrachtet werden, wenn dies zuvor von der zur Überprüfung der Bindungswirkung zuständigen Instanz festgestellt worden ist. Die Rechtswidrigkeit des Amtshilfeersuchens kann insoweit keine Grenze der Amtshilfe darstellen 234 . Für die Frage der haftungsrechtlichen Verantwortung stellt sich dadurch ein strukturell bedingtes Problem: Gemäß dem Trennungsprinzip haftet jede Behörde nur für ihr eigenes Handeln und gemäß ihrer eigenen Rechtsordnung. Resultiert etwa ein Schaden aus der pflichtwidrigen Art und Weise des Vollstreckungshandelns der ersuchten Behörde, so hat auch nur diese haftungsrechtlich in ihrem Staat dafür einzustehen, und nicht auch die ersuchende Behörde. Wird jedoch der Schaden durch die fehlerhafte Grundanordnung der ersuchenden Behörde verursacht, wirkt sich dies, wie oben gezeigt, auch auf die Amtshilfehandlung aus. Es schließt sich die Frage an, welche Konsequenzen das für die Frage nach dem richtigen Haftungsverpflichteten bzw. für die Form der Abwicklung hat23s . Es sind zwei Lösungswege denkbar: Allein der Rechtsträger der ersuchenden Behörde ist haftungsverpflichtet, da sie die entscheidende Schadensursache gesetzt hat, oder der Rechtsträger der ersuchten Behörde ist haftungsverpflichtet, weil sie im Außenrechtsverhältnis zum Bürger den Schaden durch eine objektiv rechtswidrige Handlung herbeigeführt hat. In der zweiten Alternative hätte dann der Rechtsträger der 229 Dies gilt ebenso für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der (das Verfahren abschließenden) Handlung der hilfesuchenden Behörde im Hinblick auf die Amtshilfeleistung. 230 G. Hoffmann, in: von Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, 7. Auflage (1985), S. 851 (859,861); Steindorff, WVR III, S. 581, 582; vgl. auch von Bar, IPR, Bd. I, Rn. 248 ff. 231 So auch Mülbert, AG 1986, 1 (14) Fn. 77. 231 EuGH, verb. Rs. 46/87 u. 227/88, Sig. 1989,2859. 233 Vgl. EuGH, Rs. C-188/92, - Textilwerke Deggendorf 1 -, Slg. 1994-1,833 (852 ff.). 234 A.A. Mülbert, AG 1986, 1 (14) Fn. 77, der jedoch das Trennungsprinzip verkennt. 235 Zur deutschen Regelung der binnenstaatlichen Amtshilfe (§ 7 Abs. 2 VwVfG) siehe Kopp, VwVfG, § 7 Rn. 9 ff.
12 Royla
178 3. Teil: Verwaltungsvollzug im Bereich grenzüberschreitender Aufsichtsvorgänge
ersuchten Behörde im Innenverhältnis einen Regreßanspruch gegen den Rechtsträger der ersuchenden Behörde. Auf Rechtsgrundsätze des internationalen Amtshilferechts oder des Gemeinschaftsrechts kann nicht zurückgegriffen werden. Es existieren keine. Vorzugswürdig erscheint die Lösung, die Frage der Haftungsverpflichtung mit der Verantwortlichkeit zu verknüpfen. Aufgrund des Trennungsprinzips ist es den ersuchten Behörden verwehrt, das Ersuchen auf die Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Solange die ersuchten Behörden mangels Aufhebungskompetenz der Bindungswirkung des Amtshilfeersuchen unterliegen, kann ihnen die Rechtswidrigkeit des Ersuchens nicht zugerechnet werden. Sie handeln nur als "hired gun". Sie könl)en nur haftbar gemacht haben, wenn sie eigenen Einfluß auf die Rechtmäßigkeit der Handlung haben, d. h. nur im Rahmen ihrer eigenen Handlungsspielräume. Insoweit hilft auch ein Blick auf die Grundsätze der allgemeinen völkerrechtlichen Haftung für völkerrechtliches Unrecht. Dort wird eine Haftungsverschiebung angenommen, wenn die Handlungen der Behörde funktional i.S.e. Organleihe einer ausländischen Behörde zugerechnet werden können 236 . Hier kann zwar nicht die gesamte Amtshilfeleistung dem Staat der ersuchenden Behörde zugerechnet werden. Sofern der Fehler jedoch allein auf die ersuchende Behörde zurückzuführen ist und die ersuchte Behörde der Bindungswirkung unterliegen, ist diese Situation vergleichbar den Fällen, in denen die Behörde als verlängerter Arm auf Weisung handelt. Es kann festgehalten werden: die Behörden können nur für Amtshilfebeiträge verantwortlich gemacht werden, soweit sie außerhalb der Bindungswirkung der ausländischen Kooperationsakte eigenverantwortlich handeln. c) Rechtsschutz
