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German Pages 257 [262] Year 2015
Arnd Herrmann Geschichte
Studien zur modernen Geschichte – 60
Franz Steiner Verlag
Kriseninstrument WEU Die Westeuropäische Union (WEU) in der EG-Erweiterungskrise 1963–1970
Arnd Herrmann Kriseninstrument WEU
studien zur modernen geschichte Herausgegeben von Gabriele Clemens, Markus Friedrich, Frank Golczewski, Ulrich Mücke, Angelika Schaser, Claudia Schnurmann und Jürgen Zimmerer Band 60
Mit dem vorliegenden Band 60 wird die Reihe Studien zur modernen Geschichte, welche die thematische Breite und methodische Vielfalt der am Historischen Seminar der Universität Hamburg vertretenen Bereiche der neueren Geschichte spiegelt, nach einer längeren Pause mit einem neuen Herausgebergremium fortgesetzt. Den beiden bisherigen, nach ihrer Emeritierung ausgeschiedenen Mitherausgebern Horst Pietschmann und Bernd-Jürgen Wendt sei an dieser Stelle für ihr jahrelanges Engagement bei der Gestaltung dieser Reihe sehr herzlich gedankt. Die Herausgeber
Arnd Herrmann
Kriseninstrument WEU Die Westeuropäische Union (WEU) in der EG-Erweiterungskrise 1963–1970
Franz Steiner Verlag
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Fazit-Stiftung
Umschlagabbildung: Feier anlässlich der Unterzeichnung des Brüssler Pakts am 17. März 1948 Union de l’Europe occidentale – Secrétariat général, Rue de l’Association, 15, 1000 Bruxelles, © WEU Secretariat General – Secrétariat Général UEO Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2015 Druck: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-10995-6 (Print) ISBN 978-3-515-11007-5 (E-Book)
INHALTSVERZEICHNIS Vorwort ......................................................................................................... 9 I. Einleitung ................................................................................................ 11 1. Thema und Fragestellung ................................................................... 11 2. Vorgehensweise und Quellenkorpus................................................... 18 3. Gliederung ......................................................................................... 21 II. Entstehung und Entwicklung der WEU (1954–1962) .............................. 23 1. Entstehung, Kompetenzen und Aufbau............................................... 23 2. Die Anfangsjahre der WEU im europäischen Integrationsprozess ...... 26 III. Die Suche nach Wegen aus der EG-Erweiterungskrise (Januar–Oktober 1963) ......................................................................... 31 1. Die Krise beginnt ............................................................................... 31 1.1. Das Scheitern der ersten britischen EWG-Beitrittsverhandlungen 31 1.2. Auf der Suche nach einer Lösung (Ende Januar–Juli 1963) .......... 33 1.2.1. Erfolglose erste WEU-Ideen (Januar–März 1963)............... 34 1.2.2. Auf dem Weg zum WEU-Kompromiss (April–Juli 1963).. . 38 2. Der Rückgriff auf die WEU ............................................................... 42 2.1. Der Kompromiss vom 11. Juli 1963............................................. 42 2.2. Die Ausgangsposition: Nationale Zielsetzungen in der WEU ....... 44 2.3. Die formale Ausgestaltung der WEU-Kontakte ........................... 47 IV. Der Einsatz der WEU zur Bewältigung der Krise (Oktober 1963–Oktober 1964) .............................................................. 53 1. Die WEU-Politikdiskussionen ............................................................ 54 1.1. Der Verlauf der Politikdiskussionen ............................................ 54 1.2. Der erste Versuch einer engeren außenpolitischen Kooperation: Lateinamerika ............................................................................. 56 1.3. WEU versus EPU: Der Luns-Plan................................................ 61 2. Die WEU-Wirtschaftsdiskussionen .................................................... 70 2.1. Der Verlauf der Wirtschaftsdiskussionen ..................................... 70 2.2. Die Teilnahme von Fachministern ............................................... 75 2.3. Deutsche Versuche für substantiellere Wirtschaftsdiskussionen ... 78 3. Zwischenfazit ..................................................................................... 82
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Inhalt
V. Die Arbeit der WEU nach dem Abflauen der Erweiterungskrise (Oktober 1964–Oktober 1967) ............................................................... 86 1. Die Arbeit der WEU geht weiter (Oktober 1964–Februar 1966) ......... 86 1.1. Die neue Ausgangsposition durch den britischen Regierungswechsel ..................................................................... 87 1.2. Die WEU-Politikdiskussionen ..................................................... 88 1.3. Die WEU-Wirtschaftsdiskussionen .............................................. 93 1.3.1. Der Verlauf der WEU-Wirtschaftsdiskussionen .................. 93 1.3.2. Unstimmigkeiten über die Arbeitsweise der WEU .............. 96 1.4. Bewertung der WEU-Rolle ........................................................ 101 2. Die Bedeutung der WEU nimmt wieder zu: das zweite britische EG-Beitrittsgesuch (März 1966–Oktober 1967). .............................. 104 2.1. Der Wandel bei Labour zum EG-Beitritt .................................... 105 2.2. Die WEU-Politikdiskussionen ................................................... 107 2.3. Die WEU-Wirtschaftsdiskussionen ............................................ 110 2.3.1. Der Verlauf der WEU-Wirtschaftsdiskussionen ................ 110 2.3.2. Der Einsatz der WEU für das britische EG-Beitrittsgesuch ........................................................... 114 2.4. Bewertung der WEU-Rolle ........................................................ 125 3. Zwischenfazit ................................................................................... 128 VI. Das zweite französische Veto: Erneuter Rückgriff auf die WEU (November 1967–Februar 1969) ...... 130 1. Die Blockade des zweiten britischen EG-Beitrittsgesuches (November–Dezember 1967) ........................................................... 130 2. Die Rolle der WEU nach dem Ausbruch der Krise (Januar–Juli 1968) ............................................................................ 133 2.1. Neue Ausgangspositionen und Lösungsvorstellungen nach dem Veto ............................................................................ 133 2.2. Die WEU-Politikdiskussionen ................................................... 137 2.3. Die WEU-Wirtschaftsdiskussionen ............................................ 140 2.4. Bewertung der WEU-Rolle ........................................................ 146 3. Die WEU im Rampenlicht (August 1968–Februar 1969).................. 148 3.1. Der Harmel-Plan........................................................................ 148 3.1.1. Entwicklung und Inhalt des Harmel-Plans ........................ 148 3.1.2. Die Folgen des Harmel-Plans ........................................... 156 3.2. Die weiteren WEU-Politikdiskussionen ..................................... 166 3.3. Die WEU-Wirtschaftsdiskussionen ............................................ 169 3.4. Bewertung der WEU-Rolle ........................................................ 173 4. Zwischenfazit ................................................................................... 175
Inhalt
VII. Die WEU in der Krise (Februar 1969–Juni 1970) ............................... 178 1. Der französische WEU-Boykott (Februar 1969) ............................... 178 1.1. Das Nahostsondertreffen und die Soames-Affäre ....................... 178 1.2. Der französische Entschluss und erste Reaktionen ..................... 182 2. Die Arbeit ohne Frankreich in der WEU (März 1969–Juni 1970) ..... 189 2.1. Ungelöste Rechtsstreitigkeiten ................................................... 189 2.2. Die WEU-Politikdiskussionen ................................................... 193 2.2.1. Die Diskussionen in der WEU .......................................... 193 2.2.2. Das Verhältnis zur Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) .................................................... 200 2.3. Die WEU-Wirtschaftsdiskussionen ............................................ 207 3. Die französische Rückkehr an den WEU-Ratstisch (Juni 1969–Juni 1970) ...................................................................... 211 3.1. Erste erfolglose Rückholversuche .............................................. 211 3.2. Die erfolgreiche belgische Kompromissformel .......................... 216 3.3. Zu siebt zum letzten zweitägigen Ministertreffen ....................... 220 4. Zwischenfazit ................................................................................... 222 VIII. Das Ende der Sonderfunktion der WEU (Juni 1970–1972) ................ 226 IX. Schlussbetrachtung ............................................................................ 233 X.
Quellen- und Literaturverzeichnis ...................................................... 241 I. Archivquellen ............................................................................. 241 II. Edierte Quellen ........................................................................... 243 III. Memoiren ................................................................................... 248 IV. Sekundärliteratur ........................................................................ 248
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VORWORT Als ich im Januar 2008 mit meinem Dissertationsprojekt an der Universität Hamburg begann, blickte ich mit einer Mischung aus Neid und Ehrfurcht auf die Vorworte der bereits veröffentlichten Dissertationsschriften, die ich im Laufe meiner Recherchen durchforstete. Ich dachte damals, dass es ein unbeschreibliches Gefühl sein muss, diese letzten Zeilen vor der Veröffentlichung zu formulieren. Gute sechs Jahre später ist es so weit, ich sitze selbst an meinem Vorwort zu meiner Arbeit über die Rolle der WEU in der EG-Erweiterungskrise von 1963– 1970. Und, ich muss zugeben, es ist wahrlich ein unglaubliches Gefühl. Mit einer Mischung aus Stolz, Erleichterung, Freude, Ungläubigkeit und ein wenig Abschiedsschmerz schreibe ich diese Zeilen. Mehr als ein halbes Jahrzehnt war die WEU ein fester Bestandteil meines Lebens, nun heißt es nach spannendem, zeitraubendem, abwechslungsreichem und manchmal auch nervigem Recherchieren, Schreiben und Korrigieren einen Schlussstrich zu ziehen. Mit diesem Buch mag ich den Blick der historischen Forschung auf die WEU beeinflussen, vielmehr allerdings hat die Arbeit an der WEU bzw. der Dissertation mich beeinflusst, wenn nicht gar geprägt. Es ist eine intensive Erfahrung, einige Jahre seines Lebens einem speziellen Thema zu widmen und sich diesem immer wieder mit neuen Quellen und Blickwinkeln anzunähern. Letztlich bleibt für mich die Erkenntnis, dass ich die Arbeit an meiner Dissertation genossen habe. Eine Dissertationsschrift bedarf zwar einer nicht unerheblichen Menge an Disziplin und Mut zur Einsamkeit, vor allem aber bietet sie jedem Doktoranden auch ein großes Maß an Freiheit, für die ich sehr dankbar war und bin. Womit wir beim wichtigsten Abschnitt dieses Vorwortes sind, den Danksagungen: Mein erster Dank bezieht sich auf die großzügige finanzielle Unterstützung, die mir von drei Seiten gewährt wurde. Ich bedanke mich bei der Graduiertenförderung der Universität Hamburg, die mich für zwei Jahre mit einem Stipendium ausstattete und damit die gelungene Ausgangsbasis für eine erfolgreiche Promotion schuf. Mein Dank gilt zudem der FAZIT-Stiftung, die mir nicht nur ein 13-monatiges Abschlussstipendium, sondern darüber hinaus auch einen generösen Druckkostenzuschuss gewährte. Großzügig zeigte sich auch der DAAD, der meine Forschungsaufenthalte in London und Paris unterstützte. Apropos Forschung: Die Aufenthalte in den Archiven habe ich als besonders spannend empfunden, fand doch hier die eigentliche historische Forschung statt. Den Anfang machte das Politische Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin, in dem ich mich erstmals wie ein „erwachsener“ Historiker fühlte. Nach dem Aufenthalt in einem relativ intimen Forscherkreis in Berlin boten die National Archives in London einen klaren Gegensatz, strömten dort doch jeden Tag zahlreiche Menschen in den Lesesaal. Auch in diesem pulsierenden Umfeld fühlte ich mich sehr wohl. Die aufregendste Etappe meiner Forschungsreise erlebte ich im
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Vorwort
Ministère des Affaires Étrangères in Paris. Einerseits genoss ich die vier Wochen mit meiner Familie im wunderschönen Paris, andererseits empfand ich die Atmosphäre im dortigen Archiv als besonders beeindruckend. Den Abschluss meiner Archivarbeit machte das Bundesarchiv in Koblenz, das sich angenehm bescheiden präsentierte. Bei den Mitarbeitern dieser vier Archive, die sich allesamt als hilfsbereit erwiesen, bedanke ich mich gerne. Ein besonderer Dank gilt meiner Betreuerin Frau Prof. Gabriele Clemens, die mir den Impuls zu meiner Forschungsarbeit gab, mich bei zahlreichen Anträgen für Stipendien und Zuschüsse unterstützte und Auszüge meiner Arbeit stets gewissenhaft überprüfte und kommentierte. Darüber hinaus hat Ihre Fürsprache es mir ermöglicht, meine Arbeit im Franz Steiner Verlag zu veröffentlichen. Dank gilt zudem meiner Zweitgutachterin Frau Prof. Barbara Vogel, die meine Anfragen stets wohlwollend behandelte. Ein weiterer Dank geht an Frau Prof. Katharina Holzinger, die mich mit einigen Gutachten auf der „Jagd“ nach Stipendien unterstützte. Für inhaltliche Impulse und Kritikpunkte danke ich den wechselnden Teilnehmern der Oberseminare bei Frau Prof. Clemens. Besonderer Dank gilt meinen Freunden Steffen Otte und Jochen Stahnke, die beide die erste Version meiner Dissertation kommentierten und dadurch sprachlich und inhaltlich verfeinerten. Danken möchte ich ausdrücklich meinen Eltern, die mir nicht nur Teile meines Studiums finanziert, sondern auch die Arbeit an meiner Dissertation erleichtert haben. In diesem Zusammenhang bedanke ich mich beim Franz Steiner Verlag für die Bereitschaft, meine Dissertation zu veröffentlichen. Es ist mir eine große Freude, meine Arbeit in solch einem Rahmen zu Papier zu bringen und in naher Zukunft als Buch in den Händen halten zu können. Abschließend bedanke ich mich bei meiner Frau Dagmara für so viele Dinge: Für Zuspruch, wenn meine Motivation auf dem Tiefpunkt war; für Ideen, wenn meine Kreativität entschwunden war; für Flexibilität, wenn meine Forschungsreisen ein längere Trennung von meiner Familie erfordert hätten. Die vier Wochen mit meiner Frau und meiner Tochter in Paris gehören zu den schönsten Momenten, die ich für immer mit der WEU verbinden werde. Flensburg, September 2014.
I. EINLEITUNG 1. THEMA UND FRAGESTELLUNG Krisen sind stetige Begleiter des europäischen Integrationsprozesses. „Die Geschichte der europäischen Integration ist eine Geschichte von Krisen, vom Umgang mit Krisen (also von Krisenmanagement) und von der Überwindung von Krisen.“1 Europa lebt sogar von Krisen und ihrer Bewältigung, 2 wie nicht zuletzt die Bemühungen in der Eurokrise zeigten. Die Westeuropäische Union (WEU) entstand 1954 in einer solchen Krisensituation, nachdem das Projekt einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) in der französischen Nationalversammlung gescheitert war. Unmittelbarer Zweck der WEU war die militärische Eingliederung der Bundesrepublik Deutschland, die einer besonderen Rüstungskontrolle unterworfen wurde, in den Westen. Der WEU-Vertrag war jedoch umfassender angelegt, so dass die WEU weitere Kompetenzen erhielt. In der Vertragspräambel fand sich der Anspruch, die „Einheit Europas zu fördern und seiner fortschreitenden Integrierung Antrieb zu geben“3. Dieser Anspruch an die WEU erlangte 1963 besondere Bedeutung, als sich der europäische Integrationsprozess in einer erneuten Krisensituation befand, die im Mittelpunkt dieser Untersuchung steht. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die 1957 gegründete Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) bereits zum Kern der europäischen Integration entwickelt. Nachdem Großbritannien zunächst freiwillig auf eine Teilnahme an den Europäischen Gemeinschaften (EG) verzichtet hatte, stellte die konservative britische Regierung 1961 einen Antrag auf EWG-Mitgliedschaft.4 Das Veto des französischen Präsidenten Charles de Gaulle im Januar 1963 – ein zweites Veto folgte im November 1967 – führte zum Abbruch der Beitrittsverhandlungen und stürzte die EG in eine Erweiterungskrise, die zu einem zentralen Aspekt des europäischen 1 2 3 4
Romain Kirt (Hg.): Die Europäische Union und ihre Krisen, Baden-Baden 2001, Vorw. S. 11. Vgl. Johannes Varwick: Einführung, in: Ders (Hg.): Die Krise und Zukunft der EU, Schwalbach 2011, S. 7. Pariser Verträge vom 23. Oktober 1954 über die Westeuropäische Union, in: Europa-Archiv (EA) 9 (1954), S. D 7128. Für weitere Informationen zu den WEU-Kompetenzen vgl. Kapitel II.1. Gründungsmitglieder der EWG und der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) waren die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg. Diese Staaten waren auch Mitglieder der 1952 in Kraft getretenen Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS). EGKS, EWG und Euratom bildeten gemeinsam die Europäischen Gemeinschaften (EG). Aus diesem Grund wird in dieser Untersuchung der Begriff EG im Plural verwendet. Großbritannien stellte am 9. August 1961 einen Beitrittsantrag zur EWG. Beitrittsanträge zur EGKS und Euratom folgten am 28. Februar 1962. Vgl. Franz Knipping: Rom, 25. März 1956. Die Einigung Europas, München 2004, S. 146.
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Einleitung
Integrationsprozesses in den 1960er Jahren wurde. EWG-Kommissionspräsident Hallstein bezeichnete die Erweiterungskrise in einer Rede vor dem Europäischen Parlament am 5. Februar 1963 als erste echte Krise der EG.5 De Gaulle brachte im Januar 1963 politische und wirtschaftliche Gründe gegen den britischen Beitritt vor und wollte mit seinem Veto zudem verhindern, dass US-amerikanischer Einfluss über Großbritannien auf die EG einwirkte und seine Vision eines „Europe européenne“ bedrohte.6 Diese Blockadehaltung führte zu Verstimmungen zwischen Frankreich und seinen fünf EG-Partnern, die wie Großbritannien am Ziel der Erweiterung festhielten.7 Die „Friendly Five“8 und Großbritannien suchten nach einem Weg, den wirtschaftlichen und politischen Kontakt zwischen den EG und Großbritannien bis zu einem späteren britischen Beitritt aufrecht zu erhalten.9 Da Frankreich Kontakte innerhalb der supranationalen Brüsseler EG-Strukturen ablehnte, griffen die EG-Staaten und Großbritannien im Juli 1963 auf eine externe Organisation zurück: die intergouvernementale WEU.10 Vom 25./26. Oktober 1963 bis zur Aufnahme der britischen EG-Beitrittsverhandlungen am 30. Juni 1970 diskutierten die sieben Staaten auf vierteljährlichen WEU-Außenministertreffen über außenpolitische und wirtschaftspolitische Fragen, an denen auch die E(W)G-Kommission partizipierte. Im Hinblick auf diese WEU-Treffen wird in Teilen der Forschung die These vertreten, dass die WEU eine erfolgreiche „Brückenfunktion“ als „Kontaktforum“ zwischen Großbritannien und den EG eingenommen habe. So behandelt Gabriele Dransfeld in ihrer Monographie über die Rolle der WEU im europäischen Integrationsprozess in einem Kapitel die „Brückenfunktion“ der WEU zwischen den EG und Großbritannien. Als Ergebnis hält Dransfeld fest, dass die WEU dieser Funktion erfolgreich nachgekommen sei. 11 Winfried Knop lobt ebenfalls die posi5
Erklärung des EWG-Kommissionspräsidenten vor dem Europäischen Parlament am 5. Februar 1963, in: EA 18 (1963), S. D 123. 6 Laut Knipping wollte de Gaulle nicht hinnehmen, dass sich das „europäische Europa“ in die Abhängigkeit eines „atlantischen Europa begab.“ Vgl. Knipping, S. 152. 7 Neben Großbritannien stellten auch Dänemark, Irland und Norwegen Beitrittsanträge. Beim gesamten Komplex der Erweiterungskrise stand jedoch eindeutig die Rolle Großbritanniens im Vordergrund. 8 So bezeichnete Großbritannien die EG-Staaten außer Frankreich. Der Begriff „friendly“ bezieht sich nur auf die positive Einstellung dieser fünf Staaten zum britischen EG-Beitritt. Mit dem Begriff ist ausdrücklich nicht gemeint, dass die fünf Staaten untereinander in allen Punkten einig oder „befreundet“ waren. Neben „Friendly Five“ wird synonym in dieser Untersuchung der Begriff die „Fünf“ gebraucht. 9 Die Begriffe „wirtschaftlich“ und „wirtschaftspolitisch“ werden im Zusammenhang mit den WEU-Kontakten in dieser Untersuchung synonym verwendet. Gleiches gilt für die Begriffe „politisch“ und „außenpolitisch“, da es sich bei den politischen WEU-Diskussionen um außenpolitische Themen handelte. 10 In intergouvernementalen Organisationen bleibt alle Entscheidungsgewalt bei den Mitgliedsstaaten, während in supranationalen Organisationen Teile der Entscheidungsgewalt auf eine höhere Gemeinschaftsebene übergehen. 11 Vgl. Gabriele Dransfeld: Die Rolle der Westeuropäischen Union (WEU) im Europäischen Integrationsprozess, Diss. München 1974, S. 223–269. Dransfelds Fazit lautet: „Entscheidend jedoch für eine Beurteilung der politischen Rolle dieser europäischen Organisation in den
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tive Rolle der WEU in den 1960er Jahren für das Verhältnis zwischen Großbritannien und den EG. Die vertraulichen WEU-Ratssitzungen hätten wirtschaftliche Diskussionen ermöglicht und somit verhindert, dass der Graben zwischen Briten und Kontinentaleuropäern weiter aufgebrochen sei. 12 Peter Schell resümiert, dass die WEU als Ersatzlösung in der EG-Erweiterungskrise eine nicht unbedeutende Funktion als Brücke zwischen Großbritannien und den EG-Staaten eingenommen habe. 13 Eberhard Birk stellt in seiner Darstellung der historisch-politischen Rolle der WEU von ihrer Gründung bis in die 1990er Jahre hinein zusätzlich die These auf, dass „die WEU im Zeitraum zwischen ihrer Genese und dem Ende des ideologisch überlagerten Ost-West-Konfliktes immer dann eine politische Aufwertung [erlangte], wenn gewünschte Erfolge und Fortschritte in der jeweiligen europäisch-atlantischen ‚Präferenzorganisation’ nicht oder nur mit erheblichen Problemen zu erreichen waren.“14 Diese Autoren bieten somit wertvolle Hinweise zur Rolle der WEU in der EG-Erweiterungskrise, allerdings greifen sie mit ihren Ergebnissen zu kurz. Diese Untersuchung wird zeigen, dass die WEU weit mehr war als ein reines Kontaktforum mit einer Brückenfunktion. So setzten die EG-Staaten und Großbritannien die WEU als Kriseninstrument ein, mit dessen Hilfe auf den in die Krise geratenen europäischen Integrationsprozess eingewirkt werden sollte. Angesichts der in dieser Untersuchung vertretenen These sind zu Beginn die beiden zentralen Begriffe Krise und Kriseninstrument zu klären. So bezeichnet der Begriff „Krise“ eine schwierige Situation oder den Wendepunkt in einer Entwicklung. Krisen sind Abschnitte eines Entwicklungsprozesses, in denen sich nach Zuspitzung der Situation die weitere Entwicklung entscheidet.15 Diese Definition lässt sich sehr gut auf die EG-Erweiterungskrise anwenden. Die Krise entzündete sich grundsätzlich an der Frage, ob und inwiefern Großbritannien ein gleichberechtigter Partner im europäischen Integrationsprozess sein sollte. Während fünf der EG-Staaten die Erweiterung der EG um Großbritannien – und weitere Staaten – befürworteten, wollte Frankreich unter Präsident de Gaulle Großbritannien sowohl aus den EG als auch aus parallelen politischen Integrationsbemühungen der 1960er Jahre heraushalten. Dabei ging es Frankreich auch um die Frage, inwieweit die innere Entwicklung der EG vor einer Erweiterung festgeschrieben
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sechziger Jahren bleibt, daß allein durch die Existenz der WEU eine progressive Intensivierung der Beziehungen zu Großbritannien ermöglicht wurde und das europäische Einigungswerk – ohne Großbritannien als neben Frankreich einflußreichstem westeuropäischen Staat nur unvollständig – mit ihrer Hilfe vorangetrieben werden konnte.“ Ebenda, S. 261. Eine erfolgreiche Rolle der WEU schlussfolgerte zudem in einem zeitlich besonders frühen Aufsatz Frank von Plehwe: Die Westeuropäische Union im Jahre 1969, in: Außenpolitik 20 (1969), S. 458–464, hier S. 462. Vgl. Winfried Knop: Bundesrepublik Deutschland und Westeuropäische Union, Diss. Bonn 1983, S. 225–248, hier S. 248. Vgl. Peter Schell: Bündnis im Schatten. Die Westeuropäische Union in den 80er Jahren Bonn 1991, S. 64–74, hier S. 65. Eberhard Birk: Der Funktionswandel der Westeuropäischen Union (WEU) im europäischen Integrationsprozeß, Würzburg 1999, hier S. 60. Vgl. Kirt (Hg.), S. 13.
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sein sollte. Mit seinem Veto von 1963 blockierte Frankreich zunächst die EGErweiterung, doch war damit die künftige Entwicklung keineswegs entschieden. Es blieb in dieser kritischen Lage offen, ob ein britischer Beitritt in der Folgezeit möglich wäre oder Großbritannien sich aufgrund der französischen Blockade von den EG abwenden würde. Insgesamt verlief die EG-Erweiterungskrise in drei miteinander verwobenen Konfliktlinien: Erstens betraf die Krise die Frage des künftigen Verhältnisses zwischen Großbritannien und den EG. Zweitens führte die Krise zu internen Unstimmigkeiten unter den EG-Partnern. Drittens wirkte sie sich auf Bestrebungen der EG-Staaten aus, nach dem Veto de Gaulles zu einer engeren Kooperation im politischen Bereich zu gelangen. Ideen für eine Europäische Politische Union (EPU)16 und später die Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) waren eng verknüpft mit der Frage einer britischen Beteiligung beziehungsweise EG-Mitgliedschaft. Da Großbritannien nach dem Abbruch der EWG-Beitrittsverhandlungen auf einer gleichberechtigten Einbindung in außenpolitische Kooperationsüberlegungen beharrte und seitens der EG-Staaten vor allem die Niederlande außenpolitische Integrationspläne ohne britische Partizipation lange Zeit ablehnten, gelang auch in diesem integrationspolitischen Feld bis Ende 1969 kein Durchbruch. 17 Somit waren die Jahre 1963 bis 1969/1970 der Zeitraum, in dem sich die EGErweiterungskrise mit offenem Ausgang auf den europäischen Integrationsprozess sowohl im wirtschaftlichen als auch politischen Bereich auswirkte. Die Krise war in diesen Jahren unterschiedlich stark ausgeprägt. Die Spannungen zeigten sich insbesondere 1963 sowie 1968 und 1969 als unmittelbare Folgen der beiden französischen Vetos, die durch den Harmel-Plan zum Ausbau der WEU-Kompetenzen und den anschließenden französischen WEU-Boykott im Februar 1969 sogar zu einer ernsten WEU-Krise führten. Erst die Haager Gipfelkonferenz vom 1. und 2. Dezember 1969 löste die Erweiterungskrise auf und ermöglichte die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien, die erfolgreiche Inangriffnahme der EPZ sowie indirekt das Ende der WEU-Krise im April 1970. Basierend auf diesem Krisenbegriff versteht diese Untersuchung die WEU in den Jahren 1963–1970 als „Kriseninstrument“, da die EG-Staaten und Großbritannien sie 1963 zur Lösung der EG-Erweiterungskrise heranzogen. Die WEU 16 Mit der EPU meint diese Untersuchung nicht die Fouchet-Pläne, die vor dem Scheitern des britischen EG-Beitrittsgesuches von 1960–1962 diskutiert wurden (vgl. auch Kapitel II.2.). Stattdessen bezieht sich der Begriff EPU in dieser Arbeit auf politische Integrationspläne ab dem Herbst 1963. 17 Vor dem Veto de Gaulles hatte Großbritannien nicht eine sofortige gleichberechtigte Einbindung in außenpolitische Kooperationsformen gefordert. So widerlegt Gabriele Clemens die in der Forschung lange Zeit vorherrschende Auffassung, dass Großbritannien in den Jahren 1961/1962 unbedingt die Teilnahme an der Fouchet-Kommission angestrebt oder offen auf eine Teilnahme gedrängt habe. Vgl. Gabriele Clemens: „A delicate matter“. Großbritannien und die Fouchet-Verhandlungen 1960–1962, in: Journal of European Integration History 11 (2005), S. 104. Stattdessen drängten insbesondere Belgien und die Niederlande auf eine britische Teilnahme an den Gesprächen über die Politische Union, während die britische Regierung durch ein Drängen in diesem Bereich die parallelen EWG-Beitrittsverhandlungen gefährdet sah. Vgl. ebenda, S. 109–110.
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erhielt mit dem beschlossenen außenpolitischen und wirtschaftspolitischen Gedankenaustausch im WEU-Rat eine zusätzliche Funktion, die Auswirkungen auf die Erweiterungskrise und allgemein den europäischen Integrationsprozess ermöglichte, auch wenn 1963 die tatsächliche Wirkungsmöglichkeit der WEU weder absehbar war noch den WEU-Kontakten ein einheitliches Ziel aller WEUStaaten in der EG-Erweiterungskrise zugrunde lag. Der Begriff Kriseninstrument unterscheidet sich deutlich von den bisher vorliegenden Begriffen der „Brückenfunktion“ oder der noch allgemeineren Bezeichnung „Kontaktforum“, die zwar beide zutreffende Elemente beschreiben, in Bezug auf die Rolle der WEU aber unzureichend sind. Während Brückenfunktion lediglich eine kontinuierliche Verbindung zwischen den EG und Großbritannien beschreibt und zugleich eine rein positive Rolle der WEU impliziert, ist der Begriff Kriseninstrument umfassender und differenzierter angelegt. Es geht in dieser Untersuchung nicht nur darum zu zeigen, inwiefern die WEU als Brücke zwischen den EG und Großbritannien diente. Vielmehr wird auch geprüft, ob und mit welchen unterschiedlichen Zielen die Mitgliedstaaten die WEU systematisch als Instrument sowohl in der EG-Erweiterungskrise als auch in Bezug auf politische Kooperationsformen im europäischen Integrationsprozess der 1960er Jahre einsetzten. Die genaue Analyse der nationalen Ziele und Vorgehensweisen wird verdeutlichen, dass die Mitgliedstaaten die WEU unterschiedlich einsetzen wollten und konnten. Auf den ersten Blick scheint mit einem Kriseninstrument allein das Ziel verbunden, die Krise aufzulösen oder abzumildern. Allerdings sagte die Einigung auf die WEU-Kontakte im Juli 1963 noch nichts darüber aus, welche konkreten Ziele und Erwartungen die Teilnehmerstaaten mit der WEU verknüpften und wie sich diese auf die Arbeit der WEU auswirkten. So war es mittels der WEU-Kontakte ebenso möglich, eine Lösung in der EG-Erweiterungskrise zu verzögern beziehungsweise die weitere Entwicklung zu blockieren. Diese negative Stoßrichtung – die im Begriff „Brückenfunktion“ nicht enthalten ist – wird sich im grundsätzlichen französischen Verhalten zeigen sowie beim britischen Versuch, die WEU gegen eine exklusive europäische politische Zusammenarbeit der EG-Staaten einzusetzen. Die vorliegende Untersuchung zur WEU als Kriseninstrument wird gleich mehrere Lücken in der bisherigen Forschung schließen. So ist es erstens umstritten, ob die WEU in den Jahren 1963–1970 tatsächlich eine erfolgreiche Rolle zwischen den EG und Großbritannien eingenommen hat. Laut Wolfgang Hölscher sind die „Zusammenkünfte im Rahmen der WEU […] von bescheidener Wirkung geblieben.“18 Zweitens fehlt es bisher an einer umfassenden Untersuchung der Rolle der WEU in der EG-Erweiterungskrise. So haben Dransfeld, Knop, Schell und Birk die Rolle der WEU weder systematisch untersucht noch anhand der entsprechenden Quellenbestände überprüft. Ihre Aussagen beruhen vornehmlich auf 18 Wolfgang Hölscher: Krisenmanagement in Sachen EWG. Das Scheitern des Beitritts Großbritanniens und die deutsch-französischen Beziehungen, in: Rainer A. Blasius (Hg.): Von Adenauer zu Erhard. Studien zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1963, München 1994, S. 42.
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veröffentlichten Dokumenten, Zeitungsartikeln und Interviews. Drittens kritisiert Ralph Dietl zu Recht, dass die politische Rolle der WEU im europäischen Integrationsprozess bis dato insgesamt viel zu wenig untersucht worden sei. 19 An der Aufforderung Dietls und der bislang umstrittenen und kaum belegten Rolle der WEU in der EG-Erweiterungskrise setzt die vorliegende Arbeit an, die diese besondere Rolle der WEU erstmals auf Basis umfassender Quellenanalysen und aus dem Blickwinkel der beteiligten Staaten heraus untersucht. Zugleich überprüft die Untersuchung Birks These zur temporären Aufwertung der WEU am speziellen Fall der EG-Erweiterungskrise. Im Zentrum steht dabei die Frage: Mit welchen Zielen, in welcher Form und mit welchen Ergebnissen nutzten Frankreich, Großbritannien und die Bundesrepublik Deutschland die WEU in der EGErweiterungskrise von 1963–1970? Diese Untersuchung wird anhand der EG-Erweiterungskrise erläutern, inwieweit eine externe Organisation wie die WEU den in Brüssel zentrierten supranational ausgerichteten europäischen Integrationsprozess – gerade in Krisenzeiten – beeinflussen sollte und konnte. Zumeist wird in diesem Zusammenhang bisher der Blick allein auf die EG gerichtet, wohingegen die Untersuchung alternativer Strukturen und möglicher abweichender integrationspolitischer Pfade zu kurz kommt. So spielt die WEU in vielen bisher vorliegenden Monographien und Aufsätzen, die sich speziell mit den britischen EG-Beitrittsgesuchen von 1963 und 1967 und den Folgen der französischen Vetos befassen, praktisch keine Rolle.20 Gleiches gilt für Arbeiten, die sich mit weiteren Aspekten der EG-Entwicklung in den 1960er Jahren beschäftigen.21 Es finden sich lediglich in einigen Werken
19 Vgl. Ralph Dietl: Emanzipation und Kontrolle. Europa in der westlichen Sicherheitspolitik 1948–1963. Eine Innenansicht des westlichen Bündnisses. Band I: Der Ordnungsfaktor 1948– 1958, Stuttgart 2006, S. 29. 20 Zu den Auswirkungen des ersten französischen Vetos siehe u. a. Rolf Steininger: Großbritannien und de Gaulle. Das Scheitern des britischen EWG-Beitritts im Januar 1963, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 44 (1996), S. 87–118. Zum zweiten britischen EG-Beitrittsgesuch vgl. u. a. Helen Parr: Britain’s Policy Towards the European Communities, 1964–1967: Harold Wilson and Britain’s World Role, London 2006, Melissa Pine: Harold Wilson and Europe: Pursuing Britain’s Membership of the European Community, London 2007, Katharina Böhmer: ‘We Too Mean Business’: Germany and the Second British Application to the EEC, 1966–67, in: Oliver J. Daddow (Hg.): Harold Wilson and European Integration: Britain’s Second Application to Join the EEC, London 2003, S. 211–226, Gérard Bossuat: De Gaulle et la seconde candidature britannique aux Communautés européennes (1966–1969), in: Loth (Hg.): Crises and Compromises. The European Project, 1963–1969, Baden-Baden 2001, S. 511–538 und Gerhard Wille: „Which Europe? Quelle Europe? Welches Europa?“ British, French and German Conceptions of Europe and Britain’s Second Attempt to Join the EEC, in: Katrin Rücker/Laurent Warzoulet (Hg.): Quelle(s) Europe(s)? Which Europe(s)? Nouvelles approches en histoire de l’intégration européenne, Brüssel u. a. 2006, S. 225–237. 21 Siehe u. a. Wilfried Loth (Hg.): Crises and Compromises: The European Project, 1963–1969, Baden-Baden 2001 sowie Marie-Thérèse Bitsch: Histoire de la construction européenne de 1945 à nos jours, Brüssel 1996 und Hans von der Gröben: Aufbaujahre der Europäischen Gemeinschaft. Das Ringen um den Gemeinsamen Markt und die Politische Union (1958– 1966), Baden-Baden 1982.
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kurze Anmerkungen zum WEU-Kompromiss 196322 und zu nationalen Positionen zur WEU23, die in anderen Forschungszusammenhängen getroffen wurden und dieser Untersuchung nicht mehr als erste Impulse geben können. Anders verhält es sich mit einem Aufsatz von Vincent Dujardin zur Belebung der WEU in den 1960er Jahren. Dujardin befasst sich explizit mit dem Harmel-Plan und dessen Folgen in den Jahren 1968–1970. Der Plan des belgischen Außenministers Pierre Harmel für erweiterte wirtschaftliche und außenpolitische Funktionen der WEU habe sich nach Dujardin als Fehlschlag erwiesen, da er im französischen WEUBoykott resultierte.24 Zugleich hätten der Harmel-Plan und die ausgelöste WEUKrise geholfen, den britischen EG-Beitritt noch stärker ins europapolitische Bewusstsein zu führen und den französischen Präsidenten Pompidou von der Notwendigkeit zu überzeugen, den französischen Widerstand gegen die EGErweiterung aufzugeben. 25 Diese These Dujardins über die Auswirkung der WEU auf die EG-Erweiterungskrise wird in dieser Untersuchung überprüft. Kritisch betrachtet werden muss zudem die Anmerkung Schells, dass die WEU mehr als eine Ersatzlösung in der EG-Erweiterungskrise hätte sein können und erst der Rücktritt de Gaulles eine längerfristige und stärkere Rolle der WEU überflüssig gemacht habe. 26
22 Piers N. Ludlow bezeichnet den Rückgriff auf die WEU 1963 als einzig möglichen Kompromiss, dem auch Frankreich habe zustimmen können, da es unbedingt weitere Diskussionen mit Großbritannien im Rahmen der EG habe verhindern wollen. Die WEU-Option sei vergleichsweise attraktiv erschienen. Vgl. Piers N. Ludlow: The European Community and the Crises of the 1960s. Negotiating the Gaullist Challenge, London 2006, S. 28. 23 Zur britischen Haltung zur WEU vgl. Daniel Möckli: European Foreign Policy during the Cold War. Heath, Brandt, Pompidou and the Dream of Political Unity, London 2009, S. 27/28 und S. 35–40, Melissa Pine: Harold Wilson and Europe: Pursuing Britain’s Membership of the European Community, London 2007, insbesondere S. 85–105, 118–130, 149 und 178/179, hier S. 88 sowie Gabriele Clemens: Der Beitritt Großbritanniens zu den Europäischen Gemeinschaften, in: Franz Knipping (Hg.): Aufbruch zum Europa der Zweiten Generation. Die europäische Einigung, 1969–1984, Trier 2004, S. 306–328, hier S. 321. Zur deutschen Position (in dieser Untersuchung synonym mit bundesdeutsch verstanden) vgl. Henning Türk: Die Europapolitik der Großen Koalition, 1966–1969, Oldenburg/München 2006, S. 175–188. Für die französische Haltung vgl. Hanns Jürgen Küsters: Die Entstehung und Entwicklung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit aus deutscher Perspektive, in: Franz Knipping (Hg.): Aufbruch zum Europa der Zweiten Generation. Die europäische Einigung, 1969–1984, Trier 2004, S. 131–149, hier S. 135–137 sowie Esther Kramer: Europäisches oder atlantisches Europa? Kontinuität und Wandel in den Verhandlungen über eine politische Union 1958–1970, Baden-Baden 2003, zgl. Diss. Münster, 2002, S. 155–157. 24 Vgl. Vincent Dujardin: The Failed Attempt to Relaunch the WEU and the Issue of the First Enlargement, in: Journal of European Integration History 12 (2006), S. 25–41, hier S. 40. Vgl. zudem Ders.: Pierre Harmel, Brüssel 2004, S. 469–538. 25 Vgl. Dujardin, Failed Attempt, S. 41. 26 „Daß diese Ersatzlösung zum Dauerzustand und schließlich zur strukturellen Rahmenbedingung für die Kooperation der beteiligten Staaten hätte werden können, zeigt das zweite britische Beitrittsgesuch.“ Schell, S. 65. „Jenes von der de Gaulleschen Intransigenz provozierte Vorhaben, eine sektorale Arbeitsteilung zwischen EG und WEU vorzunehmen, also die politische (das heißt außenpolitische und sicherheitspolitische) Kooperation auf der Grundlage
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2. VORGEHENSWEISE UND QUELLENKORPUS Im Zentrum der Untersuchung steht die Indienstnahme der WEU durch die Mitgliedstaaten und das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Ziele und Forderungen im WEU-Rat. Dabei richtet sich der Fokus auf Großbritannien, Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland, deren Zielsetzungen, Vorgehen und Bewertungen analysiert werden. Die Konzentration auf diese drei Staaten ist aus zwei Gründen sinnvoll: Erstens waren Frankreich, Großbritannien und die Bundesrepublik aufgrund ihrer Größe sowie ihrer wirtschaftlichen und politischen Bedeutung die einflussreichsten Staaten in Westeuropa und spielten in der EG-Erweiterungskrise besonders wichtige Rollen. Zweitens wird das Spektrum der nationalen Interessenlagen in der EG-Erweiterungskrise und in Bezug auf die WEU mit diesen drei Staaten gut abgedeckt: Großbritannien strebte den EG-Beitritt an, so dass ihm als Ausgangsannahme eine aktive Nutzung der WEU sowohl bezüglich der EGErweiterung als auch für eine allgemeine Einflussnahme auf den europäischen Integrationsprozess unterstellt werden kann. Frankreich bietet die Gegenposition, da es den britischen Beitritt ablehnte. Somit ist es unwahrscheinlich, dass Frankreich die WEU für die EG-Erweiterung einsetzen wollte. Stattdessen könnte es Frankreich darum gegangen sein, den Streit mit seinen EG-Partnern über die Erweiterungsfrage zu beenden und zugleich mittels der WEU-Kontakte in der Frage des britischen EG-Beitrittes auf Zeit zu spielen. Die Bundesrepublik Deutschland repräsentiert eine Mittelposition, da sie trotz ihrer generellen Sympathie für den britischen EG-Beitritt zwischen den Fronten stand und sich um eine ausgewogene Haltung in der Erweiterungskrise bemühte. Somit ermöglicht es diese multinationale Perspektive, das Potential und die Rolle der WEU von 1963 bis 1970 ausgewogen zu beleuchten. Die Fokussierung auf diese drei Staaten bedeutet nicht, die Benelux-Staaten und Italien aus der Analyse auszublenden. Deren Positionen werden einbezogen, sofern sie inhaltlich durch besondere Forderungen hervorstachen oder für die Entwicklung und Arbeit der WEU essentiell waren. Allerdings wird mit dieser Untersuchung nicht der Anspruch erhoben, die Positionen dieser vier WEU-Staaten umfassend zu erarbeiten. Mit ihrer vergleichenden, multinationalen Perspektive und der zentralen Rolle der Mitgliedstaaten steht diese Untersuchung in Tradition der Diplomatiegeschichte und der Geschichte der Internationalen Beziehungen, wobei letztere laut Wirsching als Kriseninterpretations- und Krisenbewältigungswissenschaft verstanden werden muss. 27 Ähnlich sieht es Trachtenberg, der divergierende natiodes erweiterten und modifizierten Brüsseler Vertrages in der WEU und die wirtschaftliche Zusammenarbeit in der EG zu institutionalisieren, war überflüssig geworden.“ Schell, S. 72. 27 Vgl. Andreas Wirsching: Internationale Beziehungen, in Eibach/Lottes (Hg.), S. 115. Vgl. zudem Reiner Marcowitz: Von der Diplomatiegeschichte zur Geschichte der Internationalen Beziehungen. Methoden, Themen, Perspektiven einer historischen Teildisziplin, in: Francia 32/3 (2005), S. 75–100 und Wilfried Loth/Jürgen Osterhammel (Hg.): Internationale Geschichte. Themen – Ergebnisse – Aussichten, München 2000. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Ansicht von Allers, dass es bis heute keine einhellige Auffassung darüber gebe, was eine umfassende Politikgeschichte auszuzeichnen habe. Einigkeit bestehe lediglich
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nalstaatliche Ziele und daraus resultierende Konflikte als Ausgangspunkt internationaler Politik annimmt.28 Beide Definitionen stehen im Einklang mit der in dieser Untersuchung vertretenen These, die die WEU so definiert, dass diese mit unterschiedlichen nationalstaatlichen Zielen als Kriseninstrument in der EGErweiterungskrise eingesetzt wurde. Durch die dieser Arbeit zugrundeliegende multinationale und multiarchivalische Herangehensweise erweitert die vorliegende Untersuchung zudem die in der Integrationsgeschichtsschreibung vorwiegend gewählte nationale Perspektive auf den europäischen Integrationsprozess. 29 Methodisch erfolgt die Untersuchung in zwei Schritten. Diese Arbeit untersucht und erläutert erstens die Ziele, die Frankreich, Großbritannien und die Bundesrepublik mit der WEU verbanden sowie die jeweilige Bewertung der Arbeit in der WEU. Hierzu dienen vor allem interne Dokumente der jeweiligen Außenministerien, die für die Arbeit in der WEU verantwortlich waren. Im Vordergrund stehen sowohl Akten aus hoher außenpolitischer Leitungsebene als auch aus den Fachabteilungen und Referaten, die für die WEU zuständig waren. Die Auswertung der deutschen Position basiert primär auf Archivmaterial aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin. Die Arbeit mit britischem Quellenmaterial stützt sich vorwiegend auf Dokumente des Foreign Office, die sich in den National Archives in London befinden. Die französische Recherche erfolgte im Archiv des Ministère des Affaires Étrangères in Paris. Punktuell stützt sich die Quellenanalyse zudem auf Akten der Staats- beziehungsweise Regierungschefs, 30 wobei sich die Vorgaben der Staats- und Regierungschefs zumeist durch Dokumente der Außenministerien recherchieren lassen. Gleiches gilt für die Positionen der Wirtschaftsministerien, die gewöhnlich in die Vorbereitungen der WEU-Wirtschaftsdiskussionen durch die Außenministerien einflossen. Mit Hilfe der Dokumente des Auswärtigen Amtes, des Foreign Office und des Quai d’Orsay lassen sich sehr gut die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den grundsätzlichen europapolitischen Zielsetzungen sowie daraus abgeleitete Erwartungen an die WEU ermitteln. So wurden in den Protokollen, Memoranden, Telegrammen und Briefen darüber, dass die Erschließung von Regierungsarchiven und die Rekonstruktion regierungsinterner Entscheidungen nach wie vor eine wichtige und exklusive Aufgabe des Historikers ausmache. Vgl. Robin M. Allers: Besondere Beziehungen: Deutschland, Norwegen und Europa in der Ära Brandt (1966–1974), Bonn 2009, zgl. Diss. Hamburg 2006, S. 34. 28 Vgl. Marc Trachtenberg: The Craft of International History. A Guide to Method, Princeton/Oxford 2005, S. 141. 29 Laut Kaiser sind integrationspolitische Themen zwingend aus einer multinationalen und multiarchivalischen Perspektive zu betrachten. Vgl. Wolfram Kaiser: Vom Staat zur Gesellschaft? Zur Historiographie der europäischen Integration, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 55 (2004), S. 672. Zur europäischen Integrationsgeschichte siehe u. a. John R. Gillingham: A Theoretical Vacuum: European Integration and Historical Research Today, in: Journal of European Integration History, Bd. 14, Nr. 1 (2008), S. 27–34 und Wilfried Loth: Explaining European Integration: The contribution from Historians, in: Journal of European Integration History, Bd. 14, Nr. 1 (2008), S. 9–26. 30 Die Untersuchung nutzt u. a. Akten aus dem Bundeskanzleramt, die sich im Bundesarchiv in Koblenz befinden sowie Akten aus dem Büro der britischen Premierminister und dem Cabinet Office, die in den National Archives aufbewahrt sind.
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der Außenministerien beispielsweise das Potential aber auch die Risiken der WEU für eigene politische Zielsetzungen erläutert und mit alternativen Handlungsoptionen verglichen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang zudem die Frage, wie sich die Mitgliedstaaten die weitere Entwicklung der WEU-Strukturen und ihrer Kompetenzen vorstellten, da diese Frage unmittelbar mit der Rolle der WEU in der EG-Erweiterungskrise und allgemein im europäischen Integrationsprozess verknüpft war. Hervorzuheben ist hier der Harmel-Plan aus dem Oktober 1968, der intensive Diskussionen über einen Ausbau der WEU zu einem wirklichen außenpolitischen Konsultationsforum initiierte und aufgrund interner Streitigkeiten über die Rolle der WEU im europäischen Integrationsprozess zum französischen WEU-Boykott führte. Die Dokumente bieten zusätzlich den Vorteil, dass die Arbeit der WEU sowie das Verhalten der anderen Mitgliedstaaten darin deutlich offener als im bi- oder multilateralen Austausch bewertet beziehungsweise kritisiert wurden. Somit lassen sich bereits aus diesen Quellen viele Rückschlüsse auf die Arbeit (in) der WEU ziehen. Zweitens analysiert diese Untersuchung das aus den nationalen Zielen resultierende Vorgehen der Staaten im WEU-Ministerrat und im Rat der Ständigen Vertreter31 sowie ergänzend im bilateralen Austausch. Auf der multilateralen Ebene überprüft die Untersuchung das Auftreten der Staaten auf den WEURatstreffen sowie die dort besprochenen Themen. Die Diskussionen im WEU-Rat lassen sich – ebenso wie die bilateralen Gespräche – mittels Aufzeichnungen der Außenministerien erschließen.32 Dabei stehen Themen und Diskussionen im Vordergrund, die für das Verhältnis zwischen den EG und Großbritannien besonders wichtig waren, sich mit der europäischen außenpolitischen Zusammenarbeit befassten oder die Entwicklung der WEU betrafen. Zu untersuchen ist anhand der vorliegenden Quellen, inwiefern die WEU-Treffen sich auf die EG-Erweiterungskrise und die Ausgestaltung der politischen Kooperation in Europa auswirkten. Inhaltlich konzentriert sich die Untersuchung dabei allein auf die politische und wirtschaftliche Rolle der WEU, da diese beiden Funktionen den Rückgriff auf die WEU 1963 angesichts der EG-Erweiterungskrise begründeten. Die militärischen und rüstungspolitischen Funktionen der WEU werden hingegen ausgeblendet, da diese weder in der EG-Erweiterungskrise noch bezüglich einer engeren 31 Im Folgenden mit „Ständiger WEU-Rat“ abgekürzt. Für nähere Informationen vgl. Kapitel II.1. 32 Die Akten der WEU waren während der hier durchgeführten Quellenauswertung nicht zugänglich. Wiederholte Anfragen bei der WEU führten zu der Auskunft, dass die WEU-Akten nur bis einschließlich des Jahres 1958 einsehbar seien. Für diese Untersuchung ist dieser Quellenkorpus aber auch nicht zwingend notwendig zu bearbeiten. Für die Fragestellungen der vorliegenden Untersuchung sind nationalen Dokumente wertvoller, da sich dort die nationalen Ziele und Bewertungen besser herausarbeiten lassen als allein durch die Protokolle der Ratssitzungen. Zugleich lassen sich die Diskussionen im WEU-Rat bereits sehr gut durch den Abgleich der jeweiligen nationalen Aufzeichnungen rekonstruieren. Dennoch sei erwähnt, dass seit 2012 – als das Manuskript dieser Arbeit bereits abgeschlossen war – die offiziellen WEU-Protokolle der WEU-Ratssitzungen freigegeben wurden und im luxemburgischen Nationalarchiv (Archives nationales de Luxembourg) einsehbar sind.
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europäischen politischen Kooperation von Bedeutung waren. Zudem richtet sich der Blick der Untersuchung exklusiv auf den WEU-Rat, da allein dort – nicht aber in der WEU-Versammlung – der neu formierte wirtschaftliche und politische Gedankenaustausch stattfand und dort die Außenminister und hohe Ministerialbeamte die offiziellen Positionen der WEU-Staaten vertraten. 3. GLIEDERUNG Die Untersuchung ist chronologisch aufgebaut, da sich vier zeitlich aufeinander folgende Arbeitsphasen der WEU nachweisen lassen. Innerhalb der chronologisch geordneten Kapitel folgt eine inhaltliche Aufteilung nach Themenaspekten. Diese Untersuchung unterscheidet zwischen der politischen und wirtschaftlichen Rolle der WEU. Durch diese Aufteilung lassen sich die unterschiedlichen nationalen Ziele, die Veränderungen der Ansprüche an die WEU sowie die Auswirkungen der WEU-Arbeit übersichtlich aufzeigen. Vor dem Einstieg in den eigentlichen Forschungszeitraum bietet Kapitel II einen kurzen Überblick über die geschichtliche Entwicklung der WEU, ihren organisatorischen Aufbau, ihre Kompetenzen und ihre Rolle im europäischen Integrationsprozess vor dem Beginn der EG-Erweiterungskrise. Den Kern der Arbeit bilden die Kapitel III–VII, die den Zeitraum von 1963 bis 1970 umfassen. Kapitel III befasst sich mit der Zeit von Januar bis Oktober 1963. Hier werden die Ausgangsituation nach dem Veto de Gaulles, grundlegende nationale Ziele, die Suche nach einer Kontaktmöglichkeit zwischen den EG-Staaten und Großbritannien und die Auswahl der WEU als Kompromiss dargestellt. Kapitel IV behandelt die erste Phase der WEU in dieser Sonderfunktion, die mit dem ersten Ministertreffen im Oktober 1963 in Den Haag begann. Das Ende dieses Kapitels markiert der britische Regierungswechsel im Oktober 1964, da das unmittelbare britische EG-Beitrittsinteresse durch die Machtübernahme der Labourregierung Wilsons verschwand. Die EG-Erweiterungskrise verlor zunächst an Brisanz. Kapitel V erstreckt sich bis Oktober 1967. In diesem Abschnitt wird deutlich, dass die WEU selbst zur Zeit des geschwundenen britischen Beitrittsinteresses kontinuierlich als europapolitisches Instrument diente. Zudem offenbarte sich ab März 1966, dass die Labourregierung den EG-Beitritt anzustreben begann und dafür die WEU einsetzte. Höhepunkt war die britische Vorstellung des zweiten EG-Beitrittsgesuches auf dem WEU-Ministertreffen am 4. Juli 1967 in Den Haag. Das Kapitel endet unmittelbar vor der neuerlichen französischen Blockade des britischen Beitritts im November/Dezember 1967. Kapitel VI befasst sich mit der neu aufgeflammten EG-Erweiterungskrise. Es zeigt die Suche Großbritanniens und der „Friendly Five“ nach Alternativ- beziehungsweise Übergangslösungen und erläutert, welche Rolle der WEU zugedacht war. Der Harmel-Plan leitete dann im Oktober 1968 die wichtigste Phase der WEU und zugleich den Streit zwischen Frankreich und seinen WEU-Partnern ein.
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Das Luxemburger WEU-Treffen vom Februar 1969, das am Ende der Entwicklungen des Harmel-Plans stand, beendet dieses Kapitel. Kapitel VII zeigt anschließend die WEU selbst in der Krise. Es behandelt den französischen WEU-Boykott, das uneinige Vorgehen der anderen Sechs, die Suche nach Lösungen und schließlich den Durchbruch in der EG-Erweiterungskrise auf dem Haager Gipfel im Dezember 1969. Zudem erläutert es die französische Rückkehr 1970 an den WEU-Ratstisch. Kapitel VIII wirft einen kurzen Blick auf das Ende der WEU als Kriseninstrument angesichts der begonnenen EG-Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien sowie die Schaffung der EPZ, bevor in der Schlussbetrachtung die Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst werden.
II. ENTSTEHUNG UND ENTWICKLUNG DER WEU (1954–1962) 1. ENTSTEHUNG, KOMPETENZEN UND AUFBAU Die Wurzeln der WEU reichen bis in die 1940er Jahre zurück. Am 4. März 1947 schlossen Frankreich und Großbritannien den Dünkirchener Vertrag, der gegenseitige Unterstützung für den Fall eines deutschen Angriffs vorsah. Aufgrund des sich entwickelnden Ost-West-Konfliktes erweiterte eine britische Initiative den Vertrag um die Benelux-Staaten, die ihre Neutralitätspolitik aufgaben. Folge war der Brüsseler Pakt vom 17. März 1948, der unkündbar auf 50 Jahre abgeschlossen wurde.1 Dieser richtete sich formal gegen eine deutsche Aggression und zielte zugleich angesichts des Ost-West-Konfliktes auf die Sowjetunion ab. Neben der Verteidigung sollte der Vertrag einen Rahmen für soziale, kulturelle und wirtschaftliche Zusammenarbeit bieten.2 Die Frage der deutschen Wiederbewaffnung angesichts des sich verschärfenden Ost-West-Konfliktes war dafür verantwortlich, dass sich aus dem Brüsseler Pakt die WEU entwickelte. Der Ost-West-Konflikt führte dazu, dass die USA und einige westeuropäische Staaten die militärische Integration der Bundesrepublik Deutschland in die NATO vorantrieben, obgleich der Zweite Weltkrieg noch keine zehn Jahre zurücklag. Die von den USA und Großbritannien als notwendig erachtete deutsche Wiederbewaffnung ging in Frankreich mit Sorgen über ein bewaffnetes Deutschland einher, weshalb der deutschen Remilitarisierung Grenzen gesetzt werden sollten. Ein erster Versuch war die EVG, doch scheiterte deren Ratifizierung an einer fehlenden Mehrheit in der französischen Nationalversammlung.3 Nach diesem ersten Fehlschlag galt es einen anderen Weg zu finden, die deutsche Wiederbewaffnung zuzulassen und dabei das militärische Potential der Bundesrepublik zu kontrollieren. Ferner galt es eine Form der Zusammenarbeit zu finden, die Frankreichs Furcht vor Souveränitätsverlusten, die zur Ablehnung der EVG geführt hatte, gegenstandslos werden ließ. Zudem war eine britische Beteiligung – möglichst durch Engagement auf dem europäischen Kontinent – notwen1 2
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Siehe den Wortlaut des Brüsseler Vertrages vom 17.3.1948, in: Gerfried Brandtstetter (Hg.): Die Westeuropäische Union. Einführung und Dokumente, Wien 1999, S. 71–75. Siehe ebenda sowie Birk, S. 48–50 und Knop, S. 30. Bereits 1950 übernahm die North Atlantic Treaty Organisation (NATO) die Arbeit des Brüsseler Pakts im Bereich der Kommandoorganisation, da die westeuropäische Verteidigung im NATO-Rahmen sinnvoller organisiert werden konnte. Vgl. Knop, S. 31. Zur EVG und ihrem Scheitern vgl. Edward, Fursdon: The European Defence Community: A History, London/Basingstoke 1980 und Wolfram Kaiser: „Une bataille est perdue, mais la guerre reste à gagner“ – Das Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft 1954 und der Durchbruch zur horizontalen Wirtschaftsintegration, in: Kirt (Hg.): Europäische Union, S. 79–93.
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dig, weil Frankreich die britische Mitgliedschaft als Sicherheitsäquivalent gegenüber der bewaffneten Bundesrepublik ansah. Ein bundesdeutscher NATO-Beitritt allein versprach aus französischer Sicht keine Lösung, da dieses Bündnis gleichberechtigter und gleichverpflichteter Staaten einer militärischen Kontrolle der Bundesrepublik widersprach. 4 Vor diesem Hintergrund brachte der britische Außenminister Anthony Eden die Idee ins Spiel, auf den Brüsseler Pakt zurückzugreifen.5 Auf zwei Konferenzen in London (28.9. bis 3.10.1954) und Paris (19. bis 23.10.1954) beschlossen die Mitgliedstaaten des Brüsseler Paktes gemeinsam mit den USA, Kanada, Italien und der Bundesrepublik, den Brüsseler Pakt zur WEU zu erweitern. Mit der Unterzeichnung der Pariser Verträge am 23. Oktober 1954 und dem Inkrafttreten am 5. Mai 1955 entstand die WEU. Neben den bisherigen Mitgliedsstaaten des Brüsseler Paktes traten auch die Bundesrepublik – die ihre staatliche Souveränität weitgehend erlangte – und Italien der WEU bei. 6 Wichtige Punkte der Pariser Verträge waren eine Überarbeitung der Brüsseler Verträge – der Aspekt einer Abwehr vor einem deutschen Angriff wurde entfernt – und vier Zusatzprotokolle.7 Wichtigste Funktion der WEU war die gegenseitige Rüstungskontrolle, so gab es Obergrenzen für die militärischen Kapazitäten der Mitgliedstaaten.8 Die Rüstungsbeschränkungen galten insbesondere für die Bundesrepublik, die sich zum Verzicht auf atomare, biologische und chemische Waffen sowie einige schwere konventionelle Waffen bereit erklärte.9 Zudem enthielt der WEU-Vertrag mit dem Artikel V eine automatische gegenseitige militärische Beistandsverpflichtung.10 Der WEU-Vertrag deckte darüber hinaus weitere Aufgabenbereiche ab. Die Mitgliedstaaten schrieben der WEU wirtschaftliche, soziale und kulturelle Kompetenzen zu, so dass eine gewichtige Rolle der WEU im euro4 5
Vgl. Knop, S. 24/25. Laut Birk ist der Einsatz Edens entscheidend für das Gelingen der WEU gewesen, obgleich auch von deutscher und französischer Seite „Geburtshilfe“ für die WEU reklamiert werde. Vgl. Birk, S. 62/63. 6 Zu den beiden Konferenzen vgl. Knop, S. 42–61 und Birk, S. 62–73. 7 Pariser Verträge vom 23. Oktober 1954, in: EA 9 (1954), S. D. 7127–7134. Für eine detaillierte Zusammenfassung siehe Dransfeld, S. 42–46. Das Protokoll Nr. 1 stellte den Beitritt der Bundesrepublik Deutschlands und Italiens fest und modifizierte Passagen des Brüsseler Vertrages. Es bestimmte zudem die Einsetzung eines WEU-Ministerrates und definierte dessen Kompetenzen. Das Protokoll Nr. 2 fixierte die maximale Truppenstärke jedes Landes auf dem Kontinent und enthielt die britische Verpflichtung, auf dem europäischen Festland vier Divisionen und die Zweite Taktische Luftflotte zu belassen. Die Protokolle Nr. 3 und Nr. 4 präzisierten die Rüstungskontrolle und legten die Aufgaben eines neu zu schaffenden Rüstungskontrollamtes fest. Vgl. ebenda. 8 Vgl. das entsprechende Kapitel bei Birk, S. 86–96. 9 Adenauer hatte den ABC-Waffenverzicht angeregt, um den Erfolg der Konferenz und damit die Aufnahme der Bundesrepublik in die NATO zu retten. Vgl. Birk, S. 69–71. 10 Siehe den Wortlaut des Artikel V (zuvor Artikel IV) des modifizierten Brüsseler Vertrages, in: Brandstetter (Hg.), S. 72. In den Pariser Verträgen wurden die unveränderten Passagen des Brüsseler Vertrages vom 17.3.1948 nicht mehr explizit wiederholt, sondern nur die Modifikationen aufgeführt. Dabei wurde durch Zusatzartikel die Nummerierung alter Artikel teilweise verändert, vgl. Brandstetter (Hg.), S. 100.
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päischen Integrationsprozess in Aussicht gestellt wurde. Allerdings sollte durch die WEU die Arbeit in anderen Organisationen weder dupliziert noch behindert werden. 11 Diese möglichen Kompetenzüberschneidungen mit anderen europäischen Organisationen wirkten sich in den folgenden Jahren auf die tatsächliche Rolle der WEU aus (vgl. dazu Kapitel II.2.). Zudem forderten die Mitgliedstaaten in der Präambel des WEU-Vertrages, mit der WEU die „Einheit Europas zu fördern und seiner fortschreitenden Integrierung Antrieb zu geben“. 12 Dies war ein weitgehender theoretischer Anspruch in dieser frühen Phase des europäischen Integrationsprozesses, den es in den kommenden Jahren in der Praxis zu bestätigen galt. Im Gegensatz zu den EG war die WEU keine supranationale Organisation, an die die Mitgliedstaaten Souveränitätsrechte abgaben, sondern eine intergouvernementale Organisation. Oberstes Gremium war der Rat auf Außenministerebene. Die Anzahl der Ministertreffen war vertraglich nicht geregelt, so dass der Rat vor 1963 nur unregelmäßig und rotierend in den Hauptstädten der Mitgliedstaaten tagte.13 Der Ministerrat besaß in der WEU die exklusive Entscheidungsbefugnis in allen wichtigen politischen und militärischen Fragen, die er grundsätzlich einstimmig ausüben musste.14 Die dem Ministerrat unterstellte zweite Ebene des Rates bildete der Ständige WEU-Rat. Dieser setzte sich aus den in London akkreditierten Botschaftern der WEU-Staaten und einem gleichrangigen Beamten aus dem Foreign Office zusammen. Der Ständige Rat tagte alle zwei Wochen im WEUGeneralsekretariat in London. Seine Hauptaufgabe war die Vorbereitung der Ministerratssitzungen und er stellte die Aktionsfähigkeit der WEU zwischen den Ministerratssitzungen sicher. Eine Arbeitsgruppe unterstützte den Ständigen Rat.15 Das WEU-Generalsekretariat unterstand einem vom Rat ernannten Generalsekretär, der lediglich über administrative Kompetenzen verfügte. Das Sekretariat bereitete Sitzungen des Rates vor und wertete sie aus. Zudem pflegt es ständige Kontakte mit internationalen Organisationen. 16 Parlamentarisches Organ der WEU war die Versammlung, die sich aus 89 Mitgliedern zusammensetzte, die zugleich Vertreter in der Beratenden Versammlung des Europarats waren.17 Die Versammlung trat zweimal pro Jahr für mehrtägige Sitzungen zusammen. Ab 1964 fanden diese Sitzungen durchgehend in Paris statt. Die WEU-Versammlung verabschiedete Resolutionen und Empfehlungen, hatte aber nur eine beratende
11 Vgl. ebenda, S. 72. 12 Pariser Verträge vom 23. Oktober 1954, in: EA 9 (1954), S. D 7128. 13 Laut Dransfeld hat der Verzicht auf periodischen Ratstreffen bereits die marginale Bedeutung der WEU in den ersten Jahren erkennen lassen. Vgl. Dransfeld, S. 48. 14 Vgl. Knop, S. 104. 15 Für Details zum WEU-Rat vgl. Dransfeld, S. 48/49 und Knop, S. 102–106. 16 Für Details zum WEU-Generalsekretariat vgl. Knop, S. 107. 17 Die Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien stellten je 18, Belgien und die Niederlande je sieben und Luxemburg drei Vertreter in der Versammlung. Vgl. Knop, S. 97/98.
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Funktion. Sie verfügte über keinen direkten Einfluss auf Entscheidungen des Rates.18 Zudem gab es zwei spezifisch rüstungspolitische Gremien. Der Ständige Rüstungsausschuss hatte die Aufgabe, die Rüstungszusammenarbeit zwischen den WEU-Staaten wirkungsvoll zu gestalten. Dazu gehörte eine enge Verbindung zur NATO. Der Ausschuss setzte sich aus weisungsgebundenen Regierungsvertretern zusammen, denen ein Sekretariat mit Sitz in Paris zur Verfügung stand.19 Das ebenfalls in Paris angesiedelte Rüstungskontrollamt hatte die Aufgabe zu überprüfen, ob sich die Bundesrepublik Deutschland an das auferlegte Produktionsverbot bestimmter Waffen hielt. Zudem sollte das Amt kontrollieren, dass die WEUStaaten die Mengenbegrenzung der Waffenbestände auf dem europäischen Festland einhielten.20 Unmittelbar nach ihrer Gründung erschien die WEU nur als ein bescheidener Ersatz für die gescheiterte EVG, allerdings ermöglichte sie den bundesdeutschen Beitritt in die NATO und erfüllte damit ihren primären Zweck. 21 Zugleich bot die WEU mit ihren verschiedenen im Vertrag aufgeführten Kompetenzen einen europapolitisch bedeutsamen Ansatzpunkt, auch wenn über Form und Ausmaß der Nutzung dieses vage formulierten Dialogs- und Kooperationspotentials unter den WEU-Staaten keine unmittelbare Einigung bestand.22 Dies zeigte sich bereits in den ersten Jahren nach der WEU-Gründung. 2. DIE ANFANGSJAHRE DER WEU IM EUROPÄISCHEN INTEGRATIONSPROZESS Während der WEU-Vertrag eine ganze Reihe an Kompetenzen aufgezählt hatte, nahm die WEU diese Aufgaben in der Praxis kaum beziehungsweise nur für einige Jahre wahr. Die WEU trat hauptsächlich als Rüstungskontrollorganisation in Erscheinung, wobei sie verteidigungspolitisch von Beginn an im Schatten der NATO stand. 23 Die wirtschaftliche Kompetenz der WEU nutzten die Mitgliedstaaten nicht, da die wirtschaftliche Koordination bereits innerhalb der EG und der OEEC erfolgte. Der WEU blieben praktisch keine wirtschaftlichen Aufgaben, die nicht besser in diesen eigentlichen Wirtschaftsorganisationen erledigt werden
18 Zur WEU-Versammlung vgl. Dransfeld, S. 50–55 und Knop, S. 93–101. Der Aufbau der Versammlung war in den Pariser Verträgen nicht explizit erwähnt worden, so dass ihre Gründung laut Knop auf einen Nebensatz in Artikel IX des WEU-Vertrages zurückgegangen ist. Vgl. Knop, S. 93. Während ihrer ersten Sitzungsperiode im Juni 1955 gab sich die WEUVersammlung ihre eigene Charta. Vgl. Dransfeld S. 51/52. 19 Zum Ständigen Rüstungsausschuss vgl. Dransfeld, S. 97–99 und Knop S. 107–109. 20 Zum Rüstungskontrollamt vgl. Dransfeld, S. 86/87 und Knop, S. 112–114. 21 Vgl. Dransfeld, S. 96/97. 22 Vgl. Dietl, Emanzipation und Kontrolle I, S. 248. 23 Die Untersuchung verzichtet angesichts der hier behandelten Fragestellung auf eine nähere Skizzierung der rüstungspolitischen Aktivitäten in den 1950er und 1960er Jahren.
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konnten. 24 Insbesondere Großbritannien verwies auf die bereits bestehenden Aufgaben der OEEC in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit.25 Besser konnte die WEU in den Anfangsjahren ihre sozial- und kulturpolitischen Aufgaben wahrnehmen. Gerade die kulturelle Homogenität der WEU-Staaten bot eine Grundlage zur Zusammenarbeit. Es gab durchgeführte Aktivitäten wie die Ausweitung der Kontakte zwischen Schülern und Studenten, Lehrern, Universitäten und höheren Beamten. So nahm die WEU eine Art Pionierrolle in dieser Form der Zusammenarbeit ein. Der Wert und die Umsetzbarkeit von Vorschlägen wurden überprüft. Diese Zusammenarbeit in der WEU strahlte auch auf andere Organisationen wie UNSESCO, OEEC und den Europarat aus.26 Der Europarat wurde allerdings auf sozialem und kulturellem Gebiet immer aktiver, wodurch das Engagement der WEU auf diesem Gebiet in den Hintergrund rückte. Zudem wurde beschlossen, die Form der Kooperation auf den Europarat zu begrenzen, um Überschneidungen zu begrenzen. Nach der vollständigen Delegation der sozialen und kulturellen Aufgaben an den Europarat am 27. Mai 1960 befasste sich die WEU nicht mehr mit sozialen und kulturellen Fragen.27 Eine erste Sonderaufgabe der WEU gab es bereits 1955 mit der Überwachung des Saarabkommens, das Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Pariser Verträge am 23. Oktober 1954 abgeschlossen hatten. Das Saargebiet sollte demnach ein europäisches Statut (bei wirtschaftlicher Union mit Frankreich) erhalten. Frankreich hatte dazu eine Volksabstimmung der Saarländer über das Statut gegen den bundesdeutschen Willen durchgesetzt.28 Die Verantwortung für die Durchführung des Referendums über die Saarfrage wurde dem Rat der WEU übertragen. Folge der Abstimmung am 23. Oktober 1955 war die Rückgliederung des Saargebietes an die Bundesrepublik, nachdem sich zwei Drittel der Bevölkerung gegen die europäische Autonomielösung ausgesprochen hatten.29 Die Umsetzung des Saarstatutes war einer der größten Erfolge der WEU in der ersten Phase ihrer Existenz.30 Abgesehen von diesem Erfolg und den kurzzeitig ausgeübten sozialen und kulturellen Kompetenzen spielte die WEU in ihren Anfangsjahren kaum eine Rolle im europäischen Integrationsprozess. Dies war hauptsächlich Großbritanni-
24 Vgl. Knop, S. 138. 25 Vgl. Dransfeld. S. 63. 26 Vgl. Birk, S. 95/96. Bei sozialen Fragen sei der Integrationsgrad sogar höher gewesen als im Europarat, da die WEU-Staaten größere strukturelle Ähnlichkeiten aufwiesen als all die Staaten im Europarat. Vgl. ebenda, S. 95. 27 Vgl. Birk, S. 96. 28 Vgl. Dransfeld, S. 63–65. 29 Vgl. Birk, S. 93. 30 Vgl. Birk, S. 94. Mit der offiziellen Bestätigung des Ergebnisses des Referendums am 14. November 1955 endete das erste Saarmandat der WEU. Ihr wurde noch ein zweites Saarmandat zur Vorbereitung der ersten Wahl zum saarländischen Landtag übertragen. Mit der Konstituierung der neuen saarländischen Regierung am 10. Januar 1956 endete das zweite Saarmandat der WEU. Der Beitritt des Saarlandes zur Bundesrepublik Deutschland erfolgte zum 1. Januar 1957. Vgl. ebenda, S. 94.
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en geschuldet, das eine entsprechende Nutzung der WEU kategorisch ablehnte.31 Großbritannien war Mitte der 1950er Jahre nicht daran interessiert, sich selbst an vertieften Integrationsbemühungen zu beteiligen. 32 Die in der WEU-Präambel verankerte integrationspolitische Rolle im Sinne der europäischen Einigung betrachtete Großbritannien als verbale Floskel ohne praktische Folgewirkungen. Wenig begeistert von den Kooperationspflichten strebte die britische Regierung das „allmähliche Dahinsiechen dieser ungeliebten Organisation“ an. 33 Großbritannien hatte zwar grundsätzlich eine Affinität zu intergouvernementaler anstelle von supranationaler europäischer Zusammenarbeit, doch präferierte es zu diesem Zeitpunkt die Zusammenarbeit in der OEEC und im Europarat, da in diesen beiden Organisationen deutlich mehr als nur sieben europäische Staaten kooperierten. Italien und die Bundesrepublik Deutschland scheiterten zudem 1956 und 1957 mit dem Vorschlag, die WEU-Ministertreffen mit der Frage der EWG-Gründung zu befassen, da sie Hoffnung auf einen britischen Beitritt hegten. Großbritannien lehnte diesen Vorschlag beide Male ab.34 Mit der Gründung der EWG 1957 verlagerte sich das europäische Aktionszentrum endgültig in die Sechser-Gemeinschaft, was das vorläufige Ende aller supranationalen Integrationspläne unter britischem Einschluss bedeutete. Die WEU konnte kein Kernelement der europäischen Integration sein. 35 Stattdessen befand sie sich 1958 aufgrund fehlender Aufgaben in einer Existenzkrise.36 Erst der Meinungswandel der britischen Regierung hin zum Ziel des EGBeitritts zog eine veränderte Einstellung Großbritanniens zur WEU nach sich. Die WEU bot Großbritannien nun die Chance, sowohl auf Regierungs- als auch auf parlamentarischer Ebene den Dialog mit den Sechs einzuleiten.37 Die sechs EGStaaten akzeptierten am 23. Dezember 1959 einstimmig den britischen Wunsch, in der WEU zu siebt über politische Probleme zu sprechen, sofern es sich um keine EG-Angelegenheiten handelte.38 Nachdem Premierminister Macmillan am 31. Juli 1961 vor dem britischen Unterhaus den Beschluss zum EWG-Beitrittsgesuch verkündet hatte, bot die WEU-Ministerratssitzung am 1. August 1961 die 31 Zur destruktiven britischen Haltung vgl. Knop, S. 203, Dransfeld, S. 166–168 und Schell, S. 61–63. 32 Für Großbritanniens Einstellung zur europäischen Integration in den 1950er Jahren vgl. Richard T. Griffiths: A slow one hundred and eighty degree turn: British policy towards the Common Market, 1955–60, in: George Wilkes (Hg.): Britain’s Failure to Enter the European Community, 1961–1963. The Enlargement Negotiations and the Crisis in European, Atlantic and Commonwealth Relations, London 1997, S. 35–50 sowie Alan Milward: The UK and the European Community (Vol. 1). The Rise and Fall of a National Strategy, London 2002. 33 Vgl. Dransfeld, S. 166/167. Laut Schell hätte Großbritannien 1958 seine WEU-Mitgliedschaft am liebsten rückgängig gemacht. Vgl. Schell, S. 62. 34 Vgl. Schell, S. 61. 35 Vgl. Dransfeld, S. 167/168. 36 Vgl. Knop, S. 203. 37 Vgl. Dransfeld, S. 169. 38 Siehe dazu die rückblickende Aufzeichnung Nr. 268 von Courcel an Debré „a/s. Les consultations politiques au sein de l’U.E.O.“ vom 26.2.1969, in: Ministère des Affaires Ètrangères (MAE), Europe, OIGQI, UEO/2024.
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erste Gelegenheit, den britischen Beitrittsantrag gemeinsam zu erörtern. Lordsiegelbewahrer Heath informierte die Sechs offiziell über die britische Entscheidung, und die EG-Staaten betonten in einer gemeinsamen Erklärung die Zustimmung zu diesem Schritt.39 Nach Aufnahme der EWG-Beitrittsverhandlungen am 10. Oktober 1961 wurden die WEU-Ministerratstagungen bald ausgesetzt, das vorerst letzte Ministertreffen fand am 10. April 1962 in London statt. Die Regierungen der Sechs bestanden auf ausschließlichen Kontakten mit Großbritannien im EG-Rahmen. Großbritannien sollte nicht über die Möglichkeit verfügen, den WEU-Rat als Beschwerdeinstanz zu nutzen, falls es Verhandlungsschwierigkeiten gebe.40 Zeitgleich mit den britischen EWG-Beitrittsverhandlungen diskutierten die EG-Staaten Anfang der 1960er Jahre über eine europäische politische Kooperation. Konkret standen die sogenannten Fouchet-Pläne mit dem Ziel einer EPU im Mittelpunkt.41 Diese Diskussionen berührten auch die Arbeit der WEU. Es gab Streit unter den EG-Staaten, ob Großbritannien bereits vor einem erfolgreichen EG-Beitritt an der EPU beteiligt werden dürfe. Insbesondere die Niederlande sprachen sich dafür aus, während die Bundesrepublik und Frankreich den britischen EG-Beitritt als Vorbedingung ansahen. 42 Zudem forderten die Benelux-Staaten, für die angestrebte EPU auch die in der WEU bereitgestellten Kooperationsmöglichkeiten zu nutzen, was Frankreich und die Bundesrepublik ablehnten. Die Bundesrepublik tat dies, da das Rüstungskontrollregime der WEU einen die Bundesrepublik diskriminierenden Einschlag beim Ausbau Europas begünstigt hätte. Frankreich beharrte auf der Ausgrenzung Großbritanniens, um damit britische Zugeständnisse erzwingen zu können.43 Dennoch bemühte sich die britische Regierung 1962, die WEU als Forum zu nutzen, um über die Entwicklung der EPU zu diskutieren. 44 Heath forderte auf dem WEU-Ministertreffen am 39 Vgl. Dransfeld, S. 210. Laut Schell hatte die WEU damit „ihre Funktion als Gremium, in dem Großbritannien seinen Annäherungsprozess vollziehen konnte, fürs erste erfüllt.“ Schell, S. 64. 40 Vgl. Dransfeld, S. 213. 41 Zu den Fouchetplänen vgl. Clemens, A delicate matter, S. 103–124, Pierre Gerbet: The Fouchet Negotiations for Political Union and the British Application, in: Wilkes (Hg.), S. 135–143, Bernard Bouwman: ‘Longing for London’: The Netherlands and the Political Cooperation Initiative, 1959–62, in: Anne Deighton (Hg.): Building Post-war Europe. National Decision-Makers and European Institutions, 1948–1963, Basingstoke/New York 1995, S. 141–158 und Wichard Woyke: Die Ablehnung der Fouchet-Pläne oder die Krise der europäischen Verfaßtheit, in: Kirt (Hg.), S. 97–109. 42 Vgl. Dietl, Emanzipation und Kontrolle II, S. 285, Bouwman, S. 155, Woyke, S. 104–107. 43 Vgl. Dietl, Emanzipation und Kontrolle II, S. 388. Für die kritische deutsche Haltung zur WEU vor dem Scheitern der britischen EWG-Beitrittsverhandlungen vgl. zudem Knop, S. 223. 44 Laut Clemens hatte Großbritannien die Fouchet-Verhandlungen 1961 noch primär als eine Gefahrenquelle für den Erfolg der parallelen EWG-Beitrittsverhandlungen angesehen, so dass sich Großbritannien passiv gegenüber den EPU-Verhandlungen zeigen wollte. Zu diesem Zeitpunkt drängten vor allem die Niederlande und Belgien auf eine britische Beteiligung. Vgl. Clemens, A delicate matter, S. 107–110. 1962 modifizierte Großbritannien seine Position. Die britische Regierung wollte nun über die Verhandlungen „offiziell informiert und zu
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10. April 1962 in London, Großbritannien angesichts der positiven EWG-Beitrittsverhandlungen stärker an der politischen Kooperation zu beteiligen. 45 Offen bleibt die Frage, ob der britische WEU-Einsatz zum Scheitern der EPU-Verhandlungen beitrug.46 Zusammengefasst bleibt festzuhalten, dass die WEU in ihrer Anfangsphase nur bescheidene Spuren im europäischen Integrationsprozess hinterließ. Nach der Aufnahme der britischen EWG-Beitrittsverhandlungen schienen sich die Aufgaben der WEU auf die Rüstungskontrolle zu beschränken. Das Veto de Gaulles änderte jedoch schlagartig die europapolitischen Rahmenbedingungen, und die EG-Erweiterungskrise verschaffte der WEU eine zusätzliche Funktion als Kriseninstrument und erhöhte ihren europa- und integrationspolitischen Wert.
einem späteren Zeitpunkt, wenn die Sechs ihre Beratungen über den Vertrag zur Politischen Union beendet hätten und zu einer Übereinkunft gelangt wären, konsultiert […] werden.“ Ebenda, S. 111. 45 Aufzeichnung „WEU Ministerial Meeting, London – April 10 1962, Summary of Statement by the Lord Privy Seal“ vom 10.4.1962, in: Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PA/AA), B1/206. Courcel behauptet, dass Großbritannien bereits 1959/1960 versucht habe, mit der WEU parallele Versuche innerhalb der EG hin zu politischen Konsultationen zu verhindern. Frankreich habe dieses britische Vorgehen unterbunden. Courcel vom 26.2.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2024. Zu den britischen Motiven unmittelbar vor und auf diesem WEU-Treffen bezüglich der EPU-Verhandlungen vgl. Clemens, A delicate matter, S. 113–116. Laut Clemens war die Rede von Heath auf dem WEU-Treffen eine Wende, da er jetzt die britische Beteiligung an den EPU-Verhandlungen forderte. Grund für den Wandel war, dass eine Beteiligung an den EPU-Verhandlungen in Großbritannien mittlerweile als vorteilhafte Taktik für einen Erfolg der EWG-Beitrittsverhandlungen erachtet wurde. Vgl. ebenda, S. 117. 46 Für diese angebliche Auswirkung von Heath’ WEU-Rede vgl. Dietl, Emanzipation und Kontrolle II, S. 285. Laut Dransfeld hatten die WEU-Ministerratssitzungen nicht dazu geführt, eine britische Beteiligung an dem intensivierten außenpolitischen Dialog der EGStaaten zu ermöglichen. Vgl. Dransfeld, S. 213. Clemens schreibt, dass sich Belgien und die Niederlande zwar in ihrer Ablehnung weiterer Fouchet-Verhandlungen auf die Rede von Heath in der WEU bezogen hätten, doch sei dies nur ein willkommener Anlass für den Abbruch der Verhandlungen gewesen. Vgl. Clemens, A delicate matter, S. 118.
III. DIE SUCHE NACH WEGEN AUS DER EG-ERWEITERUNGSKRISE (JANUAR–OKTOBER 1963) 1. DIE KRISE BEGINNT 1.1. Das Scheitern der ersten britischen EWG-Beitrittsverhandlungen Die EG-Erweiterungskrise begann mit einem Paukenschlag, den de Gaulle auf einer Pressekonferenz im Elysée-Palast am 14. Januar 1963 vollführte. De Gaulle verwies auf die Unterschiede zwischen Großbritannien und den kontinentaleuropäischen EG-Staaten, die sich im Agrarbereich und in den britischen Verbindungen zum Commonwealth zeigten. Beides stelle ein großes Problem für einen EGBeitritt dar. Zudem würde das enge anglo-amerikanische Verhältnis dazu führen, dass die EG bei einer britischen Beteiligung in amerikanische Abhängigkeit gerieten. Alles in allem würde der britische Beitritt die EG wesentlich verändern. Dies wolle Frankreich verhindern, so dass ein britischer Beitritt gegenwärtig nicht möglich sei. Stattdessen stellte de Gaulle ein Assoziierungsabkommen der EWG mit Großbritannien in Aussicht.1 Nach dieser denkwürdigen Pressekonferenz standen die britischen EWG-Beitrittsverhandlungen, die zu diesem Zeitpunkt noch um einiges von einem Abschluss entfernt waren, 2 praktisch vor dem Aus.3 Das Veto traf die anderen EG-Staaten und Großbritannien nicht unvorbereitet, da ihnen zuvor die misstrauische Haltung de Gaulles gegenüber einem britischen
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Für Auszüge aus der Pressekonferenz de Gaulles vgl. EA 18 (1963), S. D 88–92. Vgl. Knipping, S. 149. Zu den britischen EWG-Beitrittsverhandlungen und Kontroversen über die Gründe für de Gaulles Veto, die Frage einer britischen Mitschuld am Scheitern der Verhandlungen, die Möglichkeit eines britisch-französischen Nukleardeals als Preis für den Beitritt oder die These eines von Beginn an aussichtslosen britischen Beitrittsgesuches siehe u. a. Oliver Binge: The EEC Crisis of 1963. Kennedy, Macmillan, de Gaulle and Adenauer in Conflict, Basingstoke 2000, S.7, Anne Deighton/Piers N. Ludlow: „A Conditional Application“: British Management of the First Attempt to Seek Membership of the EEC 1961–3, in: Anne Deighton (Hg.): Building Post-war Europe. National Decision-Makers and European Institutions, 1948–1963, Basingstoke/New York 1995, S. 111 u. 122/123, Piers N Ludlow: Dealing with Britain: the Six and the First UK Application to the EEC, Cambridge 1997, S. 204/205 und S. 244–249, Hölscher, S. 29/30, Milward, S. 415/472/483, Wolfram Kaiser, Using Europe, Abusing the Europeans. Britain and European Integration, 1945–63, Basingstoke 1999, S. 192/193, Peter Mangold: The Almost Impossible Ally. Macmillan and de Gaulle, London 2006, S. 194, Maurice Vaisse: De Gaulle and the British ‘application’ to join the Common Market, in: George Wilkes, (Hg), S. 65/67 und George Wilkes: Eye-witness Views of the Brussels Breakdown, in: Ders. (Hg.), S. 214.
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Beitritt bekannt gewesen war.4 Dennoch reagierten die Beitrittsbefürworter verärgert auf die Pressekonferenz.5 Zudem wiesen sie die französische Forderung zurück, die Beitrittsverhandlungen sofort abzubrechen. Der französische Außenminister Couve de Murville musste aufgrund der Haltung der Fünf im EWG-Rat am 17. Januar 1963 zustimmen, die Frage der Beitrittsverhandlungen bei der nächsten EWG-Ratstagung erneut zu diskutieren.6 Allerdings schafften die Fünf es nicht, Frankreich von seiner Haltung abzubringen. Bundeskanzler Adenauer verzichtete darauf, Druck auf de Gaulle auszuüben und die Unterzeichnung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages von einem französischen Einlenken in der Beitrittsfrage abhängig zu machen, obgleich Teile der deutschen Regierung dazu bereit schienen.7 Zuvor gehegte britische Hoffnungen auf die Bundesrepublik erwiesen sich somit als illusorisch. 8 Die EWG-Ministerratssitzung vom 28./29. Januar 1963 besiegelte das Scheitern der Beitrittsverhandlungen. Es gelang den Fünf nicht, sich mit Frankreich auf eine Vermittlungsrolle der EWG-Kommission zu einigen und womöglich einen Kompromiss zu finden. Ratspräsident Fayat stellte fest, dass die Verhandlungen mit Großbritannien nicht fortgeführt werden könnten. 9 Die Erweiterungskrise war endgültig ausgebrochen. EWG-Kommissionspräsident Hallstein bezeichnete sie 4 5
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Vgl. Deighton/Ludlow, S. 119 und Hölscher, S. 11. Aufzeichnung des Staatssekretärs Lahr vom 19.1.1963, in: AAPD 1963I/34, S. 105–108. Lahr teilte Couve de Murville mit, dass der Verlauf der Beitrittsverhandlungen das Veto nicht rechtfertige. Staatssekretär Lahr, z. Z. Brüssel, an Bundesminister Schröder am 17.1.1963, in: AAPD 1963I/30, S. 96/97. Vgl. Hölscher, S. 16/17. Mit der Unterzeichnung des Elysée-Vertrages am 22.1.1963 erfüllte sich Adenauers Traum der deutsch-französischen Aussöhnung. Für Details vgl. Hans-Peter Schwarz: Präsident de Gaulle, Bundeskanzler Adenauer und die Entstehung des Elysée-Vertrages, in: Wilfried Loth/Robert Picht (Hg.): De Gaulle, Deutschland und Europa, Opladen 1991, S. 169–179. Laut Lee ist es dem Taktiker Adenauer zu verdanken, dass der Vertrag trotz der breiten Front kritischer Stimmen unterschrieben wurde. Vgl. Sabine Lee: Germany and the First Enlargement Negotiations, 1961–63, in: Anne Deighton/Alan Milward (Hg.): Widening, Deepening and Acceleration: The European Economic Community 1957–1963, Baden-Baden 1999, S. 222. Ein Einlenken de Gaulles wäre auch bei deutschem Druck unwahrscheinlich gewesen. Vgl. Bange, EEC Crisis, S. 163/164. Jedenfalls war kein Bemühen Adenauers in Paris zu erkennen, de Gaulle umzustimmen. Gespräch des Bundeskanzlers Adenauer mit Staatspräsident de Gaulle in Paris am 21.1.1963, in: AAPD 1963I/37, S. 115/116 sowie am 22.1.1963, in: AAPD 1963I/43, S. 140–147. Stärker im britischen Sinne äußerte sich Außenminister Schröder. Gespräch des Bundesministers Schröder mit Staatspräsident de Gaulle in Paris am 21.1.1963, in: AAPD 1963I/39, S. 128–130. Allerdings war Schröder nicht bereit, für den britischen Beitritt die deutsch-französischen Beziehungen aufs Spiel zu setzen. Vgl. Bange, EEC Crisis, S. 126/127. Das Foreign Office hatte gehofft, dass sich Adenauer für Großbritannien einsetzen würde. Botschafter von Etzdorf, London, an das Auswärtige Amt am 21.1.1963, in: AAPD 1963 I/41, S. 134. Nach der Unterzeichnung des Elysée-Vertrages sei Macmillan in einer Katastrophenstimmung gewesen. Vgl. Mangold, S. 203. Aufzeichnung zur EWG-Ministerkonferenz in Brüssel vom 28./29.1.1963, in: AAPD 1963I/60, S. 205–210.
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als erste echte Krise der EG.10 Nachdem bereits die politischen Integrationsbemühungen durch das Scheitern der EPU-Pläne ins Stocken geraten waren (vgl. Kapitel II.2.), gab es nun auch im wirtschaftlichen Integrationsprozess – der bisher vergleichsweise erfolgreich verlaufen war – ernsthafte Probleme. Ebenso wie im Bereich der politischen Integration spielte dabei die Uneinigkeit der EGStaaten über die Art der Einbindung Großbritanniens eine zentrale Rolle. 1.2. Auf der Suche nach einer Lösung (Ende Januar–Juli 1963) Nach dem Abbruch der EWG-Beitrittsverhandlungen hielten die von Großbritannien so bezeichneten „Friendly Five“ und Großbritannien am Ziel des britischen Beitritts fest und begannen mit der Suche nach Kontakt- und Überbrückungsmöglichkeiten. Dabei war die Bundesrepublik – im Gegensatz zu Großbritannien – von einem doppelten Interesse geleitet, da es neben der EG-Erweiterung zugleich weitere Fortschritte in den EG absichern wollte. Außenminister Schröder gab intern bekannt, dass die Bundesrepublik am britischen Beitritt festhalte, es zugleich aber keine Politik der Ressentiments in den EG geben dürfe. 11 Frankreich hingegen hatte seine Ablehnung des britischen EG-Beitritts deutlich gemacht, war aber ebenfalls daran interessiert, die interne Entwicklung der EG trotz der Erweiterungskrise voranzutreiben. Italien und die Niederlande wiederum zeigten sich bereit, EG-Entwicklungen zu behindern, die im französischen Interesse waren. Die Bundesrepublik lehnte eine solche Reaktion ab und forderte, die EWG wieder ins Laufen zu bringen.12 Vor diesem Hintergrund wurden verschiedene Lösungsvorschläge debattiert, einen institutionalisierten politischen und wirtschaftlichen Kontakt zwischen den EG und Großbritannien herzustellen. Die WEU spielte in diesen Überlegungen von Beginn an eine Rolle.
10 Erklärung des EWG-Kommissionspräsidenten vor dem Europäischen Parlament am 5. Februar 1963, in: EA 18 (1963), S. D 123. 11 Runderlass des Bundesministers Schröder vom 30.1.1963, in: AAPD 1963I/63, S. 222–226. 12 Vgl. Ludlow, The European Community, S. 14–18. Laut Ludlow hätten die „Friendly Five“ die Balance zwischen drei Prioritäten finden müssen. Sie hätten erstens Unterschiede zur Position Frankreichs darstellen und französische Wünsche behindern müssen. Zweitens hätten sie die Bindung zu Großbritannien halten müssen, um das britische Interesse an der EWG zu bewahren. Drittens hätten sie die EWG wiederbeleben müssen, um Frankreich von der Notwendigkeit einer funktionierenden EG zu überzeugen. Es sei schwierig gewesen, all diese Punkte zu erfüllen. Vgl. ebenda. Über die britische Ausgangsposition besteht Einigkeit in der Forschung, dass Großbritannien am Ziel des EWG-Beitritts festhielt. Vgl. u. a. John W. Young: Britain and European Unity, 1945–1992, London 1993, S. 85. Umstritten ist die Frage der Rückwirkungen des Vetos auf die britische Regierung. Laut Dietl hätte sich Großbritannien insgeheim ins Fäustchen gelacht, da das Veto eine starke Sympathiewelle für Großbritannien erzeugt habe. Vgl. Dietl, Emanzipation und Kontrolle II, S. 290. Mangold und Bell kritisieren stattdessen, dass Macmillan nach dem Veto keine Rückfallposition und keine klare Europapolitik besessen habe. Vgl. Mangold, S. 206 und Philip M.H. Bell: France and Britain, S. 207.
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1.2.1. Erfolglose erste WEU-Ideen (Januar–März 1963) Bereits am 29. Januar 1963 besprachen die Fünf mit Großbritannien die Option, im Rahmen einer WEU-Ministerkonferenz über Kontaktmöglichkeiten der EGStaaten mit Großbritannien zu diskutieren. Dabei setze sich vor allem Italien dafür ein, die politischen Kontakte in der WEU intensiver zu nutzen. Die sechs Staaten beschlossen, den Einsatz der WEU zunächst intern zu prüfen und die Gespräche Mitte Februar fortzuführen.13 Die Bundesrepublik stand der Idee einer politischen Reaktivierung der WEU positiv gegenüber, da dies aussichtsreicher schien, als sich um eine anderweitige politische Kooperationsform zwischen den EG-Staaten und Großbritannien zu bemühen. 14 Das Auswärtige Amt attestierte der WEU spezifische Vorteile, da der WEU-Vertrag einen integrationspolitischen Anspruch besitze und die WEU über eine funktionierende und ausbaufähige Organisation verfüge, so dass neue Verhandlungen unnötig seien. Allerdings verwies das Auswärtige Amt auf die Erfolglosigkeit und geringe Bedeutung der WEU in der Vergangenheit. 15 Zudem hielt es die französische Haltung für ausschlaggebend, da es nur bei einem gemeinsamen Willen zur Zusammenarbeit möglich sei, die WEU zur Lösung der EG-Erweiterungskrise einzusetzen. 16 Insgesamt konzentrierte sich das Auswärtige Amt auf die potentielle Rolle der WEU im politischen Bereich, doch hielt es auch Berichterstattungen über wirtschaftliche Fragen in einem WEU-Sonderausschuss für erwägenswert.17 Vorerst plante die Bundesrepublik aber keine eigenen Vorschläge, da zunächst zu klären sei, was für Frankreich und Großbritannien annehmbar wäre.18 Großbritannien suchte Anfang Februar zweigleisig nach wirtschaftlichen und politischen Kontaktmöglichkeiten. Lordsiegelbewahrer Heath – ein überzeugter Pro-Europäer –19 erklärte am 12. Februar vor dem britischen Unterhaus die Grundhaltung der britischen Regierung, sich mit jedem Vorschlag auseinander zu setzen, der keiner langen Verhandlungen bedürfe und den guten Willen aller EG-
13 Fernschreiben Nr. 187 von Harkort, Brüssel, an das AA vom 30.1.1963, in: PA/AA, B1/208 und Botschafter von Etzdorf, London, an Staatssekretär Lahr am 5.2.1963, in: AAPD 1963I/79, S. 265. 14 Aufzeichnung von Carstens „Lage nach dem Scheitern der Englandverhandlungen“ vom 30.1.1963, in: PA/AA, B150/2. 15 Aufzeichnung von Voigt „Mittel und Wege zur Verstärkung der politischen Zusammenarbeit mit Großbritannien“ vom 4.2.1963, in: PA/AA, B20/1238. 16 Aufzeichnung von Voigt „Westeuropäische Union“ vom 6.2.1963, in: PA/AA, B21/443. 17 Aufzeichnung von Lahr „Großbritannien“ vom 4.2.1963, in: PA/AA, B20/1238. 18 Aufzeichnung von Jansen „Beitritt Großbritanniens zur EWG, hier: Stand der Erwägung von Alternativlösungen“ vom 22.2.1963, in: PA/AA, B20/1238. 19 Heath war ein Sonderfall unter den britischen Politikern. Während andere führende Politiker lediglich aus pragmatischen Gründen für die EG-Mitgliedschaft votiert hätten, sei Heath ein glühender Verfechter gewesen. Vgl. John W. Young: Britain and the World in the Twentieth Century, London u. a. 1997, S. 178.
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Staaten demonstriere. 20 Aus britischer Sicht bot die WEU die Chance zu einer neuen Form politischer Kooperation.21 Macmillan hielt es für möglich, dass die WEU eine größere Bedeutung erlangen könnte, wenn sie die sieben Staaten zusammenhielte.22 Dabei befürchtete Großbritannien zu Unrecht, dass die Bundesrepublik einer WEU-Lösung aufgrund ihrer diskriminierenden rüstungspolitischen Bestimmungen kritisch gegenüber stehen könnte. Tatsächlich spielte dies in den deutschen Überlegungen nur eine geringe Rolle.23 Das britische Außenministerium erkundigte sich zudem, was Frankreich von einem Kontaktforum WEU halte, ohne eine klare Antwort zu erhalten.24 Frankreich sah sich im Februar 1963 in einer guten Ausgangsposition. Den französischen Regierungsvertretern war bewusst, dass die EG-Partner und Großbritannien entschlossen waren, einen permanenten Kontakt herzustellen, doch wüssten alle, dass ohne Frankreich keine Lösung möglich sei. 25 Dies gelte auch für die Option, die WEU als politisches Kontaktforum zu nutzen. Der Quai d’Orsay setzte sich dennoch mit der WEU auseinander und beleuchtete auch deren wirtschaftliches Potential. Die WEU verfügte aus französischer Sicht über die notwendigen Kompetenzen für eine verstärkte Nutzung, allerdings hielt der Quai d’Orsay sie für strukturell und personell zu schwach, um eine kontinuierliche wirtschaftliche Rolle zu spielen.26 Nichtsdestotrotz war Frankreich frühzeitig bewusst, welche Möglichkeiten mit der WEU verbunden waren. Nach diesen ersten Sondierungen unterbreitete der belgische Außenminister Paul-Henri Spaak Ende Februar einen konkreten Kontaktvorschlag. Im Wirtschaftsbereich schlug Spaak eine Interimszollunion vor. Für die politischen Kontakte griff der belgische Außenminister auf die WEU zurück. Der WEU-Ministerrat sollte die Zusammenarbeit mit dem Ziel intensivieren, einen neuen Beitrag zur Einigung Europas zu leisten. Der Rat sollte zu vierteljährlichen politischen Kon20 Circular 415/63 von Lord Home an die Kolonien vom 14.8.1963, in: National Archives (NA), T 312/647. 21 Telegramm Nr. 83 von Heath an Brüssel vom 6.2.1963, in: NA, PREM 11/4220. 22 Schreiben Nr. 27/63 von Macmillan and Lord Home vom 27.1.1963, in: NA, PREM 11/4735. Laut Ludlow war Macmillan skeptisch gegenüber exklusiven Kontakten mit den „Friendly Five“, da diese – im Gegensatz zu Frankreich – föderale Interessen vertreten hätten. Vgl. Ludlow, Dealing with Britain, S. 227. 23 Das Auswärtige Amt beschäftigte sich wenig mit den diskriminierenden Elementen. Für eine Ausnahme siehe die „Ergebnisniederschrift über die Ressortbesprechung im Auswärtigen Amt vom 1. März 1963 betreffend den Vorschlag von Außenminister Spaak vom 25.2.1963 zur Lösung der durch den Abbruch der Brüssler Beitrittsverhandlungen entstandenen Probleme“, in: PA/AA, B20/1238. 24 Telegramm Nr. 603/604 von de Courcel, London, an Paris vom 5.2.1963, in: MAE, Europe, GB/213. 25 Aufzeichnung der Direction des Affaires Economiques et Financières (DAEF) „Ajournement des négociations de Bruxelles“ vom 14.2.1963, in: MAE, DE_CE/1413. Die Position sei gut, da die Bundesrepublik und Belgien – anders als die Niederlande und Italien – zu keiner Obstruktionspolitik in den EG bereit wären. Ebenda. 26 Aufzeichnung der DAEF „a.s. Compétence de l’U.E.O. en matière économique“ vom 8.2.1963, in: MAE, DE_CE/1577.
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sultationen auf Außenministerebene zusammenkommen. Ergänzend dachte Spaak an Treffen der Staats- und Regierungschefs und regelmäßige Tagungen weiterer Minister. Die WEU-Staaten sollten sich verpflichten, bis zum 1. Januar 1967 ihre Politik zum britischen EWG-Beitritt und zur Verstärkung der politischen Zusammenarbeit zu überprüfen. 27 Großbritannien und die Bundesrepublik begrüßten den Spaak-Plan, hielten eine französische Zustimmung jedoch für unwahrscheinlich.28 Auf Basis des belgischen Planes verständigten sich Spaak, Heath und der niederländische Außenminister Luns am 6. März 1963 darauf, ein WEU-Ministertreffen noch im März abzuhalten. Dort sollten die Minister über die Zukunft Europas nach dem Scheitern der Beitrittsverhandlungen sprechen. Zugleich beschlossen die drei Minister, auf die im Spaak-Plan vorgeschlagene Interimszollunion zu verzichten, da diese weder vorteilhaft für Großbritannien sei noch den späteren britischen EWG-Beitritt garantiere. Die Idee eines WEU-Wirtschaftskomitees schien attraktiver.29 Insgesamt zeigte sich, dass die Beitrittsbefürworter im Frühjahr 1963 hauptsächlich über die politischen Kontaktmöglichkeiten der WEU berieten, deren Wirtschaftspotential aber nicht außer Acht ließen. Allerdings hielten die Bundesrepublik und Großbritannien WEU-Wirtschaftsdiskussionen gegenüber Frankreich gegenwärtig für nicht durchsetzbar.30 Großbritannien hatte zu diesem Zeitpunkt großes Interesse an der WEU und einem Ministertreffen, doch blieb das Foreign Office skeptisch, ob die Bundesrepublik ein WEU-Treffen gegen den Willen Frankreichs unterstützen würde.31 Für britische Erleichterung sorgte deshalb Schröders Bereitschaft, als WEU-Ratsvorsitzender ein Ministertreffen einzuberufen.32 Der Quai d’Orsay stellte indes sofort Vorbedingungen und forderte, dass es weder zu einer Diskussion über den Abbruch der Brüsseler Verhandlungen kommen noch der WEU-Rat sich mit wirtschaftlichen oder institutionellen Fragen befassen dürfe. 33 Für weitere Skepsis sorgte die Aussage von Wirtschaftsdirektor Wormser, dass Frankreich kein Inte27 Für eine deutsche Übersetzung des Spaak-Plans siehe Fernschreiben Nr. 350 von Harkort, Brüssel, an das AA vom 26.2.1963, in: PA/AA, B20/1238. 28 Aufzeichnung von Jansen „Alternativlösungen für Beitritt Großbritanniens zur EWG; hier: Vorschlag von Außenminister Spaak“ vom 27.2.1963, in: PA/AA, B20/1238 und Aufzeichnung „Verhältnis Großbritanniens zur EWG; hier: Sitzung des Deutsch-britischen Wirtschaftsausschusses in Bonn am 28. Februar 1963“, in: PA/AA, B20/1238. Frankreich erfuhr durch die Bundesrepublik vom Spaak-Plan und verzichtete auf eine unmittelbare Reaktion. Telegramm Nr. 1798/804 von de Margerie, Bonn, an Paris am 6.3.1963, in: MAE, Europe, GB/213. 29 Telegramm Nr. 165 von Heath an FO vom 7.3.1963, in: NA, FO 371/173343. Lahr hatte die Idee eines WEU-Wirtschaftskomitees zuvor gegenüber Großbritannien erwähnt. Vgl. ebenda. 30 Fernschreiben Nr. 95 von Jansen an Eurogerma Brüssel am 20.3.1963, in: PA/AA, B20/1239 und Telegramm Nr. 165 von Heath an das FO vom 7.3.1963, in: NA, FO 371/173343. 31 Aufzeichnung zur „Conference of her Majesty’s Representatives on Policy towards Europe“ vom 11.3.1963 in: NA, FO 371/171425. 32 Bericht Nr. 250 von Botschafter Roberts, Bonn, an das FO, vom 7.3.1963, in: NA, FO 371/173343. 33 Telegramm Nr. 2436/39 von Lucet an Bonn, in: MAE, DE_CE/1413.
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resse an schnellen Übergangslösungen hätte.34 Insgesamt legten bilaterale britisch-französische und deutsch-französische Sondierungen den Verdacht nahe, dass Frankreich einem WEU-Treffen nicht zustimmen würde. 35 Dennoch übermittelte das Auswärtige Amt die offizielle Einladung zu einem WEU-Außenministertreffen für den 29. März. In der Einladung drückte Schröder den Wunsch aus, von nun an alle drei bis vier Monate WEU-Ministertreffen durchzuführen. Zugleich stellte er klar, auf dem Treffen nicht über die EG-Erweiterungskrise und Übergangslösungen sprechen zu wollen. 36 Schröder versuchte offensichtlich, französische Bedenken gegen eine Teilnahme zu zerstreuen. Dieser Schritt verärgerte das Foreign Office, da es wenig Sinn in einem derart beschränkten Treffen sah.37 Es zeigte sich stattdessen bereit, ein WEU-Treffen ohne Frankreich durchzuführen. 38 Dies führte zum französischen Vorwurf, dass Großbritannien Frankreich isolieren und die EWG zerstören wolle. 39 Ob dieses Vorwurfes erklärte sich Großbritannien letztlich bereit, Schröders Einladung zu folgen, wobei Heath darauf beharrte, über die Zukunft Europas zu sprechen.40 Die deutsch-britischen Unstimmigkeiten stellten sich schließlich als unnötig heraus, da Frankreich seine Teilnahme absagte.41 Der Quai d’Orsay forderte ein vorheriges Treffen der EG-Staaten, da Uneinigkeit über das Ziel des WEU-Treffens bestehe. 42 Schröder nahm daraufhin seine Einladung zurück, da die Bundesrepublik an keinem Ministertreffen ohne Frankreich teilnehmen wollte. 43 Großbritannien reagierte enttäuscht. Macmillan ließ sogar prüfen, ob die französische Blockade Großbritannien berechtige, den WEU-Vertrag zu widerrufen.44 Außenminister Lord Home überzeugte den Premierminister davon, dass dies unmöglich sei. 45 Macmillan hielt resigniert fest, dass Frankreich nicht nur den britischen EWG-Beitritt blockiere, sondern nun auch die WEU terrorisiere.46 Frankreich
34 Aufzeichnung des Staatssekretärs Lahr vom 9.3.1963, in: AAPD 1963I/115, S. 371. 35 Aufzeichnung der Direction des Affaires Politiques (DAP) „Entretiens France-Allemands des 12 et 13 Mars 1963 à Bonn“ vom 15.3.1963, in: MAE, Europe, RFA/1611 und siehe für ein britisch-französisches Gespräch das Telegramm Nr. 1146/49 von de Courcel, London, an Paris vom 13.3.1963, in: MAE, Europe, GB/213. 36 Abdruck der deutschen Einladung vom 15.3.1963, in: NA, FO 371/173477. 37 Schreiben Nr. 287 von Roberts, Bonn, an das FO vom 15.3.1963, in: NA, FO 371/173477. 38 Schreiben Nr. 773 des FO an die Botschaft in Bonn vom 15.3.1963, in: NA, FO 371/173343. 39 Schreiben Nr. 238 von Botschafter Dixon, Paris, an das FO vom 15.3.1963, in: NA, FO 371/173343. 40 Schreiben Nr. 294 von Roberts, Bonn, an das FO vom 18.3.1963, in: NA, FO 371/173477. 41 Schreiben Nr. 258 von Botschafter Dixon, Paris, an das FO vom 22.3.1963, in: NA, FO 371/173477. 42 Telegramm Nr. 5551/32 von Beaumarchais an London vom 23.3.1963, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 43 Schreiben Nr. 337 von Roberts, Bonn, an das FO vom 23.3.1963, in: NA, FO 371/173477. 44 Aufzeichnung von Barnes vom 25.3.1963, in: NA, FO 371/173478. 45 Schreiben von Lord Home an Macmillan vom 27.3.1963, in: NA, FO 371/173478. 46 Aufzeichnung de Zuluetas vom 28.3. in: NA, FO 371/173478.
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hatte einen ersten Versuch verhindert, die WEU zur Linderung der EG-Erweiterungskrise heranzuziehen. 47 1.2.2. Auf dem Weg zum WEU-Kompromiss (April–Juli 1963) Mit dem EWG-Ratstreffen am 2. April begann eine neue Suche nach Kontaktformen, wobei im Wirtschaftsbereich eine EG-interne Lösung in den Fokus rückte. Bundesaußenminister Schröder schlug vor, die wirtschaftlichen Kontakte informell über die Ständigen Vertreter bei der EWG in Brüssel mit dem britischen Vertreter, Con O’Neill48, durchzuführen. Als Zweitwahl nannte Schröder die Einrichtung eines WEU-Unterausschusses.49 Couve de Murville lehnte Kontakte innerhalb der Brüsseler Strukturen ab und verwies auf Gefahren für das Funktionieren der EG.50 Das französische Außenministerium vermutete, dass Großbritannien für diesen Vorschlag verantwortlich zeichnete und auf diese Weise versuchte, die EWG-Beitrittsverhandlungen wieder aufzunehmen. 51 Trotz der französischen Bedenken hielt Schröder es für möglich, seinen Vorschlag durchzusetzen.52 Tatsächlich vollzog sich im Quai d’Orsay eine Positionsveränderung, da die anderen EG-Staaten unbeirrt am Ziel eines Kontaktforums festhielten. Dem Außenministerium war klar, dass eine französische Verweigerungshaltung auf Dauer zu einer schweren Krise in den EG führen könnte. Kontinuierliche Missstimmung und dauerhafter Vertrauensverlust drohten die Entwicklung der EG zu gefährden, wenn gegenseitige Retourkutschen die Oberhand gewännen und der Gemeinschaftssinn verloren ginge. Frankreich gab angesichts dieser eingeschätzten Gefahr seine rezeptive Haltung auf und begann sich mit eigenen Vorschlägen zu beschäftigen. Wenn schon notwendig, sollten Kontakte zumindest nicht in 47 Am 29.3. kam es lediglich zu einem Treffen des Ständigen WEU-Rates. Aufzeichnung von Lord Hood vom 2.4.1963, in: NA, FO 371/173474. Auf der abschließenden Pressekonferenz äußerte Schröder die Hoffnung, dass es Italien gelänge, unter seiner WEU-Ratspräsidentschaft ein WEU-Ministertreffen einzuberufen. Schreiben Nr. 104 von Botschafter Roberts, Bonn, an das FO vom 31.3.1963, in: NA, FO 371/173474. 48 Con O’Neill war bis 1965 Ständiger Vertreter in Brüssel und anschließend Superintending Undersecretary für das European Economic Organisations Department. In beiden Funktionen wirkte er an wichtigen Schnittstellen auf die britische Position zum europäischen Integrationsprozess ein und schreckte dabei nicht vor einer exponierten Meinung zurück. 49 Fernschreiben 340/63 von Lahr an die deutsche Botschaft in London vom 4.4.1963, in: PA/AA, B2/128. Laut Ludlow ist Schröders Vorschlag Teil eines größeren bundesdeutschen Aktionsplans gewesen, mit dem die EG wieder in Gang gebracht werden sollte. Vgl. Ludlow, The European Community, S. 23–27. 50 Gespräch von Lord Home und Couve de Murville vom 8.4.1963, in: NA, FO 371/171426 und Gespräch des Bundesministers Schröder mit dem französischen Außenminister Couve de Murville in Paris vom 9.4.1963, in: AAPD 1963I/143, S. 469/470. 51 Aufzeichnung der DAEF „Contacts entre la Communauté Economique Européenne et le Royaume-Uni.“ vom 19.4.1963, in: MAE, DE_CE/1414. 52 Gespräch des Bundesministers Schröder mit dem britischen Außenminister Lord Home in Paris vom 10.4.1963, in: AAPD 1963I/144, S. 473.
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Brüssel stattfinden und sich nicht allein auf Großbritannien beschränken. 53 Der Quai d’Orsay lancierte verschiedene Alternativvorschläge wie etwa Konsultationen zwischen der EWG-Kommission und dem Sekretariat der EFTA.54 Die WEU rückte angesichts der Suche nach internen EG-Lösungen zunächst in den Hintergrund. Das Auswärtige Amt und das Foreign Office hielten die Möglichkeit eines WEU-Unterausschusses für kaum realisierbar. 55 Zudem verloren die politischen Kontaktmöglichkeiten der WEU aus britischer Sicht an Bedeutung, da wirtschaftliche Kontakte über die Ständigen Vertreter in Brüssel bessere Ergebnisse versprachen. 56 Großbritannien sprach sich zwar weiterhin für ein WEUMinistertreffen aus, 57 doch sollte die Einberufung nicht forciert werden, um die französische Position gegenüber einer EG-Lösung nicht zu verhärten.58 Brüsseler Kontakte standen sowohl auf der deutschen als auch der britischen Prioritätenliste an oberster Stelle. Der Mai brachte keinen Durchbruch. Auf der EWG-Ratssitzung am 8./9. Mai sprach sich Frankreich gegen Kontakte über die Ständigen EWG-Vertreter aus. Großbritannien warf der Bundesrepublik vor, keinen stärkeren Druck auf Frankreich ausgeübt zu haben.59 Es bestünde die Gefahr, dass das nach dem Zusammenbruch der Brüsseler Verhandlungen entstandene Momentum endgültig verspielt worden sei. 60 Das Auswärtige Amt entgegnete, dass gegenüber Frankreich keine Konzessionen gemacht worden seien. 61 Auch die EWG-Ratssitzung am 30./31. Mai führte zu keiner Einigung. 62 Allerdings brachte Couve de Murville dort die Option ins Spiel, rotierende multilaterale Kontakte in den Hauptstädten
53 Aufzeichnung der DAEF vom 19.4.1963, in: MAE, DE_CE/1414. 54 Schreiben Nr. 105 von Rumbold, Paris, an das FO vom 23.4.1963, in: NA, FO 371/171427. Zuvor hatte Frankreich vorgeschlagen, einen Kontaktmann der EWG bei der EFTA zu installieren. Aufzeichnung der DAEF für Ulrich vom 10.4.1963, in: MAE, DE_CE/1414. 55 Lahr an London vom 4.4.1963, in: PA/AA, B2/128 und Brief von Botschafter Roberts an Schröder vom 6.4.1963, in: PA/AA, B1/208. 56 Rundschreiben Nr. 40 des FO vom 29.4.1963, in: NA, FO 371/171428. 57 Siehe dazu Heath Rede vor dem Hamburger Überseeclub vom 2.5.1963, in: EA 18 (1963), S. D. 286. 58 Aufzeichnung von Lord Hood vom 4.4.1963, in: NA, FO 371/173478. 59 Botschafter Harkort, Brüssel (EWG/EAG), an Bundesminister Schröder vom 11.5.1963, in: AAPD 1963I/164, S. 523/524. O’Neills Stellvertreter Galsworthy beklagte, dass die „Friendly Five“ eine Trennung der EWG-Agrarpolitik von der Erweiterungsfrage zugelassen hätten. Schreiben Nr. 160 von Galsworthy, Brüssel, an das FO vom 12.5.1963, in: NA, FO 371/171429. 60 Schreiben Nr. 1243 des FO an Bonn vom 14.5.1963, in: NA, FO 371/171429. 61 Schreiben Nr. 513 von Roberts, Bonn, an das FO vom 15.5.1963, in: FO 371/171429. 62 Schreiben Nr. 560 von Roberts an das FO vom 6.6.1963, in: FO 371/171432. Einen zuvor aufgeworfenen italienischen Vorschlag, EG-interne Kontakte mit einem WEU-Ministertreffen zu kombinieren, lehnte Frankreich ebenfalls ab. Aufzeichnung der S/Direction d’Europe Centrale (S/DEC) „A.s. des entretiens de M. Lucet avec M. Jansen (18 mai 1963)“ vom 20.5.1963, in: MAE, Europe, RFA/1611.
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der EG-Staaten und Großbritanniens durchzuführen. 63 Der französische Außenminister nahm zwar noch keinen Bezug auf die WEU, doch leitete sein Vorschlag den im Juli vereinbarten Rückgriff auf die WEU als Kompromiss ein. Im Juni setzte sich im französischen Außenministerium endgültig die Erkenntnis durch, dass ein Kontakt mit Großbritannien nicht mehr zu verhindern war, ohne eine dauerhafte Stagnation der EG-Entwicklung zu riskieren, die nicht im französischen Interesse war. Frankreich musste eine Lösung akzeptieren, wollte aber zugleich betonen, dass Kontakte über die Ständigen EWG-Vertreter eine britische Einmischung in die EG bedeuten würden. Als Alternative beschloss der Quai d’Orsay die Rotationsidee weiter zu verfolgen, die im WEU-Rahmen erfolgen könnte.64 Die WEU erschien Frankreich im Vergleich zu EG-internen Kontakten als geringeres Übel. 65 Ende Juni stellte Wormser die Rotationspläne Großbritannien und der Bundesrepublik vor. Der Vorschlag zeigte einerseits französisches Entgegenkommen, da er kontinuierliche multilaterale Kontakte zwischen Großbritannien und den EG-Staaten erlaubte und die Delegationen frei zu bestimmen seien. Andererseits markierte er eine klare Trennung von den EG, da weder die EWG-Kommission an den Treffen teilnehmen dürfte noch die Gespräche in Brüssel zentriert sein sollten. Wormser offerierte, dass die Treffen unter einem WEU-Schirm stattfinden könnten. 66 Einen solchen WEU-Schirm hielt Frankreich für die beste Möglichkeit, die EWG-Kommission aus den Kontakten herauszuhalten.67 Der französische Vorschlag stellte Großbritannien vor Probleme. 68 Er erfüllte die britischen Ansprüche nicht, da WEU-Treffen keine gute Alternative zu regelmäßigen Kontakten in Brüssel darstellten. 69 Das Foreign Office hoffte, dass die EG-Staaten am Kontakt über die Ständigen EWG-Vertreter festhielten. 70 Zugleich war ihm klar, dass sich ein Kompromiss unter den EG-Staaten anbahnte und eine rigorose britische Haltung kontraproduktiv wirken würde.71 Deshalb übermittelte das Foreign Office der Bundesrepublik Bedingungen, unter denen Großbritannien dem französischen Vorschlag zustimmen könnte. Dazu gehörten die Einbeziehung
63 Schreiben Nr. 199 von O’Neill an das FO vom 7.6.1963, in: NA, FO 371/171432. Laut Hölscher war der französische Vorschlag Beleg dafür, dass der Druck der Bundesrepublik auf Frankreich zu einer Lösung in der Kontaktfrage Wirkung erzielt hatte. Vgl. Hölscher, S. 41. 64 Aufzeichnung der DAEF vom 13.6.1963, in: MAE, DE_CE/1414. 65 Vgl. Ludlow, The European Community, S. 28. 66 Für Wormsers Vorschlag siehe Schreiben Nr. 445 von Dixon, Paris, an das FO vom 25.6.1963, in: NA, FO 371/171433 und Aufzeichnung von Jansen „Kontakt der EWG mit Großbritannien, hier: Besprechung Staatssekretär Müller-Armack/Wormser in Paris am 25.6.1963“ vom 26.6.1963, in: PA/AA, B20/1239. 67 „Note pour le Ministre“ vom 1.7.1963, in: MAE, DE_CE/1414. 68 Dixon vermutete einen hinterlistigen französischen Versuch, sowohl echte Kontakte mit der EWG zu verhindern als auch Bedingungen für ein WEU-Ministertreffen zu formulieren. Schreiben Nr. 447 von Dixon, Paris, an das FO vom 25.6.1963, in: NA, FO 371/171433. 69 Schreiben des FO vom 26.6.1963, in: NA, FO 371/171434. 70 Aufzeichnung von Lord Hood vom 27.6.1963, in: NA, FO 371/171434. 71 Schreiben Nr. 449 von Dixon, Paris, an das FO vom 27.6.1963, in: NA, FO 371/171433.
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der EWG-Kommission und abwechselnde Treffen in London und Brüssel. Zudem sollte der Kontakt ausdrücklich nicht im Rahmen der WEU stattfinden.72 In der Bundesrepublik gab es zunächst keine einhellige Meinung, doch zeichnete sich ein Einlenken auf die Nutzung der WEU ab.73 Das Auswärtige Amt bevorzugte einerseits Kontakte über die Ständigen EWG-Vertreter.74 Andererseits nahm es den französischen Vorschlag wohlwollend auf, da freie Meinungsäußerungen möglich seien und die Ständigen EWG-Vertreter als Delegationsmitglieder teilnehmen könnten. Der Vorschlag bot zumindest einen Ausgangspunkt für weitere Diskussionen.75 Das Auswärtige Amt und das Bundeswirtschaftsministerium empfahlen der Bundesregierung, Treffen außerhalb der EWG zu akzeptieren, sich aber für die Einbeziehung der EWG-Kommission einzusetzen. 76 Eine Vorentscheidung fiel auf der deutsch-französischen Regierungsbesprechung am 4./5. Juli, auf der Frankreich Schröders Vorschlag für Kontakte über die Ständigen EWG-Vertreter kategorisch ablehnte.77 Stattdessen schlug Couve de Murville mit de Gaulles Zustimmung vor, in der WEU sowohl politische als auch wirtschaftliche Fragen zu diskutieren. 78 Schröder lenkte insoweit ein, als dass er in der WEU eine mögliche – wenngleich schlechtere – Alternative für Brüsseler Kontakte sah. Als Bedingungen nannte er kontinuierliche Treffen mit Aussprachen über die Entwicklungen in EWG und EFTA.79 Erhard und Adenauer zeigten sich zunächst skeptischer gegenüber der WEU-Idee, so dass die Regierungsbesprechung ohne offizielle Einigung endete.80 Nach dem Treffen war der Bundesrepublik indes endgültig klar, dass Frankreich Brüsseler Kontakten nicht zustimmen würde und ein Kompromiss notwendig war.81 Frankreich hingegen erwartete, die Bundesrepublik für die WEU-Idee gewinnen zu können. Das Foreign Office schlussfolgerte, dass die Front der Fünf bröckelte und sich ein unbefriedigender Kompromiss abzeichnete. Italien würde 72 Telegrammentwurf des FO an die Botschaft in Bonn vom 28.6.1963, in: NA, FO 371/171434. 73 Staatssekretär Carstens wies rückblickend auf die zunächst divergierenden Positionen in der Bundesregierung hin. Schreiben Nr. 691 von Roberts, Bonn, an das FO vom 12.7.1963, in: NA, FO 371/171437. 74 Schreiben Nr. 638 von Roberts, Bonn, an das FO vom 29.6.1963, in: NA, FO 371/171434. 75 Aufzeichnung von Jansen „Kontakte der EWG mit Großbritannien“ vom 28.6.1963, in: PA/AA, B20/1239. 76 Darauf einigten sich die Staatssekretäre Carstens und Müller-Armack. Aufzeichnung von Keller „Besuch des französischen Staatspräsidenten de Gaulle“ von Keller vom 3.7.1963, in: PA/AA, B150/8. Eine abweichende Haltung vertrat Harkort, der sich gegen die Rotationsidee aussprach, da so die Ständigen Vertreter kaum an den Treffen teilnehmen würden. Harkort an Carstens am 11.6.1963, in: PA/AA, B2/128. 77 Deutsch-französische Regierungsbesprechung vom 5.7.1963, in: AAPD 1963II/219, S. 725/726. 78 Deutsch-französische Regierungsbesprechung vom 5.7.1963, in: AAPD 1963II/219, S. 726. 79 Ebenda, S. 726/727. 80 Erhard hatte bereits zuvor bei Wormser nachgefragt, ob Frankreich nicht auf den WEURahmen verzichten könne. Dies habe Wormser abgelehnt. Aufzeichnung von Wormser „Pour le Ministre“, in: MAE, DE_CE, Papiers Directeurs, Olivier Wormser, Vol.50. 81 Vgl. Ludlow, The European Community, S. 27.
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sich der Bundesrepublik anschließen und Spaak hatte sich bereits positiv zur WEU-Lösung geäußert.82 Einzig die Niederlande versprachen, allein Kontakte über die Ständigen EWG-Vertreter zu akzeptieren.83 2. DER RÜCKGRIFF AUF DIE WEU 2.1. Der Kompromiss vom 11. Juli 1963 Auf der EWG-Ratssitzung vom 11. Juli 1963 einigten sich die EG-Staaten auf den WEU-Vorschlag. Die Bundesrepublik warb nur noch halbherzig für Brüsseler Kontakte und brachte frühzeitig den WEU-Kompromiss zur Sprache. Da Italien und Belgien eine ähnliche Haltung einnahmen und Frankreich seiner Position treu blieb, gaben auch die Niederlande ihren Widerstand auf. 84 Es folgten Diskussionen über Detailfragen, wobei sich der Hauptstreitpunkt an der Bindung der WEUKontakte an die EWG entzündete. Während die Niederlande eine enge Verbindung vorschlugen, forderte Frankreich das Gegenteil. Die Sechs einigten sich auf einen italienischen Kompromissvorschlag. 85 Sie beschlossen, der britischen Regierung eine offizielle Einladung zu WEU-Ministertreffen zu übermitteln: „Der Rat schlägt der britischen Regierung vierteljährliche Kontakte im Rahmen der WEU vor, damit die sieben Mitgliedsländer im Laufe dieser Aussprachen eine Bestandsaufnahme der politischen und wirtschaftlichen Lage in Europa vornehmen können. Er schlägt vor, auf die Tagesordnung der Ministertagungen außer den politischen Fragen alle drei Monate einen Punkt mit folgendem Wortlaut zu setzen: ‚Gedankenaustausch über die wirtschaftliche Lage Europas’. Die Aussprachen finden grundsätzlich auf Ministerebene statt. Bei der Erörterung wirtschaftlicher Fragen wird die EWG-Kommission von den Ministern der sechs Länder zur Teilnahme an der Tagung eingeladen.“86
Diese offizielle Einladung unterschied sich in einem Punkt vom Protokoll der Ratssitzung. Im Protokoll hatten die EG-Staaten das Motiv für die wirtschaftli82 Schreiben Nr. 508 von Ward, Rom, an das FO vom 5.7.1963, in: NA, FO 371/171435 und Bericht Nr. 351 von Ramsden, Brüssel, an das FO vom 4.7.1963, in: NA, FO 371/171435. 83 Bericht Nr. 186 von Noble, Den Haag, an das FO vom 4.7.1963, in: NA, FO 371/171435. Auch Luxemburg sprach sich vor dem EWG-Ratstreffen weiter für Brüsseler Kontakte aus. Bericht Nr. 14 von Aldington, Luxemburg, an das FO vom 5.7.1963, in: NA, FO 371/171436. 84 Fernschreiben Nr. 1237 von Harkort, Brüssel, an das AA vom 12.7.1963, in: PA/AA, B20/1239 und Telegramm Nr. 1197/205 von Boegner, Brüssel, an Paris am 12.7.1963, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1532. Großbritannien kritisierte im Nachhinein Schröders frühzeitiges Nachgeben. Schreiben Nr. 253 von Galsworthy, Brüssel, an das FO vom 12.7.1963, in: NA, FO 371/171437. Schröder entgegnete auf Kritik, dass es nur die Wahl zwischen einem Kompromiss oder totalem Stillstand gegeben habe. Schreiben Nr. 702 von Roberts, Bonn, an das FO vom 13.7.1963, in: NA, FO 371/171437. 85 Schröder brachte ein Papier zum WEU-Kompromiss ins Spiel, dem eine niederländische und französische Version folgten, bevor sich die Minister auf ein italienisches Papier einigten. Harkort an das AA vom 12.7.1963, in: PA/AA, B20/1239. Die verschiedene Vorschläge finden sich in: NA, FO 371/171437. 86 Kommuniqué des EWG-Ministerrats vom 11. Juli 1963, in: EA 18 (1963), S. D 382–383.
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chen Kontakte weiter ausgeführt. Diese sollten helfen, Maßnahmen zu vermeiden, die sich ungünstig auf die Beziehungen der EG und Großbritanniens auswirken könnten, um einen zukünftigen britischen Beitritt nicht zu erschweren. 87 Der französische Vertreter im EWG-Rat verhinderte, dass diese Aussagen in die offizielle Einladung übernommen wurden und argumentierte, dass eine Aussage zu den Motiven allein Sache der Sechs sei. Außerdem bestünde die Gefahr, dass Großbritannien aus einem solchen Zusatz das Recht herleiten könne, unmittelbar auf die EWG-Entscheidungen einzuwirken. Frankreich erlaubte lediglich, dass Luns als EWG-Ratsvorsitzender den informellen Zusatz zu den Motiven vor der Presse erwähnen dürfe.88 Das Foreign Office zeigte sich enttäuscht vom Angebot der EG-Staaten, da es über die WEU nur mangelhafte Kontaktmöglichkeiten mit den EG erwartete.89 Italien, Belgien und die Niederlande versuchten Großbritannien vom Wert des WEU-Kompromisses zu überzeugen.90 Schröder übermittelte Heath, dass die Bundesrepublik den Vorschlag als Erfolg bewerte, da kontinuierliche Kontakte, eine freie Aussprache und die Beteiligung der Kommission erfüllt seien. Die Wahl der WEU bedeute eine Konzession an Frankreich, doch seien die Kontakte nicht aus dem Brüsseler Rahmen gelöst, da die Kommission beteiligt sei und die Vorbereitungen der WEU-Sitzungen in Brüssel erfolgen würden. In politischer Hinsicht sei es gelungen, eine Form multilateraler Kontakte zu finden, mit der die Sechs das Fortbestehen der Verbindungen zu Großbritannien bekräftigten. Jetzt sei es wichtig die geschaffenen Möglichkeiten voll auszunutzen. 91 Die Reaktionen der „Friendly Five“ zeigten Großbritannien, dass ein besserer Kompromiss für sie nicht mehr möglich war. Bei einer Ablehnung drohte die Gefahr, ohne Kontaktforum dazustehen.92 Gezwungenermaßen nahm die britische Regierung am 26. Juli
87 Runderlass Nr. 2278 von Jansen vom 12.7.1963, in: PA/AA, B20/1239. 88 Für den Unterschied zwischen offizieller Einladung und Protokoll siehe Harkort an das AA vom 12.7.1963, in: PA/AA, B20/1239 und Boegner an Paris am 12.7.1963, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1532. Zu diesem Unterschied hätten französische Delegierte in privater Runde erklärt, dass de Gaulle – der einem solchen Statement nie zustimmen würde – zwar die offizielle Einladung lesen würde, nicht aber die Ratsprotokolle. Schreiben Nr. 249 von Galsworthy, Brüssel, an das FO vom 12.7.1963, in: NA, FO 371/171436. 89 Memorandum von Keeble „Contacts with the E.E.C.“ vom 12.7.1963, in: NA, FO 371/171467 und den Bericht Nr. 1103/63 „Britische Ansicht zu dem Kompromiss über die Kontakte“ von Harkort, Brüssel, an das AA vom 15.7.1963, in: PA/AA, B20/1239. 90 Schreiben Nr. 364 von Barclay, Brüssel, an das FO vom 15.7.1963, in: NA, FO 371/171437, Schreiben Nr. 536 von Laskey, Rom, an das FO vom 18.7.1963, in: NA, FO 371/171467 und Schreiben Nr. 205 von Noble, den Haag, an das FO vom 17.7.1963, in: NA, FO 371/171438. 91 Bundesminister Schröder an Botschafter von Etzdorf, London vom 17.7.1963, in: AAPD 1963II/230, S. 759–761. Diesem Ziel stimmte Heath zu, der sich ansonsten kritisch zum WEU-Kompromiss äußerte. Heath an Schröder vom 22.7.1963, in: NA, FO 371/171467. 92 Aufzeichnung „The Lord Privy Seal’s Meeting on the Morning of July 19th about the Implementation of United Kingdom Policy in Europe“ in: NA, FO 371/171438.
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den WEU-Vorschlag an, wobei es sich von Beginn an für zweitägige Treffen aussprach.93 Die von Ende Januar bis Ende Juli 1963 verlaufende Suche nach politischen und wirtschaftlichen Kontakten zwischen den EG-Staaten und Großbritannien zeigt, dass der letztliche Rückgriff auf die WEU ein klassischer Kompromiss war. Frankreich hatte kein Interesse an der EG-Erweiterung, wollte aber die interne EG-Entwicklung gewahrt wissen. Großbritannien hielt am Ziel der EG-Erweiterung fest, interessierte sich aber nur insofern für die weitere EG-Entwicklung, als diese den späteren britischen Beitritt nicht erschweren sollte. Die Bundesrepublik hingegen wollte sowohl die EG-Erweiterung als auch deren weitere Entwicklung voranbringen. Aufgrund dieser doppelt positiven Zielsetzung kam der WEUKompromiss der Bundesrepublik – und den anderen vier EG-Staaten – am ehesten gelegen, während Großbritannien lieber eine andere und Frankreich am liebsten gar keine Kontaktlösung gesehen hätte. Inhaltlich hatte der WEU-Kompromiss Konzessionen von Frankreich und den Beitrittsbefürwortern gefordert. Frankreich hatte eine Verlagerung aus den EG-Strukturen heraus durchgesetzt und durch den WEU-Schirm abgesichert. Im Gegenzug hatte Frankreich die Einbeziehung der EWG-Kommission zugelassen sowie intern dem Ziel zugestimmt, die ökonomische Distanz zwischen den EG und Großbritannien nicht anwachsen zu lassen. Zudem ermöglichte der Kompromiss die Wiederaufnahme multilateraler politischer Kontakte zu siebt. Offen bleibt die Frage, ob nicht ein anderer Kompromiss hätte gefunden werden können. Zumindest eine Lösung innerhalb der EG-Strukturen scheint angesichts der französischen Haltung unrealistisch gewesen zu sein. Verglichen mit anderen externen Lösungen bot die WEU zudem bemerkenswerte Vorteile. Erstens existierte sie bereits, so dass keine neuen Verträge geschlossen und Strukturen geschaffen werden mussten. Die notwendigen Anpassungen waren einfach durchzuführen. Zweitens besaß der WEU-Vertrag einen integrationspolitischen Anspruch und stellte die notwendigen wirtschaftlichen und politischen Kompetenzen bereit. Drittens war die WEU intergouvernemental aufgebaut, so dass Frankreich keine Angst haben musste, von den anderen Staaten überstimmt zu werden. Viertens umfasste die WEU – im Gegensatz zu OEEC oder Europarat – exakt die „richtigen“ Mitgliedstaaten. 2.2. Die Ausgangsposition: Nationale Zielsetzungen in der WEU Die EG-Staaten und Großbritannien hatten sich geeinigt, angesichts der EGErweiterungskrise die WEU heranzuziehen, den Vorschlag dazu aber vage formuliert. Die WEU-Staaten mussten die konkrete Funktionsweise des Krisenin93 Antwort der britischen Regierung vom 26. Juli 1963 auf den Vorschlag des EWG-Ministerrats betreffend die Kontakte zwischen Großbritannien und der EWG, in: EA 18 (1963), S. D 585.
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struments erst erarbeiten. Die nationalen Ausgangsziele dazu gingen im Juli 1963 weit auseinander. Großbritannien war unzufrieden mit dem WEU-Kompromiss, da er keine intensiven wirtschaftlichen Kontakte mit den EG garantierte, die für das Kernziel eines späteren EG-Beitritts notwendig schienen. Mangels Alternativen begann das Foreign Office aber zügig mit Planungen, um die angebotene Kontaktmöglichkeit effektiv zu nutzen. Großbritannien stellte die größten Erwartungen an die WEUKontakte, da es als Nicht-EG-Staat am meisten von ihnen profitieren konnte. Als deren Hauptwert bezeichnete das Foreign Office, dass es überhaupt einen Gedankenaustausch und eine Beachtung der gegenseitigen Interessen möglich mache. 94 Hauptziel war es, in der WEU über die Entwicklung der EG-Politiken und deren Auswirkungen auf Großbritannien zu diskutieren, Divergenzen zu vermeiden und einen späteren EG-Beitritt zu erleichtern.95 Großbritannien unterschied zwischen kurz- und langfristigen Zielen. Zunächst wollte es die Wirtschaftsdiskussionen etablieren, einige spezifische Ergebnisse erzielen und die Grundlage für eine konstruktive Zusammenarbeit schaffen. Um Störungen zu vermeiden, wollte sich das britische Außenministerium mit weitreichenden Vorschlägen vorerst zurückhalten. 96 Längerfristig spielte das Foreign Office aber mit dem Gedanken, die WEU so auszubauen, dass sie als oberstes Anhörungsgericht für Angelegenheiten zwischen Großbritannien und den EG fungieren könnte.97 Das Foreign Office plante eine gewissenhafte Vor- und Nachbereitung der Wirtschaftsdiskussionen durch intensive Kontakte mit den Ständigen EWG-Vertretern und der EWG-Kommission in Brüssel. Das WEU-Generalsekretariat und den Ständigen WEU-Rat hielt es für eine effektive Vorbereitung weniger geeignet.98 Inhaltlich strebte Großbritannien detaillierte Diskussionspunkte an, wobei es zu Beginn Themen bevorzugte, in denen Kooperation möglich und Differenzen vermeidbar wären. 99 Die politischen WEU-Kontakte waren 94 Siehe dazu die undatierte – etwa Ende Juli 1963 entstandene – Studie des Foreign Office „Economic Consultation with the E.E.C. within the framework of W.E.U.“, in: NA, FO 371/171468. 95 Schreiben Nr. 1007 des FO an Den Haag vom 5.9.1963, in: NA, FO 371/171469. 96 Studie zu „Economic Consultation with the E.E.C. within the framework of W.E.U.“, in: NA, FO 371/171468. 97 Studie zu „Economic Consultation with the E.E.C. within the framework of W.E.U.“, in: NA, FO 371/171468 und Schreiben Nr. 271 von O’Neill, Brüssel, an das FO vom 27.7.1963, in: NA, FO 371/171468. 98 Studie zu „Economic Consultation with the E.E.C. within the framework of W.E.U.“, in: NA, FO 371/171468 und Schreiben Nr. 1712 des FO an in Paris vom 16.7.1963, in: NA, FO 371/171467. O’Neill verwies auf das Problem, dass Frankreich Ausschau nach formalisierten Vorbereitungen halten würde. Aufzeichnung über „The Lord Privy Seal’s Meeting on the Morning of July 19th about the Implementation of United Kingdom Policy in Europe“ in: NA, FO 371/171438. 99 Aufzeichnung zu den „Economic Consultations with the Six in the W.E.U. Note of a meeting held in Treasury Chambers on 30th July 1963“, in: NA, FO 371/171468. Geeignete Themen schienen die EFTA, gemeinsame Aktivitäten von Großbritannien und den EG-Staaten, die Kennedy-Runde, die UN-Konferenz über Handel und Entwicklung sowie Öl. Ebenda.
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in den britischen Ausgangsüberlegungen von nachrangigem Interesse. Dennoch wünschte Großbritannien effektive außenpolitische Konsultationen zu gemeinsam interessierenden Themen.100 Die Bundesrepublik war mit dem WEU-Kompromiss zufrieden, auch wenn es nicht die ursprünglich gewünschte Kontaktlösung war.101 Die Wahl des Kriseninstruments WEU hatte aber ein erstes deutsches Ziel erfüllt. Die unmittelbare interne EG-Krise war beendet, so dass die Arbeit der EG und ihre Entwicklung parallel zur unterschwelligen Frage des britischen Beitritts weitergehen konnten.102 Zugleich befürwortete die Bundesrepublik den britischen EG-Beitritt und leitete daraus ein weiteres Ziel für die Arbeit in der WEU ab. Die WEU bot die Chance, die britische Regierung über Vorgänge in den EG auf dem Laufenden zu halten und Entwicklungsprozesse auf multilateraler Ebene aufeinander abzustimmen.103 Die WEU-Diskussionen sollten divergierenden wirtschaftlichen Entwicklungen entgegenwirken, die einen späteren Beitritt erschweren könnten. Das Auswärtige Amt formulierte den Anspruch, sich in diesem Sinne einzusetzen und beschäftigte sich mit der Ausarbeitung effektiver WEU-Diskussionen. 104 Mit diesem Ziel vor Augen hielt es auch die Bundesrepublik für sinnvoll, die Wirtschaftsdiskussionen informell durch die Ständigen EWG-Vertreter und nicht im Ständigen WEU-Rat vorzubereiten, um substantielle Gespräche zu erzeugen. 105 Während die Bundesrepublik ihren Fokus auf dieses Ziel richtete, spielten die politischen Kontakte in der WEU aus deutscher Sicht zunächst eine untergeordnete Rolle. Frankreich konnte mit dem WEU-Kompromiss leidlich zufrieden sein. Es hatte den Kontakt mit Großbritannien nicht gewünscht, aber eine Lösung im EGRahmen verhindert. Zugleich hatte das Kriseninstrument WEU ein erstes europapolitisches Ziel erfüllt, das Frankreich mit der Bundesrepublik teilte: Eine Verschärfung der internen EG-Krise war vorerst abgewendet, so dass die Entwicklung der EG weitergehen konnte. Als zweites Ziel hielt Frankreich an seinem Vorhaben fest, Großbritannien auf Distanz zu halten, um britischen Einfluss auf die Entwicklung der EG oder gar einen zügigen britischen EG-Beitritt zu verhindern. Die WEU-Kontakte widersprachen diesem Ziel, da sie einen kontinuierlichen Austausch zwischen den EG und Großbritannien festlegten. Vor allem die Wirtschaftsdiskussionen waren Frankreich ein Dorn im Auge, während die politischen Kontakte weniger Sorge bereiteten. Es kam dem Quai d’Orsay darauf an, effektive WEU-Kontakte zu vermeiden, um britischen Einfluss über die WEU auf 100 101 102 103 104
Schreiben Nr. 1006 des FO an Den Haag vom 5.9.1963, in: NA, T 312/648. Vgl. Hölscher, S. 42. Runderlass Nr. 2278 von Jansen vom 12.7.1963, in: PA/AA, B20/1239. Vgl. Hölscher, S. 42. Vgl. das undatierte – etwa Ende Juli entstandene – „Arbeitsprogramm für die weitere Entwicklung der EWG; insbesondere Kontakte mit Großbritannien“ der Abteilung IA2, in: PA/AA, B20/1239. 105 Aufzeichnung Nr. 805 von Lahr „Vorbereitung der Kontaktgespräche mit Großbritannien in der WEU“ vom 21.8.1963, in: PA/AA, B20/1239. Dabei warnte das Auswärtige Amt davor, in Frankreich den Eindruck institutionalisierter Kontakte in Brüssel zu erwecken. Schreiben Nr. 735 von Roberts, Bonn, an das FO vom 24.7.1963, in: NA, FO 371/171467.
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die EG zu verhindern.106 Deshalb lehnte es von Beginn an eine verstärkte Institutionalisierung der WEU-Kontakte, detaillierte Diskussionspunkte sowie eine intensive inhaltliche Vorbereitung der Ministertreffen ab. Insbesondere sperrte sich Frankreich gegen eine – auch informelle – Vorbereitung der Wirtschaftsdiskussionen über die Ständigen EWG-Vertreter.107 Aus französischer Sicht handelte es sich in der WEU nur um einen Meinungsaustausch, der keiner gemeinsamen und besonderen Vorbereitung bedürfe. Frankreich wollte auf keinen Fall, dass sich die WEU-Kontakte zu Verhandlungen der EG mit Großbritannien entwickelten.108 Folgerichtig fiel Frankreich nach seiner Initiierung des WEU-Kompromisses in eine abwartende Haltung zurück und reagierte lediglich auf Vorschläge der WEU-Partner. 2.3. Die formale Ausgestaltung der WEU-Kontakte Die unterschiedlichen Zielsetzungen spiegelten sich in den folgenden Monaten wider, als die WEU-Staaten die konkrete Ausgestaltung der WEU-Ministertreffen besprachen. Insbesondere Großbritannien machte vielfältige Vorschläge. Umstritten waren die Reihenfolge der Politik- und Wirtschaftsdiskussionen, die Einladung der EWG-Kommission, die Vorbereitung der Treffen, die Suche nach geeigneten Themen und Überlegungen zur institutionellen Fortentwicklung der WEU. Großbritannien schlug vor, den ersten Tag der Ministertreffen für die Wirtschaftsdiskussionen zu nutzen. Dies entsprach der britischen Fokussierung auf die Wirtschaftskontakte, doch unterstützte nur Italien den britischen Vorschlag. 109 Frankreich sprach sich dagegen aus und forderte, mit den Politikdiskussionen zu beginnen. 110 Hierin zeigte sich das französische Motiv, die Bedeutung der Wirtschaftsdiskussionen herunterzuspielen. Das Auswärtige Amt schenkte der Reihenfolge geringe Beachtung und empfahl, sich der französischen Position anzuschließen. 111 So beschloss der Ständige WEU-Rat am 11. September, mit den Politikdiskussionen zu beginnen. Großbritannien und Italien stimmten unter der 106 Aufzeichnung Nr. 188/CE der DAEF vom 22.7.1963, in: MAE, DE_CE/1577. 107 Aufzeichnung Nr. 189/CE „Contacts avec le Royaume-Uni“ der DAEF vom 25.7.1963, in: MAE, DE_CE/1414. 108 Aufzeichnung der S/DEC „Compte Rendu de la Réunion du 23 juillet 1963“ vom 29.7.1963, in: MAE, Europe, RFA/1611. 109 Lord Hood machte den Vorschlag am 7.8.1963 im Ständigen WEU-Rat. Vgl. Schreiben Nr. 952 des FO an Den Haag vom 7.8.1963, in: NA, FO 371/171469, Fernschreiben Nr. 686 von Thierfelder, London, an das AA am 7.8.1963, in: PA/AA, B21/206 und Schreiben Nr. 998 von Wapler, London, an Paris „a/s: Conseil de l’U.E.O.“ vom 8.8.1963, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1532. Zu Sitzungen des WEU-Rates auf Minister- und Beamtenebene gibt diese Untersuchung im Folgenden immer die britische, deutsche und französische Aufzeichnung an, sofern diese im Rahmen der Untersuchung vorlagen. 110 Telegramm Nr. 7128/34 von Lucet nach Bonn am 22.8.1963, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 111 Aufzeichnung von Jansen „Kontakte zwischen den EWG-Mitgliedstaaten und Großbritannien im Rahmen der WEU“ vom 27.8.1963, in: PA/AA, B20/1239.
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Bedingung zu, dass für die Wirtschaftsdiskussionen genügend Zeit zur Verfügung stünde.112 Ein zweiter Konflikt entzündete sich an der Einladung der EWG-Kommission zu den WEU-Wirtschaftsdiskussionen. Großbritannien und Frankreich stritten darüber, ob die sieben WEU-Staaten oder nur die sechs EG-Staaten die Kommission formal einladen könnten. 113 Auch dieser Streit zeigte unterschiedliche Motive. Während Großbritannien die enge Nähe zu den EG und eine aktive Rolle bei der Einladung der Kommission demonstrieren wollte, hatte Frankreich eine klare Abgrenzung zwischen WEU und EG zum Ziel, so dass nur die EG-Staaten die Einladung aussprechen könnten. 114 Das Auswärtige Amt empfahl, der französischen Auffassung zuzustimmen, die sich schließlich durchsetzte.115 Der dritte umstrittene Aspekt betraf die Vorbereitung der WEU-Ministertreffen. Die „Friendly Five“ und Großbritannien planten, die Ständigen EWG-Vertreter und den britischen Vertreter bei der EWG mit der informellen Vorbereitung der Wirtschaftsdiskussionen zu betrauen.116 Dies entsprach dem Ziel, substantielle Gespräche und enge Kontakte zwischen Großbritannien und den EG zu gewährleisten. Frankreich lehnte derartige Brüsseler Kontakte ab. Es dürfe höchstens zu einer Abstimmung der EG-Staaten untereinander kommen und selbst dies dürfe nur im EWG-Ministerrat geschehen. 117 Hier zeigte sich der abweichende französische Anspruch an die wirtschaftliche Funktion der WEU. Frankreich wünschte einen allgemeinen, unverbindlichen Gedankenaustausch, in dem Großbritannien lediglich über in der EG getroffene Entscheidungen informiert würde.118 Keine Seite gab in diesem Streitpunkt nach.119 Die Ständigen EWG-Vertreter der Beitrittsbefürworter besprachen sich in informellen Einzelgesprächen über die anstehenden WEU-Wirtschaftsdiskussionen, während Frankreich nicht an diesen
112 Schreiben Nr. 1042 des FO an Den Haag vom 11.9.1963, in: NA, T 312/648 und Fernschreiben Nr. 789 von Etzdorf, London, an das AA vom 11.9.1963, in: PA/AA, B21/356. Auch die Bundesrepublik hatte betont, einen vollen Tag für die Wirtschaftsdiskussionen zu nutzen. Aufzeichnung Nr. 813 von Lahr „WEU-Tagung vom 25./26. Oktober 1963“ vom 26.8.1963, in: PA/AA, B20/1239. 113 Der Streit begann mit der Sitzung des Ständigen WEU-Rates am 7.8.1963. Vgl. das FO vom 7.8.1963, in: NA, FO 371/171469, Thierfelder vom 7.8.1963, in: PA/AA, B21/206 und Wapler vom 8.8.1963, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1532. 114 Telegramm Nr. 14163/69 von Lucet nach London am 22.8.1963, in: MAE, DE_CE/1577. 115 Jansen vom 27.8.1963, in: PA/AA, B20/1239. 116 Fernschreiben von Jansen an Eurogerma Brüssel am 10.9.1963, in: PA/AA, B53–IIIA2/32. 117 Telegramm Nr. 7128/34 von Lucet nach Bonn am 22.8.1963, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 118 Fernschreiben Nr. 1469 von Boemcke, Brüssel, an das AA vom 7.9.1963, in: PA/AA, B53– IIIA2/20. 119 Großbritannien schlug am 25.9.1963 im Ständigen WEU-Rat vor, Vorbereitungen durch die Ständigen EWG-Vertreter mit dem britischen Vertreter durchzuführen. Frankreich nahm diesen Vorschlag nur zur Kenntnis. Schreiben Nr. 1099 des FO an Den Haag am 26.9.1963, in: T 312/648, Fernschreiben Nr. 849 von Etzdorf, London, an das AA vom 27.9.1963, in: B21/356 und Telegramm Nr. 3993/4000 von Courcel, London, an Paris am 26.9.1963, in: MAE, DE_CE/1577.
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Gesprächen teilnahm. 120 Frankreich beschloss zudem, seinen Ständigen EWGVertreter nicht zu den WEU-Ministertreffen zu entsenden.121 Dies war ein weiterer symbolischer Akt, um die Grenze zwischen WEU und EG zu unterstreichen. Darüber hinaus lehnte Frankreich den italienischen Vorschlag ab, die Arbeit des Ständigen WEU-Rates zur Vorbereitung der Ministertreffen zu intensivieren.122 Selbst innerhalb der WEU-Strukturen blockierte Frankreich Versuche, die zu substantielleren Diskussionen führen konnten. Der Streit über die Vorbereitung ging viertens mit Uneinigkeit über den Inhalt der WEU-Diskussionen einher. Dies galt sowohl für wirtschaftliche als auch politische Themen. Im Wirtschaftsbereich taten sich Großbritannien und die Bundesrepublik mit inhaltlich übereinstimmenden Themenwünschen hervor.123 Die Bundesrepublik schlug vor, dass sich Großbritannien und die EG gegenseitig über ihre wirtschaftliche Entwicklung informierten.124 Diesen Vorschlag lehnte Frankreich ab, da aus französischer Sicht die Gefahr drohte, mit Großbritannien über die zukünftige Entwicklung der EG zu sprechen. 125 Hier zeigte sich ein Unterschied zwischen der deutschen und französischen Auffassung, der in den folgenden Jahren wiederholt sichtbar wurde. Frankreich wollte in der WEU nur Diskussionen zu EG-Themen erlauben, die von den Sechs bereits entschieden waren, während die Bundesrepublik auch Diskussionen über laufende Entwicklungen für sinnvoll erachtete.126 Aufgrund des französischen Widerstands beschränkte sich Großbritannien in seinen Vorschlägen letztlich auf Themen, die nicht in laufende EG-Entwicklungen eingriffen. Es war Großbritannien primär wichtig, die Wirtschaftskontakte in Gang zu bringen. Als konkrete Themen nannte Großbritannien die globalen Zollverhandlungen in der Kennedy-Runde, die UN-Handelskonferenz, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und der EWG sowie Entwick-
120 Die Bundesrepublik versuchte Frankreich einzubinden, indem es Frankreich über die geführten Gespräche informierte. Aufzeichnung Nr. 270/CE der DAEF vom 16.10.1963, in: MAE, DE_CE/1577. 121 Schreiben Nr. 341 von O’Neill, Brüssel, an das FO vom 19.10.1963, in: NA, FO 371/171471. 122 Für den italienischen Vorschlag im Ständigen WEU-Rat am 7.8.1963 und französische sowie belgische Bedenken vgl. das FO vom 7.8.1963, in: NA, FO 371/171469, Thierfelder vom 7.8.1963, in: PA/AA, B21/206 und Wapler vom 8.8.1963, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1532. Zur französischen Ablehnung dieser Idee siehe zudem Lucet nach London am 22.8.1963, in: MAE, DE_CE/1577. 123 Heath teilte den Botschaftern der EG-Staaten in London bereits am 31.7.1963 britische Wünsche mit. Schreiben Nr. 924 des FO Den Haag vom 31.7.1963, in: NA, FO 371/171468. Für die weitgehende britisch-deutsche Übereinstimmung siehe das Gespräch des Bundesministers Schröder mit dem britischen Außenminister Lord Home in London am 14.8.1963, in: AAPD 1963II/299, S. 1013/1014. 124 Fernschreiben Nr. 1749 von Voigt an EUROGERMA Brüssel am 7.8.1963, in: PA/AA, B20/1239. 125 Jansen vom 27.8.1963, in: PA/AA, B20/1239. 126 Zum deutsch-französischen Auffassungsunterschied siehe Lahr vom 26.8.1963, in: PA/AA, B20/1239.
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lungen in der EFTA.127 Mit diesen Vorschlägen war Frankreich einverstanden.128 Es akzeptierte prinzipiell Themen, die weder britischen Einfluss auf die künftige EG-Entwicklung zuließen noch eine Wiederaufnahme der britischen Beitrittsverhandlungen implizierten.129 Der Quai d’Orsay bemühte sich zudem, bei der Themenfindung nicht zu restriktiv zu erscheinen, um nicht den gesamten WEUKompromiss zu gefährden und eine unliebsamere Alternative zu riskieren. 130 Der Ständige WEU-Rat beschloss am 11. September, die britischen Vorschläge für die Wirtschaftsdiskussionen zu übernehmen, wobei als einziger offizieller Tagesordnungspunkt der „Gedankenaustausch über die wirtschaftliche Lage in Europa“ vereinbart wurde.131 Diese Entscheidung beruhte auf dem französischen Bemühen, die Wirtschaftsdiskussionen möglichst informell zu halten.132 Die anderen WEU-Staaten akzeptierten diese Einschränkung, da sie größeren Wert auf den Inhalt als den formalen Rahmen der Diskussionen legten. Die Unterscheidung zwischen der auf den ersten Blick sehr dünnen offiziellen Tagesordnung unter dem einzigen Punkt „Gedankenaustausch über die wirtschaftliche Lage in Europa“ und den inoffiziell unter diesem Punkt tatsächlich diskutierten Wirtschaftsthemen blieb bis 1970 bestehen. Im Politikbereich schlug Großbritannien vor, die Diskussionen aufzuspalten, zum einen in eine inhaltliche Rubrik mit internationalen Themen von gemeinsamem Interesse und zum anderen in eine Rubrik über die zukünftige politische Arbeit der WEU. Das Foreign Office hielt es für notwendig, sich mit möglichen institutionellen Veränderungen zu beschäftigen. 133 Es regte an, eine Studiengruppe einzusetzen, die den Ministern einen Bericht zu gemeinsamen Tätigkeitsfeldern und einem dafür erforderlichen Apparat erstellen sollte. 134 Diese britischen Vorschläge zielten auf eine politische Aufwertung der WEU und eine effizientere Arbeitsleistung ab. Frankreich lehnte Diskussionen zur Zukunft der WEU und eine spezielle Studiengruppe ab, da es neue institutionelle Mechanismen befürchtete, welche die WEU zu einem echten Verhandlungsgremium der EG mit Großbritannien machen könnten. 135 Die Bundesrepublik nahm eine Mittelposition ein. Sie hielt eine allgemeine Diskussion über die Zukunft der WEU für möglich und
127 Zu den britischen Vorschlägen siehe die undatierte deutsche Übersetzung Nr. 2197, in: PA/AA, B21/356. Für weitere Informationen zu den Themen Kennedy-Runde und die UNHandelskonferenz vgl. das Kapitel IV.2.1. 128 Schreiben Nr. 601 von Dixon, Paris, vom 7.9.1963, in: NA, FO 371/171470. 129 In dieser Form äußerte sich Lucet gegenüber Jansen. Aufzeichnung der S/DEC „Compte Rendu de la Réunion du 11 septembre 1963“ vom 14.11.1963, in: MAE, Europe, RFA/1611. 130 DAEF vom 16.10.1963, in: MAE, DE_CE/1577. 131 FO vom 11.9.1963, in: NA, T 312/648 und von Etzdorf vom 11.9.1963, in: PA/AA, B21/356. 132 Dixon vom 7.9.1963, in: NA, FO 371/171470. 133 Lord Hood schlug diese Zweiteilung am 7.8.1963 im Ständigen WEU-Rat vor. Siehe das FO vom 7.8.1963, in: NA, FO 371/171469, Thierfelder vom 7.8.1963, in: PA/AA, B21/206 und Wapler vom 8.8.1963, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1532. 134 Schreiben Nr. 1006 des FO an Den Haag vom 5.9.1963, in: NA, T 312/648. 135 Telegramm Nr. 15343/46 von Lucet nach London vom 10.9.1963, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531.
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schloss eine Studiengruppe nicht aus.136 Überlegungen zu institutionellen Veränderungen der WEU schienen ihr allerdings verfrüht.137 Im Ständigen WEU-Rat konnte sich Großbritannien trotz italienischer Unterstützung nicht gegen den französischen Widerstand durchsetzen. Der Rat beschloss, auf einen Diskussionspunkt über die zukünftige politische Rolle der WEU in Europa zu verzichten. Die Minister sollten lediglich im Verlauf der politischen Diskussionen indirekt darauf Bezug nehmen können. Die Idee einer Studiengruppe verfolgte der Rat ebenfalls nicht weiter.138 Keine Kontroversen gab es über die politischen Inhalte, an denen sich alle Teilnehmer interessiert zeigten. Der Ständige WEU-Rat beschloss einhellig, die Ost-West-Beziehungen, den Nahen Osten, die Beziehungen Europas mit Lateinamerika und gegebenenfalls Südostasien auf die Agenda zu setzten.139 Die Diskussion um die Ausgestaltung der WEU-Kontakte von Juli bis September 1963 zeigt, dass Großbritannien möglichst viel aus dem ungeliebten Kompromiss zu machen versuchte. Es stach mit vielfältigen Themenvorschläge hervor und prägte die Agenda des ersten Ministertreffens. In den Vorbereitungen der Wirtschaftsdiskussionen zeigte sich die Bundesrepublik als williger Helfer. Frankreich zeichnete dafür verantwortlich, den WEU-Kontakten Grenzen zu setzen und eine klare formale Trennung von den EG zu betonen. Nachdem der Rahmen für die WEU-Kontakte ausgearbeitet war, formulierten Großbritannien, die Bundesrepublik und Frankreich im Oktober 1963 ihre unmittelbaren Erwartungen an das bevorstehende erste WEU-Ministertreffen, Großbritannien hielt prinzipiell am Ziel substantieller Diskussionen fest, um zu Harmonisierungen mit den EG in bestimmten Politikbereichen zu kommen und einen späteren EG-Beitritt zu erleichtern. Zudem wollte Großbritannien an der weiteren europäischen Integration mitwirken. Für das erste Treffen hielt es jedoch mehr als einen generellen Austausch von Ansichten für unwahrscheinlich. 140 Die „Friendly Five“ würden Großbritannien in keinem Anliegen unterstützen, das zu einem Bruch mit Frankreich führen könnte. 141 Daher strebte Großbritannien als
136 Schreiben Nr. 920 von Roberts, Bonn, an das FO am 9.9.1963, in: NA, T 312/648. 137 Jansen vom 27.8.1963, in: PA/AA, B20/1239 und der Vermerk von Röding „Vorbereitung der Sitzung des WEU-Ministerrats am 25. und 26. Oktober 1963“ vom 10.9.1963, in: PA/AA, B21/356. 138 Für die Sitzung des Ständigen WEU-Rates vom 25.9.1963 siehe von Etzdorf vom 27.9.1963, in: B21/356, Courcel vom 26.9.1963, in: MAE, DE_CE/157 und das FO vom 26.9.1963, in: T 312/648. 139 Von Etzdorf vom 27.9.1963, in: B21/356, Courcel vom 26.9.1963, in: MAE, DE_CE/157 und das FO vom 26.9.1963, in: T 312/648. 140 „Steering Brief on Economic Subjects“ vom 21.10.1963, in: NA, FO 371/171472. Das Foreign Office formulierte federführend – unter Mithilfe anderer Ministerien – vor jedem WEU-Ministertreffen einen Steering Brief zu allgemeinen Zielen sowie spezielle Papiere zu allen geplanten wirtschaftlichen und politischen Themen. 141 Aufzeichnung von Keeble vom 3.10.1963, in: NA, FO 371/171470.
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III. Die Suche nach Wegen aus der EG-Erweiterungskrise (Januar–Oktober 1963)
unmittelbares Ergebnis lediglich die Beteiligung an den laufenden Arbeiten an einem europäischen Patentabkommen an.142 Eine ähnlich bescheidene Erwartung an das erste Ministertreffen formulierte die Bundesrepublik, für die es zunächst um einen gelungenen Einstieg in multilaterale Kontakte zu siebt ging. Auf Dauer wünschte indes auch das Auswärtige Amt, in der WEU konkrete Fragen zu erörtern und sich nicht in allgemeinen Diskussionen zu verfangen. 143 Frankreich unterschied hingegen nicht zwischen kurz- und langfristigen Zielen, da es kaum Erwartungen an die WEU stellte und auf dauerhaft ergebnislose Gespräche hoffte. Hauptziel blieb, britischen Einfluss auf die EG zu verhindern. Nichtsdestotrotz versprach sich der Quai d’Orsay in einigen Bereichen mehr Informationen über die britische Position. 144 Frankreich war sehr wohl an in der WEU formulierten britischen Ansichten interessiert, doch durften die britischen Meinungsäußerungen sich nicht auf die Arbeit der EG auswirken. Diese unterschiedlichen Erwartungshaltungen und Zielsetzungen signalisierten bereits vor dem ersten WEU-Ministertreffen, dass die Arbeit der WEU großes Konfliktpotential barg. Die Entwicklungen des nächsten Jahres sollten diese Eindrücke bestätigen.
142 Fernschreiben Nr. 1753 von Harkort, Brüssel, an das AA am 16.10.1963, in: PA/AA, B21/356. Für Informationen zum europäischen Patentabkommen vgl. das Kapitel IV.2.1. 143 Aufzeichnung der Abt. IIIA2 „Meinungsaustausch über die europäische wirtschaftliche Situation“ vom 23.10.1963, in: PA/AA, B53–IIIA2/32 sowie Aufzeichnung von Voigt die „Ergebnisniederschrift über die Ressortbesprechung im Auswärtigen Amt vom 10. Oktober d.J. zur Vorbereitung der Kontakte zwischen den EWG-Mitgliedstaaten und Großbritannien im Rahmen der WEU am 25./26. Oktober 1963“ vom 11.10.1963, in: PA/AA, B20/1240. Diese Untersuchung kann auf keine gesonderten Dossiers zurückgreifen, in denen das Auswärtige Amt – vergleichbar mit dem Foreign Office – die deutschen Ziele vor den WEUMinistertreffen zusammenführte. Deutsche Zielsetzungen lassen sich indes aus anderen Aufzeichnungen herausarbeiten. 144 Das französische Außenministerium verfasste vor den WEU-Ministertreffen Papiere zu den einzelnen Diskussionspunkten. Darin finden sich im Gegensatz zu den britischen Papieren kaum konkrete Ziele. Siehe u. a. Aufzeichnung 276/CE der DAEF „a.s. Négociation Kennedy“ vom 19.10.1963, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1532 und Aufzeichnung 275/CE der DAEF „a.s. Relations commerciales avec les pays en voie de développement.-“ vom 18.10.1963, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1532. Zudem verzichtete Frankreich darauf, allgemeine Ziele vor den WEU-Treffen zu formulieren. Dies erscheint insofern logisch, als dass Frankreich keine Ergebnisse der WEU-Treffen wünschte. Die generellen französischen Ziele bzw. Befürchtungen in Bezug auf die WEU lassen sich aber an anderen internen Papieren und durch den diplomatischen Austausch erarbeiten.
IV. DER EINSATZ DER WEU ZUR BEWÄLTIGUNG DER KRISE (OKTOBER 1963–OKTOBER 1964) Die erste Arbeitsphase der WEU in der EG-Erweiterungskrise erstreckte sich vom ersten zweitägigen Ministertreffen am 25./26. Oktober 1963 in Den Haag bis zum britischen Regierungswechsel im Oktober 1964.1 Die konservative britische Regierung hielt in dieser Zeit am Ziel des EG-Beitritts fest, auch wenn das Thema unter dem neuen Premierminister Douglas-Home an Bedeutung verlor und ein Beitritt kaum möglich schien, solange de Gaulle im Amt war. 2 Erst die Regierungsübernahme Labours unter Harold Wilson führte zum Ende des britischen Beitrittsinteresses und zum Abflauen der EG-Erweiterungskrise. In diesem ersten Zeitraum fanden vier WEU-Ministertreffen unter quartalsweise wechselndem Vorsitz statt. Die Minister behandelten am ersten Tag die politischen Themen und widmeten sich am zweiten Tag den Wirtschaftsaspekten. Da stets ein ganzer Tag für die Wirtschaftsdiskussion zur Verfügung stand, bemühte sich Großbritannien nicht mehr darum, diese Reihenfolge zu verändern. Uneinig zeigten sich die WEU-Staaten im Hinblick auf die Teilnahme ihrer Außenminister. Dies gilt nicht für das erste Treffen in Den Haag, an dem alle Außenminister teilnahmen. Eine ministerielle Abwesenheit gleich zu Beginn wäre einem Affront gleichgekommen. Selbst der französische Außenminister Couve de Murville nahm teil, um nicht frühzeitig Ärger zu provozieren. Auch am zweiten Treffen am 23./24. Januar 1964 in London beteiligten sich – außer dem erkrankten Spaak – alle Ressortchefs. Dies änderte sich in der Folgezeit. Auf dem Treffen am 16./17. April 1964 in Brüssel und am 16./17. Juli 1964 in Paris nahmen nur noch drei beziehungsweise vier Außenminister teil. Dies war ein erstes Indiz, dass Staaten wie Frankreich und Italien den WEU-Treffen keine hohe Bedeutung beimaßen. Großbritannien war über diesen Rückgang enttäuscht. Regelrecht erbost waren die Briten, dass Frankreich dem Datum für das dritte Ministertreffen zugestimmt hatte, obgleich die Terminschwierigkeiten von Couve de Murville bekannt gewesen seien. 3 Die Absage des französischen Außenministers war kein Zufall, sondern ein bewusster symbolischer Schlag gegen die Bedeutung der WEU1 2
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Das in diesem Kapitel behandelte Verhältnis zwischen WEU und EPU geht über den Oktober 1964 hinaus, da Entscheidungen zum Luns-Plan im November 1964 fielen und die EPUIdeen erst 1965 vorläufig versandeten. Douglas-Home löste am 18.10.1963 Macmillan als Premierminister ab. Douglas-Home richtete seine Konzentration auf die anstehenden Unterhauswahlen, wodurch kaum noch Voraussetzungen für einen britischen Vorstoß in Brüssel bestanden. Vgl. Ludlow, The European Community, S. 39. Zur ansonsten unveränderten Grundeinstellung der britischen Konservativen für einen EG-Beitritt vgl. Parr, Britain’s Policy, S. 21. Aufzeichnung von Barnes vom 13.3.1964, in: NA, FO 371/179093 und Schreiben von Dixon, Paris, an Henderson vom 24.3.1964, in: NA, FO 371/179093.
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IV. Der Einsatz der WEU zur Bewältigung der Krise (Oktober 1963–Oktober 1964)
Kontakte.4 Die unterschiedliche Wertschätzung der WEU-Ministertreffen spiegelte sich auch in den Delegationsgrößen wider. Großbritannien und die Bundesrepublik Deutschland nahmen mit einer Vielzahl an Beamten teil, während Frankreich eine kleinere Abordnung entsandte und auf Wirtschaftsfachleute verzichtete.5 Zudem beschloss Frankreich, seinen Ständigen EWG-Vertreter nicht an den WEU-Ministertreffen teilnehmen zu lassen.6 Erfreulicher aus britischer Sicht war, dass die EWG-Kommission an den Wirtschaftsdiskussionen mit zwei bis drei Kommissaren partizipierte, obgleich sie den WEU-Kontakten anfänglich kaum Ertragschancen und deshalb nur geringen Wert zumaß. Die EWG-Kommission stand den WEU-Kontakten zunächst skeptisch gegenüber, da sie es für sinnvoller hielt, im Namen der EG-Staaten mit Großbritannien zu sprechen, als alle EGStaaten mit ihren Ministern partizipieren zu lassen.7 1. DIE WEU-POLITIKDISKUSSIONEN 1.1. Der Verlauf der Politikdiskussionen Die ersten vier WEU-Ministertreffen zeigen, dass sich schnell eine Liste an politischen Themen etablierte, die in wechselnder Zusammensetzung für die folgenden Jahre Bestand hatte. Das inhaltlich dominierende Thema waren die Ost-West-Beziehungen, über die auf jedem Treffen ein ausführlicher Gedankenaustausch stattfand. Zumeist leitete die Bundesrepublik in dieses für sie essentielle Thema ein. Im Vordergrund standen mögliche Entspannungsbemühungen und die Deutschland- beziehungsweise Berlinfrage. Die Positionen der WEU-Staaten stimmten in den wesentlichen Fragen überein, so forderten alle eine geschlossene Position des Westens gegenüber der Sowjetunion. Zudem drückten die WEU-Partner der Bundesrepublik ihre Unterstützung in der (Nicht-)Anerkennungspolitik gegenüber der Deutschen Demokratischen Republik aus. 8 4 5 6 7
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Am vierten WEU-Ministertreffen in Paris nahm Couve nur aufgrund der französischen Vorsitzfunktion teil. Telegramm Nr. 882 von Grouy, Den Haag, an Paris am 22.10.1963, in: MAE, DE_CE/1577. Schreiben 1076/202/64 von O’Neill, Brüssel, an Marjoribanks vom 1.6.1964, in: NA, FO 371/177378. Aufzeichnung ‚EFTA/INF/60/63’ zur WEU-Versammlung vom 18.12.1963, in: NA, FO 371/171473. Nach den ersten WEU-Treffen erkannte die Kommission einen gewissen Wert der WEU-Kontakte. Schreiben 1076/72/64 von O’Neill, Brüssel, an Sir Johnston vom 14.2.1964, in: NA, FO 371/177377. Zu den WEU-Ministerratssitzungen 1963–1970 liegen der Untersuchung teilweise Protokolle zu den gesamten Sitzungen sowie teilweise spezifische Aufzeichnungen zu den einzelnen Diskussionspunkten vor. Zu den Diskussionen der Ost-West-Beziehungen am 25.10.1963 in Den Haag siehe Runderlass des AA zur „Ministerratstagung der Westeuropäischen Union in Den Haag am 25. und 26. Oktober 1963“ vom 27.10.1963, in: PA/AA, B21/443 und Telegramm Nr. 898/916 von Couve de Murville, Den Haag, an Paris vom 26.10.1963, in: MAE, DE_CE/1577. Für die Diskussionen am 23.1.1964 in London siehe Runderlass Nr. 64 des FO vom 24.1.1964, in:
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Ebenfalls auf der Agenda aller vier Treffen stand das Thema Lateinamerika, wobei dort weniger inhaltliche Fragen als strukturelle Kooperationsüberlegungen dominierten (vgl. das Kapitel IV.2.2.). Ein wiederkehrendes Thema war zudem Südostasien. In diesem Bereich besprach der WEU-Rat vorwiegend die Situation in Malaysia und in Vietnam. 9 Ein weiterer Diskussionspunkt auf den ersten Ministertreffen war die Lage im Nahen Osten, bei dem sich die Teilnehmer auf das israelisch-palästinensische und das israelisch-arabische Verhältnis konzentrierten.10 Zweimal diskutierten die WEU-Staaten über die Situation in Afrika, wobei sich besonders Frankreich und Großbritannien intensiv beteiligten. Ein letztes diskutiertes Thema war Zypern. 11 Die Betrachtung der Diskussionen zeigt, dass sich der WEU-Rat zwar mit einer respektablen Bandbreite an globalen Themen befasste, die Diskussionen aber kaum über vorbereitete Statements hinausgingen. Sie blieben allgemein und unverbindlich. Sie unterschieden sich demnach stark von dem, was später von gelungenen Konsultationen erwartet wurde, sprich „die auf Vertrauen, Vertrautheit – und Vertraulichkeit – beruhende vertiefte Erörterung der gegenseitigen
NA, FO 371/179092, Runderlass von Lahr „Sitzung des Ministerrats der Westeuropäischen Union in London am 23. und 24. Januar 1964“ vom 13.2.1964, in: PA/AA, B21/513 und Telegramm Nr. 418/432 von Courcel, London, an Paris, vom 24.1.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. Für die Diskussionen am 16.4.1964 in Brüssel siehe Schreiben Nr. 113 von Barclay, Brüssel, an das FO vom 16.4.1964, in: NA, FO 371/179093 und Telegramm Nr. 244/54 von Spitzmuller, Brüssel, an Paris vom 16.4.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1532. Für die Diskussionen am 16.7.1964 in Paris siehe Schreiben Nr. 503 von Dixon, Paris, an das FO vom 16.7.1964, in: NA, FO 371/179094, Aufzeichnung von LR I Dr. Deutz „WEU-Ministerratstagung in Paris am 16./17. Juli“ vom 22.7.1964, in: PA/AA, B150/33 und Telegramm Nr. 6150–72 von Puaux an Bonn vom 18.7.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1533. 9 Für die Diskussionen zu Südostasien in Den Haag siehe das Auswärtige Amt vom 27.10.1963, in: PA/AA, B21/443 und Telegramm Nr. 917–33 von Couve de Murville, Den Haag, an Paris vom 26.10.1963, in: MAE, DE_CE/1577. Für die Diskussionen in London siehe das FO vom 24.1.1964, in: NA, FO 371/179092, Lahr vom 13.2.1964, in: PA/AA, B21/513 und Telegramm Nr. 1987/99 von Lucet an London vom 28.1.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. Für die Diskussionen in Brüssel siehe Barclay vom 16.4.1964, in: NA, FO 371/179093 und Telegramm Nr. 255/70 von Spitzmuller, Brüssel, an Paris vom 17.4.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1532. Für die Diskussionen in Paris siehe Dixon vom 16.7.1964, in: NA, FO 371/179094, Deutz vom 22.7.1964, in: PA/AA, B150/33 und Puaux vom 18.7.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1533. 10 Für die Diskussionen zum Nahen Osten in Den Haag siehe Nr. 917–33 von Couve de Murville vom 26.10.1963, in: MAE, DE_CE/1577 und das Auswärtige Amt vom 27.10.1963, in: PA/AA, B21/443. Für die Diskussionen in London siehe Lucet vom 28.1.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 11 Für die Diskussionen in Brüssel sowohl zur Lage in Afrika als auch in Zypern siehe Barclay vom 16.4.1964, in: NA, FO 371/179093 und Telegramm Nr. 255/70 von Spitzmuller vom 17.4.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1532. Für die Diskussionen zu beiden Themen in Paris siehe Dixon vom 16.7.1964, in: NA, FO 371/179094 und Deutz vom 22.7.1964, in: PA/AA, B150/33.
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Meinungen und Standpunkte.“12 Zudem beschloss der WEU-Rat weder eine Abstimmung der nationalen Außenpolitiken noch gemeinsame Aktionen. Von diesen Einschränkungen abgesehen beteiligten sich alle WEU-Staaten aktiv an diesen Gesprächen. Dies galt auch für Frankreich, das gerade im Vergleich zu den Wirtschaftsdiskussionen auffallend engagiert auftrat. Zudem hatte der Ständige WEURat kaum Probleme, sich über die Agenda der Politikdiskussionen zu einigen. Allerdings gab es abweichende Vorstellungen darüber, in welcher Form und mit welcher Zielsetzung die außenpolitischen Diskussionen zu führen seien. Dies zeigte sich an zwei strukturellen Vorstößen seitens Großbritanniens und den Niederlanden, die Diskussionen zu intensivieren und zugleich Einfluss auf die politischen Integrationsbemühungen in Europa zu nehmen. 1.2. Der erste Versuch einer engeren außenpolitischen Kooperation: Lateinamerika Großbritannien war von Oktober 1963 bis zum Juni 1964 die treibende Kraft hinter den Bemühungen, eine koordinierte Außenpolitik der WEU-Staaten gegenüber Lateinamerika zu etablieren. Großbritannien verfolgte primär das Ziel, durch Harmonisierungen in einem inhaltlich wenig umstrittenen Themenfeld wie Lateinamerika die Grundlage für engere Kooperationen auch in anderen Bereichen zu legen. 13 Auf diese Weise erhoffte sich Großbritannien eine gleichberechtigte Einbindung mit den EG-Staaten in eine künftige europäische außenpolitische Zusammenarbeit. Frankreich war sich dessen bewusst und versuchte, einer außenpolitischen Kooperation der Sieben entgegenzuwirken. Bereits auf dem WEU-Ministertreffen in Den Haag leitete Großbritannien die Harmonisierungsbemühungen gegenüber Lateinamerika ein. Außenminister Butler begründete dies mit der Gefahr von Militärputschen in Lateinamerika, weshalb die WEU-Staaten die dortigen Regierungen unterstützen sollten. Butler hielt eine Koordinierung für zweckmäßig und schlug vor, den Ständigen WEU-Rat mit der Ausarbeitung eines Berichts zu Fragen im Bereich technischer Hilfe sowie der Zusammenarbeit im Kultur- und Informationsbereich zu beauftragen. Der Ministerrat nahm den Vorschlag an, wobei die „Friendly Five“ – im Gegensatz zu Frankreich – einen Bericht ausdrücklich unterstützten. 14 Die anschließenden Arbeiten im Ständigen WEU-Rat machten divergierende Ansichten deutlich. Großbritannien strebte mit seiner Initiative eine enge Koope12 Niels Hansen: Politische Zusammenarbeit in Westeuropa. Der neue Ansatz des Luxemburger Berichts, in: EA 26 (1971), S. 457. 13 Das FO vom 24.1.1964, in: NA, FO 371/179092. 14 Die Aufzeichnungen zu den Lateinamerikadiskussionen weichen im Detail voneinander ab. Während die deutsche und britische Aufzeichnung von Bemühungen um eine „Koordinierung“ sprechen, wird dieses Ziel im französischen Dokument nicht erwähnt. Siehe das Auswärtige Amt vom 27.10.1963, in: PA/AA, B21/443, Aufzeichnung von Barnes vom 31.10.1963, in: NA, FO 371/167727 und Telegramm Nr. 917–33 von Couve de Murville vom 26.10.1963, in: MAE, DE_CE/1577.
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ration an, die auch für die Bundesrepublik zumindest in Betracht kam. 15 Aus französischer Sicht durfte es indes zu nicht mehr als einem generellen Austausch über Lateinamerika kommen. Keinesfalls wünschte Frankreich gemeinsame Aktion der WEU-Staaten.16 Entsprechend weigerte sich Frankreich, eine enge Kooperation mitzutragen. Zudem interpretierte es den vom Ministerrat erteilten Auftrag anders als seine WEU-Partner. Frankreich lehnte den italienischen Vorschlag ab, dass alle WEU-Staaten ihre Lateinamerikapolitiken in nationalen Papieren zusammentragen sollten. Stattdessen sollte sich der Ständige WEU-Rat darauf beschränken, eine Analyse der politischen und wirtschaftlichen Lage in Lateinamerika vorzunehmen, auf deren Basis die Minister beim nächsten WEU-Treffen diskutieren sollten. 17 Der Quai d’Orsay schloss aus, nationale Papiere als Teil eines offiziellen WEU-Dokumentes anzuerkennen. 18 Die französische Position führte zu einer Zweiteilung des angestrebten Lateinamerikaberichts. Den ersten, offiziellen Teil bildete die von Frankreich vorgeschlagene allgemeine Situationsanalyse, für die das französische Außenministerium selbst die Federführung übernahm, um die weitere Ausarbeitung zu kontrollieren.19 So verhinderte es, Vorschläge für gemeinsame Aktionen in die Analyse aufzunehmen, da die Minister dafür keinen Auftrag erteilt hätten.20 Ergebnis der französischen Einschränkungen war, dass der offizielle Teil des Berichts aus britischer Sicht jegliche Wirkungskraft vermissen ließ.21 Den zweiten, inoffiziellen Teil machten die nationalen Papiere aus, welche die anderen WEU-Staaten – mit Ausnahme von Luxemburg – verfassten. 22 Nach diesen bescheidenen Ergebnissen erhoffte sich das Foreign Office vom kommenden Ministertreffen, den Ständigen WEU-Rat ausdrücklich mit einem Bericht für gemeinsame Aktionen und eine Politikkoordination in Lateinamerika zu beauftragen.23 Tatsächlich beschlossen die Minister in London, dem Ständigen WEU-Rat einen entsprechenden Auftrag zu erteilen. 24 Neben Butler sprachen sich auch Luns 15 Aufzeichnung der Abt IB2 „Zusammenarbeit der WEU-Länder in Lateinamerika“ vom 9.12.1963, in: PA/AA, B150/18. 16 Telegramm Nr. 18.880/82 von Beaumarchais an London vom 15.11.1963, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 17 Für die Diskussionen über Lateinamerika im Ständigen WEU-Rat am 20.11.1963 siehe Schreiben Nr. 1560 des FO an Brüssel vom 21.11.1963, in: NA, PREM 11/4735 und Telegramm Nr. 4825/29 von Courcel, London, an Paris vom 20.11.1963, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 18 Zur französischen Ablehnung am 27.11.1964 im Ständigen WEU-Rat siehe Telegramm Nr. 4945/49 von Courcel, London, an Paris vom 27.11.1963, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 19 Telegramm Nr. 4830/31 von Courcel, London, an Paris vom 20.11.1963, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 20 Aufzeichnung von Hutchinson vom 10.1.1964, in: NA, FO 371/173583. 21 Aufzeichnung von Barnes vom 21.1.1964, in: NA, FO 371/173583. 22 Aufzeichnung von Goodall vom 7.1.1964, in: NA, FO 371/173583. 23 Runderlass Nr. 43 des FO vom 20.1.1964, in: NA, FO 371/179092. 24 „Auftrag der Minister an den Ständigen Rat zur Erstellung eines Berichts über Lateinamerika“, in: PA/AA, B21/513.
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und Schröder für eine engere Koordinierung der WEU-Staaten aus, während es Couve de Murville unterließ, einem gemeinsamen Bericht offen zu widersprechen. 25 Butler zeigte sich erfreut über dieses Ergebnis und glaubte einen Schritt auf dem Weg zu einer außenpolitischen Harmonisierung der WEU-Staaten zu erkennen. Zudem verwies Butler auf das übergeordnete britische Motiv der Lateinamerikainitiative, da nun der Boden für Kooperationsformen in anderen Teilen der Erde bereitet sei.26 Die folgenden Monate zeigten jedoch, dass Großbritannien keineswegs einen Durchbruch erzielt hatte. Im Ständigen WEU-Rat blockierte Frankreich erneut Kooperationsbemühungen. Als die Bundesrepublik vorschlug, in der WEU-Arbeitsgruppe gemeinsame Aktionen in den Bereichen Kultur, Öffentlichkeit und Politik zu entwickeln, bezeichnete Frankreich dies als verfrüht.27 Es stritt zudem ab, im Ministerrat sein Einverständnis zu einem präzisen Mandat oder zur Ausarbeitung gemeinsamer Handlungen in Lateinamerika gegeben zu haben. Frankreich legte dabei die Motive seiner Blockadehaltung offen. Es argumentierte, dass die Lateinamerikainitiative dem Kern des WEU-Kompromisses aus dem Juli 1963 widerspreche. Dort sei ein genereller Austausch von Ansichten über die politische und wirtschaftliche Situation in Europa beschlossen worden. Die von Großbritannien vorangetriebene Initiative versuche aber, einen Mechanismus systematischer Konsultationen zu schaffen. Der Quai d’Orsay vermutete dahinter das britische Ziel, politische Kooperationsformen der Sechs überflüssig zu machen. Diesem Ziel wollte Frankreich auf keinen Fall zustimmen. 28 Hier zeigte sich das französische Bestreben, Großbritannien keinen Einfluss mittels der WEU auf mögliche Entwicklungen in der europäischen außenpolitischen Kooperation zu erlauben. Zudem wollte es verhindern, dass Großbritannien gleichberechtigt in eine außenpolitische Kooperation mit den EG-Staaten eintrat. Noch im September 1964 teilte Frankreich der Bundesrepublik mit, dass Großbritannien eine politische Zusammenarbeit der Sieben
25 Für die Diskussionen auf dem WEU-Ministertreffen vom 23.1.1964 in London siehe Lahr vom 13.2.1964, in: PA/AA, B21/513, das FO vom 24.1.1964, in: NA, FO 371/179092 und Telegramm Nr. 433/437 von Courcel, London, an Paris, vom 24.1.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 26 FO vom 24.1.1964, in: NA, FO 371/179092. 27 Aufzeichnung von Barnes vom 11.2.1964, in: NA, FO 371/173583. 28 Telegramm Nr. 2224/25 von Puaux an Bonn am 3.3.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. Es entwickelte sich ein Streit darüber, ob Couve de Murville einem präzisen Mandat zur Ausarbeitung gemeinsamer WEU-Aktionen zugestimmt habe. Frankreich behauptete, dass beim WEU-Ministertreffen in London der Auftrag an den Ständigen WEU-Rat zur Verfassung eines Berichts nicht schriftlich vorgelegen habe. Butler habe den Text nur verlesen, so dass Couve ihn nicht als offiziell angenommen ansehe. Großbritannien, Italien und die Benelux-Staaten hingegen insistierten, dass Couve dem Auftrag zugestimmt habe. Die Klärung der Frage wurde auf das kommende Ministertreffen verschoben. Aufzeichnung von Deutz „Bericht des Rates über Lateinamerika, hier: Französischer Änderungswunsch zum Protokoll der Ministerratssitzung in London am 23. Januar 1964“ vom 15.4.1964, in: PA/AA, B21/513.
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anstrebe und sich dafür als speziellen Fall Lateinamerika im Rahmen der WEU ausgesucht habe. 29 Dies galt es aus französischer Sicht frühzeitig zu verhindern. Aufgrund des französischen Widerstands legte der Ständige WEU-Rat den Ministern einen zweigeteilten Lateinamerikabericht vor. Der erste Teil umfasste einstimmig erarbeitete Aspekte, während Frankreich dem Inhalt des zweiten Teils nicht zustimmte. Frankreich lehnte alle Punkte ab, die sich auf gemeinsame Aktionen der WEU-Staaten bezogen. Es stimmte nur dem Informationsaustausch über Staatsbesuche der WEU-Staaten in Lateinamerika und Kontakten mit den dortigen Gewerkschaften zu.30 Eine zweideutige Haltung nahm die Bundesrepublik ein. Zwar stimmte sie dem Bericht zu, doch äußerte sie Bedenken, „soweit die Vorschläge zu einer Institutionalisierung innerhalb der WEU führen würden, die wir nicht für zweckmäßig halten“. 31 Diese Befürchtung zeigte sich immer wieder in internen deutschen Überlegungen. Einerseits befürwortete die Bundesrepublik praktische Harmonisierungen, andererseits reagierte sie skeptisch und sogar ablehnend auf institutionelle und strukturelle Veränderungsvorschläge in der WEU, da sie diese weder als gewinnbringend erachtete noch gegenüber Frankreich für durchsetzbar hielt. Der Lateinamerikabericht entwickelte sich auf dem WEU-Ministertreffen in Brüssel zum Streitpunkt. Der französische Staatssekretär Habib-Deloncle protestierte dagegen, den vorgelegten Bericht zu diskutieren, da dies über einen Gedankenaustausch hinausginge. Zudem lehne Frankreich neue Mechanismen ab. Habib-Deloncle war lediglich bereit, die zwei einstimmigen Aspekte des Berichtes zu akzeptieren. Gleichzeitig betonte er, dass die französische Regierung keinem Aktionsprogramm zustimmen würde. Den anderen WEU-Staaten gelang es nicht, die französische Haltung aufzuweichen, wobei die Bundesrepublik trotz ihrer Skepsis für die Annahme des Berichts plädierte, was Frankreich anschlie29 Aufzeichnung der S/DEC „Compte Rendu de la Réunion des deux Secretaires d’Etat de l’Auswärtiges Amt et du Directeur du Ministre des Affaires Etrangères à Bonn, le 15 septembre 1964“ vom 29.7.1964, in: MAE, Europe, RFA/1611. 30 Aufzeichnung von Goodall vom 23.3.1964, in: NA, FO 371/173584. Der Lateinamerikabericht beruhte auf dem von der WEU-Arbeitsgruppe ausgearbeiteten WEU-Bericht C(64)43. Der Bericht enthielt unter Punkt I Vorschläge für gemeinsame Aktionen im Politikbereich (1. Informationsaustausch über Staatsbesuche; 2. Anerkennung von Regierungen; 3. Kontakte der Missionschefs der WEU-Staaten in den lateinamerikanischen Hauptstädten; 4. Kontakte bei den UN; 5. Konsultationen im WEU-Ministerrat über Lateinamerika; 6. Kontakte mit den Gewerkschaften). Unter Punkt II enthielt der Bericht Vorschläge für gemeinsame Aktionen im Kultur- und Informationsbereich und unter Punkt III Hilfe und Unterstützung in verschiedenen Bereichen. Siehe den französischen Wortlaut des Berichtes in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. Für die französische Position zu den einzelnen Punkten siehe Schreiben Nr. 329 von Courcel „a/s: Action de l’U.E.O. en Amérique latine.“ an Couve de Murville vom 13.3.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. Für mehr Informationen zur Arbeit der WEU-Arbeitsgruppe siehe Aufzeichnung von Goodall vom 13.3.1964, in: NA, FO 371/173584. 31 Aufzeichnung des Referats I B 2 für die Konferenzmappe zur WEU-Ministerratssitzung vom 16./17. April 1964, aus Ministerbüro, VS-Bd. 8425, B 150, Aktenkopien 1964, in: AAPD 1964I/89, S. 400, Fußnote 3.
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ßend kritisierte. Frankreich lehnte Kompromissvorschläge mit dem Hinweis ab, nur einen Frontalaustausch von Ansichten in der WEU zu akzeptieren. Anderenfalls würde mit der Lateinamerikainitiative ein Präzedenzfall für andere Bereiche der Welt geschaffen. Der Ministerrat einigte sich darauf, die einstimmigen Punkte des Berichts zu beschließen und den Ständigen Rat zu beauftragen, die anderen Aspekte weiter zu diskutieren. Habib-Deloncle betonte, diesem Beschluss nur aus Höflichkeit zuzustimmen, Frankreich würde seine Grundposition auf keinen Fall verändern. Butler verwies deshalb bereits auf den britischen Alternativplan, seine Repräsentanten unilateral anzuweisen, mit den Abgesandten der anderen WEUStaaten in Lateinamerika zu kooperieren.32 Spätestens das Ministertreffen in Brüssel hatte offenbart, dass eine engere Kooperation aller sieben WEU-Staaten nicht möglich war. Die folgenden Sitzungen des Ständigen WEU-Rates brachten keine Fortschritte. Das einzige konkrete Ergebnis der Lateinamerikainitiative war, dass sich die WEU-Staaten fortan über Staats- und Regierungsbesuche in Lateinamerika unterrichteten. Doch selbst dieser Punkt blieb umstritten, da Frankreich die britische Bereitschaft kritisierte, zusätzlich über Besuche von Staatssekretären und Parlamentsabgeordneten zu berichten. Frankreich erkannte darin eine Vorgehensweise, die nicht einstimmig in der WEU beschlossen worden sei. Italien und die Beneluxstaaten schlossen sich dem britischen Vorhaben bei ihren künftigen eigenen Berichten an, die Bundesrepublik hingegen beschränkte sich auf den Wortlaut des Lateinamerikaberichtes und somit auf die Besuche der Staats- und Regierungschefs.33 Das Foreign Office sah im Juli 1964 ein, dass die Initiative grundsätzlich gescheitert war und sprach von einem enttäuschenden Ergebnis. 34 Das Scheitern hatte zur Folge, dass Großbritannien auf Kooperationsvorschläge in anderen Themenfeldern verzichtete.35 Dennoch bemühte es sich, den Wert der Initiative herauszustreichen, da Großbritannien im Gegensatz zu Frankreich seine Bereitschaft zu europäischer politischer Kooperation nachgewiesen habe.36 Butler hielt es zudem für möglich, in eine Lateinamerikakooperation nur mit den „Friendly Five“ einzusteigen.37 Entsprechend teilte Großbritannien im Ständigen WEU-Rat mit, dass es auf informellem Wege engere Kontakte zwischen den Botschaften der WEU-Staaten in Lateinamerika anstrebe.38 Frankreich indes sah darin ein briti32 Für die Diskussionen vom 16.4.1964 in Brüssel siehe Barclay vom 16.4.1964, in: NA, FO 371/179093 und Telegramm Nr. 255/70 von Spitzmuller vom 17.4.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1532. 33 Schreiben Nr. 541 von Courcel an Couve de Murville „a/s: Conseil de l’U.E.O.-“ vom 6.5.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1533 und Schreiben Nr. 634 von Courcel an Couve de Murville „a/s: Conseil de l’U.E.O.-“ vom 29.5.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1533. 34 Aufzeichnung von Barnes zur Agenda für das WEU-Ministertreffen im Juli 1964 vom 11.6.1964, in: NA, FO 371/179094. 35 Barnes vom 11.6.1964, in: NA, FO 371/179094. 36 Schreiben A 10712/33 von Butler vom 11.6.1964, in: NA, FO 371/173584. 37 Butler vom 11.6.1964, in: NA, FO 371/173584. 38 Schreiben Nr. 712 von Courcel an Couve de Murville „a/s: Conseil de l’U.E.O.-“ vom 18.6.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1533.
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sches Manöver, die Entscheidung des WEU-Rates zu umgehen und verbot seinen Botschaften derartige Kontakte.39 Abgesehen von diesen informellen Kontakten verlor das Thema Lateinamerika in der WEU an Bedeutung. Auf dem Ministertreffen in Paris besprachen es die Minister nur noch kurz.40 Selbst das Foreign Office hielt es für unsinnig, einen dauerhaften und ausweglosen Streit mit Frankreich über dieses Themenfeld zu führen. 41 Alles in allem blieb die von Großbritannien mit übergeordnetem Ziel durchgeführte Lateinamerikainitiative nahezu ergebnislos. Mit Ausnahme zweier bescheidener Aspekte des Lateinamerikaberichts gelang keine Intensivierung der außenpolitischen Koordinierung in der WEU. Frankreich verhinderte, dass die sieben WEU-Staaten erste Schritte in Richtung einer engeren Zusammenarbeit unternahmen. Der französische Widerstand wirkte sich sogar insoweit auf die weitere Zusammenarbeit aus, dass bis 1968 keine weiteren konkreten Harmonisierungsbemühungen in außenpolitischen Themenbereichen erfolgten. 1.3. WEU versus EPU: Der Luns-Plan Parallel zur spezifischen Lateinamerikainitiative bemühten sich 1964 die Niederlande und Großbritannien, die generelle außenpolitische Arbeitsweise der WEU zu verändern. Sie verfolgten dabei das Ziel, eine institutionalisierte europäische außenpolitische Zusammenarbeit der EG-Staaten in einer Politischen Union (EPU) ohne Großbritannien zu verhindern. Eine Aufwertung der WEU sollte die Pläne für eine EPU ausbremsen und den Fortgang außenpolitischer Kontakte in der WEU absichern. Diesen Bemühungen stellten sich Frankreich und die Bundesrepublik entgegen. Seit dem Herbst 1963 kamen in Belgien, der Bundesrepublik und Italien Ideen auf, nach den gescheiterten Fouchet-Plänen einen neuen Anlauf in Richtung einer EPU zu versuchen. 42 Diese Pläne hatten zum Ziel, die wirtschaftliche Integration 39 Schreiben „Projet d’instructions pour tous les postes d’Amérique latine“ vom 26.6.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. Großbritannien begann kurz darauf in Kolumbien engere Kontakte mit einigen WEU-Staaten, was Frankreich als gegen sich ausgerichtet ansah. Aufzeichnung von Wormser „a.s. Aide européenne à l’Amérique latine.“ vom 20.8.1964, in: MAE, DE_CE/1577. 40 Nach einem Bericht des Generalsekretärs über die Arbeit im Ständigen WEU-Rat sprachen die Teilnehmer nur über Entwicklungshilfe für Lateinamerika. Dixon vom 16.7.1964, in: NA, FO 371/179094, Deutz vom 22.7.1964, in: PA/AA, B150/33 und Puaux vom 18.7.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1533. 41 Barnes vom 11.6.1964, in: NA, FO 371/179094. 42 Die unterschiedlichen Vorschläge und Diskussionen in Bezug auf eine EPU werden in dieser Untersuchung nur ansatzweise behandelt, da lediglich die Wechselwirkung mit der WEU von Interesse ist. Für Details zu den EPU-Diskussionen siehe Kramer, S. 150–192, Gabriele Clemens: ‘Zwischen allen Stühlen’. Ludwig Erhards Europa-Initiative vom November 1964, in: Dies. (Hg.): Nation und Europa. Studien zum internationalen Staatensystem im 19. und 20. Jahrhundert. Festschrift für Peter Krüger zum 65. Geburtstag, Stuttgart, 2001, S. 171–192
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in den EG durch eine politische Zusammenarbeit zu ergänzen. Die damit verbundenen Diskussionen erstreckten sich über das Jahr 1964 und endeten erst Anfang 1965, obgleich ihre Umsetzung angesichts großer Meinungsverschiedenheiten der EG-Staaten von Beginn an kaum realistisch war. 43 Nichtsdestotrotz weckten die EPU-Pläne britische Befürchtungen, aus einer engeren europäischen politischen Zusammenarbeit ausgeschlossen zu werden.44 Aus diesem Grunde setzte sich Großbritannien frühzeitig mit dem Gedanken auseinander, durch die WEU eine drohende EPU zu verhindern.45 Das Foreign Office ließ verlauten, dass eine EPU Versuche behindere, politische Kooperationen in der WEU zu entwickeln. 46 Über diese Frage entzündete sich ein Streit mit Frankreich. Dabei ging es um die grundsätzliche Frage, ob und inwiefern die WEU oder die EPU besser für eine außenpolitische Zusammenarbeit geeignet sei. Großbritannien forderte im Dezember 1963 vor der WEU-Versammlung eine Beteiligung an eventuellen EPU-Diskussionen und hielt die Kooperation in der WEU ohnehin für besser.47 Frankreich hingegen plädierte für eine Begrenzung der EPU auf die EG-Staaten und warnte vor engerer Zusammenarbeit in der WEU. 48 Ein konkreter Vorstoß für eine EPU zeichnete sich ab, als Bundeskanzler Erhard am 9. Januar 1964 im Bundestag eine entsprechende Initiative ankündigte.49 Kurze Zeit später besprach er sich darüber mit Douglas-Home, der zurückhaltend reagierte, obgleich Erhard einräumte, dass es weder einen festen Zeitplan noch klare Modelle für diese Idee gebe.50 Douglas-Home rang dem Bundeskanzler die Zusage ab, mit der Initiative erst nach den britischen Unterhauswahlen zu beginnen, da er negative Auswirkungen auf die Wahlchancen der konservativen
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und Carine Germond: Les projets d’Union politique de l’année 1964, in: Loth (Hg.): Crises and Compromises, S. 109–130. Vgl. Clemens, Zwischen allen Stühlen, S. 171. Memorandum vom Western Organisations and Planing Department (WOPD) „European Political Union“ vom 13.11.1963, in: NA, PREM 11/4735. Butler teilte diese Besorgnis Schröder mit, der eine EPU für kaum realisierbar hielt. Allerdings vermutete Schröder, dass Erhard eine Initiative plane. Zum Gespräch von Butler und Schröder am 10.12.1963 siehe Aufzeichnung von Weber vom 13.12.1963, in: PA/AA, B150/18. Schreiben von Zulueta an Douglas-Home vom 18.11.1963, in: NA, PREM 11/4735. Telegramm Nr. 1559 des FO an Brüssel vom 21.11.1963, in: NA, PREM 11/4735. Aufzeichnung der Rede von Lord Carrington, Minister ohne Portfolio, am 3.12.1963 vor der WEU-Versammlung, in: NA, FO 371/173476. Für die Rede des französischen Staatssekretärs Habib-Deloncle am 5.12.1963 siehe Telegramm Nr. 290 von Sir P. Dixon, Paris, an das FO vom 6.12.1963, in: NA, FO 371/17347. Laut Clemens verfolgte Erhard primär das Ziel, „das Europa der Brüsseler ‚Technokraten’ zu überwinden“ und „die Macht der Europäischen Kommission zu beschränken“. Zudem sei es ihm um die Festigung der atlantischen Allianz gegangen. Vgl. Clemens, Zwischen allen Stühlen, S. 171/177/179. Clemens zufolge hat es indes Unstimmigkeiten innerhalb der deutschen Regierung und Administration über Erhards Initiative gegeben, so sei das Auswärtige Amt von Erhards Vorstoß aufgeschreckt worden. Vgl. ebenda, S. 172. Diese internen Unstimmigkeiten setzten sich bei der Ausarbeitung der EPU-Vorschläge fort. Vgl. Kramer, S. 162. Gespräch von Douglas-Home und Erhard am 15.1.1964, in: NA, PREM 11/4817 und die Deutsch-britischen Regierungsbesprechungen in London am 16.1.1964, in: AAPD 1964I/14, S. 68–70.
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Regierung befürchtete.51 Damit war aus britischer Sicht die Gefahr einer EPU zumindest kurzfristig gebannt. In Frankreich zeigte sich das Außenministerium besorgt, dass Erhard angesichts der verschobenen EPU-Initiative die WEU für den Weg zur politischen Einigung Europas nutzen könnte.52 Entsprechende Sorgen zerstreute die deutsche Botschaft in Paris: Die Bundesrepublik begrüße zwar die politischen Kontakte in der WEU und wolle diese im Rahmen ihrer Möglichkeiten ausnutzen. Sie wolle die WEU aber weder als Basis für weitergehende politische Integrationsbemühungen heranziehen noch auf eine EPU verzichten.53 Frankreich lehnte dies ohnehin ab, da es keine engere Kooperation unter britischem Einschluss wollte. Großbritannien hingegen schaute nach wie vor skeptisch auf politische Einigungsbemühungen der Sechs, die nur aufgeschoben schienen. 54 Es kam Großbritannien gelegen, dass die Niederlande eine Politische Union ohne britische Beteiligung wie bereits zu Zeiten der Fouchet-Pläne ausdrücklich ablehnten. 55 Darüber hinaus beschlossen die Niederlande, mit Hilfe der WEU aktiv gegen eine mögliche EPU vorzugehen, was Großbritannien begrüßte. Außenminister Luns stellte Anfang Januar 1964 Großbritannien den Plan vor, in der WEU intensivere politische Konsultationen durchzuführen und verstärkt auf den Ständigen WEU-Rat zurückzugreifen. 56 Als ersten Schritt sollten die Minister den Ständigen WEU-Rat mit der Entwicklung entsprechender Vorschläge beauftragen. Luns erwartete nicht, dass Frankreich den Vorschlag akzeptiere, doch würde der Plan zukünftig den Widerstand gegen eine EPU ohne Großbritannien erleichtern.57 Die Niederlande könnten bei Forderungen für eine engere außenpolitische Kooperation auf ihren WEU-Vorschlag verweisen. Die WEU diente somit als taktisches Argument gegen die EPU.
51 Vgl. Clemens, Zwischen allen Stühlen, S. 172. 52 Telegramm Nr. 105/06 von Beaumarchais (Datum unleserlich) an Bonn, in: MAE, Europe, QIE/1956. 53 Telegramm Nr. 286/89 von Lucet an Bonn vom 10.1.1964, in: MAE, Europe, QIE/1956. 54 Nach Clemens hatte Erhard zu Beginn eine EPU unter britischem Einschluss angestrebt und dies Großbritannien zugesichert. Allerdings habe Großbritannien bezweifelt, dass Erhard dieses Vorhaben gegen innerparteilichen Druck sowie gegen de Gaulle verteidigen könne. Vgl. Clemens, Zwischen allen Stühlen, S. 176/181. Tatsächlich waren spätere EPU-Vorschläge auf die EG-Staaten begrenzt. Vgl. ebenda, S. 191. Laut Vanke hatte Erhard nur zu sechst mit der EPU vorangehen wollen, um der Labour-Partei in den anstehenden Wahlen nicht gegen die europafreundlicheren Konservativen zu helfen. Vgl. Jeffrey Vanke: The European Collaborations of France and Germany, 1963–1966, in: Loth (Hg.), Crises and Compromises, S. 96. 55 Vgl. Kramer, S. 160. Für prinzipielle niederländische Motive für die britische Einbeziehung in den europäischen (politischen) Integrationsprozess vgl. Bouwman, S. 141/142. 56 Luns schlug vor, dass der Ständige WEU-Rat mit eigenständigen Diskussionen die Ministergespräche intensiv vorbereite. Als Alternative brachte er spezielle Beamtentreffen ins Spiel, die eine neue WEU-Maschinerie erzeugt hätten. Der Luns-Plan konzentrierte sich im Folgenden auf die bessere Nutzung des Ständigen WEU-Rates. Telegramm Nr. 751 des FO an Den Haag vom 9.7.1964, in: NA, FO 1109/521. 57 Die Niederlande sicherten sich frühzeitig britische Unterstützung für diesen Plan. Telegramm Nr. 38 des FO an Den Haag vom 10.1.1964, in: NA, CO 1056/30.