Verweigert die ersuchte Behörde zu Unrecht die Amtshilfe, muß die ersuchende Behörde mit den Rechtsbehelfen vorgehen, die ihr im Staat der ersuchten Behörde zur Verfügung stehen 237 . Gegebenenfalls kann bzw. muß dem EuGH vorgelegt werden (Art. 177 EGV). Ein interadministratives Streitschlichtungsverfahren ist in den Richtlinien nicht vorgesehen. Soweit Dritte von den Amtshilfemaßnahmen betroffen sind, müssen diese gemäß dem Trennungsprinzip die Rechtsbehelfe des Staates wahrnehmen, dessen Behörde gehandelt hat238 . Dabei können wiederum nur Mängel geltend gemacht werden, die außerhalb der transnationalen Bindungswirkung liegen. 236 Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rz. 1668; vgl. im Gemeinschaftsrecht EuGH, Rs. 14, 16, 17,20,24,26,27/60 u. 1161, - Meroni -, Slg. 1961,345 (366); Rs. 175/84, - Krohn -, Slg. 1986,753 (768); siehe auch von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Art. 215 Rn. 56 (Stand: Okt. 1997). 237 Siehe dazu im deutschen Recht Kopp, VwVfG, § 5 Rn. 39. 238 Siehe oben 3. Teil C. IV. 4.; ferner zu den Rechtsschutzmöglichkeiten des Bürgers nach deutschem Recht Kopp, VwVfG, § 5 Rn. 40. Dabei gilt es zu beachten, daß die Amtshilfemaßnahmen in der Regel keine Verwaltungsakte i. S. d. § 35 VwVfG sind. Vgl. auch Carll Klos, a. a. 0., S. 126 f., 199 ff., 220.
4. Teil
Gesamtwürdigung A. Zusammenfassung Angesichts der Internationalisierung der Finanzmärkte 1 und der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben 2 , die die Schaffung eines europäischen Finanzraums und die Verwirklichung der Grundfreiheiten (insbesondere der Art. 52 ff., 59 ff., 73 b EGV) fordern, schuf der EG-Gesetzgeber mit dem Erlaß zahlreicher Richtlinien ein EG-Finanzmarktaufsichtsrecht, das in den Grundstrukturen seinen Abschluß gefunden 3 . Dieses Aufsichtssystem basiert im wesentlichen auf dem Prinzip der Herkunftslandkontrolle. In operationeller Hinsicht baut die grenzüberschreitende Aufsicht auf neue Instrumente auf, die eine horizontalen Verflechtung mitgliedstaatlicher Rechte und Verwaltungshandlungen nach sich zieht: Die Erteilung einer "single-licence" ist gemeinschaftsweit zu beachten, ohne daß ein Anerkennungsverfahren stattfindet ("Transnationalität ex lege,,)4. Die Herkunftslandbehörden können die im Ausland tätigen Zweigstellen ihrer Unternehmen vor Ort prüfen 5 . Schließlich sieht das EGAufsichtsrecht eine enge Zusammenarbeit der Verwaltungen vor, die diplomatische Umwege venneidet 6 . Trotz rechtsstaatlicher Bedenken und Legitimationsmängeln lassen sich die Aufsichtsinstrumente mit Grundsätzen des Gemeinschafts-, des V61ker- und des Verfassungsrechts vereinbaren '. Dies ist insbesondere auf die Gewährleistung von allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrechts samt Grundrechte zurückführen, die die mitgliedstaatlichen Aufsichtsbehörden bei dem Vollzug der neuen Aufsichtsinstrumente zu beachten haben. Neben dem allgemeinen Gemeinschaftsverwaltungsrecht 8 haben die Aufsichtsbehörden aufgabenspezifische (Verwaltungs-)Kooperationsregeln zu berücksichtilOben 1. Teil A. Oben 1. Teil C. 3 Oben 1. Teil D. 2
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Oben 2. Teil B. I. Oben 2. Teil B. 11. Oben 2. Teil B. III. Oben 2. Teil B. I. 3., B. 11. 5. und B. III. 3. Oben 3. Teil B. 11.