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Auf dem WEU-Ministertreffen im Januar 1964 in London kamen sowohl die EPU als auch der Luns-Plan zur Sprache. Butler ging auf die EPU ein, obgleich dieser Aspekt nicht auf der Agenda stand.58 Butler bekräftigte das britische Interesse, an weiterführenden Diskussionen beteiligt zu werden. Es sei nicht ausreichend, in der WEU über Gespräche der Sechs informiert zu werden. Diesen Anspruch unterstützten Schröder und Luns. Anschließend stellte Luns seinen Vorschlag zur Diskussion, intensivierte politische Konsultationen und Kooperationen im Ständigen WEU-Rat zu beginnen. Er schlug vor, den Ständigen WEU-Rat mit einem Bericht über konkrete Vorschläge zu beauftragen. Der Bericht sollte den Ministern in der nächsten Sitzung vorliegen. Während Butler den Vorschlag unterstützte, hielten ihn Schröder und Couve de Murville für verfrüht. Sie plädierten dafür, die Entwicklung der derzeitigen Ministerbesprechungen abzuwarten. Die Minister beschlossen daher, die Frage für das nächste Treffen offen zu halten.59 Frankreich hatte auf ein frühzeitiges Veto gegen den Luns-Plan verzichtet, so dass die Niederlande und Großbritannien den Plan weiterhin als Mittel gegen die EPU einsetzen konnten. Dieser Verzicht lag vermutlich darin begründet, nicht bereits auf dem zweiten WEU-Ministertreffen zu rigoros auftreten zu wollen, um keinen neuen Streit mit den EG-Partnern zu riskieren. Die britisch-niederländischen Motive hinter dem Luns-Plan blieben dem französischen Außenministerium jedoch nicht verborgen. 60 Es war davon überzeugt, dass Großbritannien kontinuierlich versuche, die WEU-Kontakte auszubauen und gegen eine Kooperation der EG-Staaten in einer EPU einzusetzen.61 Eine Blockade des Luns-Plans war aber noch zu einem späteren Zeitpunkt möglich, so dass Frankreich die weitere Entwicklung abwarten konnte. Hinzu kam der für Frankreich willkommene Aspekt, dass sich auch die Bundesrepublik nicht für eine formal intensivierte Zusammenarbeit in der WEU ausgesprochen hatte. In den nächsten Monaten tat sich wenig in der Frage des Luns-Plans und der EPU.62 Auf dem WEU-Ministertreffen im April in Brüssel verzichteten die Teil58 Butler bestätigt, seine Rolle als Vorsitzender ausgenutzt zu haben. FO vom 24.1.1964, in: NA, FO 371/179092. 59 Für die Diskussionen zur EPU und dem Luns-Plan am 23.1.1964 in London siehe das FO vom 24.1.1964, in: NA, FO 371/179092, Lahr vom 13.2.1964, in: PA/AA, B21/513 und Telegramm Nr. 412/17 von Courcel, London, an Paris, vom 24.1.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. Siehe zudem Aufzeichnung der Abteilung IA1 „Vorschlag des niederländischen Außenministers einer verstärkten politischen Konsultation im Ständigen Rat der WEU“ vom 13.7.1964, in: PA/AA, B21/513. 60 Aufzeichnung der DAP „A/S- Union Politique de l’Europe“ vom 5.2.1964, in: MAE, Europe, QIE/1956. 61 Aufzeichnung der S/DEO „A.s. La Grande-Bretagne et l’Europe.“ vom 1.4.1964, in: MAE, Europe, GB/214. 62 Das Auswärtige Amt hielt zur mangelnden Entwicklung der EPU-Idee fest, dass Großbritannien nachdrücklicher als früher eine Beteiligung fordere und die Niederlande und Italien eine britische Beteiligung zur Bedingung machten. Belgien halte dies für erstrebenswert, doch sollte mit Verhandlungsbeginn nicht auf Großbritannien gewartet werden. Die Bundesrepublik selbst halte es für erforderlich, den Willen zum politischen Europa unter den EGStaaten wach zu halten. Eine neue Initiative sei aber nur sinnvoll, wenn Aussichten für einen
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nehmer auf die Fortführung der Diskussionen zum Luns-Plan, da vier Außenminister – unter ihnen Couve de Murville und Schröder – fehlten. Für ein solch wichtiges Thema schien ein Entschluss von Ministern notwendig, so dass die Diskussion auf das nächste Ministertreffen verschoben wurde.63 Die Bedeutung des Luns-Plans erhöhte sich dann parallel mit unter anderem in der Bundesrepublik voranschreitenden Vorschlägen für eine EPU.64 Die Niederlande nutzten nun wie geplant die WEU als Abwehrmittel gegen die EPU. Luns teilte mit, dass die WEU das geeignetere Forum sei, wenn eine europäische außenpolitische Konsultation angestrebt sei. 65 Erhard folgerte auch aufgrund dieser Haltung, dass seine Idee für eine EPU-Diskussion auf hoher Regierungsebene zunächst blockiert sei. 66 Er hielt es für notwendig, vor weiteren Schritten die britischen Wahlen abzuwarten. 67 Der Luns-Plan hatte somit dazu beigetragen, Diskussionen über eine EPU zu verzögern. Gleichzeitig stand auch das Auswärtige Amt dem Luns-Plan skeptisch gegenüber, da er aufgrund der ablehnenden französischen Haltung kaum umsetzbar schien, ein Streit den WEU-Kompromiss aus dem Juli 1963 gefährden könnte und die Bundesrepublik ohnehin mehr Wert auf das Ziel einer EPU legte.68 Diese WEU-skeptische Haltung konnte Außenminister Butler der Bundesrepublik nicht ausreden.69 Beim WEU-Ministertreffen im Juli 1964 in Paris schlug Luns dennoch ein zweites Mal vor, den Ständigen WEU-Rat mit der Ausarbeitung eines Berichts zur Verbesserung der politischen Konsultationen zu beauftragen. Dieses Mal stimmten alle zu, wobei Staatssekretär Carstens anzweifelte, ob eine tatsächliche Verbesserung möglich sei. Noch kritischer äußerte sich Couve de Murville, demzu-
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Erfolg bestünden und eine befriedigende Lösung für den britischen Wunsch nach Beteiligung gefunden sei. Aufzeichnung (Autor unleserlich) „Europäische Politische Zusammenarbeit, Aussichten für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen“ vom 15.4.1964, in: PA/AA, B150/26. Butler nutze aber die Chance, die britische Unterstützung für den Luns-Plan auszudrücken und die Beteiligung an EPU-Diskussionen zu fordern. Barclay an das FO vom 16.4.1964, in: NA, FO 371/179093 und Telegramm Nr. 244/54 von Spitzmuller, Brüssel, an Paris vom 16.4.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1532. Drahterlass des Staatssekretärs Carstens vom 28.6.1964, in: AAPD 1964I/178, S. 709/710. Dabei arbeiteten das Auswärtige Amt und das Bundeskanzleramt parallel und teilweise abweichend an Plänen für eine EPU. Vgl. Clemens, Zwischen allen Stühlen, S. 180–186. Fernschreiben Nr. 140 von Berger, Den Haag, an das AA vom 1.7.1964, in: PA/AA, B150/32. Gespräch des Bundeskanzlers Erhard mit Staatspräsident de Gaulle am 3.7.1964, in: AAPD 1964II/180, S. 723. Gespräch des Bundeskanzlers Erhard mit dem belgischen Außenminister Spaak am 14.7.1964, in: AAPD 1964II/198, S. 833/834. Aufzeichnung der Abt IA1 „Vorschlag des niederländischen Außenministers einer verstärkten politischen Konsultation im Ständigen Rat der WEU“ vom 13.7.1964, in: PA/AA, B21/513. Für deutsch-französische Skepsis gegenüber dem Luns-Plan siehe die Aufzeichnung der S/DEC „Compte Rendu de la Réunion des Directeurs Français et Allemand en date du 27 juin 1964“ vom 9.7.1964, in: MAE, Europe, RFA/1611. Gespräch des Staatssekretärs Carstens mit dem britischen Außenminister Butler in Paris am 15.7.1964, in: AAPD 1964II/199, S. 837/838.
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folge der Hauptwert der politischen Konsultationen in der WEU in ihrer Spontaneität liege, so dass zu viel Papierarbeit in den Vorbereitungen die Atmosphäre beeinträchtigen würde.70 Der französische Außenminister verzichtete allerdings auf ein Veto, so dass die Niederlande und Großbritannien einen Teilerfolg erzielten.71 Der Ständige WEU-Rat durfte sich nun mit einem Bericht befassen. Praktische Fortschritte waren indes fraglich, da Couve de Murville keinen Zweifel an seiner ablehnenden Haltung ließ. Der Ständige WEU-Rat arbeitete in der Folgezeit erfolglos an einem gemeinsamen Bericht, da die grundsätzlichen Meinungsunterschiede bestehen blieben. Auf Basis niederländischer, belgischer und italienischer Vorschläge erstellte das WEU-Generalsekretariat im September 1964 einen ersten Entwurf. 72 Das Foreign Office verband damit die Hoffnung, zukünftig substantiellere Vorbereitungen der Ministertreffen und effektivere Gespräche zu ermöglichen. 73 Wie zu erwarten lehnte Frankreich den Entwurf größtenteils ab. Es sperrte sich gegen eine detaillierte Tagesordnung der Ministertreffen und den britisch-niederländischen Vorschlag, die Frage einer EPU automatisch auf die Tagesordnung jedes Ministertreffens zu setzen. Zudem erlaubte es Frankreich nicht, dass der Ständige WEU-Rat bestimmte außenpolitische Themenfelder selbständig bearbeitete.74 Es war ein wiederkehrendes französisches Ansinnen, jegliche Initiative in der WEU in den Händen der Minister zu belassen. Doch nicht nur Frankreich, sondern auch die Bundesrepublik sprach sich gegen Vorschläge aus, die einen konkreten Ausbau des außenpolitischen Konsultationsmechanismus bewirkt hätten. Ein solcher Ausbau der WEU kam der Bundesrepublik angesichts ihrer EPU-Ideen ungelegen.75 Aufgrund der Unstimmigkeiten im Ständigen WEU-Rat entwickelte die WEU-Arbeitsgruppe einen überarbeiten Entwurf. 76 Doch selbst auf diese Fassung 70 Zum WEU-Treffen am 16.7.1964 in Paris siehe Dixon vom 16.7.1964, in: NA, FO 371/179094, Deutz vom 22.7.1964, in: PA/AA, B150/33 und Puaux vom 18.7.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1533. 71 Butler erwartete nicht, dass Frankreich beim Luns-Plan nachgeben würde, doch helfe der Plan den Niederlanden gegen die EPU. Runderlass Nr. 445 des FO vom 21.7.1964, in: NA, FO 371/179094. 72 WEU-Dokument C (64) 115 vom 16.9.1964 im französischen Wortlaut, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. Der Entwurf enthielt sechs Punkte (1. detailliertere Tagesordnung, 2. gründlichere Vorbereitung bestimmter Politikthemen, 3. politische Konsultationen über europäische Probleme, 4. bessere Vorbereitung der Wirtschaftsdiskussionen, 5. Behandlung politischer Fragen im Ständigen WEU-Rat, 6. interne WEU-Probleme). 73 Aufzeichnung von Barnes vom 15.10.1964, in: NA, FO 371/179095. 74 Für die Diskussionen im Ständigen WEU-Rat am 21.10.1964 siehe Telegramm Nr. 4565/75 von Courcel, London, an Paris am 23.10.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. Frankreich lehnte auch wirtschaftliche Weiterentwicklungen ab, die in dem Entwurf auftauchten, dies galt sowohl für eine verbesserte Vorbereitung in Brüssel als auch eine detaillierte Wirtschaftsagenda (vgl. auch Kapitel IV.2.3.). 75 Aufzeichnung des Ministerialdirigenten Voigt vom 8.10.1964, in: AAPD1964II/277, S. 1135/1136. 76 WEU-Dokument C (64) 139 vom 22.10.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. Dieser Entwurf enthielt nur noch fünf Unterpunkte, der Punkt zu politischen Konsultationen europäischer Probleme fehlte.
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konnte sich der Ständige WEU-Rat nicht einigen, wofür vor allem Frankreich verantwortlich zeichnete. Frankreich begründete seine einschränkende Position damit, dass die vorgebrachten Verbesserungsvorschläge über den WEUKompromiss aus dem Juli 1963 hinausgingen.77 WEU-Generalsekretär Iweins d’Eeckhoutte schlug aufgrund der fehlenden Einstimmigkeit vor, auf einen Bericht für das Ministertreffen zu verzichten. Ein Teil der Ständigen WEUVertreter beharrte aber darauf, den Ministern einen Bericht vorzulegen und darin die Unstimmigkeiten deutlich zu machen. Frankreich sprach sich dagegen aus, verzichtete aber auf einen formalen Protest.78 Ergebnis der Beratungen im Ständigen WEU-Rat vom Juli bis November 1964 war ein vager Bericht, der zwar einige Verbesserungsvorschläge enthielt, zugleich aber die fehlende Einstimmigkeit in vielen wesentlichen Punkten verdeutlichte. 79 Das Ministertreffen am 16./17. November 1964 in Bonn führte die Entwicklung des Luns-Plans zu seinem erfolglosen Ende. Der britische Regierungswechsel hatte in Bezug auf den Luns-Plan dabei keine Positionsänderung bewirkt.80 Auf der einen Seite waren Staaten wie die Niederlande und Großbritannien enttäuscht vom vorgelegten Bericht zum Luns-Plan, so dass ihm die Minister ohne weiteres französisches Entgegenkommen wenig Wert beimaßen. Auf der anderen Seite hielt Habib-Deloncle am französischen Argument fest, dass eine stärkere Vorbereitung die Spontaneität der Treffen zerstöre. Die WEU-Treffen sollten wie bisher fortgesetzt werden, so dass der Bericht zu verschieben sei. Der neue britische Außenminister Gordon-Walker, der mit dem Regierungswechsel Lord Home nachgefolgt war, stimmte dem Verzicht auf einen Bericht zu, da er praktische Fortschritte für wichtiger hielt als formelle Beschlüsse. Schröder stimmte ebenfalls zu und plädierte dafür, auf wohlwollendes Verhalten aller Delegationen bei den folgenden Ministertreffen zu setzen.81 Die Diskussionen über eine strukturelle Veränderung der WEU-Arbeitsweise waren zum Erliegen gekommen. Innerhalb der WEU hatte der Luns-Plan keine Fortschritte erbracht, da sich ihre Mitglieder auf keine formellen Veränderungen einigen konnten. Frankreich und mit Einschränkungen die Bundesrepublik hatten 77 Für die Sitzung des Ständigen WEU-Rates am 28.10.1964 siehe Telegramm Nr. 4705/08 von Courcel, London, an Paris am 28.10.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. Für Details zur französischen Kritik am überarbeiten Entwurf, die sich primär auf die eigenständige Rolle des Ständigen WEU-Rates richtete, siehe Telegramm Nr. 18983/87 von Puaux nach London vom 27.10.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 78 Für die Sitzung des Ständigen WEU-Rates am 4.11.1964 siehe Telegramm Nr. 4840/42 von Courcel, London, an Paris am 4.11.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 79 WEU-Dokument CM (64) 14 vom 4.11.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 80 Für die grundsätzliche Sichtweise der Labourregierung auf die politischen WEU-Diskussionen vgl. Kapitel V.1. und V.2. 81 Für die Diskussion am 16.11.1964 in Bonn siehe Telegramm Nr. 1398 des FO an Bonn vom 18.11.1964, in: NA, FO 371/179095, Runderlass 87.00/1/64 des Referats IA1 „WEU-Ministerratssitzung am 16./17. November 1964 in Bonn“ vom 25.11.1964, in: PA/AA, B21/513 und Telegramm Nr. 10069/89 von Lucet, Paris, nach Bonn vom 18.11.1964, in: MAE, Europe, OIGQI/1533. Frankreich lehnte zudem die im Bericht CM (64) 14 aufgeführten Verbesserungen der Wirtschaftskontakte ab. Vgl. Kapitel IV.2.3.
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sich gegen einen formalen Ausbau der politischen WEU-Kontakte ausgesprochen. Beide lehnten es ab, die politische Rolle des Ständigen WEU-Rates nachhaltig zu stärken. Während Frankreich prinzipiell gegen eine intensivere multilaterale Zusammenarbeit mit Großbritannien war, bevorzugte die Bundesrepublik die Kooperation in einer EPU, die im EG-Rahmen beginnen und auf Dauer um Staaten wie Großbritannien erweitert werden sollte.82 Auf die Entwicklung der WEU selbst bezogen war der Luns-Plan als Misserfolg zu werten und ähnliche Vorstöße blieben in den kommenden Jahren aus. 83 Über den Rahmen der WEU hinaus gerichtet hatte er allerdings seinen Wert gezeigt. Die Diskussionen innerhalb der WEU trugen dazu bei, konkrete EPU-Vorstöße zu verzögern. Es gelang den Niederlanden – ausdrücklich von Großbritannien unterstützt –, die WEU als Instrument gegen die EPU und damit gegen eine Entwicklung im europäischen Integrationsprozess einzusetzen. Dabei wäre es irreführend zu behaupten, dass der Einsatz der WEU entscheidend für das spätere Scheitern der EPU-Vorschläge war.84 Die Chancen für eine EPU standen aufgrund unterschiedlicher Ansichten der EG-Staaten ohnehin schlecht. Dennoch war der Luns-Plan für Großbritannien und die Niederlande von Wert, da die WEU als glaubwürdige Alternative für bessere außenpolitische Konsultationen herangezogen werden konnte. Insgesamt zeigte das erste Jahr der WEU-Politikdiskussionen unterschiedliche Ziele, die mit der WEU verbunden waren. Großbritannien hoffte, sich mittels der WEU seine Teilhabe an europäischen außenpolitischen Integrationsbemühungen zu sichern. Entsprechend engagiert traten die britischen Vertreter in der WEU auf. Zugleich führte der französische Widerstand gegen die Lateinamerikainitiative und den Luns-Plan zu wachsender britischer Verärgerung. Großbritannien beklagte, dass Frankreich die WEU nur als Forum ansehe, in dem Ideen ausgetauscht, aber keine gemeinsamen Aktionen beschlossen oder durchgeführt würden. 85 Die französische Blockade der Lateinamerikainitiative und des Luns-Plans führte dazu, dass das Foreign Office zunächst keine Fortschritte der politischen WEU-Kontakte erwartete. Allerdings wollte das britische Außenministerium weiter zu fruchtbaren Diskussionen beitra-
82 Dabei zeigten sich deutsch-französische Unterschiede. Frankreich kritisierte an den deutschen Vorschlägen, dass die EPU zwar im Sechserrahmen beginnen sollte, aber eine Erweiterung angestrebt war. Frankreich wünschte eine Begrenzung auf die EG-Staaten. Aufzeichnung der S/DEO „A.s. Propositions allemandes relatives à la construction européenne – analyse critique –“ vom 6.11.1964, in: MAE, Europe, QIE/1957. 83 Laut Kramer hatten aufgrund von Frankreichs konsequenter Absage an die WEU als Rahmen einer Politischen Union neue Wege für eine engere politische Zusammenarbeit gefunden werden müssen. Vgl. Kramer, S. 160. 84 Die EPU-Pläne kamen zum Erliegen, als Frankreich am 31.3.1965 mitteilte, dass eine EPUAußenministerkonferenz zunächst nicht möglich sei. Vgl. Clemens, Zwischen allen Stühlen, S. 190. Für Details zur Entwicklung der EPU-Ideen bis zum Frühjahr 1965 vgl. ebenda, S. 181–192, Kramer, S. 150–192, Germond, S. 119–130 und Kapitel V.1.2. 85 Barclay vom 16.4.1964, in: NA, FO 371/179093.
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gen, um gute Argumente gegen eine exklusive außenpolitische Kooperation der EG-Staaten zu liefern. 86 Frankreich verfolgte primär das Ziel, einen Ausbau der WEU-Kontakte zu verhindern, weshalb es die kontinuierlichen britischen Versuche zur Intensivierung der WEU-Kontakte kritisierte, die dem Kompromiss aus dem Juli 1963 widersprächen.87 Der Quai d’Orsay erkannte dahinter das stetige britische Motiv, die EG-Staaten auseinander zu dividieren und eine EPU zu verhindern. 88 Folge war, dass Frankreich sich aktiv an den politischen Diskussionen beteiligte, solange diese exklusiv im WEU-Ministerrat stattfanden, nicht mehr als einen Frontalaustausch darstellten, keinen verbindlichen Charakter besaßen und einer außenpolitischen Kooperation der EG-Staaten nicht entgegenstanden. Die Bundesrepublik Deutschland begrüßte auf der einen Seite die politischen Diskussionen im Siebenerrahmen, partizipierte aktiv und zeigte sich erfreut, wenn ihr die WEU-Partner in Fragen der Deutschland- und Berlinpolitik geschlossen Unterstützung zusicherten.89 Auf der anderen Seite sah die Bundesrepublik in der WEU ein Hindernis, da sie dem Ziel einer EPU entgegenstand. Aus diesem Grunde stand die Bundesrepublik einem Ausbau der WEU-Kooperation skeptisch gegenüber. Die Bundesregierung war lediglich bereit, die angebotenen politischen Konsultationsmöglichkeiten auszuschöpfen, ohne formelle Veränderungen vorzunehmen. 90 Die untersuchten Staaten waren mit den begonnenen politischen WEUKontakten nur eingeschränkt zufrieden. Großbritannien begrüßte die Möglichkeit zur politischen Partizipation, kritisierte aber fehlende Ergebnisse. Frankreich begrüßte dieses Fehlen, blickte aber weiterhin misstrauisch auf die Auswirkungen der WEU-Kontakte. Die Bundesrepublik wiederum befürwortete diese Kontakte, allerdings in einem klar begrenzten Rahmen. Folge dieser entgegengesetzten Ziele war, dass in der WEU ein inhaltlich breit aufgestellter außenpolitischer Gedankenaustausch stattfand, in dem Großbritannien seine europapolitische Kooperationsbereitschaft nachweisen konnte. Die WEU-Diskussionen blieben jedoch unverbindlich. Die WEU führte zu keiner vertieften außenpolitischen Kooperation, stattdessen wirkte sie Integrationsbemühungen, wie jener der EPU, entgegen.
86 Runderlass Nr. 433 des FO vom 14.7.1964, in: NA, FO 371/179094. 87 Aufzeichnung der S/DEO „A/S – Travaux de l’U.E.O.“ vom 16.3.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 88 Schreiben von Courcel an Couve de Murville „A.s. L’Angleterre et l’U.E.O.“ vom 7.1.1965, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 89 Auswärtiges Amt vom 27.10.1963, in: PA/AA, B21/443. 90 Antwort des Bundesminister des Auswärtigen Schröder auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Zimmer, Dr. Meyer, Dr. Achenbach und Genossen (Betreff: Reform des Ständigen Rates der WEU) vom 13.3.1964, in: PA/AA, B21/514.
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2. DIE WEU-WIRTSCHAFTSDISKUSSIONEN 2.1. Der Verlauf der Wirtschaftsdiskussionen Die ersten vier Ministertreffen kennzeichnete eine stringente Liste an Wirtschaftsthemen unter dem einzigen offiziellen Tagesordnungspunkt „Gedankenaustausch über die wirtschaftliche Lage in Europa“. Im Vordergrund standen Berichte über die zurückliegende wirtschaftliche Entwicklung in der EWG und in Großbritannien sowie die gegenseitigen wirtschaftlichen Beziehungen. 91 Bei diesen Themen zeigten sich divergierende nationale Vorstellungen, die zu Spannungen innerhalb der WEU führten. Diese Spannungen bezogen sich auf die Durchführung der Diskussionen, die Auswahl neuer Themen und die Suche nach konkreten Kooperationsmöglichkeiten. Einfacher verliefen die Diskussionen zu gemeinsam interessierenden „externen“ Themen wie der Kennedy-Runde und der UN-Handels- und Entwicklungskonferenz, die beide den globalen Warenaustausch betrafen. Außenminister Butler machte zu Beginn des ersten zweitägigen WEUMinistertreffens deutlich, dass Großbritannien weiterhin am EG-Beitritt interessiert sei. Auf dem Weg dorthin wolle es einem gemeinsamen Europa dienen durch die Stärkung der heimischen Wirtschaft, den Abbau von Zollschranken innerhalb der EFTA und eine enge Zusammenarbeit mit den EG.92 Die „Friendly Five“ signalisierten – im Gegensatz zu Frankreich – breite Unterstützung für dieses britische Bestreben. Spaak betonte, dass die WEU-Treffen spätere britische Beitrittsverhandlungen erleichtern sollten und dafür besonders Aussprachen über die Agrarpolitiken hilfreich seien. Diesem Anspruch kamen EWG-Agrarkommissar Mansholt und Außenminister Butler nach. Mansholt berichtete über anstehende EWG-Agrarverordnungen. Butler beschrieb die Entwicklung der britischen Agrarpolitik und sprach von Tendenzen, sich von einem freien zu einem regulierten Agrarmarkt zu entwickeln und sich dem EG-Agrarmarkt anzunähern.93 Zudem forderte der italienische Außenminister Piccioni im Rahmen der WEU konkrete Kooperationen zwischen den EG und Großbritannien zu erarbeiten. Butler äußerte daraufhin den Wunsch, an der Ausarbeitung eines europäischen Patentrechts und 91 Die Diskussionen zerfielen auf den meisten WEU-Ratstreffen von 1963–1970 in drei inoffizielle Teilbereiche: Erstens einen Bericht der EWG-Kommission über die wirtschaftliche Entwicklung in der EWG. Zweitens einen Bericht Großbritanniens über die eigene wirtschaftliche Entwicklung sowie Entwicklungen in der EFTA. Drittens folgten Diskussion über das gegenseitige Verhältnis und mögliche Kooperationen. Dabei handelte es sich um Aspekte, die in den Kompetenzbereich der EWG fielen. Der WEU-Rat behandelte – mit Ausnahme der EG-Fusion – keine Themen, die das Aufgabengebiet der EGKS oder der Euratom berührten. 92 Für Butlers Rede im Wortlaut siehe Runderlass Nr. 613 des FO vom 29.10.1963, in: T 312/649. 93 Aufgrund der übergeordneten Fragestellung wird in der Untersuchung darauf verzichtet, auf Details der Agrarentwicklungen in Großbritannien bzw. den EG einzugehen. Gleiches gilt für die Wiedergabe der gesamten WEU-Wirtschaftsdiskussionen. Die Untersuchung beschränkt sich im Folgenden auf Aspekte, die den grundsätzlichen Einsatz der WEU für eine bessere Kooperation zwischen den EG-Staaten und Großbritannien bzw. (französische) Abwehrversuche unterstreichen.
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an der industriellen Standardisierung beteiligt zu werden. 94 Schröder lobte diese britische Kooperationsbereitschaft, während Couve de Murville sich nicht äußerte.95 Butler setzte zudem durch, die Kooperationsbereitschaft zwischen den EG und Großbritannien im Abschlusskommuniqué für die Außenwelt zu unterstreichen. 96 Dieser Gedankenaustausch in Den Haag bildete aus britischer und deutscher Sicht einen gelungenen Einstieg in die wirtschaftlichen Kontaktgespräche.97 Allerdings hatte das Treffen kaum inhaltliche Tiefe erreicht und keine konkreten Ergebnisse oder Beschlüsse erbracht. Dies setzte sich in der Folgezeit fort, obgleich sich Großbritannien für konkrete Kooperationen einsetzte und die Möglichkeit nutzen wollte, auf den WEUMinistertreffen Entwicklungen in den EG zu kommentieren. 98 Tatsächlich berichtete die EWG-Kommission auf dem Ministertreffen in London auf britischen Wunsch hin über die jüngsten Beschlüsse im Agrarbereich, da Frankreich diese Form der Berichterstattung über abgeschlossene EG-Entwicklungen akzeptierte. Allerdings schloss sich keine substantielle Diskussion an diesen Bericht an. Zudem forderte Butler erfolglos eine britische Beteiligung an der europäischen Patentkonvention. EWG-Kommissar von der Groeben verwies auf Probleme, die eine Beteiligung von Staaten außerhalb der EG bedeute, worüber die Sechs zunächst beraten müssten.99 Dieser erste wirtschaftliche Kooperationsversuch schlug ebenso fehl wie eine ausführliche Diskussion interner EG-Beschlüsse. Das anschließende WEU-Ministertreffen in Brüssel brachte ebenfalls keine konkreten Fortschritte im Verhältnis zwischen den EG und Großbritannien. Neben Berichten über die zurückliegenden wirtschaftlichen Entwicklungen in den EG 94 Die EWG-Kommission legte im November 1962 Vorschläge zur Vereinheitlichung des Patentrechtes in Form eines Entwurfs vor. Großbritannien übermittelte im Juli und November 1963 zwei Memoranden mit der Bitte um Diskussionsbeteiligung. Es erhielt keine offizielle Antwort, da es in der EG unterschiedliche Sichtweisen zur Europäischen Patentkonvention gab, die zuvor geklärt werden sollten. Die Bundesrepublik plädierte dafür, dass die Kontrolle bei einer Europäischen Patentbehörde liegen würde. Frankreich hingegen trat für eine losere Bündelung nationaler Patente ein. Siehe das britische Briefing vor dem WEU-Ministertreffen in London „Economic Co-operation between the United Kingdom and E.E.C.: Patents“, in: NA, FO 371/177376. 95 Für die Diskussion auf dem WEU-Ministertreffen am 26.10.1963 in Den Haag siehe Telegramm Nr. 97 von Noble, Den Haag, an das FO vom 26.10.1963, in: NA, FO 371/171472, Telegramm Nr. 17890/911 von Valery an London vom 28.10.1963, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1532 und das Auswärtige vom 27.10.1963, in: PA/AA, B21/443. 96 Telegramm Nr. 342 von Noble, Den Haag, an das FO vom 26.10.1963, in: NA, FO 371/171472 und das Kommuniqué der WEU-Ministerratstagung vom 25./26.10.1963 in Den Haag, in: EA 18 (1963), S. D 586. 97 Auswärtiges Amt vom 27.10.1963, in: PA/AA, B21/443 und Noble vom 26.10.1963, in: NA, FO 371/171472. 98 Telegramm Nr. 3 von O’Neill, Brüssel, an das FO vom 6.1.1964, in: NA, FO 371/177376. 99 Für die WEU-Wirtschaftsdiskussionen am 24.1.1964 in London siehe Runderlass Nr. 67 des FO vom 25.1.1964, in: NA, FO 371/177376, Bericht des FO „W.E.U. Council: Summary Record of Economic Discussion“, in: NA, FO 371/177376, Lahr vom 13.2.1964, in: PA/AA, B21/513 und Telegramm Nr. 2017/28 von Ulrich an London vom 27.1.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531.
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und in Großbritannien blieb es lediglich bei artikulierten Wünschen nach engerer Zusammenarbeit.100 Das folgende Ministertreffen in Paris ließ aus britischer Sicht keine Besserung erwarten, da sich Frankreich im Ratsvorsitz kaum für substantielle Diskussionen einsetzen würde.101 Ganz im Gegenteil machte Frankreich im Vorfeld deutlich, dass es Diskussionen in der WEU zu Kooperationen wie dem europäischen Patentabkommen für falsch halte, da solche Themen zu spezifisch für den allgemeinen Gedankenaustausch in der WEU seien.102 So bildeten die Wirtschaftsdiskussionen in Paris einen vorläufigen Tiefpunkt. Couve de Murville zeichnete primär dafür verantwortlich, da er sich weder als französischer Vertreter an den Diskussionen beteiligte noch seiner Funktion als Ratsvorsitzender angemessen nachkam.103 Die inhaltlichen Diskussionen brachten keine neuen Erkenntnisse, und Butlers Vorstöße für Kooperationen im Bereich des Patentabkommens und der industriellen Standardisierung, deren Stagnation er kritisierte, liefen ins Leere.104 Einen weiteren Fehlschlag brachten 1964 Versuche, die Wirtschaftsdiskussionen mit neuen Themen zu intensivieren. So schlug die Bundesrepublik zur Aufwertung der Wirtschaftsdiskussionen vor, in der WEU über die geplante Fusion der EG-Exekutiven und die wirtschaftliche Situation und Entwicklung in Großbritannien und der EWG für die Jahre 1964–1965 zu diskutieren. 105 Diese Vorschläge deckten sich mit dem britischen Ziel, auch über künftige Entwicklungen in den EG zu sprechen. 106 Frankreich lehnte diesen Vorschlag ab, da es Großbritannien keinen Einfluss auf EG-Entwicklungen ermöglichen wollte. 107 Aus 100 Für die WEU-Wirtschaftsdiskussionen am 17.4.1964 in Brüssel siehe Telegramm Nr. 23 von Barclay, Brüssel, an das FO vom 17.4.1964, in: NA, FO 371/177378, Telegramm Nr. 951/966 von Ulrich, Service de Coopération Economique, an Brüssel am 20.4.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1532 und Runderlass der Abteilung IIIA2 „Sitzung des Ministerrats der WEU in Brüssel am 17.4.1964, hier: Europäische Wirtschaftsprobleme“ vom 20.4.1964, in: PA/AA, B53–IIIA2. 101 Schreiben von O’Neill, Brüssel, an Marjoribanks vom 1.6.1964, in: NA, FO 371/177378. 102 Telegramm Nr. 908 des FO an Bonn vom 1.7.1964, in: NA, FO 371/179094 und Telegramm Nr. 2974/78 von Courcel, London, an Paris vom 1.7.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1533. 103 Aufzeichnung 904/64 von Lahr „WEU-Ministerrat, zweiter Tag“ vom 20.7.1964, in: PA/AA, B21/513. 104 Für die WEU-Wirtschaftsdiskussionen am 17.7.1964 in Paris siehe Telegramm Nr. 137 von Dixon, Paris, an das FO vom 17.7.1964, in: NA, FO 371/177379 und Runderlass Nr. 2684 von Lahr vom 21.7.1964, in: PA/AA, B53–IIIA/32. 105 Undatierte Aufzeichnung der Abteilung IA „Vorbereitung des wirtschaftlichen Teils der WEU-Ratstagung am 16./17. April 1964 in Brüssel“, in: PA/AA, B20/1241. Zur Fusion der EG-Exekutiven vgl. Hans von der Groeben: Aufbaujahre der Europäischen Gemeinschaft. Das Ringen um den Gemeinsamen Markt und die Politische Union (1958–1966), BadenBaden 1982, S. 261–263. 106 Steering Brief für das WEU-Ministertreffen in Brüssel am 16./17.4.1964, in: NA, FO 371/179093. 107 Telegramm Nr. 3266/70 von Puaux an Bonn vom 11.4.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531, Aufzeichnung Nr. 75/CE der DAEF vom 11.4.1964, in: MAE, DE_CE/1577 und Telegramm Nr. 71 von Voigt an Brüssel vom 13.4.1964, in: PA/AA, B20/1241.
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diesem Grunde hatte Frankreich bereits einen ähnlich lautenden belgischen Vorschlag im Ständigen WEU-Rat zurückgewiesen.108 Frankreich war nach wie vor lediglich bereit, über abgeschlossene Entwicklungen zu sprechen. Großbritannien versuchte deshalb über Umwege, die Fusion der EG zur Sprache zu bringen. Als Begründung verwies Großbritannien auf Auswirkungen, welche die Fusion auf den Assoziationsrat Großbritanniens mit der EGKS sowie auf das Komitee für die Beziehung von Großbritannien mit der Euratom nehmen könnte. Frankreich kritisierte diese Begründung und hielt das Thema für zu speziell für die WEU, doch vermochte es einen so weit eingeschränkten Diskussionspunkt nicht zu verhindern.109 Somit konnte Butler im WEU-Ministerrat seine Sorge zum Ausdruck bringen, dass die EG-Fusion die Beziehungen Großbritanniens zu EGKS und Euratom nicht beeinträchtigen dürfe. Die Aussage führte aber lediglich zu Couve de Murvilles Erwiderung, dass diese Sorge unbegründet sei. 110 Es schloss sich keine Diskussion an, so dass dieser britische Vorstoß weder eine inhaltliche Auswirkung im speziellen Fall der EG-Fusion noch Einfluss auf die grundsätzliche Durchführung der WEU-Wirtschaftsdiskussionen nach sich zog. Von diesem deutsch-britischen Vorstoß abgesehen gab es keine Vorschläge für weitere Diskussionspunkte, die das Verhältnis zwischen den EG und Großbritannien betrafen. Auch Großbritannien gelang es nicht, die aus seiner Sicht dünne Wirtschaftsagenda der Ministertreffen mit geeigneten Vorschlägen anzureichern. Zwar wünschte es spezifischere Themen, um zu konkreten Ergebnissen zu kommen, doch musste Frankreich etwaigen Vorschlägen zustimmen. Zudem durften die Themen nicht zu viel wirtschaftliche Expertise von den Außenministern erfordern.111 Im Vergleich zu den Themen, die sich direkt auf eine Kooperation zwischen den EG und Großbritannien bezogen, bereiteten die „externen“ Themen in der WEU weniger Probleme. Der WEU-Rat beschäftigte sich dabei mit den anstehenden Verhandlungen zur Kennedy-Runde und der UN-Handels- und Entwicklungskonferenz. Im Vordergrund stand die Kennedy-Runde, die am 4. Mai 1964 in Genf begann und zum Ziel hatte, im Rahmen des GATT eine Senkung der Zölle um 50% im Industrie- und Agrarsektor zu erwirken. 112 Insbesondere die Bundesrepublik 108 Telegramm Nr. 1478/82 von Courcel, London, an Paris am 24.3.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531 und Telegramm Nr. 117 des FO an Brüssel vom 25.3.1964, in: NA, FO 371. 109 Für die Diskussionen zur EG-Fusion im Ständigen WEU-Rat am 16.6.1964 und am 1.7.1964 siehe Telegramm Nr. 845 des FO an Bonn vom 17.6.1964, in: NA, FO 371/179094, Schreiben Nr. 712 von Courcel an Couve de Murville „a/s: Conseil de l’U.E.O.-“ vom 18.6.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1533 sowie das FO vom 1.7.1964, in: NA, FO 371/179094 und Courcel vom 1.7.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1533. 110 Für diese Äußerungen auf dem WEU-Ministertreffen am 17.7.1964 in Paris siehe Dixon vom 17.7.1964, in: NA, FO 371/177379 und Lahr vom 21.7.1964, in: PA/AA, B53–IIIA/32. 111 Schreiben von Owen an Marjoribanks vom 10.6.1964, in: NA, FO 371/177378 und Schreiben von Johnston an O’Neill vom 8.7.1964, in: NA, FO 371/177378. 112 Für Details über die Kennedy-Runde siehe Lucia Coppolaro: The European Economic Community in the GATT negotiations of the Kennedy Round (1964–1967): global and regional
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zeigte sich als Exportland sehr an diesem Thema und den dafür notwendigen Vorbereitungen interessiert, so dass Außenminister Schröder bereits auf dem Ministertreffen in Den Haag enge Absprachen in der WEU einforderte.113 Großbritannien setzte sich ebenfalls für eine enge Koordinierung innerhalb der WEU ein und beteiligte sich aktiv an den Diskussionen. Butler schlug auf dem folgenden Londoner WEU-Ministertreffen vor, die EWG-Kommission und die britische Delegation in Genf mit einem gemeinsamen Bericht für das nächste Ministertreffen zu beauftragen, was Couve de Murville ablehnte. Auch hier verhinderte Frankreich eine Aufwertung der WEU-Kontakte. Nichtsdestotrotz waren die Diskussionen zur Kennedy-Runde auf den ersten vier WEU-Ministertreffen von Wert, da Großbritannien und die EG-Staaten ihre unterschiedlichen Vorstellungen zu Zollsenkungen und Ausnahmeregelungen deutlich machen konnten, auch wenn keine signifikante Annäherung der Positionen nachzuweisen sind. Zudem nahm mit dem offiziellen Verhandlungsbeginn der Kennedy-Runde im Mai die Bedeutung dieses Themas in der WEU ab.114 Wenig umstritten war im WEU-Rat die UN-Handels- und Entwicklungskonferenz, die am 23. März 1964 mit dem Ziel begann, die Preise von Agrarprodukten zu erhöhen und die Industrien in den Entwicklungsländern zu fördern. 115 In diesem Themenfeld zeigten sich kaum Differenzen in den Auffassungen der EG und Großbritanniens. Stattdessen herrschte Konsens, dass die westlichen trade, in: Antonio Varsori (Hg.): Inside the European Community. Actors and Policies in European Integration, 1957–1972, Baden-Baden 2006, S. 347–366. Für ältere Arbeiten vgl. u. a. Andreas Predöhl: Probleme und Phasen der Kennedy-Runde, Hamburg 1966 und Norbert Welter: Die Kennedy-Runde, in: Die internationale Politik 1966/67, S. 405–425. 113 Für die Diskussionen zur Kennedy-Runde am 26.10.1963 in Den Haag siehe Noble vom 26.10.1963, in: NA, FO 371/171472, das Auswärtige Amt vom 27.10.1963, in: PA/AA, B21/443 und Valery vom 28.10.1963, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1532. 114 Bezüglich der WEU-Diskussionen über die Kennedy-Runde reicht es an dieser Stelle aus zu wissen, dass Großbritannien und die EG unterschiedliche Ansichten vertraten und gegenseitige Kritik übten. Insbesondere die Frage der Disparitäten, die sich mit Ausnahmeregelungen bei den Zollsenkungen befasste, war umstritten. Für die Diskussionen im WEU-Ministerrat zur Kennedy-Runde – sowie zur UN-Handels- und Entwicklungskonferenz (s.u.) – am 24.1.1964 in London siehe Bericht des FO „W.E.U. Council: Summary Record of Economic Discussion“, in: NA, FO 371/177376, Ulrich vom 27.1.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531 und Lahr vom 13.2.1964, in: PA/AA, B21/513. Für die Diskussionen am 17.4.1964 in Brüssel siehe Barclay vom 17.4.1964, in: NA, FO 371/177378, die Abteilung IIIA2 vom 20.4.1964, in: PA/AA, B53–IIIA2 und Ulrich vom 20.4.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1532. Für die Diskussionen am 17.7.1964 in Paris siehe Telegramm Nr. 508 von Sir P. Dixon, Paris, an das FO vom 17.7.1964, in: NA, FO 371/177379 und Lahr vom 21.7.1964, in: PA/AA, B53–IIIA/32. 115 Die UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz tagte vom 22.3. bis 16.6.1964 unter Beteiligung von 120 Staaten in Genf. Sie war von den Entwicklungsländern gefordert worden, die mit der Unterstützung ihrer Entwicklung durch die Industriestaaten nicht zufrieden waren und im GATT einen „Club der Reichen“ sahen. Siehe die undatierte Aufzeichnung des Referats IIIA2 „Welthandelskonferenz“, in: PA/AA, B20/1280 sowie für weitere Informationen Hansheinrich Kruse: Zwischen zwei Welthandelskonferenzen, in: EA 22 (1967), S. 145–152 und Reimut Jochimsen/Peter Treuner: Die Entwicklung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen in den Jahren 1964 und 1965, in: Die Internationale Politik 1964–1965, S. 100–159.
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Staaten gegenüber den Entwicklungsländern eine einheitliche Position einnehmen sollten. 116 Insgesamt zeigt sich an den Wirtschaftsdiskussionen, dass Großbritannien und die Bundesrepublik – neben der EWG-Kommission – den WEU-Wirtschaftstag prägten, während Frankreich kaum partizipierte und bestimmte Themen blockierte. Mit dieser Vorgehensweise versuchte Frankreich die wirtschaftliche Rolle der WEU herunterzuspielen. Das Foreign Office beklagte, dass die WEU-Treffen zu einem Dialog mit der Kommission verkämen und wünschte stattdessen einen offenen Meinungsaustausch zwischen den sieben Regierungsvertretern.117 Zudem fehlte es in der WEU an konkreten Beschlüssen zu Kooperationen oder anderweitigen nachweisbaren Auswirkungen auf die Arbeit der EG. Zumeist handelte es sich um Berichte über zurückliegende wirtschaftliche Entwicklungen. Ein weiteres Problem war, dass auch die Wirtschaftsdiskussionen auf vorbereiteten Verlautbarungen basierten und sich kaum echte Diskussionen entwickelten. Die damit verbundene britische und deutsche Unzufriedenheit resultierte in zwei Versuchen die Diskussionen zu vertiefen. 2.2. Die Teilnahme von Fachministern Bereits nach dem ersten WEU-Ministertreffen setzten in einigen Mitgliedstaaten Überlegungen ein, die Wirtschaftsdiskussionen zu intensivieren. Neben der Suche nach neuen Themen versuchte Großbritannien, die Zusammensetzung der Delegationen zu verändern. Es setzte sich für die Teilnahme von Fachministern ein, da diese besser als die Außenminister in der Lage schienen, Wirtschaftsthemen vertieft zu diskutieren. Dieser Vorschlag stieß nicht nur in Frankreich auf Widerstand. Großbritannien nutzte einen günstigen Zeitpunkt für seinen Vorschlag, indem es ihn mit dem eigenen Ratsvorsitz auf dem WEU-Ministertreffen im Januar 1964 in London verband. Großbritannien kündigte an, dass Industrieminister Heath und Agrarminister Soames am Treffen teilnehmen würden, um Außenminister Butler zu entlasten, der bereits mit der Leitung der Sitzung intensiv beschäftigt sei. Ohnehin befände sich Großbritannien in einer arbeitsintensiveren Position als die EG-Staaten, da diese keinen Austausch mit der EWG-Kommission durchzuführen bräuchten. Es sei dem Inhalt der Diskussionen somit zuträglich, wenn die Fachminister über industrielle und landwirtschaftliche Aspekte der Kennedy-Runde berichteten. Sowohl die Bundesrepublik als auch Frankreich meldeten Vorbehalte an und warnten vor einem Präzedenzfall, der durch die Erweiterung des Teilnehmerkreises geschaffen würde. Großbritannien versuchte diese Bedenken zu zerstreuen 116 Für die Diskussionen zur UN-Handels- und Entwicklungskonferenz auf den ersten vier WEUMinistertreffen siehe die Quellenangaben weiter oben zur Kennedy-Runde. 117 Telegramm Nr. 115 des FO an Brüssel vom 19.3.1964, in: NA, FO 371/177377 und Telegramm Nr. 513 von Harkort, Brüssel, an das AA vom 21.3.1964, in: PA/AA, B21/513.
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und betonte im diplomatischen Austausch, dass die anderen Delegationen auf Fachminister verzichten sollten. 118 Die britische Regierung hoffte allerdings sehr wohl darauf, einen Impuls für die regelmäßige Teilnahme von Fachministern zu geben, wie sie der Bundesrepublik in einem vertraulichen Gespräch mitteilte.119 Der Quai d’Orsay sah in der britischen Absicht einen Verstoß gegen die im Juli 1963 geschlossene Vereinbarung. Die Teilnahme anderer Minister widerspräche dem Geist des WEU-Kompromisses, da anstelle von allgemeinen dann technische Diskussionen durchgeführt würden. 120 Diese britisch-französische Meinungsverschiedenheit verdeutlicht die konträren wirtschaftspolitischen Ziele in der WEU. Großbritannien wünschte spezifische Diskussionen, wozu es spezieller Fachkenntnisse bedurfte. Frankreich hingegen erstrebte allgemeine und substanzlose Gespräche, um den britischen Einfluss über die WEU auf die EG zu minimieren.121 Doch nicht nur Frankreich, sondern auch die Bundesrepublik war gegen die Teilnahme von Fachministern.122 Lediglich der Ständige Vertreter bei der EWG, Harkort, plädierte dafür, den britischen Vorschlag zu unterstützen.123 Wie im politischen Bereich scheute die Bundesrepublik auch im Rahmen der Wirtschaftskontakte formelle Veränderungen des WEU-Kompromisses und setzte stattdessen auf informelle Schritte (vgl. Kapitel IV.2.3.). Die Bundesrepublik hielt sich in diesem konkreten Streit allerdings zurück und überließ es Großbritannien und Frankreich, die Frage bilateral zu klären. Das Auswärtige Amt regte aber zumindest den Kompromiss an, dem gastgebenden Land die Hinzuziehung weiterer Minister nicht zu versagen.124 Großbritannien signalisierte seinerseits Entgegenkommen. Es wiederholte im Ständigen WEU-Rat, weder einen Präzedenzfall zu schaffen noch die Natur der WEU-Treffen zu verändern. Zudem würden die Fachminister nur auf Einladung durch Butler und in dessen Namen sprechen. Die Delegationsleitung durch den Außenminister bliebe unangetastet. Während die Fünf unter diesen Umständen zustimmten, beharrte Frankreich auf seiner ablehnenden Position. 125 Im bilatera118 Für die britische Ankündigung und die deutsche und französische Reaktion im Ständigen WEU-Rat am 9.1.1964 siehe Telegramm Nr. 131/34 von Courcel, London, an Paris vom 9.1.1964, in: MAE, DE_CE/1577 und Telegramm Nr. 29 von Thierfelder, London, an das AA vom 9.1.1964, in: PA/AA, B21/513. 119 Telegramm Nr. 61 von Harkort, Brüssel, an das AA vom 13.1.1964, in: PA/AA, B21/513. Für eine ausführliche Übersicht über die britischen Argumente und Ziele in der Frage der Fachministerteilnahme siehe Schreiben von Barnes vom 17.1.1964, in: NA, FO 371/179092. 120 Telegramm Nr. 734/38 von Beaumarchais nach London vom 11.1.1964, in: MAE, DE_CE/1577 und Aufzeichnung von Barnes vom 15.1.1964, in: NA, FO 371/179092. 121 Für eine Analyse der französischen und britischen Interessen siehe Aufzeichnung von Marjoribanks vom 15.1.1964, in: NA, FO 371/179092. 122 Telegramm Nr. 74 von Jansen an London vom 8.1.1964, in: PA/AA, B21/513. 123 Telegramm Nr. 28 von Harkort, Brüssel, an das AA vom 9.1.1964, in: PA/AA, B21/513. 124 Telegramm Nr. 54 von Carstens nach London vom 13.1.1964, in: PA/AA, B21/513 und Telegramm Nr. 324–326 von Margerie, Bonn, an Paris vom 13.1.1964, in: MAE, DE_CE/1577. 125 Für die Diskussionen im Ständigen WEU-Rat am 17.1.1964 siehe Aufzeichnung von Barnes vom 17.1.1964, in: NA, FO 371/179092 und Telegramm Nr. 279/282 von Courcel, London, an Paris am 17.1.1964, in: MAE, DE_CE/1577.
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len Austausch gelang es Großbritannien schließlich, Frankreich die Zustimmung zur Teilnahme von Soames abzuringen. Die Lösung dieses Streits wurde insoweit erleichtert, dass Heath aufgrund von Terminschwierigkeiten bereits abgesagt hatte. Zudem versicherte Butler, keine große Sache aus der Anwesenheit von Soames zu machen. 126 Couve de Murville stimmte dem britischen Vorhaben schließlich unter der Bedingung zu, dass kein Präzedenzfall geschaffen werde und Soames nur an den Gesprächen über Agrarpolitik partizipiere.127 Großbritanniens Konzessionsbereitschaft war von der Befürchtung angetrieben, dass Couve de Murville seine Teilnahme am Treffen absagen könnte.128 Diese britische Furcht zeigte sich wiederholt in den ersten Jahren der modifizierten WEU-Kontakte. Großbritannien kämpfte zwar für Verbesserungen der WEUArbeit, doch war es bis 1968/1969 nicht bereit, durch starre Positionen einen französischen Rückzug aus der WEU zu riskieren. Die symbolische Bedeutung der WEU-Kontakte war für Großbritannien zu wichtig, so dass eine Eskalation vermieden werden musste. Schwerer zu klären ist die Frage, warum Frankreich Soames Anwesenheit letztlich zustimmte. Vermutlich wollte Frankreich keine anhaltende Grundsatzdebatte riskieren, die den gesamten WEU-Kompromiss hätte verändern können. Es erschien ausreichend, dass Großbritannien seinen Verzicht auf eine Präzedenzwirkung zugesichert hatte.129 Eine solche Folgewirkung schien auch dadurch erschwert, dass lediglich der WEU-Ratsvorsitzende Fachminister hinzuziehen durfte. Zudem konnten die EG-Staaten bei ihren späteren Vorsitzfunktionen nicht mit der gleichen Arbeitsbelastung wie Großbritannien argumentieren, da sie keine Diskussionen mit der EWG-Kommission führen mussten. Darüber hinaus hatte die Bundesrepublik signalisiert, in dieser Frage grundsätzlich auf französischer Seite zu stehen. Die Annahme der deutschen Kompromissanregung war für Frankreich risikoarm und verhinderte zugleich, die EG-Partner unnötig zu verärgern. Somit konnte sich Frankreich trotz seines Entgegenkommens als Sieger in diesem Streitpunkt betrachten. Der britische Vorstoß war weitgehend ins Leere gelaufen. Soames sprach zwar auf dem WEU-Wirtschaftstag in London und kritisierte dabei die landwirtschaftliche Position der EG in der Kennedy-Runde. Der 126 127 128 129
Telegramm Nr. 179 des FO an Paris vom 20.1.1964, in: NA, FO 371/179092. Telegramm Nr. 44 von Dixon, Paris, an das FO vom 21.1.1964, in: NA, FO 371/179092. Aufzeichnung von Barnes vom 15.1.1964, in: NA, FO 371/179092. Überraschenderweise stritt Großbritannien diesen Aspekt kurz danach ab. Als Frankreich einen Brief an den WEU-Generalsekretär zur Einigung über die Einmaligkeit der Teilnahme eines anderen Fachministers übermittelte, widersprach Großbritannien der französischen Auffassung. Schreiben von Barnes an Johnston vom 3.2.1964, in: NA, FO 371/179092. Auch in einem Gespräch zwischen Barnes und de Courcel am 5.2.1963 offenbarte sich der Unterschied. Während Frankreich der Auffassung war, dass es sich beim Treffen in London um eine einmalige Einbeziehung eines Fachministers gehandelt hatte, meinte Barnes, dass sich Butler eine erneute Einbeziehung für die Zukunft zumindest offen halten wollte. Schreiben von Barnes an Sir C. Johnston vom 5.2.1964, in: NA, FO 371/179092. Allerdings griff Großbritannien zu keinem Zeitpunkt bis 1970 auf eine etwaige Präzedenzwirkung des Ministertreffens in London zurück.
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Auftritt führte jedoch zu keiner substantielleren Diskussion als zuvor.130 Zudem zog er – bis auf die Partizipation des Präsidenten des Board of Trade, Douglas Jay, beim Bonner WEU-Ministertreffen im November 1964 (vgl. Kapitel V.1.3.) – keine Teilnahmen weiterer Fachminister nach sich. 2.3. Deutsche Versuche für substantiellere Wirtschaftsdiskussionen Neben Großbritannien war auch die Bundesrepublik im Jahr 1964 unzufrieden mit den WEU-Wirtschaftsdiskussionen. Das Auswärtige Amt hielt nach zwei WEUMinistertreffen Veränderungen für notwendig, um konkrete Arbeitsergebnisse zu erzielen.131 Aus deutscher Sicht mangelte es neben geeigneten Themen an einer gelungenen informellen Vorbereitung in Brüssel. Es kam zwar zu Kontakten der Ständigen EWG-Vertreter über die WEU-Wirtschaftsdiskussionen, doch nahm Frankreich nicht an diesen Gesprächen teil. 132 Zudem zeigten sich die anderen EG-Staaten wenig an diesen Absprachen interessiert, die Initiative ging stets von der Bundesrepublik aus. Das Auswärtige Amt vermerkte, dass es den anderen EWG-Vertretern zumeist an Weisungen für eine gelungene Vorbereitung fehle und diese zurückhaltend agierten. 133 Die Bundesrepublik beschloss, bei den EGPartnern für verbesserte Vorabsprachen in Brüssel zu werben. Dabei strebte sie keine formellen Veränderungen an, stattdessen ging es ihr darum, den Beschluss aus dem Juli 1963 voll umzusetzen.134 Doch selbst mit dieser Einschränkung deckten sich die deutschen Vorstellungen nicht mit denen aller EG-Partner. Als Staatssekretär Lahr in der EWG-Ratstagung am 15. April 1964 vorschlug, die Vorbereitung der WEU-Wirtschaftsdiskussionen zu erörtern, unterstützten nur die Niederlande diese Anregung. Frankreich, Belgien und Italien merkten Verfahrensbedenken an. Zudem vertraten Frankreich und Belgien die Ansicht, dass die Vorbereitung dem Ständigen WEURat obliege.135 Diese Sichtweise teilte die Bundesrepublik nicht. Sie lehnte eine exklusive Vorbereitung durch den Ständigen WEU-Rat ab, da die WEU-Vertreter – sprich die Botschafter der EG-Staaten in London – deutlich schlechter in Wirt-
130 Bericht des FO, in: NA, FO 371/177376, Ulrich vom 27.1.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531 und Lahr vom 13.2.1964, in: PA/AA, B21/513. 131 Aufzeichnung des Ministerialdirektors Jansen vom 10.4.1964, in: AAPD 1964I/90, S. 402/403. 132 Für die anhaltende französische Weigerung zur Beteiligung siehe Aufzeichnung der S/DEO „A.s. Ordre du jour du Conseil de l’U.E.O. des 16 et 17 Avril 1964“ vom 11.4.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1532. 133 Undatierte Aufzeichnung der Abteilung IA „Vorbereitung des wirtschaftlichen Teils der WEU-Ratstagung am 16./17. April 1964 in Brüssel“, in: PA/AA, B20/1241. 134 Vermerk von Voigt „Vorbereitung der WEU-Ratssitzungen – Kontakt Großbritannien/EWG“ vom 18.8.1964, in: PA/AA, B21/513. 135 Für die EWG-Ratssitzung vom 15.4.1964 siehe Fernschreiben Nr. 630 von Harkort, Brüssel, an das AA vom 15.4.1964, in: PA/AA, B53–IIIA2/32.
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schaftsfragen unterrichtet seien als die Experten in Brüssel. 136 Dennoch gelang es der Bundesrepublik nicht, die EG-Partner umzustimmen. Die deutsche Frustration über eine mangelhafte Vorbereitung in Brüssel wuchs in den nächsten Monaten weiter. 137 Lediglich die Gespräche zwischen Harkort und O’Neill brachten substantielle Ergebnisse, so dass Großbritannien und die Bundesrepublik praktisch allein für die Wirtschaftsagenda der Ministerdiskussionen verantwortlich zeichneten. 138 Dies enttäuschte Großbritannien, da O’Neill in Brüssel die gleichen Erfahrungen wie Harkort machte. Während der französische EWG-Vertreter Boegner informelle Gespräche über die WEU mit Großbritannien verweigerte, brachten auch die bilateralen Kontakte O’Neills mit den anderen EWG-Vertretern kaum Ergebnisse.139 Das Auswärtige Amt versuchte deshalb erneut, die anderen EG-Staaten zu einer besseren Vorbereitung zu bewegen und ihre Ständigen EWG-Vertreter mit den dafür notwendigen Weisungen zu versehen.140 Die Reaktionen waren ernüchternd: Frankreich betonte, dass es kein etabliertes Verfahren der wirtschaftlichen Kontaktgespräche mit Großbritannien gebe. Zudem müsse alles vermieden werden, was den Eindruck einer Fortsetzung der Verhandlungen mit Großbritannien erwecken könne. Der deutsche Vorstoß könne gerade in dieser Richtung verstanden werden. Die Benelux-Staaten untermauerten ihre Skepsis aus anderen Gründen. Belgien und Luxemburg hielten eine solche Vorbereitung nur bei französischer Beteiligung für möglich, die derzeit nicht gegeben sei.141 Die Niederlande wiederum forderten eine engere Zusammenarbeit aller sieben WEU-Staaten, so dass Großbritannien nicht mit einer abgestimmten Meinung der Sechs durch die Ständigen EWG-Vertreter konfrontiert werden dürfte.142
136 Frankreich hatte der Bundesrepublik zuvor vorgeschlagen, auf eine Vorbereitung in Brüssel zu verzichten und den Ständigen WEU-Rat in London mit der Aufgabe zu betrauen. Dies hatte die Bundesrepublik abgelehnt. Fernschreiben Nr. 71 von Voigt an Eurogerma Brüssel vom 13.4.1964, in: PA/AA, B20/1241 und Telegramm Nr. 2792/94 von Margerie, Bonn, an Paris vom 13.4.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 137 Telegramm Nr. 254 von Roberts, Bonn, an das FO vom 15.10.1964, in: NA, FO 371/177379 und Schreiben von Harkort an Voigt „Vorbereitung der WEU-Ministerratstagung am 16./17. Juli 1964 in Paris“ vom 8.6.1964, in: PA/AA, B20/1241. 138 Roberts vom 15.10.1964, in: NA, FO 371/177379 und Aufzeichnung von Voigt „Deutschfranzösische Konsultationen am 15. September 1964, hier: Vorbereitung des Wirtschaftsteils der WEU-Ratstagung“ vom 11.9.1964, in: PA/AA, B20/1242. 139 Schreiben von O’Neill, Brüssel, an Marjoribanks vom 1.6.1964, in: NA, FO 371/177378. 140 Voigt vom 11.9.1964, in: PA/AA, B20/1242. 141 Für diese Reaktionen siehe Voigt vom 11.9.1964, in: PA/AA, B20/1242. Eine italienische Antwort stand zu diesem Zeitpunkt aus. An sich befürwortete Italien eine Belebung der WEU-Gespräche. Dies hätte sich aber bisher weder in der Vorbereitung noch während der WEU-Ratstagungen sichtbar ausgewirkt. Undatierte Aufzeichnung des Referats IA2 „Beziehungen zwischen Großbritannien und der EWG und die Kontaktgespräche mit Großbritannien im Rahmen der WEU“, in: PA/AA, B21/513. 142 Fernschreiben Nr. 199 von Obermayer, Den Haag, an das AA vom 7.8.1964, in: PA/AA, B21/513.
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Angesichts dieser Reaktionen sah das Auswärtige Amt kaum Chancen für eine verbesserte Vorbereitung in Brüssel. Es erwartete, dass weiterhin allein die Bundesrepublik und Großbritannien Vorschläge vorlegten, die von den anderen passiv zur Kenntnis genommen würden beziehungsweise auf französischen Widerstand stoßen könnten, da Frankreich nach wie vor grundsätzliche Bedenken gegen die Aufstellung selbst einer informellen Liste der Gesprächsthemen hätte.143 Auch ein Kompromissangebot, das formalen Bedenken Rechnung trug, brachte keinen Erfolg. Der Politische Direktor im Quai d’Orsay, Charles Lucet, ließ sich nicht auf den Vorschlag ein, die Wirtschaftsagenda von den Ständigen EWG-Vertretern vorbereiten zu lassen, bevor sie vom Ständigen WEU-Rat formell beschlossen würde. Aus französischer Sicht würden die Minister ohnehin stets die gleichen Wirtschaftsthemen besprechen, so dass intensive Vorgespräche nicht erforderlich seien. 144 Frankreich bekräftigte seinen Widerstand zudem, als der Ständige WEU-Rat im November 1964 ähnliche Vorschläge im Zusammenhang mit dem Luns-Plan diskutierte, der die Rolle der WEU vor allem politisch aber auch wirtschaftlich verstärkt hätte (vgl. Kapitel IV.1.3).145 Frankreich sorgte damit 1964 hauptverantwortlich dafür, dass ein weiterer Vorschlag für intensivere WEU-Wirtschaftskontakte versandete. Aufgrund der fehlenden französischen Zustimmung gab es nach wie vor keinen Beschluss der WEU, der die Vorbereitung der Wirtschaftsbesprechungen durch die Ständigen EWG-Vertreter in Brüssel erlaubte.146 Frankreich verweigerte es der Bundesrepublik sogar, sie im Rahmen der EWG auch nur über Themenvorschläge für die WEU-Wirtschaftsdiskussionen zu unterrichten. 147 Der Überblick über das erste Jahr der WEU-Wirtschaftsdiskussionen zeigt, dass die nationalen Ziele und Vorgehensweisen auch im Wirtschaftsbereich auseinander gingen. Großbritannien hoffte auf konstruktive Gespräche und Kooperationen mit den EG.148 Entsprechend aktiv traten die britischen Vertreter in den Wirtschaftsdiskussionen auf. Gleichzeitig war Großbritannien davon überzeugt, dass Frankreich keinen britischen Einfluss über die WEU auf die EG zulassen wolle, so dass es seine Erwartungshaltung dämpfte. 149 Hinzu trat die einsetzende Erkenntnis, gegen französischen Widerstand wenig für die Verbesserung der Wirtschaftsdiskussio143 Voigt vom 11.9.1964, in: PA/AA, B20/1242. 144 Auszug aus dem Gespräch von Lahr und Lucet „Vorbereitung der WEU-Ministerratstagungen auf wirtschaftlichem Gebiet“ am 15.9.1964, in: PA/AA, B20/1242. 145 Frankreich lehnte die Vorschläge für bessere Wirtschaftsvorbereitungen in Brüssel ab, die das WEU-Generalsekretariat auf Basis des Luns-Plans verfasst hatte. WEU-Dokument CM (64) 14 vom 4.11.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 146 Jansen an Lahr „Vorbereitung der Wirtschaftsbesprechungen der WEU-Ministerratstagung“ vom 31.10.1964, in: PA/AA, B20/1242. 147 Fernschreiben Nr. 1868 von Harkort, Brüssel, an das AA vom 6.11.1964, in: PA/AA, B21/513. 148 Runderlass Nr. 43 des FO vom 20.1.1964, in: NA, FO 371/179092. 149 „Steering Brief“ für das WEU-Treffen am 23./24.1.1964, in: NA, FO 371/179092.
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nen tun zu können. 150 In den Mittelpunkt rückte zunächst das Ziel, durch interessante Gespräche die kontinuierlichen WEU-Kontakte aufrecht zu erhalten und damit die „special relationship“ Großbritanniens mit den EG zu unterstreichen.151 Diese symbolische Verbindung und die Chance zum regelmäßigen Gedankenaustausch bezeichnete das Foreign Office als Hauptwert der WEU-Kontakte.152 Die Hoffnungen auf intensive Diskussionen und Kooperationen erfüllte die WEU in dieser Anfangsphase indes nicht.153 Frankreich verband keine positiven Erwartungen mit den WEU-Wirtschaftskontakten, stattdessen befürchtete es unliebsame Auswirkungen. Die Wirtschaftsdiskussionen in der WEU sollten keinen britischen Einfluss auf EG-interne Entscheidungen ermöglichen und keine Neuauflage der britischen EG-Beitrittsverhandlungen darstellen. 154 Aus diesem Grunde wollte Frankreich substantielle Gespräche in der WEU und konkrete Kooperationen der EG mit Großbritannien verhindern. Die französischen Vertreter beteiligten sich kaum an den WEU-Wirtschaftsdiskussionen und blockierten Versuche, die Wirtschaftskontakte in Brüssel vorzubereiten, da eine solche Verbindung von WEU und EG inakzeptabel erschien.155 Grundsätzlich hätte Frankreich gern auf die WEU-Wirtschaftskontakte verzichtet. Die Bundesrepublik versprach sich von der WEU enge Wirtschaftskontakte zwischen den EG und Großbritannien. Sie beteiligte sich sehr aktiv an den Wirtschaftsdiskussionen und war bereit, in der WEU zukünftige EG-Entwicklungen anzusprechen, um einen späteren britischen EG-Beitritt zu erleichtern. Im Verlauf des Jahres 1964 indes sank die anfängliche deutsche Zufriedenheit mit den Wirtschaftskontakten in der WEU. 156 Das Auswärtige Amt resümierte, dass die Erwartungen nicht erfüllt worden seien, da es zu keinem echten Meinungsaustausch komme und es an konkreter Zusammenarbeit fehle.157 Aus unterschiedlichen Gründen waren die drei Staaten mit der wirtschaftlichen Rolle der WEU nicht zufrieden. Großbritannien bedauerte, dass keine spezifischeren Diskussionen stattfanden und keine Kooperationen gelangen. Frankreich waren die Wirtschaftskontakte grundsätzlich ein Dorn im Auge, von denen es sich praktisch keine Vorteile versprach. Die Bundesrepublik zeigte sich ernüchtert von 150 Schreiben von Keeble „Possible Fields of Initiative in W.E.U.“ vom 25.2.1964, in: NA, FO 371/179093. 151 Runderlass Nr. 433 des FO vom 14.7.1964, in: NA, FO 371/179094. 152 Schreiben von Keeble an Plistsky, Treasury, vom 18.8.1964, in: NA, FO 371/177379. 153 Aufzeichnung von Keeble vom 6.10.1964, in: NA, FO 371/177379 154 Aufzeichnung der S/DEO „A/S – Ordre du jour du Conseil de l’U.E.O. des 16 et 17 Juillet 1964.-“ vom 11.7.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1533. 155 Schreiben von Courcel an Couve de Murville „A.s. L’Angleterre et l’U.E.O.“ vom 7.1.1965, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 156 Lahr vom 20.7.1964, in: PA/AA, B21/513. 157 Aufzeichnung des Referats IA2 „Vorbereitung des wirtschaftspolitischen Teils der WEURatstagungen auf Ministerebene durch die Ständigen Vertreter der EWG-Mitgliedstaaten in Brüssel“ vom 23.9.1964, in: PA/AA, B20/1242.
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den oberflächlichen Wirtschaftsdiskussionen, ohne jedoch zu formellen Veränderungen bereit zu sein. Insgesamt konnte die WEU im Wirtschaftsbereich 1963/ 1964 keine konkreten Resultate vorweisen. Diskussionen über EG-Angelegenheiten gingen nicht über abgeschlossene Entwicklungen hinaus. Allerdings untermauerte die britische Regierung in der WEU ihr Beitrittsinteresse. 3. ZWISCHENFAZIT Der Rückblick auf die gut ein Jahr andauernde erste Phase der zweitägigen WEUMinistertreffen zeigt, dass die Einstellungen Großbritanniens, Frankreichs und der Bundesrepublik Deutschland zur Sonderfunktion der WEU divergierten und im Vergleich der politischen und wirtschaftlichen Aspekte variierten. Gleichzeitig führten die unterschiedlichen Ziele und Vorgehensweisen dazu, dass die WEU in dieser Anfangsphase kaum praktische Ergebnisse erzielte und ihre Rolle in der EG-Erweiterungskrise und im europäischen Integrationsprozess insgesamt schwer zu bestimmen ist. Großbritannien versprach sich trotz anfänglicher Aversion am meisten von den WEU-Kontakten. Dies gilt sowohl für den wirtschaftlichen als auch den politischen Bereich. Großbritannien partizipierte aktiv und war an einem inhaltlichen und strukturellen Ausbau der WEU interessiert. Zugleich zeigte es sich pragmatisch genug, angesichts der französischen Widerstände nicht zu viel von der WEU zu erwarten. Die Wirtschaftskontakte standen für Großbritannien im Vordergrund, da sich hier die unmittelbare Verbindung zu den EG und zu einem späteren EG-Beitritt zeigte. Das britische Interesse an den WEU-Wirtschaftsdiskussionen spiegelte sich in den Diskussionen und deren Vorbereitung sowie in den Vorschlägen für eine Ausweitung der WEU-Arbeit wider. Großbritannien versuchte zudem, das außenpolitische Potential der WEU bestmöglich zu nutzen, um in eine koordinierte außenpolitische Kooperation mit den EG-Staaten einzusteigen und zugleich eine exklusive Zusammenarbeit der EG-Staaten zu verhindern. Im politischen Bereich fiel es Großbritannien sogar leichter, sich für eine konkrete Aufwertung der WEU-Arbeit einzusetzen, obgleich es der Lateinamerikainitiative und dem Luns-Plan letztlich an handfesten Resultaten fehlte. Die fehlenden praktischen Ergebnisse und substanzarmen Gespräche sowohl im politischen als auch wirtschaftlichen Bereich führten zu einer kritischen britischen Betrachtung der WEU. Für diese Mängel machte das Foreign Office vorwiegend Frankreich verantwortlich. Aus britischer Sicht hatte sich 1964 kein nachweisbarer Fortschritt in den Beziehungen zwischen Großbritannien und den EG ergeben. Zudem war es bis dato nicht gelungen, die WEU zu einer Art Anhörungsgericht für EG-Angelegenheiten auszubauen, wie es das Foreign Office nach dem Kompromiss im Juli 1963 in Erwägung gezogen hatte. Dennoch war die WEU für Großbritannien von Wert. Dies drückte sich in der symbolischen Bedeutung der Kontakte mit den EG aus sowie in der Möglichkeit, die eigenen politischen und wirtschaftspolitischen Ansichten kontinuierlich multilateral vortragen
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zu können.158 Die alsbald abgelöste konservative Regierung verfolgte noch im Sommer 1964 das Ziel, regelmäßige WEU-Ministertreffen zu gewährleisten und dort eigene europäische Harmonisierungsbemühungen zu offenbaren.159 Frankreich lehnte die multilateralen Kontakte der EG-Staaten mit Großbritannien in der WEU an sich ab und hatte ihnen nur zugestimmt, um die Entwicklung der EG nicht durch anhaltenden Streit mit den EG-Partnern zu gefährden. Auch im Verlauf dieser ersten untersuchten Phase waren die WEU-Kontakte nur insofern von Wert für Frankreich, dass sie die parallele interne Weiterentwicklung in den EG durch die Linderung der Erweiterungskrise erleichterte. In der WEU zeichnete sich Frankreich durch eine unterschiedlich ausgeprägte Blockadehaltung aus. Insbesondere die Wirtschaftsdiskussionen boten aus französischer Sicht keine Vorteile, sondern stattdessen Gefahren. Frankreich wollte jeglichen Einfluss der WEU beziehungsweise Großbritanniens über die WEU auf die EG verhindern. Entsprechend passiv und destruktiv trat Frankreich auf. Etwas positiver betrachtete Frankreich die politischen Kontakte in der WEU, da es zumindest an den Inhalten der diskutierten Themen interessiert war. Beide Bereiche hatten gemein, dass Frankreich jedwede Form der inhaltlichen und strukturellen Weiterentwicklung blockierte. Weder akzeptierte es eine verstärkte außenpolitische Kooperation als Ersatz für eine EG-interne Lösung noch spezifischere Wirtschaftsdiskussionen durch Gespräche über laufende EG-Angelegenheiten oder die Einbeziehung von Fachministern. Somit hätte Frankreich zufrieden auf das erste Jahr der WEU als Kriseninstrument blicken können, da es der WEU an konkreten Ergebnissen fehlte. Allerdings schaute Frankreich nach wie vor misstrauisch auf diese Form der multilateralen Kontakte mit Großbritannien, deren weitere Entwicklung nicht vorhersehbar war. Zudem war Frankreich durch die britischen Vorstöße in der WEU wiederholt in eine unangenehme Außenseiterposition gebracht worden, was dem französischen Außenministerium missfiel. 160 Da es unrealistisch war, die WEUKontakte ohne eine drohende Eskalation mit den EG-Partnern zu beenden, ging es Frankreich auch in Zukunft darum, die Rolle der WEU und deren Auswirkungen einzugrenzen. Die Bundesrepublik nahm in dieser ersten Phase eine Mittelposition zwischen Frankreich und Großbritannien ein. Insgesamt stand sie den Wirtschaftskontakten positiver als den Politikkontakten gegenüber. Gemeinsam mit Großbritannien prägte sie den Verlauf der Wirtschaftsdiskussionen, da sie einen britischen EGBeitritt weiterhin unterstützte, und sie war bereit, auch künftige Entwicklungen in den EG in die WEU-Diskussionen einzubeziehen. Die Einigkeit mit Großbritannien ging allerdings nur soweit, dass die Bundesrepublik den WEU-Kompromiss im Rahmen der beschlossenen Möglichkeiten voll ausschöpfen wollte. Die Bun158 O’Neill „Annual Report on the European Communities for 1964“ vom 2.1.1965, in: NA, FO 371/182377. 159 Das FO vom 14.7.1964, in: NA, FO 371/179094. 160 Schreiben von Courcel an Couve de Murville „A.s. L’Angleterre et l’U.E.O.“ vom 7.1.1965, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531.
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desrepublik sprach sich dagegen aus, die wirtschaftliche Arbeit der WEU strukturell zu verändern. Hintergrund war das Motiv, in der WEU keinen unnötigen Ärger mit Frankreich zu provozieren, der negative Auswirkungen auf die Arbeit der EG nach sich ziehen konnte. Anders als die britischen zielten die deutschen Bemühungen in der EG-Erweiterungskrise nicht nur auf den britischen Beitritt ab, sondern auch auf eine parallel fortlaufende Entwicklung der EG. Die Unterstützung für Großbritannien in der WEU war somit begrenzt. Besonders deutlich zeigte sich dies im politischen Bereich. Die Bundesrepublik partizipierte auch dort aktiv, war am inhaltlichen Gedankenaustausch interessiert sowie zu moderaten Kooperationsversuchen im Falle Lateinamerikas bereit. Allerdings lehnte die Bundesrepublik strukturelle Veränderungen ab. Zudem durfte die WEU anderen europäischen Integrationsbemühungen nicht zuwider laufen, so dass die Bundesrepublik die WEU angesichts der eigenen Bemühungen für eine EPU sogar als hinderlich betrachtete. Dies zeigte sich beim Blick auf den Luns-Plan. Insgesamt nahm die Bundesrepublik auch im politischen Bereich eine Mittelposition ein, doch hatte sie hier deutlich mehr Gemeinsamkeiten mit Frankreich. In ihren Bewertungen stimmte die Bundesrepublik mit Großbritannien insofern überein, dass sie ernüchtert vom ergebnisarmen Verlauf der Wirtschaftskontakte war. Im Gegensatz zu Großbritannien konnte die Bundesrepublik aber zumindest die fortlaufende Entwicklung in den EG als erfreuliches Resultat hervorheben. Den Verlauf der politischen Diskussionen bewertete die Bundesrepublik positiver, allerdings verband sie mit diesen kaum konkrete Ziele. Insgesamt versprach sich das Auswärtige Amt im Herbst 1964 zukünftig bessere Ergebnisse von den WEU-Wirtschaftsdiskussionen. 161 Eine von diesen nationalen Positionen gelöste Einordnung der europapolitischen Rolle der WEU 1963/1964 ist schwieriger, da wenig konkrete Ergebnisse vorlagen. Dies liegt darin begründet, dass alle Versuche zur Entwicklung der WEU-Arbeit in diesem Zeitraum scheiterten. Zudem gelang es nicht, mit Hilfe der WEU selbst bescheidenere Kooperationsversuche zwischen den EG-Staaten und Großbritannien konkret einzuleiten. So führte beispielsweise die in der WEU diskutierte britische Beteiligung am europäischen Patentabkommen zu keinem Ergebnis. Dennoch kam es – aller deutschen und britischen Kritik zum Trotz – zu einem breiten multilateralen Austausch über wirtschaftliche und politische Themen. Dabei konnte Großbritannien seine Kooperationsbemühungen demonstrieren und weniger als ein Jahr nach dem Scheitern des ersten EG-Beitrittsgesuches seinen prinzipiellen Beitrittswunsch multilateral artikulieren. Die WEU trug bereits in dieser Frühphase dazu bei, weitere wirtschaftspolitischen Differenzen und eine Entfernung Großbritanniens von den EG zu verhindern. Gleichzeitig erleichterte die WEU die Fortentwicklung innerhalb der EG, da der Streit der EG-Staaten über den britischen EG-Beitritt durch die Kontakte mit Großbritannien in der WEU beruhigt wurde. Die Einigung auf die WEU-Kontakte im Juli 1963 hatte die drohende Gefahr abgewendet, dass die Beitrittsfrage alle anderen EG-Entwicklungen 161 Aufzeichnung des Referats IA2 vom 23.9.1964, in: PA/AA, B20/1242.
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dauerhaft beeinträchtigen würde. Die WEU erfüllte damit ihren Zweck, indem sie die unmittelbare EG-Erweiterungskrise linderte. Sie diente als Mittel sowohl für den Fortgang der EG-Entwicklung – die Errichtung des Gemeinsamen Marktes für gewerbliche und landwirtschaftliche Produkte wurde fortgesetzt – als auch für den Kontakt mit Großbritannien. Zugleich setzten die Niederlande und Großbritannien die WEU auch gegen integrationspolitische Überlegungen ein, wie etwa die Pläne für eine EPU. Die Regierungsübernahme der Labourpartei unter Premierminister Harold Wilson im Oktober 1964 rückte ein weiteres britisches EG-Beitrittsgesuch zunächst in weite Ferne. 162 Dies trug zum Abflauen der EGErweiterungskrise bei und wirkte sich auf die weitere Arbeit der WEU aus.
162 Vgl. Young, Britain and European Unity, S. 86.
V. DIE ARBEIT DER WEU NACH DEM ABFLAUEN DER ERWEITERUNGSKRISE (OKTOBER 1964–OKTOBER 1967) Die zweite Phase der WEU-Kontakte beginnt mit dem britischen Regierungswechsel im Oktober 1964 und erstreckt sich bis zum Oktober 1967. In dieser Phase war die EG-Erweiterungskrise abgeflaut, da die neue britische Labourregierung unter Premierminister Wilson zunächst keinen EG-Beitritt anstrebte. Der im März 1966 einsetzende Wandel bei der britischen Regierung und das zweite EGBeitrittsgesuch aus dem Mai 1967 führten schließlich dazu, dass die EGErweiterungskrise durch ein zweites französisches Veto im November 1967 erneut ausbrach. 1 1. DIE ARBEIT DER WEU GEHT WEITER (OKTOBER 1964–FEBRUAR 1966) Im Zeitraum vom November 1964 bis Februar 1966 kam es zu vier WEUMinistertreffen. Mit nur drei Treffen im Jahr 1965 hielten die WEU-Staaten den vereinbarten vierteljährlichen Rhythmus nicht ein.2 Einen Sonderfall bildete das eintägige Treffen am 4. November 1965 in Den Haag, auf dem die WEU-Staaten angesichts der Leeren-Stuhl-Krise in der EWG erstmals auf Wirtschaftsdiskussionen verzichteten (vgl. Kapitel V.1.3.). Die Beteiligung der Außenminister an den Ratstreffen divergierte. Während Gordon-Walker und sein Nachfolger Stewart durchgehend teilnahmen und Schröder nur einmal absagte, ließ sich Couve de
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Es ist umstritten, wann genau der Wandel bei Wilson hin zum EG-Beitritt erfolgte. Als ausschlaggebender Faktor werden in der Forschung entweder der Wahlsieg Labours im März 1966 oder die Währungskrise des Pfund Sterling im Juli 1966 genannt. Vgl. Anthony Adamthwaite: John Bull v. Marianne, Round Two: Anglo-French Relations and Britain’s Second EEC Membership Bid, in: Daddow (Hg.): S. 159. Diese Untersuchung beginnt mit dem WEU-Ministertreffen am 16. März 1966 in London, auf dem Außenminister Stewart erstmals in der WEU vom Beitrittsinteresse der Labourregierung sprach. Zudem sprach Wilson im März 1966 öffentlich vom neuen Labourkurs. Er hielt einen Beitritt für möglich, sofern Sicherheiten für die nationalen Interessen verhandelbar seien. Vgl. Parr, Britain’s Policy, S. 70. Laut Parr hatte aber erst die Sterling-Krise den entscheidenden Impuls für das EG-Beitrittsgesuch gegeben. Vgl. ebenda, S. 89. Laut Young hingegen war Wilson bereits vor der Julikrise auf den EG-Beitritt eingeschwenkt. Vgl. John W. Young: Britain and European Unity, 1945–1992, London 1993, S. 93. Für weitere Details vgl. das Kapitel V.2.1. Diese Untersuchung vermag nicht eindeutig nachzuweisen, ob dem Verzicht auf ein viertes Treffen im Jahr 1965 ein bewusstes politisches Motiv zugrunde lag. Es liegt jedoch der Verdacht nahe, dass der Verzicht mit der Krise des leeren Stuhls in der EWG zusammenhing (vgl. Kapitel V.1.3.).
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Murville ab 1965 dauerhaft von einem Staatssekretär vertreten.3 Dies war ein französischer Schlag gegen die Bedeutung der WEU-Kontakte.4 Großbritannien bedauerte dies sowie die Tatsache, dass immer weniger Ständige EWG-Vertreter und Wirtschaftsexperten in den nationalen Delegationen zu finden waren. Lediglich die Bundesrepublik bildete eine Ausnahme. 5 1.1. Die neue Ausgangsposition durch den britischen Regierungswechsel Aus Sicht der EG-Staaten schien das Problem eines britischen Beitritts durch den Regierungswechsel weniger drängend. Den Sechs bot sich die Chance einer internen Konsolidierung, bevor die Erweiterung erneut besprochen werden musste.6 Es gab zwar Stimmen in der britischen Administration, die bereits Anfang 1965 intern für den EG-Beitritt plädierten. So war das Foreign Office davon überzeugt, dass ein britischer EG-Beitritt notwendig sei, um eine starke britische Stellung in der Welt abzusichern.7 Wilson hingegen sprach sich – ebenso wie viele Kabinettsmitglieder – gegen eine EG-Mitgliedschaft aus. Er machte 1964/1965 wiederholt deutlich, dass seine Regierung keinen unmittelbaren Beitritt anstrebe.8 Europa war für die Labourregierung nur eines von mehreren wichtigen Themen. 9 Wilson teilte mit der konservativen Vorgängerregierung indes das Ziel, eine Politische Union ohne Großbritannien zu verhindern.10 Fraglich war, wie sich der britische Regierungswechsel auf die Arbeit der WEU auswirken würde. Die Labourregierung sendete dazu widersprüchliche Signale. Einerseits kritisierte Außenminister Gordon-Walker kurz nach Amtsantritt gegenüber Schröder die bisherigen Mängel der WEU-Kontakte, die teilweise eher schadeten denn nützten. Walker deutete sogar ein Ende der WEU-Kontakte an, da intensivierte bilaterale Kontakte bessere Ergebnisse versprechen könnten. 11 3
Diesen Entschluss teilte Frankreich 1965 mit. Schreiben Nr. 379 von Sir P. Reilly, Paris, an das FO vom 2.6.1965, in: NA, FO 371/182295. Stewart löste Gordon-Walker als Außenminister ab, da es letzterem nicht gelang, im Januar 1965 bei einer Nachwahl einen Unterhaussitz zu gewinnen. Vgl. Parr, Britain’s Policy, S. 42. 4 Gespräch des Bundesministers Schröder mit dem britischen Abgeordneten Sandys am 12.3.1965, in: AAPD 1965I/126, S. 509. 5 Aufzeichnung von O’Neill vom 13.1.1966, in: NA, FO 371/190763. 6 Vgl. Ludlow, The European Community, S. 40. 7 Vgl. Parr, Britain’s Policy, S. 20/36/47/53 und Young, Britain and European Unity, S. 88. 8 Vgl. Anne Deighton: The Second British Application for Membership of the EEC, in: Loth (Hg.): Crises and Compromises, S. 392. Laut Parr hatte Wilson aber bereits eine eigene Europakonzeption verfolgt und die Mitgliedschaft in einem Europa der „right sort“ angestrebt. Vgl. Parr, Britain’s Policy, S. 30/36. Nach Catterall hingegen hatte Wilson mit Ausnahme der Idee einer Technologiegemeinschaft keine klare Vision von Europa. Vgl. Peter Catterall: Conclusion: The Ironies of ‘Successful Failure’, in: Daddow, (Hg), S. 249. 9 Vgl. Parr, Britain’s Policy, S. 26. 10 Vgl. ebenda, S. 31. 11 Gespräch des Bundesministers Schröder mit dem britischen Außenminister Gordon-Walker am 15.11.1964 in: AAPD 1964II/335, S. 1312/1313.
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Andererseits hatte Labour zum Ziel, das weiterhin bestehende britische Interesse an Europa – wenn auch ohne EG-Mitgliedschaft – nachzuweisen und dafür die WEU effektiv zu nutzen. 12 Somit verloren die WEU-Kontakte für Großbritannien mit dem Regierungswechsel nicht automatisch ihren Wert. Hinzu kam die Tatsache, dass viele einflussreiche Beamte im Foreign Office, die bereits mit den politischen und wirtschaftlichen Kontakten in der WEU vertraut waren, nach dem Regierungswechsel auf ihren Posten verblieben. 13 Frankreich und die Bundesrepublik zogen eigene Rückschlüsse auf die Rolle der WEU. Das französische Außenministerium hielt neue britische EG-Beitrittsverhandlungen zum damaligen Zeitpunkt für unwahrscheinlich. Zugleich vermutete es, dass Großbritannien für eine neue europäische Initiative nur auf eine weitere Krise im Verhältnis der EG-Staaten untereinander warte.14 Frankreich betrachtete die Kontakte im Rahmen der WEU damit weiterhin skeptisch. Das Auswärtige Amt hingegen betonte die positive Bedeutung der WEU, die das einzige Kontaktforum der EG mit Großbritannien bleibe, da weder ein britischer EGBeitritt aktuell noch eine britische Europainitiative zu erwarten sei. 15 Schröder erklärte Gordon-Walker, dass er die WEU-Kontakte als sinnvoll betrachte und es darum ginge, Frankreich für eine bessere Kooperation zu gewinnen, ohne dies unnötig zu forcieren. Zugleich nahm er Großbritannien mit in die Verantwortung, da das Fehlen einer klaren britischen Europapolitik sowohl eine europäische politische Kooperation inklusive Großbritanniens als auch die Arbeit der WEU erschwerten.16 Aus deutscher Sicht blieb das Instrument WEU wichtig, obgleich es nicht unmittelbar auf eine EG-Erweiterungskrise einwirken musste. Offen war, welche konkrete Rolle der WEU unter diesen veränderten Rahmenbedingungen bevorstand. 1.2. Die WEU-Politikdiskussionen Das erste WEU-Ministertreffen nach dem britischen Regierungswechsel am 16. November 1964 in Bonn begann mit einer Grundsatzdiskussion über die bisherige Arbeit der WEU, ihre künftige Rolle in der politischen Zusammenarbeit und parallele Pläne für eine EPU. Gordon-Walker gab den Anstoß für diese Debatte, indem er einleitend die Grundzüge der künftigen britischen Europapolitik
12 Steering Brief vor dem WEU-Ministertreffen in Bonn am 16./17. November 1964 in Bonn, in: NA, FO 371/179095. 13 Für die Kontinuität im Foreign Office vgl. Helen Parr: Gone Native: The Foreign Office and Harold Wilson’s Policy Towards the EEC, 1964–1967, in: Daddow (Hg.), S. 83. 14 Aufzeichnung Nr. 196/CE der DAEF „A.s. Conseil de l’U.E.O. Questions Economiques, Point I“ vom 13.11.1964, in: MAE, DE_CE/1577. 15 Aufzeichnung des Referats IA2 „Beziehungen Großbritanniens zur EWG“ vom 9.11.1964, in: PA/AA, B20/1242. 16 Gespräch von Schröder und Gordon Walker am 15.11.1964 in: AAPD 1964II/335, S. 1314/1315.
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skizzierte.17 Die neue britische Regierung denke nicht an eine Wiederaufnahme der EG-Beitrittsverhandlungen, wolle Europa aber nicht den Rücken zuwenden. Insbesondere wolle Großbritannien nicht aus Diskussionen über eine europäische außenpolitische Kooperation ausgeschlossen werden, so dass es die Vorschläge für eine EPU ohne britische Beteiligung ablehne.18 Anschließend übte GordonWalker scharfe Kritik an den bisherigen WEU-Kontakten. Die WEU sollte kein Forum sein, in dem Großbritannien von Entscheidungen der Sechs unterrichtet werde, die bereits getroffen seien. Stattdessen wolle Großbritannien mit der WEU Politiken harmonisieren und gemeinsame Entscheidungen erarbeiten. Die WEU sei eine Organisation, in der sich sieben Alliierte träfen und nicht die Sechs mit Großbritannien. Vorstöße wie die Lateinamerikainitiative und der Luns-Plan hätten aber nur enttäuschende Ergebnisse erbracht. Trotz dieser Kritik offenbarte Gordon-Walker, dass die Labourregierung den WEU-Kontakten prinzipiellen Wert attestierte. Er bezeichnete die WEU als ein wichtiges Instrument, doch befinde sie sich bezüglich ihrer weiteren Entwicklung am Scheideweg. Insgesamt strebe die britische Regierung das Ziel einer Politischen Union zu siebt an, die auf Dauer vergrößert werden könne. Die EG-Staaten reagierten unterschiedlich auf diese Ausführungen. Spaak und Luns schlossen sich Teilen der Kritik an. Spaak bemängelte unzureichende Diskussionen auf den vorangegangenen Treffen, da der WEU-Mechanismus ohne den entsprechenden politischen Willen keinen Nutzen biete. Zugleich bezeichnete er es als schwerwiegenden Entschluss, dass die Labourregierung nicht zum EGBeitritt bereit sei. Luns betonte die Bedeutung der WEU, in der echte Diskussionen und nicht nur ein Informationsaustausch erfolgen sollten. 19 Zudem unterstützte er die britische Position zur EPU. Schröder und Habib-Deloncle hingegen verteidigten Versuche, zunächst eine Politische Union zu sechst anzustreben. Schröder betonte, dass niemand langfristig davon ausgeschlossen sei, und HabibDeloncle erklärte die französische Bereitschaft, den offenen Dialog in der WEU fortzusetzen.20 Dabei war klar, dass Frankreich substantielle Veränderungen der WEU-Kontakte ausschloss. Zugleich bezweifelte Frankreich intern das Interesse der Labourregierung am politischen Europa. Frankreich stimmte Großbritannien
17 Die Europarede Gordon-Walkers war kein offizieller Tagesordnungspunkt des Ministertreffens. Großbritannien hatte die Rede aber im Vorwege im Ständigen WEU-Rat angekündigt, ohne Widerspruch zu erhalten. Schreiben Nr. 2374 des FO an Bonn vom 4.11.1964, in: NA, FO 371/179095 und Telegramm Nr. 4833/39 von Courcel, London, an Paris vom 4.11.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 18 Für den EPU-Vorschlag der Bundesrepublik vom 4.11.1964 vgl. Clemens, Zwischen allen Stühlen, S. 187. 19 Parallel diskutierten die Minister in Bonn über den Luns-Plan (vgl. Kapitel IV.1.3.). 20 Für Walkers Europarede auf dem WEU-Ministertreffen am 16.11.1964 in Bonn und die anschließende Diskussion siehe Schreiben Nr. 1155 von Roberts, Bonn, an das FO vom 17.11.1964, in: NA, FO 371/179095, Runderlass 87.00/1/64 des Referats IA1 „WEU-Ministerratssitzung am 16./17. November 1964 in Bonn“ vom 25.11.1964, in: PA/AA, B21/513 und Telegramm Nr. 10.011/20 von Lucet, Paris, nach Bonn vom 18.11.1964, in: MAE, Europe, OIGQI/1533.
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aber dahingehend zu, dass sich die WEU an einem Scheideweg befände und eine WEU-Krise möglich sei. 21 Diese Einschätzung erwies sich als falsch. Die Grundsatzdebatte in Bonn zog keine gravierenden Auswirkungen nach sich. Die politischen WEU-Kontakte intensivierten sich zwar nicht, doch bewirkte dies keine Krise der WEU. Es gab sogar weniger Querelen über außenpolitische Belange als in der ersten Phase 1963/1964. Zwei Aspekte waren dafür verantwortlich: Erstens verzichtete Großbritannien darauf, seine Forderungen an die politischen WEU-Kontakte mit konkreten Kooperationsvorschlägen zu unterfüttern. Die anderen WEU-Staaten hielten sich mit derartigen Vorschlägen ebenfalls zurück. Aus britischer Sicht fehlte es an einem geeigneten Themenfeld. So hielt das Foreign Office für gemeinsame WEU-Aktionen noch immer Lateinamerika für am besten geeignet, obgleich entsprechende Bemühungen bereits gescheitert waren (vgl. Kapitel IV.1.2.).22 Die einzige Ausnahme für einen bescheidenen britischen Kooperationsvorschlag erfolgte auf dem WEU-Ministertreffen am 9. März 1965 in Rom. Dort schlug Stewart im Verlauf der Diskussionen eines britischen Papiers zum sowjetischen und chinesischen Einfluss in Afrika vor, den Ständigen WEU-Rat damit zu beauftragen, über ein gemeinsames Vorgehen in Afrika zu beraten und dem Ministerrat Vorschläge zu unterbreiten. Habib-Deloncle lehnte diesen Vorschlag einer engeren Kooperation ab. Er erlaubte lediglich, dass die Mitgliedstaaten freiwillig dem Ständigen WEU-Rat Ausarbeitungen vorlegen könnten, welche die Minister beim nächsten Treffen besprechen könnten. 23 Habib-Deloncle erstickte zudem einen belgischen Vorschlag im Keim, es nochmals mit einer engeren Koordinierung der WEU-Staaten in Lateinamerika zu versuchen.24 Angesichts des anhaltenden französischen Widerstands und der zurückliegenden Misserfolge des Luns-Plans und der Lateinamerikainitiative wagte Großbritannien zunächst keine weiteren Vorschläge, um keinen neuen Fehlschlag zu riskieren. Folgerichtig kam es zu keinem ernsthaften Streit in der WEU über etwaige Veränderungen ihrer Arbeitsweise. Zweitens trug das endgültige Scheitern der EPU-Pläne Ende März 1965 dazu bei, den außenpolitischen Diskussionen in der WEU die Schärfe zu nehmen, da sie fortan nicht mehr in unmittelbarer Konkurrenz zu einer EPU standen. Aller21 Schreiben von Courcel an Couve de Murville „A.s. L’Angleterre et l’U.E.O.“ vom 7.1.1965, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 22 Aufzeichnung von Barnes vom 19.7.1965, in: NA, FO 371/184492. 23 Runderlass von Lahr „Unterrichtung über Verlauf und Ergebnisse der WEU-Ministerratstagung in Rom am 9. und 10. März 1965“ vom 12.3.1965, in: PA/AA, B21/668, Telegramm Nr. 378/95 von Berard, Rom, an Paris vom 10.3.1965, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531 und Schreiben Nr. 186 von Ward, Rom, an das FO vom 9.3.1965, in: NA, FO 371/184485. 24 Der belgische Staatssekretär Fayat schlug am 29.6.1965 im WEU-Ministerrat in Luxemburg vor, den Ständigen WEU-Rat damit zu beauftragen, konkrete Schritte für eine koordinierte Zusammenarbeit der WEU-Staaten in Lateinamerika zu erarbeiten. Habib-Deloncle lehnte dies mit der Begründung ab, dass das weitere Vorgehen den Ministern vorbehalten bleiben müsse. Botschafter Blankenhorn, z. Z. Luxemburg, an das Auswärtige Amt vom 30.6.1965, in: AAPD 1965II/264, S. 1100 und Schreiben Nr. 7 aus Luxemburg (Autor fehlt) an das FO vom 30.6.1965, in: NA, FO 371/184486.
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dings war dieses Scheitern in den Monaten zuvor nicht gewiss gewesen, so dass Großbritannien noch Anfang 1965 eine EPU bekämpfte. Es hätte Großbritannien keineswegs ausgereicht, in der WEU über laufende Arbeiten einer EPU informiert zu werden, wie es sich beispielsweise die Bundesrepublik und Italien vorstellten.25 Dieser Vorschlag genügte der britischen Regierung nicht, solange in der WEU nicht mehr als ein Informationsaustausch erfolgte.26 Großbritannien nutzte das WEU-Ministertreffen im März in Rom, sich explizit gegen eine EPU zu sechst auszusprechen und stattdessen den Wert der WEU zu betonen. Außenminister Stewart bezeichnete die WEU als eine Institution zur Förderung der europäischen Integration und versprach, dass Großbritannien eine positive Rolle in diesem Prozess einzunehmen gedenke. Daher müsste Großbritannien in EPU-Gespräche einbezogen werden. Stewarts WEU-Rede erzielte allerdings nicht die gewünschte Wirkung, auch wenn die Fünf und speziell die Niederlande Sympathie für die britischen Forderungen erkennen ließen. 27 So lud Italien – auf deutsches Betreiben hin – kurz darauf zu einer EPU-Außenministerkonferenz am 10. Mai 1965 in Venedig ohne britische Beteiligung ein. Auch Luns musste auf Druck des niederländischen Parlaments der Konferenz zustimmen, was er als persönliche Niederlage empfand.28 Es gelang Luns nicht mehr, eine Ablehnung mit Hinweis auf politische Kooperationsmöglichkeiten in der WEU durchzusetzen, nicht zuletzt, da der Luns-Plan gescheitert war. Es waren deshalb nicht die Niederlande, sondern es war Frankreich, das der EPU den Todesstoß versetzte. Frankreich lehnte am 31. März 1965 seine Teilnahme an der Konferenz mit dem Hinweis ab, dass zuvor weitere EG-Agrarregelungen zu beschließen seien und Aussicht auf einen Erfolg der EPU bestehen müsse.29 Die französische Absage bedeutete das vorläufige Ende aller EPU-Pläne, da insbesondere die Bundesrepublik auf neue Vorstöße verzichtete.30
25 Gespräch des Bundesministers Schröder mit dem italienischen Außenminister Saragat in Rom am 8.12.1964, in: AAPD 1964II/375, S. 1451. 26 Gespräch des Bundesministers Schröder mit dem britischen Botschafter Roberts am 4.12.1964, in: AAPD 1964II/371, S. 1444/1445. Wilson bekräftigte das Ziel, so eng wie möglich an einer EPU beteiligt zu werden. Gespräch des Bundeskanzlers Erhard mit Premierminister Wilson in London am 30.1.1965, in: AAPD 1965I/47, S. 221. Laut Clemens hatte die britische Regierung die EPU-Pläne diplomatisch bekämpft. Allerdings sei diese nicht wirklich besorgt über die EPU-Pläne gewesen, da eine Einigung der EG-Staaten unwahrscheinlich erschienen sei. Vgl. Clemens, Zwischen allen Stühlen, S. 190. 27 Zum WEU-Ministertreffen am 9/10.3. in Rom siehe Lahr vom 12.3.1965, in: PA/AA, B21/668, Ward vom 9.3.1965, in: NA, FO 371/184485 und Berard vom 10.3.1965, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 28 Vgl. Clemens, Zwischen allen Stühlen, S. 189. 29 Vgl. ebenda, S. 190. 30 Vgl. ebenda, S. 191/192. Für Entwicklung und Scheitern der EPU-Pläne vgl. zudem Kramer, S. 150–192, Germond, S. 119–130 und die Aufzeichnung von Voigt „Europäische politische Einigung“ vom 1.4.1965, in: BA, B136/6408.
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Angesichts dieser Entwicklung sank die britische Sorge, in naher Zukunft aus einer außenpolitischen Kooperation ausgeschlossen zu werden.31 Die WEU verlor damit für Großbritannien – und die Niederlande – vorläufig die Funktion, gegen eine europäische integrationspolitische Entwicklung eingesetzt zu werden. Das Ende der EPU-Idee führte zudem nicht zu einer automatischen Aufwertung der WEU-Diskussionen. Dazu mangelte es neben verstärkten Kooperationsversuchen auch an einer inhaltlichen Vertiefung der diskutierten Themen. Es ist allenfalls hervorzuheben, dass Großbritannien seit Gordon-Walkers Grundsatzrede aus dem November 1964 wiederholt die Möglichkeit nutzte, allgemeine europapolitische Erklärungen auf den WEU-Ministertreffen abzugeben, in denen sich politische und wirtschaftliche Aspekte mischten. 32 Damit konnte die Labourregierung den EG-Staaten kontinuierlich die Entwicklung ihrer europapolitischen Position offen legen und für Verständnis werben. Davon abgesehen erbrachten die inhaltlichen Politikdiskussionen keine konkreten Ergebnisse. Gleichzeitig verliefen sie trotz mancher Meinungsunterschiede spannungsfrei. Die Ost-West-Beziehungen blieben ein fester Bestandteil aller WEU-Ministertreffen. Die Labourregierung versicherte der Bundesrepublik, dass Großbritannien auch künftig ihre Verpflichtungen gegenüber Berlin wahrnehmen werde.33 Besonders der Bundesrepublik war an der Kontinuität dieses Diskussionspunktes gelegen, um sich der Solidarität der WEU-Partner in der Deutschlandund Berlinfrage zu vergewissern.34 Zudem diskutierten die Minister über das chinesisch-sowjetische Verhältnis, die Idee einer Multilateralen Atomstreitmacht (MLF) 35 und den eskalierenden Vietnam-Konflikt.36 Alle weiteren Tagesord-
31 Allerdings betonte Wilson noch im April gegenüber de Gaulle, dass Großbritannien an etwaigen EPU-Plänen beteiligt werden wolle. Gespräch von Wilson und de Gaulle am 3.4.1965, in: NA, PREM 13/324. 32 So sprach Stewart beim WEU-Ministertreffen am 29.6.1965 in Luxemburg von britischen Bemühungen, den Graben zwischen EWG und EFTA zu überbrücken (vgl. Kapitel V.I.3.). Runderlass des Referats IA1 „Westeuropäische Union: Sitzung des Rates auf Ministerebene am 29. und 30. Juni 1965 in Luxemburg“ vom 25.7.1965, in: PA/AA, B21/668. 33 Für die Diskussionen vom 16.11.1964 in Bonn siehe Schreiben Nr. 1398 des FO an Bonn vom 18.11.1964, in: NA, FO 371/179095, Telegramm Nr. 10069/89 von Lucet, Paris, nach Bonn vom 18.11.1964 und das Referat IA1 vom 25.11.1964, in: PA/AA, B21/513. 34 So dankte Staatssekretär Lahr auf dem WEU-Ministertreffen am 9.3.1965 in Rom ausdrücklich für die Solidarität der WEU-Partner. Lahr vom 12.3.1965, in: PA/AA, B21/668, Ward vom 9.3.1965, in: NA, FO 371/184485 und Berard vom 10.3.1965, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 35 Für ausführliche Informationen zur MLF, die 1963–1965 intensiv in der Atlantischen Allianz diskutiert wurde, aber letztlich scheiterte vgl. Martin Koopmann: Das schwierige Bündnis: Die deutsch-französischen Beziehungen und die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland 1958–1965, Baden-Baden 2000, S. 185–264. 36 Für die Ost-West-Diskussionen am 29.6.1965 in Luxemburg siehe das Referat IA1 vom 25.7.1965, in: PA/AA, B21/668 und Schreiben Nr. 7 aus Luxemburg vom 30.6.1965, in: NA, FO 371/184486. Für die Diskussionen am 4.11.1965 in Den Haag siehe Fernschreiben Nr. 286 von Meyer-Lindenberg und Knoke, Den Haag, an das AA vom 4.11.1965, in: PA/AA, B21/668, Schreiben Nr. 28 von Garran, Den Haag, an das FO vom 4.11.1965, in: NA, FO
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nungspunkte fanden sich nicht immer, aber wiederholt auf den Agenden der Ministertreffen. Die Diskussionen umfassten die Lage im Nahen Osten, in (Südost-)Asien, in Afrika und in Lateinamerika. 37 Insgesamt ist festzustellen, dass sich nicht nur Großbritannien und die Bundesrepublik aktiv an diesen Diskussionen beteiligten, sondern auch Frankreich. 38 Die französische Regierung blieb ihrer seit 1963 vertretenen Linie treu, an den politischen Diskussionen mitzuwirken, solange diese keine Intensivierung der WEUKontakte betrafen und exklusiv in der Hand des Ministerrates verblieben. Zu einer Intensivierung der Politikdiskussionen kam es trotz der britischen Generalkritik nach dem Regierungswechsel nicht. Es blieb beim Austausch von Sichtweisen, ohne dass eine Harmonisierung der Außenpolitiken erfolgte oder sich Beispiele konkreter außenpolitischer Kooperationen ergaben. Die politische Rolle der WEU stagnierte, obgleich sie nach dem Ende der EPU-Pläne bis auf weiteres das einzige europäische außenpolitische Kontaktforum auf Regierungsebene blieb. 1.3. Die WEU-Wirtschaftsdiskussionen 1.3.1. Der Verlauf der WEU-Wirtschaftsdiskussionen In Zeitraum vom November 1964 bis Februar diskutierten die WEU-Staaten nur auf drei von vier Ministertreffen wirtschaftliche Fragen, da die Krise des Leeren Stuhls im November 1965 zum Verzicht auf den Wirtschaftstag führte (vgl. Kapitel V.1.3.2.). Ansonsten zeigten sich keine großen Veränderungen. Es blieb bei den etablierten Themen unter dem einzigen offiziellen Tagesordnungspunkt „Gedankenaustausch über die wirtschaftliche Lage in Europa“. Im Vordergrund standen erneut Berichte über die zurückliegende wirtschaftliche Entwicklung in den EG und in Großbritannien sowie die gegenseitigen wirtschaftlichen Beziehungen. Zudem blieb die Kennedy-Runde ein fester Bestandteil der Ministertreffen, allerdings in deutlich reduziertem Rahmen und ohne konkrete Ergebnisse. Gleiches galt für die nur noch einmal besprochene UN-Handels- und Entwicklungskonferenz.39 Die EWG-Kommission berichtete in diesem Zeitraum mehrfach über eine positive Entwicklung im EG-Wirtschaftsraum, ohne dass daraus eine Diskussion 371/184487 und Telegramm Nr. 1010–19 von Siraud, Den Haag, an Paris vom 5.11.1965, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1634. 37 Details dieser Diskussionen sind für diese Untersuchung unerheblich. Für nähere Informationen siehe die oben zu den Ost-West-Diskussionen und zur Rolle der WEU aufgeführten Aufzeichnungen der WEU-Treffen. 38 Großbritannien bestätigte dies beispielsweise nach dem WEU-Ministertreffen in Luxemburg. Schreiben Nr. 7 aus Luxemburg vom 30.6.1965, in: NA, FO 371/184486. 39 Für Details der Diskussionen zur Kennedy-Runde und die UN-Handels- und Entwicklungskonferenz auf den drei WEU-Ministertreffen in Bonn, Rom und Luxemburg siehe die weiter unten angegebenen Quellenverweise.