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4. Teil: Gesamtwürdigung
gen: das Effektivitätsgebot, das eine wirksame Durchsetzung der Gemeinschaftsvorschriften und ein gewisses Maß an Transparenz und Rationalität verlangt 9 ; den Gleichbehandlungsgrundsatz, der besagt, daß die Kooperationsbeiträge der anderen Mitgliedstaaten ebenso behandelt werden müssen wie eigene 10; den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der kooperationsrechtIich gewendet als Kostenbegrenzungsmaxime fungiert 11. Vor dem Hintergrund des das Kooperationsrecht bestimmenden Trennungsprinzips, nach dem der Rechtmäßigkeitmaßstab, der Rechtsschutz und die Haftung jeweils durch das Recht der verantwortlich handelnden Behörde determiniert wird l2 , gewinnt das Gebot der Verantwortungsklarheit an Bedeutung. Es soll die Behörden im Rahmen bi- oder multi polarer Kooperationsbeiträge zur Transparenz anhalten, sofern die Handlungen für den Bürger / das Unternehmen belastende Wirkung haben 13.
B. Bilanz und Reformfragen I. Grenzüberschreitende Aufsicht durch Netzwerkkoordination Das von der EG geschaffene Finanzmarktaufsichtssystem ist von großer Bedeutung. Das autonomieschonende System basiert auf dem vertraglich verankerten Herkunftslandprinzip, das von der "Cassis"-Rechtsprechung herausgearbeitet und von der EG-Kommission im "Weißbuch" aufgenommen worden ist l4 . Gleichzeitig entspricht es dem seit Maastricht formulierten Gedanken der Subsidiarität l5 . Ähnliche Regelungen sind für den Bereich des Lebensmittel- 16 , Arzneimittel 17- und Produktsicherheitsrechts 18 getroffen worden. Die Entscheidung für die Beibehaltung der nationalen Aufsichtskompetenzen ist dabei keineswegs als Zeichen einer Renaissance des Nationalstaates zu werten. Besteht Klarheit darüber, daß das Ziel des Gemeinschaftsgesetzgebers die Schaffung eines europäischen Finanzraumes und die Verwirklichung der Grundfreiheiten war und ist l9 , ist es vielmehr logische Oben 3. Teil C. I. Oben 3. Teil C. 11. 11 Oben 3. Teil C. III. 12 Oben 3. Teil C. IV. 5. 13 Oben 3. Teil C. IV. 14 Oben 2. Teil B. I. 1. c). 15 Oben 2. Teil B. I. 1. c) aa), I. 3. a) bb) (I) (b).
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10
Streinz, WiVerw 1993, 1 ff.; Wahl! Groß, DVBI. 1998, 2 ff. Schmidt-Aßmann, EuR 1996, 270 (285 ff.); zur Kooperationspraxis siehe auch den Bericht der Kommission zur Verwaltungszusammenarbeit, KOM (96), 20 endg., S. 13 ff. 18 Roß nagel DVBI. 1996, 1181 ff.; Schmidt-Aßmann, a. a. 0., S. 282 ff.; siehe auch Bericht der Kommission, a. a. 0., S. 10 ff. 19 Siehe oben I. Teil C. 16
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B. Bilanz und Refonnfragen
181
Folge, daß die einzelstaatliche Verantwortung zugunsten einer Verschränkung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen bzw. Verfahren relativiert wird 2o• Die seit längerem voranschreitende "Europäisierung" des Verwaltungsrechts der Mitgliedstaaten tut ihr übriges. Das grenzüberschreitende EG-Finanzmarktaufsichstsystem kann daher als eine neue Form der kooperativen Aufgabenbewältigung verstanden werden. Das Verständnis von Staat und Verwaltung, die in einem von hierarchischen Strukturen und Isolierung geprägten Umfeld agieren, weicht hier einem auf Zusammenarbeit von gleichgeordnet miteinander verbundenen Verwaltungen aufbauenden Netzwerkdenken 21 . Das Netzwerk läßt sich dabei sowohl als prozessuale Form als auch als Instrument zum ,,Management der Interdependenzen" begreifen 22 . Die darin tätigen Akteure erzeugen nicht nur integrative, sondern auch neue Bindungseffekte 23 . Diesem Phänomen können die "transnationalen" Aufsichtsakte ohne weiteres zugeordnet werden. Gemeinschaftsrechtlich findet dieser Gedanke in Art. 5 EGV seinen