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resultierte.40 Interessanter waren die britischen Berichte sowie die Vorstellungen der neuen Labourregierung über die wirtschaftliche Kooperation in Europa. Dabei war der Einstieg Labours denkbar schlecht, da die neue Regierung angesichts eines horrenden Handelsdefizits von 700 bis 800 Millionen Pfund Sterling jährlich einen zusätzlichen Zoll von 15% auf zahlreiche Produkte beschlossen hatte.41 Diese Maßnahme war ein zentrales Thema auf dem WEU-Ministertreffen im November 1964 in Bonn. Während Großbritannien die Notwendigkeit seiner Maßnahmen als alternativlos verteidigte und versprach, zu einer liberalen Handelspolitik zurückzukehren, kritisierten die EG-Staaten und die EWG-Kommission Großbritannien scharf. Insbesondere bemängelten sie, dass die britische Regierung die WEU-Partner nicht im Vorwege von ihren Absichten unterrichtet hatte.42 Damit widersprach das britische Verhalten nicht zuletzt dem Ziel engerer Wirtschaftskontakte mit Hilfe der WEU. Dennoch erfüllte die WEU gerade auf diesem Treffen ihre Aufgabe, einen intensiven Meinungsaustausch über wirtschaftliche Maßnahmen zu ermöglichen. Entsprechend lobte das Foreign Office, dass der WEU-Wirtschaftstag seinen Zweck erfüllt habe. Die EG-Staaten hätten Dampf ablassen können und Großbritannien habe in einem echten Meinungsaustausch darauf reagieren können.43 Ähnlich urteilte das Auswärtige Amt, das nach dem WEU-Treffen ein besseres gegenseitiges Verständnis zwischen der britischen Regierung und den EG-Staaten in Wirtschaftsfragen zu erkennen glaubte.44 Die britischen Zusatzzölle sorgten in der Folgezeit ohnehin für keine weiteren Probleme mehr. Bereits auf dem folgenden WEU-Ministertreffen berichtete Außenminister Stewart vom eingeleiteten Abbau der Zölle, den die EWG-Kommission ausdrücklich begrüßte.45 Trotz seiner kritisierten Wirtschaftsmaßnahmen und seiner offenen Absage an einen EG-Beitritt zeigte sich die Labourregierung an wirtschaftlicher Kooperation 40 Für den Bericht am 10.3.1965 in Rom siehe Lahr vom 12.3.1965, in: PA/AA, B21/668, Schreiben Nr. 195 von Ward, Rom, an das FO vom 10.3.1965, in: NA, FO 371/182295 und Telegramm Nr. 2007–18 von Brunet nach Bonn vom 12.3.1965, in: MAE, DE_CE/1577. Zum Treffen am 29/30.6.1965 in Luxemburg siehe Schreiben Nr. 8 aus Luxemburg an das FO vom 30.6.1965, in: NA, FO 371/182296, das Referat IA1 vom 25.7.1965, in: PA/AA, B21/668 und Telegramm Nr. 4966–72 von Brunet nach Bonn vom 2.7.1965, in: MAE, DE_CE/1577. 41 Für Informationen zu den Sparmaßnahmen siehe die Speaking Note vor dem Ministertreffen am 16./17.11.1964 in Bonn, in: FO 371/184485. 42 Für diese Diskussionen am 17.11.1964 in Bonn siehe das Referat IA1 vom 25.11.1964, in: PA/AA, B21/513, Schreiben Nr. 1162 von Roberts, Bonn, an das FO vom 17.11.1964, in: NA, FO 371/177379 und Telegramm Nr. 10021/32 von Ulrich an Bonn vom 18.11.1964, in: MAE, Europe, OIGQI. 43 Schreiben Nr. 1160 von Roberts, Bonn, an das FO vom 17.11.1964, in: NA, FO 371/177379. 44 Referat IA1 vom 25.11.1964, in: PA/AA, B21/513. 45 Zum WEU-Ministertreffen am 10.3.1965 in Rom siehe Lahr vom 12.3.1965, in: PA/AA, B21/668, Ward vom 10.3.1965, in: NA, FO 371/182295 und Brunet vom 12.3.1965, in: MAE, DE_CE/1577. Allerdings konnte Großbritannien noch beim WEU-Ministertreffen in Luxemburg nicht vorhersagen, wann die Zusatzzölle endgültig abgeschafft würden. Schreiben Nr. 8 aus Luxemburg an das FO vom 30.6.1965, in: NA, FO 371/182296, das Referat IA1 vom 25.7.1965, in: PA/AA, B21/668 und Brunet vom 2.7.1965, in: MAE, DE_CE/1577.
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mit den EG-Staaten interessiert. So regte sie Harmonisierungen im Bereich der Versicherungen an.46 Es gelangen diesbezüglich aber keine Fortschritte, da parallel verlaufende EG-interne Diskussionen noch ohne Ergebnis waren. 47 Gleiches galt für die von Großbritannien aufrecht erhaltene Forderung, an der Ausarbeitung des Europäischen Patentabkommens vollwertig beteiligt zu werden. Nur die Niederlande unterstützten dieses britische Anliegen nachdrücklich. Die Mehrheit der EG-Staaten – dazu gehörten Frankreich und die Bundesrepublik – bevorzugten eine Patentlösung im EG-Rahmen und lediglich die Assoziation von Drittstaaten wie Großbritannien.48 Daher brachten die britischen Vorstöße in der WEU keine Annäherung und selbst das Auswärtige Amt hielt diesen Diskussionspunkt für gegenwärtig ungünstig. 49 Deutlich kritischer beurteilte dies der Quai d’Orsay. Dieser sah in den britischen Kooperationsvorschlägen einen erneuten Vorstoß, die WEU-Wirtschaftsdiskussionen dafür zu nutzen, in laufende Verhandlungen zwischen den EG-Staaten einzugreifen.50 Auf mehr Unterstützung stieß der britische Vorschlag, sich um intensivierte Beziehungen zwischen EWG und EFTA zu bemühen. Im Zentrum dieser Überlegungen stand der Beschluss der EFTA vom 24. Mai 1965, eine Brückenbildung mit der EWG zu versuchen. 51 Die Fünf und insbesondere die Bundesrepublik teilten das Ziel, eine engere Verbindung zwischen den beiden Organisationen zu schaffen. Frankreich hingegen vermied es, sich klar zu diesem Vorschlag zu äußern. Zudem versuchte Frankreich auch hier Diskussionen in der WEU mit dem Argument zu verhindern, dass zuvor eine ausführliche Absprache innerhalb der EG erfolgen müsse. 52 Doch auch die britische Haltung zur Brückenbildung war 46 Diesen Vorschlag machte Stewart auf dem WEU-Ministertreffen am 10.3.1965 in Rom. Dazu sowie zum weiter unten genannten Aspekt des Europäischen Patentabkommens siehe Lahr vom 12.3.1965, in: PA/AA, B21/668, Brunet vom 12.3.1965, in: MAE, DE_CE/1577 sowie Schreiben Nr. 9 von Ward, Rom, an das FO vom 10.3.1965, in: NA, FO 371/182295. 47 Details einer möglichen Kooperation im Versicherungswesen sind für diese Untersuchung unwichtig. Kurz gesagt wollte Großbritannien, dass auch Unternehmen aus Drittstaaten sich im Gemeinsamen Markt niederlassen könnten. Zu entsprechenden Diskussionen beim WEUTreffen in Luxemburg sowie zum Europäischen Patentabkommen siehe Schreiben Nr. 8 aus Luxemburg vom 30.6.1965, in: NA, FO 371/182296, das Referat IA1 vom 25.7.1965, in: PA/AA, B21/668 und Brunet vom 2.7.1965, in: MAE, DE_CE/1577. 48 Die EWG-Kommission hatte am 16.11.1964 einen Bericht über Varianten eines Patentabkommens verfasst. Die Bundesrepublik, Frankreich, Italien und Luxemburg waren für eine Gemeinschaftslösung. Belgien neigte zum abgewandelten internationalen Patent, das die Niederlande mit Nachdruck forderte. Undatierte Aufzeichnung des Referats V5 „Europäisches Patent“, in: PA/AA, B21/668. 49 Aufzeichnung des Referats V5, in: PA/AA, B21/668. Für die Diskussionen zur Patentfrage auf den WEU-Ministertreffen siehe die oben bei der Versicherungsfrage aufgeführten Aufzeichnungen. 50 Aufzeichnung Nr. 56/CE der DAEF „a.s. Discussion à l’U.E.O. du problème des Assurances dans la C.E.E.-“ vom 15.3.1965, in: MAE, DE_CE/1577 51 Kommuniqué vom 24. Mai 1965 über die Tagung des Ministerrats der EFTA in Wien, in: EA 20 (1965), S. D 349–350. 52 Telegramm Nr. 4561 der S/DEO nach Bonn vom 19.6.1965, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1534. Spätere Dokumente zeigen, dass Frankreich eine engere Kooperation zwischen
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nicht frei von Zweifeln. Das Foreign Office befürchtete, dass eine erfolgreiche Annäherung der beiden Wirtschaftsblöcke zu Lasten der britischen WEU-Kontakte gehen könnte. Es machte klar, keinesfalls auf diese exklusiven Kontakte mit den EG verzichten zu wollen. 53 Dennoch schien das Thema der Brückenbildung von EFTA und EWG in dieser Phase das meiste Potential für eine Kooperation zu bieten und es ergaben sich hierzu die ergiebigsten Diskussionen in der WEU. Letztlich führten die Diskussionen aber zu keinen Ergebnissen und der einsetzende britische Wandel hin zum EG-Beitritt rückte mögliche Kooperationen von EG und EFTA in den Hintergrund. Das Thema spielte in der WEU fortan kaum mehr eine Rolle. Insgesamt bleibt beim Blick auf den Verlauf der Wirtschaftsdiskussionen festzustellen, dass konkrete Ergebnisse ausblieben. Es gelang nicht, konkrete Kooperationsfelder zwischen Großbritannien und den EG anzustoßen, obgleich sich Großbritannien – trotz fehlenden EG-Beitrittsinteresses – darum bemühte. Im Hinblick auf die Beteiligung der WEU-Staaten bestätigten sich die Tendenzen der Anfangsphase. Frankreich hielt sich mit Wortbeiträgen insbesondere bei Themen zurück, welche die Beziehungen zwischen den EG und Großbritannien betrafen. Im Gegensatz dazu prägten Großbritannien und die Bundesrepublik gemeinsam mit der EWG-Kommission die Diskussion. 1.3.2. Unstimmigkeiten über die Arbeitsweise der WEU Nicht nur der Blick auf die Diskussionsinhalte bietet Erkenntnisse über die Entwicklung der WEU-Wirtschaftskontakte. Aufschluss bieten zudem Vorschläge und Maßnahmen, welche die prinzipielle Arbeitsweise der WEU betrafen. Im Vorwege des WEU-Ministertreffens in Bonn drohte sich kurzzeitig ein neuer Streit über die Teilnahme von Fachministern zu entzünden. Da Außenminister Gordon-Walker nicht an den WEU-Wirtschaftsdiskussionen teilnehmen konnte, plante Großbritannien, den Präsidenten des Board of Trade, Douglas Jay, zur Unterstützung von Staatsminister Padley zu entsenden. Die britische Regierung begründete dies damit, dass auf dem Treffen vor allem über die jüngsten britischen Wirtschaftsmaßnahmen (vgl. Kapitel V.1.3.1.) diskutiert werden würde. Jays Expertise sei daher zweckdienlich.54 Die Bundesrepublik stimmte der Teil-
EWG und EFTA ablehnte. Aufzeichnung Nr. 32 des Service de Coopération Economique „A/s. Conseil de l’U.E.O.: Relations entre la C.E.E. et l’ A.E.L.E.“ vom 8.3.1966, in: MAE, DE_CE/1577. Für Diskussionen über eine Brückenbildung zwischen EFTA und EWG auf den WEU-Ministertreffen in Bonn, Rom und Luxemburg siehe die oben aufgeführten Aufzeichnungen. 53 Steering Brief für das WEU-Treffen am 29./30.6.1965 in Luxemburg, in: NA, FO 371/184486. 54 Schreiben Nr. 2433 des FO an Bonn vom 10.11.1964, in: NA, FO 371/177379.
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nahme Jays als Ausnahmefall zu.55 Angesichts der Unstimmigkeiten über die Teilnahme von Soames im Januar 1964 überrascht es, dass auch Frankreich auf Widerspruch verzichtete.56 Die Wahrscheinlichkeit eines Einwandes erhöhte sich, als das Foreign Office kurz darauf mitteilte, dass Padley bereits nach dem WEUPolitiktag abreisen würde und Jay die Delegationsleitung am Wirtschaftstag übernähme.57 Dies ging über die Rahmenbedingungen von Soames Teilnahme hinaus, da Soames dem britischen Außenminister Butler lediglich assistiert hatte (vgl. Kapitel IV.2.2.). Dieser Aspekt stellte die Bundesrepublik vor Probleme. Sie hielt es für fragwürdig, vollständig vom Grundsatz abzuweichen, dass die WEU-Ratstagung auf die Teilnahme der Außenminister beschränkt sei.58 Schließlich stimmte sie dem britischen Anliegen zu, erwartete aber, dass Frankreich dies nicht akzeptieren würde.59 Diese Befürchtung bewahrheitete sich nicht. Es gelang den WEUStaaten, das Problem im Gegensatz zum Januar 1964 ohne größeren Disput zu lösen. So verzichteten die WEU-Staaten auf eine formelle Klärung dieser Frage im Vorfeld des Ministertreffens, die endgültige Entscheidung sollte erst auf dem Ministertreffen fallen. 60 Dort gab es letztlich keine Probleme, so dass Jay die Delegationsleitung am Wirtschaftstag ausüben konnte. Anhand des untersuchten Quellenmaterials kann nicht nachgewiesen werden, warum die Teilnahme von Jay vergleichsweise wenige Probleme verursachte. 61 Die französische Einwilligung überrascht, da es dem ansonsten sperrigen Verhalten Frankreichs in der WEU widerspricht. Zwei Gründe für die französische Zustimmung sind denkbar: Erstens strebte die Labourregierung keinen EG-Beitritt an, so dass die WEU-Wirtschaftskontakte aus französischer Sicht weniger unmittelbare Gefahren enthielten. Zudem hatte Großbritannien – anders als im Falle Soames – keine Andeutungen übermittelt, damit insgeheim eine dauerhafte Teilnahme von Fachministern durchsetzen zu wollen. 62 Die Teilnahme Jays erschien aus französischer Sicht im Hinblick auf die künftige WEU-Entwicklung risikoarm. Tatsächlich partizipierten in den folgenden Jahren keine weiteren Fachminis55 Fernschreiben Nr. 3937 von Jansen an Diplogerma Brüssel vom 11.11.1964, in: PA/AA, B21/513. 56 Fernschreiben Nr. 1785 von Klaiber, Paris, an das AA vom 13.11.1964. Im Gegensatz dazu mokierte sich die EWG-Kommission darüber, dass Gordon-Walker nicht teilnähme. Schreiben Nr. 178 von O’Neill, Brüssel, an das FO vom 13.11.1964, in: NA, FO 371/177379. 57 Schreiben Nr. 2481 des FO an Bonn vom 13.11.1964, in: NA, FO 371/177379. 58 Aufzeichnung 81.12/6 von Voigt „Sprecher der britischen Delegation am zweiten Tag der WEU-Ratstagung“ vom 14.11.1964, in: PA/AA, B21/513. 59 Schreiben Nr. 1145 von Roberts, Bonn, an das FO vom 14.11.1964, in: NA, FO 371/177379. 60 Vermerk von Carstens auf der Aufzeichnung von Voigt vom 14.11.1964, in: PA/AA, B21/513. 61 Es liegen dieser Untersuchung keine Quellen vor, die die französische Entscheidung begründen. Zudem steht in den vorliegenden Aufzeichnungen zum WEU-Ministertreffen in Bonn nichts zum Entschluss, Jay als Delegationsleiter zuzulassen. Es bleibt einzig die Tatsache festzuhalten, dass Jay faktisch diese Rolle übernahm. 62 Diese Untersuchung ist auf kein Dokument gestoßen, das ein solches Ziel erklärt hätte. Anfang 1964 hatte das Foreign Office intern sowie vertraulich gegenüber der Bundesrepublik auf dieses Ziel verwiesen.
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ter an den Wirtschaftsdiskussionen. Erst 1968 begann in der WEU eine prinzipielle Diskussion darüber, ob der Teilnehmerkreis an den Ministertreffen auszuweiten sei (vgl. Kapitel VI). Während Frankreich bei Jays Teilnahme Zugeständnisse machte, erwies es sich als Hindernis gegenüber zwei altbekannten deutschen Vorschlägen, die eine Vertiefung der WEU-Wirtschaftsdiskussionen hätten bewirken können. Die Bundesrepublik zielte trotz des britischen Regierungswechsels noch immer auf verbesserte WEU-Wirtschaftsdiskussionen ab. Ein Ansatzpunkt dafür blieb, die Wirtschaftsagenda der Ministertreffen auszubauen. Die Bundesrepublik regte Ende 1964 und Anfang 1965 erneut an, in der WEU über zukünftige EGEntwicklungen zu diskutieren. Dies lehnte Frankreich wie zuvor ab, so dass der Vorschlag im Ständigen WEU-Rat scheiterte. Während Großbritannien den Vorschlag unterstütze, äußerte Frankreich Bedenken. 63 Dabei widersprachen sich die deutsche und französische Sichtweise über die Aufgaben der WEU. Staatssekretär Lahr argumentierte, dass eine Diskussion über zukünftige EG-Entwicklungen notwendig sei, um dem Geist des WEU-Kompromisses aus dem Juli 1963 gerecht zu werden. Dort sei als Ziel vereinbart worden, ein wirtschaftliches Auseinanderdriften zwischen den EG und Großbritannien zu verhindern. Dazu sei es vonnöten, gerade zukünftige Entwicklungen in den EG zu besprechen. 64 Frankreich akzeptierte diese Argumentation nicht. Es lehnte ab, mit Großbritannien in der WEU über Belange zu sprechen, die noch nicht von den Sechs ausdiskutiert seien.65 Der britische Regierungswechsel hatte nichts an der französischen Grundhaltung geändert, die Einflussmöglichkeiten der WEU auf EG-interne Entwicklungen klar zu begrenzen. Folge der fehlenden Einstimmigkeit war, dass die WEU-Ministertreffen auch künftig keine laufenden EG-Entwicklungen umfassten. Die deutsch-französischen Gegensätze setzten sich in der Vorbereitung der Wirtschaftsdiskussionen fort, die einen zweiten Ansatzpunkt für vertiefte Gespräche boten. Die Bundesrepublik blieb ebenso wie Großbritannien unzufrieden mit den inoffiziellen Vorbereitungen der Ständigen EWG-Vertreter in Brüssel sowie mit den offiziellen Vorgesprächen im Ständigen WEU-Rat in London. Während sich in Brüssel konstruktive Absprachen primär auf einen deutsch-britischen Gedankenaustausch beschränkten, kam es in London zu keinen Vorgesprächen, die förderlich für die Ministertreffen waren. Hauptverantwortlich dafür war Frankreich, das Vorbereitungen für nicht erforderlich hielt, da es sich im Ministerrat um einen freien Gedankenaustausch handele.66 Deutsche Verbesserungsvor63 Zu den Sitzungen des Ständigen WEU-Rates am 4.11.1964 und am 4.2.1965 siehe Schreiben Nr. 2374 des FO an Bonn vom 4.11.1964, in: NA, FO 371/179095, Telegramm Nr. 4833/39 von Courcel, London, an Paris vom 4.11.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531 sowie Telegramm Nr. 2188/89 von Puaux nach London vom 8.2.1965, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 64 Für diese Position, die Staatssekretär Lahr Frankreich darlegte, siehe Aufzeichnung der DAP für die DAEF „a.s.: Ordre du jour du prochain Conseil des Ministres de l’U.E.O.“ vom 18.2.1965, in: MAE, DE_CE/1577. 65 Aufzeichnung der DAP vom 18.2.1965, in: MAE, DE_CE/1577. 66 Bericht Nr. 2361/64 von Etzdorf, London, an das AA am 18.12.1964, in: PA/AA, B20/1242.
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schläge liefen somit erneut ins Leere. Frankreich hielt an seiner Position fest und lediglich Großbritannien unterstützte die Bundesrepublik nachdrücklich.67 Aufgrund der britischen Unterstützung vermutete das französische Außenministerium sogar – zu Unrecht –, dass der deutsche Vorstoß auf einer britischen Initiative beruhte.68 Angesichts des französischen Widerstands hielt das Auswärtige Amt Veränderungen für zunächst unrealistisch und gab weitere Versuche in diese Richtung auf, so dass die Hauptlast der Wirtschaftsvorbereitungen weiterhin der Bundesrepublik und Großbritannien obliegen würde.69 Diese Einschätzung zum Ablauf der Vorbereitungen bewahrheitete sich, es änderte sich praktisch nichts. Auch Anfang 1966 zeichneten Großbritannien und die Bundesrepublik über ihre Vertreter in Brüssel für den Inhalt der Wirtschaftsdiskussionen verantwortlich. Frankreich lehnte es durchweg ab, an den Vorgesprächen der Ständigen EWGVertreter zu partizipieren. 70 Diese spezifischen Fälle zeigen, dass WEU-interne Verbesserungsvorschläge keine Veränderung der WEU-Wirtschaftskontakte bewirkten. Dafür sorgte stattdessen eine Entwicklung innerhalb der EWG, als dort im Juli 1965 die Krise des Leeren Stuhls ausbrach. Frankreich verweigerte für ein halbes Jahr seine Mitarbeit im EWG-Ministerrat, da es sich gegen den Übergang von einstimmigen Entscheidungen hin zu Mehrheitsbeschlüssen sperrte.71 Erst der Luxemburger Kompromiss vom 29. Januar 1966 beendete diese Krise und führte zur französischen Rückkehr an den EWG-Ratstisch.72 Diese EG-interne Krise wirkte sich unmittelbar auf die WEU-Wirtschaftskontakte aus. Frankreich forderte, beim anstehenden WEU-Ministertreffen in Den Haag auf Wirtschaftsdiskussionen zu verzichten. Aus französischer Sicht waren zu siebt Wirtschaftsdiskussionen nicht durchführbar, wenn dies schon im Sechserrahmen nicht möglich sei. Zudem war Frankreich die Teilnahme der EWG-Kommission ein Dorn im Auge.73 Die französische Forderung stellte die anderen 67 Lord Hood unterstützte am 4.2. im Ständigen WEU-Rat den Vorschlag, weitere Absprachen über die Wirtschaftsagenda in Brüssel durchzuführen. Courcel an Paris vom 4.2.1965, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1533. 68 Telegramm Nr. 2188/89 von Puaux nach London vom 8.2.1965, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. Diese Vermutung deckt sich nicht mit den Ergebnissen dieser Untersuchung. 69 Aufzeichnung von Voigt „Vorbereitung des 2. Tages der WEU-Ratstagungen (Gedankenaustausch über die wirtschaftliche Lage in Europa)“ vom 4.1.1965, in: PA/AA, B20/1243. 70 Fernschreiben Nr. 402 von Sachs, Brüssel, an das AA vom 10.3.1966, in: PA/AA, B20/1280 und Telegramm Nr. 519/523 von Courcel, London, an Paris vom 9.2.1966, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2020. 71 Der Streit über die Mehrheitsentscheidung und damit die Stärkung der Supranationalität in der EWG machte den Kern der Leeren-Stuhl-Krise aus. Hinzu kam das angespannte Verhältnis Frankreichs mit der EWG-Kommission. Für Details der gesamten Krise vgl. Ludlow, The European Community, S. 71–124. 72 Vereinbarung der sechs EWG-Staaten vom 29. Januar 1966 (Luxemburger Kompromiss), in: EA 21 (1966), S. D 85/86. 73 Für die französische Position siehe Schreiben Nr. 1806 des FO an Paris vom 27.9.1965, in: NA, FO 371/184486 und Schreiben Nr. 666 von Reilly, Paris, an das FO vom 30.9.1965, in: NA, FO 371/184486.
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WEU-Staaten vor ein Dilemma. Einerseits lehnten Großbritannien und die Bundesrepublik den Verzicht auf die Wirtschaftsdiskussionen ab, da dies ein Präjudiz mit negativer Auswirkung auf die künftigen WEU-Wirtschaftskontakte schaffen konnte. Andererseits war ihnen bewusst, dass bei einer harten Haltung ein französischer Boykott des WEU-Treffens drohte.74 Die sechs WEU-Staaten außer Frankreich waren sich einig, dass eine WEU-Krise unbedingt vermieden werden müsse und der Kompromiss vom Juli 1963 nicht zu Fall gebracht werden dürfe.75 Sie zeigten sich daher kompromissbereit.76 Für Großbritannien gab die symbolische Bedeutung der WEU-Kontakte den Ausschlag. Es schien wichtiger, ein zumindest eintägiges Ministertreffen abzuhalten und damit die Verbindung zwischen den EG und Großbritannien zu sichern als einen Totalausfall zu riskieren.77 Die sechs WEU-Staaten stimmten im Ständigen WEU-Rat der französischen Forderung zum Verzicht auf die Wirtschaftsdiskussionen sowie auf eine Einladung der EWG-Kommission unter der Bedingung zu, dass dies ein einmaliger Vorgang war. Damit wollten sie etwaigen französischen Versuchen entgegenwirken, die WEU-Wirtschaftsdiskussionen abzuschaffen. Ein solches Ziel lag angesichts des mangelnden französischen Interesses für die WEU-Kontakte nahe, doch stritt Frankreich derartige Hintergedanken ausdrücklich ab. 78 Dennoch plante die Bundesrepublik Deutschland, auf dem WEU-Treffen in Den Haag eine Erklärung abzugeben, dass die Wirtschaftsdiskussionen automatisch beim nächsten WEU-Ministertreffen wieder aufgenommen würden.79 Damit wollte sie ungewollte Folgewirkungen definitiv ausschließen. Während die anderen WEU-Staaten eine solche Erklärung begrüßten, hielt Frankreich sie für unnötig und drohte mit einer Gegenerklärung, falls die Bundesrepublik an ihrem Plan festhielte. 80 Die Bundesrepublik gab nach, um eine Konfrontation mit Frankreich zu vermeiden. 81 Somit gab lediglich Luns als WEU-Ratsvorsitzender auf dem Ministertreffen in 74 Schreiben Nr. 1785 des FO an Bonn vom 28.9.1965, in: NA, FO 371/184486 und Aufzeichnung von Meyer-Lindenberg „WEU-Ratstagung vom 4./5. November 1965“ vom 1.10.1965, in: PA/AA, B21/668. 75 Für diese Äußerungen im Ständigen WEU-Rat am 29.9.1965 siehe Meyer-Lindenberg vom 1.10.1965, in: PA/AA, B21/668. 76 Für einen Überblick über die jeweiligen Positionen siehe Botschafter Blankenhorn, London, an das Auswärtige Amt vom 29.9.1965, in: AAPD 1965III/371, S. 1537–1539. 77 Aufzeichnung von Lord Hood vom 27.9.1965, in: NA, FO 371/184486. 78 Für den Beschluss des Ständigen WEU-Rates am 6.10.1965 zum Verzicht auf den WEUWirtschaftstag und die französische Versicherung, damit keinesfalls die WEU-Wirtschaftskontakte grundsätzlich abschaffen zu wollen siehe Schreiben Nr. 773 des FO an Bonn vom 6.10.1963, in: NA, FO 371/184486 und Telegramm Nr. 3771/79 von Courcel, London, an Paris vom 6.10.1964, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531. 79 Runderlass Nr. 1026 von Lahr vom 5.10.1965, in: PA/AA, B21/668. 80 Telegramm Nr. 12477/80 von Puaux nach London vom 8.10.1965, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/1531 und Fernschreiben Nr. 1506 von Klaiber, Paris, an das AA vom 11.10.1965, in: PA/AA, B21/668. 81 Aufzeichnung des Referats IA2 „Verzicht auf den wirtschaftspolitischen Teil der WEUMinisterratstagung am 4./5. November in Den Haag“ vom 2.11.1965, in: PA/AA, B20/1276.
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Den Haag eine kurze Erklärung ab, dass die Wirtschaftsdiskussionen aus bekannten Gründen dieses Mal nicht stattfänden. Die anderen Teilnehmer nahmen Luns Erklärung stillschweigend zur Kenntnis.82 Das Haager WEU-Treffen blieb bis zum Herbst 1970 die einzige eintägige Ministerratssitzung. Zudem war es eines von drei Treffen, an denen die EWGbeziehungsweise später EG-Kommission nicht partizipierte.83 Davon abgesehen hatte die Leere-Stuhl-Krise, die vor dem nächsten WEU-Ministertreffen in London endete, keine längerfristigen Folgen für die Arbeit in der WEU.84 Dennoch entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass diese E(W)G-Krise der WEU kurzzeitig wesentliche Elemente ihrer Krisenrolle – sprich die Wirtschaftsdiskussionen – entzog, nachdem die WEU erst aufgrund einer anderen EG-Krise als Instrument zu deren Lösung ausgewählt worden war. Die Leere-Stuhl-Krise hatte zudem Auswirkungen auf die prinzipielle europapolitische Sichtweise Wilsons, der es bislang vermieden hatte, sich zu dieser internen EG-Angelegenheit der Krise des Leeren Stuhls zu äußern.85 Die Leere-Stuhl-Krise trug zur Entscheidung Wilsons bei, einen zweiten britischen EG-Beitrittsantrag zu stellen (vgl. Kapitel V.2.1.). Zum einen hatte de Gaulles Gegenwehr gegen die Supranationalität im Falle der Leeren-Stuhl-Krise die EG attraktiver für Wilson erscheinen lassen. 86 Zum anderen sah Wilson in Reaktion auf die Krise die atlantische Allianz in Gefahr, weshalb er der europäischen Integration neue Impulse geben wollte. Die Krise des Leeren Stuhls war somit ein Wendepunkt in der europapolitischen Einstellung Wilsons.87 Dies wiederum hatte Folgen für die Rolle der WEU. 1.4. Bewertung der WEU-Rolle Die Arbeit in der WEU verlief von Oktober 1964 bis Februar 1966 vergleichsweise ruhig. Es gab die Grundsatzkritik der Labourregierung an der WEU und Unstimmigkeiten über deren Arbeitsweise, doch resultierten daraus keine ernst-
82 Meyer-Lindenberg und Knoke vom 4.11.1965, in: PA/AA, B21/668. 83 Die Kommission nahm 1969/1970 aufgrund der WEU-Krise an zwei Treffen nicht teil. Vgl. Kapitel VII.2. 84 Frankreich hatte am 26.1.1966 im Ständigen WEU-Rat noch den Verzicht auf den WEUWirtschaftstag gefordert. Siehe Schreiben Nr. 204 des FO an Paris vom 27.1.1966, in: NA, FO 371/190763. Aufgrund des Luxemburger Kompromisses gab Frankreich diese Forderung auf. Schreiben Nr. 317 des FO an Paris vom 9.2.1966, in: NA, FO 371/190763 sowie Telegramm Nr. 519/523 von Courcel, London, an Paris vom 9.2.1966, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2020. 85 Diese Zurückhaltung erläuterte Wilson damit, keine unliebsamen Reaktionen erzeugen zu wollen. Gespräch des Bundesministers Schröder mit Premierminister Wilson in London am 19.11.1965, in: AAPD 1965III/424, S.1761. Für widerstreitende innerbritische Überlegungen, sich während der Leeren-Stuhl-Krise zu positionieren vgl. Parr, Britain’s Policy, S. 58–64. 86 Vgl. Young, Britain and European Unity, S. 89. 87 Vgl. Parr, Britain’s Policy, S. 41/64. Laut Parr hatte die Krise des Leeren Stuhls indes nicht unmittelbar zum britischen EG-Beitrittsgesuch geführt. Vgl. ebenda.
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haften Reibereien. Dennoch blieb es bei unterschiedlichen Zielen im Hinblick auf die WEU-Kontakte. Großbritanniens Position offenbart trotz des Regierungswechsels nur einen geringen Wandel. Die Labourregierung machte deutlich, keinen EG-Beitritt zu wollen, doch führte dies zu keinem nachlassenden Interesse an der WEU. Dazu trug das Foreign Office bei, das mit den WEU-Kontakten gut vertraut war. Großbritannien hielt am Ziel fest, die Entwicklung der EG im politischen und wirtschaftlichen Bereich möglichst so zu beeinflussen, dass britische Interessen geschützt würden.88 Dabei bot sich die WEU als nützliches Instrument an. 89 GordonWalkers Auftritt auf dem WEU-Ministertreffen in Bonn erweckte sogar den Eindruck, dass die britische Regierung eine Aufwertung der politischen WEU-Kontakte initiieren könnte. Dies war nicht der Fall, weil die Misserfolge aus der Anfangsphase der WEU-Kontakte bekannt waren und mit dem Scheitern der EPU ein „Feindbild“ entschwand, das mit der WEU bekämpft werden sollte. Großbritannien begnügte sich mit den dargebotenen politischen Kontakten, an denen es aktiv partizipierte. Zugleich beteiligte sich Großbritannien engagiert an den Wirtschaftsdiskussionen, die der Labourregierung die Chance boten, ihre Zollmaßnahmen zu verteidigen, Vorschläge wie die Zusammenarbeit von EWG und EFTA zu diskutieren und Kooperationen mit den EG zu fordern. Das britische Urteil über die Rolle der WEU blieb dabei zwiespältig. Auf der einen Seite war Großbritannien vor allem im Wirtschaftsbereich unzufrieden mit den fehlenden Ergebnissen. 90 Auf der anderen Seite blieb der symbolische Brückenschlag zu den EG von zentraler Bedeutung, zudem bot die WEU Optionen für eine künftige britische Europapolitik. Frankreich stand den WEU-Kontakten unverändert misstrauisch gegenüber, da es viele Kontinuitäten in der britischen Europa- und WEU-Politik zu erkennen glaubte.91 Frankreich partizipierte lediglich an den politischen Diskussionen aktiv. Der französischen Regierung kam dabei entgegen, dass keine strukturellen Veränderungen der politischen WEU-Kontakte zur Diskussion standen. Frankreich sah sich nicht gezwungen, Veränderungen der WEU-Mechanismen zu bekämpfen. Allerdings ging das französische Außenministerium fest davon aus, dass die Labourregierung gewillt sei, die WEU aktiv zu nutzen und eine engere politische Kooperation anzustreben. 92 Vor allem die wirtschaftliche Rolle der WEU betrachtete der Quai d’Orsay misstrauisch. Er blieb davon überzeugt, dass Großbritannien
88 Aufzeichnung von Keeble vom 19.2.1965, in: NA, FO 371/182297. 89 Steering Brief für das WEU-Treffen am 29./30.6.1965 in Luxemburg, in: NA, FO 371/184486. 90 Aufzeichnung von Keeble vom 19.2.1965, in: NA, FO 371/182297 und Aufzeichnung des FO „The Effect of French Moves in NATO on Western European Union“ vom 29.4.1966, in: NA, FO 371/190779. 91 Aufzeichnung der S/DEO „A/S – La Grande-Bretagne et l’Europe“ vom 24.3.1965, in: MAE, Europe QIE/1957. 92 Aufzeichnung der französischen Botschaft in London „a.s. l’Angleterre et l’Europe.-“ vom 25.3.1965, in: MAE, Europe, QIE/1957.
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mittels der WEU versuche, Einfluss auf die Entwicklung der EG zu nehmen. 93 Um einen solchen Einfluss zu verhindern, verhielt sich Frankreich in den WEUWirtschaftsdiskussionen abweisend und unterband Kooperationsversuche, eine bessere Vorbereitung der Wirtschaftskontakte und Diskussionen über laufende EG-Entwicklungen. Da sich Frankreich kaum etwas von den WEU-Kontakten versprach, konnte es mit den substanzarmen Diskussionen und fehlenden Kooperationen mit Großbritannien zufrieden sein. 94 Zugleich entfiel die – aus französischer Sicht – einzige potentiell positive Auswirkung der WEU-Kontakte, sprich Streit mit den EG-Partnern (über die EG-Erweiterung) zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren. Stattdessen führte die Krise des Leeren Stuhls zu einem zweiten Streitpunkt zwischen den EG-Staaten. Allerdings verzichtete Frankreich darauf, den einmaligen Verzicht auf den WEU-Wirtschaftstag zu einem generellen Angriff auf den WEU-Kompromiss zu nutzen. Frankreich arrangierte sich mit den WEU-Kontakten, um nicht einen zweiten Konfliktherd mit den EG-Partnern aufzumachen. Die Bundesrepublik blieb ihrer positiven Einstellung zur WEU treu. Sie zeigte sich insbesondere an den Wirtschaftskontakten interessiert, da sie nach wie vor auf einen zukünftigen britischen EG-Beitritt hoffte. Deshalb versuchte die Bundesrepublik, mit einem aktiven Auftreten und eigenen Vorschlägen zu intensivierten Wirtschaftsdiskussionen beizutragen. Auch an den politischen Diskussionen beteiligte sich die Bundesrepublik aktiv, ohne bei diesen eine Veränderung anzustreben. 95 Insgesamt hatte die WEU für die Bundesrepublik begrenzte Aufgaben. Sie durfte weder künftige Diskussionen über eine EPU behindern noch eine Abwertung der EWG bewirken. Die Bundesrepublik begrüßte die WEU-Kontakte nur insoweit, dass sie sich positiv auf eine EG-Erweiterung um Großbritannien sowie einen Abbau der Spannungen in der EG-Erweiterungsfrage auswirkten. 96 Das Auswärtige Amt erkannte deshalb viele deckungsgleiche Ziele mit Frankreich in der WEU, sofern von deren zentraler Rolle für den britischen EG-Beitritt abgesehen wird. Frankreichs Widerstand gegen einen Ausbau der WEU entsprach oftmals deutschen Interessen.97 Angesichts ihrer moderaten Ziele zeichnete die Bundesrepublik ein überwiegend positives Bild der WEU. Mit dem politischen Gedankenaustausch in der WEU war die Bundesrepublik zufrieden. Im Wirtschaftsbereich hingegen wünschte die Bundesrepublik vertiefte Diskussionen und mehr Engagement der anderen EG-Staaten, um die Verbindung mit Groß93 Siehe die autorenlose Aufzeichnung Nr. 246/EU „A.s. Association éventuelle de la GrandeBretagne au marché commun“ vom 19.3.1965, in: MAE, Europe, GB/214. 94 Für eine gleichlautende deutsche Einschätzung siehe Bericht des Referats IA1 „Die französische Haltung zur Westeuropäischen Union“ an das Referat IA3 vom 12.5.1965, in: PA/AA, B21/659. 95 Vortrag des Herrn Staatssekretärs Prof. Dr. Carstens über „Die europäische politische Zusammenarbeit“ vom 15.2.1966, in: BA, B136/6408. 96 Für eine sehr gute Zusammenfassung der deutschen Position zur WEU im Vergleich mit der französischen Haltung siehe Bericht des Referats IA1 „Die französische Haltung zur Westeuropäischen Union“ an das Referat IA3 vom 12.5.1965, in: PA/AA, B21/659. 97 Referat IA1 vom 12.5.1965, in: PA/AA, B21/659.
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britannien zu stärken. Davon abgesehen teilte die Bundesrepublik die britische Einschätzung, dass bereits die Kontinuität der WEU-Kontakte von Wert war.98 Insgesamt blieb es in der WEU bei unverbindlichen Diskussionen, die weder im politischen noch im wirtschaftlichen Bereich zu konkreten Ergebnissen führten. Die EG-Erweiterungskrise war abgeflaut, so dass die Rolle der WEU in dieser Beziehung an Bedeutung verlor. Zudem wurde die WEU nach dem Scheitern der EPU-Pläne vorerst nicht mehr zur Verhinderung einer Entwicklung im europäischen Integrationsprozess eingesetzt. Der Hauptwert der WEU lag in ihrem symbolischen Charakter und der Möglichkeit, dass sich Großbritannien und die EGStaaten auch in einer Zeit ohne britisches EG-Beitrittsinteresse regelmäßig über außenpolitische und wirtschaftspolitische Entwicklungen und Ansichten austauschten. Die Bedeutung dieses kontinuierlichen Gedankenaustausches war selbst ohne konkrete Ergebnisse nicht zu unterschätzten.99 Mit dem einsetzenden britischen EG-Beitrittsinteresse sollte sich diese Bedeutung deutlich erhöhen. 2. DIE BEDEUTUNG DER WEU NIMMT WIEDER ZU: DAS ZWEITE BRITISCHE EG-BEITRITTSGESUCH (MÄRZ 1966–OKTOBER 1967) Im Zeitraum von März 1966 bis Oktober 1967 kam es zu sieben zweitägigen WEU-Ministertreffen, wobei die WEU-Staaten 1967 wieder nur drei Treffen abhielten.100 Die Beteiligung der Außenminister an diesen Treffen war schwankend. Den Höhepunkt bildete das Treffen am 4./5. Juli 1967 in Den Haag, an dem alle Außenminister außer Couve de Murville teilnahmen. 101 Diese hohe Partizipation begründete sich in der dort von Großbritannien durchgeführten Eröffnungserklärung zum EG-Beitrittsgesuch (vgl. Kapitel V.2.3.2.). Die WEU-Ministertreffen am 29./30. September 1966 in Paris und am 12./13. Oktober 1967 in London stellten hingegen mit nur je einem anwesenden Außenminister Tiefpunkte dar. Während die anderen WEU-Staaten von einem Treffen unter französischer Leitung in Paris generell wenig erwarteten, befand sich im Oktober 1967 das britische EG-Beitrittsgesuch nach der Vorstellung in der WEU nun offiziell inner98 Bericht des Referats IA1 Aufsatz „Die Westeuropäische Union“ von Dr. E.O. Czempiel in: „Monatsschrift der Vereinigung Deutscher Auslandsbeamten e.V.“ an das Referat L3 vom 14.9.1965, in: PA/AA, B21/659. 99 Den Wert der WEU-Kontakte unterstrich mittlerweile auch die EWG-Kommission. Schreiben Nr. 164 von Marjoribanks, Brüssel, an das FO vom 6.11.1965, in: NA, FO 371/182296. 100 Da Luxemburg im zweiten Quartal 1967 bereits für die Ausrichtung eines NATO-Treffens zuständig war, sah es sich nicht in der Lage, zeitnah ein WEU-Treffen auszurichten. Aufzeichnung von Frank „Westeuropäische Union / Tagung des Ministerrats in Den Haag“ vom 8.5.1967, in: PA/AA, B21/670. 101 Auf dem Treffen in Den Haag wurden zudem an beiden Tagen politische und wirtschaftliche Themen gemischt. Dies passierte auf Wunsch der EWG-Kommission, die am 5.7. zum belgischen König geladen war. Sie erbat daher eine Diskussion des britischen EG-Beitrittsgesuchs bereits für den ersten Tag des Ministertreffens.
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halb der Brüsseler EG-Strukturen. Das WEU-Treffen versprach deshalb wenig Fortschritte.102 Davon unabhängig blieb Frankreich seiner eingeschlagenen Marschroute treu, Couve de Murville nahm an keinem der Ministertreffen teil. Während dies gegen den Wert der WEU-Kontakte gerichtet war, lagen der Abwesenheit Schröders und seines Nachfolgers Brandt bei dreien dieser Treffen keine politischen Absichten zu Lasten der WEU zugrunde. Ganz im Gegenteil war die Bundesrepublik bemüht, möglichen Fehlinterpretationen entgegenzuwirken.103 Gleiches galt für Großbritannien. Staatsminister Thomson, der die Außenminister Stewart beziehungsweise Brown bei drei WEU-Treffen vertrat, war mit speziellen Kompetenzen im Bereich der europäischen Integration ausgestattet, so dass daraus kein gesunkenes britisches Interesse abgeleitet werden kann.104 2.1. Der Wandel bei Labour zum EG-Beitritt Nachdem das Foreign Office bereits seit Anfang 1965 intern für einen EG-Beitritt geworben hatte und Außenminister Stewart sowie Wirtschaftsminister Brown Ende 1965 den diesbezüglichen Druck auf Wilson erhöht hatten, brachte das Jahr 1966 den entscheidenden Wandel beim Premierminister und der Mehrheit in der britischen Regierung.105 Mehrere Gründe waren dafür verantwortlich: Die politische und wirtschaftliche Bedeutung des Commonwealth sank kontinuierlich, was sich nicht zuletzt in den Handelsbilanzen niederschlug. Zwischen 1955 und 1966 war der Anteil des britischen Exports in das Commonwealth von 50% auf 25% des Gesamtexports gesunken, während der Anteil des Exports in die EG von 12% auf 25% angestiegen war.106 Aufgrund dieser Entwicklung verlor Wilson seinen zuvor gehegten Enthusiasmus für das Commonwealth. 107 Zudem war Großbritannien kaum noch Juniorpartner der USA, sondern stattdessen weitgehend politisch 102 Zum WEU-Treffen in London entsandten Luxemburg und Belgien nicht einmal Staatssekretäre, sondern es nahmen als Delegationsleiter ihre Botschafter in London, sprich die Ständigen WEU-Vertreter, teil. Für nähere Informationen zu den hier erwähnten WEU-Ministertreffen vgl. die weiteren Ausführungen in diesem Kapitel. 103 Siehe beispielsweise Aufzeichnung von Frank „Westeuropäische Union / Tagung des Ministerrats am 12. und 13. Oktober in London, hier: Leitung der deutschen Delegation“ vom 3.10.1967, in: PA/AA, B21/670. 104 George Thomson war Chancellor of the Duchy of Lancaster und arbeitete im Foreign Office – außerhalb des Kabinetts – mit besonderen Kompetenzen in europäischen Angelegenheiten. Vgl. Parr, Britain’s Policy, S. 70. 105 Für die Position des Foreign Office vgl. Parr, Britain’s Policy, S. 36. Für den Druck seitens Stewarts und Browns siehe die Aussagen von Kabinettsmitglied Crossmann, in: Sean Greenwood (Hg.): Britain and European Integration since the Second World War, Manchester 1996, S. 146. 106 Vgl. Deighton, The Second British Application, S. 397. 107 Vgl. Philip R. Alexander: The Labour Government, Commonwealth Policy, and the Second Application to Join the EEC, 1964–67, in: Alex May (Hg.): Britain, the Commonwealth and Europe. The Commonwealth and Britain’s Applications to join the European Communities, Basingstoke 2001, S. 141.
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von diesen abhängig. Die für Großbritannien vorteilhafte Politik der drei Kreise mit der Mittelposition zwischen Commonwealth, USA und Europa schien endgültig überholt. Außerdem drängte die britische Industrie auf einen EG-Beitritt. Wilson verfolgte zudem ein wahltaktisches Motiv, da die Konservativen unter dem bekennenden Pro-Europäer Heath im nächsten Wahlkampf auf die europäische Karte setzen würden, wenn Labour dies nicht täte.108 Zusammengefasst wollte Wilson – wie zuvor die Regierung Macmillan – den Beitritt als langfristiges Mittel gegen den ökonomischen und politischen Abstieg nutzen und einer aus seiner Sicht falschen Entwicklung der EG vorbeugen. 109 Die Krise des Pfund Sterling im Juli 1966 bestätigte Wilson in seinem Wandel und überzeugte ihn endgültig davon, dass ein EG-Beitrittsgesuch unausweichlich war.110 Allerdings war die Labourregierung 1966 und 1967 gespalten über der Frage einer EG-Mitgliedschaft. Entscheidende Akteure wie Wilson, Stewart und Brown waren zwar für den Beitritt, doch musste Wilson starke Widerstände in Kabinett und Partei berücksichtigen und vorsichtig voranschreiten. 111 Es war eine taktische Meisterleitung Wilsons, die Labourpartei nicht über die Beitrittsfrage auseinanderbrechen zu lassen und die Abweichler in Schach zu halten. 112 Der komfortable Wahlsieg im März 1966 und die Erkenntnis, dass die Konservativen keine fundamentale Opposition betreiben würden, erleichterten Wilson den sichtbaren Wandel hin zum EG-Beitrittsgesuch. 113 Dieser Wandel spiegelte sich ab März 1966 auch innerhalb der WEU wider.
108 Für eine Übersicht über die verschiedenen Motive siehe Adamthwaite, S. 160, Parr, Britain’s Policy, S. 89 und Young, Britain and European Unity, S. 89. Laut Young sind die exakten Gründe schwer ermittelbar, doch hatte Wilson sich auf jeden Fall von 1964–1966 zu einem pro-europäischeren Politiker gewandelt. Vgl. ebenda, S. 89/190. Diese Untersuchung muss nicht entscheiden, welcher der Gründe ausschlaggebend war. Wichtig ist die Tatsache des Wandels, der sich auf die britische Europapolitik und die WEU auswirkte. 109 Vgl. Wille, S. 226. 110 Vgl. Parr Britain’s Policy, S. 89. Das Pfund Sterling stand aufgrund des britischen Handelsbilanzdefizits unter großem Druck, so dass eine Abwertung erwogen wurde. Allerdings lehnte Wilson die Abwertung aus wirtschaftlichen und emotionalen Gründen ab. Vgl. Deighton, The Labour Party, S. 47. 111 Vgl. Deighton, The Second British Application, S. 394 und Uwe Kitzinger: Diplomacy and Persuasion: How Britain Joined the Common Market, London 1973, S. 287. Laut Crossmann war am 1.5.1967 eine Mehrheit von 16:7 Stimmen im Kabinett für den Beitritt. Vgl. Greenwood (Hg), S. 149. 112 Vgl. Deighton, The Labour Party, S. 51/52. Die Labour-Partei unterstützte im Oktober 1967 mit knapper Mehrheit das EG-Beitrittsgesuch. Vgl. ebenda, S. 48. Für Wilsons taktisches Geschick im Umgang mit kritischen Kabinettsmitgliedern vgl. Barbara Castle: The Castle Diaries, 1964–1970, London 1984, S. 236. 113 Vgl. Deighton: The Labour Party, S. 40/42.
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2.2. Die WEU-Politikdiskussionen Angesichts des aufkeimenden britischen EG-Beitrittsinteresses standen die politischen Diskussionen in der WEU in diesem Zeitraum hinter ihrem wirtschaftlichen Pendant zurück. Es blieb überwiegend bei einem allgemeinen Gedankenaustausch, der auch bei inhaltlich unterschiedlichen Ansichten spannungsfrei verlief. Zugleich fehlte es weiter an konkreten Ergebnissen. Der WEU-Ministerrat beschäftigte sich mit einer großen Bandbreite an Themen. Die Ost-West-Beziehungen blieben – mit einer Ausnahme – fester Bestandteil der ministeriellen Agenda. 114 Die Diskussionen betrafen die Deutschland- und Berlinfrage, das Verhältnis der Bundesrepublik zu den osteuropäischen Staaten und die sowjetischchinesischen Beziehungen. Dabei betonte Großbritannien, dass die EG stärker in den Ost-West-Gesprächen auftreten könne, wenn sie um Großbritannien und weitere Staaten erweitert sei.115 Weitere regelmäßig wiederkehrende Themengebiete waren Afrika (fünfmal auf der Agenda), Südostasien (fünfmal), Lateinamerika (viermal), und der Nahe Osten (viermal). Hinzu kamen das Verhältnis von WEURat und WEU-Versammlung (dreimal) und das europäische Raumfahrtprogramm ELDO (zweimal). Unter diesen Tagesordnungspunkten befasste sich der WEUMinisterrat unter anderem mit dem Kongo, der drohenden kommunistischen 114 Lediglich für das WEU-Ministertreffen am 19.12.1966 in Bonn verzichteten die WEUStaaten auf dieses Thema, da die Ost-West-Beziehungen kurz zuvor ausführlich vom NATORat diskutiert werden sollten. Telegramm Nr. 5150/61 von Courcel, London, an Paris vom 7.12.1966, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2020. 115 Für die Politikdiskussionen zum Ost-West-Konflikt sowie fast alle weiteren außenpolitischen Themen (s.u.) auf den WEU-Ministertreffen von März 1966 bis Oktober 1967 siehe die nachstehenden Dokumente: Zum Treffen am 15.3.1966 in London siehe Schreiben Nr. 709 des FO an Paris vom 16.3.1966, in: NA, FO 371/190764, Fernschreiben Nr. 580 von Blankenhorn, London, an das AA vom 16.3.1966, in: PA/AA, B21/669 und Telegramm Nr. 1036/40 von Courcel, London, an Paris vom 16.3.1966, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015. Zum Treffen am 27.6.1966 in Brüssel siehe Schreiben Nr. 264 von Barclay, Brüssel, an das FO vom 27.6.1966, in: NA, FO 371/90765, Fernschreiben Nr. 186 von Siegfried, Brüssel, an das AA vom 27.6.1966, in: PA/AA, B150/78 und Telegramm Nr. 669–82 von Destremau, Brüssel, an Paris vom 28.6.1966, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015. Zum Treffen in Paris am 29.9.1966 siehe Schreiben Nr. 719 von Reilly, Paris, an das FO vom 29.6.1966, in: NA, FO 371/190765, Fernschreiben Nr. 1607 von Lahr und Klaiber, Paris, an das AA vom 30.9.1966, in: PA/AA, B21/669 und Runderlass Nr. 250 von Puaux vom 1.10.1966, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015. Zum Treffen am 19.12.1966 in Bonn siehe Schreiben Nr. 247 von Roberts, Bonn, an das FO vom 20.12.1966, in: NA, FO 371/190766 und Schreiben Nr. 1359/EU von Courcel an Couve de Murville „A.s. Réunion Ministérielle de l’U.E.O. (Bonn 19 et 20 décembre)“ vom 28.12.1966, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015. Zum Treffen am 4.4.1967 in Rom siehe Fernschreiben Nr. 229 von Forster, Rom, an das AA vom 5.4.1967, in: PA/AA, B21/670 und Schreiben Nr. 273 von Shuckburgh, Rom, an das FO vom 4.4.1967, in: NA, FO 800/986. Zum Treffen am 4./5.7.1967 in Den Haag siehe Fernschreiben Nr. 214 von Forster, Den Haag, an das AA vom 5.7.1967, in: PA/AA, B21/670. Zum Treffen in London am 12.10.1967 siehe Fernschreiben Nr. 1913 von Blankenhorn, London, an das AA vom 13.10.1967, in: PA/AA, B21/670 und Telegramm Nr. 5467/78 von Courcel, London, an Paris vom 13.10.1967, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015.
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Durchdringung in Lateinamerika, dem Sechs-Tage-Krieg zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarstaaten, den Entwicklungen in China sowie dem Ziel, das angespannte Verhältnis zwischen WEU-Rat und WEU-Versammlung zu verbessern.116 Ein weiteres Thema in diesem Zeitraum war das Verhältnis zwischen NATO und WEU, das angesichts des französischen Ausstiegs aus der militärischen Integration der NATO an Brisanz gewann.117 Auf den WEU-Ministertreffen am 15. März 1966 in London und am 27. Juni 1966 in Brüssel nutzten die WEU-Partner die Möglichkeit, vor negativen Folgen des französischen Schrittes sowohl auf die NATO als auch die WEU zu warnen. Die WEU schien betroffen, da sie über keine eigenen militärischen Strukturen verfügte. Die Fünf und Großbritannien betonten ihre Bündnistreue zur NATO und die unverändert bestehenden Vertragspflichten der WEU-Partner (Artikel 5 des WEU-Vertrages) untereinander. Der französische Staatssekretär de Broglie erwiderte, dass die NATO nicht mehr der Wirklichkeit der Welt entspreche. Zugleich versicherte er die unveränderte französische Loyalität gegenüber dem WEU-Vertrag.118 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der französische NATO-Ausstieg kein offizieller, einstimmig beschlossener Tagesordnungspunkt war. Stewart hatte in London sein Eröffnungsstatement als Ratsvorsitzender genutzt, diesen Aspekt inoffiziell zur Sprache zu bringen. Frankreich hätte diesen Diskussionspunkt offiziell nicht akzeptiert, doch konnte es einer derartig angestoßenen Diskussion kaum ausweichen, ohne die WEU-Partner zu brüskieren. Somit diente die WEU in diesem konkreten Fall als Instrument, kurzfristig auf politische Gegebenheiten zu reagieren und einen Meinungsaustausch auch zu einem inhaltlich umstrittenen politischen Schritt zu initiieren. Von einer möglichen Auswirkung des französischen NATO-Ausstiegs abgesehen setzten Ende 1966 generelle Überlegungen über die weitere Entwicklung der WEU ein. Dabei gingen die britischen, französischen und deutschen Ansichten auseinander. Ausgangspunkt waren Diskussionen in der WEU-Versammlung, die in einem Bericht des britischen Abgeordneten Kirk über die „Zukunft der WEU“ gipfelten. Kirk schlug unter anderem eine stärkere Rolle des WEU-Generalsekretärs vor sowie die Einsetzung einer Kommission, die eine Studie zur zukünftigen Rolle der
116 Für Details siehe die bei den Ost-West-Diskussionen aufgeführten Aufzeichnungen der WEU-Treffen. 117 De Gaulle hatte am 21.2.1966 den Ausstieg aus der militärischen Integration der NATO angekündigt. 118 Für spezielle Aufzeichnungen der NATO-Diskussionen am 15.3.1966 in London siehe Telegramm Nr. 1028/35 von Courcel, London, an Paris vom 16.3.1966, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015 und Bundesminister Schröder, z.Z. London, an das Auswärtige Amt vom 15.3.1966, in: AAPD 1966I/69, S. 300–302. Für die Diskussionen am 27.6.1966 in Brüssel siehe Barclay vom 27.6.1966, in: NA, FO 371/190765 und Siegfried vom 27.6.1966, in: PA/AA, B150/78.
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WEU ausarbeiten sollte. 119 Großbritannien und Belgien versuchten, diese Diskussionen über die Zukunft der WEU in den WEU-Rat zu übertragen. Während sechs WEU-Staaten zu diesem Schritt bereit waren, lehnte Frankreich eine offizielle Diskussion darüber im WEU-Ministerrat ab und verhinderte zudem, den Ständigen WEU-Rat mit weiterführenden Diskussionen zu beauftragen. 120 Frankreich blieb seiner Linie treu, keine Weiterentwicklungen der WEU zuzulassen und etwaige Versuche frühzeitig zu unterbinden. 121 Während Frankreich in dieser Beziehung eine seit 1963 stringente Position verfolgte, zeichnete sich in der Bundesrepublik ein behutsamer Einstellungswandel ab. Zwar war die Bundesrepublik mit Kirks Vorschlägen für strukturelle Veränderungen in der WEU nicht einverstanden, da sie nach wie vor eine Politische Union auf Basis der EG-Staaten als Grundlage einer engeren außenpolitischen Kooperation bevorzugte.122 Dennoch zeigte sich insbesondere der neue Außenminister Brandt aufgeschlossener gegenüber verbesserten außenpolitischen WEUKontakten, auch weil die Niederlande eine exklusive außenpolitische Zusammenarbeit im Sechserrahmen kontinuierlich ablehnten. 123 Im Frühjahr 1967 forderte Brandt, in der WEU zu einer besseren Abstimmung der nationalen Außenpolitiken zu gelangen. Auslöser dafür war Brandts Enttäuschung über sehr kurz verlaufene politische Diskussionen beim zurückliegenden WEU-Ministertreffen in Rom. 124 Brandt erklärte zum Ziel, in der WEU so oft wie möglich einen europäischen Standpunkt zu politischen Fragen zu entwickeln, wofür auch bessere Vorbereitungen im Ständigen WEU-Rat zweckdienlich seien. 125 Diesem Ziel einer besseren politischen Koordination in der WEU stimmte Großbritannien vollends zu, da es ebenfalls wünschte, vom Verlesen vorbereiteter Statements zu einer Harmonisierung der nationalen Außenpolitiken voranzuschreiten. 126 Keinen Erfolg mit seinen Forderungen hatte Brandt in Frankreich. Als der deutsche Außenminister im Laufe der deutsch-französischen Konsultationen vom 27./28. April 1967 darlegte, dass eine Intensivierung der politischen WEUDiskussionen notwendig sei, reagierte Couve de Murville ausweichend. Der fran119 Zu Kirks Bericht, der keine Veränderungen bewirkte, siehe Aufzeichnung des Referats IA1 „Westeuropäische Union, Bericht des britischen Abgeordneten Kirk über die Zukunft der WEU“ vom 28.11.1966, in: PA/AA, B21/664. 120 Roberts vom 20.12.1966, in: NA, FO 371/190766 und Courcel vom 28.12.1966, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015. 121 Aufzeichnung der S/DEO „A.s. Union de l’Europe Occidentale.-“ vom 23.3.1967, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2021. 122 Referat IA1 vom 28.11.1966, in: PA/AA, B21/664. 123 Ihre Ablehnung wiederholten die Niederlande auf der Zehn-Jahresfeier der Römischen Verträge am 29./30.5.1967, bei der die Staats- und Regierungschefs der EG-Staaten zusammentrafen. Staatssekretär Lahr, z.Z. Rom, an das Auswärtige Amt am 31.5.1967, in: AAPD 1967II/197, S. 847/848. 124 Für diese Bewertung Brandts siehe die spätere Aufzeichnung von Frank „Intensivierung der politischen Konsultationen im WEU-Rat“ vom 18.4.1968, in: PA/AA, B21/671. 125 Brandts Kritik und Verbesserungsvorschläge übermittelte Meyer-Lindenberg an Lord Hood. Aufzeichnung von Barnes vom 17.4.1967, in: NA, FCO 41/268. 126 Barnes vom 17.4.1967, in: NA, FCO 41/268.
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zösische Außenminister verwies auf Schwierigkeiten, die mit Harmonisierungsversuchen in der Außenpolitik verbunden seien. Er versprach zwar, über Brandts Vorschlag nachzudenken, doch blieb er in der Folgezeit eine klare Antwort schuldig.127 Dieses französische Zeitspiel trug dazu bei, dass sich im Jahr 1967 keine intensive Debatte über vertiefte außenpolitische Diskussionen entwickelte. Auch die Bundesrepublik verzichtete darauf, ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Ein entscheidender Grund dafür war das britische EG-Beitrittsgesuch vom Mai 1967, das den Großteil der europa- und integrationspolitischen Aufmerksamkeit auf sich zog. Dennoch ist diese kurze Episode bemerkenswert, da sie eine veränderte bundesdeutsche Position zur politischen Rolle der WEU einleitete. So besann sich die Bundesrepublik nach dem zweiten französischen Veto auf ihre Vorschläge aus dem Vorjahr und setzte sich im ersten Halbjahr 1968 nachdrücklicher für bessere WEU-Kontakte ein (vgl. Kapitel VI.2.). Von diesem deutschen Wandel abgesehen bestätigt dieser Untersuchungszeitraum bereits gewonnene Eindrücke zum Verlauf der politischen WEU-Kontakte. Neben Großbritannien und der Bundesrepublik beteiligte sich auch Frankreich weiterhin aktiv. Zugleich setzte Frankreich seine Politik fort, nicht einmal Ansätze einer formalen Weiterentwicklung der WEU-Kontakte zuzulassen. Während in den Jahren zuvor bereits die Niederlande und Großbritannien mit entsprechenden Vorstößen gescheitert waren, brachte nun ein behutsamer Vorstoß der Bundesrepublik keinen Erfolg. Dies führte aber zu keinem WEU-internen Streit. Dies lag darin begründet, dass sich das europapolitische Interesse auf das britische EG-Beitrittsgesuch und damit die wirtschaftliche Rolle der WEU richtete. Im Bereich der politischen WEU-Kontakte blieb es bei einem generellen Austausch von Sichtweisen, ohne dass eine Harmonisierung der Außenpolitiken erfolgte oder gar eine konkrete außenpolitischen Kooperationen zu verzeichnen war. Die Rolle der WEU in der politischen Integration Europas stagnierte, obgleich keine Alternative (EPU beziehungsweise später EPZ) Aussicht auf Erfolg versprach. 2.3. Die WEU-Wirtschaftsdiskussionen 2.3.1. Der Verlauf der WEU-Wirtschaftsdiskussionen Auch in diesem Zeitraum fanden alle wirtschaftspolitischen Diskussionen unter dem einzigen offiziellen Tagesordnungspunkt „Gedankenaustausch über die wirtschaftliche Lage in Europa“ statt, da Frankreich weiter eine detaillierte Tagesordnung ablehnte.128 Aufgrund des erneuten britischen EG-Beitrittsinteresses standen 127 Für Brandts erfolglosen Vorstoß bei Couve de Murville siehe Frank vom 18.4.1968, in: PA/AA, B21/671. 128 Zum französischen Sträuben vor einer detaillierten Tagesordnung siehe beispielhaft den Reisebericht von MR Hünke „über eine Dienstreise am 29./30. September 1966 zur Ministerratstagung der WEU in Paris“ vom 6.10.1966, in: PA/AA, B20/1280.
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die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den EG und Großbritannien im Vordergrund (vgl. dazu Kap. V.2.3.2.). Hinzu kamen wie gewohnt auf allen WEUMinistertreffen Berichte über die zurückliegende wirtschaftliche Entwicklung in den EG und in Großbritannien sowie punktuell britische Berichte zur EFTA. Die E(W)G-Kommission129 zeichnete auf den WEU-Ministertreffen ein positives Bild der wirtschaftlichen Entwicklung im Gemeinsamen Markt. Sie betonte Wachstumsraten von etwa 4%, verwies aber gleichzeitig auf drohende inflationäre Tendenzen im EG-Wirtschaftsraum. Zudem berichtete sie über Beschlüsse der EG zum Agrarmarkt sowie den Übergang der EG von einer Zoll- zur Wirtschaftsunion. Insgesamt bestätigte dieser inoffizielle Tagesordnungspunkt zwei Erkenntnisse aus den Vorjahren. Die EWG-Kommission sparte offene zukünftige Entwicklungen in den EG aus und die WEU-Staaten brachten diese ebenfalls nicht zur Sprache. Dies geschah auch deshalb nicht, da die Berichte der EWG-Kommission weitgehend unkommentiert blieben und von einer Diskussion zur Entwicklung in den EG oder gar britischem Einfluss darauf nicht die Rede sein konnte.130 Die britischen Berichte über die heimische Wirtschaftslage waren ebenfalls um einen positiven Tenor bemüht. Stewart betonte auf dem Londoner WEUTreffen am 16. März 1966, dass sich das britische Zahlungsbilanzdefizit im Jahr 129 Am 1.7.1967 trat die Fusion der zuvor drei Exekutiven von EWG, EGKS und EURATOM zu einer gemeinsamen EG-Kommission in Kraft. 130 Für die WEU-Wirtschaftsdiskussionen von März 1966 bis Oktober 1967 – auch zu den weiteren in Kapitel V.2.3.1. aufgeführten Wirtschaftsthemen (s.u.) – siehe folgende Aufzeichnungen: Zum WEU-Treffen am 16.3.1966 in London siehe Schreiben Nr. 721 des FO an Paris vom 17.3.1966, in: NA, FO 371/188264, Fernschreiben Nr. 581 von Lahr und Blankenhorn, London, an das AA vom 16.3.1966, in: PA/AA, B21/669, Telegramm Nr. 634/42 von Cazimajou nach London vom 17.3.1966, in: MAE, DE_CE/1577 und Telegramm Nr. 646/47 von Cazimajou nach London vom 17.3.1966, in: MAE, DE_CE/1577. Zum WEU-Treffen am 28.6.1966 in Brüssel siehe Schreiben Nr. 24 von Marjoribanks, Brüssel, an das FO vom 28.6.1966, in: NA. FO 371/188265 und Runderlass Nr. 185 von Cazimajou vom 29.6.1966, in: MAE, DE_CE/1577. Zum WEU-Treffen am 30.9.1966 in Paris siehe Schreiben Nr. 155 von Reilly, Paris, an das FO vom 30.9.1966, in: NA, FO 371/188266, Fernschreiben Nr. 1611 von Klaiber, Paris, an das AA vom 30.9.1966 und Runderlass Nr. 248 von Cazimajou vom 1.10.1966, in: MAE, DE_CE/1577. Zum WEU-Treffen am 20.12.1966 in Bonn siehe Schreiben Nr. 1207 des FO an Bonn vom 21.12.1966, in: NA, FO 371/188266, Schreiben Nr. 1206 des FO an Bonn vom 21.12.1966, in: NA, FO 371/188266, Runderlass von Lahr zur „WEUMinisterrats-Tagung am 20.12.1966 in Bonn“ vom 20.12.1966, in: PA/AA, B20/1280, Telegramm Nr. 1203–06 von Boegner, Brüssel, an Paris vom 21.12.1966, in: MAE, DE_CE/1577 und Telegramm Nr. 1190–1202 von Boegner, Brüssel, an Paris vom 21.12.1966, in: MAE, DE_CE/1577. Zum WEU-Treffen am 5.4.1967 in Rom siehe Schreiben Nr. 427 des FO an Rom vom 7.4.1967, in: NA, FO 800/986 und Fernschreiben Nr. 234 von Lahr, Rom, an das AA vom 6.4.1967, in: PA/AA, B21/670. Zum WEU-Treffen am 4.7.1967 in Den Haag siehe Telegramm Nr. 290 von Sir P. Garran, Den Haag, an das FO vom 4.7.1967, in: NA, FCO 30/101, Runderlass Nr. 87 von Meyer-Lindenberg vom 7.7.1967, in: PA/AA, B21/670 sowie Circulaire Nr. 175 von Cazimajou vom 6.7.1967, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015. Zum WEU-Treffen am 13.10.1967 in London siehe Fernschreiben Nr. 1917 von Lahr, London, an das AA vom 13.10.1967, in: PA/AA, B21/670 und Circulaire Nr. 250 von Cazimajou vom 17.10.1967, in: MAE, Europe, GB/217.
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1965 gegenüber dem Vorjahr 1964 halbiert hatte. Diese Erfolgsmeldung war zugleich eine Rechtfertigung für die seit 1964 erhobenen und in der WEU kritisierten britischen Zusatzzölle (vgl. Kapitel V.1.3.1.). Bei den weiteren WEUMinistertreffen 1966 sah sich Großbritannien indes genötigt, auf die Probleme des Pfund Sterling einzugehen, da die britische Währung angesichts der weiterhin negativen Zahlungsbilanz unter großen Druck geriet. Großbritannien musste in der WEU Gegenmaßnahmen erläutern, mit denen es die Währungskrise ohne eine Abwertung zu lösen gedachte, da Wilson sich lange Zeit aus wirtschaftlichen und vor allem emotionalen Gründen gegen eine Abwertung sperrte.131 Nach einer ersten Bewältigung der Währungskrise hob Großbritannien seit dem Ministertreffen am 20. Dezember 1966 in Bonn wieder günstige Wirtschaftsprognosen hervor. So äußerte es für 1967 die Erwartung einer positiven Zahlungsbilanz. Auf den WEU-Ministertreffen am 5. April 1967 in Rom und am 4. Juli 1967 in Den Haag betonte Großbritannien zudem, dass das Vertrauen in das Pfund Sterling wieder hergestellt sei. Auf dem Londoner Ministertreffen am 13. Oktober 1967 verwies Großbritannien auf einen Exportzuwachs von 5% im ersten Halbjahr 1967 sowie ein Zahlungsbilanzdefizit von lediglich 57 Millionen Pfund Sterling für diesen Zeitraum. Zugleich stellte Großbritannien in Aussicht, über die Reservefunktion des britischen Pfund in der Weltwirtschaft zu diskutieren, als die britische Währung im Laufe des Jahres 1967 erneut starkem Druck ausgesetzt war.132 Den britischen Berichten über die heimische Wirtschaftslage lag ein klares Motiv zugrunde. Großbritannien bemühte sich, ein positives Bild zu zeichnen und die Probleme des Pfund Sterling herunterzuspielen, um eine günstige Ausgangsposition für das britische EG-Beitrittsgesuch zu schaffen (vgl. Kapitel V.2.3.2.). Es sollten keine Ansatzpunkte für Kritik an der britischen Wirtschaftslage geboten werden, da Frankreich britische Wirtschaftsprobleme und insbesondere die international herausgehobene Stellung des Pfund Sterling als Reservewährung gegen einen britischen EG-Beitritt verwandte. 133 Die britische Position verschlechterte sich daher, als die anhaltenden Währungsprobleme im November 1967 die britische Regierung doch zwangen, das Pfund Sterling von 2,80 Dollar auf 2,40 Dollar abzuwerten (vgl. Kapitel VI.1.).134 Die WEU-Partner kommentierten die britische Wirtschaftslage in der Phase vom Frühjahr 1966 bis Herbst 1967 unterschiedlich. Frankreich verwies stetig auf die britischen Wirtschaftsprobleme. 135 Dahinter verbarg sich das offensichtliche Motiv, wirtschaftliche Argumente gegen einen britischen EG-Beitritt in Stellung zu bringen. Die Bundesrepublik hingegen bemühte sich um sichtbare Unterstützung Großbritanniens. Sie betonte positive Tendenzen in der britischen Wirt131 Vgl. Deighton, The Labour Party, S. 47. 132 Für die Berichte über die britische Wirtschaftslage auf allen WEU-Ministertreffen von März 1966 bis Oktober 1967 siehe die weiter oben aufgeführten Aufzeichnungen. 133 Vgl. Adamthwaite, S. 162/163 und Piers N. Ludlow: A Short-Term Defeat: The Community Institutions and the Second British Application to Join the EEC, in: Daddow, (Hg.), S. 138. 134 Vgl. Parr, Britain’s Policy, S. 171. 135 Vgl. die kritischen französischen Äußerungen auf den WEU-Ministertreffen am 30.9.1966 in Paris und am 13.10.1967 in London. Siehe dazu die Aufzeichnungen weiter oben.
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schaftsentwicklung und machte externe Faktoren wie die Nahostkrise für die 1967 erneut auftretenden britischen Wirtschaftsprobleme verantwortlich (vgl. Kapitel V.2.3.2.).136 Zusätzlich zu den wirtschaftlichen Entwicklungen in den EG und Großbritannien befasste sich der WEU-Ministerrat mit den globalen Handelskonferenzen. Die Kennedy-Runde blieb bis zu ihrem Abschluss 1967 Thema auf fünf weiteren WEU-Ministertreffen, allerdings im Vergleich zur Anfangsphase 1963/1964 in reduziertem Rahmen. Während sich die Bundesrepublik und Großbritannien neben der EWG-Kommission mit eigenen Wortbeiträgen hervortaten, hielt sich Frankreich auch bei diesem Thema in den Jahren 1966 und 1967 auffallend zurück. Grundsätzlich zeigten sich hier sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede in den Positionen von EG und Großbritannien. Einerseits drängte neben der EWG-Kommission und der Bundesrepublik auch Großbritannien auf einen schnelleren Verlauf der Genfer Verhandlungen, um deren Erfolg zu sichern.137 Andererseits wichen die Vorschläge von EG und Großbritannien zu den in Genf auszuhandelnden Agrarregelungen deutlich voneinander ab, so dass die EWGKommission das WEU-Treffen am 20. Dezember 1966 in Bonn zu einer Generalkritik an der britischen Haltung nutzte, die der britische Staatsminister Thomson zurückwies.138 Die WEU bot somit ein Forum für den Austausch gegenseitiger Kritik. Darüber hinausgehend kann hier nur spekuliert werden, inwiefern die WEU-Diskussionen tatsächlich halfen, eine Annäherung der jeweiligen Verhandlungspositionen sowie letztendlich Erfolge der gesamten Kennedy-Runde zu bewirken. Für etwaige Rückschlüsse sind zwei divergierende Einschätzungen bedenkenswert. Auf der einen Seite konnten die allgemein gehaltenen Diskussionen auf den vierteljährlichen Ministertreffen kaum ausreichen, entscheidenden Einfluss auf die laufenden Genfer Verhandlungen zu nehmen. Zudem äußerte das Foreign Office intern die Ansicht, dass WEU-Gespräche sich sogar kontraproduktiv auf die Endphase der Genfer Verhandlungen auswirken könnten. 139 Auf der anderen Seite bot die WEU ein Forum, in dem Zielsetzungen und Meinungsunterschiede auf hoher multilateraler Ebene verglichen werden konnten. Dies mag sowohl innerhalb der EG als auch in Großbritannien zu Konzessionen beigetragen haben. Zumindest 136 Für die deutsche Unterstützung Großbritanniens auf den WEU-Treffen am 28.6.1966 in Brüssel, am 20.12.1966 in Bonn und am 13.10.1967 in London siehe die Aufzeichnungen weiter oben. 137 Die Verhandlungen der Kennedy-Runde waren aufgrund der Leeren-Stuhl-Krise der EWG in Verzug geraten. Nun bestand Zeitdruck, da die amerikanische Verhandlungsvollmacht am 30.6.1967 auslief. Siehe die undatierte Aufzeichnung des Referats IA2 „Kennedy-Runde“, in: PA/AA, B20/1280. Auf den WEU-Treffen am 16.3.1966 in London sowie am 30.9.1966 in Paris drängten die EWG-Kommission, die Bundesrepublik und Großbritannien auf schnellere Verhandlungen. Siehe dazu die oben aufgeführten Quellenangaben. 138 Zur gegenseitigen Kritik von EG und Großbritannien am 20.12.1966 in Bonn sowie einen Bericht von EWG-Kommissar Rey zum Stand der Kennedy-Runde am 5.4.1967 in Rom siehe die oben aufgeführten Aufzeichnungen. 139 Steering Brief zum WEU-Treffen in Rom am 4./5.4.1967, in: NA, FCO 41/259.
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das Auswärtige Amt resümierte, dass die Diskussionen in der WEU politische Impulse für den Erfolg der Kennedy-Runde gegeben hätten, die mit einer beschlossenen Zollsenkung von durchschnittlich 35% zu Ende ging.140 Neben der Kennedy-Runde kam zudem die UN-Welthandelskonferenz zweimal im WEU-Ministerrat zur Sprache, wobei die Diskussionen oberflächlich und kurz verliefen. 141 Es kam zu nicht viel mehr als Plädoyers – insbesondere der Bundesrepublik –, dass der Westen eigene konstruktive Vorschläge erbringen müsste und dazu auch eine enge Koordination in der WEU notwendig sei. 142 Im Vergleich zu den Wirtschaftsdiskussionen von 1963 bis 1965 wird deutlich, dass es 1966 und 1967 an Versuchen zum Ausbau der WEU fehlte. Während Großbritannien und die Bundesrepublik zuvor eine bessere Vorbereitung der Wirtschaftsdiskussionen gefordert hatten, verzichteten sie nun auf entsprechende Vorstöße. Auch die Teilnahme von Fachministern oder die Diskussion zukünftiger EG-Entwicklungen – mit Ausnahme der EG-Erweiterung – waren kein Thema. Der naheliegende Grund dafür war das aufkommende britische EG-Beitrittsgesuch, das etwaige Streitigkeiten über (in-)formelle Veränderungen der WEUArbeitsweise unnötig und kontraproduktiv erscheinen ließ. Allerdings führte das britische EG-Beitrittsgesuch zu Unstimmigkeiten, inwiefern die WEU für die EGErweiterung eingesetzt werden dürfte. 2.3.2. Der Einsatz der WEU für das britische EG-Beitrittsgesuch Ein möglicher britischer EG-Beitritt dominierte seit dem März 1966 die WEUWirtschaftsdiskussionen.143 Ein Signal für den britischen Wandel gab Außenminister Stewart auf dem Londoner WEU-Treffen, als er ein EG-Beitrittsgesuch in den Bereich des Möglichen rückte, da die damit verbundenen Probleme nicht unüberwindbar seien. Ein neues Beitrittsgesuch müsse so gut vorbereitet werden, dass ein Scheitern ausgeschlossen sei. Bis dahin wünsche Großbritannien engere Kooperation in Bereichen gemeinsamen Interesses wie den Patententen, Versiche140 Aufzeichnung des Referats IIIA2 „Kennedy-Runde“ vom 29.6.1967, in: PA/AA, B21/670. Für weitere Informationen zur Kennedy-Runde und deren Ergebnisse vgl. u. a. Coppolaro, S. 347–366. 141 Die UN-Vollversammlung hatte nach Abschluss der UN-Handels- und Entwicklungskonferenz 1964 eine Welthandelskonferenz als permanentes Organ der UN-Vollversammlung gebilligt. Zwischen den etwa alle drei Jahre tagenden Konferenzen führt der Handels- und Entwicklungsrat (55 Mitglieder), unterstützt von einem ständigen Sekretariat unter Generalsekretär Dr. Prebisch, die Geschäfte. Siehe die undatierte Aufzeichnung des Referats IIIA2 „Welthandelskonferenz“, in: PA/AA, B20/1280 sowie Kruse, S. 145–152. 142 Zum Thema der UN-Welthandelskonferenz am 16.3.1966 in London und am 30.9.1966 in Paris siehe die bereits weiter oben angegebenen Aufzeichnungen zu den WEU-Treffen. 143 Dieses Kapitel konzentriert sich bei der Vorbereitung des britischen EG-Beitrittsgesuchs auf die Rolle der WEU. Freilich kam es gleichzeitig zu diversen bilateralen Gesprächen, die allerdings ebenso wie interne britische Diskussionen für und wider einen EG-Beitritt sowie die Position Frankreichs und der Bundesrepublik dazu nur punktuell einbezogen werden können. Gleiches gilt für Diskussionen innerhalb der EG.
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rungen oder industriellen Standards.144 Die „Friendly Five“ reagierten erfreut auf Stewarts Rede und sicherten ihre Unterstützung zu. Für eine Überraschung sorgte der französische Staatssekretär de Broglie, als er Interesse an den britischen Annäherungen an die EG bekundete. So habe Frankreich trotz der Ereignisse im Jahr 1963 immer den Wunsch gehabt, dass Großbritannien eines Tages auf Basis der Römischen Verträge beitreten könne, auch wenn es große Schwierigkeiten gebe und für einen Erfolg sehr behutsam vorgegangen werden müsse.145 De Broglie erweckte mit diesen Ausführungen den Eindruck, dass der französische Widerstand gegen einen britischen EG-Beitritt schwinden könnte.146 Zudem lieferte der Staatssekretär den ersten französischen Wortbeitrag im WEU-Ministerrat zum Verhältnis zwischen den EG und Großbritannien seit 1963.147 Dennoch wussten weder Stewart noch Schröder, wie sie die Kommentare deuten sollten. Beide blieben skeptisch und wollten nicht zu viel aus den Aussagen des französischen Staatssekretärs herauslesen.148 Diese Einschätzung erwies sich als richtig, da Couve de Murville Hoffnungen auf eine Kehrtwende in der französischen Europapolitik eine Absage erteilte. De Broglie hätte inhaltlich nichts Neues gesagt. Zudem bekräftigte der Außenminister die altbekannte französische Haltung, indem er die Schwierigkeiten eines britischen Beitritts wie das Pfund Sterling und das Commonwealth betonte.149 Offen bleibt aber die Frage, was de Broglie zu seiner missverständlichen Aussage bewogen hatte. Eine mögliche Antwort lautet, dass Frankreich nach seinem NATO-Austritt und kurz nach dem Ende der Leeren-Stuhl-Krise das belastete europäische Klima mit einer versöhnlichen Geste verbessern wollte. 150 Zugleich blieb de Broglies Aussage so vage, dass Frankreich keine klaren Zugeständnisse gemacht hatte.
144 Diese Kooperationsversuche wurden auf den weiteren WEU-Ministertreffen kaum noch besprochen, da die Entwicklung hin zum britischen EG-Beitrittsgesuch dominierte. Für nähere Informationen siehe eine Aufzeichnung des Auswärtige Amtes vor dem WEU-Treffen am 28.6.1966 in Brüssel. Darin hieß es, dass die Bundesrepublik im Gegensatz zu Großbritannien nicht über diese Themen sprechen wolle, da sich in der Frage des europäischen Patentrechts seit mehr als einem Jahr keine Veränderung ergeben habe. Bei der Frage der Standardisierung sei auf dem WEU-Treffen in Paris am 17.7.1964 vereinbart worden, Kontakte zwischen Großbritannien und der Kommission einzurichten, was nur unzureichend geschehen sei. Allerdings seien gegenwärtig keine Fortschritte zu erwarten. Siehe die undatierte Aufzeichnung von A2 „Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EWG“, in: PA/AA, B20/1280. 145 Für Stewarts Erklärung und anschließende Reaktionen am 16.3.1966 in London siehe das FO vom 17.3.1966, in: NA, FO 371/188264, Lahr und Blankenhorn vom 16.3.1966, in: PA/AA, B21/669 und Telegramm Nr. 634/42 von Cazimajou vom 17.3.1966, in: MAE, DE_CE/1577. 146 Vgl. Dransfeld, S. 240 und Schell, S. 67. 147 Diese Tatsache betonte auch Außenminister Schröder. Gespräch des Bundesministers Schröder mit dem britischen Außenminister Stewart in London am 16.3.1966, in: AAPD 1966I/71, S. 305/306. 148 Gespräch Schröders mit Stewart am 16.3.1966, in: AAPD 1966I/71, S. 306/307. 149 Gespräch des Bundesministers Schröder mit dem französischen Außenminister Couve de Murville vom 18.4.1966, in: AAPD 1966I/113, S. 499–502. 150 Für diese Vermutung einer positiven Geste de Gaulles vgl. Dransfeld, S. 241.
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Nach dem Londoner Ministertreffen stand Großbritannien vor der Frage, inwiefern die WEU für ein mögliches EG-Beitrittsgesuch eingesetzt werden könnte. Con O’Neill warb dafür, verstärkt auf die WEU zurückzugreifen und hielt es für erwägenswert, ein spezielles WEU-Gremium mit den Aussichten eines britischen EG-Beitritts zu befassen.151 Diese Idee setzte sich nicht durch, da Bedenken gegen ein zu schnelles Vorgehen aufkamen. Demnach drohte die Gefahr, in einem speziellen WEU-Gremium vorschnell die eigenen Verhandlungsbedingungen offenbaren zu müssen.152 Ähnliche Bedenken richteten sich gegen den Plan, auf dem nächsten WEU-Ministertreffen eine detaillierte Aussprache über das Beitrittsgesuch anzustreben, wie es Teile der Beamten im Foreign Office vorschlugen, um die Fünf von der eigenen Ernsthaftigkeit zu überzeugen und Druck auf Frankreich aufzubauen. 153 Gegen diesen Plan sprach, dass im WEU-Ministerrat nicht entsprechend auf die elementaren britischen Interessen eingegangen werden könnte. Zudem überwog die Auffassung, dass Großbritannien erst aus einer Position der wirtschaftlichen Stärke heraus einen Antrag stellen sollte, die noch nicht erreicht sei. 154 Thomson, der Großbritannien auf dem Ministertreffen vertreten sollte, hielt es aber zumindest für angebracht, im WEU-Rat den prinzipiellen Beitrittswunsch zu betonen, da die WEU den einzigartigen Vorteil biete, dass die „Friendly Five“ geschlossen ihre Unterstützung signalisieren könnten. 155 Eine solche Unterstützung hatte Bundeskanzler Erhard signalisiert, zugleich aber vor de Gaulles unveränderter Haltung gewarnt.156 Auf dem Brüsseler WEU-Ministertreffen am 28. Juni 1966 folgte Thomson seiner vorgeschlagenen Linie. Er stellte nicht mehr ein britisches EG-Beitrittsgesuch an sich in Frage, sondern lediglich den Zeitpunkt. Er erwähnte zu verhandelnde Aspekte wie Landwirtschaft, EFTA und Commonwealth sowie die britische Involvierung in eine außenpolitische Kooperation, doch er verzichtete auf Details und bezeichnete alle Aspekte als lösbar. Am Ende seiner Rede betonte Thomson, dass die Hinwendung zur EG erleichtert würde, wenn die Unterstützung der anderen Staaten sicher sei, da die britische Regierung einen weiteren Fehlschlag nicht riskieren könne. 157 Diesem Wunsch entsprachen die Fünf und EWG-Kommissar Rey, die sich optimistisch zu den Chancen eines britischen EG-Beitritts äußerten. Im Gegensatz dazu vermied de Broglie eine klare Positionierung.158 151 Aufzeichnung von O’Neill „Can we use Western European Union to promote our entry into the Community?“ vom 19.5.1966, in: NA, FO 371/188265. 152 Schreiben von Thomson an Brown vom 9.6.1966, in: NA, FO 371/188264. 153 Schreiben von Marjoribanks, Brüssel, an O’Neill vom 9.6.1966, in: NA, FO 371/188264. 154 Schreiben von O’Neill an Marjoribanks vom 16.6.1966, in: NA, FO 371/188264. 155 Thomson an Brown vom 9.6.1966, in: NA, FO 371/188264. 156 Gespräch von Wilson und Erhard am 23. Mai 1965, in: NA, PREM 13/933 und die deutschbritische Regierungsbesprechung in London am 23.5.1966, in: AAPD 1966I/158, S. 667–669. 157 Für den Wortlaut der Rede Thomsons siehe die Wiedergabe „Britain and the E.E.C.“, in: NA, FO 371/188264. 158 Zu den Reaktionen auf Thomsons Rede am 28.6.1966 in Brüssel siehe Schreiben von Marjoribanks vom 28.6.1966, in: NA. FO 371/188265 und Cazimajou vom 29.6.1966, in:
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Der Besuch von Ministerpräsident Pompidou im Juli 1966 in London machte deutlich, dass Thomsons Ausführungen und die Unterstützung seitens der Fünf in der WEU keinen Eindruck auf die französische Führung gemacht hatten. Wilson und der neue Außenminister Brown verfehlten das Ziel, von Frankreich das Zugeständnis zu erreichen, auf ein erneutes politisches Veto gegen den britischen Beitritt zu verzichten.159 Ein britischer EG-Beitritt passte weiterhin nicht in die französische Konzeption von Europa, die von einem „europäischen Europa“ unter französischer Führung ohne britische Konkurrenz und indirekten US-amerikanischen Einfluss ausging.160 Zudem war Frankreich nach dem Staatsbesuch nicht davon überzeugt, dass Großbritannien „vollen Herzens“ den EG beitreten wolle.161 Im Gegensatz dazu war das französische Außenministerium mehr denn je davon überzeugt, dass Großbritannien Frankreich in der Frage der EG-Erweiterung von seinen EG-Partnern isolieren wolle. 162 Die aufkeimende britische Beitrittsinitiative hatte durch die bilateralen Gespräche mit Frankreich einen herben Dämpfer erlitten. Daher kam es Großbritannien gelegen, dass der WEU-Ministerrat sich am 30. September 1966 in Paris erneut mit der EG-Erweiterung befasste. Dabei war es nicht Großbritannien, sondern die Bundesrepublik, die eine solche Diskussion initiierte. Frankreich versuchte vergeblich, diesen Diskussionspunkt zu verhindern. Die fünf EG-Staaten unterstützten den britischen EG-Beitritt nachdrücklich. De Broglie hingegen verneinte zwar ein französisches Veto, doch verwies er auf die britischen Wirtschaftsprobleme und betonte die Aufgabe Großbritanniens, selbst Lösungen zu liefern. Thomson bedankte sich für die Unterstützung der Fünf und versicherte, dass Großbritannien den Beitritt nicht zur Lösung seiner Wirtschaftsprobleme nutzen wolle. Großbritannien sei zum Beitritt bereit, sofern wesentliche Interessen
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MAE, DE_CE/1577. Die Aufzeichnungen divergieren im Detail. Marjoribanks zu Folge habe de Broglie gesagt, dass die Erweiterung der EG das sichtbarste Zeichen eines Erfolges der EG darstellen würde. Es sei der Zeitpunkt gekommen, die Frage auf diplomatischer Ebene anzugehen. Laut Cazimajou habe de Broglie absichtlich harmlos geantwortet. Zudem habe er auf die großen Probleme eines britischen Beitritts verwiesen. Dieser Untersuchung fehlt eine deutsche Quelle als Korrektiv. Es ist aber zu vermuten, dass de Broglie eine vage, interpretationsoffene Aussage traf. Thomson bestätigte einen missglückten Besuch Pompidous. Gespräch des Bundesministers Schröder mit dem Kanzler des Herzogtums Lancaster, Thomson am 12.10.1966, in: AAPD 1966I/322, S. 1335/1336. Laut Adamthwaite war der Besuch gar ein „Desaster“. Vgl. Adamthwaite, S. 160/161. Vgl. Wille, S. 229. Die EWG sei für Frankreich kein Ideal gewesen, doch habe sie gut französischen Interessen gedient. Die Zollunion habe der französischen Industrie Anreize und gleichsam Schutz für die Modernisierung gegeben und die GAP habe profitable Ergebnisse für die eigene Überproduktion versprochen. Zudem habe Frankreich die Führungsposition in den EG genossen, die den eigenen politischen Spielraum erhöht habe. Vgl. ebenda, S. 228/229. Für weitere Informationen zur französischen Haltung vgl. das Kapitel VI.1. Vgl. Adamthwaite, S. 163. Aufzeichnung Nr. 167/CE des Service de Coopération Economiques (SCE) „Conseil de l’U.E.O. – le Royaume-Uni et la C.E.E.“ vom 22.9.1966, in: MAE, DE_CE/1577.
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berücksichtigt würden.163 Das WEU-Treffen half somit, der britischen EG-Beitrittsinitiative neuen Aufwind zu verleihen. In den folgenden Monaten allerdings verlor die WEU für Großbritannien an Bedeutung, da sich die britische Regierung nun dazu entschloss, bilateral für den EG-Beitritt zu werben. Auf einem Treffen des Kabinetts am 22. Oktober 1966 in Chequers erhielt Wilson die Zustimmung, gemeinsam mit Außenminister Brown die Hauptstädte der EG-Staaten zu besuchen, um festzustellen, ob Voraussetzungen für fruchtbare Verhandlungen gegeben seien. 164 Am 10. November verkündete Wilson diesen Plan vor dem britischen Unterhaus. 165 Angesichts der geplanten Rundreise erwartete Großbritannien wenig vom Bonner WEU-Ministertreffen im Dezember 1966. Dennoch wollte Großbritannien dort die Ernsthaftigkeit seiner Beitrittsinitiative herausstreichen, um die durch die bilateralen Gespräche erzeugten europapolitischen Impulse aufrecht zu erhalten.166 Entsprechend erläuterte Thomson in Bonn die Motive der Rundreise und betonte, dass von deren Ausgang abhinge, ob Großbritannien ein EG-Beitrittsgesuch stellen würde.167 Insbesondere die Bundesrepublik und die Niederlande wiederholten daraufhin, den britischen EG-Beitritt zu wünschen. Frankreich hingegen weckte keine Hoffnungen auf einen Positionswandel, indem es in sein bekanntes Schweigen zu diesem Diskussionspunkt in der WEU zurückfiel. 168 Trotz der positiven bundesdeutschen Äußerungen auf dem WEU-Treffen hatte unterdessen der Rücktritt des transatlantisch ausgerichteten Kanzlers Erhard am 30. November 1966 die Aussichten einer engen deutsch-britischen Kooperation in der Beitrittsfrage verschlechtert.169 Zwar sprach sich der neue Bundeskanzler Kiesinger in seiner ersten Regierungserklärung öffentlich für einen britischen EGBeitritt aus, doch stellte er klar, dass die deutsch-französischen Beziehungen im
163 Für die Diskussionen am 30.9.1966 in Paris siehe Schreiben Nr. 156 von Reilly, Paris, an das FO vom 30.9.1966, in: NA, FO 371/188266, Klaiber vom 30.9.1966 und Cazimajou vom 1.10.1966, in: MAE, DE_CE/1577. 164 In Chequers hatte das Kabinett drei Optionen diskutiert: 1. EG-Beitrittsantrag; 2. Going it Alone (GITA) 3. Nordatlantische Freihandelszone (NAFTA). Laut Young erhielt Wilson die Zustimmung zur Rundreise, da sich die anderen Alternativen als unhaltbar erwiesen hatten. Vgl. Young, Britain and European Unity, S. 95. Laut Parr wollte Wilson mit der Rundreise de Gaulle für sich gewinnen, während Brown präferierte, über die „Friendly Five“ Druck auf den de Gaulle auszuüben. Vgl. Parr, Britain’s Policy, S. 108. 165 Harold Wilson: Erklärung vor britischem Unterhaus am 10. November 1966, in: EA 21 (1966), S. D 597/598. 166 „Background Note“ zu den „Relations between Britain and the E.E.C.“ vor dem WEUTreffen in Bonn am 19./20.12.1966 in Bonn, in: NA, FO 371/188266. 167 Für den Wortlaut der Rede Thomsons siehe Runderlass Nr. 328 des FO vom 22.12.1966, in: NA, FO 371/188266. 168 Für die Reaktionen auf Thomson am 20.12.1966 in Bonn siehe Schreiben Nr. 1206 des FO vom 21.12.1966, in: NA, FO 371/188266, Lahr vom 20.12.1966, in: PA/AA, B20/1280 und Telegramm Nr. 1190–1202 von Boegner, Brüssel, an Paris vom 21.12.1966, in: MAE, DE_CE/1577. 169 Vgl. Böhmer, S. 215.
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Mittelpunkt seiner Europapolitik stünden.170 Zugleich versicherte er de Gaulle vertraulich, einem Beitritt skeptisch gegenüber zu stehen, auch wenn er sich einem ehrlichen Beitrittsgesuch nicht verschließen könnte.171 Britische Hoffnungen ruhten deshalb verstärkt auf dem pro-britischeren Brandt, der in der Großen Koalition aus CDU und SPD Vizekanzler und Außenminister war.172 Vom 16. Januar bis 8. März 1967 besuchten Wilson und Brown die europäischen Hauptstädte, mit gemischtem Erfolg. Es gelang, die EG-Staaten von der Ernsthaftigkeit des Beitrittsgesuches zu überzeugen, nicht aber de Gaulles negative Haltung zu verändern.173 De Gaulle anerkannte einen Wandel in der britischen Grundeinstellung zu Europa, doch würde ein britischer Beitritt die Natur der EG verändern. De Gaulle schlug vor, über alternative Arrangements wie eine Assoziation nachzudenken, was Wilson ablehnte.174 Auch die Gespräche mit Kiesinger verliefen für Großbritannien unbefriedigend. Der Bundeskanzler verweigerte sich dem Wunsch Wilsons, Druck auf de Gaulle in der Beitrittsfrage auszuüben, da er dies für kontraproduktiv hielt. Er versprach lediglich, als „ehrlicher Makler“ aufzutreten.175 Wilson sah sich nach der Rundreise vor ein Dilemma gestellt, denn weder wollte er den Schwung der Europainitiative verlieren noch durch übereiltes Vorgehen einen unwiderruflichen Rückschlag für die britischen Beitrittsbestrebungen herausfordern.176 Einen Ausweg bot die WEU, die es ermöglichte, multilateral über das britische Beitrittsinteresse zu sprechen, ohne sich bereits formal auf ein Beitrittsgesuch festzulegen. Wilson wünschte deshalb ausdrücklich die Teilnahme von Außenminister Brown am WEU-Treffen, um die Impulse der Rundreise zu 170 Kurt Georg Kiesinger: Regierungserklärung vom 13.12.1966 vor dem Deutschen Bundestag, in: Siegler, (Hg.), S. 384–386. 171 Gespräch des Bundeskanzlers Kiesinger mit Staatspräsident de Gaulle in Paris am 13.1.1967, in AAPD 1967I/16, S. 91/92. Für Informationen zur Haltung Kiesingers vgl. auch Böhmer, S. 215–223. Laut Wille ist die Unterstützung des britischen EG-Beitritts immer offizielle deutsche Politik gewesen. Dafür hatten wirtschaftlich die Argumente gesprochen, dass der Gemeinsame Markt vergrößert und der deutsche Beitrag zur GAP gesenkt würde. Allerdings waren die Fusion der drei Gemeinschaften und der Fortschritt hin zu einer Wirtschaftsunion gleichermaßen wichtig. Noch wichtiger war, die deutsch-französische Aussöhnung und das Funktionieren der EG zu verteidigen. Vgl. Wille, S. 230. Siehe zudem das Kapitel VI.1. 172 Vgl. Hartmut Philippe: „The Germans Hold the Key.“ Anglo-German Relations and the Second British Approach to Europe, Augsburg 2007, S. 53. 173 Vgl. Parr, Britain’s Policy, S. 117. Laut Boehm hingegen war Brown optimistisch, dass das Risiko eines Vetos gesunken war. Vgl. Lasse Michael Boehm: Our Man in Paris: The British Embassy in Paris and the Second UK Application to Join the EEC, 1966–67, in: Journal of European Integration History 10 (2004), S. 51. 174 Gespräch von Wilson und de Gaulle am 25.1.1967, in: NA, FO 800/982 und die Gespräche von Wilson und Brown mit Pompidou und Couve de Murville am 24. und 25.1.1966, in: NA. FO 800/982. 175 Gespräche von Wilson und Kiesinger am 15./16.2.1967 in Bonn, in: NA, FO 800/982 und Gespräch des Bundeskanzlers Kiesinger mit Premierminister Wilson am 15.2.1967, in: AAPD 1967I/55, S. 276–278. 176 Auf dieses Dilemma verwies Wilson im Gespräch mit dem niederländischen Regierungschef Zijistra am 27.2.1967 in Den Haag. Siehe Gesprächsaufzeichnung in NA, FO 800/982.
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wahren. 177 Brown stimmte mit Wilsons Einschätzung überein. Er sah das WEUTreffen als hervorragende Gelegenheit, sich über den neuesten Stand der jeweiligen Positionen zu informieren, so dass er sich entgegen vorheriger Planung zur Teilnahme entschloss.178 Auf dem WEU-Treffen am 5. April 1967 in Rom warb Brown nochmals für den britischen EG-Beitritt. Er wiederholte, dass alle wirtschaftlichen Probleme eines EG-Beitritts lösbar seien. Zudem betonte er die politischen Motive eines Beitritts. So wolle Großbritannien helfen, dass ein vereinigtes Europa eine effektive Rolle in der Welt spielen könne. Brown appellierte, dass sich alle bei der Entscheidung über einen britischen EG-Beitritt das Wohl Europas vor Augen halten und als Europäer denken und handeln sollten. Die Fünf äußerten sich positiv zur Frage des britischen EG-Beitritts, lediglich über die Frage des Zeitpunkts eines Beitrittsgesuches divergierten die Meinungen. Luns forderte ein schnelles Beitrittsgesuch, während Brandt anmahnte, auf realistische Aussichten für erfolgreiche Verhandlungen zu warten und deshalb einen Antrag in der zweiten Jahreshälfte 1967 vorschlug. Der französische Generalsekretär des Quai d’Orsay, Alphand179, sprach hingegen von ernsten Problemen bezüglich einer EG-Erweiterung, so dass Frankreich erst Stellung beziehen könne, wenn die Probleme in Form und Substanz vertieft studiert seien. 180 Frankreich spielte auf Zeit. Die Zeit unverbindlicher Vorsondierungen – auch in der WEU – war vorbei, als Wilson am 2. Mai die Entscheidung zum EG-Beitrittsgesuch im britischen Unterhaus verkündete.181 Am 10. Mai 1967 stimmte das Unterhaus mit 488 zu 62 Stimmen für das Beitrittsgesuch.182 Nur einen Tag später übergab Großbritannien in Brüssel das offizielle EG-Beitrittsgesuch.183 Die Reaktion aus Paris zeigte, dass die Probleme damit erst richtig anfingen. Am 16. Mai machte de Gaulle in einer Pressekonferenz deutlich, dass er einem britischen Beitritt nicht zuzustimmen gedenke. Er wiederholte die verschiedenen von Frankreich in der Vergangenheit aufgeführten Probleme, die mit einem britischen Beitritt verbunden wären und betonte insbesondere die drohende Veränderung des Charakters der EG.184 177 Brief von M. an Brown vom 15.3.1967, in: NA, FO 800/975. 178 Gespräch von Wilson und Brown mit Werner und Grégoire am Nachmittag des 8.3.1967 in Luxemburg, in: NA, FO 800/982. 179 Alphand führte auf diesem Treffen die französische Delegation an, da es nach den französischen Parlamentswahlen im März 1967 noch an einem feststehenden Kabinett fehlte. 180 Für Browns Rede zum EG-Beitritt und Reaktionen auf dem WEU-Wirtschaftstag am 5.4.1967 in Rom siehe Lahr vom 6.4.1967, in: PA/AA, B21/670, Telegramm Nr. 426 des FO an Rom vom 6.4.1967, in: NA, FO 800/986 und Telegramm Nr. 278 von Shuckburgh, Rom, an das FO vom 5.4.1967, in: NA, FCO 62/7. 181 Harold Wilson: Erklärung des EWG-Beitrittsantrages in britischem Unterhaus am 2. Mai 1967, in: EA 22 (1967), S. D 246–249. 182 Dabei stimmten 36 Labour-Abgeordnete mit Nein und weitere 50 Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Vgl. Deighton, The Second British Application, S. 396. 183 Telegramm Nr. 795 von Sachs, Brüssel, an das AA vom 11.5.1967, in: PA/AA, B20– 200/1464. Dabei übergab Großbritannien je ein Beitrittsgesuche zur EWG und zur Euratom. 184 Charles de Gaulle: Pressekonferenz des französischen Staatspräsidenten vom 16. Mai 1967, in: EA 22 (1967), S. D 249–253.
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De Gaulle verzichtete zwar auf ein Veto, doch ließen seine Äußerungen und sein Gegenvorschlag einer Assoziation zwischen den EG und Großbritannien kaum Fragen offen.185 Auch ein Treffen Wilsons mit de Gaulle am 19. Juni stimmte den französischen Präsidenten nicht um.186 Nach diesem Gespräch erkannte der britische Premierminister, dass er de Gaulle durch direkte Gespräche nicht würde überzeugen können.187 Dennoch hielt Großbritannien weiter am Beitritt fest und hoffte, dass Frankreich zumindest die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen nicht verhindern würde.188 Doch bereits bei diesem ersten Schritt erfüllten sich die britischen Hoffnungen nicht. Frankreich verhinderte im EWG-Ministerrat die erforderliche britische Eröffnungsrede zum Beitrittsgesuch, indem es zuvor eine Diskussion der EG-Staaten über mögliche Veränderungen der EG nach einer Erweiterung einforderte.189 Aufgrund dieser französischen Blockadehaltung kam wieder die WEU als nützliches Instrument ins Spiel. Nachdem Frankreich in der EWG-Ratssitzung am 26. Juni 1967 eine britische Anhörung erneut verhinderte, schlugen die Bundesrepublik und Belgien Großbritannien vor, die offizielle Beitrittsrede gut eine Woche später in der WEU zu halten.190 Großbritannien war aufgrund der kurzen Vorbereitungszeit zunächst wenig angetan von dieser Idee.191 Es griff den Plan jedoch auf, da es nach Einschätzung des Foreign Office politisch unverzeihlich gewesen wäre, auf diese Möglichkeit zu verzichten. 192 Großbritannien versprach sich zudem von einer Eröffnungsansprache in der WEU den Vorteil, schnell in die Verhandlungen einsteigen zu können. 193 Um Frankreich die Chance zu nehmen, den offiziellen Charakter einer Rede in der WEU für EG-Angelegenheiten anzufechten, beschloss die britische Regierung, den Wortlaut der Rede offiziell dem amtierenden EWG-Ratspräsidenten Brandt und dem künftigen EG-Kommissionspräsidenten 185 Philippe bezeichnet dies als ein verdecktes Veto. Vgl. Philippe, S. 72. 186 De Gaulle kritisierte die enge Bindung Großbritanniens an die USA. Zudem müssten die EG zunächst prüfen, welche Auswirkungen ein britischer Beitritt auf die Landwirtschaft, monetäre Aspekte, Kapitalbewegung und auf politische Aspekte haben werde. Wilson erwiderte, dass Großbritannien die Römischen Verträge akzeptiere und ein loyales EG-Mitglied sein werde. „Record of a Conversation between the Prime Minister and the President of France at the Grand Trianon, Versailles, on 19th June, 1967“, in: NA, FCO 33/57. 187 Vgl. Parr, Britain’s Policy, S. 160. 188 Vgl. Wille, S. 235. 189 Für die Sitzung des EWG-Ministerrats am 8.6.1967 siehe Botschafter Sachs, Brüssel (EWG/EAG), an das Auswärtige Amt am 9.6.1967, in: AAPD 1967II/209, S. 879/880. 190 Den konkreten Vorschlag zur WEU-Nutzung machte der belgische Außenminister Harmel. Telegramm Nr. 343 von Barclay, Brüssel, an das FO vom 27.6.1967, in: NA, FCO 30/101. Der Anstoß für diesen Vorschlag kam indes von Brandt. Telno Nr. 681 des FO an Brüssel vom 27.6.1967, in: NA, FCO 30/101 sowie Bundesminister Brandt an die Botschaft in London vom 27.6.1967, in: AAPD 1967II/236, S. 963/964. 191 Aufzeichnung von O’Neill vom 27.6.1967, in: NA, FCO 30/101. 192 O’Neill vom 27.6.1967, in: NA, FCO 30/101 und das FO vom 27.6.1967, in: NA, FCO 30/101. Bereits am 27.6. übermittelte Brown an Brandt die Bereitschaft, das Eröffnungsstatement in der WEU abzugeben. Telno Nr. 1853 des FO an Bonn vom 27.6.1967, in: NA, FCO 30/101. 193 Aufzeichnung „Opening Statement, Euro (67)89, Cover Note“, in: NA, FCO 30/101.
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Rey zu übergeben. 194 Im Quai d’Orsay suchten die Beamten derweil erfolglos nach prozeduralen Möglichkeiten, eine Diskussion im Anschluss an die geplante Rede Browns zu blockieren.195 Browns Beitrittsrede auf dem WEU-Ministertreffen am 4. Juli 1967 in Den Haag markiert den Höhepunkt der Rolle der WEU in der EG-Erweiterungsfrage. Brown erklärte, dass der Beitrittsantrag vor allem politisch motiviert sei, da Großbritannien eine politische Einigung Westeuropas anstrebe. Gleichzeitig sei eine technologische Kooperation wünschenswert, da politischer Einfluss der EG aus wirtschaftlicher Stärke erwachse. Brown relativierte die Befürchtung, dass die Erweiterung eine Veränderung des EG-Charakters mit sich brächte, da sich Großbritannien zur Zielsetzung der Römischen Verträge bekenne. Die britische Regierung strebe kurze Beitrittsverhandlungen an, nur wenige Aspekte müssten vorweg geklärt werden. Brown schlug vor, für das erste Jahr der Übergangsphase eine Periode des Stillstands festzusetzen, wie dies nach der EWG-Gründung 1958 geschehen sei. Brown äußerte sich auch zu bestehenden Problemen, wie beispielsweise in der Landwirtschaft und im Bezug zum Commonwealth, die allesamt lösbar seien. Abschließend appellierte er an das gesamteuropäische Interesse an schnellen und erfolgreichen Verhandlungen und übergab den Wortlaut der Rede an Brandt.196 Die „Friendly Five“ begrüßten Browns Ausführungen und unterstützten das Beitrittsgesuch. Brandt sprach von einem Meilenstein, der auf dem Weg zum vereinten Europa erreicht sei. Dazu gratulierte er Großbritannien und Europa. Das britische Beitrittsgesuch werde ernst genommen, auch wenn noch kein Zeitplan festgelegt werden könne. Der französische Staatssekretär Bettencourt reagierte hingegen ausweichend. Er anerkannte die Bedeutung der britischen Entscheidung, doch betonte er die besonderen Interessen, die Großbritannien beim Beitritt gewahrt wissen wolle. Dazu habe eine detaillierte Studie durch die EG noch nicht begonnen. Frankreich könne erst Stellung nehmen, wenn die Gemeinschaft die aufgeworfenen Probleme geprüft habe.197 Am zweiten Tag des WEU-Treffens 194 Telegramm von Marjoribanks, Brüssel, an das FO vom 28.6.1967, in: NA, FCO 30/101. Da Rey die Präsidentschaft der fusionierten EG-Kommission erst am 6.7.1967 übernahm, wurde das Schreiben an ihn auf den 6.7.1967 datiert. Telno 1903 des FO an Bonn vom 3.7.1967, in: NA, FCO 30/101. 195 Telegramm Nr. 696 von Reilly, Paris, an das FO vom 3.7.1967, in: NA, FCO 30/101 und Telegramm Nr. 701 von Reilly, Paris, an das FO vom 3.7.1967, in: NA, FCO 30/101. 196 Für Browns Rede siehe den „Text of a Statement made on behalf of Her Majesty’s Government by the Secretary of State for Foreign Affairs at the Meeting of the Council of Western European Union at the Hague on 4 July 1967“, in: NA, FCO 30/101. Browns Rede wird einhellig als sehr pro-europäisch beurteilt. Vgl. Parr, Britain’s Policy, S. 162, Ludlow, The European Community, S. 139 und Philippe, S. 74. 197 Für Reaktionen auf Browns Rede siehe Garran vom 4.7.1967, in: NA, FCO 30/101, MeyerLindenberg vom 7.7.1967, in: PA/AA, B21/670 und Cazimajou vom 6.7.1967, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015. Luns pries die Rede Browns, die weitere Diskussionen erleichtere. Harmel sprach davon, dass Großbritannien einen neuen Schritt gewagt habe und zeigte sich beeindruckt, dass Großbritannien die Römischen Verträge respektiere. Fanfani erwähnte das kontinuierliche italienische Interesse am britischen Beitritt, das politisch und wirtschaft-
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bemühte sich Bettencourt zudem, der Rede Browns den offiziellen Charakter abzusprechen. Er argumentierte, dass es Sache des EWG-Rates sei zu bestimmen, mit welchen Dokumenten er befasst sei. Dieser Sichtweise widersetzte sich der WEU-Ratsvorsitzende Luns, der anmerkte, dass die Rede dem EWG-Ratsvorsitzenden und dem Kommissionspräsidenten übermittelt worden sei. Es sei unmöglich zu verneinen, dass aus der Rede ein EWG-Dokument geworden sei. Ebenso sei es eine Tatsache, dass es eine Besprechung über das Statement gegeben habe. Bettencourt schloss sich dieser Auffassung nicht an und beharrte darauf, dass ein Dokument nicht durch eine Aktion in der WEU zu einem offiziellen EWGDokument werden könne. Allerdings stand er mit dieser Haltung allein, so dass er es aufgab, den offiziellen Charakter von Browns Rede anzufechten. 198 Die Rede auf dem WEU-Ministertreffen erzielte damit den von Großbritannien und der Bundesrepublik gewünschten Erfolg. Die erste Hürde des britischen Beitrittsgesuches war genommen, so dass die erforderlichen weiteren Schritte innerhalb der EG angegangen werden konnten.199 Frankreich konnte sich nicht länger dagegen sperren, im EWG-Ministerrat über die Erweiterungsfrage zu sprechen.200 Dies änderte zwar nichts an der unverändert negativen Haltung de Gaulles, doch blieb offen, wie er mit dem Beitrittsgesuch umgehen würde.201 Nachdem die WEU diesen substantiellen Beitrag geleistet hatte, kamen Zweifel auf, ob und wie die WEU weiter für den britischen EG-Beitritt eingesetzt werden könnte. Die WEU erschien wenig hilfreich und sogar kontraproduktiv, da sich das Beitrittsgesuch zur weiteren Diskussion innerhalb der Brüsseler EGStrukturen befand. Die Bundesrepublik befürchtete, mit einer Diskussion auf dem nächsten WEU-Ministertreffen Frankreich zu verärgern und die Gespräche in den EG zu gefährden. 202 Allerdings konnte ein Vorschlag zum Verzicht auf diesen Diskussionspunkt ungewollt den Eindruck eines nachlassenden Interesses am britischen EG-Beitritt erwecken und einen Präzedenzfall für künftige WEU-Treffen
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lich keine unlösbaren Probleme aufwerfe. Grégoire äußerte sich ebenfalls positiv. Zudem meinte Rey, dass Browns Rede hilfreich für den geplanten Kommissionsbericht zur EGErweiterung sei. Vgl. ebenda. Zu diesem Streit siehe Telegramm Nr. 292 von Garran, Den Haag, an das FO vom 5.7.1967, in: NA, FCO 30/101 und Fernschreiben Nr. 214 von Forster, Den Haag, an das AA vom 5.7.1967, in: PA/AA, B21/670. Meyer-Lindenberg vom 7.7.1967, in: PA/AA, B21/670. Vgl. Ludlow, The European Community, S. 139. Vgl. Parr, Britain’s Policy, S. 163. Für De Gaulles Haltung siehe das Gespräch des Bundeskanzlers Kiesinger mit Staatspräsident de Gaulle am12.7.1967, in: AAPD 1967II/261, S. 1037–1040. Kiesinger teilte daraufhin Großbritannien mit, dass sich de Gaulles Haltung zwar nicht geändert habe, er indes nicht mit einem Veto rechne. De Gaulle halte sich eine Hintertür offen. Gespräch des Bundeskanzlers Kiesinger mit dem britischen Botschafter Roberts am 25.7.1967, in: AAPD 1967II/280, S. 1125. Aufzeichnung von Meyer-Lindenberg „Westeuropäische Union / Tagung des Ministerrats am 12./13. Oktober 1967 in London“ vom 12.9.1967, in: PA/AA, B20/1280.
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schaffen. Deshalb überließ die Bundesrepublik Großbritannien die Entscheidung über das weitere Vorgehen. 203 Großbritannien teilte die Sorgen der Bundesrepublik, doch wollte es nicht darauf verzichten, in der WEU die Stellungnahme der EG-Kommission zum britischen EG-Beitritt vom 29. September 1967 zu kommentieren. Darin sprach sich die Kommission zwar für den britischen Beitritt aus, erwähnte aber zugleich die wirtschaftlichen Probleme Großbritanniens. Die Kommission hielt unter anderem die Rolle des Pfund Sterling als Reservewährung für unvereinbar mit einer EGMitgliedschaft und schloss Veränderungen des EG-Charakters nach einer Erweiterung nicht aus.204 Eine Reaktion auf diese Kritikpunkte der Kommission schien aus britischer Sicht notwendig, da der Bericht Frankreich handfeste wirtschaftliche Argumente gegen den Beitritt in die Hand zu spielen drohte.205 Zudem war noch keine Entscheidung über den Beginn der Beitrittsverhandlungen gefallen. Allerdings beschloss das britische Kabinett, auf dem WEU-Treffen behutsam vorzugehen.206 Dies war ratsam, da Frankreich Diskussionen über den Kommissionsbericht in der WEU ablehnte. Dabei war dem Quai d’Orsay bewusst, dass es indirekte Verweise Großbritanniens auf den Kommissionsbericht kaum verhindern konnte.207 Genau diesen Weg schlug Großbritannien tatsächlich ein. Großbritannien verzichtete auf dem Londoner WEU-Ministertreffen darauf, den Kommissionsbericht direkt anzusprechen und dessen kritische Inhalte zu widerlegen. Allerdings nutzte Lord Chalfont – der Thomson als Staatsminister mit speziellen europäischen Aufgaben nachgefolgt war – die Gelegenheit, beim Bericht über die wirtschaftliche Entwicklung in Großbritannien auf Kritikpunkte des Berichts zu reagieren. Er rückte die britische Wirtschaftslage in ein positives Licht und stellte in Aussicht, über die kritisierte Reservefunktion des Pfund Sterling in der Weltwirtschaft zu diskutieren, obgleich er sie für vereinbar mit den EGRegeln hielt. Zudem wiederholte er die Bereitschaft, die EG-Verträge zu akzeptieren, lediglich die Übergangsfristen und wenige weitere Aspekte bedürften einer besonderen Regelung. Abschließend erbat Chalfont eine zügige Entscheidung der EG über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Einen schnellen Verhandlungsbeginn forderten auch die Fünf. Der deutsche Staatsekretär Lahr bemühte sich um eine sichtbare Unterstützung Großbritanniens. Er sagte, dass aus deutscher Sicht die positive Entwicklung der britischen Wirtschaft durch die Nahost203 Meyer-Lindenberg vom 12.9.1967, in: PA/AA, B20/1280 und das Telegramm Nr. 1272 von Roberts, Bonn, an das FO vom 20.9.1967, in: NA, FCO 30/56. 204 Vgl. die Stellungnahme der EG-Kommission an den Rat vom 29. September 1967 zu den Beitrittsgesuchen Großbritanniens, Irlands, Dänemarks und Norwegens, in: EA 22 (1967), S. D 481–499. Laut Ludlow hatte der Kommissionsbericht Großbritannien wenig geholfen, obgleich die Kommission im Gegensatz zu 1963 den britischen Beitritt voll unterstützte. Vgl. Ludlow, The European Community, S. 141/142. 205 Telno Nr. 882 des FO an Brüssel vom 2.10.1967, in: NA, FCO 30/56. 206 „Minutes of Meeting held at 10 Downing Street on Monday, 9th October 1967 at 5.30 p.m.“, in: NA, FCO 30/99. 207 Aufzeichnung Nr. 118/CE des SCE „A.s. Conseil de l’U.E.O.-: 12–13 octobre 1967, Demande d’adhésion britannique.“ vom 10.10.1967, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2021.
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krise und damit durch einen externen Faktor unterbrochen worden sei. Die grundsätzlichen Aussichten der britischen Wirtschaftsentwicklung blieben ermutigend, so dass die Bundesrepublik für den britischen EG-Beitritt eintrete. Bettencourt hingegen betonte die Wirtschaftsprobleme. Er sprach sich gegen einen schnellen Verhandlungsbeginn aus, da zuvor die EG-Staaten sorgfältig die Vor- und Nachteile einer EG-Erweiterung diskutieren müssten.208 Das Londoner WEU-Treffen endete ohne Streit, doch blieb es zugleich ergebnislos, da lediglich bekannte Positionen wiederholt wurden. Mehr hatte auch kein WEU-Staat erwartet, da die diplomatische Schlacht um den britischen EG-Beitritt nun in den EG ausgefochten werden musste. Aus diesem Grunde war Brown – und dies auch nur zur Eröffnung – der einzige anwesende Außenminister. Mit der Überführung des britischen Beitrittsgesuches in die EG war die wirtschaftliche Hauptaufgabe der WEU – ihre unterstützende Rolle in der EG-Erweiterung – zunächst erfüllt. 2.4. Bewertung der WEU-Rolle Von März 1966 bis Oktober 1967 wuchs die europapolitische Bedeutung der WEU durch das britische EG-Beitrittsgesuch deutlich an, wobei sich die Differenzen der WEU-Staaten über die EG-Erweiterung im Einsatz der WEU widerspiegelten. Für Großbritannien erhöhte sich ab März 1966 die Bedeutung der WEU. Die Vorbereitung des EG-Beitrittsgesuches hatte zur Folge, dass Großbritannien die WEU nicht mehr nur für kontinuierliche Kontakte mit den EG und bescheidene Kooperationsversuche einsetzte, sondern mit ihrer Hilfe konkret auf die EGErweiterung abzielte. Die Diskussionen in der WEU halfen, die ernsthaften Absichten der Labourregierung zu unterstreichen und Frankreich in eine Außenseiterposition zu manövrieren. Den Höhepunkt markierte das Haager WEU-Treffen, mit dem Großbritannien eine erste französische Hürde auf dem Weg zu EG-Beitrittsverhandlungen überwand. Allerdings betrachtete Großbritannien den Einsatz der WEU zwiespältig. Diskussionen in der WEU durften weder die britische Verhandlungsposition schwächen noch Gespräche in den EG behindern. Die Prädominanz des EG-Beitritts bewirkte zugleich, dass Großbritannien auf Forderungen für verbesserte WEU-Wirtschaftskontakte verzichtete. Das EG-Beitrittsgesuch überlagerte zudem die politische Rolle der WEU. Großbritannien partizipierte zwar aktiv an allen inhaltlichen Diskussionen und nutzte im Fall des französischen NATO-Austrittes die Chance, auf veränderte politische Rahmenbedingungen zu reagieren. Allerdings wiederholte die Labourregierung weder ihre Grundsatzkritik aus dem November 1964 noch machte sie Vorschläge für grundlegende 208 Für die Rede Chalfonts und die Reaktionen der anderen WEU-Staaten am 13.10.1967 in London siehe Lahr, London, vom 13.10.1967, in: PA/AA, B21/670 und Cazimajou vom 17.10.1967, in: MAE, Europe, GB/217. Zu den Diskussionen über die britische Wirtschaftslage vgl. auch das Kapitel V.2.3.1.
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Veränderungen der WEU-Arbeitsweise. Großbritannien blieb an guten außenpolitischen Kontakten interessiert und reagierte positiv auf den Bericht der WEUVersammlung über die Zukunft der WEU und Brandts Vorstoß zu intensiveren Konsultationen. Allerdings hatte es kein Interesse, durch Streit mit Frankreich über die politische Rolle der WEU die Aussichten des EG-Beitritts zu verschlechtern. Zudem drohte gegenwärtig keine exklusive außenpolitische Zusammenarbeit der EG-Staaten, so dass Großbritannien die WEU nicht als Abwehrmittel benötigte. Aufgrund seines primären Zieles eines EG-Beitritts konnte Großbritannien in dieser Phase mit der Arbeit der WEU zufrieden sein, da sie für die Vorbereitung und Durchführung des Beitrittsgesuches wertvolle Dienste leistete. Zudem betrachtete Großbritannien die WEU bis zum Beitritt als wertvolles Bindeglied an die EG.209 Die französische Haltung zur WEU blieb unverändert kritisch. Frankreich lehnte alle Versuche ab, die Beziehungen zwischen den EG und Großbritannien mit neuen WEU-Mechanismen zu institutionalisieren. Dahinter stand das Motiv, die EG-Erweiterung und die britische Partizipation an außenpolitischen Kooperationen der Sechs zu unterbinden.210 Diese abwehrende Haltung zeigte sich im politischen Bereich an zwei Beispielen. Zum einen verhinderte Frankreich, die Diskussionen in der WEU-Versammlung über die Zukunft der WEU in den WEU-Rat zu übertragen. Zum anderen blockierte Frankreich durch eine fehlende Stellungnahme Brandts Vorschlag zu intensivierten Politikkonsultationen. An den inhaltlich ausgerichteten politischen Themen war Frankreich fortlaufend interessiert und beteiligte sich aktiv. Lediglich die Diskussionen über den eigenen Austritt aus der militärischen Integration der NATO kamen Frankreich ungelegen. Es war aber primär die wirtschaftliche Rolle der WEU, die Frankreich als störend empfand. Da es den britischen EG-Beitritt ablehnte, widersprach die Behandlung des Beitrittsgesuches in der WEU französischen Interessen. Dabei veränderte Frankreich seine Taktik, als es die Beitrittsdiskussionen in der WEU nicht verhindern konnte. Nachdem Frankreich zuvor kaum an den WEU-Wirtschaftsdiskussionen partizipiert hatte, betonte es nun Missstände der britischen Wirtschaftslage und Schwierigkeiten der EG-Erweiterung. Eine Ausnahme bildeten de Broglies Äußerungen im März 1966, die schnell heruntergespielt wurden. Besonders verärgert reagierte Frankreich auf die Tatsache, dass Großbritannien mit dem Haager WEU-Treffen den ersten Abwehrriegel gegen EG-Beitrittsverhandlungen knackte. Die unterstützende Funktion der WEU für das britische EG-Beitrittsgesuch führte dazu, dass Frankreich mit der Rolle der WEU 1966/1967 nicht zufrieden sein konnte. Ganz im Gegenteil sah sich de Gaulle auch aufgrund des erfolgreichen britischen Einsatzes der WEU dazu gezwungen, ein weiteres Veto einzulegen und die EG-Erweiterungskrise erneut auszulösen.
209 Siehe beispielhaft das „Ergebnisprotokoll über die deutsch-britischen Konsultationen am 1. und 2. Dezember 1966 in London“ des Referats IA5 vom 9.12.1966, in: PA/AA, B150/89. 210 Aufzeichnung der S/DEO „A.s. Union de l’Europe Occidentale.-“ vom 23.3.1967, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2021.
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Die Bundesrepublik versprach sich von der WEU nach wie vor integrationspolitische Vorteile. Die EG-Erweiterung blieb auch nach Kiesingers Amtsübernahme ein zentrales, wenn auch nicht das wichtigste europapolitische Ziel der Bundesregierung. Daher begrüßte die Bundesrepublik den Einsatz der WEU für das britische EG-Beitrittsgesuch. Sie bemühte sich um sichtbare Unterstützung Großbritanniens, partizipierte engagiert und trug entscheidend dazu bei, dass die britische Regierung die erforderliche EG-Beitrittsrede in der WEU hielt. Allerdings hielt sie wie Großbritannien einen verstärkten Rückgriff auf die WEU für das Beitrittsgesuch nur dann für nützlich, solange es nicht innerhalb der EG zu Diskussionen kam. Zudem verzichtete die Bundesrepublik angesichts des EGBeitrittsgesuches darauf, Verbesserungsvorschläge für die WEU-Wirtschaftsdiskussionen zu forcieren. Im politischen Bereich stellte sich in der Bundesrepublik ein dezenter Wandel ein. Zwar präferierte die Bundesrepublik weiterhin eine außenpolitische Zusammenarbeit der EG-Staaten, doch forderte Brandt angesichts der Stagnation entsprechender Versuche im Sechserrahmen eine bessere Umsetzung der WEU-Konsultationen, um die Außenpolitik zu harmonisieren. Dies war seit 1963 der erste von der Bundesrepublik initiierte Vorstoß im politischen Bereich der WEU. Davon abgesehen beteiligte sich die Bundesrepublik fortlaufend aktiv an den inhaltlichen Diskussionen. Ihr Urteil über die Arbeit der WEU 1966/1967 fiel positiv aus, da die WEU in dieser Phase ihre zentralen Aufgaben voll erfüllt hatte. Die WEU sollte aus deutscher Sicht der EG-Erweiterung dienen und – sofern notwendig – den EG-internen Streit über diese Frage verhindern. Aus diesem Grunde sah das Auswärtige Amt über mangelnde praktische Ergebnisse hinweg und betonte stattdessen die Vorzüge. Die WEU bot erstens das einzige multilaterale Forum für regelmäßige multilaterale außenpolitische Kontakte. Zweitens sei die symbolische Bedeutung dieser Kontakte gerade für Großbritannien wichtig und drittens belege das britische EG-Beitrittsgesuch den Wert der WEU-Wirtschaftsdiskussionen. 211 Insgesamt leistete die WEU einen offensichtlichen und wertvollen Dienst für das britische EG-Beitrittsgesuch. Zudem bot die WEU bis Mai 1967 das einzige multilaterale Forum auf Regierungsebene, in dem die EG-Erweiterung zur Debatte stand.212 Im politischen Bereich hingegen sank die Bedeutung der WEU, da es weder zu klaren Kooperationsvorschlägen kam noch die WEU gegen eine andere Form außenpolitischer Zusammenarbeit instrumentalisiert wurde.
211 Für diese Urteile siehe beispielhaft Aufzeichnung von Meyer-Lindenberg „Westeuropäische Union“ vom 30.9.1966, in: PA/AA, B21/664 und Aufzeichnung von Meyer-Lindenberg „Westeuropäische Union / Aufzeichnung des Stellvertretenden Generalsekretärs Krafft von Dellmensingen über die Künftige Rolle der WEU“ vom 27.6.1967, in: PA/AA, B21/324. 212 In diesem Zeitraum wurde die EG-Erweiterung nicht im EWG-Ministerrat diskutiert. Vgl. Ludlow: A Short-Term Defeat, S. 147.
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3. ZWISCHENFAZIT Der Überblick über die Phase zwischen den beiden akuten EG-Erweiterungskrisen von Oktober 1964 bis Oktober 1967 zeigt erneut divergierende nationale Ziele, die mit den WEU-Kontakten verbunden waren. Diese Unterschiede sowie der einsetzende Wandel der Labourregierung zum EG-Beitritt führten dazu, dass sich auch die Rolle der WEU im europapolitischen Kontext veränderte. Großbritannien konnte weiterhin am meisten durch die WEU-Kontakte gewinnen, solange es sich außerhalb der EG befand. Dies spiegelte sich weniger im Auftreten in den politischen Diskussionen wider, da Großbritannien anders als 1963 und 1964 keine Vorstöße für intensivierte außenpolitische Kooperationen unternahm. Dafür waren drei Gründe verantwortlich: Erstens waren die Misserfolge des Luns-Plans und der Lateinamerikainitiative noch allzu präsent, zweitens verschwand Anfang 1965 vorläufig das „Feindbild“ einer politischen Zusammenarbeit der Sechs und drittens sollte ab 1966 das EG-Beitrittsgesuch nicht durch politische Initiativen und daraus resultierende Unstimmigkeiten in der WEU gefährdet werden. Die Bedeutung der WEU-Politikdiskussionen nahm aus britischer Sicht ab. Gleichzeitig erhöhte sich bis Oktober 1967 die Bedeutung der WEUWirtschaftsdiskussionen. Dort übernahm die Labourregierung zunächst viele Elemente ihrer Vorgängerregierung, indem sie aktiv an den Wirtschaftsdiskussionen partizipierte und spezifische Kooperationen mit den EG sowie eine bessere Vorbereitung der Diskussionen forderte. Ab März 1966 setzte schließlich eine Veränderung ein, die den Wert der WEU noch erhöhte. Nachdem die konservative Regierung die WEU-Kontakte nur für einen allgemein gewünschten, späteren EGBeitritt hatte nutzen können, setzte die Regierung Wilson sie konkret für die Durchführung eines EG-Beitrittsgesuches ein, wobei Browns Beitrittsrede in Den Haag den Höhepunkt markierte. Prinzipiell war die WEU für Großbritannien von großem Wert, solange der Weg zu direkten Beitrittsverhandlungen mit den EG versperrt war. Frankreich lehnte die WEU-Kontakte auch in dieser zweiten Phase ab. Es entfiel sogar der aus französischer Sicht einzige Vorteil, EG-internen Streit über die EG-Erweiterung zu verhindern. Frankreich konnte nichts durch die WEU-Kontakte gewinnen und fürchtete stattdessen britischen Einfluss auf die Entwicklung der EG. Um die Bedeutung der WEU-Treffen für die Öffentlichkeit sichtbar zu minimieren, nahm Außenminister Couve de Murville ab 1965 an keiner Ministerratssitzung mehr teil. Den Politikdiskussionen stand Frankreich dabei entspannter gegenüber, auch weil es sich mit keinen nachhaltigen Versuchen zu strukturellen Veränderungen der WEU-Arbeitsweise konfrontiert sah. Die wenigen vagen Vorstöße erstickte Frankreich bereits im Keim. Die WEU-Wirtschaftsdiskussionen, die Frankreich schon per se missfielen, nahmen hingegen einen aus französischer Sicht schlechten Verlauf. Der Einsatz der WEU für das zweite britische EGBeitrittsgesuch stand der französischen Haltung in der EG-Erweiterungsfrage konträr gegenüber. Deshalb befand sich Frankreich in der WEU durchgehend in einem Abwehrkampf. Es versuchte zum einen, Diskussionen über den britischen EG-Beitritt zu unterbinden und offizielle Auswirkungen anzufechten, zum ande-
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ren sprach es Großbritannien die wirtschaftliche Eignung für den Beitritt ab. Mit beiden Methoden blieb Frankreich in der WEU erfolglos, so dass es EG-Beitrittsverhandlungen auf eine radikalere Weise verhindern musste. Die WEU hatte zu Entwicklungen beigetragen, die Frankreich befürchtet hatte, aber nicht verhindern konnte. Die Bundesrepublik erkannte weiterhin Vor- und Nachteile der WEU-Kontakte, wobei die Nachteile vorwiegend den politischen Bereich betrafen. Insbesondere noch 1965 – unter der Kanzlerschaft Erhards – sah die Bundesrepublik in der WEU eine Bedrohung für eine außenpolitische Kooperation der EG-Staaten. Nicht zuletzt durch den deutschen Regierungswechsel setzte Anfang 1967 dann ein dezenter Wandel ein. Der neue Außenminister Brandt forderte nun, die außenpolitischen Koordinierungsmöglichkeiten der WEU besser zu nutzen. Daraus entwickelte sich aber keine breit angelegte Initiative, da das britische EG-Beitrittsgesuch in den Vordergrund rückte. Das Ziel eines britischen EG-Beitritts hatte – neben der Erleichterung der internen EG-Entwicklung – aus deutscher Sicht von Beginn an den Hauptwert der WEU-Kontakte ausgemacht, so dass die Bundesrepublik selbst nach der Amtsübernahme der Labourregierung ihre Politik fortsetzte, die WEU-Wirtschaftsdiskussionen bestmöglich zu nutzen und Verbesserungen zu fordern. Ab März 1966 unterstützte die Bundesrepublik dann in der WEU nachdrücklich den britischen EG-Beitritt und half zudem, mittels der WEU das Beitrittsgesuch offiziell in die EG zu überführen. Die WEU war für die Bundesrepublik jedoch nie mehr als Mittel zum Zweck und sollte Entwicklungen in den EG keinesfalls behindern. Sie durfte nur unterstützend für eine positive Entwicklung der EG wirken. Somit hatte die WEU mit der Beihilfe in der EG-Erweiterungsfrage ihre entscheidende Aufgabe zunächst erfüllt. Losgelöst von diesen nationalen Sichtweisen kann für die Phase von Oktober 1964 bis November 1967 eine teilweise veränderte integrationspolitische Rolle der WEU nachgewiesen werden, obgleich deren prinzipielle Arbeitsweise gleich blieb. Zwei Unterschiede sind im Vergleich mit der Phase 1963/1964 offenkundig. Erstens diente die WEU nicht mehr als Instrument gegen eine Entwicklung im europäischen Integrationsprozess, nachdem die Pläne für eine EPU vorerst gescheitert waren. Zweitens herrschte keine akute EG-Erweiterungskrise vor, so dass die WEU nicht dazu beitragen musste, in dieser Streitfrage für eine Beruhigung EG-interner Streitigkeiten zu sorgen. Aufgrund dieser beiden Faktoren – sowie der Leeren Stuhl-Krise in der EWG – sank die europapolitische Bedeutung der WEU bis Anfang 1966 zunächst. Konstant blieb die Rolle der WEU für die EG-Erweiterung. Dabei diente die WEU nicht mehr nur dem kontinuierlichen Kontakt zwischen den EG und Großbritannien, sondern ab 1966 auf praktische Weise dem zweiten britischen EG-Beitrittsgesuch. Die WEU erreichte mit der EG-Beitrittsrede Browns beim Haager Ministertreffen 1967 ihre bis dato größte Bedeutung in der EG-Erweiterungsfrage, die lediglich mit dem WEU-Kompromiss aus dem Sommer 1963 zur Befriedung der akuten EG-Erweiterungskrise vergleichbar ist. Das zweite Veto de Gaulles führte schließlich dazu, dass sich die Rolle der WEU ab 1968 nochmals veränderte.
VI. DAS ZWEITE FRANZÖSISCHE VETO: ERNEUTER RÜCKGRIFF AUF DIE WEU (NOVEMBER 1967–FEBRUAR 1969) Das Veto de Gaulles im November 1967 läutete eine dritte Phase der WEUKontakte ein, da die EG-Erweiterungskrise neu aufflammte. Die Krise reichte bis zum Luxemburger WEU-Ministertreffen im Februar 1969. In diese Phase fällt die Suche nach alternativen Kontakten und Übergangslösungen. Zudem leitete der belgische Außenminister mit dem nach ihm benannten Harmel-Plan im Oktober 1968 die wichtigste Phase der WEU ein, indem er den Grundriss für eine intensivierte außenpolitische Zusammenarbeit zeichnete. Außerdem legte er den Grundstein für den französischen WEU-Boykott. 1. DIE BLOCKADE DES ZWEITEN BRITISCHEN EGBEITRITTSGESUCHES (NOVEMBER–DEZEMBER 1967) Das französische Veto gegen den britischen EG-Beitritt deutete sich bereits auf der EWG-Ministerratssitzung am 23. Oktober 1967 an, als Couve de Murville die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen ablehnte.1 Daran änderte der Beschluss der britischen Regierung zur Abwertung des Pfund Sterling am 18. November 1967 nichts, obgleich damit eine elementare französische Forderung erfüllt war.2 Wilsons Vorschlag für eine europäische technologische Gemeinschaft, mit der Großbritannien integrationspolitische Eigeninitiative zeigte, blieb ebenfalls wirkungslos.3 Auf einer Pressekonferenz am 27. November 1967 sprach de Gaulle das Veto offen aus. Er argumentierte, dass der britische Beitritt den Zerfall der EG mit sich brächte, da Großbritannien durch seine Währung, seine Wirtschaft und seine Politik nicht zu dem Europa gehören würde, das in den EG gegenwärtig erbaut werde. Frankreich sei deshalb lediglich zu einer Assoziation Großbritanniens mit den EG bereit.4 De Gaulles unmissverständlicher Absage an Großbritannien lag die Absicht zugrunde, bereits die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zu verhindern, um sich nicht in laufenden Verhandlungen allein gegen Groß1 2 3 4
Fernschreiben Nr. 1904 von Sachs, Brüssel, an das AA vom 25.10.1967, in: B20–200/1466A. Vgl. Parr, Britain’s Policy, S. 172. Laut Schmidt hatte Wilson es verpasst, die Abwertung bereits im März 1967 vorzunehmen und damit Frankreich Argumente gegen einen Beitritt zu nehmen. Vgl. Schmidt, S. 311–313. Harold Wilson: Rede auf dem Jahresessen des Oberbürgermeisters von London am 13. November 1967, in: EA 23 (1968), S. D 3–6. Charles de Gaulle: Pressekonferenz des französischen Staatspräsidenten vom 27. November 1967, in: EA 22 (1967), S. D 553–561.
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britannien stellen zu müssen.5 Zudem befürchtete Frankreich, dass in Beitrittsverhandlungen der gemeinsame Agrarfonds der EG (GAP) neu hätte verhandelt werden müssen, von dem Frankreich als Hauptagrarversorger innerhalb der EG überproportional profitierte und der Großbritannien hohe Beitragsleistungen aufgebürdet hätte.6 Allerdings waren Großbritannien und die „Friendly Five“ nicht gewillt, sich de Gaulles neuerlichem Veto zu beugen und einen schnellen Schlussstrich unter den britischen EG-Beitritt zu ziehen. 7 Wilson beharrte auf dem EGBeitrittsantrag, der auf dem Tisch lag.8 Der britische Premier hatte seine Entscheidung für den Beitritt getroffen und war nicht mehr bereit, Europa den Rücken zu kehren. 9 Auch die WEU-Versammlung empfahl, Beitrittsverhandlungen zu beginnen und verurteilte – mit Ausnahme der gaullistischen Abgeordneten – das französische Veto.10 Die Sitzung des EWG-Ministerrats am 18. und 19. Dezember 1967 brachte keine Lösung, da weder Frankreich noch die Fünf von ihrer Haltung abrückten. Auf der einen Seite verhinderte Frankreich die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen, auf der anderen Seite blieb der britische Antrag auf Betreiben der Fünf auf der Tagesordnung des EWG-Rates.11 Zudem hielt die britische Regierung an ihrem als alternativlos erachteten Beitrittsgesuch fest. 12 Dennoch war das Ziel des britischen Beitritts nach der EWG-Ratssitzung in der Praxis vorerst gescheitert. Verschiedene Gründe sind für das Scheitern verantwortlich. Im Vordergrund stand die Ablehnung de Gaulles, die auf politischen und wirtschaftlichen Motiven fußte und Parallelen zum ersten Veto im Januar 1963 aufwies. De Gaulle wollte die französische Vorherrschaft in den EG sichern und die künftigen EG-Strukturen – wie beispielsweise die GAP – vor einer Erweiterung festlegen. Hinzu kamen taktische Fehler der britischen Regierung, die zu wenig Substantielles getan hatte,
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Vgl. Parr, Britain’s Policy, S. 200 und Adamthwaite, S. 167. Vgl. Wille, S. 235. Frankreich war seit 1965 dabei, die Niederlande als Hauptagrarversorger abzulösen. Vgl. Ludlow, The European Community, S. 54. Die GAP stellte zugleich ein Problem für Großbritannien dar, da es Berechnungen zu Folge 35% der Gesamtbeiträge hätte leisten müssen. Vgl. Parr, Britain’s Policy, S. 134. 7 Vgl. Ludlow, The European Community, S. 143. 8 Harold Wilson: Rede vor der Parlamentarischen Presse in London am 29. November 1967, in: EA 23 (1968), S. D 35–40. 9 Vgl. Melissa Pine: Britain, Europe and the “special relationship“: finding a role 1967–1972, in: Jan van der Harst (Hg.): Beyond the Customs Union: The European Community’s Quest for deepening, widening and completion, 1969–1975, Brüssel 2007, S. 132. 10 Vgl. Empfehlung Nr. 165 der WEU-Versammlung vom 7. Dezember 1967, in: EA 23 (1968), S. D 41/42 und die Pariser Erklärung der in der WEU-Versammlung vertretenen Fraktionen der Christlichen Demokraten, Sozialisten und Liberalen vom 6. Dezember 1967, in: EA 23 (1968), S. D 40/41. 11 Vgl. Botschafter Sachs, Brüssel (EG), an das Auswärtige Amt am 20.12.1967, in: AAPD 1967III/442, S. 1687–1694. 12 George Brown: Erklärung vor dem Unterhaus am 20. Dezember 1967 zu den Ergebnissen der EG-Ratstagung am 18./19. Dezember, in: EA 23 (1968), S. D 45/46 und die vom britischen Kabinett angeforderte Studie „Consequences of United Kingdom Exclusion from the EEC“, in: NA, PREM 13/1488.
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um de Gaulle zu einem Umdenken zu bewegen.13 Zudem hatte die Bundesrepublik darauf verzichtet, Druck auf Frankreich auszuüben. Die Regierung Kiesinger/ Brandt war zwar für einen britischen EG-Beitritt, doch waren ihr die deutschfranzösischen Beziehungen wichtiger, so dass es zu keiner ernsthaften Auseinandersetzung mit Frankreich kommen durfte. Zudem erforderte die von der Bundesregierung angestrebte neue Ostpolitik eine gute Zusammenarbeit mit Frankreich.14 De Gaulles Veto brachte nur einen kurzfristigen Erfolg für Frankreich. Anders als 1963 war es de Gaulle nicht gelungen, die Beitrittsdiskussionen zu beenden. Die grundsätzliche EG-Erweiterung stand für die Fünf und Großbritannien nicht mehr in Frage, lediglich ihr Zeitpunkt war unbekannt. 15 Allerdings war im Dezember 1967 völlig offen, wie es angesichts der neuen EG-Erweiterungskrise kurz- und mittelfristig in der Beziehung zwischen den EG und Großbritannien weitergehen sollte. Darüber hinaus führte die Krise zu einem schärferen EGinternen Streit als 1963, der zudem deutlich länger anhielt. 16 Noch am 19. Dezember kamen die Außenminister der Fünf ohne Frankreich zu einer inoffiziellen Beratung zusammen. Luns forderte eine Reihe von bilateralen Abkommen der Fünf mit Großbritannien auf politischem, wirtschaftlichem und technologischem Gebiet, während sich Harmel allgemeiner für Konsultationen mit Großbritannien aussprach. Brandt hingegen mahnte – ebenso wie Fanfani und Grégoire – ein überlegtes Vorgehen an. Die Fünf sollten die Ergebnisse in der Weihnachtspause rekapitulieren und anschließend einhellig agieren.17 Dies gelang jedoch nicht. Zu den Unstimmigkeiten mit Frankreich in der EG-Erweiterungsfrage kamen im ersten Halbjahr 1968 divergierende Ansichten der Fünf über das weitere Vorgehen hinzu. Diese Unstimmigkeiten – zu denen Großbritannien beitrug – spiegelten sich innerhalb der WEU wider sowie in der grundsätzlichen Frage, welche Rolle die WEU in der neuen Krisensituation spielen sollte.
13 Vgl. Wille, S. 233. 14 Zu den Gründen des Scheiterns siehe Parr, Britain’s Policy, S. 152, Wille, S. 231–236, Böhmer, S. 221–223 und Ludlow, The European Community, S. 136/137. Eine Analyse des Auswärtigen Amtes hatte bereits im August 1967 ergeben, dass ein britischer EG-Beitritt für Frankreich deutlich mehr Nachteile als Vorteile hätte, für Großbritannien vorwiegend Vorteile mit sich brächte und sich für die Bundesrepublik ein quantitativ ausgeglichenes Bild zwischen Vor- und Nachteilen ergäbe. Vgl. die Voruntersuchung zur „Interessenlage Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens bei einem Beitritt Großbritanniens, (Irlands, Dänemarks und Norwegens) zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft“ im Anhang an die Aufzeichnung des Referats IA2 „Deutsche Europapolitik“ vom 24.8.1967, in: PA/AA, B20–200/1465. 15 Vgl. u. a. Ludlow, A Short Term Defeat, S. 146/147 und Parr, Britain’s Policy, S. 185/186. 16 Vgl. Ludlow, The European Community, S. 146/147 und Marie-Thérèse Bitsch: Histoire de la construction européenne de 1945 à nos jours, Brüssel 1996, S. 169. Laut Bossuat hatte das Veto sogar zu einer temporären Auflösung der Solidarität in Westeuropa geführt. Vgl. Gérard Bossuat: De Gaulle et la seconde candidature britannique aux Communautés européennes (1966–1969), in: Loth (Hg.), S. 529. 17 Zum Treffen der fünf EG-Staaten ohne Frankreich siehe Aufzeichnung des Botschafters Sachs, Brüssel (EG) am 19.12.1967, in: AAPD 1967III/441, S. 1684/1685.
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2. DIE ROLLE DER WEU NACH DEM AUSBRUCH DER KRISE (JANUAR–JULI 1968) Während nach dem ersten französischen Veto 1963 acht Monate vergingen, bis die Außenminister im WEU-Ministerrat zusammentraten, war es nach dem zweiten Veto schneller möglich, zu siebt über die neue EG-Erweiterungskrise zu beraten. Bereits am 29./30. Januar 1968 kam es zum Brüsseler WEU-Ministertreffen. Dort partizipierten mehr Außenminister an den Wirtschaftsdiskussionen als an den Politikdiskussionen, was für den Untersuchungszeitraum 1963–1970 ungewöhnlich war, da die Außenminister im Zweifel den außenpolitischen Gedankenaustausch bevorzugten. Außer Couve de Murville, der seine Politik der Abwesenheit fortsetzte,18 trafen alle anderen Außenminister zu den Brüsseler Wirtschaftsgesprächen ein. Dies zeigte, dass die WEU-Staaten die neu aufgeflammte EGErweiterungskrise primär auf dem wirtschaftspolitischen Sektor anzugehen gedachten. 2.1. Neue Ausgangspositionen und Lösungsvorstellungen nach dem Veto Frankreich hatte Ende 1967 seine Position zur EG-Erweiterung unmissverständlich deutlich gemacht und war nicht daran interessiert, die Kontakte zwischen den EG und Großbritannien mittels anderer Wege zu stärken. Zudem verdächtigte es Großbritannien, die Beziehungen zwischen Frankreich und seinen EG-Partnern erschweren zu wollen. 19 Die negative französische Haltung zu den WEU-Kontakten blieb somit bestehen. Es schien zudem unrealistisch, mit Hilfe der WEU den internen Streit in den EG über die Erweiterung zu beruhigen und die weitere innere Entwicklung der EG zu erleichtern. Dafür hatte de Gaulle seine EG-Partner zu sehr verärgert. Die WEU versprach Frankreich nach dem zweiten Veto keinerlei Vorteile. Großbritannien hielt nach der EWG-Ministerratssitzung am 18. und 19. Dezember 1967 am Ziel einer EG-Vollmitgliedschaft fest, auch wenn diese unter Präsident de Gaulle nicht möglich sein würde.20 Dazu sollte das EG-Beitrittsgesuch auf dem Tisch bleiben. Mit dieser Vorgehensweise zielte Großbritannien zudem darauf ab, die weitere Entwicklung der EG zu verzögern.21 Mit diesem Ziel 18 Couve de Murville eröffnete lediglich das WEU-Ministertreffen am 25.4.1968 in Paris, ließ sich aber umgehend von einem Staatssekretär vertreten. 19 Circulaire Nr. 56 von Alphand vom 23.2.1968, in: MAE, Europe, GB/218. 20 Telno 3628 des FO an Rom vom 20.12.1967, in: NA, PREM 13/1488. Laut Pine plädierten einige Stimmen in der britischen Administration für eine Abkehr von den EG. Dies war jedoch für Wilson und das Foreign Office nie eine Option. Vgl. Pine, Britain, Europe and the “special relationship“, S. 113. 21 „It is not and has not been our intention to work for a break-up of the community. It is true that some activities within the community may be halted or delayed. This is the penalty to be paid by the six for their inability to solve the problem of enlarging the community.“ Runderlass Nr. 319 des FO vom 22.12.1967, in: NA, PREM 13/1488.
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vor Augen sprach sich das Foreign Office für ein schnelles Vorgehen aus, um die Irritation der „Friendly Five“ mit Frankreich auszunutzen. Großbritannien strebte multilaterale Kontakte ohne Frankreich (5+1-Treffen) an, wobei mögliche Kooperationen die Außenpolitik, Verteidigung und Technologie umfassten. Die Frage eines formellen Rahmens solcher Treffen blieb dabei offen. 22 Die Präferenz für 5+1-Kontakte bedeutete indes, dass die WEU nicht das geeignete Instrument darstellte, die neue EG-Erweiterungskrise zu bekämpfen. Großbritannien hatte zudem kein Interesse daran, dass die WEU den Streit zwischen den EG-Staaten lindern könnte. Die Bundesrepublik nahm eine Mittelposition zwischen Großbritannien und Frankreich ein. Sie war für einen britischen EG-Beitritt, wollte diesen aber nicht gegen, sondern gemeinsam mit Frankreich erreichen. 23 Zugleich wollte sie eine drohende Stagnation der EG-internen Entwicklungen verhindern. 24 Das Auswärtige Amt suchte nach Zwischenlösungen, die sowohl für Großbritannien als auch für Frankreich akzeptabel waren. Primär wollte die Bundesrepublik Zeit gewinnen, da diese ohnehin für eine EG-Erweiterung spräche.25 Kiesinger sah dabei keinen Grund zur Hast, da eine Analyse des Kanzleramtes davon ausging, dass Großbritannien sich mangels Alternativen nicht von den EG abwenden würde. 26 Mit dieser Zielsetzung eines Zeitgewinnes fand sich die Bundesrepublik in einer unkomfortablen Rolle wieder, da es nicht mehr möglich war, eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden.27 Zudem hielt allein die Bundesrepublik die WEU für ein nützliches Instrument, auf das ob der neuen Krise zurückgegriffen werden könnte.28 Die unterschiedlichen Ansichten Großbritanniens und der Bundesrepublik über die Rolle der WEU und 5+1-Treffen offenbarten sich schnell. Brandt erteilte 5+1-Plänen frühzeitig eine Absage und erklärte, dass die Bundesrepublik kein Interesse an einem Rivalen für die EG habe.29 Dennoch schlugen Großbritannien und Italien vor, dass Belgien zu einem Außenministertreffen ohne Frankreich am 22 Zu den Überlegungen über die 5+1 Treffen siehe das FO vom 20.12.1967, in: NA, PREM 13/1488. Großbritannien hielt auch 5+4-Treffen für möglich, in welche die EG-Beitrittskandidaten Dänemark, Irland und Norwegen einbezogen werden könnten. Diese drei wurden auch in Vorschlägen seitens der EG-Staaten wiederholt mit einbezogen (siehe unten das Beneluxmemorandum). Die Entwicklungen 1968/1969 zeigten indes, dass die Beziehungen zwischen den EG und Großbritannien eindeutig im Mittelpunkt standen, auf welche sich diese Untersuchung exklusiv konzentriert. 23 Vgl. Ludlow, The European Community, S. 163/164. 24 Vgl. Henning Türk: The Grand Coalition in West Germany and Great Britain’s Second Application to Join the European Communities, 1966–1969, in: Journal for European Integration History 13 (2007), S. 58. 25 Vgl. Andreas Wilkens: L’Europe en suspens. Willy Brandt et l’orientation de la politique européenne de l’Allemagne fédérale 1966–1969, in: Loth (Hg.), S. 336. 26 Vgl. Ludlow, The European Community, S. 163/164. 27 Vgl. Wilkens, S. 338. 28 Vgl. ebenda, S. 335/336. 29 Gespräch des Bundesministers Brandt mit dem britischen Botschafter Roberts am 28.12.1967, in: AAPD 1967III/449, S. 1713–1716.
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Rande des Brüsseler WEU-Ministertreffens Ende Januar einladen sollte. 30 Brandt reagierte verärgert auf diesen britisch-italienischen Vorstoß.31 Staatssekretär Lahr machte Lord Chalfont deutlich, dass die Bundesrepublik nicht an einem solchen Treffen teilnehmen würde, womit sich die Idee erledigt hatte.32 Großbritannien und die Bundesrepublik stritten Anfang Januar zudem über den Nutzen der WEU. Großbritannien teilte mit, dass die WEU nicht der richtige Ort für weiterführende Gespräche sei, da Frankreich dort Diskussionen verhindern könne. Die Bundesrepublik hingegen hielt die WEU für nützlich, sofern Frankreich willig zur Partizipation sei. 33 Das deutsche Interesse an der WEU erhöhte sich, als die Benelux-Staaten mit einem Lösungsvorschlag in der EG-Erweiterungskrise aufwarteten. Sie schlugen in einem Memorandum vom 19. Januar vor, ein wirtschaftliches Konsultationsverfahren zwischen den EG-Staaten und den Beitrittskandidaten zu entwickeln und Kooperationen auf Gebieten außerhalb der EG-Verträge zu beginnen. Damit sollten Schwierigkeiten der EG-Erweiterung beseitigt werden, so dass der Vorschlag eindeutig auf einen späteren britischen Beitritt abzielte. Zudem beschlossen die Benelux-Staaten, ihre politische Zusammenarbeit zu intensivieren und sich vor jeder Entscheidung oder Stellungnahme zu Fragen von gemeinsamem Interesse und wichtigen Fragen der Außenpolitik zu konsultieren. Zu dieser engeren außenpolitischen Kooperation luden sie weitere europäische Staaten ein.34 Das Foreign Office nahm das Beneluxmemorandum positiv auf.35 Das Auswärtige Amt kritisierte, dass das Memorandum nicht auf eine Vermittlung in der EG-Erweiterungskrise mit Frankreich abziele und die vorgeschlagenen außen-
30 Aufzeichnung des Treffens von Brown und Fanfani am 29.12.1967 in Rom, in: NA, PREM 13/1488. 31 Aufzeichnung von Frank „Beitritt Großbritanniens zur EWG, hier: Gespräch des Herrn Staatssekretär Lahr mit dem britischen Botschafter am 4. Januar 1968“ vom 5.1.1968, in: PA/AA, B20–200/1469. 32 Gespräch von Lord Chalfont und Staatssekretär Lahr am 8.1.1968 in Bonn, in: NA, PREM 13/2110. Das deutsche Kabinett bestätigte diese Haltung am 10.1.1968. Vgl. Türk, The Grand Coalition, S. 58. 33 Gespräch von Chalfont und Lahr am 8.1.1968, in: NA, PREM 13/2110. 34 Aide-mémoire der Benelux-Staaten vom 19. Januar 1968, in: EA 23 (1968), S. D 128–130. Zum Verfahren schlugen die Benelux-Staaten einen Rückgriff auf den Vertrag zwischen der EGKS und Großbritannien vom 21. Dezember 1954 vor. Dieses Verfahren konnte aus Sicht der Benelux-Staaten um die Römischen Verträge ausgedehnt werden. Sollte das nicht möglich sein, müsste ein anderes Verfahren gefunden werden. Ziel war die „Aufstellung eines genauen Konsultationsverfahrens zwischen der Gemeinschaft, den Mitgliedstaaten und den Beitrittskandidaten, damit die Annäherung erleichtert und eine Zunahme der Unterschiedlichkeiten zwischen den Systemen der Beitrittskandidaten und der Gemeinschaften vermieden werden kann.“ Ebenda, S. D 129. Für mehr Informationen zum Beneluxmemorandum vgl. Dujardin, The Failed Attempt, S. 26–28. Zu den Positionen der weiteren EG-Staaten in der EG-Erweiterungskrise vgl. Ludlow, The European Community, S. 158–162. 35 Steering Brief für das WEU-Ministertreffen am 29./30.1.1968 in Brüssel, in: NA, FCO 41/261.
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politischen Konsultationen nicht umsetzbar seien.36 Die Bundesrepublik versuchte, die Debatte über das Beneluxmemorandum in die WEU zu lenken und damit fest im institutionellen Rahmen mit französischer Beteiligung zu verankern (vgl. Kapitel VI.2.2.).37 Die Bundesrepublik schlug vor, auf dem kommenden WEUMinistertreffen über Methoden und Themen für Kooperationen zwischen Großbritannien und den EG in Bereichen außerhalb der Römischen Verträge zu diskutieren. Großbritannien stimmte dem Vorschlag unter zwei Bedingungen zu: Erstens dürfte ein Staat die anderen Staaten nicht daran hindern, im Anschluss an das WEU-Treffen die Verhandlungen fortzuführen, so dass die Diskussionen nicht erst auf dem drei Monate später stattfindenden WEU-Treffen fortgesetzt würden. Zweitens sollten auch Themen aus dem EG-Bereich diskutiert werden dürfen.38 Großbritannien wollte mit diesen Forderungen verhindern, die Benelux-Vorschläge exklusiv in der WEU zu besprechen.39 Vor dem Brüsseler WEU-Ministertreffen ergab sich folgende Situation: Großbritannien akzeptierte eine Diskussion in der WEU über künftige Kooperationsformen, erklärte aber zum Ziel, die Voraussetzungen für Diskussionen außerhalb der WEU zu schaffen.40 Großbritannien setzte auf Kooperationen ohne Frankreich und wollte eine deutsch-französische Allianz gegen entsprechende Vorschläge verhindern.41 Die Bundesrepublik war bemüht, Frankreich mittels der WEU in die weitere Diskussion einzubinden und eine Verschärfung der Krise zu vermeiden. Frankreich selbst verhielt sich zurückhaltend. Es verband mit dem kommenden WEU-Ministertreffen keine Erwartungen, doch begrüßte es, dass die Bundesrepublik 5+1-Kooperationen ablehnte.42 Diese Erkenntnis stärkte die französische Position gegen Vorstöße der übrigen WEU-Staaten. Unter diesen Voraussetzungen begann Ende Januar die nächste Arbeitsphase der WEU.
36 Aufzeichnung des Referats IA2 „Memorandum der Benelux-Regierungen vom 19. Januar 1968 zur Lage der Europäischen Gemeinschaften, insbesondere zum Beitrittsproblem“ vom 26.1.1968, in: PA/AA, B20/1630. 37 Vgl. Türk, Europapolitik, S. 134. 38 Telno Nr. 302 des FO nach Bonn vom 22.1.1968, in: NA, PREM 13/2110 und Fernschreiben Nr. 143 von Blankenhorn, London, an das AA vom 22.1.1968, in: PA/AA, B21/671. 39 Telno 294 des FO an Den Haag vom 25.1.1968, in: NA, FCO 30/58. 40 Steering Brief für das WEU-Ministertreffen am 29./30.1.1968 in Brüssel, in: NA, FCO 41/261. 41 Briefing zum WEU-Ministertreffen am 29./30.1.1968 in Brüssel zum Unterpunkt „Relations between the United Kingdom, other EFTA countries, Ireland and the E.E.C.“, in: NA, FCO 30/58. Kiesinger sollte die Chance genommen werden, gegenüber de Gaulle auf dem deutschfranzösischen Treffen im Februar einzuknicken. Siehe Summary „Britain and Europe, C (68) 28“, in: NA, PREM 13/2110. 42 Aufzeichnung Nr. 9/CE des SCE „A/S Conseil de l’U.E.O.: Elargissement de la Communauté“ vom 24.1.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2021.
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2.2. Die WEU-Politikdiskussionen Obgleich die EG-Erweiterungskrise in der WEU primär in den Wirtschaftsdiskussionen zur Sprache kam, da dort das Verhältnis zwischen den EG und Großbritannien im Mittelpunkt stand, bestimmte die Krise zugleich die politischen Diskussionen. Dies galt vor allem für die grundsätzliche Frage, wie die politischen Diskussionen in der WEU fortgeführt werden sollten (s.u.) und weniger für die inhaltlichen Diskussionen über gemeinsam interessierende außenpolitische Fragen, die bezüglich Vorbereitung und Durchführung wie in den Jahren zuvor abliefen. Auf den Agenden der drei WEU-Ratstreffen fanden sich die Ost-WestBeziehungen mit dem Schwerpunkt der deutschen Ostpolitik und einer möglichen innereuropäischen Entspannungspolitik. Weitere Themen waren der Nahostkonflikt, Afrika, Lateinamerika, das Verhältnis der Sowjetunion zu Kuba und die Konferenz der blockfreien Staaten.43 An den Diskussionen beteiligte sich auch Frankreich aktiv, doch führte der politische Gedankenaustausch weder zur Koordinierung der nationalen Außenpolitiken noch zu gemeinsamen Beschlüssen. So lehnte Alphand auf dem Bonner WEU-Ministertreffen am 8. Juli 1968 den deutschen Vorschlag ab, eine gemeinsame Erklärung der WEU-Staaten zum nigerianischen Bürgerkrieg zwischen der Zentralregierung und der separatistischen BiafraBewegung zu erstellen. 44 Dieser inhaltliche Gedankenaustausch wurde von der grundsätzlichen Frage überlagert, inwiefern die außenpolitischen Diskussionen intensiviert werden könnten, da es sich in der WEU noch immer nicht um vertiefte Konsultationen handelte, sprich „eine Beratung mit abschließenden Ergebnissen“45. Die Bundesrepublik griff ihren Vorstoß aus dem ersten Halbjahr 1967 (vgl. Kapitel V.2.2.) auf und schlug vor, den politischen Diskussionen in der WEU größere Substanz zu verleihen. Ein Mittel dazu sollte eine vetofreie Tagesordnung sein, so dass mehr und besser geeignete Themen zur Sprache kämen. Dem deutschen Vorschlag lagen zwei Motive zugrunde: Zum einen war die Bundesrepublik unzufrieden, dass die 43 Über die Ost-West-Beziehungen beriet der WEU-Ministerrat auf allen drei Sitzungen. Über den Nahen Osten und Afrika sprachen die WEU-Staaten zweimal. Die übrigen Themen kamen bei je einem Treffen zur Sprache. Zum WEU-Ministertreffen am 29.1.1968 in Paris siehe Fernschreiben Nr. 36 von Blankenhorn, Brüssel, an das AA vom 30.1.1968, in: PA/AA, B20/1630. Zum WEU-Treffen am 25.4.1968 in Paris siehe Telegramm Nr. 36 von Reilly, Paris, an das FO vom 26.4.1968, in: NA, FCO 41/268, Fernschreiben Nr. 893 von Wickert, Paris, an das AA vom 26.4.1968, in: PA/AA, B20/1630 und Circulaire Nr. 111 von Puaux vom 26.4.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2022. Zum WEU-Ministertreffen am 8.7.1968 in Bonn siehe Runderlass des Ministerialdirektors Frank vom 09.07.1968, in: AAPD 1968II/219, S. 858–866, Telno Nr. 719 des FO an Bonn vom 11.7.1968, in: NA, FCO 73/25 und Telegramm Nr. 3865 von Seydoux, Bonn, an Paris vom 9.7.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2022. 44 Für eine spezifische Aufzeichnung zur Nigeria-Diskussion am 9.7.1968 in Bonn siehe Telegramm Nr. 3890/98 von Seydoux, Bonn, an Paris vom 9.7.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2022. 45 Entwurf des Referats IA1 „Intensivierung der politischen Konsultationen innerhalb der Westeuropäischen Union“ vom 15.8.1968, in: PA/AA, B21/673.
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gebotenen Möglichkeiten in der WEU nicht voll ausgenützt würden und es sich aufgrund französischen Widerstands um nicht mehr als einen Erfahrungsaustausch handele.46 Zum anderen verfolgte sie das Ziel, mit dem Hinweis auf den bestehenden Konsultationsmechanismus in der WEU die außenpolitischen Kooperationspläne des Beneluxmemorandums abzuwehren.47 Auf diese Weise sollte Frankreich, das dem Beneluxmemorandum kaum zustimmen würde, in die weitere Zusammenarbeit eingebunden werden. Frankreich und Großbritannien reagierten aus unterschiedlichen Gründen skeptisch auf den deutschen Vorstoß. Das Foreign Office teilte mit, dass die Vorschläge nicht neu und in der Vergangenheit an Frankreich gescheitert seien.48 Frankreich lehnte eine Intensivierung der WEUDiskussionen ab, da es keine engere politische Kooperation unter britischem Einschluss wollte.49 Trotz dieser Skepsis wiederholte die Bundesrepublik ihre Forderungen im April auf dem Pariser WEU-Ministertreffen. Der Parlamentarische Staatssekretär Jahn forderte erstens, frühzeitig Themen vorzuschlagen, damit genügend Vorbereitungszeit für ergiebige Diskussionen zur Verfügung stünde. Zweitens sollte die Tagesordnung mit aktuellen Themen angereichert werden und drittens sollten die Beratungen im Rat grundsätzlich vertieft werden.50 Diese Forderungen stießen auf unterschiedliche Resonanz. Während Frankreich sie kommentarlos zur Kenntnis nahm, gab es aus Reihen der übrigen WEU-Partner neben Zustimmung auch Vorbehalte. Belgien und die Niederlande verwiesen auf einen besseren Konsultationsmechanismus, den das Beneluxmemorandum bereitstelle. 51 Angesichts ihres eigenen Vorsitzes beim nächsten WEU-Ministertreffen setzte die Bundesrepublik in den folgenden Monaten ihr Bemühen um bessere Konsultationen fort. Hauptziele waren eine vielfältige Agenda und echte Diskussionen, die über den starren Austausch von vorbereiteten Erklärungen hinausgingen. Zudem regte die deutsche Botschaft in London an, den Ständigen WEU-Rat nicht nur mit der formalen (Beschluss der Tagesordnungspunkte), sondern auch inhaltlichen Vorbereitung der Ministertreffen zu befassen. 52 Das Auswärtige Amt stellte jedoch fest, dass die WEU-Partner die deutschen Vorschläge in der Praxis nicht
46 Aufzeichnung von Frank „Intensivierung der politischen Konsultationen im WEU-Rat“ vom 18.4.1968, in: PA/AA, B21/671 sowie die im Anhang an dieses Dokument beigefügte „Sachdarstellung.“ 47 Aufzeichnung von Lahr „Außenpolitische Konsultationen“ vom 29.2.1968, in: PA/AA, B20/1630. 48 Aufzeichnung von Lord Hood vom 22.4.1968, in: NA, FCO 41/268. 49 Fernschreiben Nr. 861 von Klaiber, Paris, an das AA vom 24.4.1968, in: PA/AA, B20/1630. 50 Für Details des Vorschlages siehe Aufzeichnung von Stadens „Westeuropäische Union / Tagung des Ministerrats am 25./26. April 1968; hier: Intensivierung der politischen Konsultationen“ vom 3.5.1968, in: PA/AA, B1/325. 51 Für die Reaktionen am 25.4.1968 in Paris siehe Wickert vom 26.4.1968, in: PA/AA, B20/1630, Puaux vom 26.4.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2022 und Reilly vom 26.4.1968, in: NA, FCO 41/268. 52 Aufzeichnung von Stadens „Westeuropäische Union / Sitzung des Ministerrats am 8. und 9. Juli in Bonn“ vom 6.5.1968, in: PA/AA, B21/672.
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unterstützten.53 Neben Frankreich, von dem keine Unterstützung zu erwarten war, zeigte sich auch Großbritannien wenig hilfreich. Auf der einen Seite hatte Großbritannien inhaltliche Bedenken. Es hielt Vorschläge wie eine stärkere Einbeziehung des Ständigen WEU-Rates für schwer umsetzbar, da Frankreich aufgrund der Einstimmigkeitsregel Fortschritte leicht verhindern könnte.54 Großbritannien hielt es für sinnvoller, dass der WEU-Vorsitzende die Diskussionen im WEUMinisterrat zusammenfassen sollte, um zu gemeinsamen Standpunkten zu kommen. 55 Auf der anderen Seite vermutete Großbritannien, dass die Bundesrepublik mit ihrem Vorschlag einer besseren WEU-Nutzung das Beneluxmemorandum sabotieren wolle. 56 Hier zeigten sich abweichende Zielsetzungen. Großbritannien begrüßte zwar bessere politische Kontakte in der WEU, doch wollte es sich im ersten Halbjahr 1968 nicht auf die WEU verlassen, sondern stattdessen neue Wege für eine europäische politische Zusammenarbeit suchen. Deshalb bedauerte Außenminister Stewart, dass die Bundesrepublik wenig Interesse am Beneluxmemorandum zeigte.57 Die Bundesrepublik wollte auf bestehende Organisationen zurückgreifen, um Frankreich nicht zu isolieren. Sie argumentierte, dass der große Vorteil der WEU die französische Mitgliedschaft sei. Zudem könnte Frankreich sich Kooperationen in der WEU nur schwer entziehen, wenn diese „attraktiv“ gestaltet würden. Das Beneluxmemorandum hingegen würde die EG schwächen, da es offensichtlich gegen Frankreich ausgerichtet sei, und eine EG-Erweiterung erschwere.58 Das Auswärtige Amt kritisierte, dass Großbritannien die Isolierung Frankreichs in Kauf nahm, wenn nicht sogar anstrebte.59 Im Gegenzug bedauerte das Foreign Office einen Sieg der „Frankophilen“ im Auswärtigen Amt. 60 Zugleich erwartete das Foreign Office keine Ergebnisse der deutschen Gedankenspiele.61 Trotz dieser gegenseitigen Kritik zeigten sich auch Gemeinsamkeiten. Die Bundesrepublik und Großbritannien einte der Wunsch, den Ständigen WEU-Rat – aller französischer Obstruktion zum Trotz – besser in die Vor- und Nachbereitung 53 Drahterlass Nr. 2417 des Auswärtigen Amtes vom 11.6.1968, in: PA/AA, B21/672. 54 Schreiben von Lord Hood an Laskey, Botschaft in Bonn, vom 15.5.1968, in: NA, FCO 41/268. 55 Fernschreiben Nr. 1150 von Blankenhorn, London, an das AA vom 14.6.1968, in: PA/AA, B20/1630. 56 Steering Brief zum WEU-Ministertreffen am 8./9. Juli 1968 in Bonn, in: NA, FCO 10/64. 57 „Record of a conversation between the Foreign Secretary and the German Foreign Minister at Herr Brandts Residence in Bonn on 24 May, 1968“, in: NA, PREM 13/2112. 58 Für Unterschiede – und Gemeinsamkeiten – in den Auffassungen über die Rolle der WEU siehe Aufzeichnung „The United Kingdom and Europe“ von Lord Hood vom 20.6.1968, in: NA, FCO 41/268 und Aufzeichnung von Houwald „Deutsch-britische Konsultationen auf Direktorenebene am 18. Juni 1968 in Bonn“ vom 28.6.1968, in: PA/AA, B20–200/1472. 59 Aufzeichnung des Referat 1A1 „WEU-Ministerratssitzung am 8./9. Juli in Bonn“ vom 28.6.1968, in: PA/AA, B21/672. 60 Aufzeichnung von Barnes „Political Consultation in W.E.U.“ vom 7.7.1968, in: NA, FCO 41/268. 61 Aufzeichnung von Lord Hood „Political Consultation in W.E.U.“ vom 21.6.1968, in: NA, FCO 41/268.
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der Ministertreffen einzubeziehen und den WEU-Vorsitzenden damit zu beauftragen, die Diskussionen zusammenzufassen und Ergebnisse herauszustreichen. 62 Diesem zweiten Wunsch kam Brandt auf dem Bonner WEU-Ministertreffen im Juli 1968 nach. Zudem forderte er erneut intensivere politische Konsultationen, ohne dass sich daran eine Grundsatzdiskussion anschloss.63 Brandt sorgte mit seinem engagierten Auftritt im Ratsvorsitz aber dafür, dass sich vergleichsweise lebhafte Diskussionen entwickelten und die Teilnehmer sich stärker als üblich von den vorbereiteten Erklärungen lösten. 64 Dennoch hatten sich die politischen Kontakte in der WEU bis zum Juli 1968 kaum verändert. Es fehlte weiter an echten Konsultationen und Ergebnissen, die Fortschritte waren kosmetischer Natur. Dafür verantwortlich waren die unveränderte französische Haltung sowie Differenzen der EG-Erweiterungsbefürworter, inwiefern eine verstärkte Nutzung der WEU anderen Kooperationsformen vorzuziehen sei. Die Diskussion über intensivierte WEU-Kontakte trug aber insoweit Früchte, dass der belgische Außenminister Harmel kurze Zeit später seinen Plan in Angriff nahm, die Rolle der WEU deutlich zu erweitern (vgl. Kapitel VI.3.1.). Erste vage Andeutungen dazu machte Harmel am Rande des Bonner WEUTreffens gegenüber Stewart und Brandt.65 2.3. Die WEU-Wirtschaftsdiskussionen Die WEU-Wirtschaftsdiskussionen umfassten in dieser Phase nur noch Themen, die direkt Großbritannien und die EG betrafen. Dabei waren die Berichte der EGKommission über die wirtschaftliche Entwicklung in den EG sowie Berichte über die britische Wirtschaftslage von nachrangiger Bedeutung. Hervorzuheben ist allenfalls das britische Bemühen, die heimische Wirtschaftsentwicklung in einem positiven Licht zu zeichnen, um einen EG-Beitritt zu erleichtern. So erklärte Stewart, der Brown im März 1968 als Außenminister ablöste, dass angesichts der britischen Sanierungsmaßnahmen und wachsender Exportzahlen bereits 1969 mit einem britischen Zahlungsbilanzüberschuss zu rechnen sei. 66 Von dieser Aus62 Referat 1A1 vom 28.6.1968, in: PA/AA, B21/672. 63 Für Brandts Ausführungen und Reaktionen auf dem WEU-Ministertreffen am 8.7.1968 in Bonn siehe Frank vom 9.7.1968, in: AAPD 1968II/219, S. 858 und das FO vom 11.7.1968, in: NA, FCO 73/25. 64 Schreiben von Barnes vom 15.8.1968, in: NA, FCO 41/268 und Frank vom 9.7.1968, in: AAPD 1968II/219, S. 866. 65 „Record of conversation between the Foreign Secretary and the Foreign Ministers of Germany and Belgium at the German Foreign Minister’s residence at Venusberg, Bonn“ am 9.7.1968, in: NA, FCO 73/25. 66 Für die Berichte der EG-Kommission und Großbritanniens auf dem WEU-Ministertreffen am 30.1.1968 in Brüssel siehe Aufzeichnung „Ministerial Meeting of W.E.U. in Brussels on 29– 30 January, 1968, Record of Discussion on the Economic Day, 30 January“, in: NA, CAB 164/467, Circulaire Nr. 34 von Lavery vom 1.2.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2021 und Runderlass Nr. 437 von Lahr vom 31.1.1968, in: PA/AA, B21/671. Zum Treffen am 26.4.1968 in Paris siehe Fernschreiben Nr. 898 von Lahr, Paris, an das AA vom 26.4.1968,
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nahme abgesehen spielten Berichte über die Wirtschaftslage aber kaum mehr eine Rolle. Im Mittelpunkt der Ministertreffen standen 1968 vielmehr die gegenseitigen wirtschaftlichen Beziehungen von EG und Großbritannien und primär die umstrittene Suche nach Kontakt- und Kooperationsmöglichkeiten bis zu einem britischen EG-Beitritt. Das WEU-Ministertreffen am 30. Januar 1968 in Brüssel bot den Rahmen für eine erste ausführliche Diskussion über diese Fragen. Harmel verwies eingangs auf das Beneluxmemorandum, das ein genau festzulegendes Konsultationsverfahren zwischen den EG und den Beitrittskandidaten forderte, um die gegenseitige Annäherung zu erleichtern. Brandt zeigte sich mit den Grundgedanken des Beneluxmemorandums einverstanden, doch hielt er ein Handelsarrangement zwischen den EG und den Beitrittskandidaten für geeigneter. Dazu müssten im Vorwege die französischen Vorstellungen in Erfahrung gebracht werden. Darüber hinaus sei die Bundesrepublik an praktischer Kooperation, beispielsweise im technologischen Bereich, interessiert. Brown wiederholte, dass Großbritannien am Ziel der EG-Vollmitgliedschaft festhalte und für den Übergang Kooperationsformen in anderen Bereichen anstrebe. Dabei verfolge Großbritannien weder das Ziel, Frankreich auszuschließen noch die EG zu gefährden. Brown schlug eine Zusammenarbeit auf industriellem und technologischem Gebiet vor und begrüßte das Beneluxmemorandum als geeignete Grundlage.67 Brown hielt Brandts Vorschläge für grundsätzlich mit dem Beneluxmemorandum kompatibel, ohne dass er sich dabei im Detail zur Alternative eines Handelsarrangements äußerte. Zudem brachte Brown die aus britischer Sicht limitierte Rolle der WEU zur Sprache. Das Brüsseler WEU-Treffen sei für eine Aussprache zwar günstig gelegen, doch müssten die weiteren Diskussionen in anderen Foren stattfinden. Es könne nicht drei Monate bis zum nächsten WEU-Treffen gewartet werden, so dass eine gesonderte Konferenz erwägenswert sei. Staatssekretär Bettencourt griff daraufhin auf die französische Taktik des Zeitspiels zurück. Er führte aus, dass vor weiteren Schritten eine ausführliche Analyse notwendig sei, wobei über ein Arrangement nachgedacht werden könne. Zum Beneluxmemorandum habe Frankreich noch keine abgeschlossene Meinung. Einig war sich Bettencourt mit Brown lediglich darin, dass der WEU-Rat nicht der geeignete Ort sei, diese Vorschläge zu besprechen. 68 Allerdings lag der französischen Ansicht ein anderes Motiv zugrunde. in: PA/AA, B20/1630. Zum Treffen am 9.7.1968 in Bonn siehe Telno Nr. 720 des FO nach Bonn vom 12.7.1968, in: NA, FCO 73/25, Runderlass 2817 des Auswärtigen Amtes vom 10.7.1968, in: PA/AA, B20/1630 und Circulaire Nr. 274 von Alphand vom 11.7.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2022. 67 Als mögliche Kooperationsformen nannte Brown gemeinsame Industrie- und Sicherheitsnormen, gemeinsame Aktionen von Regierungen und Industrien zur Durchführung bestimmter Projekte sowie die britische Beteiligung am europäischen Patentrecht und an der europäischen Handelsgesellschaft. 68 Für die Wirtschaftsdiskussionen am 30.1.1968 in Brüssel siehe Aufzeichnung „Ministerial Meeting of W.E.U. in Brussels“, in: NA, CAB 164/467, Lavery vom 1.2.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2021 und Lahr vom 31.1.1968, in: PA/AA, B21/671. Auch die Niederlande und Italien äußerten sich. Luns unterschied dabei zwischen dem derzeit unlösbaren
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Während Großbritannien Diskussionsforen ohne französische Vetomöglichkeiten bevorzugte und den Zeitabstand zwischen den WEU-Ministertreffen bemängelte, wollte Frankreich – wenn überhaupt – die Diskussionen ohne Großbritannien im EG-Rat führen. Das Brüsseler WEU-Treffen endete ohne Beschlüsse, auch, weil alle Teilnehmer die Ergebnisse des deutsch-französischen Gipfeltreffens im Februar abwarteten.69 Somit vermochten Großbritannien, Frankreich und die Bundesrepublik jeweils positive Schlüsse aus dem WEU-Treffen zu ziehen. Das Foreign Office zeigte sich zufrieden, dass Brandt – trotz der vorherigen Meinungsunterschiede – hilfreich aufgetreten sei. 70 Das Auswärtige Amt betonte die Gemeinsamkeiten zwischen den Fünf und Großbritannien und die aufgelockerte Stimmung im Kreis der Sieben.71 Der Quai d’Orsay zeichnete ein anderes Bild und schlussfolgerte, dass sich die Front der übrigen EG-Staaten weniger homogen als von Großbritannien erhofft gezeigt habe. 72 Dennoch beklagte das französische Außenministerium, dass Großbritannien einen Keil zwischen die EG-Staaten zu treiben versuche und die Entwicklung der EG behindere.73 Kurze Zeit später verschärften sich Meinungsunterschiede und gegenseitige Vorwürfe. Auslöser war der Vorschlag eines Handelsarrangements über den Austausch von Industrie- und Agrargütern, den die Bundesrepublik und Frankreich nach ihren Regierungsgesprächen im Februar in einer gemeinsamen Erklärung als Alternative zum Beneluxmemorandum ins Spiel brachten. 74 Dieser Vorschlag ging auf Betreiben der Bundesrepublik zurück und hatte zum Ziel, Frankreich in
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Problem der EG-Erweiterung sowie der Frage, was in der Zwischenzeit außerhalb der Römischen Verträge möglich sei. Fanfani hielt sich bedeckt, da zunächst die deutsche Sondierung in Paris abgewartet werden sollte, doch dürfe Großbritannien keinesfalls isoliert werden. Siehe ebenda. Vgl. Türk, Europapolitik, S. 134. Telno Nr. 325 des FO nach Brüssel vom 31.1.1968, in: NA, PREM 13/2111. Lahr vom 31.1.1968, in: PA/AA, B21/671. Lavery vom 1.2.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2021. Circulaire Nr. 56 von Alphand vom 23.2.1968, in: MAE, Europe, GB/218 und Aufzeichnung des Staatssekretärs Lahr vom 7.2.1968, in: AAPD 1968I/49, S. 167–169. Gemeinsame deutsch-französische Erklärung vom 16.2.1968, in: EA 23 (1968), S. D 137. „In der Erwartung, daß die Erweiterung wird stattfinden können, sind die beiden Regierungen bereit, den Abschluß von Vereinbarungen der Gemeinschaft mit den Antragstellern zur Entwicklung des gegenseitigen Austausches industrieller und landwirtschaftlicher Erzeugnisse ins Auge zu fassen. Vereinbarungen dieser Art, die fortschreitende Verringerungen der Handelshemmnisse für industrielle Erzeugnisse einschließen würden, wären geeignet, die vorerwähnte Entwicklung zu fördern und würden in jeder Hinsicht zur Entwicklung der Beziehungen zwischen den europäischen Staaten beitragen.“ Ebenda. Die Details des Handelsarrangements spielen für diese Untersuchung keine große Rolle. Wichtig ist allein, dass sich am Gegensatz zwischen Handelsarrangement und Beneluxmemorandum ein Streit über die Lösung der EG-Erweiterungskrise entwickelte. Ein wesentlicher Unterschied der beiden Vorschläge lag darin, dass das Beneluxmemorandum im Gegensatz zum Handelsarrangement eindeutig auf die EG-Erweiterung abzielte. Für weitere Details zum Handelsarrangement siehe Ludlow, The European Community, S. 147–150.
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die Suche nach Übergangslösungen einzubinden.75 Die Bundesrepublik suchte eine ausgewogene Lösung in der EG-Erweiterungskrise, da für sie die Erweiterung und der innere Ausbau der EG gleichrangige Ziele waren. 76 De Gaulle zeigte sich dabei nur wenig entgegenkommend. Er stimmte zu, in der Erklärung eine EG-Erweiterung in Aussicht zu stellen, doch schloss er die Garantie eines späteren britischen EG-Beitritts aus.77 Die anderen EG-Staaten lehnten das deutsch-französische Handelsarrangement ab. 78 Großbritannien zeigte sich enttäuscht, da Frankreich lediglich eine Verzögerungstaktik einschlage, auf ein Scheitern des Beneluxmemorandums abziele und die Gefahr des Vetos bestehen bleibe. Das Handelsarrangement reichte Großbritannien als Übergangslösung nicht aus, da es nicht eindeutig auf einen späteren britischen EG-Beitritt abzielte. 79 Die Bundesrepublik verteidigte das Arrangement und stellte klar, dass es nicht als Alternative zur EG-Erweiterung gedacht sei. 80 Nichts desto trotz blieb Großbritannien skeptisch und setzte weiter auf das Beneluxmemorandum, da Zwischenlösungen zwingend auf den britischen EG-Beitritt ausgerichtet sein müssten. Zugleich stand es einem italienischen Memorandum vom 23. Februar 1968 positiv gegenüber, das eng an das Beneluxmemorandum angelegt war und zusätzlich vorschlug, die Wirtschafts- und Finanzminister an den WEU-Ministertreffen zu beteiligen. 81 Dies war der erste Vorschlag zur Teilnahme weiterer Fachminister in der WEU seit 1964 (vgl. Kapitel IV.2.2.), doch wurde diese Anregung zunächst nicht weiter verfolgt. Frankreich hätte einem solchen Ausbau der WEU-Treffen nicht zugestimmt, so dass die Bundesrepublik den Vorschlag für nicht realisierbar hielt. 82 Das Pariser WEUMinistertreffen brachte angesichts der konträren Positionen in der EG-Erweiterungskrise keine Fortschritte. Die WEU-Staaten beharrten dort auf ihren Positionen. Stewart betonte das Ziel der EG-Vollmitgliedschaft, so dass Zwischen75 Vgl. Ludlow, The European Community, S. 150. 76 Vermerk von Dr. Meyer „Der innere Ausbau der Europäischen Gemeinschaften“ vom 12.2.1968, in: BA, B136/6209. 77 Deutsch-französische Konsultationsbesprechung in Paris am 15.2.1968, in: AAPD 1968I/59, S. 195/196. Für divergierende französische und deutsche Ansichten über das Arrangement siehe Fernschreiben Nr. 427 des Auswärtigen Amtes an die Botschaft in Paris vom 28.2.1968, in: PA/AA, B20–200/1470. 78 Vgl. Ludlow, The European Community, S. 148/149. 79 Gespräch der Staatssekretäre Duckwitz und Lahr mit dem Staatsminister im britischen Außenministerium, Lord Chalfont, in London am 22.2.1968, in: AAPD 1968I/68, S. 237–245 und Telno Nr. 395 des FO nach Bonn vom 29.2.1968, in: NA, PREM 13/2111. 80 So sprach Brandt auf der EG-Ministerratssitzung am 29.2.1968 in Brüssel. Siehe Botschafter Sachs, Brüssel (EG), an das Auswärtige Amt vom 1.3.1968, in: AAPD 1968I/74, S. 272–278. 81 Memorandum der italienischen Regierung vom 23. Februar 1968, in: EA 23 (1968), S. D 137–140. Für eine britische Analyse der verschiedenen Vorschläge seit Januar 1968 siehe Guidance Nr. 68 des Foreign and Commonwealth Office (FCO) vom 14.3.1968, in: NA, PREM 13/2112. 1968 kam es zur Fusion des Foreign Office und des Commonwealth Office zum Foreign and Commonwealth Office. 82 Aufzeichnung des Referats 1A2 „Italienisches Memorandum vom 23.2.1968; Gesprächsführung und Sachstand“ vom 28.2.1968, in: PA/AA, B20–200/1470.
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lösungen gemeinsam von allen EG-Staaten kommen und zwingend mit dem Ziel des britischen Beitritts verknüpft sein müssten. Lahr erläuterte, dass die deutschen Vorschläge zur Erleichterung des Beitritts gedacht seien, so könnten die Volkswirtschaften mit Hilfe des Handelsarrangements zusammenwachsen. Ferner sei die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Technologie zwischen den EG und den Beitrittskandidaten voranzutreiben. Bettencourt wiederholte, dass Frankreich nicht grundsätzlich gegen die EG-Erweiterung sei, doch sei die Zeit nicht reif für den britischen Beitritt.83 Die folgenden Monate änderten nichts am Stillstand in der EG-Erweiterungskrise. Vorschläge wie das Beneluxmemorandum und das Handelsarrangement standen sich gegenüber, ohne dass sich ein Kompromiss andeutete. Die Bundesrepublik zeigte sich enttäuscht über diese mangelhafte Entwicklung und die drohende Gruppenbildung in den EG, hielt aber nach wie vor das Handelsarrangement für die beste Zwischenlösung.84 Dabei gab es innerhalb der deutschen Administration Unstimmigkeiten über die deutsche Positionierung. So warf das Kanzleramt dem Auswärtigen Amt vor, zu konfrontativ gegenüber Frankreich aufzutreten.85 Daran zeigte sich, wie schwer es der Bundesrepublik fiel, eine vermittelnde Rolle in der EG-Erweiterungskrise einzunehmen. Frankreich strebte seinerseits keine Lösung an und hatte sich nur auf deutsches Betreiben hin zur gemeinsamen Erklärung überreden lassen. In Großbritannien setzte derweil ein allmählicher Wandel ein. So zeigte sich Außenminister Stewart in einem Bericht für das britische Kabinett zwar zufrieden damit, dass sich die europapolitische Situation seit dem Januar 1968 nicht nachteilig für Großbritannien entwickelt habe. Dies entsprach dem von Stewart und Wilson intern ausgegebenen Ziel, eine ungünstige Weiterentwicklung der EG zu verhindern. 86 Dennoch forderte Stewart die britische Regierung auf, wieder selbst mit europapolitischen Initiativen aufzuwarten, 83 Für eine Aufzeichnung zum WEU-Wirtschaftstag am 26.4.1968 in Paris siehe Lahr vom 26.4.1968, in: PA/AA, B20/1630. Italien und die Benelux-Staaten erklärten, dass sie am Ziel der EG-Erweiterung festhielten und Übergangslösungen anstrebten. Die Beneluxstaaten stellten hierzu die Notwendigkeit wirksamer und regelmäßiger Konsultationen in den Vordergrund. Zudem stellten die Niederlande die Frage, ob angesichts der zu erwartenden britischen Wirtschaftssanierung nicht der Zeitpunkt zu sofortiger Aufnahme von Beitrittsverhandlungen gekommen sei. Hierzu äußerte sich Bettencourt nicht, der zudem nicht näher auf den deutschfranzösischen Vorschlag eines Handelsarrangements einging. Siehe ebenda. 84 Außenpolitisches Kolloquium in Heimerzheim am 3.5.1968, in: AAPD 1068I/147, S. 534/535 und Fernschreiben Nr. 1905 des Auswärtigen Amtes an die Botschaft in Paris vom 14.5.1968, in: PA/AA, B20–200/1472. 85 Praß an Staatssekretär (Betreff: Britischer Beitritt, handelspolitisches Arrangement, hier: Haltung des Auswärtigen Amtes) vom 29.4.1968, in: BA, B 136/7980. Kiesinger schrieb an Brandt, dass Frankreich nicht hinter die gemeinsame Erklärung vom 16.2. zurückfallen dürfte, die Bundesrepublik aber auch nicht darüber hinausgehen dürfe. So dürfte das Arrangement nicht im direkten Zusammenhang mit einem britischen EG-Beitritt stehen. Kiesinger an Brandt vom 13.5.1968, in: PA/AA, B20/1496. Zu den internen deutschen Unstimmigkeiten vgl. zudem Türk, The Grand Coalition, S. 68. 86 „Memorandum by the Secretary of State for Foreign Affairs“ EUR(M)(68)6 vom 17.5.1968, in: NA, FCO 62/69 und Aufzeichnung von Palliser vom 13.5.1968, in: NA, PREM 13/2112.
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da in den Monaten zuvor aktive Vorstöße, wenn auch im britischen Interesse, nur seitens der Benelux-Staaten und Italiens erfolgt waren. Großbritannien müsste sich um eine aktivere Rolle bemühen, um dem Eindruck entgegenzuwirken, dass sein Interesse an Europa gesunken sei. 87 Die WEU spielte in dieser Phase in den Überlegungen Frankreichs, der Bundesrepublik und Großbritanniens über den künftigen wirtschaftlichen Kontakt zwischen den EG und Großbritannien kaum eine Rolle. Einzig Großbritannien beschäftigte sich mit der von Italien vorgeschlagenen Möglichkeit, die Wirtschafts- und Finanzminister an den WEU-Treffen zu beteiligen.88 Dabei stand es der Idee grundsätzlich positiv gegenüber, ohne sie jedoch mit eigenen Impulsen voranzutreiben. Eine stärkere Rolle der WEU bahnte sich erst auf dem Bonner WEU-Ministertreffen im Juli 1968 an. Dort kamen angesichts der Stagnation in der EG-Erweiterungskrise Forderungen auf, neben den politischen auch die wirtschaftlichen Kontaktmöglichkeiten der WEU besser zu nutzen. Brandt verwies eingangs auf die Notwendigkeit, eine zügige Lösung in der Erweiterungskrise zu finden. Das Handelsarrangement sei im Interesse Großbritanniens, doch sei die Bundesrepublik offen für andere Vorschläge. Der italienische Staatssekretär Malfatti verwies daraufhin auf den italienischen Vorschlag, die wirtschaftspolitische Konsultation und Zusammenarbeit in der WEU zu verbessern. Der niederländische Staatssekretär de Koster forderte ebenfalls eine bessere Nutzung der WEU, womit sich der Ständige WEU-Rat befassen könnte. Zudem unterstützte er – wie Harmel – Brandts Forderung nach einer schnellen Lösung, wobei er die Vorteile des Beneluxmemorandums betonte. Alphand wiederholte das französische Credo, dass die Zeit für eine EG-Erweiterung noch nicht gekommen sei. Im Hinblick auf Übergangslösungen bedürfte es im Vorwege einer einheitlichen Meinung der EGStaaten. Stewart begrüßte die Vorschläge, die WEU-Treffen zu vitalisieren, zugleich bedauerte er die fehlenden Fortschritte in der EG-Erweiterungsfrage. Britisches Ziel bleibe die EG-Vollmitgliedschaft, so dass Übergangslösungen darauf ausgerichtet sein müssten. Abschließend griff Brandt die angeregte Möglichkeit auf, den Ständigen WEU-Rat mit der Frage zu beauftragen, inwiefern die politischen und wirtschaftlichen Konsultationen der WEU-Ministertreffen verbessert werden könnten. Alphand verhinderte einen entsprechenden Auftrag an den Ständigen WEU-Rat und begründete dies mit fehlenden Instruktionen. 89 Das WEU-Treffen in Bonn zeigte zweierlei: Erstens standen sich nach wie vor unterschiedliche wirtschaftspolitische Lösungsansätze gegenüber. Ein Kom87 Memorandum EUR(M)(68)6 vom 17.5.1968, in: NA, FCO 62/69. 88 Ebenda. 89 Zum WEU-Ministertreffen am 9.7.1968 in Bonn siehe das Auswärtige Amt vom 10.7.1968, in: PA/AA, B20/1630, das FO vom 12.7.1968, in: NA, FCO 73/25, und Alphand vom 11.7.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2022. EG-Kommissar Martino vermerkte, dass es aus Kommissionssicht keine Alternative zum britischen EG-Beitritt gebe, weder für Großbritannien noch für die EG. Zudem diskutierten die WEU-Staaten über die Möglichkeit einer technologischen Kooperation. Dabei sprachen sich alle WEU-Staaten außer Frankreich für eine Verstärkung der technologischen Zusammenarbeit sowohl innerhalb der EG als auch für eine enge Zusammenarbeit der Sechs mit Großbritannien aus. Siehe ebenda.
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promiss schien in weiter Ferne, da Frankreich die Garantie der EG-Erweiterung ablehnte, während Großbritannien darauf beharrte.90 Zweitens deutete sich eine stärkere Rolle der WEU im wirtschaftspolitischen Bereich an. Zwar machte Frankreich keine Andeutungen, seine ablehnende Haltung gegen einen Ausbau der WEU zu revidieren, doch konnte es nicht verhindern, dass sich in den folgenden Monaten weitere Diskussionen über die künftige Rolle der WEU entwickelten. Dabei führte der Harmel-Plan allerdings dazu, dass sich die Diskussionen schnell auf die außenpolitischen Kontakte konzentrierten (vgl. Kapitel VI.3.1.). 2.4. Bewertung der WEU-Rolle Die WEU spielte von Januar bis Juli 1968 eine wichtige Rolle in der EG-Erweiterungskrise, wobei Großbritannien, Frankreich und die Bundesrepublik unterschiedliche Ansprüche stellten. Im politischen Bereich sah zunächst nur die Bundesrepublik einen Sinn darin, die Arbeit der WEU zu stärken. Die Bundesrepublik verfolgte primär das Ziel, Frankreich in die weitere Kooperation einzubinden und 5+1-Treffen oder Vorschläge wie das Beneluxmemorandum zu verhindern. Dieser Vorstoß stieß anfangs weder in Frankreich noch in Großbritannien auf Gegenliebe. Doch während Frankreich seiner Haltung treu blieb, eine engere europäische politische Kooperation mit britischer Beteiligung abzulehnen, entwickelte sich in Großbritannien eine differenzierte Haltung. Einerseits setzte Großbritannien auf andere politische Kooperationsformen, da es französische Vetomöglichkeiten umgehen wollte und den deutschen Motiven hinter der vorgeschlagenen Verbesserung der WEU-Kontakte misstraute. Andererseits nahm Großbritannien sukzessive eine positivere Haltung ein. Dies begründete sich in der Erkenntnis, dass die Bundesrepublik neue außenpolitische Kooperationsformen nicht mittragen würde. Großbritannien bemühte sich nun, die Vorteile verbesserter WEU-Kontakte zu sehen und unterstützte entsprechende Versuche, auch wenn es ob der französischen Position skeptisch blieb. So lobte Stewart nach dem Bonner WEU-Treffen im Juli 1968 Schritte in die richtige Richtung, die auch von Brandt attestiert wurden.91 Zudem trugen die WEU-Kontakte dem deutschen Wunsch Rechnung, Frankreich in die Zusammenarbeit einzubinden. Anders als in der Folgezeit gelang es mittels der WEU, negative Auswirkungen der EG-Erweiterungskrise auf die künftige europäische politische Kooperation zu lindern. Im wirtschaftlichen Bereich zeigte sich eine zweischneidige Entwicklung. Auf der einen Seite gab es kaum Vorstöße, als Folge des zweiten französischen Vetos 90 Laut Pine hatte das Bonner WEU-Treffen eine subtile Veränderung der Machtverhältnisse gezeigt. Die WEU-Partner glaubten nun, dass Frankreich Konzessionen in der Beitrittsfrage machen könnte. Vgl. Pine, Harold Wilson, S. 71. 91 „Foreign Secretary and Lord Chalfont at the unattributable press briefing for British correspondents at H.M. Residence, Bonn on 9th July 1968“, in: NA, FCO 73/25 und das Gespräch des Bundesministers Brandt mit dem französischen Außenminister Debré in Brüssel am 20.7.1968, in: AAPD 1968II/227, S. 897.
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die wirtschaftspolitische Rolle der WEU zu stärken. Zwar regte Italien an, Fachminister zuzulassen, doch verfolgten die WEU-Staaten diese Idee im ersten Halbjahr 1968 nicht weiter. Erst auf dem Bonner WEU-Treffen forderte der Großteil der WEU-Staaten – mit Ausnahme Frankreichs –, die Wirtschaftskontakte zu intensivieren. Auf der anderen Seite musste anders als 1963 kein neues Forum mehr für Kontakte zwischen den EG-Staaten und Großbritannien gefunden werden, die WEU bot einen existierenden multilateralen Rahmen für Gespräche über Zwischenlösungen. Insbesondere die Bundesrepublik verwies auf den Nutzen der WEU-Treffen für derartige Aussprachen, wiederum mit dem Ziel vor Augen, Gespräche sowohl unter britischem als auch französischem Einschluss zu führen. Frankreich hätte auf diese WEU-Treffen gut verzichten können, doch war es erleichtert, dass die Bundesrepublik 5+1-Treffen verhinderte. WEU-Treffen waren aus französischer Sicht das geringere Übel, solange es gelang, Vorschläge für neue WEU-Mechanismen abzuwehren, die auf eine Institutionalisierung der Kontakte zwischen Großbritannien und den EG abzielten.92 Großbritannien war der alleinige Rückgriff auf die WEU angesichts der französischen Partizipation und der vierteljährlichen Abstände zwischen den Ministertreffen zu wenig. Dennoch nutzte Großbritannien die Möglichkeit, in der WEU seine Vorstellungen zu unterstreichen, indem es auf einer EG-Mitgliedschaft und darauf ausgerichteten Übergangslösungen beharrte. Mit dieser kompromisslosen Haltung in der WEU verhinderte Großbritannien, die Suche nach einer zügigen Lösung in der EG-Erweiterungskrise zu erleichtern.93 Außenminister Stewart hob zudem positiv hervor, dass sich die WEU-Treffen zu einer tatsächlichen Diskussion über den britischen EGBeitritt entwickelten, da die anderen WEU-Staaten ihre Vorstellungen ebenfalls offen präsentierten.94 Dies konnte Frankreich nicht verhindern, das ansonsten kompromisslos seiner Haltung treu blieb und die EG-Erweiterung ablehnte. Insgesamt half die WEU, den Kontakt zwischen Großbritannien und den EG unter Einschluss Frankreichs zu wahren. Allerdings gelang es nicht mehr wie 1963/ 1964, mittels der WEU den Streit der sechs EG-Staaten untereinander über die EG-Erweiterung zu mildern. Davon abgesehen markiert diese Phase einen Wendepunkt in der Entwicklung der WEU. Hatten seit 1963 für die meisten WEUStaaten, darunter Großbritannien und die Bundesrepublik, die wirtschaftlichen WEU-Kontakte im Mittelpunkt gestanden, so führte der Harmel-Plan ab dem August 1968 dazu, dass die politische Rolle der WEU in den Vordergrund rückte.
92 Aufzeichnung Nr. 173/EU der S/DEO „a.s. Role de l’Union de l’Europe Occidentale.-“ vom 5.9.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015. 93 Zudem wäre es Großbritannien ohne die WEU deutlich schwieriger gefallen, Kontaktformen wie das Handelsarrangement zurückzuweisen. Vgl. Clemens, Der Beitritt Großbritanniens, S. 321. 94 „Foreign Secretary and Lord Chalfont on 9th July 1968“, in: NA, FCO 73/25.
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3. DIE WEU IM RAMPENLICHT (AUGUST 1968–FEBRUAR 1969) Die durch den Harmel-Plan forcierten Bemühungen, insbesondere die politische Kooperation in der WEU zu stärken, führten dazu, dass die WEU-Ministertreffen am 21./22.Oktober 1968 in Rom und am 6./7. Februar 1969 in Luxemburg zu den wichtigsten und spannendsten WEU-Treffen überhaupt zählen. Deren Bedeutung lässt sich bereits daran ablesen, dass der Großteil der Außenminister zu diesen Treffen reiste. Der neue französische Außenminister Debré setzte indes die Marschroute seines Vorgängers fort und ließ sich durch einen Staatssekretär vertreten, obgleich er dem britischen EG-Beitritt positiver gegenüberstand als Couve de Murville.95 3.1. Der Harmel-Plan 3.1.1. Entwicklung und Inhalt des Harmel-Plans Nach ersten Fortschritten auf dem Bonner WEU-Ministertreffen setzte das Auswärtige Amt seine Überlegungen fort, wie die politische Zusammenarbeit in der WEU verbessert werden könnte.96 Dabei wollte es sich von der französischen Haltung zur WEU nicht beirren lassen. Zudem betrachtete das Auswärtige Amt die WEU nicht mehr als automatisches Hindernis für eine europäische politische Zusammenarbeit im Rahmen der EG-Staaten, stattdessen könnte beides in einem Kompromiss miteinander kombiniert werden.97 Während die Bundesrepublik in dieser Frage eine behutsame Vorgehensweise präferierte, trug die Entwicklung im Ostblock dazu bei, Versuche einer engeren politischen Koordinierung zu beschleunigen. Nach dem sowjetischen Einmarsch in die Tschechoslowakei am 21. August 1968 lud die Bundesrepublik auf italienischen Wunsch hin zu einer Sondersitzung des WEU-Ministerrates für den 28. August ein. Die Bundesrepublik hielt ein Sondertreffen für sinnvoll, da im Zuge der Nahostkrise 1967 eine mangelnde Absprache der westeuropäischen Staaten kritisiert worden war. 98 Allerdings lehnte Frankreich die Einladung mit der Begründung ab, dass die Sitzung nur Schaden anrichte und das Territorium der WEU nicht bedroht sei. Aufgrund dieser Absage zog die Bundesrepublik ihre 95 Vgl. Uwe Kitzinger, Diplomacy and Persuasion: How Britain Joined the Common Market, London 1973, S. 46. Brandts Abwesenheit bei den Ministertreffen folgte keinem politischen Kalkül. Während er sich im Oktober 1968 auf einer Lateinamerikareise befand konnte er am Luxemburger Treffen aufgrund einer Rippenfellentzündung nicht teilnehmen. 96 Entwurf des Referats IA1 vom 15.8.1968, in: PA/AA, B21/673. 97 Aufzeichnung von Frank „Europäische Politische Zusammenarbeit“ vom 4.9.1968, in: PA/AA, B1/325. Laut Türk hatte das Auswärtige Amt eine politische „rélance européenne“ für wenig aussichtsreich gehalten und daher die WEU-Konsultationen besser nutzen wollen. Vgl. Türk, Europapolitik, S. 177. 98 Aufzeichnung von Frank „Sondersitzung des WEU-Ministerrats anlässlich der sowjetischen Besetzung der Tschechoslowakei“ vom 22.8.1968, in: PA/AA, B1/325.
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Einladung zurück, da sie dem Vorschlag der Niederlande nicht zustimmte, auch ohne Frankreich zu tagen. 99 Somit misslang der Versuch, mit Hilfe der WEU unmittelbar auf eine europäische Krisensituation zu reagieren. Allerdings erhöhten die Ereignisse in Prag den Druck auf die EG-Staaten, sich außenpolitisch gemeinsam handlungsfähig zu zeigen.100 Einen konkreten Plan unterbreitete der belgische Außenminister Harmel, der in dieser Phase des Stillstandes Fortschritte in der europäischen Integration bewirken wollte. Harmel blieb trotz des fehlgeschlagenen Beneluxmemorandums von der Notwendigkeit überzeugt, eine engere Verbindung zwischen den EG-Staaten und Großbritannien herzustellen, bis eine Lösung der EG-Erweiterungskrise erreicht war. Zugleich betrachtete er die WEU als ideales Testfeld, die britische Bereitschaft zu einer europäischen Zusammenarbeit zu überprüfen. Keinesfalls verfolgte Harmel das Ziel, die vorherrschende Bedeutung der EG mittels der WEU herabzustufen.101 Im Zentrum von Harmels Vorschlag stand die Forderung nach obligatorischen außenpolitischen Konsultationen in der WEU. Zusätzlich forderte er eine engere Zusammenarbeit in den Bereichen Technologie, Währung und Verteidigung. 102 Dabei unterschied Harmel zwischen Aufgaben der EG und der WEU. Angelegenheiten, die die EG und deren Aufgabenbereich beträfen, sollten im EG-Rat, alles andere innerhalb der WEU behandelt werden. Die WEU-Staaten sollten darüber auf dem kommenden Ministertreffen diskutieren. Zudem zeigte sich Harmel bereit, notfalls ohne Frankreich voranzuschreiten, obgleich er eine französische Beteiligung wünschte.103 Als Harmel seinen Plan im September vertraulich gegenüber der Bundesrepublik und Großbritannien vorstellte, stieß er neben Wohlwollen auch auf Skepsis. Brandt bemängelte den möglichen französischen Ausschluss. 104 Stewart unterstützte grundsätzlich Harmels Vorschläge, war aber unsicher, ob die WEU das richtige Forum für weiterführende Kooperationen war.
99 Zu den Details der erfolglos einberufenen WEU-Sondersitzung vgl. Türk, Europapolitik, S. 175/176. 100 Vgl. Kramer, S. 239. 101 Für diese Ausführungen zu Harmels Motiven vgl. Dujardin, The Failed Attempt, S. 27–31. Laut Schell hat der Harmel-Plan den Zweck gehabt, de Gaulles Widerstand gegen den britischen EG-Beitritt zu überwinden. Vgl. Schell, S. 72/73. 102 Diese Vorschläge wurden in den folgenden Monaten nur nachranging behandelt, so dass die Untersuchung sie nicht detailliert vorstellen muss und nur am Rande auf sie Bezug nimmt. 103 Für Harmels Vorschläge siehe Aufzeichnung des Referats IA2 „Arbeitsbesuch des belgischen Außenministers Harmel in Bonn am 9. September 1968“ vom 10.9.1968, in: PA/AA, B20– 200/1473 und Schreiben von Pierre Harmel an Michael Stewart vom 12.9.1968, in: NA, PREM 13/2113. 104 Aufzeichnung des Referats IA2 vom 10.9.1968, in: PA/AA, B20–200/1473. Die Untersuchung vermag nicht zu klären, ob Frankreich bereits im September 1968 von Harmels Plan erfuhr.