Ausdruck. Netzwerken fehlt die Routine und Stetigkeit von festen Institutionen. Damit das Netzwerk funktionsfähig sein kann, müssen daher stabile Kommunikations- und Handlungsstrukturen aufgebaut werden und in ihrem Bestand gesichert werden 24 . Netze sind zudem anfällig gegenüber Vertrauensstörungen. Sie verlangen daher höhere Investitionen in personelle Beziehungen und ein hohes Maß an Transparenz 25 . Diese Aufgabe wird in erster Linie im Rahmen der Ausschüsse und Konferenzen bewältigt werden müssen. Andere Kooperationsformen, in denen gemeinsame Lösungen im Sinne organisatorischer oder prozeduraler Erleichterung, Unterstützung und Verstetigung ausgehandelt werden, stehen daneben offen 26 . Es wurde gezeigt, daß die mit Einführung der neuen Instrumente bewirkten Impulse und Bindungswirkungen weitestgehend in das vom Trennungsprinzip beherrschten Vollzugsrecht der Mitgliedstaaten integriert werden können 27 • Gleichwohl bleiben Bedenken bestehen. Soll das dezentrale Netzwerkaufsichtsmodell in Zukunft an Bedeutung gewinnen, müssen die mit dem Trennungsprinzip verbundenen Probleme (Verantwortungsklarheit; gemeinschaftsweiter effektiver Rechtsschutz) beseitigt und die Verfahrensrechte der von den Kooperationsakten betroffe-
Vgl. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 415; Groß, JZ 1994,598 (604 f.). Zum Netzwerkansatzjeweils m. w. N. Ladeur, NuR 1997,8 (13 f.); Pitschas, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1994, 503 ff.; Ritter, DÖV 1995, 393 ff.; Treiber, in: SchmidtAßmann I Hoffmann-Riem, S. 371 ff. 22 Pitschas, a. a. 0., S. 532; Ritter, a. a. 0., S. 395. 23 Vgl. Ritter, a. a. 0., S. 395. 24 Schmidt-Aßmann, EuR 1996,270. 25 Mitteilung der Kommission, a. a. 0., S. 4 f.; siehe auch oben 2. Teil B. 1Il. I. b) aa). 26 Siehe jeweils die letzten Erwägungsgründe der I. und 2. Bank-RL sowie der WDRL. 27 Oben 3. Teil C. 20
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4. Teil: Gesamtwürdigung
nen Personen gesichert werden 28 • Rechtsunsicherheit kann entstehen, wenn Kooperationsakte sich als offensichtlich gemeinschaftswidrig herausstellen 29 . Die Staffelung der laufenden Rechtsaufsicht mit Durchsetzungspriorität der Herkunftslandbehörden sowie die Beteiligungsmöglichkeiten und Vollstreckungshandlungen im Rahmen der im Ausland zu tätigen Prüfungen eröffnen weiter ein Kooperationspotential, in dem die Beiträge immer weniger voneinander isoliert werden können. Die von den Kooperationsbeiträgen betroffenen Bürger und Unternehmen sind sich u.U. eines Schadensersatzes ungewiß. Dies gilt insbesondere dann, wenn Maßnahmen im Rahmen der Amtshilfe getroffen werden. Die aufgezeigte Konfliktsituation entspricht zwar noch den rechtsstaatlichen Anforderungen 3o . Das EG-Recht hält Verfahrensgrundrechte bereit, die zu beachten sind. Insbesondere das Gebot zur Verantwortungsklarheit erlangt hier Bedeutung 3l . Ferner arbeiten die Aufsichtsbehörden im Rahmen der Ausschüsse und Konferenzen an gemeinsamen Standpunkten, um die Zusammenarbeit effektiv wahrnehmen zu können 32 • Dennoch, auch wenn sich die beschriebenen Schwierigkeiten bewältigen lassen, ist eine solche Rechtssituation einem im Prozeß fortschreitender Integration an Bedeutung gewinnenden Modell nicht angemessen. Die Steuerungskraft der gemeinschaftsrechtlichen (ungeschriebenen) Kooperationsstandards sind im Bereich des mittelbaren Vollzuges nur schwach entwickelt. Die Vereinbarungen der Aufsichtsbehörden zielen eher darauf ab, die Effektivität des Verfahrens zu verbessern und die Kooperationsbereitschaft zu erhöhen. Rechtsstaatlichkeit verlangt jedoch Klarheit des Rechts, die für die Rechtssicherheit der Betroffenen notwendig ist. Insoweit drängen sich Überlegungen de lege ferenda auf.