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Zugleich hielt er ein Vorgehen außerhalb der WEU für notwendig, falls Frankreich eine Zusammenarbeit in der WEU verhinderte.105 Am 3. Oktober 1968 ging Harmel mit seinem Plan an die Öffentlichkeit und erklärte, in der WEU regelmäßige Konsultationen in den Bereichen Außenpolitik, Verteidigung, Technologie und Währung zu wünschen. Zudem hielt er es für erforderlich, zu einer bestimmten Liste an außenpolitischen Themen obligatorische Konsultationen einzuführen, um eine Harmonisierung der Außenpolitiken zu erreichen.106 Diese Forderung ging weit über die bisherigen politischen Diskussionen in der WEU hinaus. Die Reaktionen auf Harmels Rede fielen unterschiedlich aus. Großbritannien reagierte nun ausgesprochen positiv. Dies begründete sich primär darin, dass der Harmel-Plan die immer stärkere antifranzösische Stoßrichtung der britischen Europapolitik bediente.107 Wilson hatte intern das Ziel verlauten lassen, de Gaulle durch europapolitische Bemühungen zu isolieren.108 Frankreich bezeichnete den Harmel-Plan als inakzeptabel, da er Großbritannien die Möglichkeit gebe, die EGStaaten in den vorgeschlagenen Politikbereichen zu kontrollieren. Frankreich war zudem gegen obligatorische außenpolitische Konsultationen und sah es als unwahrscheinlich an, zu siebt zu einer Einigung zu kommen, wenn dies schon im EG-Rahmen nicht gelänge.109 Die Bundesrepublik blieb ihrer um Ausgleich bemühten Haltung treu. Sie zeigte sich aufgeschlossen gegenüber dem HarmelPlan, hielt es aber für notwendig, ihm die antifranzösische Spitze zu nehmen. 110 Der Harmel-Plan und dazu erstellte belgische Arbeitspapiere wurden ausführlich am Rande der UN-Vollversammlung vom 7. bis 11. Oktober 1968 in New York debattiert. Harmel ging in bilateralen Gesprächen mit seinen Amtskollegen ins Detail, wobei Kooperationen in den Bereichen Verteidigung, Währung und Technologie in den Hintergrund rückten. Harmel schlug vor, eine aus Regierungsvertretern zusammengesetzte Studiengruppe – und nicht den Ständigen WEU-Rat – mit der Prüfung obligatorischer politischer Konsultationen in der WEU zu
105 Für ein Gespräch zwischen Stewart und Harmel siehe Telegramm Nr. 1319 des FO an Brüssel vom 18.9.1968, in: NA, PREM 13/2113. Für die britische Unsicherheit in Bezug auf den Harmel-Plan vgl. zudem Pine, Harold Wilson, S. 78. 106 Pierre Harmel: Rede des belgischen Außenministers vor der Organisation europäischer Juristen in Val Duchesse am 3. Oktober 1968, in: EA 23 (1968), S. D 610/611. 107 Fernschreiben Nr. 2025 von Blankenhorn, London, an das AA vom 7.10.1968, in: PA/AA, B21/673. Möckli zufolge hätte der Harmel-Plan normalerweise für wenig Interesse in Großbritannien gesorgt. Die WEU sei nur durch den antifranzösischen Kurs ins Zentrum des Interesses gerückt. Vgl. Möckli, S. 27. 108 Aufzeichnung von Palliser vom 12.9.1968, in: NA, PREM 13/2113. 109 Vgl. Dujardin, The Failed Attempt, S. 32 und Fernschreiben Nr. 2417 von Braun, Paris, an das AA vom 7.10.1968, in: PA/AA, B21/673. 110 Entwurf von Frank „WEU-Ministerratstagung in Rom am 21./22. Oktober 1968“ vom 3.10.1968, in: PA/AA, B21/673. Laut Pine hatte die harte französische Reaktion auf den Harmel-Plan dazu geführt, dass Brandt zur UN-Vollversammlung gefahren war, um Gespräche über den Plan zu führen. Vgl. Pine, Harold Wilson, S. 87.
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befassen. 111 Auf diesem Wege bot sich die Chance, ein französisches Vetorecht, das innerhalb der WEU bestand, zu umgehen. Dieser Vorschlag einer Studiengruppe außerhalb der offiziellen WEU-Strukturen bildete in der Folgezeit neben inhaltlichen Unstimmigkeiten den Hauptstreitpunkt über den Harmel-Plan. Es zeigte sich, dass die WEU-Staaten die in New York geführten Gespräche über eine solche Studiengruppe unterschiedlich deuteten. Harmel hatte den Eindruck gewonnen, Debrés Zustimmung zu einer speziellen Studiengruppe gewonnen zu haben. 112 Das französische Außenministerium hingegen war überzeugt, dass Harmel den Vorschlag nach Debrés Protest fallen gelassen habe. 113 Debré teilte als offizielle französische Position vor dem Treffen in Rom mit, nur einem Beschluss des WEU-Ministerrats zuzustimmen, der einen Auftrag zur Verbesserung der außenpolitischen Konsultationen an den Ständigen WEU-Rat erteilen würde. Dabei dürfte kein gemeinsamer Bericht erstellt werden. Es würde sich lediglich um einen Gedankenaustausch handeln, bei dem die Ständigen Vertreter die Meinungen ihrer Regierungen wiedergäben.114 Frankreich lehnte aber nicht nur das von Harmel vorgeschlagene prozedurale Vorgehen ab, sondern auch viele inhaltliche Aspekte. Dies galt vor allem für eine Kooperation in den Bereichen Technologie und Währung innerhalb der WEU.115 Grundsätzlich stellte der Harmel-Plan aus französischer Sicht einen Versuch dar, den Widerstand gegen den britischen EG-Beitritt zu umgehen und die Arbeit der EG-Staaten durch eine Kooperation zu siebt zu unterminieren. 116 Aus genau diesem Grund war der britische Außenminister Stewart sehr zufrieden mit der Entwicklung des Harmel-Plans. Dieser deckte sich inhaltlich mit britischen Interessen und bot zusätzlich einen taktischen Vorteil gegenüber einer eigenen Initiative. Da der Harmel-Plan dem Vorschlag eines EG-Staates entsprang, würde er ein – erwartetes – französisches Veto erschweren.117 Zugleich zeigte sich das Foreign Office erfreut, dass Brandt gegenüber Stewart Unterstützung für Harmels Vorschläge signalisiert hatte.118 Die deutsche Beteiligung am Harmel-Plan schien zwingend notwendig und sollte so lange wie möglich gegen
111 Für ein Gespräch von Harmel und Brandt und deutsch-belgische Gespräche auf Beamtenebene siehe Fernschreiben Nr. 1008 von Boeker, New York, an das AA vom 8.10.1968, in: PA/AA, B20/1630. Zum ersten belgischen Arbeitspapier vom 9.10.1968, siehe Fernschreiben Nr. 1026 aus New York an das AA vom 9.10.1968, in: PA/AA, B21/673. Für einen Gedankenaustausch darüber auf Beamtenebene ohne Frankreich siehe Aufzeichnung von Behrends „Belgische Europa-Initiative“ vom 10.10.1968, in: PA/AA, B20/1630. 112 Boeker vom 8.10.1968, in: PA/AA, B20/1630. 113 Aufzeichnung des Directeur d’Europe (Tine) vom 11.10.1968, in: MAE, DE_CE, GB/787. 114 Debré an Haberer und Beaumarchais am 18.10.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2022. 115 Aufzeichnung Nr. 126/CE des SCE „Conseil de l’UEO du 21–22 octobre 1968: A/s. Projet Harmel de relance de l’U.E.O.: Aspects économiques.“ vom 16.10.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2022. 116 Aufzeichnung [Autor fehlt] „A/S. Plan Harmel“ vom 17.10.1968, in: MAE, DE_CE, GB/787. 117 Guidance Nr. 255 des FCO vom 15.10.1968, in: NA, FCO 30/395. 118 Telegramm Nr. 2491 der United Kingdom Mission, New York, an das FO vom 13.10.1968, in: NA, PREM 13/2627.
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französischen Widerstand abgesichert werden.119 Um Druck auf die Bundesrepublik ausüben zu können, holte sich Stewart im britischen Kabinett die Zustimmung für die britische Beteiligung an einer engeren politischen Kooperation in Europa ein. 120 Großbritanniens Ziel für das WEU-Ministertreffen in Rom war es, die Studiengruppe zur Ausarbeitung des Harmel-Planes durchzusetzen.121 Dabei sollte die Gruppe kein spezifisches WEU-Organ sein, um Frankreich die Chance eines Vetos zu nehmen. Bei französischem Widerstand in Rom plante Großbritannien bereits eine Zusammenkunft außerhalb der WEU, die Italien einberufen sollte, um zu sechst die spezielle Studiengruppe einzusetzen. Von diesem Plan durfte die Bundesrepublik im Vorwege nichts erfahren. Stattdessen sollte das Treffen als spontane Reaktion auf eine offenbarte französische Obstruktionspolitik erscheinen.122 Die Bundesrepublik nahm indes keineswegs die klar unterstützende Haltung ein, die Großbritannien zu erkennen glaubte. Stattdessen tat sich die Bundesrepublik schwer mit einem zweiten belgischen Arbeitspapier und insbesondere mit der darin vorgeschlagenen Studiengruppe.123 Die Bundesrepublik teilte mit, den Harmel-Plan grundsätzlich zu unterstützen, da sie eine verstärkte politische Zusammenarbeit begrüße. Allerdings erachtete sie die französische Zustimmung zur Einsetzung einer Studiengruppe als notwendig. Zudem lehnte die Bundesrepublik die Schaffung neuer Organisationen ab, so dass bei fehlender Einigung in Rom der WEU-Rahmen nicht verlassen werden dürfte. Stattdessen müsste beim folgenden WEU-Ministertreffen erneut beraten werden. 124 Mit dieser Mittelposition wollte die Bundesrepublik verhindern, dass die deutsche und die französische Position zu sehr auseinander fielen. Zugleich warb das deutsche Außenministerium um französische Kompromissbereitschaft und erklärte in Paris, den Einsatz einer Studiengruppe für weitere Überlegungen zu befürworten.125 Insgesamt befand sich die Bundesrepublik vor dem WEU-Treffen in Rom in einer prekären Lage, da sie sich weder zu klar auf Seiten Frankreichs noch der anderen Fünf stellen wollte.126 Großbritannien reagierte enttäuscht und warf der Bundesrepublik
119 Telegramm Nr. 2492 der United Kingdom Mission, New York, an das FO vom 13.10.1968, in: NA, PREM 13/2627. 120 Vgl. Pine, Harold Wilson, S. 88/89. 121 Steering Brief zum WEU-Ministertreffen am 21./22.10. 1968 in Rom, in: NA, FCO 73/82. 122 Background Notes zum Thema „European Cooperation“ für das WEU-Ministertreffen am 21./22.10.1968 in Rom, in: NA, FCO 55/180. 123 Aufzeichnung von Stadens Arbeitsgruppe „European Caucus“ und Vorbereitung der Sitzung des WEU-Ministerrats in Rom am 21. und 22. Oktober 1968, hier: Analyse und Beurteilung des „Document de travail No.2“ mit beigefügtem „Projet de mandat“ vom 14.10.1968, in: PA/AA, B20/1630. 124 Entwurf eines Drahterlasses von Duckwitz an die Botschaften in den WEU-Staaten vom 15.10.1968, in: PA/AA, B21/673. 125 Drahtbericht Nr. 2528 von Frank, z.Z. Paris, VS-Bd. 1603 (I A 7); B 150, Aktenkopien 1968, aus AAPD 1968II/353, S. 1372/1373, Fußnote 8. 126 Vgl. Türk, Europapolitik, S. 180.
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vor, die in New York abgesprochene Linie verlassen zu haben. 127 Diesen Vorwurf wies die Bundesrepublik zurück und argumentierte, von Beginn an ein Verlassen des WEU-Rahmens abgelehnt zu haben. 128 Zusammengefasst ging Großbritannien mit dem Ziel in das WEU-Treffen in Rom, eine Studiengruppe aufzustellen, die auf jeden Fall außerhalb der offiziellen WEU-Strukturen und notfalls ohne Frankreich agieren sollte. Frankreich wollte eine solche Studiengruppe verhindern und lediglich einen Auftrag an den Ständigen WEU-Rat akzeptieren. Die Bundesrepublik wollte zwar die Studiengruppe, aber nur mit Frankreich und nur in der WEU. Das WEU-Treffen in Rom erwies sich als Fehlschlag. 129 Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass sich die Diskussion über den Harmel-Plan auf formale Fragen konzentrierte und die Aspekte Verteidigung, Währung und Technologie nicht näher thematisiert wurden.130 Harmel wiederholte die Motive seiner Initiative und forderte verbesserte außenpolitische Konsultationen der WEU-Staaten und neue Kooperationen außerhalb der EG-Verträge mit dem Endziel einer Politischen Union. Daraufhin führte Harmel seinen Vorschlag einer speziellen Studiengruppe in die Diskussion ein, die den Ministern über Möglichkeiten der Initiative Bericht erstatten sollte.131 Dabei sprach sich Harmel gegen eine Beschränkung der Vorbereitungen auf den Ständigen WEU-Rat aus. Mit Ausnahme Frankreichs stimmten die WEU-Staaten Harmels Ausführungen und der vorgeschlagenen Studiengruppe zu. Der deutsche Parlamentarische Staatssekretär Jahn betonte jedoch, dass die Einsetzung der Studiengruppe im Rahmen der WEU erfolgen sollte, während Luns die Vorschläge Harmels als Minimum bezeichnete und das Beneluxmemorandum für besser hielt. Lediglich Stewart unterstützte vorbehaltlos Harmels Vorschlag und betonte das britische Interesse an europäischer Kooperation. Der französische Staatssekretär de Lipkowski verlangte eine Reflexionspause und ver127 Für intern geäußerte, besonders scharfe britische Kritik siehe Telegramm Nr. 2245 des FO an Bonn vom 16.10.1968, in: NA, PREM 13/2627. Für Stewarts offiziell an Brandt übersandte Enttäuschung siehe Vermerk des Referats IA1 „WEU/Harmel-Vorschläge, hier: Britische Behauptungen über deutsche Zustimmung zu Harmel-Vorschlägen und damit auch zur obligatorischen Konsultation“ vom 3.2.1969, in: PA/AA, B21/738. 128 Staatssekretär Duckwitz an Staatssekretär Carstens, Bundeskanzleramt, am 23.10.1968, in: AAPD 1968II/353, S. 1372. Brandt glaubte Stewart erklärt zu haben, der Arbeitsgruppe und obligatorischen Konsultationen positiv gegenüber zu stehen, deren Umsetzung angesichts der französischen Position aber für unwahrscheinlich zu halten. Vermerk des Referats IA1 vom 3.2.1969, in: PA/AA, B21/738. 129 Vgl. Dujardin, The Failed Attempt, S. 33. Laut Türk war es ein „Debakel“, vgl. Türk, Europapolitik, S. 181. 130 Grundsätzlich reicht es zu den Kooperationsvorschlägen in Verteidigung, Währung und Technologie zu wissen, dass Großbritannien diesen positiv gegenüber stand, die Bundesrepublik skeptisch reagierte und Frankreich sie komplett ablehnte. Siehe die Botschaft von Bundesminister Brandt an Außenminister Stewart vom 5.11.1968, in: NA, FCO 30/534 und Telno 2312 des FCO an Bonn vom 6.11.1968, in: NA, FCO 30/534. 131 Siehe Draft Mandate im Annex III an die Talking Points des Foreign Office zum Thema „European Cooperation“ auf dem WEU-Ministertreffen am 21./22.10.1968 in Rom, in: NA, FCO 55/180.
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sprach, sich auf dem nächsten WEU-Ministertreffen zu äußern. Frankreich sei jedoch gegen einen neuen institutionellen Rahmen, um die EG-Entwicklung nicht zu behindern. Frankreich könnte der Studiengruppe nicht zustimmen, da die Arbeit der WEU auf der Einstimmigkeit basiere. Frankreich akzeptiere lediglich eine Studie durch den Ständigen WEU-Rat, die sich zudem nur mit der Frage der außenpolitischen Konsultationen befassen dürfe. De Lipkowski lehnte – wie die Niederlande – auch den deutschen Kompromissvorschlag ab, die Studie innerhalb des Ständigen WEU-Rates aber unter Hinzuziehung von Experten durchzuführen. Letztlich konnte der WEU-Vorsitzende Medici nur die fehlende Einigung über die Einsetzung einer Studiengruppe feststellen. Es gäbe lediglich die vage Übereinstimmung, dass die entsprechenden Diskussionen für das nächste WEU-Treffen adäquat vorbereitet werden sollten. 132 Die Diskussionen innerhalb der WEU endeten in Rom ergebnislos, da kein Staat bereit war, von seiner vorgezeichneten Position abzuweichen. Dabei war Stewart erleichtert, dass Frankreich den deutschen Kompromissvorschlag zur Einsetzung der Studiengruppe abgelehnt hatte, da dieser Kompromiss weiterhin ein französisches Veto ermöglicht hätte. 133 Mit seiner Ablehnung hatte sich Frankreich isoliert.134 Aufgrund der fehlenden Einigung lud Italien – wie von Großbritannien im Vorwege gewünscht – noch am Abend zu einem Sechsertreffen ohne Frankreich ein. Dort schlug Stewart vor, die spezielle Studiengruppe zu sechst zu beschließen. Obgleich keine WEU-Gruppe, sollte ihr Bericht beim nächsten WEU-Ministertreffen diskutiert werden, ohne dass diese Diskussion einem französischem Veto unterliegen dürfte. Italien und die Niederlande stimmten dem Vorschlag zu. Die Bundesrepublik, Belgien und Luxemburg hielten sich bedeckt, da ihnen ein Vorgehen ohne Frankreich Sorgen bereitete. Die sechs Staaten kamen überein, am Rande der NATO-Ministertagung am 14. November in Brüssel erneut zu beraten.135 So kam es in Rom weder zu sechst noch zu siebt zu klaren Beschlüssen. Dennoch signalisierten die Gespräche in Rom den Beginn einer möglichen neuen europäischen Krise, dieses Mal ausgelöst durch Streit in der WEU.136 132 Für die Diskussion über den Harmel-Plan auf dem WEU-Ministertreffen in Rom am 21.10.1968 steht der Untersuchung die offizielle Aufzeichnung der WEU zur Verfügung, siehe Aufzeichnung CR (68)19, Part I, „Minutes of the 354th Meeting of the Council held at the Ministerial level on the 21st and 22nd October 1968 in Rome“, in: NA, FCO 65/240. Siehe zudem Telno Nr. 28 von Shuckburgh, Rom, an das FCO vom 22.10.1968, in: NA, FCO 55/180, Fernschreiben Nr. 993 von Jahn, Rom, an das AA vom 22.10.1968, in: PA/AA, B21/673 und Telegramm Nr. 2545/55 von des Roziers, Rom, an Paris vom 21.10.1968, in: MAE, DE_CE, GB/787. Für Medicis Fazit auf einer Pressekonferenz siehe die WEUMinisterratstagung vom 21./22. Oktober 1968, in: Siegler (Hg.): Europäische politische Einigung II, S. 22. 133 Telegramm Nr. 1005 von Shuckburgh, Rom, an das FCO vom 22.10.1968, in: NA, T 312/2093. 134 Vgl. Pine, Harold Wilson, S. 92. 135 Zu diesem Sechsertreffen am 21.10.1968 siehe Telegramm Nr. 1006 von Shuckburgh, Rom, an das FCO vom 22.10.1968, in: NA, T 312/2093 und Jahn vom 22.10.1968, in: PA/AA, B21/673. 136 Vgl. Dransfeld, S. 254.
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Angesichts dieser sich abzeichnenden Gefahr vermochte lediglich Großbritannien positive Elemente aus den Ereignissen in Rom herauszufiltern. Das Foreign Office erfreute sich daran, dass die Isolation Frankreich so klar zu Tage getreten sei und das französische Verhalten bei den anderen EG-Staaten Irritationen ausgelöst habe. 137 Zudem war es ein Erfolg für Großbritannien, dass die „Friendly Five“ erstmals seit Januar 1963 zu einem Treffen mit Großbritannien ohne Frankreich bereit gewesen waren.138 Für die Zukunft forderte Stewart, das französische Veto gegen Kooperationen außerhalb der Römischen Verträge nicht zu akzeptieren und mit den Fünf die nächsten Schritte anzugehen. 139 Dabei hielt es die britische Regierung für notwendig, selbst die Führungsrolle zu übernehmen, da die Fünf allein nur bedingt zu Widerstand gegen Frankreich bereit seien. 140 De Lipkowski kritisierte nach dem WEU-Treffen öffentlich den „diplomatischen Terrorismus“ einiger Partner, die kontinuierlich versuchten, Frankreich zu einem „Nein“ gegenüber allen Intensivierungs- und Erweiterungsbemühungen zu verführen, um anschließend ohne Frankreich voranschreiten zu können. Frankreich habe keine Lust, in einen solchen Hinterhalt zu fallen. 141 Insbesondere das belgische Vorgehen verärgerte Frankreich. Harmel hätte seinen Verzicht auf eine spezielle Studiengruppe zugesagt, sich dann aber britischem und niederländischem Druck gebeugt. Dies habe Frankreich zur ablehnenden Haltung in Rom gezwungen.142 Für Erleichterung sorgte lediglich der Eindruck, dass das Treffen ohne Frankreich keine Ergebnisse erzielt habe. 143 Die Bundesrepublik war mit den Ergebnissen in Rom unzufrieden, da sie zwar an Fortschritten in der außenpolitischen Kooperation interessiert war, aber die Eskalation des Streits zwischen den WEU-Partnern unbedingt verhindern wollte.144 Die deutsche Teilnahme am Sechsertreffen ohne Frankreich war ein erstes Zeichen der Emanzipation von Frankreich, da insbesondere Brandt allmählich die Geduld mit Frankreich verlor.145 Allerdings blieb die Bundesrepublik bemüht, Frankreich einzubinden. Sie wollte verhindern, dass sich zur EG137 Guidance Nr. 259 von Stewart vom 24.10.1968, in: NA, T 312/209. 138 Telegramm Nr. 1007 von Shuckburgh, Rom, an das FCO vom 22.10.1968, in: NA, PREM 13/2627. 139 Stewart vom 24.10.1968, in: NA, T 312/2093. 140 Aufzeichnung „Cabinet, 24 October, Europe“, in: NA, PREM 13/2627 141 Drahtbericht Nr. 2596 von Braun, Paris, an das AA vom 25.10.1968, in: PA/AA, B21/673. 142 Circulaire Nr. 418 von Tine vom 26.10.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2022. Laut Türk und Pine hatten tatsächlich die Niederlande und Großbritannien Harmel ermutigt, an seinem ursprünglichen Plan festzuhalten. Vgl. Türk, Europapolitik, S. 180/181 und Pine, Harold Wilson, S. 91. 143 Tine vom 26.10.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2022. 144 Brandt sprach in einem Brief an Stewart von „mageren Ergebnissen“ des WEU-Treffens in Rom. Botschaft von Bundesminister Brandt an Außenminister Stewart vom 5.11.1968, in: NA, FCO 30/534. Der deutsche Ständige WEU-Vertreter Blankenhorn kritisierte die mangelnde Einigkeit der WEU-Staaten sowie das Fehlen einer einheitlichen Linie im Auftreten der Bundesrepublik. Aufzeichnung von Blankenhorn vom 23.10.1968, in: Bundesarchiv, NL 351/223a (Nachlass Blankenhorn). 145 Vgl. Türk, Europapolitik, S. 181.
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Erweiterungskrise eine WEU-Krise hinzugesellte. Die folgenden Monate zeigten, dass dieses Bemühen nicht von Erfolg gekrönt war. 3.1.2. Die Folgen des Harmel-Plans Ende Oktober war die weitere Entwicklung des Harmel-Plans offen. Der Hauptstreitpunkt entzündete sich an der Frage, ob und inwiefern die Harmel-Initiative ohne Frankreich und außerhalb der offiziellen WEU-Strukturen entwickelt werden sollte. Harmel zog sich aus seiner antreibenden Funktion zurück, da er von den Reaktionen der WEU-Partner enttäuscht war. Er kritisierte die harte französische Haltung, die ambivalente Position der Bundesrepublik und die lauwarme Unterstützung der Niederlande und sah wenig Entwicklungspotential für seine Initiative.146 Zudem musste Harmel Rücksicht auf den wallonischen Bevölkerungsteil Belgiens nehmen, der ein schärferes Vorgehen gegen Frankreich ablehnte.147 Das Foreign Office reagierte verärgert über Harmels Zurückweichen und versuchte vergeblich, dem belgischen Außenminister den Rücken zu stärken. 148 Schließlich übernahm Großbritannien selbst die Initiative. Gemeinsam mit Italien trieb Großbritannien die Entwicklung des Harmel-Plans voran und nahm bewusst einen eskalierenden Konflikt mit Frankreich in Kauf. Das Foreign Office setzte als nächsten Schritt auf das geplante Sechsertreffen der Außenminister, um über Inhalt und Ausarbeitung des Harmel-Plans zu beraten.149 Dazu blieb es wichtig, deutsche Unterstützung gegen Frankreich zu gewinnen. 150 Diese war notwendig, da Frankreich keine Anstalten machte, seine ablehnende Haltung zum HarmelPlan aufzugeben. Ganz im Gegenteil teilte Staatssekretär de Lipkowski mit, dass sich die Aussichten für eine französische Mitarbeit in der WEU verschlechtert hätten.151 Als Mittel gegen eine verstärkte Kooperation in der WEU griff Frankreich auf einen zusätzlichen taktischen Kniff zurück. Frankreich nahm ab November eine aufgelockerte Haltung im EG-Rat bezüglich einer wirtschaftlichen Übergangslösung in der EG-Erweiterungskrise ein (vgl. Kapitel VI.3.3.). Mit diesem graduellen Entgegenkommen versuchte es die „Friendly Five“ in der Frage zu 146 Telegramm Nr. 527 von Barclay, Den Haag, an das FCO vom 30.10.1968, in: NA, T 312/2093. 147 Aufzeichnung von Frank „WEU / Weitere Behandlung der Harmel Vorschläge, hier: SechserTreffen am Rande der NATO-Ministerkonferenz in Brüssel“ vom 31.10.1968, in: PA/AA, B1/325. 148 Großbritannien übermittelte, hinter dem Harmel-Plan zu stehen. Siehe Telegramm Nr. 1384 des FCO an Brüssel vom 31.10.1968, in: NA, FCO 30/533. Für die britische Verärgerung über Harmels Zurückweichen siehe Barclay, Brüssel, an Robinson vom 31.10.1968, in: NA, FCO 30/533 und Dujardin, The Failed Attempt, S. 33. 149 Aufzeichnung von Maitland „Europe, Secretary of State’s Office Meeting“ vom 5.11.1968, in: NA, FCO 55/180. 150 Vgl. Dujardin, The Failed Attempt, S. 33. 151 Staatssekretär Lahr an Bundesminister Brandt, z.Z. Berlin (West) am 30.10.1968, in: AAPD 1968II/362, S. 1417/1418.
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spalten, wie in der WEU mit dem Harmel-Plan weiter zu verfahren sei. 152 Insbesondere wollte Frankreich verhindern, dass die Bundesrepublik die weitere Ausarbeitung des Harmel-Planes mittrug. Somit kam der Bundesrepublik die Schlüsselrolle zu. Das Auswärtige Amt war sich dieser Tatsache bewusst und präsentierte einen Vermittlungsvorschlag. Es schlug eine flexible Vorbereitung des kommenden WEU-Ministertreffens vor, um den prozeduralen Streit über die Studiengruppe außerhalb der WEU zu umgehen und sich – unter französischem Einschluss – auf den außenpolitischen Inhalt des Harmel-Plans zu konzentrieren. Primär setzte das Auswärtige Amt auf bilaterale Vorgespräche. Multilaterale Gespräche seien möglich, doch dürften diese weder formalisiert noch institutionalisiert sein. 153 Mit diesem Kompromissvorschlag setzte sich die Bundesrepublik jedoch weder in Großbritannien noch in Frankreich durch, da Frankreich keine weiteren Diskussionen über den Harmel-Plan wünschte und Großbritannien das geplante Sechsertreffen abwarten wollte. 154 Stewart lud seine Amtskollegen mit Ausnahme Debrés zum Treffen am 14. November mit dem erklärten Ziel ein, eine Studiengruppe zu sechst zu errichten.155 Brandt gab seine Zusage zu dieser Zusammenkunft, doch stellte er klar, dass die Bundesrepublik weder die Einsetzung einer Studiengruppe ohne Frankreich noch ein Verlassen der WEU-Strukturen wünschte. Zudem forderte er Stewart auf, Debré einzuladen. 156 Darüber hinaus machte die Bundesrepublik deutlich, lediglich die außenpolitischen Vorschläge des Harmel-Plans diskutieren zu wollen, während Großbritannien eine Diskussion aller Elemente für möglich hielt.157 Als Gegenleistung wünschte die Bundesrepublik von Frankreich, eine positivere Haltung zu verbesserten außenpolitischen WEU-Konsultationen einzunehmen. 158 Stewart war an sich dagegen, Debré einzuladen.159 Er entschloss sich dennoch zu diesem Schritt, um Brandt und Harmel die Teilnahme zu erleichtern. Zugleich hoffte er, dass Debré die Einladung ausschlagen würde.160 Diesen Gefallen tat ihm Debré, der mit der Begründung ablehnte, dass das Treffen nicht angemessen vorbereitet sei. 161 Für die Vermittlungsbemühungen der Bundesrepublik war dies ein
152 Vgl. Pine, Harold Wilson, S. 93/94. 153 Runderlass 4719 von Duckwitz vom 24.10.1968, in: PA/AA, B1/325. 154 Fernschreiben Nr. 2593 von Braun, Paris, an das AA vom 25.10.1968, in: PA/AA, B20/1630 und Fernschreiben Nr. 2179 von Blankenhorn, London, an das AA vom 28.10.1968. 155 „Message to His Excellency Herr Willy Brandt, Foreign Minister of the Federal Republic of Germany from the Right Honourable Michael Stewart MP, British Secretary of State for Foreign and Commonwealth Affairs“, in: PA/AA, B1/325. 156 Brandt an Stewart vom 5.11.1968, in: NA, FCO 30/534. 157 Telno 2312 des FCO an Bonn vom 6.11.1968, in: NA, FCO 30/534 und Telegramm Nr. 1537 von Jackling, Bonn, an das FCO vom 7.11.1968, in: NA, FCO 30/534. 158 Fernschreiben Nr. 2698 von Braun, Paris, an das AA vom 8.11.1968, in: PA/AA, B20/1630. 159 Stewart befürchtete eine beeinträchtige Atmosphäre. Siehe FCO vom 6.11.1968, in: NA, FCO 30/534. 160 Telegramm Nr. 2597 des FCO an Paris vom 9.11.1968, in: NA, FCO 30/534. 161 Telno Nr. 1134 von Soames, Paris, an das FCO vom 13.11.1968, in: NA, FCO 30/534.
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Rückschlag, da es ihr nun schwerer fiel, im Kreis der WEU-Staaten um Rücksichtnahme auf Frankreich zu werben.162 Auf dem Treffen am 14. November in Brüssel beschlossen die sechs Außenminister ohne Frankreich, eine formlose Studiengruppe außerhalb der WEU mit der Ausarbeitung des Harmel-Plans zu betrauen. Damit war die Uneinigkeit dieser sechs WEU-Staaten über das weitere Vorgehen aber nicht ausgeräumt. So hielt Luns ein Vorgehen in der WEU angesichts der seit 1963 offenbarten französischen Haltung für zwecklos, womit er Widerspruch von Brandt und Grégoire provozierte. Zugleich hielt es Brandt für sinnvoll, sich in der WEU auf die außenpolitischen Aspekte des Harmel-Plans zu beschränken, da für die anderen Bereiche mit EG und NATO geeignetere Foren bereit stünden. Stewart mochte dieser Beschränkung nicht grundsätzlich zustimmen, doch akzeptierte er, sich zunächst auf die außenpolitischen Konsultationen zu konzentrieren. Als Ergebnis der Sitzung beauftragten die Außenminister Italien mit der Ausarbeitung eines Papiers, das die Substanz des Harmel-Planes aufnehmen und eine Diskussion für das nächste WEU-Ministertreffen vorbereiten sollte. Die praktischen Arbeiten sollten auf Beamtenebene am 25. November in Rom beginnen, wobei trotz einer geplanten Einladung an Frankreich niemand mit einer französischen Teilnahme rechnete.163 Brandt stimmte diesem Vorgehen mit drei Einschränkungen zu: Erstens hätte keiner der WEU-Staaten im Vorwege der Substanz des italienischen Papiers zugestimmt. Alle sechs Staaten hielten sich ihre offizielle Position für das kommende WEU-Ministertreffen in Luxemburg vor. Zweitens handele es sich um ein nationales Papier der italienischen Regierung. Drittens sei die Bundesrepublik nicht bereit, an einer organisierten Studiengruppe der Sechs teilzunehmen. Stewart versuchte, Brandts Forderungen zu relativieren. Er stimmte zu, dass es sich um keine organisierte Studiengruppe handele und ein italienisches Papier erstellt werde. Allerdings hielt er es für sinnvoll, die Ideen aller sechs WEU-Partner im italienischen Papier zu bündeln. Zusätzlich betonte Stewart die Einigkeit, notfalls ohne Frankreich fortzufahren. Hierzu meldete Brandt Vorbehalt an, so würde die Bundesrepublik von Fall zu Fall entscheiden. 164 Die sechs anwesenden WEU-Staaten hatten sich somit geeinigt, gegen den französischen Willen eine informelle Studiengruppe außerhalb der WEU mit der Ausarbeitung des Harmel-Plans zu betrauen. Dies war ein unübersehbares Zeichen für sinkenden französischen Einfluss auf die EG-Partner.165 Großbritannien
162 Aufzeichnung von Frank “WEU – Harmel-Vorschlag, hier: Einladung durch Außenminister Stewart zu Ministertreffen am 14. November 1968“ vom 7.11.1968, in: PA/AA, B1/325. 163 Zum Treffen am 14.11.1968 in Rom siehe die „Zusammengefasste Niederschrift über die Sitzung der sechs Außenminister Großbritanniens Belgiens, Italiens, der Niederlande, Luxemburgs und der Bundesrepublik Deutschland in Brüssel am 14. November 1968“ des Referats IA1 vom November 1968, in: PA/AA, B20/1630 und Telegramm Nr. 545 von Barclay, Rom, an das FCO vom 14.11.1968, in: NA, FCO 30/534. 164 Diese Einschränkungen Brandts und Stewarts Reaktion sind nur in der deutschen Aufzeichnung aufgeführt. Referat IA1 vom November 1968, in: PA/AA, B20/1630. 165 Vgl. Kramer, S. 240.
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begrüßte dies ausdrücklich. 166 Allerdings konnten die sechs Staaten ihre Auffassungsunterschiede nur teilweise überdecken, so dass Auseinandersetzungen über die Auslegung der Beschlüsse vorgezeichnet waren. Diese Divergenzen setzten sich auf dem Beamtentreffen am 25. November in Rom fort, an dem Frankreich wie erwartet nicht teilnahm. Das französische Außenministerium bezeichnete das Treffen außerhalb der WEU als unrechtmäßig, so dass mögliche Ergebnisse keine Wertigkeit für die WEU besäßen.167 Auf dem Treffen präsentierte Italien ein erstes Papier, von dessen Inhalt die Bundesrepublik schockiert war.168 Sie kritisierte, dass das Papier den ursprünglichen Inhalt des Harmel-Planes inklusive der technologischen, monetären und verteidigungspolitischen Kooperationsvorschläge weitgehend übernommen habe, auf obligatorischen außenpolitischen Konsultationen beharre und bereits geäußerte Kritikpunkte missachte. Die Bundesrepublik forderte, die Vorschläge auf eine behutsame Verbesserung der außenpolitischen Aspekte zu beschränken, da eine französische Zustimmung ansonsten unmöglich schien. Es zeigte sich erneut der Frontverlauf unter den EG-Erweiterungsbefürwortern. Großbritannien, die Niederlande und Italien stellten weitreichende Forderungen und waren zu einem kompromisslosen Vorgehen gegenüber Frankreich bereit. Im Gegensatz dazu warnten Belgien und die Bundesrepublik, die WEU-Strukturen zu verlassen, falls auf dem kommenden WEU-Ministertreffen keine einstimmigen Beschlüsse möglich seien. Zudem kündigte die Bundesrepublik an, ein eigenes Papier zum Bereich der politischen Konsultationen zu verfassen. 169 Das Auswärtige Amt kritisierte nach dem Treffen, dass Großbritannien, Italien und die Niederlande auf einen „Showdown“ mit Frankreich abzielten.170 Damit war das Ziel der Bundesrepublik bedroht, nicht nur einen Ausgleich in der EG-Erweiterungskrise zu bewirken, sondern auch eine WEU-Krise zu verhindern. Am 26. November übermittelte Italien ein zweites Papier, das auch in Paris einging. Während Großbritannien dem Papier zustimmte, räumte es weder die Bedenken der Bundesrepublik aus noch trug es den Unstimmigkeiten mit Frankreich Rechnung. Es stimmte noch immer in vielen Punkten mit dem Harmel-Plan überein. 171 Italien zählte 14 Themenbereiche auf, für die außenpolitische Konsultationen obligatorisch sein sollten, forderte eigenständige politische Konsultationen auf Ebene des Ständigen WEU-Rates und schlug vor, dass der Ministerrat im Krisenfall innerhalb von 48 Stunden zusammentreten könne. Darüber hinaus hielt Italien an verteidigungspolitischen, technologischen und monetären Kooperatio166 Barclay vom 14.11.1968, in: NA, FCO 30/53. 167 Telegramm von Alphand nach Rom vom 23.11.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2022. 168 Vgl. Türk, Europapolitik, S. 182. Der Wortlaut des italienischen Papiers liegt der Untersuchung nicht vor. 169 Für das Treffen am 25.11. siehe Telno 1105 von Shuckburgh, Rom, an das FCO vom 26.11.1968, in: NA, FCO 55/180 und den Vermerk von Forster „WEU/Harmel-Vorschläge“ vom 26.11.1968, in: PA/AA, B20/1630. 170 Aufzeichnung von Forster „WEU / Harmel-Vorschläge; hier: Besprechungen im italienischen Außenministerium am 25. November 1968“ vom 27.11.1968, in: PA/AA, B20/1630. 171 Vgl. Dujardin, The Failed Attempt, S. 34.
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nen fest und schlug zusätzlich die Teilnahme von Fachministern an den WEUWirtschaftsdiskussionen vor (vgl. Kapitel VI.3.3.).172 Angesichts des geringen italienischen Entgegenkommens verhärteten sich die Fronten. Frankreich reagierte erbost auf das italienische Papier und bezeichnete es als indiskutabel. 173 Das Papier war Paris schon deshalb ein Dorn im Auge, da es außerhalb der offiziellen WEU-Strukturen entstanden war. 174 Zudem lehnte Frankreich alle Vorschläge ab, die über den Bereich der außenpolitischen Konsultationen hinausgingen und war bei letzteren nur zu minimalen Konzessionen in ausgewählten Themen, beispielsweise dem Verhältnis zu den Staaten Osteuropas, bereit. Das französische Außenministerium sprach sich gegen umfangreiche obligatorische Konsultationen und gegen regelmäßige politische Konsultationen im Ständigen WEU-Rat aus.175 Dennoch hielt Frankreich eine offizielle Position zum italienischen Papier zurück. Frankreich hoffte, dass die Differenzen der anderen WEU-Staaten bereits ausreichten, um eine Einigung zu verhindern.176 Diese Hoffnung war berechtigt, da auch Kiesinger und Brandt vom italienischen Papier wenig angetan waren. 177 Um Frankreich zur Mitarbeit bewegen zu können, entwarf das Auswärtige Amt ein Papier, das sich auf eine moderate Verbesserung der außenpolitischen Konsultationen in der WEU beschränkte und beim WEU-Ministertreffen in Luxemburg zur Diskussion gestellt werden sollte.178 Großbritannien war entsetzt über diesen Plan, da die Bundesrepublik dem italienischen Papier beim WEU-Ministertreffen zustimmen sollte. Ansonsten schien die Option ausgeschlossen, den Harmel-Plan ohne Frankreich beziehungsweise außer172 „WEU – Harmel-Vorschläge; hier: Italienisches Papier“ vom 26.11.1968, in: PA/AA, B1/326. Die Themen für obligatorische Konsultationen waren: 1. die politische Organisation Europas; 2. Beziehungen Europas mit den USA; 3. Beziehungen Europas mit der Sowjetunion; 4. europäischer Beitrag zu Sicherheit und Frieden; 5. Beziehungen mit den osteuropäischen Staaten; 6. europäische Verantwortlichkeiten bei außereuropäischen Krisen; 7. Beziehungen mit den Entwicklungsländern; 8. Abrüstungsprobleme; 9. Zustand des Meeres; 10. Weltraum; 11. UNO; 12. Aspekte europäischer Sicherheits- und Verteidigungsprobleme; 13. Rolle der europäischen Nuklearstaaten bei der Verteidigung in Europa; 14. Prüfung der Probleme in Sicherheit und Verteidigung angesichts unterschiedlicher Positionen zur atlantischen Allianz. Siehe den Anhang 1 an Fernschreiben Nr. 1102 von Herwarth, Rom, an das AA vom 26.11.1968, in: PA/AA, B1/326. 173 Aufzeichnung von Frank „WEU/Harmel-Vorschläge; hier: Entwicklung seit der WEU-Ratstagung am 21./22. Oktober 1968 in Rom“ vom 2.1.1969, in: PA/AA, B1/326 und Dujardin, The Failed Attempt, S. 34. 174 Telegramm Nr. 1128 von Scott, Rom, an das FCO vom 6.12.1968, in: NA, FCO 307535. 175 Für eine interne Stellungnahme siehe Aufzeichnung der S/DEO „A/s Projet Harmel de rélance de l’U.E.O. Rapport du Groupe d’experts présidé par M. Medici.“ vom 4.12.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2024. 176 Telegramm Nr. 1172 von Scott, Rom, an das FCO vom 19.12.1968, in: NA, FCO 30/535. 177 Gespräch des Bundesministers Brandt mit dem französischen Außenminister Debré in Brüssel am 10.12.1968, in: AAPD 1968II/405, S. 1566/1577 und Dujardin, The Failed Attempt, S. 34. 178 Entwurf eines deutschen Memorandums des Referats IA1 „Deutsche Vorschläge zur Verstärkung und Verbesserung der außenpolitischen Konsultationen in der WEU“ vom 4.12.1968, in: PA/AA, B20/1630.
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halb der WEU fortentwickeln zu können. 179 Großbritannien redete der Bundesrepublik ein offizielles deutsches Papier aus. 180 Allerdings gelang Großbritannien nur ein Teilerfolg. So übermittelte die Bundesrepublik den WEU-Partnern stattdessen eine Stellungnahme zum italienischen Papier. Mit dieser Alternative wollte die Bundesrepublik einerseits die Verhandlungen in Luxemburg nicht mit der Diskussionen verschiedener Papiere belasten, andererseits bewahrte sie sich eine selbständige Verhandlungsposition. 181 Sie vermied es, sich auf einen antifranzösischen Kurs festzulegen. Die Bundesrepublik lehnte obligatorische Konsultationen nicht ab, doch hielt sie diese für kaum umsetzbar. Sie forderte eine Einigung aller WEU-Staaten und schlug alternativ „obligatorische Informationen“ für bestimmte Bereiche vor. Zudem setzte sie auf eine vetofreie Tagesordnung, sofern kein Staat die Gefährdung nationaler Interessen geltend machte. Einig war sich die Bundesrepublik mit Italien darin, den Ständigen WEU-Rat besser in die inhaltliche Arbeit einzubinden. Im Gegensatz dazu lehnte die Bundesrepublik die Behandlung verteidigungspolitischer, monetärer und technologischer Fragen in der WEU weitgehend ab.182 Italien und Großbritannien reagierten verärgert auf die deutsche Stellungnahme. Die Bundesrepublik schwäche das italienische Papier, das nur formal ein italienisches, praktisch aber ein gemeinsames Papier von sechs WEU-Staaten sein sollte. 183 Kritik kam auch aus Belgien, während Luxemburg Verständnis für die deutsche Haltung aufbrachte.184 Frankreich verzichtete auf einen offiziellen Kommentar, nahm die Uneinigkeit der anderen WEU-Staaten aber zufrieden zur Kenntnis.185 Angesichts der Gefahr, dass auch das WEU-Treffen in Luxemburg ergebnislos enden könnte, gab es in Großbritannien und den Niederlanden alternative Gedankenspiele. Wilson und Stewart waren sich einig, dass bei einem Scheitern des Harmel-Plans eine Alternative gefunden werden musste, um Großbritannien in der Entwicklung der europäischen Integration an vorderster Front zu halten. Diesem britischen Ziel hatte die WEU durch den Harmel-Plan in den Monaten zuvor
179 Aufzeichnung von Robinson vom 2.12.1968, in: NA, FCO 30/535. 180 „Record of Conversation after Dinner on 4 December given by Lord Hood for Dr. Frank“, in: NA, FCO 30/535 und das Telegramm Nr. 2388 des FCO an Bonn vom 5.12.1968, in: NA, FCO 30/535. 181 Aufzeichnung von Frank vom 2.1.1969, in: PA/AA, B1/326. Die deutsche Stellungnahme ging in Italien am 14.12.1968 ein. Siehe ebenda. Frankreich erhielt die Stellungnahme am 18.12.1968 Vgl. Dujardin, The Failed Attempt, S. 35. 182 Für den Wortlaut der deutschen Stellungnahme siehe Frank vom 2.1.1969, in: PA/AA, B1/326. 183 Fernschreiben Nr. 1182 von Herwarth, Rom, an das AA vom 19.12.1968, in: PA/AA, B20/1630 und Telegramm Nr. 2460 des FCO an Rom vom 17.12.1968, in: NA, FCO 30/535. 184 Für eine Übersicht über die Reaktionen siehe Aufzeichnung von Frank vom 2.1.1969, in: PA/AA, B1/326. 185 Telegramm Nr. 6898/904 von Seydoux, Bonn, an Paris vom 20.12.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2022 und Aufzeichnung der DAEF „A/S Plan Harmel“ vom 6.1.1969, in: MAE, DE_CE, GB/787.
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wertvolle Dienste geleistet.186 Aus den Niederlanden kam der Vorschlag einer gesamteuropäischen Konferenz, falls Frankreich keine Zugeständnisse zum Harmel-Plan mache. Während die Bundesrepublik der Idee positiv gegenüber stand, wollte Großbritannien zunächst die Ergebnisse des WEU-Treffens abwarten. Da auch Frankreich keine Zustimmung signalisierte, zogen die Niederlande den Vorschlag zurück.187 Damit war vorgezeichnet, dass das WEU-Ministertreffen in Luxemburg Anfang Februar 1969 von entscheidender Bedeutung für die weitere Entwicklung der außenpolitischen Integrationsbemühungen sein würde. Zudem mussten die Ereignisse in Luxemburg zeigen, ob die drohende WEU-Krise abgewendet werden könnte oder endgültig ausbrach. In letzterem Fall drohte die WEU zu einer Belastung für den europäischen Integrationsprozess zu werden. Im Januar 1969 offenbarten sich weiterhin die Differenzen der WEU-Staaten. Es gab weder eine Einigung über grundsätzliche Ziele noch über ein gemeinsames Diskussionspapier. Zudem gelang es dem Ständigen WEU-Rat nicht, sich auf eine offizielle Tagesordnung für den WEU-Politiktag zu einigen. Frankreich lehnte einen eigenen Tagesordnungspunkt zum Harmel-Plan ab, da es eine ausführliche Diskussion verhindern wollte. Darüber hinaus hielt sich Frankreich eine Teilnahme an der Diskussion offen, da die Sitzung des Ministerrates nicht adäquat vorbereitet worden sei. 188 Dieses Argument basierte auf der als illegal betrachteten Arbeit der Studiengruppe, die ohne Frankreichs Zustimmung durchgeführt worden war. Italien versuchte mit einem dritten Papier vom 9. Januar 1969 zumindest der deutschen Position entgegenzukommen, in dem es die Themenliste für obligatorische Konsultationen halbierte und den Vorschlag obligatorischer Informationen übernahm. 189 Großbritannien unterstützte auch dieses Papier und forderte, darüber in Luxemburg abzustimmen. 190 Aus deutscher Sicht fielen die Zugeständnisse – vor allem im Bereich der obligatorischen Konsultationen – zu gering aus. Die Bundesrepublik akzeptierte auch diese Version nicht als gemeinsames Papier, 186 Wilson an Stewart (M 74/68) vom 17.12.1968, in: NA, FCO 30/411 und Stewart an Wilson (PM/68/110) vom 20.12.1968, in: NA, FCO 30/411. 187 Für die Ausführungen zum niederländischen Vorschlag vgl. Türk, Europapolitik, S. 184 und Kramer, S. 241. Der niederländische Plan resultierte aus dem Europäischen Parlamentarierkongress in Den Haag am 8./9.11.1968, an dem neben den EG-Staaten – außer Frankreich – auch die EG-Beitrittskandidaten partizipierten. Siehe die Aufzeichnung von Meyer für den Bundeskanzler „Europäischer Parlamentarierkongress in Den Haag am 8. und 9.11.68“ vom 12.11.1968, in: BA, B136/6415. 188 Zur Sitzungen des Ständigen WEU-Rates am 8.1.1969 siehe Telegramm Nr. 15 des FCO an Paris vom 9.1.1969, in: NA, FCO 30/535 und Fernschreiben Nr. 31 von Blankenhorn, London, an das AA vom 8.1.1969, in: PA/AA, B21/674. Zur Sitzung am 22.1.1969 siehe Fernschreiben Nr. 123 von Blankenhorn, London, an das AA vom 22.1.1969, in: PA/AA, B21/674 und Telegramm Nr. 4 des FCO an Luxemburg vom 22.1.1969, in: NA, FCO 41/494. 189 Für den Wortlaut des 3. italienischen Papiers siehe Drahtbericht Nr. 8 vom Steg, Rom, an das AA vom 9.1.1969, in: PA/AA, B21/738. Für eine Übersicht über die Themen für obligatorische Konsultationen und obligatorische Informationen siehe ebenda die Anhänge 1 und 2. 190 Telegramm Nr. 2480 des FCO nach Rom vom 20.12.1968, in: NA, FCO 30/535.
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sondern nur als unverbindliche Gesprächsgrundlage, um eine Gruppenbildung gegen Frankreich zu vermeiden. 191 Zudem lehnte sie ebenso wie Belgien eine Kampfabstimmung über das italienische Papier ab.192 Weder Italien noch Großbritannien gelang es, die Bundesrepublik umzustimmen oder von einem Vorgehen ohne Frankreich zu überzeugen.193 Das Foreign Office beklagte erneut, dass die Bundesrepublik Absprachen aus dem Oktober 1968 verletze, wovon sich das Auswärtige Amt unbeeindruckt zeigte.194 Es hoffte stattdessen, Frankreich für den Vorschlag einer vetofreien Tagesordnung zu gewinnen und glaubte, positive Signale aus Paris zu vernehmen. 195 Diese Einschätzung war falsch, da Frankreich befürchtete, bei einer vetofreien Tagesordnung Diskussionen über die Zukunft der WEU nicht verhindern zu können. 196 Allerdings war Frankreich zu kleinen Konzessionen bezüglich der politischen Konsultationen bereit, um seine Verhandlungsposition in Luxemburg zu stärken. Frankreich stellte in Aussicht, den Ständigen WEU-Rat zu beauftragen, Vorschläge zur Verbesserung der politischen Konsultationen zu erarbeiten. 197 Dieser Vorschlag ging zwar kaum über die im Oktober 1968 in Rom offenbarte Haltung hinaus, doch zeigte sich Frankreich gewillt, an weiteren Diskussionen zu partizipieren und die drohende WEU-Krise abzuwenden. Vor dem WEU-Treffen am 6./7. Februar 1969 in Luxemburg stellte sich die Ausgangslage wie folgt dar: Die Bundesrepublik hoffte auf verbesserte außenpolitische Konsultationen in der WEU, lehnte aber neue Institutionen ab und hielt obligatorische Konsultationen für unrealistisch. Die Bundesrepublik setzte auf konstruktive Gespräche in Luxemburg, in deren Anschluss der Ständige WEU-Rat mit weiteren Arbeiten betraut werden sollte. Ein Verlassen der WEU-Strukturen war aus deutscher Sicht inakzeptabel. 198 Großbritannien hielt an obligatorischen 191 Aufzeichnung von Frank „WEU/Harmel-Vorschläge; hier: Neufassung des italienischen Papiers vom 9.1.1969“ vom 10.1.1969, in: PA/AA, B21/738 und Drahterlass Nr. 222 des Auswärtigen Amtes an die WEU-Botschaften vom 17.1.1969, in: PA/AA, B21/738. 192 Aufzeichnung von Stadens „WEU-Ministerratstagung in Luxemburg, hier: Vorsprache des belgischen Botschafters beim Parl. Staatssekretär am 15.1.1969“ vom 16.1.1969, in: PA/AA, B21/674. 193 Aufzeichnung von Stadens, „WEU/Harmel-Vorschläge;hier: Botschaft Außenminister Nennis an den Herrn Bundesminister vom 14. Januar 1969“ vom 15.1.1969, in: PA/AA, B1/326, den Entwurf eines Briefs von Brandt an Nenni, in: PA/AA, B1/326 und die deutsch-britischen Regierungsgespräche in London am 16.1.1969, in: AAPD 1969I/15, S. 63–65. 194 Vermerk des Referats IA1 „WEU/Harmel-Vorschläge; hier: Britische Behauptungen über deutsche Zustimmung zu Harmel-Vorschlägen und damit auch zur obligatorischen Konsultation“ vom 3.2.1969, in: PA/AA, B21/738. 195 Von Staden vom 15.1.1969, in: PA/AA, B1/326 und Fernschreiben Nr. 70 von Limbourg, Paris, an das AA vom 10.1.1969, in: PA/AA, B21/674. 196 [Autorenlose] Aufzeichnung vom 22.1.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2024. 197 Aufzeichnung Nr. 18 der S/DEO „a.s. Amélioration de la Consultation politique à l’U.E.O.“ vom 20.1.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2023 sowie Dujardin, The Failed Attempt, S. 35. 198 Aufzeichnung von Stadens „WEU-Harmel Vorschläge/italienisches Papier/Vorbereitung der Ministerratstagung in Luxemburg“ vom 24.1.1969, in: PA/AA, B20/1630 und Aufzeichnung von Lahr „Außenpolitische Konsultationen in der WEU“ vom 29.1.1969, in: PA/AA, B2/167.
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Konsultationen fest und forderte eine grundsätzliche Entscheidung über das italienische Papier. Es genügte aus britischer Sicht nicht, den Ständigen WEU-Rat mit Diskussionen zu beauftragen, wenn die Minister keine politische Entscheidung getroffen hätten. Großbritannien war eher bereit, das Luxemburger Treffen ohne Einigung zu verlassen und neue Wege einzuschlagen als einem nicht zufriedenstellenden Kompromiss zuzustimmen. 199 Frankreich lehnte obligatorische Konsultationen und das italienische Papier ab. Frankreich warnte die WEU-Partner, mehr als eine limitierte Diskussion über den Harmel-Plan im Ministerrat und einen Auftrag an den Ständigen WEU-Rat nicht zu akzeptieren. Es drohte unverhohlen mit einem WEU-Boykott, wenn die anderen Staaten obligatorische Konsultationen durchzusetzen versuchten.200 Angesichts dieser abweichenden Zielsetzungen erwartete niemand einen Durchbruch auf dem Luxemburger Treffen.201 Brandt befürchtete ein „schreckliches Gewürge“ und gab als primäres Ziel aus, eine Eskalation der Lage zu verhindern.202 Er warnte Stewart unmittelbar vor dem Treffen, nicht zu forsch aufzutreten.203 Die Diskussionen über die Verbesserung der außenpolitischen Konsultationen nahmen den gesamten ersten Tag des WEU-Ministertreffens in Anspruch. Zu Beginn begründete der italienische Außenminister Nenni die Notwendigkeit engerer politischer Zusammenarbeit mit dem Endziel einer Politischen Union in Europa. Die Vorschläge des italienischen Papiers seien ein erster Schritt, wobei er nur die obligatorischen Konsultationen herausstrich. 204 Stewart unterstützte ebenso wie Harmel, Luns und Thorn das Ziel obligatorischer Konsultationen. Als praktischen Schritt unterbreitete er das Angebot, sich vor der Teilnahme an der Viererbesprechung im UN-Sicherheitsrat über den Nahen Osten mit den Ständigen WEUVertretern in London zu konsultieren (vgl. Kapitel VI.3.2.). Der deutsche Staatssekretär Jahn205 befürwortete enge politische Konsultationen. Zugleich trug er den ambivalenten deutschen Standpunkt zu obligatorischen Konsultationen vor und plädierte für eine freie Diskussion. De Lipkowski forderte kleine Schritte, das italienische Papier sei zu ambitiös. Er unterstrich die Bedeutung der EG, die durch 199 Brief Nr. 1 „Harmel Proposals“ zum WEU-Ministertreffen in Luxemburg am 6./7.2.1969, in: NA, FCO 41/496 sowie „Note of a meeting between the Foreign and Commonwealth Secretary of State and the Italian Foreign Minister at the Kirchberg at 9.45 a.m. on 6 February, 1969“, in: NA, FCO 33/639. 200 Telegramm Nr. 103/104 von Beaumarchais nach Bonn vom 30.1.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2024 sowie für eine ausführliche französische Analyse die Aufzeichnung der S/DEO „a.s. Amélioration de la consultation en matière de politique extérieure.-“ vom 30.1.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2023. 201 Vgl. Pine, Harold Wilson, S. 111. 202 Bundesminister Brandt, z.Z. Bühlerhöhe, an Bundeskanzler Kiesinger am 4.2.1969, in: AAPD 1969I/43, S. 146. 203 „Record of a meeting between the Foreign and Commonwealth Secretary and the Federal German Minister of Foreign Affairs at Buehlerhoehe at 4 p.m. on 5 February“, in: NA, FCO 73/24. 204 Pietro Nenni: Rede des italienischen Außenministers auf der WEU-Ratstagung am 6. Februar 1969, in: EA 24 (1969), S. D 251/252. 205 Brandt fiel kurzfristig aufgrund einer Rippenfellentzündung aus.
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eine vorschnelle Entwicklung in der WEU Schaden nehmen könnte. Frankreich lehne obligatorische Konsultationen ab und schlage stattdessen drei praktische Verbesserungen vor: Sondersitzungen im Krisenfall, Sitzungen im beschränkten Kreis für eine bessere Vertraulichkeit und den Austausch von Arbeitspapieren vor den Treffen. Stewart wies diese Vorschläge als ungenügend zurück. Stattdessen schlug er vor, sich über eine Themenliste für obligatorische Konsultationen zu einigen, was de Lipkowski ablehnte. Nach der Mittagspause unternahmen die Beneluxstaaten einen Vorstoß, um den Stillstand in der Diskussion aufzubrechen. Sie verpflichteten sich zu gegenseitigen Vorab-Konsultationen in für Europa wesentlichen Fragen, die in einer Liste noch genauer zu bestimmen seien. Stewart und Nenni schlossen sich diesem Vorschlag vorbehaltlos an. Jahn stimmte unter der Einschränkung zu, dass die Konsultationen freiwillig erfolgten. De Lipkowski nahm den Beneluxvorstoß zur Kenntnis und behielt sich eine offizielle Reaktion vor. Er machte aber klar, dass Frankreich sich nicht beteiligen könne, wenn den Konsultationen grundsätzliche Hindernisse entgegenstünden. Konsultationen ohne französische Beteiligung seien dann denkbar, fänden aber nicht mehr in der WEU statt. Als Ergebnis der Sitzung resümierte der Vorsitzende Thorn Einigkeit, die außenpolitischen Konsultationen in der WEU zu verstärken. Allerdings behielt sich Frankreich eine Stellungnahme zum Vorschlag der Beneluxstaaten vor und auch die Bundesrepublik hatte noch keine offizielle Zustimmung gegeben. Der Ständige WEU-Rat wurde mit der weiteren Prüfung beauftragt und die Minister sollten auf dem nächsten WEUMinistertreffen erneut beraten.206 Insgesamt fehlte es dem Luxemburger WEU-Ministertreffen an einem klaren Ergebnis.207 Es bestätigte sich der Eindruck, dass Frankreich nur minimale Verbesserungen der WEU-Konsultationen akzeptierte und auf Zeit spielte. Die Bundesrepublik vertrat eine schwammige Position in der Hoffnung, einen für alle annehmbaren Kompromiss zu erzielen. Deshalb plädierte die Bundesrepublik für den freiwilligen Charakter obligatorischer Konsultationen, was ein Widerspruch im eigentlichen Wortsinne war und die kaum haltbare deutsche Mittelposition zwischen französischen Forderungen einerseits und denen der übrigen fünf WEUStaaten andererseits offenbarte. Großbritannien, Italien und die Beneluxstaaten waren hingegen bereit, sich zu einer intensiveren außenpolitischen Kooperation zu
206 Für die Diskussionen über die Verbesserung der politischen Konsultationen beim WEU-Treffen am 6.2.1969 in Luxemburg und die erzielten Ergebnisse siehe Runderlass des Staatssekretärs Lahr, z.Z. Luxemburg vom 7.2.1969, in: AAPD 1969I/50, S. 165–167, Telegramm Nr. 42 von Malcolm, Luxemburg, an das FCO am 7.2.1969, in: NA, FCO 41/495 sowie Circulaire Nr. 83 von Tine vom 14.2.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2023 und Circulaire Nr. 84 von Tine vom 14.2.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2023. Die Aspekte der Verteidigung, Technologie und Währung kamen in Luxemburg nur am Rande und ohne Ergebnis zur Sprache. 207 Laut Türk war das Treffen ein Fehlschlag, während es nach Pine angesichts der Standhaftigkeit der Fünf ein überraschender Erfolg gewesen sei. Vgl. Türk, The Grand Coalition, S. 62 und Pine, Harold Wilson, S. 111.
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verpflichten, auch wenn Belgien gegenüber Frankreich zu Zugeständnissen bereit war.208 Großbritannien war nicht unzufrieden mit dem Verlauf des Treffens. Es begrüßte den Vorstoß der Beneluxstaaten und die erneue französische Isolation.209 Allerdings war es nicht gelungen, die Bundesrepublik auf einen gemeinsamen Kurs festzulegen. Deshalb war Stewart überzeugt, dass weitere Fortschritte notwendig waren, die Frankreich nicht aufhalten dürfte. 210 Die Bundesrepublik begrüßte, dass eine offene Konfrontation ausgeblieben sei und sich die Diskussion auf die außenpolitischen Aspekte beschränkt hatte. Zugleich warnte das Auswärtige Amt vor zwei Gefahren. Zum einen sei nicht klar, ob Frankreich die von den Beneluxstaaten vorgeschlagenen Vorabkonsultationen dulden würde. Zum anderen könnte der britische Vorschlag zu Nahostkonsultationen für Zündstoff sorgen, wenn Frankreich Widerstand leiste (vgl. Kapitel VI.3.2. und Kapitel VII.1.1.). Alles in allem sei nicht sicher, dass eine WEU-Krise abgewendet sei. 211 Frankreich kritisierte das Verhalten Großbritanniens, der Niederlande und Italiens, die eine harsche Linie vertreten hätten. Hingegen hätten sich die Bundesrepublik und mit Abstrichen Belgien um einen Kompromiss bemüht.212 Die WEU befand sich nach dem Luxemburger Treffen am Scheideweg. Noch war es möglich, mit einem für alle Seiten gesichtswahrender Kompromiss eine moderate Verbesserung der außenpolitischen Konsultationen innerhalb der offiziellen WEU-Strukturen einzuleiten. Ein solcher Kompromiss entsprach dem Wunsch der Bundesrepublik, deren Europapolitik vom Ziel eines Ausgleiches in der EG-Erweiterungskrise bestimmt war. Es bleibt zu zeigen, wie und warum britische und französische Kompromisslosigkeit einen Ausgleich verhinderten und die WEU in die Krise führten. Zuvor wirft die Untersuchung noch Licht auf die Entwicklungen, die parallel zum Harmel-Plan bis zum Februar 1969 in der WEU abliefen. 3.2. Die weiteren WEU-Politikdiskussionen Der Harmel-Plan überlagerte in diesem Zeitraum die politischen Diskussionen in der WEU. Die damit verbundenen ausführlichen Diskussionen im WEU-Ministerrat führten dazu, dass die übrigen Themen aus Zeitgründen nur knapp oder gar 208 Vgl. Harmels Äußerungen in Luxemburg (s. o. für die die entsprechenden Aufzeichnungen). 209 Vgl. Melissa Pine: British Personal Diplomacy and Public Policy: The Soames Affair, in: Journal of European Integration History 10 (2004), S. 66. 210 „Note of a meeting between the Foreign & Commonwealth Secretary of State and the Italian Foreign Minister at the Kirchberg at 11.30 a.m. on 7 February, 1969“, in: NA, FCO 33/639 und Pine, British Personal Diplomacy, S. 62. 211 Runderlass Nr. 642 von Frank vom 13.2.1969, in: PA/AA, B21/674. 212 Für de Lipkowskis Beurteilung siehe die namen- und titellose Aufzeichnung vom 11.2.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015. Laut Dujardin hatte Frankreich nach dem Treffen in Luxemburg gehofft, dass sich die durch den Harmel-Plan hervorgerufenen Probleme erledigt hätten. Vgl. Dujardin, The Failed Attempt, S. 37.
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nicht besprochen werden konnten. Zur Sprache kamen die Ost-West-Beziehungen, Nigeria und der Nahe Osten. Dabei standen die Folgen des sowjetischen Einmarsches in die Tschechoslowakei für die Entspannungsbemühungen in Europa, der Bürgerkrieg in Nigeria sowie der Konflikt zwischen Israel und den arabischen Staaten im Mittelpunkt.213 Drei Aspekte sind dabei hervorzuheben, die in einem direkten Zusammenhang mit der geforderten Intensivierung der politischen Kooperation standen. Erstens stellten die Diskussionen über den andauernden Bürgerkrieg in Nigeria, in dem sich die erdölreiche Region Biafra von der Zentralregierung losgesagt hatte, sowohl Frankreich als auch Großbritannien vor Probleme. Auslöser war der nunmehr zweite Vorschlag der Bundesrepublik, dass sich die WEUStaaten in einer gemeinsamen Stellungnahme für das Ende des Konflikts einsetzen sollten. Frankreich lehnte diesen Vorschlag ab, da es gegen eine verstärkte Zusammenarbeit der WEU-Staaten war und eine gemeinsame Stellungnahme einen Präzedenzfall geschaffen hätte. Großbritannien begrüßte prinzipiell eine derartige Zusammenarbeit. Allerdings nahm Großbritannien im Nigeriakonflikt eine Außenseiterposition ein, da es die Zentralregierung des CommonwealthStaates Nigeria mit Waffen belieferte und dies mit der pro-westlichen Orientierung der Regierung und dem Ziel politischer Stabilität begründete. Die anderen WEU-Staaten zeigten mehr Verständnis für die Motive Biafras und kritisierten die britischen Waffenlieferungen. Vor diesem Hintergrund hätte eine gemeinsame Stellungnahme der WEU-Staaten kaum die britische Position widergespiegelt. In diesem konkreten Fall hoffte das Foreign Office auf eine französische Blockadehaltung, um nicht selbst seine Forderung nach verstärkter politischer Kooperation in der WEU konterkarieren zu müssen.214 Tatsächlich gelang es den WEU-Staaten in der Folgezeit nicht, sich auf eine gemeinsame Vorgehensweise zu einigen.215 Zweitens sperrte sich Frankreich beim Thema Lateinamerika dagegen, von der gängigen Arbeitsweise in der WEU abzuweichen und die Rolle des Ständigen WEU-Rates zu stärken. Da beim WEU-Treffen in Rom die Diskussion über 213 Für die Diskussionen am 21.10.1968 in Rom siehe Telno Nr. 29 von Shuckburgh, Rom, an das FCO vom 22.10.1968, in: NA, T 312/2093 und Fernschreiben Nr. 995 von Herwarth, Rom, an das AA vom 22.10.1968, in: PA/AA, B20/1630. Für die Diskussionen am 7.2.1969 in Luxemburg siehe Fernschreiben Nr. 26 von Forster, Luxemburg, an das AA vom 7.2.1969, in: PA/AA, B21/674, Telno Nr. 3 des FCO an Bonn vom 11.2.1969, in: NA, FCO 7/1029, Telno Nr. 2 des FCO an Bonn vom 7.2.1969, in: NA, FCO 17/727 und Circulaire Nr. 73 von Tine vom 11.2.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2024. 214 Siehe Item III „Proposal by the German Delegation concerning the situation in Nigeria/Biafra“ im Anhang an das Schreiben von Williams an Lord Hood vom 2.12.1968, in: NA, FCO 41/461. Für Details zum vom Juli 1967 bis Januar 1971 andauernden nigerianischen Bürgerkrieg, der mehr als eine Million Todesopfer forderte, vgl. u. a. Klaus Stephan: Nigeria nach dem Krieg, Ende und Folgen der Sezession, in: EA 17 (1971), S. 617–622. 215 Für den Vorschlag zu einer gemeinsamen Vorgehensweise gegenüber Nigeria, der in einem Weiterverweis an den Ständigen WEU-Rat resultierte, siehe Shuckburgh vom 22.10.1968, in: NA, T 312/2093 und Herwarth vom 22.10.1968, in: PA/AA, B20/1630. Für die anschließende Uneinigkeit im Ständigen WEU-Rat siehe Fernschreiben Nr. 2433 von Blankenhorn, London, an das AA vom 5.12.1968, in: PA/AA, B21/667.
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Lateinamerika ausfiel, bekam der deutsche Staatssekretär Lahr die Aufgabe, einen Lateinamerikabericht für das kommende Ministertreffen auszuarbeiten. 216 Diesem Auftrag kam Lahr nach.217 Zudem schlug die Bundesrepublik vor, im Ständigen WEU-Rat über den Bericht zu diskutieren. Dies entsprach dem Wunsch des Großteils der WEU-Staaten, den Ständigen WEU-Rat stärker in die inhaltliche Arbeit einzubinden. Großbritannien, Italien und die Niederlande unterstützten den Vorschlag, doch verweigerte Frankreich die notwendige Zustimmung.218 Frankreich gelang es somit, einen ungewünschten Präzedenzfall zu verhindern. Die ausführlichen Diskussionen über den Harmel-Plan führten zudem dazu, dass Lahrs Lateinamerikabericht auf der Luxemburger WEU-Ministerratssitzung nicht mehr zur Sprache kam und eine mögliche intensivierte Kooperation somit aus Zeitgründen versandete.219 Drittens rangen Frankreich und Großbritannien in einem weiteren konkreten Themenfeld darum, ob und inwiefern die politischen WEU-Konsultationen im Allgemeinen und die Rolle des Ständigen WEU-Rates im Besonderen intensiviert werden könnten. Am ersten Tag des Luxemburger WEU-Treffens gab Außenminister Stewart den Plan bekannt, in Kürze zu einem Nahostsondertreffen des Ständigen WEU-Rates einladen zu wollen. Er begründete dies offiziell mit dem Ziel, dass sich Großbritannien vor seiner Teilnahme an einer Viermächtekonferenz (mit Frankreich, den USA und der Sowjetunion) über den Nahen Osten mit den anderen WEU-Staaten konsultieren wolle. Allerdings basierte der Vorschlag primär auf dem Motiv, die theoretischen Forderungen nach einer engeren politischen Kooperation in der WEU mit einem praktischen Schritt zu unterfüttern (vgl. Kapitel VII.1.).220 Frankreich war sich dieses britischen Zieles bewusst, weshalb es ein solches Treffen bereits im Vorwege abgelehnt hatte.221 In Luxemburg argumentierte Staatssekretär de Lipkowski, dass die gewünschte Diskussion über 216 Shuckburgh vom 22.10.1968, in: NA, T 312/2093 und Herwarth vom 22.10.1968, in: PA/AA, B20/1630. 217 Western European Union, C(68)156, „Reports by Mr. Lahr on Latin America“, in: PA/AA, B21/677. Lahr verwies auf die Bedeutung Lateinamerikas für Europa und die Notwendigkeit, den politischen Austausch zu intensivieren. Zudem sollten die WEU-Staaten nicht nur gewöhnliche Entwicklungshilfe leisten, sondern auch soziale Fortschritte und strukturelle Stabilität in Lateinamerika unterstützen. Bei der technischen Hilfe bedürfe es darüber hinaus einer Koordination der Projekte der WEU-Staaten. Siehe ebenda. 218 Zum Ständigen WEU-Rat am 18.12.1968 siehe Fernschreiben Nr. 2538 von Blankenhorn, London, an das AA vom 18.12.1968, in: PA/AA, B21/674. Für die kontinuierliche französische Blockadehaltung siehe Fernschreiben Nr. 192 von Blankenhorn, London, an das AA vom 30.1.1969, in: PA/AA, B21/677. 219 Fernschreiben Nr. 26 von Forster, Luxemburg, an das AA vom 7.2.1969, in: PA/AA, B21/674. 220 Aufzeichnung “Cabinet. 20 February. Western European Union. Speaking Notes for the Secretary of State“, in: NA, FCO 41/506. 221 Großbritannien hatte seinen Vorschlag eines Nahostsondertreffens bereits am 24.1.1969 in Frankreich vorgestellt und dies mit dem Interesse der WEU-Partner an der Viermächtekonferenz begründet. Dabei hatte Frankreich bereits ablehnend reagiert. Telegramm Nr. 50 des FCO an Paris am 24.1.1969, in: NA, FCO 17/727 und Telegramm Nr. 94 von Soames, Paris, an das FCO vom 25.1.1969, in: NA, FCO 17/727.
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den Nahen Osten problemlos auf dem Ministertreffen durchgeführt werden könnte.222 Dies entsprach der französischen Auffassung, die politischen Diskussionen exklusiv dem Ministerrat zu überlassen. Die anderen WEU-Staaten hielten es jedoch angesichts des vorgeschlagenen Nahostsondertreffens und der Zeitprobleme für sinnvoll, auf die vorgesehene Diskussion über den Nahen Osten zu verzichten. Allerdings beharrte de Lipkowski ausdrücklich auf dem Diskussionspunkt und leitete – was für einen französischen Vertreter im WEU-Rat ungewöhnlich war – selbst in die anschließende Diskussion ein. 223 Der französische Staatssekretär verfolgte mit dieser Vorgehensweise das Ziel, Großbritannien die Argumente für die Einberufung eines speziellen Nahosttreffens zu entziehen. Die französische Taktik brachte keinen Erfolg, wie die Entwicklungen der folgenden Tage zeigten. Vielmehr brachte das Nahostsondertreffen das Fass aus französischer Sicht zum Überlaufen und führte zum WEU-Boykott (vgl. Kapitel VII.1.). 3.3. Die WEU-Wirtschaftsdiskussionen Die wirtschaftliche Rolle der WEU stand angesichts des Harmel-Planes in dieser Phase hinter ihrem politischen Pendant zurück. Dies lag nicht zuletzt daran, dass die wirtschaftlichen Elemente des Harmel-Plans keine Realisierungschance besaßen und nicht intensiver diskutiert wurden (vgl. Kapitel VI.3.1.). Eine Ausnahme bildeten Überlegungen, die Wirtschaftskontakte in der WEU durch die Teilnahme von Fachministern zu stärken. Bereits Anfang 1968 hatte Italien vorgeschlagen, Fachminister zuzulassen und auf diese Weise die Substanz der Wirtschaftsdiskussionen zu erhöhen (vgl. Kapitel VI.2.3.). Nachdem Großbritannien frühzeitig seine Zustimmung signalisiert hatte, stand auch die Bundesrepublik der Idee mittlerweile positiver gegenüber. 224 Das Auswärtige Amt hielt die Teilnahme von Fachministern für rechtlich mit dem WEU-Vertrag vereinbar. Allerdings rechnete es dem Vorschlag geringe Chancen 222 Zu Stewarts Vorschlag eines Nahostsondertreffens und Reaktionen am 6.2.1969 in Luxemburg siehe Lahr vom 7.2.1969, in: AAPD 1969I/50, S. 165/166, Malcolm vom 7.2.1969, in: NA, FCO 41/495 und Circulaire Nr. 83 von Tine vom 14.2.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2023. 223 Für das französische Beharren auf der Nahostdiskussion am 7.2.1969 beim Luxemburger WEU-Treffen siehe Circulaire Nr. 74 von Alphand vom 11.2.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2023. Für die anschließende Diskussion siehe Telno Nr. 2 des FCO vom 7.2.1969, in: NA, FCO 17/727, Tine vom 11.2.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2024 und Forster an das AA vom 7.2.1969, in: PA/AA, B21/674. De Lipkowski analysierte den sowjetischen Vermittlungsvorschlag aus dem Januar 1969 und verwies auf den französischen Vorschlag zur Viermächtekonferenz. Französisches Ziel sei eine Einigung zwischen Israelis und Arabern. Stewart wies auf die offenen Probleme für eine Lösung des Nahostkonfliktes hin. Lahr bezweifelte, ob es der Sowjetunion um eine Nahostlösung oder nicht eine Festigung des Status quo ginge. Nenni betonte, dass trotz dieser Diskussionen ein Nahostsondertreffen sinnvoll sei. Siehe ebenda. 224 Aufzeichnung des Referats IA2 „Ergebnis der Besprechung in Rom vom 22./23.8.1968 gemäß Drahterlass Nr. 379 vom 26.8.68“, in: PA/AA, B21/673.
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aus, da sich Frankreich dagegen aussprechen würde und sich dafür auf die gängige Praxis der bisherigen WEU-Treffen seit 1963 berufen könnte.225 In der Tat blieb Frankreich seiner ablehnenden Haltung treu, da es fürchtete, mittels der Fachminister die britischen EG-Beitrittsverhandlungen indirekt wieder aufzunehmen. 226 Nichts desto trotz wiederholte Italien auf dem WEU-Ministertreffen in Rom seinen Vorschlag, dass die Wirtschafts- und Finanzminister in der WEU wirtschaftliche und monetäre Fragen besprechen sollten. Während die Bundesrepublik und Großbritannien den Vorschlag unterstützten, bezeichnete Frankreich dies als Abkehr von den 1963 beschlossenen Prozeduren. Auch der deutsche Hinweis, dass freie Delegationswahl herrsche und Frankreich keinen Fachminister entsenden müsste, löste den Streitpunkt nicht auf. 227 Die Minister verwiesen den Vorschlag an den Ständigen WEU-Rat, in dem sich im November 1968 die mangelnde Einigkeit manifestierte. Während die Mehrzahl der WEU-Staaten – darunter Großbritannien und die Bundesrepublik – den italienischen Vorschlag erneut befürworteten, zeigte sich Belgien skeptisch und Frankreich ablehnend. Es offenbarte sich eine unterschiedliche Interpretation des WEU-Kompromisses aus dem Juli 1963. Frankreich war der Ansicht, dass lediglich Treffen der Außenminister beschlossen worden seien und es der Teilnahme von Agrarminister Soames 1964 nur unter der Bedingung zugestimmt habe, dass damit kein Präzedenzfall geschaffen worden sei (vgl. Kapitel IV.2.2.). Deshalb müssten bei neuen speziellen Bedürfnissen für die Teilnahme eines Fachministers die anderen WEU-Mitglieder um Zustimmung gebeten werden. Darüber hinaus sei aus französischer Sicht der WEU-Rat nicht der richtige Ort, über Probleme der Wirtschaftspolitik oder gar monetäre Fragen zu diskutieren. Großbritannien widersprach dieser Interpretationen der Ereignisse von 1963 und 1964, es kam zu keiner Einigung.228 Zudem folgten weder auf den anschließenden Sitzungen des Ständigen WEU-Rates noch auf dem Luxemburger WEU-Ministertreffen im Februar 1969 weitere Diskussionen zu diesem Thema, auch wenn das italienische Papier vom 26. November 1968 die Idee nochmals aufgegriffen hatte.229 In der Praxis hatte sich die Teilnahme von Fachministern bereits im November 1968 erledigt. Gar nicht erst zur offiziellen Diskussion kam in der WEU Harmels im Juli 1968 geäußerte Idee, die weiteren EG-Beitrittskandidaten zu den WEU-Wirt225 Aufzeichnung von Frank „WEU-Ministerrat, hier: Teilnahme von Ressortministern an den Ratssitzungen“ vom 26.9.1968, in: PA/AA, B1/325. 226 Aufzeichnung Nr. 173/EU der S/DEO „a.s. Role de l’Union de l’Europe Occidentale.-“ vom 5.9.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015. 227 Für die Diskussion am 22.10.1968 in Rom siehe Telno Nr. 714 des FCO an Rom vom 24.10.1968, in: NA, T 312/2093, Fernschreiben Nr. 1000 von Lahr, Rom an das AA vom 22.10.1968, in: PA/AA, B20/1630 und Circulaire [Nummer fehlt] des SCE vom 23.10.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2022. 228 Für die Diskussion über die Teilnahme von Fachministern im Ständigen WEU-Rat am 20.11.1968 siehe Telegramm Nr. 5577/84 von Courcel, London, an Paris am 20.11.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, OEU/2022. Zur französischen Position siehe zudem Telegramm Nr. 929/931 von Alphand nach London vom 19.11.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2022. 229 „WEU-Harmel-Vorschläge; hier: Italienisches Papier“ vom 26.11.1968, in: PA/AA, B1/326.
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schaftsdiskussionen einzuladen. 230 Die Bundesrepublik machte juristische Bedenken geltend und hielt eine französische Zustimmung für ausgeschlossen. Fruchtlose Debatten über diese Frage würden zudem die Bemühungen um verbesserte politische WEU-Konsultationen beeinträchtigen. 231 Die Bundesrepublik wollte sich der Idee zwar nicht prinzipiell verschließen, doch stellte sie klar, dass die Zusammenarbeit der EG mit Großbritannien im Mittelpunkt stehe.232 Da Frankreich tatsächlich eine ablehnende Haltung signalisierte, wurde dieser Vorschlag Harmels schnell verworfen.233 Vermutlich verzichtete Belgien im Oktober in Rom auch deshalb darauf, diese Idee offiziell in den WEU-Rat einzubringen, um den Harmel-Plan nicht mit einem weiteren potentiellen Konfliktherd zu belasten. Zu diesen Fehlschlägen, die WEU-Wirtschaftskontakte strukturell zu verändern, gesellte sich ein zusätzliches Problem. Es gelang den EG-Staaten nicht, ihren Streit über eine wirtschaftliche Zwischenlösung in der EG-Erweiterungskrise untereinander beizulegen. Zwar bemühte sich die Bundesrepublik darum, mit einem modifizierten Vorschlag eines handelspolitischen Arrangements vom 27. September 1968 einen Kompromiss zu finden, doch führte dies zu keinem unmittelbaren Erfolg. Frankreich lehnte aufs Neue jede Verbindung zwischen einem Arrangement und der EG-Erweiterung ab, während die Bundesrepublik zwar keine juristische, wohl aber eine politische Verbindung herausstrich. 234 Die anderen EG-Staaten stellten sich hinter den deutschen Vorschlag. 235 Ab dem November zeigte sich Frankreich rhetorisch offener, da es an der Entwicklung und Vertiefung in anderen EG-Bereichen interessiert war und zugleich die Fünf im Hinblick auf die Studiengruppe zum Harmel-Plan spalten wollte. 236 Diese kooperativere französische Haltung führte zu einer verbesserten EG-internen Stimmung, doch fehlte es weiterhin an einem grundlegenden Konsens über die EG-Erweiterung und den zwischenzeitlichen Kontakt mit Großbritannien.237 230 Aufzeichnung des Referats IA1 „WEU-Ministerratstagungen; hier: Erweiterung des Teilnehmerkreises am wirtschaftspolitischen Gedankenaustausch (2. Tag)“ vom 12.7.1968, in: PA/AA, B21/673. 231 Referat IA1 vom 12.7.1968, in: PA/AA, B21/673. 232 Aufzeichnung des Referats IA1 „Westeuropäische Union, hier: Beteiligung anderer Staaten“ vom 14.10.1968, in: PA/AA, B20/1630. 233 Referat IA1 vom 14.10.1968, in: PA/AA, B20/1630. Der Untersuchung liegen keine Quellen vor, aus der sich die britische Position zu dieser Idee erschließen lässt. 234 Zur Diskussionen auf der EG-Ministerratssitzung am 27.9.1968 siehe Botschafter Sachs, Brüssel (EG), an das Auswärtige Amt am 27.9.1968, in: AAPD 1968II/315, S. 1227–1235. Ludlow zufolge hatte die Bundesrepublik Frankreich eine klare Ansage gemacht, indem es praktisch die EG-Erweiterung und ihre innere Entwicklung miteinander verband. Vgl. Ludlow, The European Community, S. 151/152. 235 Aufzeichnung des Referats IA2 „Tagesordnungspunkt ‚Gedankenaustausch über die wirtschaftliche Lage in Europa‘“ vom 14.10.1968, in: PA/AA, B21/673 und Ludlow, The European Community, S. 152/153. 236 Vgl. Pine, Harold Wilson, S. 93/94. 237 Vgl. Ludlow, The European Community, S. 152/153 und Fernschreiben Nr. 2277 von Sachs, Brüssel, an das AA vom 5.11.1968, in: PA/AA, B20/1497. Der EG-Rat erzielte am 27./28.1.1969 Einigkeit, dass die EG-Kommission auf Grundlage von Vorarbeiten der Ständigen EG-Vertreter Vorschläge für ein handelspolitisches Arrangement ausarbeiten sollte.
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Die Diskussionen im WEU-Ministerrat spiegelten die kontinuierlichen Divergenzen auch im Kreis der Sieben wider. Die Gespräche konzentrierten sich auf die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den EG und Großbritannien, während die Berichte über die wirtschaftliche Lage in den EG und in Großbritannien kurz ausfielen. Bei letzteren fiel abermals das britische Bemühen auf, die positiven Tendenzen der eigenen Wirtschaftsentwicklung zu betonen, obgleich Lord Chalfont eine negative britische Handelsbilanz für das Jahr 1968 eingestehen musste. Für das Jahr 1969 prognostizierte er einen Handelsbilanzüberschuss.238 Ansonsten stand auf den WEU-Treffen die stockende Suche nach einer Zwischenlösung in der EG-Erweiterungskrise im Vordergrund, ohne dass daraus ein Durchbruch resultierte. Die Bundesrepublik verwies im Oktober 1968 in Rom auf ihren modifizierten Vorschlag eines Handelsarrangements, den sie als Ergänzung zum Harmel-Plan betrachtete. Ziel sei die Vorbereitung des britischen EGBeitritts. Frankreich wiederholte, nicht prinzipiell gegen den Beitritt zu sein, Großbritannien aber nicht als beitrittsreif anzusehen. Frankreich akzeptiere ein Handelsarrangement, sofern es keine direkte Verbindung zur EG-Mitgliedschaft habe. Großbritannien hingegen hielt trotz des Harmel-Planes am Hauptziel der EG-Mitgliedschaft fest und beharrte auf Zwischenlösungen mit einem direkten Beitrittsbezug. Während den EG-Staaten untereinander kein Kompromiss gelang, tat Großbritannien zugleich nichts dafür, durch eigenes Entgegenkommen eine Lösung zu erleichtern. Es fehlten damit auch dem WEU-Treffen in Rom klare Ergebnisse. Zudem stritten die WEU-Staaten darüber, ob eine technologische Kooperation primär im Rahmen der WEU oder der EG beschlossen werden sollte. Frankreich und die Bundesrepublik setzten auf die Maréchal-Gruppe 239, die innerhalb der EG Vorschläge für eine technologische Kooperation erarbeiten sollte. Im Gegensatz dazu sprachen sich Großbritannien und die Niederlande für eine Zusammenarbeit im Siebenerkreis aus. 240 Die Wirtschaftsdiskussionen am 7. Februar 1969 in Luxemburg bestätigten, dass die unterschiedlichen Ansprüche an eine handelspolitische Zwischenlösung bestehen blieben, obgleich sich alle WEUStaaten um einen versöhnlichen Tonfall bemühten. In der Sache – sprich den Aufzeichnung der Referate IA2, IA6 und IIIA2 „Tagesordnungspunkt ‚Gedankenaustausch über die wirtschaftliche Lage in Europa‘“ vom 30.1.1969, in: PA/AA, B21/674. 238 Zum WEU-Treffen vom 22.10.1968 in Rom siehe Telno Nr. 714 des FCO an Rom vom 24.10.1968, in: NA, T 312/2093, Fernschreiben Nr. 1000 von Lahr, Rom an das AA vom 22.10.1968, in: PA/AA, B20/1630 und Circulaire [Nummer fehlt] des SCE vom 23.10.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2022. Zum WEU-Treffen vom 7.2.1969 in Luxemburg siehe Runderlass Nr. 586 von Frank vom 11.2.1969, in: PA/AA, B21/674, Telno Nr. 1 des FCO an Luxemburg vom 19.2.1969, in: NA, FCO 30/539 und Circulaire Nr. 67 von Lavery vom 8.2.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2023. 239 Der EWG-Ministerrat hatte bereits am 31. Oktober 1967 bei den Diskussionen über eine technologische Kooperation den Einsatz einer Arbeitsgruppe „Politik der wissenschaftlichen und technischen Forschung“ des Ausschusses für Wirtschaftspolitik beschlossen. Diese Gruppe, die nach ihrem Vorsitzenden „Groupe Maréchal“ genannt wurde, sollte die Zusammenarbeit in wichtigen zukunftsträchtigen Bereichen prüfen. Vgl. Türk, Europapolitik, S. 133. 240 FCO vom 24.10.1968, in: NA, T 312/2093, Lahr vom 22.10.1968, in: PA/AA, B20/1630 und SCE vom 23.10.1968, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2022.
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direkten Bezug zur EG-Erweiterung – blieben Frankreich und Großbritannien hart. Im Gegensatz dazu vermeldeten die EG-Staaten ihre Einigung, die Arbeit der Maréchal-Gruppe fortzusetzen und dabei die Zusammenarbeit mit Drittländern zu überprüfen. Zudem teilte die EG-Kommission Großbritannien mit, dass nach jahrelanger Stagnation Bewegung in die Arbeit an einem Europäischen Patentabkommen gekommen war, an dem Großbritannien mittels der WEU seit 1963 seine Beteiligung eingefordert hatte.241 Insgesamt überrascht es nicht, dass die WEU-Wirtschaftsdiskussionen in der übergeordneten Frage der EG-Erweiterung keine Fortschritte brachten. Dies lag zum einen an den bestehenden Meinungsunterschieden über Zwischenlösungen und zum anderen daran, dass die Stimmungslage in der WEU angesichts des Harmel-Plans schlecht war und die politischen Aspekte in den Vordergrund rückten. Positiv hervorzuheben ist, dass die Wirtschaftsdiskussionen vergleichsweise ruhig verliefen und für weniger Unstimmigkeiten als in den Vorjahren sorgten. 242 Zudem beteiligte sich Frankreich aktiv an der Frage, was im Bereich der wirtschaftlichen Kontakte zwischen den EG und Großbritannien geschehen könne. Dies war in der Vergangenheit oft nicht der Fall gewesen. Allerdings vertrat Frankreich eine abweichende Meinung, so dass aus den WEU-Diskussionen kein Konsens resultierte. 3.4. Bewertung der WEU-Rolle Die WEU spielte durch den Harmel-Plan ab dem Oktober 1968 eine Hauptrolle im europäischen Integrationsprozess. Dabei hatten Großbritannien, Frankreich und die Bundesrepublik abweichende Vorstellungen, wie diese Rolle aussehen sollte. Im politischen Bereich war die Arbeit der WEU umstrittener als in den Vorjahren, da der Harmel-Plan mit seinem Vorschlag obligatorischer politischer Konsultationen eine klare Veränderung der Funktionsweise forderte. Die britische Regierung unterstützte den Plan, da er Großbritannien intensiv in den europäischen Integrationsprozess einband.243 Zudem entsprach der Harmel-Plan der wachsenden antifranzösischen Stoßrichtung der britischen Europapolitik, die auf Konfliktbereitschaft basierte. Aus diesem Grund trieb Großbritannien ab Ende 241 Frank vom 11.2.1969, in: PA/AA, B21/674, FCO vom 19.2.1969, in: NA, FCO 30/539 und Lavery vom 8.2.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2023. Der EG-Rat hatte am 11.12.1968 beschlossen, die Arbeit der Maréchal-Gruppe fortzusetzen und die Zusammenarbeit mit Drittländern zu prüfen. Siehe Fernschreiben Nr. 2609 von Sachs, Brüssel, an das AA vom 11.12.1968, in: PA/AA, B20/1498. Die Ständigen EG-Vertreter hatten am 9./10.12.1968 den Auftrag erhalten, Vorschläge zu prüfen, die eine Beteiligung interessierter Drittländer an der Fertigstellung des Europäischen Patentabkommens vorsehe, nachdem die Sechs zuvor ihre Vorstellungen präzisiert hätten. Referate IA2, IA6 und IIIA2 vom 30.1.1969, in: PA/AA, B21/674. 242 Frank vom 11.2.1969, in: PA/AA, B21/674. 243 Stewart an Wilson vom 20.12.1968, in: NA, FCO 30/411.
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Oktober die Entwicklung des Harmel-Plans (Studiengruppe, italienisches Papier) voran. Dabei hielt es Großbritannien für möglich, den WEU-Rahmen zu verlassen, um französische Blockaden zu umgehen. Frankreich lehnte es hingegen ab, die politische Kooperation in der WEU zu stärken. Es sah sich angesichts der Haltung der anderen WEU-Staaten aber erstmals zu kleineren Zugeständnissen gezwungen.244 Diese Konzessionen, die den anderen WEU-Staaten nicht ausreichten, paarte Frankreich mit einer gewohnt harten Haltung. Es lehnte die spezielle Studiengruppe ab, verhinderte eine intensivere Zusammenarbeit im Ständigen WEU-Rat und drohte, einen WEU-Boykott zu erwägen. Die Bundesrepublik geriet durch den Harmel-Plan in eine unangenehme Lage. Sie war zwar bereit, die politischen Elemente des Plans weitgehend mitzutragen, da sie bessere Konsultationen befürwortete und die Geduld mit Frankreich verlor. Allerdings wollte die Bundesrepublik weder die WEU-Strukturen verlassen noch Frankreich ausschließen. Deshalb sprach sich die Bundesrepublik gegen obligatorische Konsultationen aus, beteiligte sich nur mit Einschränkungen an der Studiengruppe und distanzierte sich vom italienischen Papier. Sie bemühte sich um einen Ausgleich und versuchte, die Entwicklung des Harmel-Plans zu kontrollieren. 245 Angesichts ihrer jeweiligen Ziele konnte Großbritannien im Februar 1969 mit der politischen Rolle der WEU am ehesten zufrieden sein, auch wenn es sich konkrete Ergebnisse und stärkere Unterstützung durch die Bundesrepublik wünschte. Die Bundesrepublik zeigte sich besorgt. Sie begrüßte die verstärkten politischen Kontakte, befürchtete aber den Ausbruch einer WEU-Krise. 246 Frankreich missfiel die Entwicklung, da es ihm nicht mehr gelang, Verbesserungsvorschläge im außenpolitischen Bereich zu blockieren. Die wirtschaftliche Arbeit der WEU fristete in dieser Phase ein Schattendasein. Dies lag daran, dass die wirtschaftlichen Vorschläge des Harmel-Plans wirkungslos blieben. Die Bundesrepublik und Frankreich waren im Gegensatz zu Großbritannien nicht bereit, die Vorschläge für eine technologische und monetäre Kooperation in der WEU zu unterstützen. Beide sahen darin eine unnötige Dopplung mit Arbeiten innerhalb der EG. Großbritannien konnte den Verzicht auf die wirtschaftlichen Elemente des Harmel-Planes akzeptieren, da sich sein Fokus auf die politischen Konsultationen richtete. Einzig der italienische Vorschlag für die Teilnahme von Fachministern an den Wirtschaftsdiskussionen wurde ernsthaft debattiert. Er wurde auch von der Bundesrepublik unterstützt, aufgrund des französischen Widerstandes aber zügig ad acta gelegt. Für die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den EG und Großbritannien brachte die WEU keine neuen Ergebnisse, es blieb beim grundsätzlichen Vorteil, dass ein regelmäßiger multila244 S/DEO vom 30.1.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2023. 245 Für eine Zusammenfassung der deutschen Position siehe von Staden vom 24.1.1969, in: PA/AA, B20/1630. 246 Die Bewertungen durch Großbritannien und die Bundesrepublik zeigten sich in den deutschbritischen Regierungsgesprächen am 12./13.2.1969 in Bonn. Siehe Runderlass Nr. 827 von Frank vom 24.2.1969, in: PA/AA, B31/371 und den „Record of a meeting between the Prime Minister and the Federal German Chancellor at the Federal Chancellery Bonn, at 4 p.m. on February 12, 1969“, in: NA, PREM 13/2675.
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teraler Gedankenaustausch stattfand und die WEU-Staaten den britischen EGBeitritt thematisierten. Die WEU verhalf jedoch zu keiner Annäherung an eine Übergangslösung in der EG-Erweiterungskrise, da Großbritannien und Frankreich nicht von ihren Positionen abrückten. Dennoch sorgten die WEU-Wirtschaftsdiskussionen kaum für Aufregung, da der Harmel-Plan den zuvor primär auf die wirtschaftlichen Beziehungen ausgerichteten Streit in der EG-Erweiterungskrise auf die Ebene der außenpolitischen Kooperation verlagerte. Für die Bundesrepublik und Großbritannien waren die WEU-Wirtschaftsdiskussionen nun von nachrangigem Interesse. Somit fielen Mängel der WEU-Wirtschaftsdiskussionen weniger ins Gewicht. Im Gegenzug betrachtete Frankreich die WEU-Wirtschaftskontakte zwar nicht wohlwollender als zuvor, doch konzentrierte sich der französische Ärger über die WEU jetzt auf die politischen Elemente, die wenig später auch Auslöser für den WEU-Boykott sein sollten (vgl. Kapitel VII.1.). 4. ZWISCHENFAZIT Die Entwicklungen von November 1967 bis Februar 1969 zeigen, dass sich die Ziele und Vorgehensweisen von Großbritanniens, Frankreich und der Bundesrepublik wandelten und zu einer veränderten integrationspolitischen Rolle der WEU führten. Nach dem zweiten französischen Veto konnte Großbritannien noch immer am meisten durch die WEU-Kontakte gewinnen, da es sich außerhalb der EG-Strukturen befand und am EG-Beitritt festhielt. Dennoch betrachtete Großbritannien die WEU-Kontakte skeptisch. Es bezeichnete die geringe Anzahl der Ministertreffen und die französische Vetomöglichkeit als große Defizite, so dass es auf 5+1Kooperationen ohne Frankreich setzte, um eine wirtschaftliche und politische Annäherung zu erreichen. Diesen Plan musste Großbritannien angesichts der ablehnenden deutschen Haltung aufgeben, so dass die WEU das einzige multilaterale Kontaktforum blieb, in dem Großbritannien seine Vorstellungen artikulieren konnte. Dabei wandelte sich das britische Verhalten in den WEU-Wirtschaftsdiskussionen. Nachdem Großbritannien die WEU zuvor hauptsächlich für sein EGBeitrittsinteresse und für spezifische Kooperationswünsche eingesetzt hatte, kam nun eine negative Stoßrichtung verstärkt hinzu. Großbritannien warb weiterhin für seinen EG-Beitritt, indem es die positive Entwicklung der heimischen Wirtschaft betonte, doch setzte es die WEU zudem gegen einen Kompromiss in der EGErweiterungskrise ein. Großbritannien hielt in den WEU-Diskussionen am EGBeitritt fest und akzeptierte keine Übergangslösungen, die nicht direkt auf den Beitritt abzielten. Großbritannien wollte den EG-Staaten zu keinem Kompromiss verhelfen, der für eine Lösung des Streits der EG-Staaten gesorgt und die innere EG-Entwicklung erleichtert hätte. Im politischen Bereich kam der Harmel-Plan diesem Ziel entgegen. Großbritannien war einerseits tatsächlich daran interessiert, obligatorische außenpolitische Konsultationen mit den EG-Staaten zu beginnen. Andererseits bot der Harmel-Plan die Chance, den Streit der EG-Staaten eskalieren zu lassen und Kooperationen ohne Frankreich zu forcieren. Dabei blieb die
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WEU Mittel zum Zweck. Großbritannien war jederzeit bereit, verstärkte Kooperationen außerhalb der WEU einzuschlagen, so dass es eine WEU-Krise nicht fürchtete und sich unbeeindruckt von französischen Bedenken zeigte. Frankreich konnte die WEU in dieser Phase nicht für eigene europapolitische Ziele einsetzen, sondern musste vermehrt Abwehrkämpfe führen. Die WEU-Kontakte halfen nicht, den Ärger der EG-Partner über das zweite französische Veto zu dämpfen. Einziger indirekter Vorteil aus französischer Sicht war, dass die Bundesrepublik Anfang 1968 5+1-Kooperationen ohne Frankreich mit dem Verweis auf die bestehenden WEU-Kontakte zurückwies. Ansonsten konnte Frankreich mit den WEU-Wirtschaftsdiskussionen nichts gewinnen, da es den britischen EGBeitritt ablehnte, aber nicht verhindern konnte, dass die EG-Erweiterung ein zentrales Thema jedes WEU-Ministertreffens wurde. Frankreich blieb keine andere Wahl, als Großbritannien kontinuierlich die Beitrittsreife abzusprechen und ungewollte Übergangslösungen zu verhindern. Besonders ärgerlich war für Frankreich, dass neben den ungeliebten WEU-Wirtschaftskontakten auch die politische Zusammenarbeit in der WEU für große Probleme sorgte. Der Harmel-Plan führte Intensivierungsvorschläge für die politischen Kontakte in die Diskussion ein, die Frankreich anders als in der Phase von 1963–1967 nicht frühzeitig abblocken konnte. Mit seinem zweiten Veto hatte Frankreich dazu beigetragen, dass die anderen EG-Staaten zu einem resoluteren Vorgehen gegen Frankreich bereit waren. Frankreich betrachtete die WEU nun als ernsthafte Gefahr für eigene europapolitische Ziele. Zum einen drohten obligatorische außenpolitische Konsultationen in der WEU eine exklusive außenpolitische Zusammenarbeit auf Basis der EGStaaten zu verhindern oder zumindest zu erschweren. Zum anderen betrachtete Frankreich den Harmel-Plan in seiner Gesamtheit als Versuch, den französischen Widerstand gegen den britischen EG-Beitritt zu umgehen. Frankreich versuchte diese Entwicklung aufzuhalten und bemühte sich, im Interesse der EG zu argumentieren. So warnte Frankreich wiederholt, dass ein Ausbau der WEU die Entwicklung der EG behindern würde. Alles in allem hatten die WEU-Kontakte Entwicklungen bewirkt, die Frankreich seit 1963 befürchtet hatte, aber nicht verhindern konnte. Bald sah Frankreich nur noch einen Ausweg, den Boykott der WEU. Für die Bundesrepublik waren mit der WEU auch in dieser Phase Vor- und Nachteile verbunden. Im ersten Halbjahr 1968 half die WEU, die neu ausgebrochene EG-Erweiterungskrise nicht weiter eskalieren zu lassen. Zwar war auch die Bundesrepublik verärgert über das französische Veto, dennoch schloss sie ein Vorgehen ohne Frankreich aus. Der Bundesrepublik gelang es, mittels der WEU 5+1-Kontakte und -Kooperationen ohne Frankreich zu verhindern. Zudem gelang es, in der WEU zu siebt über umstrittene Übergangslösungen wie das Beneluxmemorandum und das Handelsarrangement zu beraten. Die Bundesrepublik versuchte, die WEU für eine Entschärfung der EG-Erweiterungskrise zu nutzen und zugleich weiter für den britischen EG-Beitritt zu werben. Der Harmel-Plan führte dazu, dass sich die Haltung der Bundesrepublik in der EG-Erweiterungskrise – insbesondere gegenüber Frankreich – veränderte, obgleich die Bundesrepublik am Ziel einer vermittelnden Funktion festhielt. Durch den Harmel-Plan erkannte die Bundesrepublik sowohl Chancen als auch Gefahren für ihre europapolitischen
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Ziele. So lehnte die Bundesrepublik die wirtschaftlichen Vorschläge des HarmelPlanes ab, da sie negative Auswirkungen auf die Zusammenarbeit in den EG ausschließen wollte. Allerdings war sie bereit, den Stillstand in der europäischen Integration durch eine intensivierte außenpolitische Kooperation in der WEU zu durchbrechen. Diese Bereitschaft stellte die Bundesrepublik angesichts der unversöhnlichen britisch-französischen Gegensätze vor ein Dilemma. Einerseits wollte die Bundesrepublik französische Interessen berücksichtigen, um die EG-Erweiterungskrise nicht zu verschärfen. Die Bundesrepublik beharrte darauf, den HarmelPlan in der WEU zu behandeln und lehnte es selbst bei anhaltendem französischem Widerstand ab, den Rahmen der WEU zu verlassen. Die WEU bot weiterhin die beste Möglichkeit, alle sieben Staaten zusammenhalten. Andererseits war die Bundesrepublik zur inoffiziellen Studiengruppe und damit 5+1-Kontakten ohne Frankreich bereit, um die Entwicklung des Harmel-Planes kontrollieren zu können. Auf diese Weise trug die Bundesrepublik ungewollt dazu bei, den Streit mit Frankreich über die Entwicklung der WEU zu verschärfen. Die Bundesrepublik war sich dieser Gefahr bewusst und versuchte durch inhaltliche Zugeständnisse an Frankreich – beispielsweise den Verzicht auf obligatorische außenpolitische Konsultationen – eine WEU-Krise abzuwenden. Eine solche Krise stellte aus deutscher Sicht ein schwerwiegendes Problem dar, da die WEU für eine Lösung der EG-Erweiterungskrise dienen sollte, keinesfalls aber zusätzliche Schwierigkeiten bringen durfte. Losgelöst von diesen nationalen Perspektiven verdeutlichen die Entwicklungen des Jahres 1968 bis zum Februar 1969, dass sich die integrationspolitische Rolle der WEU wandelte. Im Vergleich mit der ersten Phase 1963/1964 zeigt sich, dass die WEU-Kontakte weniger für die unmittelbare Beruhigung der Krise – sowohl zwischen den EG und Großbritannien als auch innerhalb der EG – sorgen konnten. Die Bundesrepublik setzte sich zwar mit eingeschränktem Erfolg dafür ein, doch waren die Fronten zu sehr verhärtet. Wie beschrieben setzte Großbritannien die WEU nun sogar gegen eine schnelle Übergangslösung ein. Im Gegensatz dazu blieb die Rolle der WEU für die EG-Erweiterung konstant, da die Fünf und Großbritannien weiter für sie warben. Allerdings fehlte es an praktischen Auswirkungen, die mit der Beitrittsrede Browns im Juli 1967 vergleichbar wären. Der größte Unterschied zu den beiden ersten Phasen begründet sich im Harmel-Plan und dessen Folgen. Erstens bewirkte der Plan des belgischen Außenministers, dass eine strukturelle Weiterentwicklung der WEU erstmals ernsthaft zur Diskussion stand. Dies führte dazu, dass die europa- und integrationspolitische Bedeutung der WEU deutlich anwuchs. Zweitens rückte der Harmel-Plan die politische Rolle der WEU in den Mittelpunkt, nachdem zuvor die wirtschaftliche Rolle dominiert hatte. Diese Gewichtsverlagerung blieb bis 1970 bestehen. Drittens sorgten die Arbeiten am Harmel-Plan dafür, dass sich Streit zwischen den WEU-Staaten nicht mehr allein an der EG-Erweiterungsfrage entzündete, sondern stattdessen eine hausgemachte WEU-Krise drohte. Die WEU stand im Februar 1969 am Scheideweg. Der französische WEU-Boykott führte kurze Zeit später dazu, dass eine vierte und letzte Phase der WEU-Kontakte begann, die Krise der WEU.