11. Reformfragen 1. Kohärentes Rechtsschutzsystem Namentlich von Schmidt-Aßmann wurde angesichts der Rechtsschutzproblematik im Bereich horizontaler Kooperation die Entwicklung eines "europäischen Konzepts kohärenter Rechtsschutzgewährleistung" vorgeschlagen 33 . Ausdruck einer solchen Verklammerung der nationalen und der Gemeinschaftsgerichte ist 28 Auf dieses Problem hat vor allem Schmidt-Aßmann (JZ 1993,924 [936); JZ 1994,832 [839); FS-Bemhardt, S. 1287 [1303)) aufmerksam gemacht. 29 Zu einem solchen Bespiel Vedder, EuR Beiheft 1/1995, 75 (90). 30 Siehe oben 2. Teil B. I. 3., B. 11. 5. und B. III. 3. 31 Oben 3. Teil C. IV. 5. 32 Siehe oben 2. Teil B. 111. 2. c). 33 JZ 1993, 924 (936); JZ 1994,832 (839); FS-Bemhardt, S. 1287 (1303); ebenso Burgi, Verwaltungsprozeß und Europarecht, S. 56.
B. Bilanz und Refonnfragen
183
Art. 177 EGV 34 . Den Gedanken der "Kohärenz" der Rechtsschutzsysteme hat auch der EuGH in seiner Rechtsprechung fruchtbar gemacht, um eine hinreichende Effizienz des Rechtsschutzes sicherzustellen 35 . Aus verfassungsrechtlicher Sicht kann dieser Ansatz zur Systembildung als notwendige Voraussetzung gesehen werden, um im Bereich des indirekten Vollzuges von Gemeinschaftsrecht zu einer, auch von Art. 23 Abs. 1 GG, rechtsstaatlieh geforderten Rationalität zu kommen 36 • Ebenso kann der Entschluß des BVerfG, nicht-deutsche Hoheitsakte in seinen Aufgabenbereich miteinzubeziehen, als Schritt in diese Richtung gedeutet werden 37 • Dem Gedanken eines kohärenten Rechtsschutzsystems Rechnung tragen hieße vorliegend, klare Formeln der Rechtswegzuweisung aufzustellen und die damit eng verbundene Frage der Haftungsverantwortlichkeit im Außenverhältnis zu regeln 38 . Weiter wäre zu überlegen, ob der Rechtsschutz im Sinne eines einheitlichen, grenzüberschreitenden Prüfungsauftrags bei einem Gericht konzentriert oder (parallel dazu) ausgedehnt werden sollte 39 • Letzteres würde allerdings eine Jurisdiktion über fremdländische Hoheitsakte darstellen, die angesichts des völkerrechtlichen Grundsatzes der Staatenimmunität nicht ohne weiteres zulässig ist4o. Die dafür erforderliche Vertragsänderung dürfte beim gegenwärtigen Stand der politischen Integration wohl kaum zu erreichen sein41 .
2. Gemeinsame Verfahrensregeln für grenzüberschreitende Verwaltungsvorgänge Die Zunahme der Zahl an grenzüberschreitenden Verwaltungsvorgängen macht Kooperationsverfahren zu einem wesentlichen Teil gemeinschaftlichen Verfahrensrechts 42 . Auch in diesem für das Finanzmarktaufsichtsrecht essentiellen Bereich wäre ein Zuwachs an Rechtssicherheit durch für die Behörden handhabbarere wie 34 Kritisch zur bisherigen Handhabung des Vorabentscheidungsverfahrens durch den EuGH von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 476 ff.\ 3S EuGH, Rs. 143/89, -Süderdithmarschen-, Sig. 1991-1,415 (541); vgl. Schmidt-Aßmann, JZ 1994, 832 (836). 36 Classen, NJW 1995, 2457 (2462). 37 BVerfGE 89,155 (175) - Maastricht. 38 Für das transnationale Amtshilferecht hieße das etwa, eine grundsätzliche Haftungsverantwortlichkeit der handelnden Behörden im Außenverhältnis gegenüber dem Bürger zu formulieren; im Innenverhältnis eine eingenständige Rechtsgrundlage f1ir Regreßansprüche zu schaffen. 39 So z. B. für den Fall der Prüfungen im Ausland Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 421, Fn. 132. 40 Vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht 111, S. 469; Groß, JZ 1994, 596 (604); Steinberger, EPIL 10 (1987), 428 (435). 41 Vgl. Schmidt-Aßmann, JZ 1994, 832 (838) m. w. N. 42 Priebe, EuR Beiheft 1/1995, 99 (102).
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4. Teil: Gesamtwürdigung
für die Bürger bzw. Unternehmen klarere VerfahrensregeIn zu begrüßen. Mit der Normierung einheitlicher Verfahrensregeln könnte gleichzeitig der Entwicklung eines kohärenten Rechtsschutzsystems der Weg bereitet, ein Stück an Transparenz, das auch für die Zustimmung des Gemeinschaftsbürgers zur weiteren Fortentwicklung des Integrationssystems förderlich wäre, geschaffen werden. Gemeint ist hier nicht eine Gesamtkodifikation eines EG-Verwaltungsverfahrensrechts 43 . Das nationale Verwaltungsrecht soll seine jeweilige systemprägenden Eigenheiten und seine beherrschende Rolle zur Steuerung der internen Ordnungsvorgänge in den Mitgliedstaaten bewahren44 . Vielmehr geht es um eine Teilkodifikation für bestimmte Bereiche; hier der transnationalen Verwaltungsvorgänge. Dort, wo europäische Aufgaben mittels institutioneller Netzwerke bewältigt werden sollen, ist es angebracht, diese durch verwaltungsverfahrensrechtliche Netze zu ergänzen45 . Neben dem Amtshilfeverfahren46 sind hier vor allem die grenzüberschreitenden Inspektionen angesprochen, die wiederum unmittelbar in der Vollstreckungshilfe münden können. Als Befugnis der EG zur Regelung bereichsspezifischer verwaltungsverfahrensrechtlicher Materien wird erwogen47 ; die jeweilige materielle Ermächtigungsnorm48 , Art. 100/100a EGV49 , Art. 235 EGV50 sowie im Rahmen der "impliedpowers"-Lehre 51 . Die im einzelnen schwierige und zugleich umstrittene Abgrenzung und Reichweite der Kompetenzgrundlagen soll hier nicht eroiert werden 52 . Jedenfalls hat sich der Umfang und die Intensität der Rechtsangleichung am Subsidiaritätsprinzip (Art. 3 b Abs. 2 EGV) und am Verhältnismäßigkeitsprinzip (Art. 3 b Abs. 3 EGV) zu orientieren. Entsprechend der "Soweit"-Formel des 43 Dazu und zu den kompetenziellen Rahmenbedingungen von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 427 ff.; Engel, DV 25 (1992),437 (460 ff.); Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. I u. 11, S. 48 ff. u. S. 1397 ff.; dens., DVBI. 1996,881 (886 ff.). 44 Zur Funktion des Verwaltungs(verfahrens)rechts vor allem Schmidt-Aßmann, in: Isensee I Kirchhof, HStR III, § 70 Rn. 1 ff.; ferner Klein, Vereinheitlichung, S. 117 (126); Schmidt-Aßmann/Rühl, EuR Beiheft 111997, 87 (88 f.); Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. I, S. 9 f. 45 46
V gl. Pitschas, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1994, 503 (517, 532). Siehe Meier, EuR 1989, 239 ff.