VII. DIE WEU IN DER KRISE (FEBRUAR 1969–JUNI 1970) In diesem Kapitel wird die letzte Phase der besonderen WEU-Kontakte zwischen den EG-Staaten und Großbritannien behandelt: die Krise der WEU. Das Kapitel beginnt mit dem französischen WEU-Boykott im Februar 1969 und endet mit der französischen Rückkehr in den WEU-Ministerrat am 5./6. Juni 1970 in Bonn. Die Ergebnisse des Haager Gipfels vom Dezember 1969 führten zum Durchbruch in der EG-Erweiterungskrise und erleichterten zugleich einen Kompromiss im WEU-Streit. So war das Bonner WEU-Treffen das letzte zweitägige WEUMinistertreffen, da die Aufnahme der britischen EG-Beitrittsverhandlungen am 30. Juni 1970 zum Verzicht auf die WEU-Wirtschaftsdiskussionen führte. Dieses Kapitel zeigt nicht nur die Wege aus der Krise, sondern wirft auch einen Blick auf das Verhältnis der WEU zur Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ), da sich die parallelen Pläne der EG-Staaten für eine außenpolitische Zusammenarbeit im Sechserrahmen auf die Rolle der WEU auswirkten. 1. DER FRANZÖSISCHE WEU-BOYKOTT (FEBRUAR 1969) 1.1. Das Nahostsondertreffen und die Soames-Affäre Großbritannien ging nach dem Luxemburger WEU-Ministertreffen aufs Ganze, indem es am angekündigten Nahostsondertreffen des Ständigen WEU-Rates festhielt. Damit nahm Großbritannien eine Eskalation mit Frankreich in der WEU in Kauf, wenn es diese nicht sogar bewusst anstrebte.1 Das britische Vorgehen zielte darauf ab, die Intensivierung der außenpolitischen Konsultationen praktisch umzusetzen und einen Durchbruch in der stockenden Entwicklung zu bewirken. 2 Großbritannien wollte eine engere Kooperation durch eigenständige Konsultationen des Ständigen WEU-Rates durchsetzen. Dabei war es wichtig, dass der WEUGeneralsekretär das Nahosttreffen als gewöhnliche Sitzung einberief und sich nicht auf den Artikel VIII.3 des WEU-Vertrages für ein Sondertreffen aufgrund einer friedensgefährdenden Situation bezog. 3 Großbritannien wünschte ein norma-
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Laut Möckli ist das britische Verhalten vom Ziel getrieben worden, Frankreich in Europa auszuspielen. Vgl. Möckli, S. 27/28. „Cabinet. 20 February. Speaking Notes for the Secretary of State“, in: NA, FCO 41/506. Laut Dujardin hatte Stewart das Ende des Harmel-Plans nicht akzeptieren wollen. Vgl. Dujardin, The Failed Attempt, S. 37. Telegramm Nr. 135 des FCO an Bonn vom 12.2.1969, in: NA, FCO 41/505. Zum Artikel VIII des WEU-Vertrages siehe die Pariser Verträge vom 23. Oktober 1954, in: EA 9 (1954), S. D 7128.
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les Treffen, da es einen Präzedenzfall für die zukünftige Zusammenarbeit im Ständigen WEU-Rat schaffen wollte. WEU-Generalsekretär d’Eeckhoutte folgte dem britischen Wunsch und berief ein Treffen für den 14. Februar ein.4 Das französische Außenministerium erkannte sofort die drohende Präzedenzwirkung und das britische Ziel, obligatorische Konsultationen in der WEU gegen den französischen Willen durchzusetzen.5 Frankreich lehnte eine Teilnahme ab und forderte d’Eeckhoutte zugleich auf, die Einberufung mangels Einstimmigkeit zurückzunehmen.6 Der WEU-Generalsekretär geriet kurzzeitig ins Wanken, doch hielt er nach britischem Insistieren an der Einberufung fest.7 An diesem Entschluss vermochten weitere französische Protestnoten nichts mehr zu ändern, die den illegalen Charakter des Treffens betonten, seine Absage forderten und schließlich den WEU-Generalsekretär zum Verzicht auf eine eigene Teilnahme aufforderten.8 Während Großbritannien und Frankreich dem Nahosttreffen entscheidende Bedeutung beimaßen und dementsprechend kompromisslos agierten, befand sich die Bundesrepublik in der Zwickmühle. Sie war angesichts des Nahosttreffens gezwungen, sich entweder auf die britische oder die französische Seite zu schlagen, da neben Teilnahme oder Absage keine dritte Alternative zur Verfügung stand. Die Bundesrepublik entschied sich trotz französischen Drucks für eine Teilnahme. Sie untermauerte diesen Entschluss offiziell mit sachlichen Gründen, die für eine Diskussion über den Nahen Osten sprächen sowie einem prozeduralen Interesse, die Zusammenarbeit im Ständigen WEU-Rat zu verbessern.9 Entscheidend für den deutschen Entschluss waren jedoch zwei andere Gründe: Erstens nahm die Bundesrepublik französische Drohungen nicht ernst genug, so dass sie einen französischen WEU-Boykott für unwahrscheinlich erachtete.10 Zweitens muss die deutsche Entscheidung im Kontext der Soames-Affäre gesehen werden, die im Februar 1969 nicht nur die britisch-französischen Beziehungen auf den Tiefpunkt führte, sondern auch die deutsche Verärgerung über die französische Europapolitik verstärkte. De Gaulle hatte am 4. Februar 1969 dem britischen Botschafter in Paris, Soames, in einem Gespräch vorgeschlagen, vertrauliche bilaterale Gespräche zwischen den beiden Staaten über europäische integrationspolitische Fragen 4
Fernschreiben Nr. 275 von Wickert, London, an das AA vom 10.2.1969, in: PA/AA, B21/666. 5 Circulaire Nr. 74 von Alphand vom 11.2.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2023. 6 „Lettre de l’Ambassadeur de France au Secrétaire général en date du 11 fevrier 1969“, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2024. 7 Telegramm Nr. 125 des FCO an Bonn vom 12.2.1969, in: NA, FCO 41/505. 8 „Lettre de l’Ambassadeur de France au Secrétaire général en date du 12 février 1969“, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2024 und „Lettre adressée au Secrétaire général par le Chargé d’affaires a.i. de France à Londres en date du 13 février 1969“ in: MAE, Europe, Europe, OIGQI, UEO/2024. 9 Aufzeichnung von Frank „Tagung der Ständigen Vertreter der WEU über das NahostProblem am 14. Februar 1969“ vom 14.2.1969, in: PA/AA, B21/666. 10 Vgl. Türk, Europapolitik, S. 188. Für französische Warnungen siehe Frank vom 14.2.1969, in: PA/AA, B21/666.
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aufzunehmen. Im Zentrum stand de Gaulles Ansicht, dass anstelle der EG eine lockere Freihandelszone vorstellbar sei, in der ein Viererrat aus Frankreich, Großbritannien, Italien und der Bundesrepublik die politische Führungsrolle übernähme.11 De Gaulles Gründe für diese Vorschläge sind nicht eindeutig nachweisbar, doch agierte er zweifellos aus einer Position der Schwäche heraus.12 Naheliegende Ursachen waren die wachsende Wahrscheinlichkeit einer politischen Kooperation zwischen den Fünf und Großbritannien in der WEU und der konstante britische Druck für einen EG-Beitritt.13 Hinzu kam die französische Wirtschaftskrise, durch welche die deutsche Wirtschaftsdominanz in den EG noch deutlicher zutage trat und die französische Führungsposition gefährdete.14 De Gaulles Vorstoß schien grundsätzlich vom Ziel getrieben zu sein, in der EGErweiterungskrise auf Zeit zu spielen und unverbindliche Gesprächsbereitschaft mit Großbritannien zu signalisieren. 15 Auf jeden Fall stand Großbritannien angesichts des Vorschlages de Gaulles vor einem Dilemma und vermutete eine französische Falle. 16 Auf der einen Seite drohte eine Ablehnung der Gespräche Frankreich unnötig zu verprellen und die Chance zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen ungenutzt verstreichen zu lassen. Auf der anderen Seite bestand die Gefahr, dass Großbritannien die Sympathien der anderen EG-Staaten verspielte, wenn es mit Frankreich geheim über Themen diskutierte, die sich mit dem Ende der EG befassten. Wie auch immer die Entscheidung ausfiel, de Gaulle konnte sie gegen Großbritannien verwenden. 17 Wilson und Stewart kamen überein, die WEU-Partner von den Plänen zu unterrichten, auch wenn sie damit bewusst den vertraulichen Charakter der Gespräche verletzten.18 Wilson berichtete Kiesinger bei den deutsch-britischen Regierungs11 Für die Vorschläge de Gaulles und eine ausführliche Behandlung der gesamten SoamesAffäre, die aus britisch-französischem Streit über Form und Inhalt der Vorschläge sowie deren Weitergabe an Drittstaaten resultierte, vgl. Pine, British Personal, S. 59–76. Umstritten ist insbesondere die Zustimmung Debrés am 8.2.1969 zur von Soames vorgelegten Gesprächsaufzeichnung. Dabei ist sich die Forschung weitgehend einig, dass die britische Darstellung stimmte. Vgl. ebenda. 12 Vgl. Pine, British Personal, S. 63/64. Soames vermutete Debré als Urheber der Idee. Vgl. ebenda, S. 67. 13 Vgl. ebenda, S. 62. 14 Vgl. Guy de Carmoy: Die Außenpolitik Präsident de Gaulles in der Feuerprobe des Mai 1968 und des April 1969, in: EA 24 (1969), S. 472. 15 Vgl. Kitzinger, S. 49/58. Laut Kitzinger hatten de Gaulles Vorschläge wenig Neues enthalten. Vgl. ebenda, S. 49. Mit diesem Argument versuchte Frankreich die Soames-Affäre gegenüber den EG-Partnern herunterzuspielen. Circulaire Nr. 107 von Alphand vom 26.2.1969, in: MAE, Europe, GB/266. 16 Vgl. Carmoy, S. 471/472 und Pine, British Personal, S. 65. Couve de Murville meinte später, dass de Gaulles Gespräch mit Soames eine Ouvertüre an Großbritannien gewesen sei, die Großbritannien als Falle missverstanden habe. Gespräch des Bundeskanzlers Kiesinger mit Ministerpräsident Couve de Murville in Paris vom 13.3.1969, in: AAPD 1969I/101, S. 388/389. 17 Vgl. Pine, British Personal, S. 65. 18 „Record of a Meeting between the Prime Minister and the Foreign and Commonwealth Secretary at 10 Downing Street at 11.40am on Monday, February 10, 1969“, in: NA,
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gesprächen am 12. Februar 1969 von de Gaulles Vorschlägen.19 Zeitgleich informierte das Foreign Office die anderen EG-Staaten.20 Der Schritt der britischen Regierung zahlte sich insofern aus, dass der frankophile Bundeskanzler verärgert auf die EG-feindlichen französischen Vorschläge reagierte. Am Ende der Regierungsgespräche gaben die Bundesrepublik und Großbritannien eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie als Ziele die politische Einheit Europas unter Einschluss Großbritanniens und den britischen EG-Beitritt formulierten.21 Zudem erleichterte die Soames-Affäre Kiesinger die Zustimmung zur umstrittenen Nahostsitzung. 22 Das Nahosttreffen des Ständigen WEU-Rates fand somit am 14. Februar ohne französische aber mit deutscher Beteiligung statt, wobei d’Eeckhoutte eingangs betonte, dass es sich um eine gewöhnliche Sitzung handele. Diese Einschätzung focht die Bundesrepublik einige Tage später in einem letzten Versuch an, einen Kompromiss mit Frankreich zu bewerkstelligen (vgl. Kapitel VII.1.2.). Inhaltlich brachte das Treffen keine bemerkenswerten Ergebnisse, im Vordergrund standen die Resolution 242 des UN-Sicherheitsrats und die Mission des UN-Sondergesandten Jarring, ohne dass daraus neue Erkenntnisse oder Beschlüsse resultierten.23 Die inhaltliche Substanz der Diskussionen stand für das Bundeskanzleramt in keinem Verhältnis zur WEU-Krise, die sich aus dem Streit über das Nahosttreffen entwickelte.24 Im Gegensatz dazu zeigte sich das Foreign Office mit dem Verlauf des Treffens zufrieden, wobei es primär den Durchbruch für intensivierte politische Konsultationen begrüßte.25 Die französische Reaktion auf das Nahosttreffen führte allerdings dazu, dass der Durchbruch keineswegs gesichert war. Sicher war lediglich, dass sich die WEU endgültig in der Krise befand.
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PREM/13/2628. Wilson behauptet, dass ihn das Foreign Office praktisch zur Unterrichtung der WEU-Partner gezwungen habe. Vgl. Wilson, The Labour Government, S. 610/611. Diese Behauptung weist Pine zurück. Vgl. Pine, British Personal, S. 67/68. „Record of a meeting between the Prime Minister and the Federal German Chancellor at the Federal Chancellery Bonn, at 4 p.m. on February 12, 1969“, in: NA, PREM 13/2675 und Gespräch des Bundeskanzlers Kiesinger mit Premierminister Wilson am 12.2.1969, in: AAPD 1969I/56, S. 187/188. Vgl. Pine, British Personal, S. 69. Gemeinsame Erklärung von Harold Wilson und Kurt Georg Kiesinger vom 13. Februar 1969, in: EA 24 (1969), S. D 144/145. Vgl. Türk, Europapolitik, S. 186 und Pine, British Personal, S. 69. Für Details des Nahosttreffens vom 14.2.1969 siehe Telegramm Nr. 155 des FCO an Bonn vom 14.2.1969, in: NA, FCO 41/505 und Telno Nr. 4 des FCO an Bonn vom 26.2.1969, in: NA, FCO 17/727. Eine deutsche Aufzeichnung liegt der Untersuchung nicht vor. Aus diesem Grund ist es schwierig zu prüfen, ob d’Eeckhoutte das Treffen tatsächlich explizit als gewöhnliches WEU-Treffen deklarierte. Boss an Kiesinger „Politische Konsultationen im Rahmen der WEU; hier: 1. Britischer Vorschlag einer Ratssitzung am 14. Februar 1969; 2. Ratssitzung am 18. Februar 1969“ vom 18.2.1969, in: BA, B136/6926. Telegramm Nr. 119 des FCO an UKMIS New York am 14.2.1969, in: NA, FCO 17/727.
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1.2. Der französische Entschluss und erste Reaktionen Frankreich startete noch am 14. Februar eine diplomatische Gegenoffensive gegen die Entwicklungen in der WEU. In zwei offiziellen Verlautbarungen widerholte es die unrechtmäßige Einberufung des Nahosttreffens und die inakzeptablen politischen Diskussionen auf Ebene des Ständigen WEU-Rates. Zudem richtete Frankreich direkte Vorwürfe an Großbritannien, das mit dem Ziel obligatorischer politischer Konsultationen den WEU-Kompromiss aus dem Jahr 1963 missachte. Darüber hinaus unterstellte Frankreich Großbritannien, die WEU zu einem Anhörungsgericht für EG-Angelegenheiten auszubauen. 26 Erbost war Frankreich zudem über die Teilnahme Stewarts am Treffen des Ständigen WEU-Rates, da die Anwesenheit eines Ministers den gewohnten WEU-Prozeduren widerspräche.27 Am 16. Februar übermittelte Frankreich dem WEU-Generalsekretär, nicht mehr an Treffen des WEU-Rates teilzunehmen, solange umstrittene Fragen wie die Einberufung von WEU-Sitzungen nicht geklärt seien. 28 Drei Tage später bestätigte der französische Ministerrat den WEU-Boykott.29 Zur Begründung für diesen Schritt verwies Frankreich auf die Verletzung der Einstimmigkeitsregel in der WEU und mögliche negative Auswirkungen der veränderten WEU-Arbeitsweise auf die EG.30 Der Boykott betraf dabei nur den WEU-Rat, nicht aber die WEU-Versammlung, die Agentur für Rüstungskontrolle oder das Sekretariat des Ständigen Rüstungsausschusses.31 Bei einem genaueren Blick auf den französischen Entschluss wird deutlich, dass das Nahosttreffen zwar dessen unmittelbarer Auslöser war, ihm aber tiefere Ursachen zugrunde lagen. Vier Gründe lassen sich herausarbeiten: Erstens missfiel Frankreich die Möglichkeit Großbritanniens, Frankreich in der Frage der EGErweiterung unter Druck zu setzen und durch die Hintertür WEU eine Diskussion über den britischen Beitritt zu erzwingen. Dieses seit 1963 kontinuierliche französische Missfallen hatte sich durch die Entwicklungen seit dem zweiten britischen EG-Beitrittsgesuch verstärkt.32 Zweitens reagierte Frankreich auf britische Versuche, Frankreich in der außenpolitischen Zusammenarbeit in Europa zu isolieren.33 Hierzu zählte es die Weitergabe des Gesprächsinhaltes zwischen de Gaulle und 26 Fernschreiben Nr. 361 von Braun, Paris, an das AA vom 14.2.1969, in: PA/AA, B21/666 und Telno Nr. 161 von Soames, Paris, an das FCO vom 15.2.1969, in: NA, FCO 41/505. 27 Aufzeichnung von Lord Hood vom 17.2.1969, in: NA, FCO 41/505. 28 Courcel an Iweins d’Eeckhoutte vom 16.2.1969, in: NA, FCO 41/505. 29 Drahtbericht Nr. 400 des Botschafters Freiherr von Braun, Paris an das AA vom 19.2.1969, in: PA/AA, B21/666. 30 Vgl. den Auszug in der Aufzeichnung „WEU-Ratstagung der Ständigen Vertreter am 14. Februar 1969“, in: Siegler (Hg.), Europäische politische Einigung II, S. 40. 31 Vgl. von Plehwe, Die WEU in der Einigung Europas, S. 297. Frankreich stellte zudem zeitweise die Zahlung seines Anteils am WEU-Budget ein. Siehe die Aufzeichnung von Frank „WEU-Budgetfragen“ vom 22.8.1969, in: PA/AA, B21/667. 32 Aufzeichnung Nr. 268 von Courcel an Debré „a/s. Les consultations politiques au sein de l’U.E.O.“ vom 26.2.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2024. Vgl. zudem Küsters, S. 136, Clemens, Der Beitritt Großbritanniens, S. 321 und Türk, Europapolitik, S. 188. 33 Courcel vom 26.2.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2024.
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Soames, mit der Großbritannien Frankreich und seine EG-Partner habe entzweien wollen. 34 Drittens hatte Frankreich genug von der Diskussion über den HarmelPlan, durch die es sich in einer fortlaufenden Außenseiterposition befand. Ausschlaggebend war dabei die Entscheidung der Bundesrepublik, sich in der Gretchenfrage des Nahosttreffens auf die britische Seite zu schlagen.35 Viertens hoffte Frankreich, die anderen WEU-Staaten durch den Boykott zum Nachgeben zu zwingen oder zumindest die Funktion der WEU zu blockieren. 36 Die Schuld an der WEU Krise schob Frankreich den WEU-Partnern zu.37 Großbritannien reagierte unbeeindruckt auf den Boykott und die französischen Vorwürfe. Die Nahostsitzung sei regulär erfolgt, da es keine formellen Regeln für die Einberufung der WEU-Treffen gebe. In der Praxis berufe der WEU-Generalsekretär Sitzungen ein, ohne das Einverständnis aller Delegationen einholen zu müssen. Die französische Abwesenheit sei kein Grund, das Nahosttreffens nicht als WEU-Sitzung zu benennen. 38 Auch die Teilnahme Stewarts sei legitim gewesen, da die Entsendung eines ranghöheren Vertreters in den Ständigen Rat jedem WEU-Partner freistünde und es im NATO-Rat bereits ähnliche Fälle gegeben habe. 39 Vor dem britischen Unterhaus erklärte Stewart, dass Großbritannien einen Nachweis erbringen wollte, es mit Konsultationen im europäischen Rahmen ernst zu meinen. Dabei beabsichtige die britische Regierung nicht, Frankreich zu isolieren, doch müssten Fortschritte auch ohne französische Zustimmung möglich seien. 40 Zudem vertrat das Foreign Office die Ansicht, dass erst Frankreich aus dem Nahosttreffen ein Problem gemacht habe. 41 Die britische Regierung konnte gelassen reagieren, da ihr der französische WEU-Boykott gelegen kam. Ein britischer EG-Beitritt war mit einem französischen Präsidenten de Gaulle ohnehin nicht möglich, so dass die durch die WEUKrise und die Soames-Affäre weiter verschlechterten britisch-französischen Beziehungen kaum zusätzliche Risiken bargen. Ganz im Gegenteil konnte Großbritannien den französischen Rückzug aus der WEU als Erfolg verbuchen, solange es die – öffentlich abgestrittene – Taktik einschlug, Frankreich zu isolieren. 42 Hinzu kam die Möglichkeit, ohne französische Obstruktionspolitik die politischen Konsultationen in der WEU auszubauen. 43 Zusammengefasst konnte Großbritannien mit Hilfe der WEU seine Stellung im europäischen Integrationsprozess weiter stärken. 34 Circulaire Nr. 99 von Debré vom 22.2.1969, in: MAE, Europe, GB/266. 35 Vgl. Dransfeld, S. 256. 36 Aufzeichnung der S/DEO „a.s. Union de l’Europe Occidentale.“ vom 17.2.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015. 37 Courcel vom 26.2.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2024. 38 Telegramm Nr. 89 des FCO an Paris vom 17.2.1969, in: NA, FCO 41/505. 39 Lord Hood vom 17.2.1969, in: NA, FCO 41/505. 40 Für die Rede Stewarts am 17.2.1969 siehe Fernschreiben Nr. 348 von Blankenhorn, London, an das AA vom 18.2.1969, in: PA/AA, B21/666. 41 Lord Hood vom 17.2.1969, in: NA, FCO 41/505. 42 Vgl. Clemens, Der Beitritt Großbritanniens, S. 321 und Möckli, S. 27/28. 43 Vgl. Pine, Harold Wilson, S. 120.
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Der französische WEU-Boykott hatte allerdings Auswirkungen auf die Bundesrepublik, die versuchte, mit einer lavierenden Haltung die Wogen zu glätten und von ihrer klaren Unterstützung der britischen Position abwich. 44 Dabei zeigten sich Divergenzen in der deutschen Administration. Das Bundeskanzleramt brachte viel Verständnis für die französische Position auf und schlug vor, Frankreich eine eingehende Prüfung der umstrittenen Rechtslage des Nahosttreffens zuzusagen und in der Zwischenzeit auf Konsultationen wie am 14. Februar zu verzichten. 45 Das Auswärtige Amt hingegen verteidigte ausdrücklich die Teilnahme am Nahosttreffen. Die Bundesrepublik hätte sich seit Monaten dafür eingesetzt, die politischen Konsultationen in der WEU zu halten, um eine Gruppenbildung gegen Frankreich zu verhindern. Aus diesem Grunde sollte Frankreich seine Vetohaltung überdenken. 46 In einer offiziellen Pressemitteilung nahm die Bundesregierung schließlich eine Frankreich sichtbar entgegenkommende Position ein, indem sie die Einberufung des Nahosttreffens auf eine Dringlichkeitssitzung nach Artikel VIII.347 zurückführte und damit der britischen Interpretation einer gewöhnlichen Sitzung widersprach. 48 Die Bundesregierung verteidigte zwar das Nahosttreffen, da es aufgrund einer friedensgefährdenden Situation einberufen worden sei. Dies gelte jedoch nur für Ausnahmefälle, so dass Ratssitzungen gewöhnlich einstimmig einberufen werden müssten. 49 Mit dieser Erklärung entzog die Bundesrepublik dem Nahosttreffen seine Präzedenzwirkung für weitere eigenständige politische Konsultationen des Ständigen WEU-Rates ohne französische Zustimmung. Die Bundesrepublik versuchte Frankreich in die WEU zurückzuholen, so warb Kiesinger im Gespräch mit dem französischen Botschafter Seydoux für eine Aufhebung des Boykotts.50 Großbritannien reagierte enttäuscht und beklagte, dass die Bundesrepublik von der am 14. Februar beschlossenen gemeinsamen Linie abgewichen sei.51 Angesichts dieser Kritik überdachte die Bundesrepublik ihren Standpunkt. In einer zweiten Presseerklärung korrigierte sie ihre Position dahingehend, dass die seit 1963 gewöhnlich zweiwöchentlichen Sitzungen des Ständigen WEU-Rates nicht jedes Mal einstimmig einberufen werden müssten. Lediglich zusätzliche Treffen, 44 45 46 47 48
Vgl. Pine, Harold Wilson, S.118 Boss an Kiesinger vom 18.2.1969, in: BA, B136/6926. Runderlass von Frank vom 18.2.1969, in: PA/AA, B21/666. Pariser Verträge vom 23. Oktober 1954, in: EA 9 (1954), S. D 7128. Vgl. Türk, Europapolitik, S. 186/187. Diese Untersuchung vermag nicht eindeutig zu klären, ob das Auswärtige Amt die Einordnung des Nahostreffens als Dringlichkeitssitzung von Beginn an teilte oder Kiesinger bzw. das Kanzleramt nachträglich diese Linie vorgaben. Das Foreign Office vermutete, dass Kiesinger das Auswärtige Amt überstimmt hatte. Siehe Telegramm Nr. 205 von Jackling, Bonn, an das FCO vom 20.2.1969, in: NA, FCO 41/505. Dafür spricht auch Kiesingers Erklärung gegenüber Frankreich, dass er sich über die Rechtmäßigkeit des Nahosttreffens nicht sicher sei. Gespräch des Bundeskanzlers Kiesinger mit dem französischen Botschafter Francois Seydoux am 18.2.1969, in: AAPD 1969I/67, S. 223–225. 49 „Mitteilung an die Presse“ (Nr. 195/69) des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 18.2.1969, in: PA/AA, B21/666. 50 Gespräch von Kiesinger mit Seydoux am 18.2.1969, in: AAPD 1969I/67, S. 227/228. 51 Telegramm Nr. 203 von Jackling, Bonn, an das FCO vom 19.2.1969, in: NA, FCO 41/505.
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die nicht unter den Artikel VIII.3. fielen, müssten einstimmig beschlossen werden. Auf diese Weise wollte die Bundesrepublik verhindern, dass Frankreich die routinemäßigen Sitzungen des Ständigen WEU-Rates blockieren konnte.52 Zudem wollte sie sich im Streit zwischen Frankreich und Großbritannien Flexibilität in alle Richtungen bewahren.53 Obgleich die Bundesrepublik mit dieser Ergänzung von einer einseitigen französischen Unterstützung abrückte, ging sie Großbritannien nicht weit genug. Großbritannien kritisierte stattdessen das deutsche Bemühen, es allen recht machen zu wollen.54 Harsche Kritik kam zudem aus Frankreich. Nach der ersten deutschen Presseerklärung hatte Frankreich gedacht, die Unterstützung der Bundesrepublik gewonnen zu haben. Nun war jedoch klar, dass die Bundesrepublik nicht bereit war, auf die üblichen Sitzungen des Ständigen WEU-Rates zu verzichten und damit Frankreich ein Lahmlegen der WEU zu ermöglichen.55 Die Fünf und Großbritannien standen angesichts der französischen Boykottankündigung vor der Frage, in welcher Form die Arbeit der WEU fortgesetzt werden sollte. Bereits am 18. Februar war es – trotz französischer Proteste56 – zu einem routinemäßigen Treffen des Ständigen WEU-Rates ohne Frankreich gekommen, das bereits vor den Turbulenzen des Nahostsondertreffens angesetzt worden war. Dort gingen alle Teilnehmer davon aus, dass die französische Position kaum Raum für Kompromisse lasse und ein längerer Konflikt drohte. Zudem beschlossen die Ständigen Vertreter, angesichts der Krise vom zweiwöchentlichen Rhythmus abzuweichen und bereits am 26. Februar erneut zu tagen. Auch die Bundesrepublik stimmte zu. 57 Nach ihren wenig später veröffentlichten Pressemitteilungen widersprach die Vorverlegung aber der vermittelnden Position der Bundesrepublik im WEU-Streit, so dass sie sich dafür einsetzte, das Treffen auf den 5. März zu verschieben. Damit wollte sie Zeit für eine französische Rückkehr gewinnen. Zudem sollte eine gemeinsame Diskussion aller WEU-Staaten über die Auslegung des Artikel VIII im Mittelpunkt der nächsten Sitzung des Ständigen WEU-Rates stehen, um Unstimmigkeiten auszuräumen. 58
52 Für die zweite Pressemitteilung vom 19.2. siehe Runderlass Nr. 720 von Duckwitz vom 19.2.1969, in: PA/AA, B21/666. Die Modifizierung der deutschen Position ging auf eine Staatssekretärsbesprechung zwischen u. a. Carstens, Duckwitz und zu Guttenberg zurück. Kiesinger erteilte dem Zusatz seine Zustimmung. Ergebnisvermerk von Wentker „WEU“ vom 19.2.1969, in: BA, B136/6926. 53 Aufzeichnung von Frank „WEU-Krise“ vom 20.2.1969, in: PA/AA, B21/666. 54 Barrington an Palliser am 19.2.1969, in: NA, FCO 41/405. 55 Für die französische Kritik und deutsche Rechtfertigungen siehe Aufzeichnung „über ein Gespräch, das Staatssekretär Carstens mit Botschafter Seydoux am 19. Februar 1969, 16.30 Uhr, führte“, in: PA/AA, B21/666. 56 Courcel an d’Eeckhoutte vom 16.2.1969, in: NA, FCO 41/505. 57 Für die Sitzung des Ständigen WEU-Rates am 18.2.1969 siehe „Record of the Restricted Session of the Meeting of the Western European Union Permanent Council on 18 February, 1969“, in: NA, FCO 41/505. 58 Runderlass Nr. 733 von Duckwitz vom 18.2.1969, in: PA/AA, B21/666.
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Großbritannien kritisierte den deutschen Vorschlag, da Frankreich auch eine Woche später nicht am Ständigen WEU-Rat teilnehmen würde, so dass die politischen Konsultationen unverzüglich anberaumt werden sollten. 59 Wilson forderte Kiesinger in einem Brief zu einer gemeinsamen Haltung in der WEU-Krise auf. Zudem sprach sich Wilson gegen eine Verschiebung der Sitzung des Ständigen WEU-Rates aus. Der deutsche Wunsch nach Klärung umstrittener prozeduraler Fragen sei akzeptabel, doch dürfte die Intensivierung der politischen Zusammenarbeit nicht aufgehalten werden.60 Der Brief blieb nicht ohne Folgen.61 Kiesinger warnte zwar vor einem Vorgehen ohne Frankreich und befürchtete negative Auswirkungen auf die EG, so dass er eine Einigung anmahnte. Gleichzeitig signalisierte er aber Bereitschaft, an den politischen Konsultationen in der WEU festzuhalten.62 Die Bundesrepublik schwenkte wieder stärker auf die britische Linie ein, da Frankreich die deutschen Kompromissbemühungen nicht honorierte. Frankreich erkannte zum einen die Ergebnisse der WEU-Ratssitzungen ohne Frankreich nicht an und verweigerte die Annahme der übersandten Sitzungsprotokolle.63 Zum anderen machte es klar, auch an einer späteren Sitzung des Ständigen WEU-Rates nicht teilnehmen zu wollen, solange die französische Interpretation der Einstimmigkeitsregel in der WEU nicht von allen akzeptiert werde.64 Aus diesem Grunde zog die Bundesrepublik ihren Vorschlag der Verschiebung zurück und erklärte sich zu einer Teilnahme am vorgezogenen Treffen bereit.65 Der Ständige WEU-Rat trat wie geplant am 26. Februar zu politischen Konsultationen zusammen, womit die sechs WEU-Staaten die gestärkte Rolle des Ständigen Rates demonstrierten. Im Vordergrund der Sitzung standen indes die WEU-Krise und die Auslegung des Artikel VIII des WEU-Vertrages. Die sechs Delegationen einigten sich auf den deutschen Vorschlag, eine Studiengruppe einzusetzen, die sich mit dem Streit über die WEU-Prozeduren befassen sollte. Großbritannien hielt eine solche Gruppe an sich für unnötig, da es sich um keinen juristischen, sondern einen politischen Streit handele. Allerdings widersetzte sich Großbritannien der Einsetzung nicht, solange parallel die politischen Konsul-
59 Telegramm Nr. 166 des FCO an Bonn vom 20.2.1969, in: NA, FCO 41/506. 60 Für Wilsons Brief siehe Telegramm Nr. 169 des FCO an Bonn vom 21.2.1969, in: NA, FCO 41/506. 61 Vgl. Pine, British Personal, S. 75. 62 Gespräch des Bundeskanzlers Kiesinger mit dem britischen Botschafter Jackling am 21.2.1969, in: AAPD 1969I/70, S. 239–242. 63 Schreiben Nr. 270 von Courcel an die DAP „a/s. U.E.O.“ vom 27.2.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015. 64 Aufzeichnung von Frank „WEU-Krise, hier: Demarche des französischen Botschafters beim Herrn Staatssekretär“ vom 26.2.1969, in: PA/AA, B21/666. 65 Plurex Nr. 814 von Duckwitz an London vom 25.2.1969, in: PA/AA, B21/666. Das Bundeskanzleramt hatte resümiert, dass Frankreich selbst am 5.3.1969 nicht in den WEU-Rat zurückkehren würde. Boss an Kiesinger „Westeuropäische Union, hier: Sitzung des Rates vom 26. Februar 1969 in London“ vom 24.2.1969, in: BA, B136/6926.
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tationen fortgeführt würden.66 Diesen Kompromiss hatte Stewart im Vorwege abgesegnet, um der Bundesrepublik entgegenzukommen.67 Unterdessen war der französische WEU-Boykott eine Tatsache, die nicht mehr zügig zu beheben war. Die Hauptverantwortung für diese Krise trugen Großbritannien und Frankreich. Großbritannien hatte mit dem Nahosttreffen eine Eskalation mit Frankreich bewusst forciert. Angesichts des Stillstandes in der EG-Erweiterungsfrage und der schleppenden Entwicklung des Harmel-Plans hatte sich Großbritannien entschieden, den Durchbruch auf Kosten einer WEU-Krise zu riskieren. Nach dem französischen Boykott sah Großbritannien keine Veranlassung für Kompromisse, da sein Ziel intensivierter politischer Konsultationen ohne französische Vetomöglichkeit erreicht schien. Dazu hatte auch die Soames-Affäre beigetragen, durch die Großbritannien seinen europäischen Charakter nachgewiesen hatte und die Bundesrepublik weiter von Frankreich abgerückt war.68 In der WEU machte Großbritannien nur die Zugeständnisse, die für das elementare Ziel notwendig waren, die Mitarbeit der Bundesrepublik an den politischen Konsultationen zu gewährleisten.69 Insgesamt war Großbritannien der unmittelbare Gewinner der Krise, da Frankreich isoliert war und die Arbeit der WEU weiterging. Frankreich war auf die britische Provokation angesprungen und hatte die WEU-Krise letztlich ausgelöst. Frankreich entschied sich zum Boykott des WEURates, um eine stärkere Rolle der WEU zu verhindern. Dahinter stand vor allem das Motiv, Großbritannien nicht den EG-Beitritt über die Hintertür WEU zu ermöglichen. Der WEU-Boykott brachte indes nicht die erhofften Folgen. Es gelang Frankreich nicht, die Arbeit der WEU zum Stillstand zu bringen und intensivierte politische Konsultationen auf Ebene des Ständigen WEU-Rates zu verhindern. 70 Der Quai d’Orsay befürchtete angesichts der politischen Konsultationen auf der Sitzung am 26. Februar, dass die WEU-Partner Frankreich vor vollendete Tatsa-
66 Für die Sitzung des Ständigen WEU-Rates am 26.2.1969 siehe Fernschreiben Nr. 418 von Blankenhorn, London, an das AA vom 26.2.1969, in: PA/AA, B21/666 und Telegramm Nr. 193 des FCO an Bonn vom 26.2.1969, in: NA, FCO 41/466. Der Ständige WEU-Rat beschloss, einen italienischen Auslegungsvorschlag zur Diskussionsgrundlage der Arbeitsgruppe zu machen. Der Vorschlag besagte, dass der WEU-Generalsekretär aufgrund des Artikels VIII.2 nicht die Zustimmung des Rates zu einem Treffen auf Ministerebene oder Ebene der Ständigen Vertreter brauche. Auch mache Artikel VIII.4. deutlich, dass die Abwesenheit eines Mitglieds nicht bedeute, dass keine Einstimmigkeit im Rat möglich sei. Diese Sichtweise wurde von allen Delegationen außer der deutschen bestätigt. Siehe Blankenhorn vom 26.2.1969, in: PA/AA, B21/666. 67 Telegramm Nr. 48 des FCO an Brüssel am 21.2.1969, in: NA, FCO 41/506. 68 Laut Pine ist Großbritannien der Gewinner der Soames-Affäre gewesen, die aufgrund des Rücktritts de Gaulles im April 1969 ohne langwierige Folgen blieb. Vgl. Pine, British Personal, S. 75/76. 69 Speaking Notes „Cabinet – 27 February, 1969, Oversea Affairs, Western European Union“ des Foreign Office für Stewart für die Kabinettsitzung am 27.2.1969 im Anhang an das Schreiben von Parsons an Maitland vom 26.2.1969, in: NA, FCO 41/506. 70 Vgl. Pine, British Personal, S. 75.
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chen stellen wollten.71 Die französische Regierung war mit dem Boykott aufs Ganze gegangen und hatte zunächst verloren, da sich die Bundesrepublik nicht auf die französische Seite schlug. Zwar war Großbritannien dem EG-Beitritt nicht näher gekommen, doch hatte sich Frankreich durch seine kompromisslose Haltung isoliert.72 Zudem nahm Frankreich sich die Chance zur direkten Einflussnahme auf die weitere Entwicklung der WEU. Die Hoffnung des Quai d’Orsay lag nun primär darauf, dass die Bundesrepublik und Belgien dem Ausbau der WEU Grenzen setzten.73 Aus deutscher Sicht war die Entwicklung desaströs verlaufen. Trotz aller Bemühungen hatte die Bundesrepublik den Ausbruch der WEU-Krise nicht verhindern können. Darüber hinaus befand sich die Bundesrepublik in der unangenehmen Lage, es mit ihren Kompromissbemühungen weder Großbritannien noch Frankreich recht zu machen.74 Indirekt hatte sie sogar zur Krise beigetragen, da sie gegen den französischen Willen am Nahosttreffen teilgenommen hatte und bereit war, eigenständige politische Konsultationen auf Ebene des Ständigen WEU-Rates mitzutragen. Dennoch setzte die Bundesrepublik darauf, die WEUKrise mittelfristig lösen zu können, damit die WEU keine dauerhafte Belastung für das deutsch-französische Verhältnis darstellte und sich nicht negativ auf die EG auswirkte. Ein erster Schritt in diese Richtung war die WEU-Studiengruppe, die zur Beilegung des Streits über die Auslegung der Einstimmigkeitsregel in der WEU beitragen sollte. Allerdings war dem Auswärtigen Amt klar, dass der WEUStreit keiner juristischen, sondern einer politischen Lösung bedurfte.75 Durch den französischen Boykott veränderte sich die Rolle der WEU. Sie diente nicht mehr als Brücke zwischen Großbritannien und den EG, da die EG-Staaten nicht mehr zu sechst im WEU-Rat auftraten.76 Zudem schien es ohne Frankreich kaum möglich, den britischen EG-Beitritt über die WEU voranzutreiben. Die Bedeutung der WEU sank damit aber keineswegs ab, stattdessen boten sich Großbritannien neue Möglichkeiten. Großbritannien erhielt die Chance, in einer intensivierten politischen Zusammenarbeit mit den Fünf seine Europatauglichkeit nachzuweisen. Zudem konnte Großbritannien darauf hoffen, dass die WEU-Krise den Streit der EG-Partner in der EG-Erweiterungskrise verstärkte und sich hemmend auf interne Entwicklungen in den EG vor einem britischen Beitritt auswirkte, die britischen Interessen zuwider liefen.
71 Schreiben Nr. 271 von Courcel an Debre „A.S.: Réunion du 26 février de 6 pays membres de l’UEO.“ vom 27.2.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2024. 72 Aufzeichnung der S/DEO „a.s. Procédure de convocation du Conseil permanent de l’U.E.O.-“ vom 4.3.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015. 73 Schreiben Nr. 294 von Courcel an Debre „A.S.: Réunion du 26 février de six pays membres de l’UEO.“ vom 5.3.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2024. 74 Aufzeichnung von Frank „WEU-Krise, hier: Weiteres deutsches Vorgehen“ vom 3.3.1969, in: PA/AA, B21/666. 75 Vgl. Frank vom 3.3.1969, in: PA/AA, B21/666. 76 Vgl. Young, Britain and European Unity, S. 104.
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2. DIE ARBEIT OHNE FRANKREICH IN DER WEU (MÄRZ 1969–JUNI 1970) In der Zeit des französischen WEU-Boykotts hielten die WEU-Staaten lediglich am 5. und 6. Juni 1969 in Den Haag sowie am 9. und 10. Januar 1970 in Brüssel Ministertreffen ab. Großbritannien und die Fünf verzichteten auf ein Ministertreffen unter britischem Vorsitz, da eine französische Rückkehr unter diesen Vorzeichen unrealistisch schien (vgl. Kapitel VII.3.1.). Zudem verzichteten sie in Den Haag auf einen expliziten Wirtschaftstag und die Teilnahme der EG-Kommission, um den Streit mit Frankreich nicht zu verstärken (vgl. Kapitel VII.2.3.). Allerdings bemühten sich Großbritannien und die Fünf, den Wert der WEU-Politikdiskussionen zu unterstreichen und partizipierten geschlossen mit ihren Außenministern.77 2.1. Ungelöste Rechtsstreitigkeiten In den ersten Monaten nach dem französischen Boykott standen in der WEU zwei umstrittene Aspekte im Mittelpunkt: der Ausbau der politischen Konsultationen (vgl. Kapitel VII.2.2.1.) und die Einstimmigkeitsregel in der WEU. Dabei gelang es den sechs aktiven WEU-Staaten nicht, sich in der eingesetzten Studiengruppe über eine juristische Auslegung des WEU-Vertrages zu einigen. Aufgrund der französischen Abwesenheit standen fortan Großbritannien und die Bundesrepublik für die am stärksten divergierenden Ziele in der WEU. Großbritannien verfolgte das Ziel, die intensivierten politischen Konsultationen ungehindert fortzusetzen. Aus diesem Grund sollte sich die Studiengruppe auf die britische Interpretation der Einstimmigkeitsregel einigen, die kontinuierliche Konsultationen und die Beschlussfähigkeit des WEU-Rates auch ohne Frankreich sicherstellte. 78 Die Bundesrepublik lehnte Schritte ab, durch die sich die WEU-Krise unkontrolliert zuspitzen und auf die EG auswirken könnte. Obgleich die Bundesrepublik selbst die Einsetzung der Studiengruppe vorgeschlagen hatte, befürchtete sie eine ungewollte Auslegung der Einstimmigkeitsregel, die Frankreich weiter verärgern würde. Das Bundeskanzleramt erteilte deshalb die Anweisung, nur rezeptiv in der Studiengruppe aufzutreten.79 Zudem beäugte das Auswärtige Amt britische Bemühungen misstrauisch, die Zusammenarbeit ohne Frankreich zu forcieren, um im britisch-französischen Ringen um Einfluss in Europa an Boden zu gewinnen. 80 Das Auswärtige Amt spielte deshalb mit dem Gedanken, nur mit den anderen vier EG-Staaten eine politische Lösung der WEU-Krise zu erarbeiten. 81 77 Nenni verzichtete nur aufgrund der Gefangennahme italienischer Ölarbeiter in Biafra kurzfristig auf seine Teilnahme in Den Haag. 78 „Brief for W.E.U. Working Group Meetings on Article VIII“ des WOD vom 7.3.1969, in: NA, FCO 41/506. 79 Boss an Kiesinger „Westeuropäische Union“ vom 7.3.1969, in: BA, B136/6926. 80 Aufzeichnung von Frank „WEU-Krise“ vom 5.3.1969, in: PA/AA, B21/666. 81 Ebenda.
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Dieser Vorschlag, den Brandt gegenüber Harmel zur Sprache brachte, setzte sich aber nicht durch.82 Als die WEU-Studiengruppe am 7. März erstmals zusammentrat, befand sich die Bundesrepublik in einer Außenseiterposition. Die anderen fünf WEU-Staaten vertraten die Ansicht, dass Sitzungen des Ständigen WEU-Rates nicht einstimmig einberufen werden müssten und die Verantwortung dafür allein dem WEU-Generalsekretär obliege. Die Bundesrepublik hingegen hielt an ihrer Unterscheidung zwischen Routine- und Sondersitzungen fest. Letztere müssten einstimmig beschlossen werden, sofern es sich nicht um eine friedensgefährdende Situation handelte. Auch in der Frage der Beschlussfähigkeit des WEU-Rats ohne französische Beteiligung nahm die Bundesrepublik eine abweichende Haltung ein. So stimmte die deutsche Delegation in der Studiengruppe zwar zu, dass der WEURat prinzipiell beschlussfähig sei, allerdings schränkte sie ein, dass die Interessen eines WEU-Staates nicht verletzt werden dürften. 83 Die deutsche Delegation verhinderte einen gemeinsamen Beschluss der Studiengruppe, da sie französische Bedenken zu wenig beachtet fand. 84 Zugleich ging das Auswärtige Amt bereits nach dieser ersten vertieften Diskussion nicht mehr davon aus, dass sich die Studiengruppe auf eine juristische Interpretation würde einigen können. 85 Die deutsche Rücksichtnahme stieß in Frankreich auf wenig Anerkennung. Stattdessen kritisierte das französische Außenministerium die schwankende deutsche Haltung und das antifranzösische Verhalten seit dem Herbst 1968. Das vergleichsweise moderate deutsche Auftreten erschien vornehmlich als Versuch, Zeit in der WEU-Krise zu gewinnen.86 Zudem gelang es der Bundesrepublik nicht, Frankreich in den deutsch-französischen Regierungsgesprächen Mitte März Zugeständnisse abzutrotzen. Von Kiesinger und Brandt vorgeschlagene Kompromisse, die von den anderen WEU-Partnern nur schwerlich akzeptiert worden wären, liefen ins Leere. De Gaulle und Debré akzeptierten weder die von Kiesinger und Brandt aufgeworfene Möglichkeit, zum Stand des Luxemburger WEU-Treffens zurückzukehren noch begnügten sie sich mit der Versicherung, dass die WEU kein europäisches Ersatzgremium für die EG werden sollte. Stattdessen kritisierten sie das britische Verhalten in der WEU scharf, mit dem es die EG-Staaten spalten wollte. De Gaulle erklärte, dass unter den gegebenen Umständen eine Zusammenarbeit mit Großbritannien in der WEU nicht mehr möglich sei, so dass Frankreich nicht mehr teilnähme. Einzig bei einer ausnahmslosen Rückkehr zur Einstimmigkeitsregel stellten de Gaulle und Debré eine französische Rückkehr in
82 Aufzeichnung des Legationsrats Schilling vom 26.3.1969, in: AAPD 1969I/113, S. 438. 83 Zur WEU-Studiengruppe am 7.3.1969 siehe Williams an Waterfield vom 11.3.1969, in: NA, FCO 41/507 und das Fernschreiben von Wickert, London, an das AA vom 8.3.1969, in: PA/AA, B21/666. 84 Vgl. Türk, Europapolitik, S. 186. 85 Plurex Nr. 1063 des Auswärtigen Amtes an London vom 11.3.1969, in: PA/AA, B21/666. 86 Aufzeichnung der S/DEO „a.s. L’Allemagne et la crise de l’U.E.O.“ vom 7.3.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2024.
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die WEU in Aussicht.87 Frankreich zeigte sich unnachgiebig und goss noch zusätzliches Öl ins Feuer. Es veröffentlichte eine ausführliche chronologische Dokumentation der WEU-Krise, in der es unbeirrt den WEU-Partnern die Schuld zuwies und Großbritanniens unlautere Motive und Vorgehensweise heftig kritisierte.88 Ein Kompromiss geriet in immer weitere Ferne. Unterdessen setzten die anderen WEU-Staaten ihre Versuche einer gemeinsamen Positionierung fort. Belgien schlug im Ständigen WEU-Rat vor, ein Papier zu entwerfen, das sich mit den juristischen, politischen und praktischen Aspekten der WEU-Krise befassen sollte. Darin sollte deutlich gemacht werden, dass der Fortgang der WEU-Treffen ohne Frankreich rechtmäßig sei. Zugleich sollte versichert werden, dass die WEU kein Anhörungsgericht für die EG-Erweiterung sei. Einem solchen Papier stimmten die anderen Vertreter prinzipiell zu, auch wenn die Bundesrepublik rechtliche Bedenken geltend machte.89 Der belgische Vorstoß zeigte, dass sich ein weiterer WEU-Staat im ersten Halbjahr 1969 um einen Kompromiss mit Frankreich bemühte. Allerdings war Belgien im Gegensatz zur Bundesrepublik zu obligatorischen politischen Konsultationen bereit sowie willens, ohne Frankreich über Fragen der politischen Konstruktion Europas zu sprechen. 90 Am 31. März und am 1. April trat die WEU-Studiengruppe zusammen, um den belgischen Vorschlag umzusetzen. Dabei zeigten sich erneut juristische Unstimmigkeiten. In der Frage der Einberufung von Ratssitzungen nahm Italien eine harte Haltung gegenüber Frankreich ein, während Belgien und Luxemburg Verständnis für das deutsche Bemühen zeigten, Frankreich durch das Festhalten an der Einstimmigkeitsregel für Sondersitzungen entgegenzukommen. Großbritannien maß dieser Frage weniger Bedeutung zu. Es widersprach allerdings einer zweiten deutschen Forderung, dass Ratsbeschlüsse nicht die Interessen des abwesenden Partners berühren dürften. Großbritannien lehnte – ebenso wie die Mehrzahl 87 Gespräch des Bundesministers Brandt mit dem französischen Außenminister Debré am 10.3.1969, in: AAPD 1969I/94, S. 350/351 und Gespräch des Bundeskanzlers Kiesinger mit Staatspräsident de Gaulle in Paris am 13.3.1969, in: AAPD 1969I/99, S. 369–372. Laut Kramer hatte de Gaulle der Bundesrepublik eine Lektion in gaullistischer Politik erteilt und damit jeden Kompromiss verhindert. Vgl. Kramer, S. 247. Seine Haltung bestätigte de Gaulle auch gegenüber Luns, dem er mitteilte, dass die WEU eine Maschine sei, die von Großbritannien benutzt werde, so dass Frankreich nicht mehr teilnehme. Aufzeichnung der S/DEO „a.s. Entretien récent entre M. Luns et le Général de Gaulle“ vom 17.4.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2024. 88 Siehe das in der zweiten Märzhälfte veröffentlichte Dokument des Service de Presse et d’Information (SPI) „La France et la Crise de l’U.E.O.“, in: NA, FCO 41/507 und zudem die deutsche Version „Frankreich und die W.E.U.-Krise“, in: PA/AA, B21/666. 89 Für den belgischen Vorschlag am 12.3.1969 im Ständigen WEU-Rat siehe Telegramm Nr. 234 des FCO an Bonn vom 12.3.1969, in: NA, FCO 41/467 und Fernschreiben Nr. 535 von Wickert, London, an das AA vom 12.3.1969, in: PA/AA, B21/677. Am 26.3.1969 beschloss der Ständige WEU-Rat, dass die WEU-Arbeitsgruppe ein Papier auf Basis des belgischen Vorschlages erstellen sollte. Siehe Telegramm Nr. 276 des FCO an Bonn vom 27.3.1969, in: NA, FCO 41/468 und Fernschreiben Nr. 651 von Blankenhorn, London, an das AA vom 27.3.1969, in: PA/AA, B21/666. 90 Aufzeichnung von Frank „WEU; Schreiben des belgischen Außenministers vom 11.3.1969“ vom 21.3.1969, in: PA/AA, B21/666.
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der übrigen WEU-Staaten – diese Forderung ab, da dem abwesenden Staat kein Vetorecht eingeräumt werden dürfte.91 Trotz partieller belgischer Unterstützung befand sich die Bundesrepublik in einer sichtbaren Außenseiterrolle. Das Auswärtige Amt erteilte die Anweisung, die Arbeit der Studiengruppe zu verschleppen, da als Ergebnis ein juristisches Papier drohte, dass die WEU-Krise weiter verschärfen würde.92 Auf einer vierten und letzten Sitzung der Studiengruppe verhinderte die deutsche Delegation eine juristische Einigung, die den Konflikt mit Frankreich verschlimmert hätte.93 Aufgrund der kontinuierlichen Meinungsverschiedenheiten entschied der Ständige WEU-Rat am 17. April, dass aus den vorläufigen Arbeitspapieren der Studiengruppe kein formales WEU-Papier resultieren sollte. Zudem beschloss der Ständige WEU-Rat, die Arbeit der Studiengruppe auf unbestimmte Zeit zu vertagen, so dass die Bundesrepublik ihr Ziel erreicht hatte. Die Diskussionen Großbritanniens und der Fünf über die juristischen und politischen Fragen der WEU-Krise endeten ohne offizielles Ergebnis. 94 Für diesen Tatbestand zeichnete primär die Bundesrepublik verantwortlich. Diese hatte die Studiengruppe ursprünglich vorgeschlagen, um Zeit zu gewinnen und informell die Positionen der sechs aktiven WEU-Staaten zu klären. Darüber hinaus hatte die Bundesrepublik gehofft, einen Ausgleich mit Frankreich erreichen zu können. Diese Hoffnung hatte sich ebenso zerschlagen wie das Ziel, eine gemäßigte juristische Position der anderen WEU-Staaten zu erarbeiten. Die Bundesrepublik lehnte wichtige Teile der erarbeiteten Rechtsstandpunkte ab und verhinderte, dass sich diese in einem offiziellen WEU-Papier niederschlugen.95 Großbritannien akzeptierte das Ende der Studiengruppe. Zwar hätte Großbritannien eine juristische Einigung begrüßt, um die Position der sechs WEU-Staaten gegenüber Frankreich zu stärken. Allerdings interessierte sich Großbritannien mehr für die praktische Arbeit der WEU, so dass es sich damit begnügte, die politischen Konsultationen auf Ebene des Ständigen WEU-Rates fortzuführen (vgl. Kapitel VII.2.2.1.). Während die Diskussionen über Rechtsfragen in den ersten Monaten nach dem französischen Boykott keine Annäherung in der WEU-Krise gebracht hatten, bot der Rücktritt de Gaulles am 28. April 1969 unerwartet neue Möglichkeiten. Allerdings erwies sich die französische Rückkehr an den WEU-Ratstisch auch 91 Zur Sitzung der WEU-Studiengruppe siehe Fernschreiben Nr. 695 von Blankenhorn, London, an das AA vom 2.4.1969, in: PA/AA, B21/666. Für die verschiedenen Positionen in der Arbeitsgruppe im März und April 1969 vgl. auch Kramer, S. 247/248. 92 Plurex Nr. 1625 von Frank an London vom 12.4.1969, in: PA/AA, B21/666. 93 Zur Sitzung der WEU-Studiengruppe am 14.4.1969 siehe Fernschreiben Nr. 745 von Blankenhorn, London, an das AA vom 15.4.1969, in: PA/AA, B21/666. 94 Für die Sitzung des Ständigen WEU-Rates am 17.4.1969 siehe Telegramm Nr. 314 des FCO an Bonn vom 17.4.1969, in: NA, FCO 41/469 und Fernschreiben Nr. 761 von Blankenhorn, London, an das AA vom 17.4.1969, in: PA/AA, B21/677. Für Details der vorgelegten informellen Arbeitspapiere siehe Bericht von Blankenhorn „WEU, hier: Arbeitspapiere der Studiengruppe“ an das AA vom 17.4.1969, in: PA/AA, B21/677. 95 Für eine sehr gute Übersicht über die Arbeit der WEU-Studiengruppe, die ursprünglichen deutschen Ziele und die Meinungsverschiedenheiten mit den WEU-Partnern siehe Aufzeichnung des Ministerialdirigenten von Staden vom 5.5.1969, in: AAPD 1969I/143, S. 541.
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unter dem neuen Präsidenten Pompidou keineswegs als unproblematisch. Bevor dieser Aspekt betrachtet wird (vgl. Kapitel VII.3.), sollen zunächst die weiteren politischen und wirtschaftlichen Kontakte in der WEU während des französischen WEU-Boykottes untersucht werden. 2.2. Die WEU-Politikdiskussionen 2.2.1. Die Diskussionen in der WEU Ungeachtet des französischen Boykotts und der fehlenden Übereinstimmung in juristischen Fragen setzten Großbritannien und die Fünf die Zusammenarbeit in der WEU fort. Im Vordergrund der Politikdiskussionen stand die Kooperation im Ständigen WEU-Rat, die sich informell intensivierte. Zugleich zeigte sich, dass Großbritannien und die Bundesrepublik unterschiedliche Auffassungen über die Umsetzung der politischen Konsultationen vertraten. In der Frage der formalen Ausgestaltung der politischen Konsultationen griffen die Beneluxstaaten ihren Vorstoß vom Luxemburger WEU-Ministertreffen auf und übermittelten den WEU-Partnern eine sechs Themenbereiche umfassende Liste für obligatorische Konsultationen.96 Der Quai d’Orsay verweigerte die Annahme der Liste, da diese vom Motiv getrieben sei, der „die Gruppe neuen Sechs“ ohne Frankreich zu stärken. 97 Am 12. März diskutierte der Ständige WEU-Rat über die Vorschläge der Beneluxstaaten. Während Großbritannien der Liste zustimmte und sogar forderte, das Themenspektrum zu erweitern, vermied die Bundesrepublik mit Rücksicht auf französische Bedenken eine klare Positionierung und verhinderte eine Einigung im Rat. Allerdings beteiligte sich die Bundesrepublik auch ohne explizite Anweisung des Ministerrats an politischen Konsultationen im Ständigen WEU-Rat, in diesem Fall zu Nigeria. 98 Damit erlangen die Diskussionen im Ständigen WEU-Rat eine neue Qualität.99 Die deutsche Beteiligung stieß im französischen Außenministerium auf Kritik.100 Die Bundesrepublik geriet 96 Die Beneluxliste umfasste: 1) die politische Zusammenarbeit in Europa, 2) die Beziehungen zu den USA, 3) die Beziehungen mit der UdSSR und den kommunistischen Staaten, 4), die Beziehungen mit den anderen Staaten der Welt, 5) Fragen der Vereinten Nationen, 6) Probleme der Abrüstung und Friedensstärkung. Siehe Fernschreiben Nr. 518 von Wickert, London, an das AA vom 11.3.1969, in: PA/AA, B21/677. 97 Aufzeichnung der DAP „A/s. Engagement du processus de consultations à Six sans la France sein de l’UEO.“ vom 12.3.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015. 98 Zur Sitzung des Ständigen WEU-Rates am 12.3.1969 siehe Wickert vom 12.3.1969, in: PA/AA, B21/677 und das FCO vom 12.3.1969, in: NA, FCO 41/467. 99 Vgl. Pine, British Personal, S. 75/76. Türk widerspricht dieser Auffassung mit dem Argument, dass Diskussionen wie über Nigeria bereits zuvor im Ständigen Rat erfolgt seien. Vgl. Türk, Europapolitik, S. 187. Türks Argument greift ins Leere, da die Konsultationen nun eigenständig vom Ständigen WEU-Rat vorgenommen wurden und nicht mehr auf explizite Anweisung des Ministerrates erfolgten. 100 Aufzeichnung des Directeur d’Europe „A/s. Conseil de l’U.E.O.“ vom 18.3.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2024.
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zunehmend unter Druck und stand vor dem Problem, kaum einen dauerhaft glaubwürdigen Mittelweg in der WEU-Krise fahren zu können.101 Schließlich erteilte Staatssekretär Duckwitz die Anweisung, sich im Zweifel auf die Seite Frankreichs zu schlagen. Die Bundesrepublik würde sich an politischen Konsultationen im Ständigen WEU-Rat beteiligen, aber jede Beschlussfassung über formale Fragen ablehnen, solange Frankreich fernbleibe, da die Bundesrepublik für verbesserte Konsultationen der Sieben und nicht der Sechs eintrete. Die WEU zum Forum der Außenpolitik zu machen sei ohne Frankreich nicht erstrebenswert.102 Das künftige Auftreten der Bundesrepublik im Ständigen WEU-Rat entsprach dieser Leitlinie des Auswärtigen Amtes, der auch das Bundeskanzleramt zustimmte.103 Die Bundesrepublik partizipierte an politischen Konsultationen über verschiedene Themen, doch trug sie entscheidend dazu bei, eine formale Zustimmung zur Beneluxliste zu verhindern. 104 Bis zum WEU-Ministertreffen im Juni 1969 in Den Haag einigten sich die aktiven WEU-Staaten weder über die Annahme der Beneluxliste noch kam das in Luxemburg kontrovers diskutierte italienische Papier in der WEU erneut zur Sprache.105 Dieser formale Stillstand entsprach der deutschen und indirekt auch der französischen Zielsetzung. Großbritannien hätte eine Einigung auf die Beneluxliste begrüßt, doch lag sein Hauptaugenmerk darauf, politische Konsultationen im Ständigen WEU-Rat mit deutscher Beteiligung durchzuführen. Dieses Ziel war erreicht, da der Ständige WEU-Rat seit März 1969 eigenständige Konsultationen zu einem breiten Themenspektrum durchführte.106 Zugleich versuchte Großbritannien, die Bedeutung der WEU noch anderweitig zu erhöhen. Im März 1969 beschloss das Foreign Office, Staatsminister Lord Chalfont als Nachfolger von Lord Hood in den Ständigen WEU-Rat zu entsenden. Mit diesem ranghöheren Vertreter betonte Großbritannien, welche Bedeutung es der WEU und der Intensivierung der politischen Konsultationen beimaß.107 Zudem erklärte 101 Fernschreiben Nr. 620 von Wickert, London, an das AA vom 21.3.1969, in PA/AA, B21/666. 102 Duckwitz an London [Nr. fehlt] vom 25.3.1969, in: PA/AA, B21/666. 103 Boss an Staatssekretär Carstens „Westeuropäische Union; hier: Ratssitzung am 26. März 1969“ vom 26.3.1969, in: BA, B136/6926. 104 Zur Sitzung des Ständigen WEU-Rates am 26.3.1969 siehe Blankenhorn vom 27.3.1969, in: PA/AA, B21/666 und das FCO vom 27.3.1969, in: NA, FCO 41/468. 105 Zur Sitzung des Ständigen WEU-Rates am 17.4.1969 siehe Blankenhorn, London, vom 17.4.1969, in: PA/AA, B21/677 und FCO vom 17.4.1969, in: NA, FCO 41/469. Zur Sitzung am 28.4.1969 siehe Telegramm Nr. 340 des FCO an Bonn vom 29.4.1969, in: NA, FCO 41/470. Zur Sitzung am 14.5.1969 siehe Telegramm Nr. 396 des FCO an Bonn vom 15.5.1969, in: NA, FCO 41/471. Zur Sitzung am 21.5.1969 siehe Telegramm Nr. 413 des FCO an Bonn vom 21.5.1969, in: NA, FCO 41/472. 106 Von März 1969 bis März 1970 führte der Ständige WEU-Rat Konsultationen zu folgenden Themen durch: Griechenland (13mal), Naher Osten (7), Nigeria (5), Sowjetische Politik in Asien (3), Libyen (2), Non-Proliferationsvertrag (2), Mauritius (1), Sudan (1), Gibraltar (1), Jemen (1), Rhodesien (1), Sino-sowjetische Querelen (1), Philippinen (1). Siehe Schreiben von Courcel an Schumann „a/s. Contenu de la consultation politique au niveau du Conseil Permanent de l’U.E.O.“ vom 19.3.1970, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2016. 107 Guidance Nr. 55 des FCO vom 12.3.1969, in: NA, FCO 41/524.
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die britische Regierung ihre Absicht, keine wesentlichen außenpolitischen Entscheidungen mehr ohne vorherige Konsultation in der WEU zu treffen.108 Großbritannien machte die WEU-Konsultationen zum zentralen Element seiner Außenpolitik, da es auf diese Weise die bestmögliche Durchsetzung eigener außenpolitischer Interessen erwartete. Großbritannien wollte seine europäische Orientierung unterstreichen und aktiv an der Ausgestaltung der europäischen politischen Zusammenarbeit mitwirken. Harmonisierungsbemühungen unter britischer Anleitung versprachen mehr britischen Einfluss in Europa und der Welt als eine durchweg eigenständige Außenpolitik. 109 Der britische Fokus auf die WEU blieb indes eine Momentaufnahme. Das Foreign Office zweifelte angesichts struktureller Schwächen an einer dauerhaft gewichtigen Rolle der WEU. Zudem seien die Fortschritte der politischen Konsultationen gefährdet, sobald Frankreich zurückkehre. Bis zum Moment französischer Kompromissbereitschaft plädierte das britische Außenministerium jedoch dafür, an den politischen Konsultationen in der WEU festzuhalten und hob den zwischenzeitlichen taktischen Wert der WEU hervor.110 Insgesamt war seit dem französischen Boykott Bewegung in die politische Zusammenarbeit in der WEU geraten. Dies bestätigten die Minister, als sie im Juni 1969 in Den Haag erstmals ohne Frankreich in der WEU zusammenkamen. Angesichts des Verzichts auf einen offiziellen Wirtschaftstag (vgl. Kapitel VII. 2.3.) flossen wirtschaftliche Fragen wie die EG-Erweiterung – die alle anwesenden Vertreter forderten – inoffiziell in die Diskussion ein, die sich hauptsächlich auf die politische Zusammenarbeit in Europa konzentrierte.111 Luns betonte eingangs den Wert der intensivierten politischen Zusammenarbeit, woraufhin Manzini anmahnte, das fast vergessene italienische Papier als minimale Ausgangsbasis für weitere Schritte zu nutzen. Stewart sprach von nützlichen Fortschritten in der WEU, die einen bedeutenden Impetus für die politische Konstruktion Europas gegeben hätten und forderte zugleich weitere Fortschritte. Für dieses Ministertreffen käme eine neue Initiative im Bereich der politischen Konsultationen zwar zu früh, doch sollte beim nächsten Treffen unter Einschluss Frankreichs eine Maschinerie überlegt werden, die effektive Konsultationen ermöglichte. Zudem gingen Fortschritte in der WEU und das Ziel der EG-Erweiterung aus britischer Sicht einher, da die Politische Union das Endziel sei. Brandt wich einer klaren Aussage zur Zukunft der WEU-Konsultationen aus. Stattdessen betonte er die Notwendigkeit, noch vor Ende des Jahres Bewegung in die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit in Europa zu bringen. Dafür schlug er 108 Blankenhorn vom 17.4.1969, in: PA/AA, B21/677 und FCO vom 17.4.1969, in: NA, FCO 41/469. 109 Für die zentrale Formulierung der außenpolitischen Ziele Großbritanniens siehe Department Circular „Political Consultations in Western European Union“ von Denis Greenhill vom 18.4.1969, in: NA, FCO 66/41. 110 Siehe die Aufzeichnung „WEU“ im Anhang an das Schreiben von Waterfield an Robinson am 22.4.1969, in: NA, FCO 30/421 und die Aufzeichnung „Political Unity in Europe“ im Anhang an das Schreiben von Waterfield an Bendall vom 13.5.1969, in: NA, FCO 41/503. 111 Für eine Gesamtübersicht über das WEU-Ministertreffen am 5./6.6. in Den Haag siehe Tel. Nr. 329 von Garran, Den Haag, an das FCO vom 6.6.1969, in: NA, FCO 41/501.
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informell eine Konferenz der Regierungschefs und Außenminister der sieben WEU-Staaten vor, wobei es sich nicht um ein WEU-Treffen handeln sollte. Zudem sollte die Konferenz erst nach einer generellen Einigung über die EGErweiterung erfolgen. Stewart begrüßte diesen Vorschlag, doch äußerten sich die Beneluxstaaten skeptisch über die Erfolgsaussichten.112 Umstritten blieb zudem die inoffiziell, außerhalb der Tagesordnung diskutierte Frage der französischen WEU-Rückkehr (vgl. Kapitel VII.3.1.). Neben diesen übergeordneten Fragen der künftigen WEU-Arbeit besprachen die Minister auch die Situation im Nahen Osten, Griechenland, die Konferenz der Warschauer Pakt-Staaten in Budapest und Nigeria. Zu diesen Themen fanden lebhafte Diskussionen statt, doch gelang es den sechs WEU-Staaten nicht, daraus gemeinsame Handlungen abzuleiten. Dies galt insbesondere für den Fall Griechenland. Harmels Vorschlag blieb erfolglos, angesichts des dortigen Militärputsches und verletzter demokratischer Grundfreiheiten einen gemeinsamen Vorstoß der WEU-Staaten bei der griechischen Regierung zu unternehmen, um die Wiederherstellung der essentiellen Grundfreiheiten anzumahnen. 113 Grundsätzlich fehlte es in Den Haag wie bei früheren Ministertreffen an zählbaren Ergebnissen oder verbindlichen Übereinkünften in konkreten Themenfeldern. Das Auswärtige Amt zeigte sich dennoch zufrieden mit den aus seiner Sicht substantiellen Diskussionen. Angesichts dieser Einschätzung sah es keinen Grund, seine grundsätzliche Position zur künftigen Arbeit in der WEU zu verändern. Die Rücksichtnahme auf Frankreich besaß weiterhin höchste Priorität, so dass die WEU-Konsultationen nicht durch neue Prozeduren forciert werden sollten, auch wenn der Bundesrepublik an einer engeren politischen Zusammenarbeit unter britischem Einschluss gelegen blieb. Die Bundesrepublik wünschte sich, den Status quo bis zur französischen Rückkehr zu halten.114 Großbritannien versuchte derweil im zweiten Halbjahr 1969, die politischen Konsultationen in der WEU zu vertiefen. Das Foreign Office war zwar zufrieden mit der Verbesserung der politischen Kontakte seit dem französischen Boykott, doch sah es sich selbst zu stark in die Rolle als treibende Kraft gedrängt. Das britische Außenministerium wünschte sich mehr Themenvorschläge der anderen WEU-Staaten für Konsultationen im Ständigen WEU-Rat und kritisierte vor allem
112 Für die Ausführungen über die politische Zusammenarbeit in Europa siehe Fernschreiben Nr. 219 von Blankenhorn, Den Haag, an das AA vom 6.6.1969, in: PA/AA, B1/326 und Telegramm Nr. 325 von Garran, Den Haag, an das FCO vom 6.6.1969, in: NA, FCO 41/501. 113 Zur Griechenlanddiskussion in Den Haag siehe Fernschreiben Nr. 220 von Blankenhorn, Den Haag, an das AA vom 6.6.1969, in: PA/AA, B1/327 und Telegramm Nr. 328 von Garran, Den Haag, an FCO vom 6.6.1969, in: NA, FCO 41/501. Zur Nahost-Diskussion siehe Waterfield an Tripp „Western European Union, Ministerial Meeting – The Hague 5–6 June“ vom 16.6.1969, in: NA, FCO 41/501. Zur Diskussion über die Konferenz der Warschauer PaktStaaten siehe Telno 23 von Garran, Den Haag, an FCO vom 6.6.1969, in: NA, FCO 41/501. 114 Aufzeichnung des Referats IA1 „WEU; politische Zusammenarbeit“ vom 20.6.1969, in: PA/AA, B1/327.
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die passive Rolle der Bundesrepublik.115 Aus diesem Grund sowie der drohenden Gefahr einer in Aussicht genommenen institutionalisierten Europäischen Politischen Zusammenarbeit ohne britische Beteiligung (vgl. Kapitel VII.2.2.2.) betonte Großbritannien im Ständigen WEU-Rat die Bedeutung, die es den politischen Konsultationen und deren Weiterentwicklung beimaß.116 Dieses Bekenntnis war aus britischer Sicht notwendig, da die britische Regierung zeitgleich einen personellen Schritt vollzog, der als nachlassendes Interesse an der WEU fehlgedeutet werden konnte. Im Oktober 1969 löste der Deputy Undersecretary of State117 Thomas Brimelow Lord Chalfont als Ständigen WEU-Vertreter ab, da Chalfonts Nachfolger als Staatsminister im Foreign Office, George Thomson, dem britischen Kabinett als „Europaminister“ angehörte. Sogar Großbritannien erschien es unpassend, einen Minister im Kabinettsrang regelmäßig mit den Botschaftern der EG-Staaten im Ständigen WEU-Rat zusammenarbeiten zu lassen. Offiziell begründete das Foreign Office die Entscheidung für Brimelow aber damit, dass Thomson angesichts der für die in naher Zukunft erwarteten britischen EGBeitrittsverhandlungen zu oft im Ständigen WEU-Rat abwesend sein würde.118 Ungeachtet der unterschiedlichen Auffassungen über die grundsätzliche Ausgestaltung der politischen Konsultationen führten die sechs WEU-Staaten im zweiten Halbjahr 1969 Konsultationen zu einem breiten Themenspektrum im Ständigen WEU-Rat durch. Im Zentrum stand die Frage, ob Griechenland angesichts seiner undemokratisch agierenden Militärregierung zu einem freiwilligen Ausscheiden aus dem Europarat gedrängt oder aber in einer Abstimmung dazu gezwungen werden sollte. Dabei misslang es den WEU-Staaten, sich auf eine Vorgehensweise zu einigen, bevor sich Griechenland im Dezember 1969 freiwillig zurückzog.119 In formaler Hinsicht brachte die zweite Jahreshälfte 1969 keine Fortschritte. Die Beneluxliste führte wie das italienische Papier zu keinen 115 Waterfield an Bendall und Private Secretary „Western European Union, Political Consultation“ vom 10.10.1969, in: NA, FCO 9/861. 116 Telegramm Nr. 748 des FCO an Bonn vom 22.10.1969, in: NA, FCO 41/480. 117 Die Bezeichnung des Deputy Undersecretary of State entspricht in etwa dem deutschen Ministerialdirektor. 118 Schreiben von Waterfield an Brimelow „WEU“ am 6.10.1969, in: NA, FCO 41/524. 119 Für die politischen Konsultationen im Ständigen WEU-Rat zum Thema Griechenland und weitere Themenfelder im zweiten Halbjahr 1969 liegen der Untersuchung folgende Aufzeichnungen vor: Zur Sitzung am 27.6.1969 Telno Nr. 11 des FCO an Bonn vom 4.7.1969, in: NA, FCO 41/475 und Fernschreiben Nr. 1326 von Blankenhorn, London, an das AA vom 27.6.1969, in: PA/AA, B21/677. Zur Sitzung am 10.9.1969. Telegramm Nr. 653 des FCO an Bonn vom 11.9.1969, in: NA, FCO 41/477. Zur Sitzung am 5.11.1969 Telegramm Nr. 789 des FCO an Bonn vom 6.11.1969, in: NA, FCO 41/481. Zur Sitzung am 19.11.1969 Telegramm Nr. 831 des FCO an Bonn vom 19.11.1969, in: NA, FCO 41/482. Zur Sitzung am 26.11.1969 Telegramm Nr. 848 des FCO an Bonn vom 26.11.1969, in: NA, FCO 41/483. Zur Sitzung am 9.12.1969 Fernschreiben Nr. 3189 von Braun, Paris, an das AA vom 9.12.1969, in: PA/AA, IA1, Bd. 102372 und Telegramm Nr. 1140 von Soames, Paris, an das FCO vom 9.12.1969, in: NA, FCO 41/498. Laut Pine sind die Griechenland-Diskussionen ein Erfolg gewesen, da zwar kein gemeinsames, dafür aber ein konzertiertes, wenn auch individuelles Vorgehen beschlossen worden sei. Vgl. Pine, Harold Wilson, S. 147.
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Ergebnissen. Stattdessen bedrohten belgische Versuche zur Lösung der WEUKrise sogar die bisherigen Fortschritte im Ständigen WEU-Rat (vgl. Kapitel VII.3.1.). Auch aus Brandts Vorschlag einer Siebenerkonferenz, den Frankreich ablehnte,120 wurde nichts. Stattdessen stellte das Gipfeltreffen der EG-Staaten am 1./2. Dezember 1969 in Den Haag die Weichen für die EG-Erweiterung (vgl. Kapitel VII.2.3.) und die Umsetzung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (vgl. Kapitel VII.2.2.2.), die sich beide negativ auf die Bedeutung der WEU auswirkten. Zunächst jedoch setzen die Minister auf dem WEU-Treffen in Brüssel im Januar 1970 die politischen Konsultationen fort. Die WEU-Staaten befassten sich mit dem griechischen Ausscheiden aus dem Europarat und damit verbundene Auswirkungen auf die NATO. Beim Thema Nigeria kritisierten die WEU-Partner die anhaltenden britischen Waffenlieferungen an die nigerianische Regierung. Im Bereich der Ost-West-Beziehungen berichtete Scheel über die deutsche Ostpolitik. Zudem diskutierten die Minister über die Beziehungen zwischen Belgien und dem Kongo. Insgesamt verlief das Treffen unspektakulär, da es nicht gelungen war, Frankreich im Vorwege zur Rückkehr an den WEU-Ratstisch zu bewegen (vgl. Kapitel VII.3.1.). Eine Ausnahme bildete Stewarts Forderung, in die Ausarbeitung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit eingebunden zu werden und parallel die WEU-Konsultationen fortzusetzen (vgl. Kapitel VII.2.2.2.), deren Wert er demonstrativ unterstrich. 121 Bis zur Einigung mit Frankreich über die Rückkehr an den WEU-Ratstisch im April 1970 setzen Großbritannien und die Fünf die politischen Konsultationen im Ständigen WEU-Rat in der gewohnten Weise fort.122 Nach wie vor spielte Großbritannien die prägende Rolle. Es berichtete im Ständigen WEU-Rat über den Staatsbesuch Wilsons in Kanada, um die WEU-Konsultationen mit einem weiteren Element anzureichern. 123 Die britischen Bemühungen wurden von den anderen Staaten nicht mit eigenen Akzenten unterstützt. Das britische Außenministerium beklagte deshalb im Frühjahr 1970, dass Großbritannien seit dem Februar 1969 immer wieder als Impulsgeber in den politischen WEU-Konsultationen habe auftreten müssen. Gerade seitens der Bundesrepublik habe es zu wenig Unterstüt120 Circulaire Nr. 273 von Alphand vom 13.6.1969, in: MAE, Europe, QIE/2723. 121 Für die Diskussionen vom 9.1.1970 in Brüssel siehe Fernschreiben Nr. 5 von Blankenhorn, Brüssel, an das AA vom 10.1.1970, in: PA/AA, IA1, Bd. 102372 und Fernschreiben Nr. 6 von Blankenhorn, Brüssel, an das AA vom 10.1.1970, in: PA/AA, IA1, Bd. 102372. 122 Zur Sitzung vom 21.1.1970 siehe Telegramm Nr. 37 des FCO an Bonn vom 21.1.1970, in: NA, FCO 41/690. Zur Sitzung vom 4.2.1970 siehe Telegramm Nr. 58 des FCO an Paris vom 4.2.1970, in: NA, FCO 41/691. Zur Sitzung vom 18.2.1970 siehe Telegramm Nr. 113 des FCO an Bonn vom 18.2.1970, in: NA, FCO 41/692. Zur Sitzung vom 5.3.1970 siehe Telegramm Nr. 144 des FCO an Bonn vom 5.3.1970, in: NA, FCO 41/693. Zur Sitzung vom 18.3.1970 siehe Telegramm Nr. 176 des FCO an Bonn vom 18.3.1970, in: NA, FCO 41/694. Zur Sitzung vom 8.4.1970 siehe Telegramm Nr. 233 des FCO an Bonn vom 8.4.1970, in: NA, FCO 41/713. 123 FCO vom 4.2.1970, in: NA, FCO 41/691 und Waterfield an Bendall „The Prime Minister’s and Secretary of State’s Visit to Washington and Ottawa, Consultation with our Allies“ vom 29.1.1970, in: NA, FCO 41/723
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zung gegeben. Erst im April 1970 brachte die Bundesrepublik erstmals ein Thema in die Diskussion des Ständigen WEU-Rates ein, als sie aufgrund der Ermordung des deutschen Botschafters in Guatemala den Schutz von Diplomaten vor Kidnapping als Diskussionspunkt vorschlug. 124 Darüber hinaus hätten die politischen Konsultationen aus britischer Sicht kaum Harmonisierungen der außenpolitischen Positionen erbracht, zumeist sei es beim Austausch von Sichtweisen geblieben. Eine Ausnahme hätte die Harmonisierung der Standpunkte zu Menschenrechtsfragen im Europarat gebildet. Trotz dieser kritischen Anmerkungen erkannte das Foreign Office eine positive Entwicklung seit dem französischen WEU-Boykott, die im Vergleich zu den Jahren 1963–1968 als Erfolg zu werten sei. 125 Fortschritte im Bereich der politischen Konsultationen bestätigte indirekt der französische Ständige WEU-Vertreter de Courcel, der unliebsame Veränderungen seit dem französischen Boykott verzeichnete. Der Ständige WEU-Rat führe nun freie politische Konsultationen durch, was Frankreich seit den Anfängen des Harmel-Plans befürchtet hätte. Zudem unterstellte de Courcel Großbritannien das Motiv, die WEU zu einem permanenten Konsultationsorgan und britischer Führung umzuwandeln. De Courcel empfahl daher, bei einer französischen WEURückkehr zu fordern, dass die Ständigen Vertreter nur auf Anweisung der Minister politische Konsultationen durchführen könnten.126 Die Bundesrepublik blickte im Frühjahr 1970 zufrieden auf die Entwicklung der politischen Konsultationen in der WEU, obwohl oder gerade weil das Auswärtige Amt urteilte, dass es sich in der WEU um keine echten Konsultationen handelte und dort keine gemeinsamen Politiken entstünden.127 Die seit dem Oktober 1969 amtierende sozialliberale Bundesregierung unter Bundeskanzler Brandt begrüßte die informelle Intensivierung der WEU-Konsultationen, da eine starke westliche Kohäsion der unverzichtbare Ausgangspunkt ihrer neuen deutschen Ostpolitik war.128 Allerdings hatte die Bundesrepublik – sowohl unter der alten als 124 FCO vom 8.4.1970, in: NA, FCO 41/713. 125 Waterfield an Brimelow und Private Secretary „Western European Union, Further Report for the Secretary of State on political consultation in the WEU Permanent Council“ vom 6.3.1970, in: NA, FCO 41/723 und Waterfield an Brimelow und Private Secretary „Western European Union, Further Report for the Secretary of State on Foreign Policy Consultation in the WEU Council“ vom 24.3.1970, in: NA, FCO 41/723. 126 Schreiben von Courcel an Schumann „a/s. Contenu de la consultation politique au niveau du Conseil Permanent de l’U.E.O.“ vom 19.3.1970, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2016. 127 Aufzeichnung von Wimmers „Niederschrift über die deutsch-britischen Konsultationen auf Direktorenebene am 3. Februar 1970 in Bonn“ vom 6.2.1970, in: PA/AA, B20–200/1476. 128 Die Verankerung in den westlichen Strukturen war eine der unabdingbaren Voraussetzungen für eine aktiv betriebene Deutschland- und Ostpolitik, da sie das Vertrauen der westlichen Partner in die Bundesrepublik gewährleisten sollte. Vgl. Andreas Wilkens: Willy Brandt und die europäische Einigung, in: Mareike König/Matthias Schulz (Hg.): Die Bundesrepublik Deutschland und die europäische Einigung 1949–2000. Politische Akteure, gesellschaftliche Kräfte und internationale Erfahrungen. Festschrift für Wolf D. Gruner zum 60. Geburtstag, Stuttgart 2004, S. 173. Für Details zur neuen Ostpolitik vgl. u. a. Werner Link: Außen- und Deutschlandpolitik in der Ära Brandt 1969–1974, in: Karl Dietrich Bracher/Wolfgang Läger/Werner Linke (Hg.): Republik im Wandel 1969–1974, Stuttgart 1986 (= Geschichte
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auch der neuen Bundesregierung – angesichts des französischen Boykottes den Großteil ihres Interesses an der WEU verloren, da eine Zusammenarbeit ohne Frankreich wertlos schien.129 Die Bundesrepublik trug intensivierte außenpolitische Konsultationen mit, doch sollten die Mechanismen der WEU nicht verändert werden und die WEU nicht der Kern eines künftigen politischen Europas werden. Folgerichtig verhinderte die Bundesrepublik – teilweise unterstützt durch Belgien – Versuche Großbritanniens, der Niederlande und Italiens zum formalen Ausbau der WEU-Konsultationen.130 Die Bundesrepublik setzte seit dem zweiten Halbjahr 1969 primär auf eine außenpolitische Kooperation in der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (vgl. Kapitel VII.2.2.2.). Zusammengefasst zeichneten sich die politischen Konsultationen seit dem Februar 1969 durch moderate Fortschritte aus.131 Es war jedoch offensichtlich, dass diese Fortschritte nur angesichts des französischen Boykotts möglich gewesen waren und die künftige Entwicklung bei einer französischen WEU-Rückkehr ungewiss war. Zugleich waren die entscheidenden Fortschritte bereits im ersten Halbjahr 1969 erfolgt, woran sich im weiteren Verlauf keine substantielle Vertiefung mehr anschloss. Somit kam es nicht von ungefähr, dass sich die Diskussion über die politische Kooperation in Europa sukzessive in den EG-Rahmen zurück verlagerte.132 2.2.2. Das Verhältnis zur Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) Die Fortschritte in der WEU drohten seit dem zweiten Halbjahr 1969 nicht nur durch eine französische Rückkehr aufgehoben zu werden, sondern auch durch eine parallele europapolitische Entwicklung: die Pläne für eine Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) auf Basis der EG-Staaten. Mehrere Gründe waren dafür verantwortlich, dass die EG-Staaten einen neuen Anlauf in Richtung einer außenpolitischen Zusammenarbeit begannen. Erstens wurde angesichts der wachsenden Dominanz der USA und der Sowjetunion immer deutlicher, dass Europa – in diesem Fall die EG-Staaten – nur noch dann in der internationalen Politik gehört würde, wenn es mit einer Stimme sprach. 133 Der Einmarsch der Sowjetunion in Prag im August 1968 hatte die Hilflosigkeit der EG-Staaten offenbart.134 Zweitens wurden die außenpolitischen Defizite der EG gerade im Vergleich mit
129 130 131 132 133 134
der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5) und Frank Fischer: „Im deutschen Interesse“. Die Ostpolitik der SPD von 1969 bis 1989, Husum 2001. Vgl. Türk, Europapolitik, S. 234. Vgl. Möckli, S. 35. Vgl. Pine, Harold Wilson, S. 147. Vgl. Möckli, S. 35. Vgl. ebenda, S. 21. Vgl. ebenda, S. 24. Laut Möckli war der Einmarsch der Sowjetunion auch insbesondere ein Schlag gegen de Gaulles Ziel eines europäischen Sicherheitssystems vom Atlantik bis zum Ural gewesen. Vgl. ebenda, S. 25.
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ihrem wirtschaftlichen Zusammenwachsen immer offensichtlicher. Eine außenpolitische Zusammenarbeit sollte die Kooperation der EG auch in anderen Bereichen erleichtern wie beispielsweise in der Außenhandelspolitik gegenüber Drittstaaten.135 Diese Motive teilten die EG-Staaten, doch gab es auch abweichende Ziele, die mit einer europäischen politischen Zusammenarbeit verbunden waren. Während die Bundesrepublik damit unter anderem das Verhältnis zu den USA festigen wollte, zielte die französische Zielsetzung auf eine unabhängigere Außenpolitik gegenüber den USA ab. 136 Noch im März 1969 hielt es das Auswärtige Amt allerdings für ausgeschlossen, etwaige Vorstöße für eine EPZ zu unterstützen, da dies angesichts der WEUKrise als deutliche Absage an Großbritannien erscheinen müsste. Die deutsche Zustimmung zu einer EPZ brächte die Bundesrepublik in eine unhaltbare Position, so dass auf jeden Fall an der WEU als außenpolitisches Konsultationsforum festgehalten werden müsse.137 Der Rücktritt de Gaulles veränderte jedoch schlagartig die Rahmenbedingungen. Die Bundesrepublik fokussierte sich wieder auf ihr seit Jahren verfolgtes Ziel einer europäischen politischen Zusammenarbeit. Sie gab Großbritannien deutlich zu verstehen, dass nach einer – nun realistischen – EGErweiterung die politische Zusammenarbeit auf höherer Ebene als in der WEU möglich sein würde.138 Im zweiten Halbjahr 1969 nahmen die Überlegungen für eine EPZ an Fahrt auf, so dass die Bundesrepublik selbst bei einer französischen WEU-Rückkehr in der außenpolitischen Zusammenarbeit nicht mehr auf die WEU setzte.139 Ein neues Forum als Basis der europäischen politischen Kooperation bot zudem den Vorteil, die WEU-Krise ohne französischen Gesichtsverlust lösen zu können.140 135 Vgl. Küsters, S. 132/133. 136 Vgl. ebenda, S. 133/140. Die unterschiedlichen Motive in Bezug auf eine EPZ können in dieser Untersuchung nur angerissen werden. Für Details siehe den Aufsatz von Küsters sowie Möckli, S. 17–55. So benennt Möckli auch die drei Hauptgründe, die in den Vorjahren eine politische Kooperation der EG-Staaten verhindert hätten: Erstens die Frage zur Rolle Europas im Westen, zweitens die Frage des britischen Einschlusses und drittens die Frage des strukturellen Aufbaus einer außenpolitischen Zusammenarbeit. So war Frankreich im Gegensatz zu den anderen fünf Staaten eindeutig für einen intergouvernementalen Aufbau. Vgl. Möckli, S. 22/23 137 Vgl. Aufzeichnung des Ministerialdirektors Frank vom 7.3.1969, in: AAPD 1969I/91, S. 331. Laut Küsters hatte das Auswärtige Amt skeptisch auf die mögliche Absicht der französischen Regierung reagiert, die Diskussion über eine europäische politische Zusammenarbeit wieder zu beleben, um dem Drängen der EG-Partner auf Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien zu begegnen. Vgl. Küsters, S. 136. 138 Aufzeichnung „Deutsch-Britische Konsultationen am 12. Mai 1969 in Bonn“, in: PA/AA, B20–200/1474. 139 Noch im Juli sprach Brandt davon, dass Fortschritte im Bereich der politischen Zusammenarbeit am ehesten in der WEU möglich seien. Willy Brandt: Rede am 21. Juli 1969 in Bad Godesberg, in: Siegler (Hg.), Europäische politische Einigung II, S. 66. Ende August teilte Brandt seinem italienischen Amtskollegen Moro mit, dass die Fortschritte in anderen Foren erfolgen könnten. Runderlass Nr. 3417 von Frank vom 2.9. 1969, in: VS-Bd. 2728 (I A 4); B 150, Aktenkopien 1969, zitiert aus AAPD 1969II/276, S. 958, Fußnote 7 140 Aufzeichnung des Ministerialdirektors Frank vom 26.8.1969, in: AAPD 1969II/267, S. 929.
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Die britische Regierung wurde hellhörig, da die Gefahr drohte, dass Großbritannien wie bei den Plänen für eine EPU 1963/1964 (vgl. Kapitel IV.1.3.) aus einer politischen Zusammenarbeit der EG-Staaten ausgeschlossen würde. Außenminister Stewart sprach sich Mitte August 1969 ausdrücklich gegen eine EPZ aus. Er hielt es für notwendig, Druck auf die „Friendly Five“ auszuüben und auf die ersten Erfolge der politischen WEU-Konsultationen zu verweisen, um die EPZ zu verhindern. Frankreich müsste lediglich in die WEU zurückkehren, wenn eine gemeinsame außenpolitische Kooperation gewünscht sei. 141 Großbritannien setzte dieser Leitlinie folgend die WEU im Herbst 1969 als taktisches Mittel ein, um die Pläne für eine EPZ zu unterwandern. Es bemühte sich, die Entwicklung der politischen Konsultationen in der WEU in einem besonders günstigen Licht darzustellen. So sprach die britische Delegation am 10. September 1969 im Ständigen WEU-Rat von beeindruckenden Ergebnissen seit dem Februar 1969 und forderte zugleich weitere Fortschritte innerhalb der WEU.142 Diese britische Bewertung ging in ihrem positiven Tenor deutlich über kritischere interne Einschätzungen hinaus (vgl. Kapitel VII.2.2.1.). Angesichts der EPZ-Entwicklung verband das Foreign Office drei Hauptziele mit der WEU: Neben die Rolle als Kontaktforum zu den EG und die generelle Möglichkeit, politischen Einfluss auf Europa zu nehmen trat drittens erneut die Aufgabe, eine exklusive außenpolitische Kooperation der EG-Staaten zu verhindern.143 Nach internen Abwägungen beschloss Großbritannien allerdings, nicht zu aggressiv gegen die EPZ vorzugehen, um kontraproduktive Folgen für die eigene Position in Europa zu vermeiden. Das Foreign Office hielt zwar am Ziel fest, die EPZ bis zu einem britischen EG-Beitritt zu verhindern, doch setzte es neben einer aktiven WEU-Politik primär auf Hilfe seitens Italiens und der Niederlande. 144 Auf Unterstützung der Bundesrepublik durfte Großbritannien nicht hoffen. Als Stewart Mitte November bei Brandt für die besseren Kooperationsmöglichkeiten innerhalb der WEU warb, machte der neue Bundeskanzler deutlich, dass die EPZ für die Bundesrepublik als Ziel im Vordergrund stand. 145 Mehr noch war die sozialliberale Bundesregierung Brandt/Scheel gemeinsam mit der neuen französischen Regierung unter Präsident Pompidou entscheidend für die europapoliti141 Telegramm Nr. 59 des FCO an Brüssel vom 14.8.1969, in: NA, FCO 41/509. Druck auf die Fünf war intern umstritten. Palliser warnte vor kontraproduktiven Folgen, so dass Frankreich erst recht eine politische Kooperation zu sechst anstreben würde. Telegramm Nr. 747 von Palliser, Paris, an das FCO vom 16.8.1969, in: NA, FCO 41/508. Stewart gestand Risiken seiner Strategie ein, hielt aber an ihr fest. Telno 396 des FCO an Paris vom 20.8.1969, in: NA, FCO 41/509. 142 FCO vom 11.9.1969, in: NA, FCO 41/477. 143 Studie „France and Western European Union“ des WOD vom 13.10.1969, in: NA, FCO 41/509. 144 Diese Vorgehensweise war Ergebnis eines Treffens im Foreign Office unter Leitung von Thomson. Siehe Aufzeichnung von Bendall „France and WEU“ am 23.10.1969, in: NA, FCO 41/509. Die Hoffnung auf die Niederlande war berechtigt, da sich Luns zunächst unbeeindruckt von den EPZ-Plänen zeigte. Vgl. Kramer, S. 250/251. 145 Gespräch des Bundeskanzlers Brandt mit dem britischen Außenminister Stewart am 14.11.1969, in: AAPD 1969II/362, S. 1288.
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schen Durchbrüche auf dem Haager Gipfel am 1./2. Dezember 1969 verantwortlich.146 In Den Haag erzeugte Brandt entscheidende Impulse für die Umsetzung der EPZ, die nicht zuletzt darauf zurückgingen, französische Sorgen vor einer politischen Neutralisierung der Bundesrepublik im Zuge ihrer neuen Ostpolitik zu zerstreuen.147 Zugleich kritisierte Brandt indirekt die WEU, da die EPZ über den politischen Meinungsaustausch innerhalb der WEU hinausgehen müsse.148 Zudem erfüllten sich die britischen Hoffnungen in eine frühzeitige niederländische oder italienische Blockade der EPZ nicht. Stattdessen einigten sich die EG-Staaten nicht nur über die EG-Erweiterung (vgl. Kapitel VII.2.3.) und die EG-Vertiefung, sondern auch grundsätzlich über das Ziel einer EPZ. Unter Ziffer 15 des Haager Kommuniqués beauftragten die Staats- und Regierungschefs die Außenminister, die Details einer EPZ bis zum Juli 1970 auszuarbeiten.149 Die grundsätzliche Einigung auf die EPZ warf ihre Schatten auf die künftige Rolle der WEU voraus. Der Politische Direktor im Auswärtigen Amt Frank prophezeite Staatsminister Thomsen, dass die Fortschritte in der EPZ mit einem Bedeutungsverlust der WEU einhergehen würden.150 Dies löste innerhalb des Foreign Office einen Richtungsstreit aus, ob und inwiefern Großbritannien die Zustimmung der „Friendly Five“ zur EPZ kritisieren und die Fünf auf ihre Zusagen zu den politischen Konsultationen in der WEU verpflichten sollte. Letztlich setzten sich die Befürworter einer moderaten Linie durch, die einen offenen Angriff auf die EPZ ablehnten.151 Man war sich im Foreign Office einig darüber,
146 Vgl. Frank R. Pfetsch: Die Entwicklung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit. Zwischen Identität und Handlungsfähigkeit, in: Franz Knipping/Matthias Schönwald (Hg.): Aufbruch zum Europa der zweiten Generation. Die Europäische Einigung 1969–1984, Trier 2004, S. 115/130. 147 Vgl. Arnulf Baring, Machtwechsel: Die Ära Brandt-Scheel, Stuttgart, 1982, S. 260/261. Vgl. zudem Haig Simonian: The Privileged Partnership. France-German Relations in the European Community 1969–1984, Oxford 1985, S. 94. 148 Rede Brandts auf der Haager Gipfelkonferenz vom 1./2. Dezember 1969, in: Siegler (Hg.): Europäische Politische Einigung II, S. 84. Für ausführliche Informationen zum Haager Gipfel siehe Jürgen Mittag/Wolfgang Wessels: Die Gipfelkonferenzen von Den Haag (1969) und Paris (1972): Meilensteine für Entwicklungstrends der Europäischen Union? in: Knipping/Schönwald (Hg.), S. 3–27. 149 Kommuniqué der Konferenz der Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten vom 2. Dezember 1969 in Den Haag, in: EA 25 (1970), S. D 42–44. 150 Aufzeichnung des Referats IA2 „Information des stellvertretenden britischen Außenministers Thomson durch Ministerialdirektor Dr. Frank am 3. Dezember 1969 über das Gipfeltreffen in Den Haag“ vom 4.12.1969, in: PA/AA, B20–200/1476. 151 Während O’Neill ein hartes Vorgehen zur Verhinderung der EPZ anriet, warnte Bendall vor einem kontraproduktiven Vorgehen. Bendall an O’Neill „WEU Ministerial Meeting, Brief No. 2“ vom 2.1.1970, in: NA, FCO 41/712 und O’Neill an Bendall vom 5.1.1970, in: NA, FCO 41/712. Für die Einigung auf die moderate Linie nach einem Treffen unter Leitung von Thomson siehe handschriftliche Anmerkung von Bendall im Anhang an O’Neill vom 5.1.1970, in: NA, FCO 41/712.
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dass die WEU von taktischem Wert für Großbritannien blieb und mit einem Festhalten an den politischen Konsultationen auf Zeit gespielt werden sollte. 152 Auf dem WEU-Ministertreffen am 9. Januar 1970 in Brüssel ergriff Außenminister Stewart die Gelegenheit, die WEU-Partner über die britischen Vorstellungen zu unterrichten, obgleich eine Diskussion über die EPZ nicht in der offiziellen Tagesordnung vorgesehen war. Stewart forderte erstens, Großbritannien über die Ausarbeitung der EPZ zu unterrichten, zweitens keine endgültige Entscheidung ohne britische Einbeziehung zu fällen und drittens, die außenpolitischen Konsultationen in der WEU auch nach einer französischen Rückkehr fortzusetzen. Die anderen Fünf stimmten zu, Großbritannien über die laufende Umsetzung der EPZ zu berichten und zugleich die WEU-Konsultationen nicht zu vernachlässigen.153 Großbritannien und die Bundesrepublik waren sich allerdings nicht einig, zu welchem Zeitpunkt die WEU-Konsultationen ihren Wert verlören. Die Bundesrepublik sah angesichts der EPZ und der geplanten Aufnahme von EG-Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien die Chance, die Aufgaben der WEU zügig auf den Stand vor dem Juli 1963 zurückzuführen. Dies hätte aus deutscher Sicht nicht zuletzt eine elegante Lösung der WEU-Krise ermöglicht. Großbritannien hingegen beharrte darauf, die politischen Konsultationen fortzuführen, bis die Diskussionen über Prozeduren und Mechanismen der EPZ abgeschlossen seien und diese – mit britischem Einschluss – inhaltlich arbeiten würde.154 Diese Position ging auf das britische Ziel zurück, die WEU vorerst weiter zu stärken und damit die EPZ zeitlich zu verzögern.155 Derweil trugen die Beratungen über die EPZ dazu bei, dass Frankreich seine Haltung in der WEU-Krise überdachte (vgl. Kapitel VII.3.2.). Frankreich wusste, dass unter anderem die Bundesrepublik eine zügige Einbindung Großbritanniens und der anderen EG-Beitrittskandidaten in die EPZ wünschte. Frankreich hingegen wollte die Beitrittskandidaten bis zu deren Beitritt aus der EPZ ausschließen, so dass in der französischen Rückkehr in die WEU ein möglicher Kompromiss verborgen lag. Mit einer Rückkehr in die WEU könnte Großbritannien über die politische Zusammenarbeit der Sechs ab dem Juli 1970 in der EPZ auf dem Laufenden, gleichzeitig aber auf Abstand gehalten werden. Mit anderen Worten: Wenn Frankreich in der WEU-Krise Entgegenkommen zeigte, konnte es Großbri-
152 Background Note „Revised Brief No. 2, WEU, Ministerial Meeting, Brussels, 9–10 January 1970, European Political Cooperation“, in: NA, FCO 41/712. 153 Für die EPZ-Diskussion am 9.1.1970 in Brüssel siehe Fernschreiben Nr. 6 von Blankenhorn vom 10.1.1970, in: PA/AA, IA1, Bd. 102372. 154 „Record of a conversation between Sir Con O’Neill and Ministerialdirektor Dr. Frank at the Federal Ministry for Foreign Affairs, Bonn, at 3.15 p.m. on 3 February 1970“, in: NA, FCO 41/723 und Aufzeichnung von Wimmers „Niederschrift über die deutsch-britischen Konsultationen auf Direktorenebene am 3. Februar 1970 in Bonn“ vom 6.2.1970, in: PA/AA, B20– 200/1476. Siehe zudem das deutsch-britische Regierungsgespräch in London vom 2.3.1970, in: AAPD 1970 I, Dok. 82, S. 335. 155 Vgl. Möckli, S. 40.