47 Siehe vor allem Engel, DV 25 (1992) 437 (460 ff.); Vedder, EuR Beiheftl! 1995,75 (91 f.) m. w. N. 48 Z. B. Art. 57 Abs. 2 und 66 EGV; Art. 113 EGV; Art. 40 Abs. 3 i.V.m. Art. 43 Abs. 2 EGV. 49 Danach können Rechtsangleichungsmaßnahmen erlassen werden, die die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben. 50 Ermächtigt, auch ohne ausdrückliche Kompetenzvorschrift, zu Maßnahmen, die zur Erfüllung der Gemeinschaftsziele erforderlich sind. 51 Besagt, daß eine einem Organ ausdrücklich verliehende Kompetenz die weiteren Befugnisse umfaßt, ohne die die Hauptkompetenz nicht vernünftig oder zweckmäßig ausgeübt werden kann, vgl. Rengeling, VVDStRL 53 (1994), 202 (231). 52 Vgl. dazu etwa Langeheine, in: Grabitzl Hilf, Art. l00a Rn. 24 ff., 93 ff.; Pipkorn, in: BIBIPIS, S. 384 ff.
B. Bilanz und Refonnfragen
185
EuGH soll der mitgliedstaatliehe Vollzug nur insoweit modifiziert werden, als dies zur Wahrung der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts erforderlich ist53 . Die Verbesserung der bürgerschaftlichen Rechtsposition als solche stellt nicht unbedingt eine hinreichende Legitimationsgrundlage dar, um die in dem Grundsatz der "institutionellen und verfahrensmäßigen Autonomie der Mitgliedstaaten" zum Ausdruck kommende primäre Vollzugsverantwortung, insbesondere im Rahmen des mittelbaren indirekten Vollzugs, zu verdrängen 54 . Das im ,Bereich des Finanzmarktaufsichtsrechts geschaffene transnationale Netzwerk ist noch relativ jung. Es wird sich noch zu zeigen haben, ob die Verwaltungen und die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zu einer Abstimmung finden, die sowohl der Aufgabe der optimalen Durchführung der EG-rechtlichen Bestimmungen als auch dem rechtsstaatlieh geforderten Anspruch an Rechtssicherheit und Rationaliät gerecht werden. Auch die Kommission hat in ihrem Bericht vom 29. 1. 1996 zur Verwaltungszusammenarbeit zum Ausdruck gebracht, daß zunächst noch die Entwicklung abgewartet werden müsse, bevor Schritte zu Regeln mit verbindlichen Charakter unternommen würden 55 • In diesem Zusammenhang erhellt die Aussage von Walter Hallstein 56 : "Nichts ist im Geschehen der europäischen Einigung automatisch; alles ist Überlegung, Phantasie, Wahl, Entschluß und beharrlicher Wille."
Vgl. Geiger, Art. 3 b Rn. 12; Vedder, EuR Beiheft 11 1995,75 (93). Von Danwitz, VerwaltungsrechtIiches System, S. 483 f.; vgl. demgegenüber Zuleeg, VVDStRL 53 (1994), 154 (176 f., 190, 195). 55 KOM (96), 20 endg., S. 8; vgl. auch den Rat in seiner Entschließung vom 29. 5. 1996 zur einheitlichen und wirksamen Anwendung des Gemeinschaftsrechts und zu Sanktionen bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des Binnenmarktes, ABI. 1995, C 188/1(3). 56 Hallstein, RabelsZ 1964, 211 (230). 53
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Sachwortverzeichnis Allfinanz s. Finanzkonglomerate Allgemeine Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts s. EG-Allgemeine Rechtsgrundsätze Allgemeininteresse 45,92, 126, 158 f. Amtshilfe - internationale 113 ff. - Verfahren 173 ff. Anhörung 174 f. Anerkennung 41, 55, 69 ff. - gegenseitige 41, 56, 59, 72 - Prinzip 56, ISS Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts 54, 159 Aufsicht 23 ff. - EG-Recht 38 ff. - Gegenstand 23 f. - Instrumente 25 f., 48 ff. - internationale 28 ff. - Organisation, 26 f. - Ziele 24 f. Aufsichtsakte, grenzüberschreitende - Haftung 162 ff. - Rechtmäßigkeitsmaßstab 157 ff. - Rechtsschutz 166 ff. - Rezeptionsmaßstab 159 ff. Ausschüsse 131 Baseler Komitee 29 f., 116, 117 Baseler Konkordat s. Baseler Komitee Berufsgeheimnis 133 Beschwerden 129 Bestandsübertragungen 129 Binnenmarkt 31 Börsenrecht 39 Demokratie - Defizit 80 ff. - Prinzip 89 ff. Dienstleistungsfreiheit 34 f., 57 Diskriminierungsverbot 145, 151
Effektivitätsgebot 151 ff., ISS, 156, 176 Effet-utile-Grundsatz 69, 137, 139 Effizienzgebot 146, 148, 151 EG - Allgemeine Rechtsgrundsätze 68, 74, 143, 147 ff. - Aufsichtsrecht 38 ff. - Grundrechte 67,68,74 ff., 93, 110, 157 f. - Prinzip der begrenzten Ermächtigung 68, 69,82 - VerwaItungsrecht 144 ff. Europäisierung des VerwaItungsrechts 141, 181 Finanzgruppe s. Finanzkonglomerate Finanzkonglomerate 22, 27 f., 46 f., 130 Finanzmärkte 21 ff. Freizügigkeit 57 GATS47 Gebot der Verantwortungsklarheit Gefahrenvorbehalte 61, 71, 92 Gegenseitigkeitsprinzip 40,119,156 Geheimnisschutz 133, 134,137,138 Gemeinsamer Markt 31 Gemeinschaftsgrundrechte s. EG-Grundrechte Gemeinschaftstreue 72 Gemeinschaftsverwaltungsrecht 144 Gleichbehandlungsgrundsatz 154 ff., 176 Globalisierung 21 Grundfreiheiten 31 ff., 57 Haftung 162 ff. Herkunftslandkontrolle - Prinzip 41 ff., 71, 180 - System 58, 64, 71 Hoheitsgewalt 52 ff. Hoheitsrechte s. Übertragung von Hoheitsrechten
Sachwortverzeichnis lAIS 30 Informationsaustausch 112, 125 ff., 132 Inländerdiskriminierung 78 ff. Internationales Verwaltungsrecht 53, 54 Interventionsverbot 53 Investmentrecht 39 IOSCO 30, 116 Kapitalverkehrsfreiheit 36 Kohärenz 182 Konkurrentenklagen 167 f. Kooperation s. Zusammenarbeit Kooperationsregeln 151 ff. Legitimation 68, 80 ff., 89 ff., 109 f. Mindeststandard, harmonisierter 43, 71 Netzwerk 180, 181 Niederlassungsfreiheit 32 ff., 57
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Single-licence 41, 49 ff. - Geltungsgrund 63 ff. - grenzüberschreitende Wirkung 50 ff. - Prinzip 41, 49 - Rechtsnatur 59 - Vereinbarkeit mit EG-Recht 65 ff. - Vereinbarkeit mit deutschem Verfassungsrecht 84 ff. - Vereinbarkeit mit Völkerrecht 82 ff. - Wirkung und Folgen 59 ff. Subsidiaritätsprinzip 37, 55, 72 Territorialhoheit 99 Territorialitätsprinzip 51 Transnationalität 58, 59, 65 - Wirkung 50, 64,160 f. Transparenz 153 f. Trennungsprinzip 156 ff., 177, 181 Übertragung von Hoheitsrechten 85, 109
Ordre public 90, 118 f., 134 Prüfungsrechte, grenzüberschreitende 98 ff. - Geltungsgrund 103 ff. - Vereinbarkeit mit deutschem Verfassungsrecht 109 ff. - Vereinbarkeit mit EG-Recht 106 ff. - Vereinbarkeit mit Völkerrecht 108 f. - Zwangsmaßnahmen 103 Rechtsausfüllungskompetenz 137 Rechtshilfe 113 f. Rechtsschutz 73 ff., 94 ff., 109 ff., 147, 166 ff., 178, 182f. Rechtsstaatsprinzip 93, 148 Reziprozitätsprinzip s. Gegenseitigkeitsprinzip Richtlinien Auslegung 149 f. EG-Finanzmarktaufsichtsrecht 38 ff. unmittelbare Wirkung 64, 104 ff., 150 - Vollzug 149
Verantwortungsklarheit 170 f., 182 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 120, 133, 147, 155 Verwaltungskooperation s. Zusammenarbeit Vollstreckungshilfe 129, 135, 139 f. Vollzugshilfe s. Vollstreckungshilfe Vorrangsanspruch 142 Warenverkehrsfreiheit 57 Wettbewerb der Rechtsordnungen 45 Zahlungsverkehrsfreiheit 36 Zusammenarbeit, grenzüberschreitende 111 ff. EG 120 ff. - Finanzmarktaufsicht 124 ff. - internationale 113 ff. - Verfahren 171 ff. - Verwaltungsregeln 151 ff., 183 f. Zustellung 124