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tannien besser aus der konkreten EPZ-Arbeit ausschließen. 156 Diese französischen Überlegungen, die dem Foreign Office nicht verborgen blieben, 157 zeigten sich auf dem ersten Treffen der EG-Außenminister zur Ausarbeitung der EPZ am 6. März 1970. Außenminister Schumann lehnte es dort ab, die EG-Beitrittskandidaten frühzeitig in die EPZ einzubinden. Stattdessen signalisierte Schumann, dass Frankreich in die WEU zurückkehren könnte, um dort eine politische Zusammenarbeit mit britischem Einschluss zu gewährleisten. 158 Während Großbritannien die politischen Konsultationen in der WEU stärken wollte, um die EPZ zu verzögern, stellte Frankreich eine Mitarbeit in der WEU mit dem entgegengesetzten Ziel in Aussicht, die EPZ schnell zu realisieren. Trotz der klaren französischen Ablehnung hielt Großbritannien an seiner Forderung fest, sofort an der EPZ beteiligt zu werden, da Tatsachen geschaffen werden könnten, die für Großbritannien untragbar seien. Zudem argumentierte Großbritannien, dass die EPZ ein Ziel außerhalb der EG anvisiere und unabhängig von den EG-Beitrittsverhandlungen zu betrachten sei. Das Auswärtige Amt brachte Verständnis für die britische Position auf, doch hielt es eine unmittelbare Einbindung Großbritanniens nicht für möglich. Aus deutscher Sicht war es sogar sinnvoll, Großbritannien zunächst aus der EPZ herauszuhalten, da die in Aussicht gestellte spätere Teilnahme an der EPZ als „Prämie“ für erfolgreiche EG-Beitrittsverhandlungen dienen würde. Bei einer von den EG abgekoppelten Beteiligung an der EPZ hingegen könnte Großbritannien sein Interesse an den EG verlieren, da Großbritannien stärker an einer politischen als einer wirtschaftlichen Kooperation in Europa interessiert schien.159 Doch selbst bei einer stärkeren Unterstützung durch die Bundesrepublik wäre Großbritannien seinem Ziel der unmittelbaren EPZ-Beteiligung nicht näher gekommen. Für Frankreich blieb es ausgeschlossen, die EG-Beitrittskandidaten vor dem Beitritt direkt zu beteiligen. Als Kernstück eines Kompromisses kristallisierte sich für den Quai d’Orsay endgültig die WEU heraus, über die ein multilateraler Informationsaustausch mit Großbritannien stattfinden sollte. 160 Tatsächlich kamen die EG-Staaten Mitte April 1970 überein, den Streit über die britische Beteiligung mittels der WEU zu lösen.161 Dies war mittlerweile möglich, da zeitgleich Belgien mit Großbritannien und Frankreich einen Kompromiss 156 Aufzeichnung der S/DEO „a.s. Coopération politique (point 15 du communiqué de La Haye).“ vom 6.2.1970, in: MAE, Europe, QIE/2723. 157 Telegramm Nr. 236 von Soames, Paris, an das FCO vom 5.3.1970, in: NA, FCO 41/722. 158 Runderlass des Ministerialdirektors Frank vom 9.3.1970, in: AAPD 1970I/101, S. 412. Für Details zum dort diskutierten deutschen Vorschlag zur Umsetzung der EPZ siehe ebenda, S. 411, Fußnote 3. Für die unterschiedlichen Vorstellungen der EG-Staaten über die Entwicklung der EPZ siehe Küsters, S. 141–144. 159 Aufzeichnung des Ministerialdirektors Frank vom 24.3.1970, in: AAPD 1970 I, Dok. 131, S. 518–521. 160 Aufzeichnung der S/DEO „a.s/Coopération politique“ vom 8.4.1970, in: MAE, Europe, GB/268. 161 Telegramm Nr. 128 von Christofas, UKDEL Brüssel, an das FCO vom 21.4.1970, in: NA, FCO 41/721.
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über die französische WEU-Rückkehr ausgehandelt hatte (vgl. Kapitel VII.3.2.). So plante Harmel, auf dem kommenden WEU-Ministertreffen über die EPZBeratungen der Sechs zu berichten, um Großbritannien die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Anschließend sollte eine Diskussion zu siebt folgen. Harmel ging davon aus, dass Frankreich einen solchen Gedankenaustausch zulassen würde.162 Diese Einschätzung traf nicht zu. Frankreich akzeptierte keine offene Diskussion in der WEU über die EPZ. Im Gegensatz zu den anderen EG-Staaten wollte Frankreich die Rolle der WEU im Streit über die britische Einbindung in die EPZ deutlich begrenzen (vgl. Kapitel VII.3.3. und VIII). Frankreich akzeptierte lediglich, Großbritannien in der WEU über die EPZ zu unterrichten und anschließend eine britische Stellungnahme ohne weitere Diskussionen zuzulassen.163 Die Möglichkeit, Großbritannien auf Distanz zur EPZ zu halten, war zwar einer der französischen Hauptgründe für die WEU-Rückkehr, wie selbst Außenminister Schumann zugab.164 Damit öffnete Frankreich aber keineswegs die Türen für umfassende Diskussionen zu siebt über die EPZ. Dies hätte dem Ziel widersprochen, Großbritannien möglichst weit aus der Ausarbeitung der EPZ herauszuhalten. Aufgrund dieser Zielsetzung plädierte allein Schumann auf einem Treffen der EG-Außenminister am 29. Mai 1970 in Viterbo gegen den deutschen Vorschlag, in enger zeitlicher Nähe zu den offiziellen EPZ-Außenministertreffen zusätzlich informelle Zehnertreffen unter Einschluss der Beitrittskandidaten durchzuführen. Aus französischer Sicht bestünde die Gefahr einer Durchmischung, wodurch eine formale Trennung zwischen Treffen zu sechst und zu zehnt in der Praxis nicht gegeben sei. Schumann schlug alternativ vor, dass der EPZ-Ratsvorsitzende die Beitrittskandidaten über die Entwicklungen in der EPZ informierte.165 Diese ungelöste Kontroverse über die Beteiligung der Beitrittskandidaten änderte aber nichts daran, dass sich die EG-Staaten in Viterbo auf der Grundlage eines Berichtes der Politischen Direktoren über die Zielsetzung und den Aufbau der EPZ einigten.166 Die EPZ konnte in naher Zukunft schriftlich fixiert werden. Großbritannien erkannte, dass es nichts mehr gegen eine EPZ machen konnte und stellte Gegenmaßnahmen ein. 167 Zugleich behielt die WEU aufgrund der EPZ auch nach dem Durchbruch in der EG-Erweiterungskrise und bis zum Abschluss der EG-Beitrittsverhandlungen eine Sonderfunktion, allerdings nicht mehr als offensives Instrument gegen die EPZ.
162 Telegramm Nr. 201 von Beith, Brüssel, an das FCO vom 30.4.1970, in: NA, FCO 41/721. 163 Telegramm Nr. 1352/56 von Courcel, London, an Paris vom 22.4.1970, in: MAE, Europe, GB/221 und Robinson an O’Neill und Tickell „Thornson’s meeting with the Secretary of State, European Integration“ vom 27.4.1970, in: NA, FCO 41/721. 164 Telegramm Nr. 255 von Beith, Brüssel an das FCO am 2.6.1970, in: NA, FCO 41/723. 165 Aufzeichnung der S/DEO „a.s/ Coopération politique et pays candidats.-“ vom 4.6.1970, in: MAE, Europe, QIE/2723. 166 Runderlass von Ministerialdirigent von Staden vom 1.6.70, in: AAPD 1970 II, Dok. 243, S. 894–896. 167 Vgl. Möckli, S. 40.
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Ende Mai 1970 bestand kein Zweifel mehr, dass nicht die WEU, sondern die EPZ den Kern einer künftigen politischen Zusammenarbeit in Europa bilden würde. Die anfänglichen britischen Gegenmaßnahmen mittels der WEU hatten sich als fruchtlos erwiesen, da alle EG-Staaten in unterschiedlichem Maße die EPZ anstelle der WEU bevorzugten. Selbst Großbritannien hatte im Grunde nichts gegen die EPZ als außenpolitischen Kristallisationspunkt einzuwenden. Die britische Regierung hatte lediglich erfolglos zu verhindern beziehungsweise zu verzögern versucht, dass die EPZ ihre Arbeit ohne unmittelbare, gleichberechtigte britische Partizipation aufnehmen würde. Während die WEU kaum Auswirkungen auf die EPZ hatte, trug die EPZ umgekehrt zur Lösung der WEU-Krise bei. Zum einen, weil die EPZ den Bedeutungsverlust der WEU einläutete, wodurch sich die WEUKrise entschärfte.168 Zum anderen erhielt Frankreich die Chance, ohne Gesichtsverlust in die WEU zurückzukehren. 169 Erstmals seit 1963 bot sich Frankreich die Chance, die WEU für ein eigenes Ziel einzusetzen, sprich Großbritannien auf Distanz zur EPZ zu halten. 2.3. Die WEU-Wirtschaftsdiskussionen Die WEU-Wirtschaftsdiskussionen rückten 1969/1970 in ihrer Bedeutung weiter hinter die Entwicklung der politischen Konsultationen zurück. Zwei Aspekte sind dennoch beachtenswert: Erstens war umstritten, ob angesichts des französischen Boykotts Wirtschaftsdiskussionen in der WEU durchgeführt werden könnten. Zweitens offenbarte sich der französische Wandel in der EG-Erweiterungsfrage, so dass sich das Ende der WEU als wirtschaftliches Kontaktforum abzeichnete. Im ersten Halbjahr 1969 zeigte sich Frankreich – auch nach dem Rücktritt de Gaulles – nicht nur im Hinblick auf die politischen Konsultationen, sondern auch auf die wirtschaftliche Arbeit der WEU unversöhnlich. Frankreich forderte die EG-Partner im Mai 1969 auf, die EG-Kommission nicht zum WEU-Ministertreffen im Juni in Den Haag einzuladen, da dazu ein einstimmiger Beschluss notwendig sei, den Frankreich nicht mittragen würde.170 Angesichts dieser Forderung setzten bei den übrigen WEU-Staaten Überlegungen ein, ob nicht auf den gesamten WEU-Wirtschaftstag verzichtet werden sollte. Das Auswärtige Amt bevorzugte einen solchen Verzicht, um ein mögliches Übergreifen der WEU-Krise auf die EG zu verhindern.171 Hier zeigte sich ein wiederkehrendes Element in der deutschen WEU-Politik. Die Bundesrepublik war seit 1963 stark an den WEU-Wirtschaftsdiskussionen interessiert, doch maß sie diesen keinen so hohen Wert bei, dass sie dafür bereit gewesen wäre, Schäden an der Entwicklung der EG in Kauf 168 169 170 171
Vgl. Kramer, S. 248. Vgl. Küsters, S. 138. Fernschreiben Nr. 1024 von Boemcke, Brüssel, an das AA vom 6.5.1969, in: BA, B136/6926. Aufzeichnung der Abteilung I „Gedankenaustausch über die wirtschaftliche Lage in Europa anlässlich der nächsten WEU-Ratstagung, hier: Aufrechterhaltung des Tagesordnungspunktes sowie Einladung an die Kommission zur Teilnahme“ vom 9.5.1969, in: PA/AA, B1/327.
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zu nehmen. 172 Diese Position übermittelte die Bundesrepublik Großbritannien, das seinerseits nicht akzeptierte, komplett auf den Wirtschaftstag zu verzichten. 173 Am 14. Mai 1969 diskutierten die Fünf und Großbritannien im Ständigen WEU-Rat über diese Frage. Unstrittig war, dass die EG-Kommission nicht gegen den französischen Willen zum Haager Treffen eingeladen würde. Großbritannien hielt sich zu diesem Aspekt zurück, da die Entscheidung dafür allein den EGStaaten oblag. Umstritten war indes die Ansetzung eines WEU-Wirtschaftstages. Belgien und Luxemburg plädierten für einen Verzicht, während Italien und die Niederlande dies ablehnten, um nicht öffentlich vor Frankreich einzuknicken. Großbritannien argumentierte ebenfalls gegen den Verzicht, da dies den falschen Tatbestand impliziere, dass ein Staat bestimmte Themen in der WEU verhindern könnte. Zugleich schlug Großbritannien vor, die Agenden der Politik- und Wirtschaftsdiskussionen zusammenzulegen, um das Problem eines spezifischen Wirtschaftstages zu umgehen.174 Da Frankreich seine Position trotz Einwirkens des luxemburgischen Außenministers Thorn in Paris nicht mehr änderte, einigten sich die anderen WEU-Staaten auf diesen Kompromiss.175 Zudem verzichteten sie darauf, einen offiziellen wirtschaftspolitischen Tagesordnungspunkt zu formulieren, der bis dato stets den Titel „Gedankenaustausch über die wirtschaftliche Lage in Europa“ getragen hatte. Allerdings forderte Großbritannien, Themen wie die Europäische Patentkonvention zu diskutieren.176 Das britische Beharren auf spezifischen Wirtschaftsthemen stieß auf Kritik der EG-Kommission, die ausführliche Wirtschaftsdiskussionen ohne eigene Beteiligung ablehnte.177 Auch das Auswärtige Amt befürchtete, dass eine Diskussion dieser Themen negative Auswirkungen im Streit mit Frankreich bewirken könnte. 178 Großbritannien akzeptierte angesichts dieser Kritik, die Wirtschaftsthemen lediglich unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ anzusprechen.179 Dieses Zugeständnis stellte die EG-Kommission zufrieden.180 Großbritannien wiederum ging es primär darum, das WEUTreffen über zwei Tage zu erstrecken, um nach außen hin ein normales Minister-
172 Vgl. Küsters, S. 137. 173 Aufzeichnung „Deutsch-Britische Konsultationen am 12. Mai 1969 in Bonn“, in: PA/AA, B20–200/1474. 174 Zur Sitzung des Ständigen WEU-Rates am 14.5.1969 siehe das FCO vom 15.5.1969, in: NA, FCO 41/471. 175 Schreiben von Williams an Waterfield vom 18.5.1969, in: NA, FCO 41/508. 176 Zur Sitzung des Ständigen WEU-Rates am 21.5.1969 siehe das FCO vom 21.5.1969, in: NA, FCO 41/472. 177 Schreiben von Williams an Waterfield „Western European Union. Agenda for the Ministerial Meeting at the Hague“ vom 27.5.1969, in: NA, FCO 41/499. 178 Aufzeichnung des Referats IA1 „WEU; politische Zusammenarbeit“ vom 20.6.1969, in: PA/AA, B1/327. 179 Robinson an Waterfield „W.E.U. Ministerial Meeting, The Commission and Economic Business“, am 27.5.1969, in: NA, FCO 41/499. 180 Referat IA1 vom 20.6.1969, in: PA/AA, B1/327.
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treffen durchzuführen und die symbolische Bedeutung der WEU-Kontakte zu unterstreichen. 181 In Den Haag verzichteten die sechs aktiven WEU-Staaten somit auf offizielle Wirtschaftsdiskussionen. Stewart äußerte sich lediglich unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ kurz zur Europäischen Patenkonvention, ohne dass die anderen WEU-Staaten seine Ausführungen kommentierten oder daraus Auswirkungen auf die Arbeit der EG-Staaten resultierten. Zudem sprachen sich alle Staaten nachdrücklich für die EG-Erweiterung aus.182 Gerade diese Unterstützung der EG-Staaten hob Stewart im Anschluss an das Treffen öffentlich hervor. Gleichzeitig machte er deutlich, dass der EG-Beitritt nicht über die WEU erreicht werden könnte, was als gewisses Entgegenkommen gegenüber Frankreich gewertet werden konnte.183 Angesichts des Rücktritts de Gaulles und der Wahl Pompidous am 15. Juni 1969 zum neuen französischen Staatspräsidenten rückte der EG-Beitritt trotz der britisch-französischen Querelen in der WEU-Krise näher. Während de Gaulle bis zum Schluss die EG-Erweiterung kategorisch abgelehnt hatte, zeigte sich sein Nachfolger deutlich flexibler. Pompidou war weder dogmatisch gegen den britischen EG-Beitritt noch hielt er es für möglich, die EG-Erweiterung langfristig zu verhindern. Zudem gab es mittlerweile Gründe, die aus französischer Sicht für die EG-Erweiterung sprachen. Frankreich hatte großes Interesse daran, die Gemeinsame Agrarpolitik der EG (GAP), die dem landwirtschaftlich starken Frankreich wirtschaftliche Vorteile brachte und deren Übergangsperiode am 31. Dezember 1969 endete, endgültig zu fixieren. Ein Entgegenkommen in der EG-Erweiterungsfrage diente als taktisches Mittel, Gegenleistungen von der Bundesrepublik im Agrarbereich zu erhalten. Hinzu kam, dass Großbritannien aufgrund der GAP als Nettozahler in die EG eintreten würde und die Bundesrepublik innerhalb der EG immer selbstbewusster gegenüber Frankreich auftrat, so dass die französische Führungsposition ohnehin nicht mehr unangefochten war. 184 Am 22. Juli gab Außenminister Schumann im EG-Rat bekannt, dass Frankreich die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen akzeptieren könne. Daraufhin einigten sich die EG-Staaten auf den französischen Vorschlag, eine Gipfelkonferenz einzuberufen, um über den inneren Ausbau und die Erweiterung der EG zu 181 „Western European Union, Ministerial Meeting The Hague: 5–6-June, 1969, Steering Brief“, in: NA, FCO 41/500. 182 Zum WEU-Ministertreffen am 5./6.6. in Den Haag siehe Fernschreiben Nr. 219 von Blankenhorn vom 6.6.1969, in: PA/AA, B1/327 und Telegramm Nr. 325 von Garran vom 6.6.1969, in: NA, FCO 41/501. 183 Siehe Auszug des News Department des Foreign Office aus der Pressekonferenz von Stewart am 6. Juni 1969 am Northolt Airport in: NA, FCO 73/23. 184 Für die Gründe des französischen Wandels und Pompidous Position siehe Ludlow, The European Community, S. 170–179. Für Details zur EG-Agrarpolitik siehe Guido Thiemeyer: The Mansholt Plan, the definite financing of the Common Agricultural Policy and the enlargement of the Community, 1969–1973, in: Jan van der Harst (Hg.): Beyond the Customs Union: The European Community’s Quest for deepening, widening and completion, 1969–1975, Brüssel 2007, S. 197–222 und Robert Ackrill: The Common Agricultural Policy, Sheffield 2000.
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beraten. 185 Nicht zuletzt aufgrund des anstehenden Gipfeltreffens – und der Tatsache, dass vorher kein WEU-Ministertreffen mehr stattfand (vgl. Kapitel VII.3.1.) – spielten Wirtschaftsthemen im zweiten Halbjahr 1969 in der WEU keine Rolle mehr. Auf dem Haager Gipfel am 1./2. Dezember 1969 beschlossen die EGStaaten dann grundsätzlich die EG-Erweiterung.186 Die Vorbereitungen für die Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien sollten spätestens im Juni 1970 abgeschlossen sein.187 Der endgültige Durchbruch in der EG-Erweiterungskrise bedeutete gleichzeitig, dass das Ende der WEU als wirtschaftliches Kontaktforum bevorstand.188 Zunächst jedoch entschärfte er das durch den französischen Boykott hervorgerufene Problem eines WEU-Wirtschaftstages. Frankreich erklärte zwar, einer Einladung der EG-Kommission für das WEU-Ministertreffen im Januar 1970 in Brüssel nicht zuzustimmen, doch verzichtete es auf nachdrücklichen Protest, als die anderen EG-Staaten dieses Mal auf der Beteiligung der Kommission und der Abhaltung eines offiziellen Wirtschaftstages beharrten. 189 Frankreich hatte kein Interesse mehr daran, weitere diplomatische Scharmützel der WEU-Krise hinzuzufügen. So kam es beim Brüsseler WEU-Ministertreffen auch ohne Frankreich wieder zur gewohnten wirtschaftspolitischen Diskussion. Großbritannien begrüßte dort – ebenso wie die anwesenden EG-Staaten – den Beschluss zur EG-Erweiterung. Zudem präsentierte Staatsminister Thomson die erfreuliche britische Wirtschaftsentwicklung, als er von einem Handelsbilanzüberschuss von 300 Millionen Pfund für das Jahr 1969 berichtete. Er beschrieb Großbritannien als politisch und wirtschaftlich sehr gut für die anstehenden EG-Beitrittsverhandlungen vorbereitet. 190 Insgesamt brachten die WEU-Wirtschaftsdiskussionen zur Zeit des französischen WEU-Boykotts weder konkrete Ergebnisse, noch wirkten sie sich auf die Frage des britischen EG-Beitritts aus. Stattdessen war für alle Beteiligten offensichtlich, dass die Aufnahme der EG-Beitrittsverhandlungen den WEU-Wirtschaftstag überflüssig machen würde.191 Das Ende der WEU-Wirtschaftsdiskussionen war nahe, da die EG-Erweiterungskrise gelöst war. Zugleich endete im Frühjahr 1970 die
185 Aufzeichnung des Ministerialdirigenten von Staden vom 1.8.1969, in: AAPD 1969II/253, S. 873–875 und vgl. zudem Dransfeld, S. 258. 186 Kommuniqué vom 1./2. Dezember 1969, in: EA 25 (1970), S. D 44. Laut Ludlow beschrieb der Haager Gipfel den Moment, an dem die EG die Herausforderung durch de Gaulle überwunden hatten. Vgl. Ludlow, The European Community, S. 196. 187 Aufzeichnung des Referats IA2 vom 4.12.1969, in: PA/AA, B20–200/1476. 188 Vgl. Dransfeld, S. 259. 189 Fernschreiben Nr. 4 von Sachs, Brüssel, an das AA vom 5.1.1970, in: PA/AA, IA1, Bd. 102372 und Fernschreiben Nr. 32 von Sachs, Brüssel, an das AA vom 8.1.1970, in: PA/AA, IA1, Bd. 102372. 190 Aufzeichnung von Frank „WEU-Ministerratstagung Brüssel 9./10.1.70, hier: Gedankenaustausch über wirtschaftliche Lage in Europa“ vom 12.1.1970, in: PA/AA, IA1, Bd. 102372. 191 In dieser Frage waren sich Großbritannien und Frankreich einig, Robinson an O’Neill „The June W.E.U. meeting: Commission attendance and the Economic Day“ vom 20.4.1970, in: NA, FCO 30/820.
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WEU-Krise, so dass im Juni 1970 in Bonn noch ein letztes WEU-Ministertreffen zu siebt mit durchgeführten Wirtschaftsdiskussionen folgte (vgl. Kapitel VII.3.3.). 3. DIE FRANZÖSISCHE RÜCKKEHR AN DEN WEU-RATSTISCH (JUNI 1969–JUNI 1970) 3.1. Erste erfolglose Rückholversuche Nachdem es nicht gelungen war, die WEU-Krise schnell zu beenden (vgl. Kapitel VII.2.1.), begannen im Sommer 1969 neue Versuche, Frankreich an den WEURatstisch zurückzuholen. Die Vorzeichen dafür standen nach dem Wechsel an der französischen Staatsspitze deutlich besser als zuvor. Harmel initiierte beim Haager WEU-Ministertreffen Anfang Juni neue Vermittlungsversuche, indem er eine formale Lösung des WEU-Streits mit Frankreich vorschlug. Der belgische Außenminister wollte Frankreich mit der Versicherung entgegenkommen, dass die Tagesordnung für die politischen Konsultationen einstimmig beschlossen werden sollte. Luns und Stewart lehnten dieses Zugeständnis ab, da es praktisch ein Vetorecht garantierte. Auch Brandt betrachtete eine formale Lösung der WEU-Krise skeptisch, so dass die Diskussion in Den Haag, die nicht ins offizielle WEU-Protokoll aufgenommen wurde, ohne Einigung endete.192 Offiziell übermittelten die aktiven WEU-Staaten lediglich ihren Wunsch, dass Frankreich in die WEU zurückkehre.193 Zusätzlich beauftragten sie Luns, in Paris Möglichkeiten einer französischen Rückkehr zu sondieren. 194 Nach dem Haager Treffen verteidigte Harmel im Gespräch mit Stewart seine weitreichende Bereitschaft zum Ausgleich. Diese sei notwendig, da Frankreich dem britischen EG-Beitritt nicht zustimmen würde, solange die WEU-Krise nicht gelöst sei. Stewart hingegen hielt es für unwahrscheinlich, dass Konzessionen im WEU-Streit den britischen EG-Beitritt ermöglichen könnten. Stattdessen würde der französische Wandel in der Frage des britischen EG-Beitritts die französische Rückkehr in die WEU nach sich ziehen. 195 Stewart sah somit einen klar begrenzten Einfluss der WEU im Hinblick auf einen Durchbruch in der EG-Erweiterungskrise. Dennoch hielt Harmel an seinem Plan eines formalen Kompromisses mit Frankreich fest. Belgien übersandte am 10. Juni ein Memorandum an die WEUPartner, das als Richtlinie für Luns Bemühungen in Paris dienen sollte. Das belgische Papier offerierte Frankreich ein temporäres Vetorecht bezüglich der Tagesordnung im WEU-Rat. Als Gegenleistung sollte Frankreich die Legalität der 192 Waterfield an Private Secretary „Western European Union Ministerial Meeting, The Hague 5 June“ am 5.6.1969, in: NA, FCO 41/501 und Fernschreiben Nr. 219 von Blankenhorn vom 6.6.1969, in: PA/AA, B1/327. 193 Für die offizielle Presseformel siehe Tel. Nr. 329 von Garran an das FCO vom 6.6.1969, in: NA, FCO 41/501. 194 Plurex Nr. 2703 von Forster an Den Haag vom 30.6.1969, in: PA/AA, B21/667. 195 Zum Gespräch von Harmel und Stewart siehe Barrington an Robinson „M. Harmel’s proposal about political consultation in W.E.U.“ vom 9.6.1969, in: NA, FCO 30/397.
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WEU-Treffen nicht weiter bestreiten und die durchgeführten politischen Konsultationen während seiner Abwesenheit akzeptieren. 196 Harmel stieß mit dem Memorandum auf Widerstand. Auf der einen Seite ging Harmels Kompromissbereitschaft Frankreich nicht weit genug. Das französische Außenministerium forderte stattdessen, dass die WEU-Partner als Zeichen des guten Willens zunächst auf weitere Sitzungen des Ständigen WEU-Rates ohne Frankreich verzichteten.197 Auf der anderen Seite erhielt Harmel von den übrigen WEU-Staaten keine Unterstützung. Luns wollte flexibel in Paris agieren und sah das Memorandum als zu formalistisch an. Zugleich wollte er Frankreich kein formales Vetorecht zugestehen. Brandt wiederum warnte davor, Frankreich in WEUFragen zu bedrängen.198 Großbritannien lehnte es grundsätzlich ab, mit Frankreich über prozedurale und rechtliche Fragen zu verhandeln, da es sich um eine politische Entscheidung handele. Aus diesem Grunde betrachtete es sowohl das Memorandum als auch Luns geplanten Vorstoß in Frankreich skeptisch. 199 Daran änderte die Tatsache nichts, dass Lord Chalfont in der WEU-Versammlung sagte, dass Großbritannien die französische Rückkehr wünsche und versicherte, die WEU nicht als Hintertür für den EG-Beitritt zu nutzen. 200 Einig waren sich Großbritannien und die Fünf in dieser Phase lediglich in der Entscheidung, im dritten Quartal auf ein WEU-Ministertreffen in London zu verzichten, da eine französische Rückkehr unter britischem WEU-Vorsitz ausgeschlossen schien.201 Der damit verbundene Zeitgewinn trug keine Früchte, da Außenminister Schumann im Gespräch mit Luns am 17. Juni in Paris eine weiterhin rigorose französische Haltung präsentierte. Schumann lehnte Kompromisse wie die Diskussion umstrittener Tagesordnungspunkte in beschränkten WEU-Sitzungen (mit kleinem Teilnehmerkreis) und ohne Aufnahme ins offizielle WEU-Protokoll ab. Zudem kritisierte er die schlechte Behandlung Frankreichs im WEU-Rat sowie britische Versuche, die WEU als Anhörungsgericht für EG-Angelegenheiten zu
196 Siehe belgisches Aide-Memoire vom 10.6.1969 im Anhang an das Schreiben von Beith an Bendall vom 12.6.1969, in NA, FCO 41/501. Für eine deutsche Zusammenfassung siehe Aufzeichnung des Referats IA1 „WEU; Bemühungen, Frankreich zur Wiederaufnahme der vollen Mitarbeit zu veranlassen, hier: Benelux-Papier“ vom 3.7.1969, in: PA/AA, B21/667. 197 [Autorenlose] Aufzeichnung „a.s. Document belge realatif à la crise de l’U.E.O.“ vom 20.6.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2025 sowie Dujardin, The Failed Attempt, S. 37. 198 Botschafter Arnold, Den Haag, an das Auswärtige Amt am 9.7.1969 in: AAPD 1969II/229, S. 802. 199 Schreiben von Waterfield an Bendall „France and W.E.U.“ am 12.6.1969, in: NA, FCO 41/508 und Aufzeichnung von Chalfont „Western European Union“ vom 4.7.1969, in: NA, FCO 41/475. 200 Lord Chalfont: Rede des britischen Staatsministers für Auswärtige Angelegenheiten vor der WEU-Versammlung am 17. Juni 1969, in: EA 24 (1969), S. D 411. 201 Die Verschiebung des Ministertreffens erarbeitete der Ständige WEU-Rat am 27.6. und 9.7.1969. Siehe Telegramm Nr. 504 des FCO an Bonn vom 27.6.1969, in: NA, FCO 41/474 und Blankenhorn vom 27.6.1969, in: PA/AA, B21/677 sowie Telegramm Nr. 525 des FCO an Bonn vom 9.7.1969, in: NA, FCO 41/475 und Fernschreiben Nr. 1409 von Blankenhorn, London, an das AA vom 9.7.1969, in: PA/AA, B1/327.
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nutzen. 202 Luns resümierte, dass Frankreich Großbritannien weiterhin aus politischen Diskussionen in Europa heraushalten wolle und führende Köpfe im Quai d’Orsay wie der Generalsekretär Alphand und der Politische Direktor Beaumarchais sich zuvor hinter de Gaulle versteckt hätten.203 Das Auswärtige Amt hingegen glaubte, eine positivere Einstellung Frankreichs zur WEU zu erkennen.204 Allerdings stünden Pompidou und Schumann vor dem Problem, dass in gaullistischen Kreisen die WEU-Rückkehr als Zeichen der Schwäche ausgelegt würde.205 Entsprechend verzichtete die Bundesrepublik darauf, bilateral Druck auf Frankreich auszuüben, zügig in die WEU zurückzukehren, zumal Pompidou die Möglichkeit einer Rückkehr im September 1969 gegenüber Kiesinger in Aussicht stellte. 206 Tatsächlich agierte Frankreich in dieser Phase zweigleisig. Einerseits signalisierte es die Bereitschaft zum Ende des Boykottes und setzte sich intern bereits mit Bedingungen einer Rückkehr auseinander.207 Andererseits kritisierte es kontinuierlich das Verhalten der WEU-Partner und vor allem Großbritanniens.208 Frankreich spielte mit dieser zweiseitigen Taktik auf Zeit. Aufgrund der stockenden Entwicklung unternahm Belgien einen neuen Vermittlungsversuch. 209 Harmel besprach sich Ende September mit Schumann über Voraussetzungen einer Rückkehr. Als zentrale Elemente eines Kompromisses schlug er vor zu versichern, dass die WEU kein Anhörungsgericht für EG-Angelegenheiten sein dürfte. Zudem sollten die WEU-Ratstreffen auf Minister- und Beamtenebene in einen offiziellen und einen inoffiziellen Teil untergliedert werden. Im offiziellen Teil würden die WEU-Staaten eine einstimmig beschlossene Agenda diskutieren. Der zweite inoffizielle Teil würde in einer beschränkten Sitzung Raum für weitere Themen in einer freien Diskussion bieten. Mit dieser Aufteilung hoffte Harmel, das Problem der umstrittenen Einstimmigkeitsregel zu umgehen. 210 202 Aufzeichnung der S/DEO „Compte-Rendu de l’entretien de M. Schumann et de M. Luns, le 17 juillet 1969“ vom 22.7.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015. 203 Telno 430 von Garran, Den Haag, an das FCO vom 21.7.1969, in: NA, FCO 41/508. 204 Bericht von Blankenhorn „WEU, hier: Mitarbeit der Franzosen“ an das AA vom 11.8.1969, in: PA/AA, B21/667. 205 Aufzeichnung von Frank „WEU-Budgetfragen“ vom 22.8.1969, in: PA/AA, B21/667. 206 Gespräch des Bundeskanzlers Kiesinger mit Staatspräsident Pompidou am 9.9.1969, in: AAPD 1969II/282, S. 985/986. Zum Beschluss der Bundesrepublik, Frankreich nicht unter Druck zu setzen, siehe die Aufzeichnung des Referats IA1 „Westeuropäische Union“ vom 21.1.1970, in: PA/AA, B21/667. 207 Aufzeichnung der S/DEO „a.s. Solution éventuelle de la crise de l’U.E.O.-“ vom 9.9.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2025. 208 Studie des WOD „France and Western European Union“ vom 13.10.1969, in: NA, FCO 41/509. 209 Belgien berichtete am 10.9.1969 im Ständigen WEU-Rat vom Entschluss, während seines WEU-Vorsitzes im 4. Quartal 1969 den Kompromiss herbeizuführen. Siehe das FCO vom 11.9.1969, in: NA, FCO 41/477. 210 Für das Gespräch von Harmel und Schumann, der sich nicht konkret äußerte, siehe Telegramm Nr. 2861–62 von Schumann, New York, nach Paris vom 23.9.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015.
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Der Quai d’Orsay akzeptierte Harmels Vorschläge als Diskussionsgrundlage, doch forderte er Nachbesserungen, da die formale Aufteilung der WEU-Treffen nicht praktikabel schien. Zum einen sei es kaum zu verhindern, dass die informellen Diskussionen praktische Ergebnisse erzielten, so dass es zu einer allmählichen Institutionalisierung käme. 211 Zum anderen bestünde die Gefahr, dass alle interessanten Themen inoffiziell besprochen würden und auch EG-Themen zur Sprache kämen. 212 Das französische Außenministerium resümierte, dass Harmels Vorschläge große französische Konzessionen erforderten und zur Lösung der WEUKrise nicht ausreichten. Insbesondere die Rolle des Ständigen WEU-Rates wollte der Quai d’Orsay beschränkt wissen.213 Harmels neuerlicher Vorstoß und die anwachsende Konzessionsbereitschaft der Fünf machten dem Foreign Office deutlich, dass ein WEU-Kompromiss näher rückte, den auch Großbritannien akzeptieren musste, wenn es sich nicht isolieren wollte.214 Hinzu kam die für Großbritannien unliebsame Erkenntnis, dass die WEU-Partner bereit waren, das kommende WEU-Ministertreffen nochmals zu verschieben, um Zeit für die französische Rückkehr zu gewinnen.215 Großbritannien plädierte für ein Ministertreffen im vierten Quartal, um den symbolischen Wert der WEU und der begonnen politischen Konsultationen zu unterstreichen. Die WEU-Partner stimmten aufgrund von Terminschwierigkeiten jedoch schließlich einer Verschiebung in den Januar 1970 zu, die Großbritannien widerstrebend akzeptierte.216 Dabei wurde der belgische Ratsvorsitz mit französischer Zustimmung verlängert, um einen französischen Ratsvorsitz im ersten Quartal 1970 zu vermeiden.217 Die Bundesrepublik hatte diese Verschiebung des Ministertreffens unterstützt und war generell bereit, Kompromisse im WEU-Streit mitzutragen. Allerdings bevorzugte sie als Lösung ein informelles „Gentlemen’s Agreement“. Auf diese Weise wollte die Bundesrepublik französischen Interessen Rechnung tragen, ohne die französische Rechtsauffassung im WEU-Streit offiziell zu übernehmen. 218 211 Aufzeichnung der S/DEO „a.s. Propositions de M. Harmel pour règlement de la crise de l’U.E.O.-“ vom 26.9.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015 und vgl. Dujardin, The Failed Attempt, S. 38. 212 Telegramm Nr. 3681/3687 von Courcel, London, an Paris vom 30.9.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015. 213 Aufzeichnung der S/DEO „a.s. Propositions de règlement de la crise de l’U.E.O.-“ vom 6.11.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015. 214 WOD vom 13.10.1969, in: NA, FCO 41/509. 215 Telegramm Nr. 247 des FCO an Den Haag vom 16.9.1969, in: NA, FCO 41/498. 216 Zunächst hatte der Ständige WEU-Rat die Verschiebung des Ministertreffens auf den 1.12.1969 beschlossen. Siehe Telegramm Nr. 1224 des FCO an die UK Mission New York vom 24.9.1969, in: NA, FCO 41/478. Aufgrund des Haager Gipfels, eines NATO-Treffens und der Weihnachtspause kam trotz britischen Drängens keine Einigung auf einen Termin im Jahr 1969 mehr zustande. Für den Beschluss des Ständigen WEU-Rates zur Verschiebung in den Januar 1970 siehe Telno 262 des FCO an Brüssel vom 17.12.1969, in: NA, FCO 41/498. 217 Telegramm Nr. 1642–43 von Alphand nach London vom 18.12.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015. 218 Fernschreiben Nr. 70 des AA an Luxemburg vom 11.11.1969, in: PA/AA, B21/667.
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Nach dem erfolgreichen Haager Gipfel erkannte Harmel eine neue Vermittlungschance und übermittelte einen Lösungsvorschlag, der weitgehend mit seinem Angebot aus dem September übereinstimmte und die Aufteilung zwischen offiziellen und inoffiziellen Ratssitzungen beibehielt. In einem Punkt kam Harmel Frankreich weiter entgegen, da der Ständige WEU-Rat nur noch auf Anweisung der Minister Konsultationen durchführen sollte. 219 Dieses Zugeständnis stieß auf Kritik der WEU-Partner.220 Großbritannien wollte Rückschritte im Bereich der politischen Konsultationen nicht dulden. 221 Auch die Bundesrepublik machte Bedenken geltend und akzeptierte Harmels Vorschlag lediglich als Gesprächsgrundlage.222 Belgien verteidigte seine Zugeständnisse, da ein Preis – der Verzicht auf eigenständige politische Konsultationen des Ständigen WEU-Rates – für die französische Rückkehr bezahlt werden müsste. Zudem wollte Belgien unbedingt die günstige europapolitische Konstellation nach dem Haager Gipfeltreffen für einen Durchbruch in der WEU-Krise nutzen. 223 Der Streit der aktiven WEU-Staaten erwies sich als überflüssig, da Schumann am 15. Dezember Harmels Formel als wertvollen Beitrag würdigte, zugleich aber ankündigte, dass Frankreich noch nicht zum nächsten Ministertreffen in die WEU zurückkehre. Erst für das darauffolgende Treffen stellte er die Rückkehr in Aussicht.224 Das Auswärtige Amt vermutete als Motiv hinter der Absage, dass die französische Regierung nach dem Haager Gipfel einige Zeit verstreichen lassen wollte, bevor es in die WEU zurückkehrte. Dieses Zeitspiel schien der Rücksichtnahme auf den gaullistischen Flügel geschuldet.225 Als Ergebnis blieb, dass die WEU-Staaten auf dem Brüsseler WEU-Ministertreffen im Januar 1970 erneut zu sechst tagten. Harmel versprach dort, seine Bemühungen für eine französische WEU-Rückkehr fortzusetzen und erhielt dafür prinzipielle Unterstützung seiner Partner. Zudem beschloss der Ministerrat, den 219 Brief von Harmel an Stewart am 4.12.1969, in: NA, FCO 41/518. 220 Für die Diskussionen über die Harmel-Formel siehe Aufzeichnung des WOD „Western European Union, Permanent Council, 5 December, Discussion of M. Harmel’s letter of 4 December“, in: NA, FCO 41/518. Für ein inoffizielles Treffen der Ständigen WEU-Vertreter am Abend siehe Schreiben von Williams an Waterfield „Western European Union, Discussion by Permanent Representatives of M. Harmel’s letter of 4 December at the Belgian Embassy on 5 December“ vom 6.12.1969, in: NA, FCO 41/518 und Fernschreiben Nr. 2413 von Blankenhorn, London, an das AA vom 5.12.1969, in: PA/AA, IA1, Bd. 192372. 221 Telegramm Nr. 599 des FCO an Paris vom 8.12.1969, in: NA, FCO 41/518 und Fernschreiben Nr. 3189 von Braun, Paris, an das AA vom 9.12.1969, in: PA/AA, IA1, Bd. 102372. 222 Plurex Nr. 4911 von Frank an Paris vom 8.12.1969, in: PA/AA, IA1, Bd. 102372. 223 Aufzeichnung des WOD „Western European Union, Meeting of Permanent Representatives at the Belgian Embassy on 12 December, 1969“, vom 15.12.1969, in: NA, FCO 41/518 und das Fernschreiben Nr. 2461 von Blankenhorn, London, an das AA vom 15.12.1969, in: PA/AA, IA1, Bd. 102372. 224 Für Schumanns Brief an Harmel vom 15.12. siehe das Telegramm Nr. 1642–43 von Alphand nach London vom 18.12.1969, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2015. 225 Aufzeichnung des Referats IA1 „Westeuropäische Union“ vom 21.1.1970, in: PA/AA, B21/667.
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belgischen Vorsitz bis zum 1. April 1970 zu verlängern, da Frankreich nicht zur Übernahme seines turnusgemäßen Vorsitzes bereit war.226 3.2. Die erfolgreiche belgische Kompromissformel Auch wenn der Haager Gipfel nicht die unmittelbare französische WEU-Rückkehr zum Brüsseler Ministertreffen nach sich gezogen hatte, so legte er doch den Grundstein für den erfolgreichen WEU-Kompromiss, den Harmel beziehungsweise das belgische Außenministerium bis zum April 1970 im Austausch mit Frankreich und Großbritannien ausarbeitete. Frankreich war sich Anfang 1970 bewusst, dass es bald in die WEU zurückkehren musste, um das Verhältnis zu den EG-Partnern nicht zu verkomplizieren. 227 Zusätzlich verstärkte der Beschluss der EG-Staaten für die EPZ die französische Kompromissbereitschaft. Frankreich wollte Großbritannien zum einen durch eine parallele Zusammenarbeit auf Distanz zur EPZ halten (vgl. Kapitel VII.2.2.2.) und zum anderen verhindern, dass die in Den Haag beschlossene politische Zusammenarbeit in die WEU verlagert würde.228 Zwei Probleme blieben aus französischer Sicht bestehen: Erstens, dass Großbritannien die WEU aktiv für die EG-Erweiterung einsetzen würde, weshalb das französische Außenministerium eine Erklärung forderte, die eine Einflussnahme der WEU auf die EG-Erweiterung ausschloss. 229 Frankreich hatte zwar mittlerweile die EG-Erweiterung akzeptiert, nicht aber die Einflussnahme der WEU auf Entwicklungen der EG. Zweitens stünde bei der französischen Rückkehr die Beantwortung der Frage aus, ob die in der Zwischenzeit erfolgten WEU-Treffen als legale Treffen akzeptiert würden. Hier regte das französische Außenministerium als Kompromiss an, die Treffen zwar nicht offiziell anzuerkennen, aber die fortlaufende Nummerierung der WEU-Treffen stillschweigend zu akzeptieren.230 Angesichts der wachsenden französischen Kompromissbereitschaft gewann die Lösung der WEU-Krise an Form. Nach belgisch-französischen Gesprächen übermittelte Frankreich Ende Februar 1970 eine eigene Formel zur WEU-Rückkehr. Darin forderte Frankreich, dass die WEU weder über den britischen EGBeitritt noch politische Implikationen des britischen Beitritts diskutieren dürfe.231 226 Zum WEU-Ministertreffen in Brüssel siehe Fernschreiben Nr. 6 von Blankenhorn vom 10.1.1970, in: PA/AA, IA1, Bd. 102372. Laut Dujardin wurde Harmel sogar mit einem Mandat zur Lösung der WEU-Krise beauftragt. Vgl. Dujardin, The Failed Attempt S. 39. 227 Note pour le Secrétaire General „a.s. Crise de l’U.E.O.“ vom 30.1.1970, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2025. 228 [Autorenlose] Aufzeichnung „a.s. Fonctionnement du Conseil de l’U.E.O.“ vom 6.2.1970, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2025. 229 Note pour le Secrétaire General vom 30.1.1970, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2025. 230 Aufzeichnung Nr. 102 der S/DEO für das Cabinet du Ministre „a/s Fonctionnement du Conseil de l’UEO“ vom 16.3.1970, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2016. 231 Für die französische Formel siehe die Aufzeichnung von Frank „Mögliche Rückkehr Frankreichs in die WEU“ vom 9.3.1970, in: PA/AA, B21/667.
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Belgien unterstützte die Formel, nachdem Frankreich zugesichert hatte, dass die WEU alle weiteren politischen Themen behandeln dürfte.232 Großbritannien hingegen lehnte die Formel ab, da es fürchtete, in der WEU künftig nicht mehr über die politische Einigung in Europa diskutieren zu dürfen. 233 Das Auswärtige Amt warnte ebenfalls vor einer zu starken Begrenzung der politischen Diskussionen in der WEU, auch wenn es die WEU-Krise endlich gelöst sehen wollte und nun auch eine Formel anstelle eines „Gentlemen’s Agreement“ unterstützte.234 Als Reaktion auf die französische Formel übermittelte Großbritannien – das am liebsten weiterhin auf eine formale Lösung der WEU-Krise verzichtet hätte – den WEU-Partnern Mitte März eine eigene Formel. Darin gestand Großbritannien Frankreich lediglich die Versicherung zu, angesichts der nahenden EG-Beitrittsverhandlungen in der WEU nicht über technische und wirtschaftliche Fragen der EG-Erweiterung zu sprechen. Dies implizierte, dass die WEU ansonsten zu einer solchen Diskussion über EG-Angelegenheiten berechtigt sei. Zudem offerierte die britische Formel keine Beschränkung der politischen Diskussionen. 235 Wenig überraschend war die Formel für Frankreich inakzeptabel. 236 Auch das Auswärtige Amt lehnte die britische Formel ab, da sie mehr Diskussionen über EG-Angelegenheiten impliziere, als der Kompromiss aus dem Juli 1963 erlaube.237 Besonders verärgert war Harmel, der seine Vermittlungsbemühungen zwischen Großbritannien und Frankreich konterkariert sah.238 Angesichts der harschen belgischen Kritik und der Gefahr, sich zu isolieren, erteilte Stewart die Anweisung, britische Initiativen zurückzustellen und Harmel das Feld zu überlassen.239 Im Austausch mit Frankreich erarbeitete Belgien eine neue Formel, die britischen Bedenken geringfügig entgegenkam. So präzisierte die belgische Formel, dass nur politische Themen verboten seien, die im direkten Zusammenhang mit der EG-Erweiterung stünden.240 Die Bundesrepublik hielt die Einigung auf diese Formel für möglich. 241 Großbritannien hingegen verweigerte vorerst seine
232 „Record of a meeting between the Belgian Foreign Minister and the Chancellor of the Duchy of Lancaster on 12 March in the Belgien Foreign Ministry“, in: NA, FCO 41/712. 233 Telegramm Nr. 52 von Malcolm, Luxemburg, an das FCO vom 13.3.1970, in: NA, FCO 41/720 und „Record of a meeting between the Belgian Foreign Minister and the Chancellor of the Duchy of Lancaster“, in: NA, FCO 41/712. 234 Aufzeichnung von Frank „Rückkehr Frankreichs in die WEU, hier: Britische Formel“ vom 19.3.1970, in: PA/AA, B21/667. Frank verglich hier die französische und die spätere britische Formel. 235 Für die britische Formel siehe Telno Nr. 81 des FCO an Brüssel vom 16.3.1970. 236 Telegramm Nr. 311 von Richards, Bonn, an das FCO vom 18.3.1970, in: NA, FCO 41/720. 237 Frank vom 19.3.1970, in: PA/AA, B21/667. 238 Telegramm Nr. 145 von Beith, Brüssel, an das FCO vom 19.3.1970, in: NA, FCO 41/720. 239 Telegramm Nr. 93 des FCO an Brüssel vom 24.3.1970, in: NA, FCO 41/720. 240 Für diese belgische Formel siehe Botschafter Freiherr von Ungern-Sternberg, Brüssel, an das Auswärtige Amt vom 6.4.1970, in: AAPD 1970I/145, S. 564/565. Zur belgisch-französischen Absprache siehe die Aufzeichnung des Referats IA1 „WEU – Rückkehr Frankreichs in den Ministerrat“ vom 2.4.1970, in: PA/AA, B21/667. 241 Freiherr von Ungern-Sternberg vom 6.4.1970, in: AAPD 1970I/145, S. 565.
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Zustimmung.242 Außenminister Stewart hoffte noch, die WEU-Krise informell lösen zu können und setzte dafür auf bilaterale britisch-französische Gespräche.243 Auch Italien und die Niederlande zeigten sich nicht vollständig vom belgischen Vorschlag überzeugt.244 Folge dieser Bedenken war, dass Harmel eine letzte Modifikation an der Formel vornahm. Er ergänzte die bisherige Formel um den expliziten Zusatz, dass allgemeine Diskussionen über die politische Konstruktion Europas, die nicht im direkten Zusammenhang mit der EG-Erweiterung stünden, in der WEU behandelt werden dürften. 245 Diese Ergänzung war für Frankreich akzeptabel. 246 Der endgültige Durchbruch in der WEU-Krise erfolgte durch ein Zusammentreffen zwischen Thomson und Schumann am 17. April in Paris, bei dem sie die britische und französische Zustimmung zur belgischen Formel erklärten. Allerdings vertraten Großbritannien und Frankreich weiterhin divergierende Ansichten zur Rolle des Ständigen WEU-Rates. Während Großbritannien die selbständigen politischen Konsultationen im Ständigen WEU-Rat fortführen wollte, hielt Frankreich an der Auffassung fest, dass der Ständige WEU-Rat nur auf direkte Anweisung der Minister agieren dürfte. Lediglich in dringenden Fällen sollte der WEU-Rat von dieser Praxis abweichen dürfen. Damit zeigte sich, dass nicht alle Meinungsverschiedenheiten über die Arbeit in der WEU ausgeräumt waren. Nichts desto trotz waren Großbritannien und Frankreich an einer Lösung der WEU-Krise interessiert, so dass Schumann und Thomsen beschlossen, die umstrittene Rolle des Ständigen WEU-Rates erst auf dem kommenden WEU-Ministertreffen zu siebt klären zu wollen (vgl. Kapitel VII.3.3.).247 Am 22. April 1970 erklärte der Ständige WEU-Rat das Ende der WEU-Krise auf Basis der Harmel-Formel. 248 Zudem veröffentlichte Harmel mit Zustimmung der WEU-Partner seine Formel in einem Kommuniqué, das zugleich die französi-
242 Telegramm Nr. 103 des FCO an Brüssel vom 9.4.1970, in: NA, FCO 41/722. 243 Telegramm Nr. 107 des FCO an Brüssel vom 10.4.1970, in: NA, FCO 41/722. 244 Telegramm Nr. 294 von Hancock, Rom, an das FCO vom 10.4.1970, in: NA, FCO 41/722 und Telegramm Nr. 124 von Tomkins, Den Haag, an das FCO vom 13.4.1970, in: NA, FCO 41/722. 245 Die Formel vom 14.4.1970 stimmte bis auf den hier ergänzten letzten Satz mit der Formel vom 7.4.1970 überein: „Les Etats membres conviennent qu’ils ne discuteront pas, à l’U.E.O., des problèmes techniques ou économiques qui se rapportent à l’élargissement des communautés européennes, nie des questions politiques qui y sont directement liées. Il va de soi que cette disposition ne modifie évidemment pas le droit des Etates-Membres de discuter, à l’U.E.O., conformément à l’Article 8, parag. 4 du traité des problèmes de la construction politique de l’Europe.“ Harmel an Stewart am 14.4.1970, in: NA, FCO 41/721. 246 Schumann an Harmel vom 16.4.1970, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2025 und vgl. zudem Dujardin, The Failed Attempt, S. 39. 247 Für das Gespräch von Thomson und Schumann siehe Telno 4 von Soames, Paris, an das FCO vom 17.4.1970, in: NA, FCO 41/722 und Circulaire Nr. 157 von Alphand vom 20.4.1970, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2025. 248 Telegramm Nr. 274 des FCO an Bonn vom 22.4.1970, in: NA, FCO 41/696.
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sche Rückkehr zum nächsten WEU-Ministertreffen ankündigte.249 Parallel bestätigte die französische Regierung auf einer Pressekonferenz, dass ihre Forderungen für eine WEU-Rückkehr erfüllt seien.250 Im April 1970 war die seit 14 Monaten andauernde WEU-Krise gelöst. Drei Aspekte sind dafür verantwortlich, dass im Frühjahr 1970 ein Kompromiss gelang: Erstens war Frankreich mittlerweile an einem Ende der Krise interessiert, da es nach dem Durchbruch in Den Haag neue Irritationen mit seinen EG-Partnern vermeiden wollte. Zugleich bot die Rückkehr in die WEU die Chance, Großbritannien auf Distanz zur EPZ zu halten. Zweitens sah Großbritannien ein, dass ein formaler Kompromiss notwendig war, da die anderen EG-Staaten und insbesondere die Bundesrepublik im Frühjahr 1970 nachdrücklich für eine Lösung der Krise plädierten.251 Zudem veränderte sich die Position im Foreign Office im Verlauf des Jahres 1970 dahingehend, dass es nun an einer Verbesserung des Verhältnisses mit Frankreich interessiert war, um den EG-Beitritt zu erleichtern. Eine starke Rolle der WEU als Gegengewicht zur EPZ blieb zwar vorerst ein Ziel, doch betonte das Foreign Office, dass eine positive europapolitische Atmosphäre im Vordergrund stand, um die anstehenden EG-Beitrittsverhandlungen zu erleichtern. 252 Während Großbritannien Frankreich 1969 bewusst zu isolieren versucht und den französischen WEU-Rückzug als Erfolg verbuchte hatte, empfand es die französische Abwesenheit nach dem Durchbruch in der EG-Erweiterungskrise als Problem. 253 Der dritte Grund für das Ende der WEU-Krise war, dass das Ende der EG-Erweiterungskrise und der nahende Beginn der EPZ den Bedeutungsverlust der WEU einleiteten, wodurch sich der Streit über die Rolle der WEU automatisch entschärfte.254 So erhöhte die französische Rückkehr auch nicht die Bedeutung der WEU, sondern besiegelte ganz im Gegenteil das Ende der bedeutendsten Phase der WEU, die mit dem Harmel-Plan im Oktober 1968 eingeläutet worden war.255 Bei einer Bewertung der Harmel-Formel wird deutlich, dass Großbritannien mehr Zugeständnisse machen musste als Frankreich. Frankreich akzeptierte zwar stillschweigend die Legalität der zurückliegenden WEU-Treffen zu sechst, doch hatte es ansonsten keine konkreten Zusagen gemacht, da die künftige Rolle des Ständigen WEU-Rates noch ungeklärt war. Entsprechend positiv bewertete das französische Außenministerium den Kompromiss. 256 Großbritannien hingegen 249 Kommuniqué des belgischen Außenministeriums vom 22.4.1970, in: Siegler (Hg.): Politische Einigung I, S. 106. 250 Telegramm Nr. 404 von Soames, Paris, an das FCO vom 22.4.1970, in: NA, FCO 41/720. 251 Telegramm Nr. 408 von Jackling, Bonn, an das FCO vom 13.4.1970, in: NA, FCO 41/722. 252 Diese Reihenfolge der Prioritäten erarbeitete ein Treffen im Foreign Office unter Leitung von Thomson am 29.4.1970, siehe Aufzeichnung „WEU and European political unification“, in: NA, FCO 41/721. Für den britischen Meinungswandel vgl. zudem Clemens, Der Beitritt Großbritanniens, S. 310/311. 253 Vgl. Clemens, Der Beitritt Großbritanniens, S. 321. 254 Vgl. Kramer, S. 248. 255 Vgl. Möckli, S. 40 und Dujardin, The Failed Attempt, S. 40. 256 Circulaire Nr. 194 von Alphand vom 13.5.1970, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2016.
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musste das formale Verbot der Diskussion von EG-Angelegenheiten und wenig später auch die temporäre Exklusion aus der EPZ akzeptieren (vgl. Kapitel VII.2.2.2.).257 Dies war nur deshalb für Großbritannien akzeptabel, da die EG-Beitrittsverhandlungen unmittelbar bevorstanden und nicht belastet werden sollten. 258 3.3. Zu siebt zum letzten zweitägigen Ministertreffen Nach der Einigung auf die Harmel-Formel blieb noch zu klären, in welcher Form der Ständige WEU-Rat zukünftig politische Konsultationen durchführen könnte. Schumann kündigte an, hierzu eine französische Erklärung auf dem kommenden WEU-Ministertreffen abzugeben. 259 Frankreich plante, die Rolle des Ständigen WEU-Rates sichtbar zu beschränken. Demnach sollten die Ständigen Vertreter nur auf Anweisung der Minister politische Konsultationen durchführen. Nur in Notfällen und bei Zustimmung aller WEU-Partner seien weitere Konsultationen des Ständigen WEU-Rates möglich. 260 Großbritannien befürchtete, dass ob dieser Erklärung der Preis der französischen Rückkehr in die WEU höher ausfallen könnte als gedacht. So widersprach Großbritannien der französischen Auffassung, dass die Autorität für politische Konsultationen allein beim Ministerrat liege. Zudem waren fortlaufende politische Konsultationen aus britischer Sicht wichtig, um die Rolle der WEU zu stärken, solange Großbritannien nicht in der EPZ mitwirken konnte.261 Großbritannien stand vor einem Problem, weil es trotz der offenkundigen Meinungsverschiedenheit mit Frankreich keinen Streit über dieses Thema erzeugen wollte, da das Ziel einer positiven Atmosphäre für die EG-Beitrittsverhandlungen im Vordergrund stand. Als Ausweg setzte das Foreign Office darauf, dass die Minister möglichst viele politische Konsultationsthemen an den Ständigen WEU-Rat delegieren würden, um die Rolle des Ständigen WEU-Rates in der Praxis nicht zu stark zu schwächen.262 Das französische Außenministerium war sich dieses Zieles im Vorwege des Ministertreffens bewusst und konnte den britischen Ausweichplan als Kompromiss akzeptieren. Allerdings hoffte Frankreich im Gegensatz zu Großbritannien, dass dem Ständigen WEU-Rat möglichst wenige Themen zur Konsul257 Laut Clemens war die Harmel-Formel eine Niederlage für Großbritannien. Vgl. Clemens, Der Beitritt Großbritanniens, S. 323/324. 258 Memorandum des WOD „The Price of the French Return to W.E.U.“ vom 16.5.1970, in: NA, FCO 41/721. 259 Über diese Ankündigung diskutierte der Ständige WEU-Rat – noch ohne Frankreich – am 5.5.1970. Siehe Telegramm Nr. 309 des FCO an Bonn vom 5.5.1970, in: NA, FCO 41/697 und Fernschreiben Nr. 796 von Hase, London, an das AA vom 5.5.1970, in: PA/AA, IA1, Bd. 102373. 260 „Projet d’intervention du Ministre“ im Anhang an die Aufzeichnung der S/DEO „a.s/ Réunion ministérielle de l’U.E.O.-“ vom 3.6.1970, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2016. 261 WOD vom 16.5.1970, in: NA, FCO 41/721. 262 „Western European Union, Ministerial Meeting, Bonn, 5 and 6 June, 1970, Steering Brief“, in: NA, FCO 30/820.
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tation übertragen würden.263 Die Bundesrepublik positionierte sich eher auf der britischen Seite und strebte eine nicht zu begrenzte Rolle des Ständigen WEURates an. Allerdings stand für die Bundesrepublik im Vordergrund, einen Streit zu vermeiden, damit die beigelegte WEU-Krise nicht erneut ausbräche. 264 Angesichts dieses Ziels forderte Außenminister Brandt den britischen Staatsminister Thomsen zudem auf, die Ausgestaltung der EPZ nicht ausführlich auf dem Ministertreffen zu thematisieren, um Frankreich nicht zu verärgern.265 Da alle WEU-Staaten trotz ihrer Auffassungsunterschiede um einen Ausgleich bemüht waren, verlief das letzte zweitägige WEU-Ministertreffen am 5./6. Juni 1970 in Bonn in einer positiven Atmosphäre, die wenig mit den hitzigen Ministerratssitzungen im Oktober 1968 und Februar 1969 gemein hatte.266 Schumann nahm an dem Treffen teil, womit erstmals seit 1964 ein französischer Außenminister im WEU-Rat auftrat, sofern von den Begrüßungsworten Couve de Murvilles bei vorangegangenen Pariser WEU-Treffen abgesehen wird. Zu Beginn des Politiktages begrüßte Scheel als WEU-Vorsitzender die französische Rückkehr und verlas offiziell die Harmel-Formel. Anschließend gab Schumann seine im Vorwege zirkulierte Erklärung zur Rolle des Ständigen WEURates ab. Zugleich machte er deutlich, dass Frankreich kein Interesse habe, die grundsätzliche juristische WEU-Kontroverse über die Auslegung der Einstimmigkeitsregel bei der Einberufung von Ratssitzungen wieder aufzunehmen. Der im Frühjahr 1969 vorherrschende Streit um die Interpretation des WEU-Vertrages, der den französischen Boykott und die erfolglose Arbeit der Studiengruppe nach sich gezogen hatte, endete in Bonn ohne eine formelle juristische Einigung, da auch den anderen WEU-Staaten an keiner Grundsatzdiskussion mehr gelegen war. Stattdessen begrüßte Thomson dort die französische WEU-Rückkehr, die es der WEU erlaube, eine aktive Rolle bei der Koordination der großen politischen Fragen zu spielen. Zudem wiederholte Thomson den britischen Wunsch nach schneller Einbindung in die EPZ, hielt sich ansonsten aber an die französische Forderung, nicht im Detail auf die Ausarbeitung der EPZ einzugehen. Die EGStaaten verzichteten auf eigene Kommentare zur EPZ, wobei Scheel erklärte, dass die WEU nicht der richtige Ort sei, um Diskussionen über die EPZ zu führen. Im Anschluss an diese grundsätzlichen Fragen diskutierten die Minister über die Ost-West-Beziehungen mit dem Fokus auf die deutsche Ostpolitik und eine europäische Sicherheitskonferenz, die Lage im Nahen Osten, Südostasien beziehungsweise den Vietnam-Krieg sowie den Schutz von Diplomaten. Wichtiger als der Inhalt dieser Diskussion ist die Tatsache, dass die Minister den Ständigen WEU-Rat abschließend mit Konsultationen über bilaterale Kontakte mit dem Ost263 Aufzeichnung der S/DEO „a.s/ Réunion ministérielle de l’U.E.O.-“ vom 3.6.1970, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2016. 264 Aufzeichnung des Referats IA1 [Datum fehlt] „WEU, Rolle des Ständigen WEU-Rates bei den politischen Konsultationen“, in: PA/AA, B21/667. 265 „Niederschrift über die Besprechung des Herrn Bundesminister mit dem britischen Europaminister George Thomson vor Beginn der Ministerratstagung der WEU in Bonn am 5. Juni 1970“, in: PA/AA, IA1, Bd. 102373. 266 Runderlass Nr. 2443 von Stadens vom 10.6.1970, in: PA/AA, B53–IIIA2/383.
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block, Südostasien und die Bildung einer Arbeitsgruppe zum Schutz von Diplomaten beauftragten. Damit beschloss der WEU-Ministerrat, drei der vier behandelten Themen im Ständigen WEU-Rat fortzuführen. Schumann stimmte diesen Aufträgen zu, auch wenn er grundsätzlich anmahnte, die Aufgaben des Ständigen WEU-Rates zu begrenzen. 267 Der erste Tag des Bonner WEU-Treffens erbrachte den sich im Vorfeld abgezeichneten Kompromiss. Der WEU-Ministerrat behielt formal das exklusive Recht über die Durchführung von politischen Konsultationen zu entscheiden. In der Praxis stimmte Frankreich jedoch den Wünschen der WEU-Partner und insbesondere Großbritanniens zu, die politischen Konsultationen auf Beamtenebene fortzusetzen. Das Foreign Office zeigte sich mit diesem Kompromiss zufrieden, doch vermutete es hinter Schumanns Entgegenkommen erneut das Motiv, Großbritannien damit leichter auf Distanz zur EPZ halten zu können. 268 Die Wirtschaftsdiskussionen am folgenden Tag dauerten lediglich eine Stunde und endeten ergebnislos, da die WEU-Staaten angesichts der am 30. Juni beginnenden EG-Beitrittsverhandlungen auf das Thema der Beziehungen zwischen Großbritannien und den EG verzichteten. Die Bundesrepublik hatte diesen Verzicht im Vorfeld mit Rücksicht auf französische Empfindlichkeiten und den Wortlaut der Harmel-Formel vorgeschlagen und britische Zustimmung erhalten.269 Thomson nutzte allerdings letztmals die kontinuierlich von Großbritannien eingeschlagene Marschroute, in der WEU eine positive wirtschaftliche Entwicklung zu skizzieren, indem er vom britischen Handelsbilanzüberschuss berichtete. 270 Alles in allem kam es in Bonn zum letzten Mal zu WEU-Wirtschaftsdiskussionen, die 1963 den Kern des WEU-Kompromisses ausgemacht hatten, aber bereits seit Mitte 1968 nur noch eine untergeordnete Rolle in der WEU spielten. Die EG-Beitrittsverhandlungen sorgten dafür, die Wirtschaftskontakte in der WEU kurze Zeit später vollständig aufzuheben (vgl. Kapitel VIII). 4. ZWISCHENFAZIT Die Zeit der WEU-Krise von Februar 1969 bis zur französischen Rückkehr an den WEU-Ratstisch im Juni 1970 offenbarte erneut unterschiedliche Zielsetzungen, die Großbritannien, Frankreich und die Bundesrepublik mit der WEU verbanden. 267 Für die gesamten Politikdiskussionen am 5.6.1970 in Bonn siehe Telegramm Nr. 3885/94 von Sauvagnargues, Bonn, an Paris vom 6.6.1970, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2016 und von Staden vom 10.6.1970, in: PA/AA, B53–IIIA2/383. 268 Aufzeichnung des WOD „French Ambassador’s call on Mr. Barber, 25 June, 3.30 p.m., Western European Union“, vom 24.6.1970, in: NA, FCO 41/721. 269 Telegramm Nr. 350 des FCO an Bonn vom 26.5.1970, in: NA, FCO 30/820. 270 Für den WEU-Wirtschaftstag am 6.6.1970 in Bonn siehe von Staden vom 10.6.1970, in: PA/AA, B53–IIIA2/383, Telegramm Nr. 262 des FCO an UKMIS Genf vom 10.6.1970, in: NA, FCO 30/820 und Circulaire Nr. 217 von Arnaud vom 8.6.1970, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2016. EG-Kommissar Martino berichtete über die wirtschaftliche Situation in den EG und verwies auf die Notwendigkeit, die Inflation zu bekämpfen. Siehe ebenda.
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Die größte Bedeutung maß Großbritannien in dieser Phase der WEU bei. Angesichts der aussichtslosen Lage, während der Präsidentschaft de Gaulles den EG beitreten zu können, bot die Entwicklung des Harmel-Planes Großbritannien die Chance, Frankreich europapolitisch zu isolieren. Gleichzeitig offenbarte sich die Möglichkeit, mit den Fünf in eine intensivierte politische Kooperation einzusteigen. Mit diesen Motiven initiierte Großbritannien das Nahostsondertreffen, das den Konflikt mit Frankreich in der WEU zur Eskalation führte. Der französische Boykott spielte Großbritannien in die Karten, weshalb es zunächst kein Interesse daran hatte, die WEU-Krise durch eigene Zugeständnisse zu entschärfen. Ganz im Gegenteil forcierte Großbritannien die eigenständigen politischen Konsultationen im Ständigen WEU-Rat, um Frankreich vor vollendete Tatsachen zu stellen und parallel die Gefahr zu bannen, aus einer exklusiven politischen Kooperation der EG-Staaten ausgeschlossen zu werden. Die britischen Bemühungen brachten nur begrenzten Erfolg. Positiv mutete aus britischer Perspektive an, dass der Ständige WEU-Rat kontinuierliche politische Konsultationen zu einer Vielzahl an Themen durchführte. Allerdings fühlte sich Großbritannien gezwungen, durchweg die Initiative zu übernehmen und zudem führten die Konsultationen kaum zu harmonisierten außenpolitischen Positionen und zu keinen gemeinsamen Aktionen. Zusätzlich gelang es Großbritannien nicht, einen formalen Ausbau der WEU-Kooperation durchzusetzen. Die britische Regierung hatte vor allem die Bereitschaft der Bundesrepublik falsch eingeschätzt, Gewinne im Bereich der außenpolitischen Zusammenarbeit auf Kosten der deutsch-französischen Beziehungen in Kauf zu nehmen. 271 Darüber hinaus scheiterte Großbritannien mit dem Versuch, die EPZ durch eine Stärkung der WEU zu verhindern beziehungsweise zu verzögern. Hinzu kam die Tatsache, dass die WEU im wirtschaftlichen Bereich praktisch keine Rolle mehr spielte und das Ende der WEU-Wirtschaftskontakte nach dem Durchbruch in der EG-Erweiterungskrise bevorstand. Die WEU verlor für Großbritannien 1970 viel von ihrem temporären, taktischen Wert, den sie seit dem Oktober 1968 in hohem Maße besessen hatte. Aus diesem Grunde und dem nahenden Beginn der EG-Beitrittsverhandlungen akzeptierte Großbritannien Zugeständnisse zur Lösung der WEUKrise, die es ein Jahr zuvor noch ausgeschlossen hatte. Die Harmel-Formel aus dem April 1970 drohte nahezu jeden Fortschritt rückgängig zu machen, der in der WEU-Zusammenarbeit eingeleitet worden war. Großbritannien akzeptierte dies, da es seinen Fokus wieder voll auf den EG-Beitritt richtete und gute Beziehungen mit Frankreich anstrebte. Nachdem Großbritannien die WEU-Krise 1969 insgeheim begrüßt hatte, drohte diese 1970 zu einem Problem zu werden. Der WEUKompromiss war deshalb auch aus britischer Sicht ein letztlich notwendiger Schritt. Frankreich hatte mit seinem Boykott im Februar 1969 die „diplomatische Reißleine“ gezogen, nachdem es die Fortentwicklung des Harmel-Planes und der gesamten WEU nicht mehr akzeptieren wollte. Vordergründig missfielen Frankreich 271 Vgl. Möckli, S. 28.
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die eingeläuteten politischen Konsultationen im Ständigen WEU-Rat, die es nur auf Ministerebene akzeptierte. Frankreich verfolgte dabei weiterhin das Ziel, Großbritannien aus einer intensivierten politischen Zusammenarbeit mit den EGStaaten auszuschließen. Zudem kritisierte Frankreich, dass die anderen WEUStaaten die Einstimmigkeitsregel verletzten, indem sie gegen ausdrücklichen französischen Protest die Arbeit in der WEU vertieften. Den Hintergrund der WEUKrise bildete indes die ungelöste EG-Erweiterungskrise. Frankreich wollte Großbritannien die Möglichkeit entziehen, seinen EG-Beitritt mittels der WEU voranzutreiben. Ähnlich wie Großbritannien schätzte Frankreich die Haltung der Bundesrepublik falsch ein. Der WEU-Boykott führte nicht dazu, die Arbeit der WEU zum Erliegen zu bringen. Stattdessen trug die Bundesrepublik informelle Fortschritte in der WEU ohne Frankreich in begrenztem Maße mit. Im Februar 1969 schien es so, als hätte Frankreich den Machtkampf in der WEU verloren, da es die weitere Entwicklung in der WEU nicht mehr eigenständig kontrollieren konnte. Der Rücktritt de Gaulles veränderte die europapolitischen Rahmenbedingungen, da mit Pompidou ein pragmatischerer Präsident an die Spitze des französischen Staates vorstieß. Das allmähliche Einlenken der französischen Regierung in der EG-Erweiterungsfrage – auch durch Zugeständnisse an französische Forderungen im EG-Agrarbereich erreicht – zog sowohl das Ende der EG-Erweiterungskrise als auch das Ende der WEU-Krise nach sich. Frankreich war nun daran interessiert, Irritationen mit seinen EG-Partnern und damit auch Großbritannien auszuräumen. Zudem bot die WEU Frankreich nach dem Beschluss des Haager Gipfels zur Umsetzung der EPZ zum ersten Mal klare Vorteile. Die Zusammenarbeit zu siebt in der WEU – die Frankreich seit 1963 gerne ausgespart hätte – bot die Möglichkeit, Großbritannien auf Distanz zur EPZ zu halten. Während Großbritannien mittels der WEU die EPZ verhindern wollte, zielte Frankreich darauf ab, die EPZ mit Hilfe seiner WEU-Rückkehr zügig im Sechserrahmen umzusetzen. Die Rückkehr in die WEU fiel Frankreich auch deshalb nicht mehr schwer, weil die Harmel-Formel eine direkte Verbindung der WEU zu den EG-Beitrittsverhandlungen untersagte und eigenständige politische Konsultationen formal dem Ministerrat vorbehalten blieben. Zugeständnisse wie die stillschweigende Anerkennung der zurückliegenden WEU-Ratstreffen und die praktische Einbeziehung des Ständigen WEU-Rates in die politischen Konsultationen waren vor diesem Hintergrund akzeptabel. Die Bundesrepublik stand durch den Ausbruch der WEU-Krise im Februar 1969 vor großen Problemen, da es kaum mehr möglich war, eine ausgleichende Rolle zwischen britischen und französischen Forderungen einzunehmen. Das Nahostsondertreffen und der Boykott zwangen die Bundesrepublik, sich stärker zu positionieren. 1968 hatte die WEU dem deutschen Ziel gedient, 5+1-Kooperationen ohne Frankreich zu verhindern, nun begann in der WEU eine eigene Form einer 5+1-Zusammenarbeit. Zunächst schien sich die Bundesrepublik auf die britische Seite zu schlagen, da sie auch ohne Frankreich in der WEU partizipierte. Allerdings verfolgte die Bundesrepublik primär das Ziel, die weitere Entwicklung der WEU zu kontrollieren, um mittelfristig einen Kompromiss mit Frankreich zu
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verwirklichen. Aus diesem Grund verhinderte die Bundesrepublik Versuche, formale Veränderungen in der WEU und eine einseitige Auslegung juristischer Streitfragen durchzusetzen. Überspitzt formuliert nahm die Bundesrepublik die Rolle als Widerpart Großbritanniens in der WEU ein, den zuvor Frankreich gespielt hatte, auch wenn die Bundesrepublik diese Rolle deutlich umgänglicher ausfüllte. Während die WEU-Wirtschaftsdiskussionen ohnehin kaum mehr ins Gewicht fielen, verlor die Bundesrepublik auch ihr 1968 aufgeflammtes Interesse an einer intensivierten politischen Zusammenarbeit in der WEU, da diese ohne Frankreich wertlos schien. Die Bundesrepublik richtete ihr Augenmerk bald auf die EPZ, die eine deutlich bessere Ausgestaltung der außenpolitischen Kooperation versprach. Anders als Frankreich zielte die Bundesrepublik nicht darauf ab, Großbritannien so lange wie möglich aus der EPZ auszuschließen. Doch erkannte sie ebenfalls den Vorteil, den die außenpolitischen Kontakte in der WEU für die Übergangsphase bis zum britischen EG-Beitritt boten. Insgesamt war die WEU 1969 aus deutscher Sicht zu einem ernsthaften Problem für die Arbeit in den EG und für das deutsch-französische Verhältnis geworden. Aus diesem Grunde unterstützte die Bundesrepublik die belgischen Versuche, einen Kompromiss im WEU-Streit zu erzielen. Die Bundesrepublik wollte sich zwar nicht offiziell der französischen Rechtsauslegung des WEU-Vertrages anschließen, war aber sehr wohl bereit, die WEU-Krise mittels weitreichender Zugeständnisse an Frankreich zu lösen. Alles in allem spielte die WEU durch den Harmel-Plan, die hervorgerufene Krise und die einsetzenden politischen Konsultationen im Ständigen WEU-Rat kurzzeitig eine wichtige europapolitische Rolle. Dies galt exklusiv für den Politikbereich, da die Wirtschaftsdiskussionen an Bedeutung verloren und beim Haager Ministertreffen sogar offiziell ausfielen. Der Durchbruch auf dem Haager Gipfel demonstrierte dann die sekundäre, zuvor lediglich temporär angestiegene Bedeutung der WEU im europäischen Integrationsprozess. Anstelle der WEU wurde die EPZ zur Keimzelle des politischen Europa erklärt und die EG-Erweiterungskrise endete ohne nachweisbares Zutun der WEU. Allerdings ist die These Dujardins nicht von der Hand zu weisen, dass die Haltung der Fünf in der WEU-Krise dazu beitrug, Pompidou von der Notwendigkeit der EG-Erweiterung zu überzeugen. 272 Ein solch indirekter positiver Einfluss der WEU auf die EG-Erweiterung ist schwer zu belegen, aber durchaus plausibel.
272 „The WEU crisis of 1968–1970 did place the question of British accession at the forefront of European affairs for a few months. It also showed France once again the great importance attached by its EEC partners to enlargement. In this sense, the WEU crisis perhaps made an unquantifiable contribution to convincing president Georges Pompidou that France could no longer oppose enlargement.“ Dujardin, The Failed Attempt, S. 41.
VIII. DAS ENDE DER SONDERFUNKTION DER WEU (JUNI 1970–1972) Dieses Kapitel skizziert abschließend das Ende der wirtschaftlichen und politischen Rolle der WEU und den dadurch bedingten immensen Bedeutungsverlust der WEU für mehr als ein Jahrzehnt. Die Aufnahme der britischen EG-Beitrittsverhandlungen führte nach dem Bonner WEU-Ministertreffen im Juni 1970 zum Verzicht auf weitere WEU-Wirtschaftsdiskussionen. Die politische Rolle der WEU endete mit der britischen Unterzeichnung der EG-Beitrittsverträge im Januar 1972, da Großbritannien nun vollwertig an der EPZ partizipierte und sein letztes taktisches Interesse an der WEU verlor. Kurz nach dem Bonner WEU-Treffen sorgten die britischen Unterhauswahlen am 18. Juni 1970 für einen Paukenschlag, da Labour überraschend die Wahl verlor und die Konservativen nach sieben Jahren Opposition an die Macht zurückkehrten.1 An den europapolitischen Rahmenbedingungen änderte dies wenig, da Großbritannien am 30. Juni mit dem unveränderten Ziel der EG-Mitgliedschaft Beitrittsverhandlungen aufnahm. Der neue Premierminister Heath war ein vehementer Verfechter des EG-Beitritts, für den er bereits 1961–1963 als Lordsiegelbewahrer mit besonderen europapolitischen Aufgaben gekämpft hatte. Aus Sicht der WEU schloss sich darüber hinaus ein Kreis. Die konservative britische Regierung Macmillan hatte nach dem Scheitern ihres Beitrittsgesuchs 1963 den WEUKompromiss ohne Begeisterung als alternativlos akzeptiert (vgl. Kapitel III.2.), nun trug eine neue konservative Regierung dazu bei, die Rolle der WEU als Kriseninstrument abzuwickeln. Angesichts der EG-Beitrittsverhandlungen schlug die Bundesrepublik im Ständigen WEU-Rat vor – in den Frankreich nach dem Bonner WEU-Ministertreffen ebenfalls zurückkehrte –, auf dem kommenden WEU-Ministertreffen in Rom auf Wirtschaftsdiskussionen zu verzichten. 2 Am 15. Juli 1970 einigte sich der Ständige WEU-Rat auf diesen Vorschlag, so dass die Minister auf einem eintägigen Treffen allein politische Fragen besprechen sollten. Allerdings stellte der Ständige WEU-Rat klar, dass damit keine automatische Präzedenzwirkung geschaffen sei und zukünftig zweitägige Ministertreffen und Wirtschaftsdiskussionen möglich blieben. 3 Diese Vorsichtsmaßnahme zielte auf ein mögliches
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Zum überraschenden Wahlsieg der Torries vgl. Kitzinger, S. 293. Zur Sitzung des Ständigen WEU-Rates am 1.7.1970 siehe Fernschreiben Nr. 1194 von Hase, London, an das AA vom 1.7.1970, in: PA/AA, B1/329. Zur die Sitzung des Ständigen WEU-Rates am 15.7.1970 siehe das Telegramm Nr. 474 des FCO an Bonn vom 15.7.1970, in: NA, FCO 41/701 und Fernschreiben Nr. 1292 von Hase, London, an das AA vom 15.7.1970, in: PA/AA, IA1, Bd. 102373.
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Scheitern der britischen EG-Beitrittsverhandlungen ab. 4 Trotz dieses theoretischen Vorbehaltes waren die WEU-Wirtschaftsdiskussionen de facto abgeschafft. Fortan beschränkte sich der WEU-Ministerrat auf außenpolitische Diskussionspunkte. Am 14. September 1970 bestätigte der WEU-Ministerrat in Rom offiziell den Vorschlag des Ständigen WEU-Rates, auch wenn er die Hintertür für eine Wiederaufnahme der Diskussionen offenhielt. 5 Auf diesen Umweg mussten die EGStaaten und Großbritannien anders als 1963 nicht mehr zurückgreifen, da die Beitrittsverhandlungen erfolgreich verliefen und Großbritannien am 1. Januar 1973 EG-Mitglied wurde.6 Im Bereich der politischen Kooperation spielte die WEU vorerst noch eine Nebenrolle. Solange Großbritannien nicht vollwertig an der EPZ partizipieren durfte, setzte es sich dafür ein, die vierteljährliche Frequenz der WEU-Ministertreffen aufrecht zu erhalten. Zudem strebte die britische Regierung an, die politischen Konsultationen im Ständigen WEU-Rat in der seit dem Februar 1969 üblichen Form fortzuführen. Im Vordergrund blieb aber das Ziel, Frankreich angesichts der EG-Beitrittsverhandlungen nicht unnötig zu provozieren. 7 Der britische Wunsch kontinuierlicher politischer Konsultationen im Ständigen WEU-Rat erfüllte sich im zweiten Halbjahr 1970 noch größtenteils. So führte der Ständige WEU-Rat – wie von den Ministern in Bonn beschlossen – Konsultationen zu den Ost-West-Beziehungen und Südostasien durch. Hinzu kam als Diskussionspunkt der Schutz von Diplomaten, für den der Ständige WEU-Rat im Juni 1970 auf Geheiß des Ministerrates (vgl. Kapitel VII.3.3.) sogar eine WEUArbeitsgruppe einsetzte.8 Frankreich zeigte sich insoweit kooperativ, dass es in beschränkten Sitzungen zusätzliche Konsultationen zu Themen wie beispielsweise Griechenland und Südafrika unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ akzeptierte, die nicht explizit vom Ministerrat abgesegnet waren. 9 Frankreich 4 5
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Aufzeichnung von Stadens „2. Tag des WEU-Ministerrats und Hinzuziehung Dänemarks, Norwegens und Irlands zu den Arbeiten der WEU“ vom 17.7.1970, in: PA/AA, B1/329. Zum WEU-Ministertreffen am 14.9.1970 in Rom siehe Telegramm Nr. 724 von Hancock, Rom, an das FCO vom 14.9.1970, in: NA, FCO 41/717, Runderlass Nr. 1259 von Staden vom 16.9.1970, in: PA/AA, IA1, Bd. 102373 und Circulaire Nr. 313 der S/DEO vom 17.9.1970, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2016. Für die für diese Untersuchung nicht relevanten Details der erfolgreichen britischen EGBeitrittsverhandlungen siehe u. a. Sir David Hannay (Hg.): Britain’s Entry into the European Community. Report by Sir Con O’Neill on the Negotiations of 1970–1972, London 2002 sowie Kitzinger. Schreiben von Waterfield an Brimelow „W.E.U. Future tactics at the Permanent Council meeting on 17 June and thereafter“ vom 12.6.1970, in: NA, FCO 41/699. Schreiben von French an Waterfield und Brimelow „Western European Union, Working Group of Experts on the Protection of Diplomats against Kidnapping“ vom 29.6.1970, in: NA, FCO 41/727 und French an Brimelow „The WEU Working Group“ vom 30.9.1970, in: NA, FCO 41/728. Zu Sitzungen des Ständigen WEU-Rates im zweiten Halbjahr 1970, auf denen auch die Ernennung des neuen WEU-Generealsekretärs Heisbourg sowie die Themen Malta, Lesotho und deutsche U-Boot-Lieferungen an Griechenland zur Sprache kamen, siehe folgende Aufzeichnungen: Zur Sitzung am 17.6.1970 Telegramm Nr. 397 FCO an Bonn vom 17.6.1970, in: NA, FCO 41/699. Zur Sitzung am 1.7.1970 Telegramm Nr. 433 FCO an Bonn vom
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begrüßte, dass weitreichende formale Veränderungsvorschläge wie das Beneluxpapier oder das italienische Papier von den WEU-Partnern nicht erneut zur Diskussion gestellt wurden, so dass es als Gegenleistung diese geringfügigen Konzessionen akzeptierte.10 Zudem trat Frankreich auf dem Ministertreffen in Rom, bei dem die WEU-Staaten noch ein breites Spektrum an Themen diskutieren, auch aus britischer Sicht ausgesprochen kooperativ auf.11 Gleichwohl blieb Frankreich ein sperriger WEU-Partner. Erstens hatte Schumann vor der Sitzung in Rom zum britischen Bedauern angekündigt, künftig nicht mehr an den Ministertreffen teilzunehmen.12 Zweitens lehnte Frankreich weiterhin Konsultationen im Ständigen WEU-Rat zum besonders umstrittenen und gewichtigen Themenfeld des Nahen Ostens ab.13 Drittens ließ Frankreich erste praktische Versuche auflaufen, Dringlichkeitssitzungen des Ständigen WEURates einzuberufen. Frankreich verwies auf formale Bedenken, als die Niederlande den Vorschlag für eine solche Sondersitzung zum Thema Bolivien in der WEU-Arbeitsgruppe vorbrachten. Frankreich lehnte dieses autonome Vorgehen innerhalb der WEU ab und forderte, den Antrag zunächst bilateral zwischen den Außenministerien abzuklären, woraufhin die Niederlande ihren Plan aufgaben. Die französische Blockadehaltung hatte erfolgreich darauf abgezielt, die eigenständige Arbeit des Ständigen WEU-Rates zu zügeln. 14 Trotz dieser französischen Störmanöver liefen die politischen Konsultationen im Ständigen WEU-Rat grundsätzlich weiter. Dies blieb für Großbritannien wichtig, solange die Art der Beteiligung der EG-Beitrittskandidaten an der EPZ ungeklärt war. In diesem zwischen den EG-Staaten umstrittenen Punkt warb die Bun-
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1.7.1970, in: NA, FCO 41/700. Zur Sitzung am 15.7.1970 Telegramm Nr. 474 FCO an Bonn vom 15.7.1970, in: NA, FCO 41/701. Zur Sitzung am 7.9.1970 Telegramm Nr. 593 FCO an Bonn vom 8.9.1970, in: NA, FCO 41/715. Zur Sitzung am 23.9.1970 Telno 630 FCO an Bonn vom 23.9.1970, in: NA, FCO 41/704. Zur Sitzung am 6.10.1970 Telegramm Nr. 672 FCO an Bonn vom 7.10.1970, in: NA, FCO 41/705. Zur Sitzung am 21.10.1970 Telegramm Nr. 712 FCO an Bonn vom 22.10.1970, in: NA, FCO 41/706. Zur Sitzung am 10.11.1970 Telegramm Nr. 753 FCO an Bonn vom 11.10.1970, in: NA, FCO 41/707. Zur Sitzung am 25.11.1970 Telegramm Nr. 804 FCO an Bonn vom 26.11.1970, in: NA, FCO 41/708. Zur Sitzung am 9.12.1970 Telegramm Nr. 840 FCO an Bonn vom 9.12.1970, in: NA, FCO 41/709. Zur Sitzung am 21.12.1970 Telegramm Nr. 854 FCO an Bonn vom 21.12.1970, in: NA, FCO 41/710. Aufzeichnung der DAEF „a/s. Politique européenne (Réunion du 16 juillet)“ vom 10.7.1970, in: MAE, Europe, QIE/2723. Diskussionspunkte waren die Beziehungen mit den Ostblockstaaten, die Situation in Südostasien, im Mittelmeerraum, im Jemen und der Schutz von Diplomaten. Siehe Hancock vom 14.9.1970, in: NA, FCO 41/717, von Staden vom 16.9.1970, in: PA/AA, IA1, Bd. 102373 und die S/DEO vom 17.9.1970, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2016. „Western European Union, Ministerial Meeting, Rome 14 September, 1970, Steering Brief“ des WOD vom 9.9.1970, in: NA, FCO 41/716. Siehe die Quellenverweise oben zum WEU-Ministertreffen in Rom. Telegramm Nr. 3763/65 von Courcel, London, an Paris vom 15.10.1970, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2016 und Crosby an French, Cable, Bendall und Brimelow „Political Consultations in WEU – abortive Netherlands attempt to make use of ‚urgency procedure‘“ vom 23.10.1970, in: NA, FCO 41/724.
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desrepublik weiterhin für einen Meinungsaustausch zu zehnt im Anschluss an die eigentlichen EPZ-Treffen zu sechst (vgl. Kapitel VII.2.2.2.). Frankreich hingegen versuchte, diese in der Praxis enge Einbindung der EG-Beitrittskandidaten zu verhindern. Außenminister Schumann schlug als Alternative vor, die WEU-Ministertreffen zu nutzen, um die Beitrittskandidaten zu informieren. Diesen Vorschlag lehnte Bundesaußenminister Scheel ab und argumentierte, dass die Beitrittskandidaten Norwegen, Irland und Dänemark keine WEU-Mitglieder seien.15 Frankreich konnte seinen Vorschlag nicht durchsetzen, mit dem es Großbritannien mittels der WEU noch weiter auf Distanz zur EPZ gebracht hätte. Grundsätzlich war es Frankreich aber mit seiner WEU-Rückkehr gelungen, Großbritannien zunächst aus dem Kern der EPZ-Arbeit auszuschließen. Eine Arbeitsgruppe unter Leitung des belgischen Diplomaten Davignon erarbeitete die Umsetzung und den Aufbau der EPZ ohne britische Mitwirkung. 16 Großbritannien äußerte sich enttäuscht über diese Exklusion. Zudem zeigte sich Großbritannien nicht mit dem letztlich von den EG-Staaten beschlossenen Kompromiss zufrieden, Zehnertreffen im Anschluss an die Sechsertreffen der EPZ durchzuführen. Großbritannien kritisierte, dass es zwischen den Sechs zu Konsultationen käme, im Rahmen der Zehn aber nur ein loserer Meinungsaustausch vorgesehen sei. 17 Die britischen Proteste verhallten wirkungslos. Am 27. Oktober 1970 verabschiedeten die EG-Außenminister den Davignon-Bericht, der fortan als sogenannter Luxemburger Bericht bezeichnet die offizielle Geburtsstunde der EPZ bedeutete.18 Damit war auch dem letzten Zweifler in Großbritannien klar, dass der Kern des politischen Europa nicht in der WEU, sondern in der EPZ liegen würde.19 Die erste EPZ-Ministersitzung fand am 19. November 1970 in München statt.20 Das erste Zehnertreffen wurde für den 2. Dezember 1970 angesetzt. Im Vorfeld erwartete Großbritannien wenig von diesem Treffen und hielt die WEU-Sitzungen für deutlich wertvoller. Aus diesem Grunde wollte sich Großbritannien trotz drohender inhaltlicher Dopplungen dafür einsetzen, die vierteljährliche Frequenz der 15 Gespräch des Bundesministers Scheel mit dem französischen Außenminister Schumann am 3.7.1970, in: AAPD 1970I/294, S. 1104. 16 Am 20.7.1970 billigte der EG-Ministerrat bereits weitgehend die Vorschläge der DavignonGruppe. Siehe Runderlass des Ministerialdirigenten Gehlhoff vom 21.7.70, in: AAPD 1970 II/326, S. 1216–1217. 17 Aufzeichnung des Ministerialdirektors von Staden vom 15.10.70, in: AAPD 1970 III/476, S. 1775, Fußnote 4 sowie O’Neill an Bendall und Brimelow vom 30.7.1970, in: NA, FCO 41/724. 18 Zur EG-Ratssitzung siehe Runderlass von Ministerialdirektor von Staden, in: AAPD 1970 II/499, S. 1859–1860. Siehe zudem den Ersten Bericht der Außenminister an die Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten vom 27. Oktober 1970 (Luxemburger Bericht), in: Auswärtiges Amt (Hg.): Europäische Politische Zusammenarbeit, S. 24. Für viele Details zur Entstehung und den Aufbau der EPZ – an der Spitze stand der Ministerrat, den Kern bildeten Treffen der Politischen Direktoren – vgl. Möckli, S. 38–46. 19 Aufzeichnung zu „Political Consultation in WEU – 1969–1970“ im Anhang an French in Antwort auf Crosby „Political Consultation in WEU“ am 28.10.1970, in: NA, FCO 41/724. 20 Zum EPZ-Ministertreffen siehe Runderlass des Ministerialdirektors von Staden vom 23.11.1970, in: AAPD 1970III/564, S. 2101.
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WEU-Ministertreffen vorerst beizubehalten. 21 Die britische Skepsis gegenüber den EPZ-Zehnertreffen bestätigte sich allerdings nicht. Außenminister DouglasHome sprach im Nachhinein von einem hervorragenden Treffen. Der deutsche Außenminister Scheel bestätigte, dass in der Realität der feine Unterschied zwischen Konsultationen (der Sechs) und Meinungsaustausch (der Zehn) kaum zu sehen gewesen sei. In der Praxis handele es sich um Konsultationen zu unterschiedlichen Zeitpunkten.22 Dies war aus britischer Sicht einerseits erfreulich, da sich die Einbindung in die EPZ unerwartet gut gestaltete. Andererseits blieb Großbritannien formal ein zweitklassiger Gesprächspartner in der EPZ, wodurch die WEU-Treffen noch immer von Wert blieben. Folgerichtig hielt Großbritannien an seiner Forderung fest, vierteljährliche WEU-Ministertreffen und regelmäßige Konsultationen auf Ebene des Ständigen Rates bis zur vollwertigen EPZ-Teilnahme fortzusetzen.23 Die EG-Staaten trugen diesem Wunsch Rechnung, so dass 1971 nochmals vier WEU-Ministerratssitzungen stattfanden. Als Themen auf der Agenda standen neben anderen die Ost-Westbeziehungen mit dem Schwerpunkt der deutschen Ostpolitik und den Überlegungen für eine Konferenz über die Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), Südostasien, der Schutz von Diplomaten, die Lage im Nahen Osten und Entwicklungen in Afrika.24 Gleichwohl demonstrierten die parallelen EPZ-Diskussionen, die sich auf die besonders wichtigen Themen wie die KSZE und den Nahen Osten konzentrierten, den schwindenden Wert der WEU-Treffen. Das Foreign Office, der Quai d’Orsay und das Auswärtige Amt erwarteten deshalb das nahende Ende der WEU-Konsultationen. 25
21 Memorandum des WOD „Political Consultation, Meetings of the Seven and of the Ten“ vom 25.11.1970, in: NA, FCO 41/724 und „Record of a conversation between the Foreign and Commonwealth Secretary and the Belgian Foreign Minister at the Belgian Ministry of Foreign Affairs, in Brussels, at 11 a.m. on Wednesday, 2 December 1970“, in: NA, FCO 41/724. 22 Aufzeichnung zum deutsch-britischen Regierungsgespräch vom 3.4.71, in: AAPD 1971 I, Dok. 121, S. 583/584. Zum Inhalt des EPZ-Zehnertreffens siehe Runderlass des Ministerialdirigenten Simon vom 3.12.70, in: AAPD 1970 III/585, S. 2184–2185. 23 „Western European Union, Ministerial Meeting, Luxembourg, 11 January, 1971, Steering Brief“, in: NA, FCO 41/718. 24 Zum WEU-Treffen am 11.1.1971 in Luxemburg siehe Telegramm Nr. 7 von Roper, Luxemburg, an FCO vom 12.1.1971, in: NA, FCO 41/863, Aufzeichnung von Simon „WEUMinisterratstagung in Luxemburg am 11.1.71“, in: PA/AA, B1/329 und Aufzeichnung der S/DEO „A/s. Conseil ministériel de l’U.E.O.“ vom 20.1.1971, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2913. Zum WEU-Treffen am 31.3.1971 in Den Haag siehe Telno 318 FCO an Bonn vom 20.4.1971, in: NA, FCO 41/865 und Circulaire Nr. 146 von Alphand vom 27.4.1971, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2913. Zum WEU-Treffen am 1.7.1971 in London siehe Circulaire Nr. 269 von Alphand vom 10.7.1971, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2913. Zum WEU-Treffen am 20.11.1971 in Paris siehe Telegramm Nr. 1555/61 von Alphand nach Bonn vom 25.11.1971, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2913. 25 Aufzeichnung der S/DEO „a.s/ Avenir de l’UEO“ vom 30.7.1971, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2903, das Memorandum des WOD „The Future of the WEU“ vom 15.10.1971, in: NA, FCO 41/881 und Aufzeichnung von Simon „Antrittsbesuch des WEU-Generalsekretärs Heisbourg, hier: Besprechung mit St.S. Frank am 11.6.1971“ vom 14.6.1971, in: PA/AA, B1/329.
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Die erfolgreiche Abstimmung im britischen Unterhaus am 28. Oktober 1971 über den EG-Beitritt war schließlich der letzte Schritt, der das Ende der politischen WEU-Konsultationen besiegelte. Angesichts dieses sichtbar pro-europäischen Zeichens und der mit allen Beitrittskandidaten erfolgreich verlaufenden Verhandlungen schlug Außenminister Scheel im November 1971 vor, Großbritannien, Irland, Dänemark und Norwegen noch vor dem offiziellen Beitritt voll in die EPZ zu integrieren, sobald die Beitrittsverträge unterzeichnet seien. 26 Frankreich reagierte zunächst reserviert auf den Vorschlag, widersetzte sich der Idee aber nicht.27 Der deutsche Vorstoß hatte zur Folge, dass Großbritannien – wie die anderen Beitrittskandidaten – nach der Unterzeichnung der EG-Beitrittsurkunden im Januar 1972 vollständig an der EPZ partizipierte.28 Im Februar 1972 nahm Großbritannien erstmals an einer Sitzung des Politischen Komitees der EPZ und im Anschluss daran an den EPZ-Ministertreffen teil. 29 Die britische Mitwirkung an der EPZ führte dazu, dass die WEU auch für Großbritannien ihre letzte wichtige Zusatzfunktion verlor, die sie seit 1963 besessen hatte. Wichtige außenpolitische Themen wie die Vorbereitung der KSZE wurden fortan nur noch in der EPZ diskutiert.30 Die WEU beschränkte sich auf nachrangige Fragen, die nicht bereits in der EPZ zur Diskussion standen. 31 Die Vorbereitung der UN-Sitzungsperioden verlagerte sich ebenfalls von der WEU in die EPZ.32 Angesichts dieses Themenschwundes in der WEU und der Dominanz der EPZ-Konsultationen kamen die WEU-Staaten auf der Ministerratssitzung am 3. März 1972 in Bonn überein, den vierteljährlichen Rhythmus der Ministertreffen aufzugeben. 33 Im Anschluss an das Treffen verkündete Scheel vor der Presse indirekt das baldige Ende der politischen WEU-Konsultationen.34 Dieser Tatbestand war spätestens im Jahr 1973 erreicht, in dem nur noch eine WEU-Ratstagung auf Ministerebene stattfand.35 In den folgenden Jahren blieb es bei dieser Frequenz von einem jährlichen Treffen. Die geringe Bedeutung der WEU-Treffen zeigte sich auch daran, dass anstelle der Außenminister nur noch Staatssekretäre teilnahmen. 36 26 Für Scheels Vorschlag beim EPZ-Ministertreffen am 5.11.1971 siehe Runderlass von Ministerialdirektor von Staden vom 8.11.1971, in: AAPD 1971 III/387, S. 1693/1694. 27 Aufzeichnung des Botschafters Sachs, Brüssel (EG), vom 2.2.1972, in: AAPD 1972 I/19, S. 79/80. 28 Vgl. Detlev Gröne: Die Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ 1970–1991). Entwicklung, Struktur und Rechtswirkungen, Rheinfelden/Berlin 1993, S. 14. 29 Orteks Nr. 16 von Heimsöth vom 17.2.1972, in: PA/AA, B1/498. 30 Aufzeichnung des Referats IA1 vom 27.2.1972, in: BA, B136/6926. 31 Schreiben der Deutschen Botschaft in London an das Auswärtige Amt „WEU, Halbjahresbericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag“ vom 15.9.1972, in: BA, B136/6926. 32 Telegramm Nr. 131 von Roper, Luxemburg, an FCO vom 12.4.1972, in: NA, FCO 41/1033. 33 Zum WEU-Treffen am 3.3.1972 in Bonn siehe Circulaire Nr. 111 von Alphand vom 7.3.1972, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2913 und Telegramm Nr. 3 FCO an Rom vom 7.3.1972, in: NA, FCO 41/1031. 34 Aufzeichnung zur Pressekonferenz Scheels, in: BA, B136/6926. 35 Vgl. Dransfeld, S. 269. 36 Vgl. Birk, S. 77/78.
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VIII. Das Ende der Sonderfunktion der WEU (Juni 1970–1972)
Die WEU war spätestens 1973 nach ihrer wirtschaftlichen de facto auch ihrer politischen Funktion im europäischen Integrationsprozess entledigt. Diese Entwicklung ging zeitlich mit dem britischen EG-Beitritt am 1. Januar 1973 einher, der zehn Jahre nach dem Veto de Gaulles die EG-Erweiterungskrise endgültig beendete. Durch die erfolgreiche EG-Erweiterung und den gelungenen Start der EPZ mussten die Mitgliedstaaten die WEU nicht mehr für zusätzliche Aufgaben benutzen. In den folgenden elf Jahren beschränkte sich die WEU auf die Aufgaben, maximale und minimale konventionelle Rüstungsgrenzen sowie den Status des ABC-Waffenverbots für die Bundesrepublik zu überwachen. Die WEU verfiel in eine Phase weitgehender Bedeutungslosigkeit. 37 Erst die Erklärung von Rom am 26. und 27. Oktober 1984 führte zu einer Reaktivierung der WEU. In dieser Erklärung forderten die WEU-Staaten angesichts der bilateralen Annäherung zwischen den USA und der Sowjetunion und des unilateralen Führungsanspruches der USA in der NATO eine engere sicherheitspolitische Zusammenarbeit. 38 Damit begann eine zweite bedeutende Phase der WEU in den 1980er und 90er Jahren – dieses Mal im sicherheits- und verteidigungspolitischen Bereich –, die durch eine schrittweise Übertragung dieser Aufgaben an die EU schließlich zur Auflösung der WEU führte. In den Jahren 1984–1987 bildete die WEU eine Europäische Sicherheits- und Verteidigungsidentität (ESDI) heraus. Der Maastrichter Vertrag machte die WEU 1992 zum verteidigungspolitischen Arm der EU. Zeitgleich erfolgte mit den Petersburg-Aufgaben eine Ausweitung ihrer militärischen Aufgaben. Der Amsterdamer Vertrag führte 1997 zu einer weiteren institutionellen Annäherung zwischen WEU und EU, die Petersburg-Aufgaben wurden zu einem integralen Bestandteil der EU. Seit der Deklaration von Marseille vom 13.11. 2000 existierte die WEU dann nur noch auf dem Papier. Der Rat der WEU trat seitdem nicht mehr zusammen. Der Vertrag von Lissabon (2007) übertrug die letzten Funktionen der WEU auf die EU. Am 31. März 2010 teilte die Ratspräsidentschaft der WEU mit, dass die Organisation aufgelöst werde. Die vollständige Abwicklung der WEU erfolgte schließlich 2011.39
37 Vgl. Birk, S. 106. 38 Vgl. Johannes Varwick: Sicherheit und Integration in Europa: zur Renaissance der Westeuropäischen Union, Opladen 1998, S. 180. 39 Für die Details der WEU-Entwicklung, vor allem in den 1980er und 1990er Jahren, siehe u. a. Birk, S. 106–214, Varwick, S. 169–203 und André Dumoulin/Francis Gevers: Union l’Europe Occidentale: la Déstructuration (1998–2006), Brüssel 2006.
IX. SCHLUSSBETRACHTUNG Der Ausbruch der EG-Erweiterungskrise im Januar 1963 führte dazu, dass die sich außerhalb der EG-Strukturen befindliche WEU bis in das Jahr 1970 hinein zusätzliche Funktionen im europäischen Integrationsprozess erhielt. Der Wahl der WEU beziehungsweise des WEU-Rates als politisches und wirtschaftliches Diskussionsforum zwischen Großbritannien und den EG-Staaten lag ein Kompromiss zwischen divergierenden nationalen Positionen zugrunde. Während Großbritannien und die Fünf am Ziel der EG-Erweiterung festhielten, lehnte Frankreich den britischen Beitritt kategorisch ab. Vor diesem Hintergrund kam es für Frankreich nicht infrage, regelmäßige Kontakte mit Großbritannien innerhalb des EG-Rahmens zu installieren. Da die EG-Partner aber kontinuierlich für einen zwischenzeitlichen Kontaktrahmen mit Großbritannien plädierten und negative Auswirkungen für die EG-interne Entwicklung drohten, brachte Frankreich mit der WEU eine Alternative ins Spiel, die sich mit deutscher Unterstützung innerhalb der EG durchsetzte. Frankreich hätte auch gern auf die wirtschaftlichen und politischen Kontakte mit Großbritannien innerhalb der WEU verzichtet, doch stand das Ziel im Vordergrund, Großbritannien aus den EG-Strukturen herauszuhalten. Die „Friendly Five“ akzeptierten diesen Vorschlag, da sie primär daran interessiert waren, aus der Sackgasse erfolgloser Lösungsvorschläge im ersten Halbjahr 1963 herauszufinden. Zudem gestand Frankreich Konzessionen wie die Einbeziehung der EWG-Kommission in die WEU-Wirtschaftsdiskussionen zu. Großbritannien lehnte die Auswahl der WEU zunächst ab, da es voll auf Kontakte innerhalb der EG gesetzt hatte. Die britische Regierung stimmte dem WEU-Kompromiss letztlich zu, da keine andere Lösung durchsetzbar war und Großbritannien ohne Zwischenlösung mit leeren Händen dagestanden hätte. Pointiert zusammengefasst gelang im Juli 1963 der Rückgriff auf die WEU, da sie sich außerhalb der EG befand, die richtigen Mitglieder umfasste und der WEU-Vertrag diese zusätzlichen Aufgaben gestattete. Die Einigung auf die WEU sagte aber nichts darüber aus, welche konkrete Rolle sie künftig spielen sollte und welche Auswirkungen die Diskussionen im WEURat erzeugen würden. Dies lag zuvorderst an den verschiedenen Zielsetzungen der WEU-Staaten. Der Blick auf den äußeren Rahmen der WEU-Arbeit kann dabei erste Erkenntnisse über die Abläufe und Inhalte liefern. So kam es vom Oktober 1963 bis zum Juni 1970 zu 22 zweitägigen WEU-Ministertreffen (das 23. Treffen am 4. November 1965 in Den Haag ging ohne Wirtschaftsdiskussion vonstatten). Die außenpolitischen Diskussionen befassten sich mit einer großen Bandbreite an Themen, die sich angefangen mit dem Ost-West-Konflikt über Afrika, (Südost-) Asien, den Nahen Osten und Lateinamerika bis zur strukturellen und inhaltlichen
234
IX. Schlussbetrachtung
Entwicklung der WEU erstreckten. Die Wirtschaftsdiskussionen umfassten die wirtschaftliche Lage und Entwicklung in den EG und in Großbritannien, die gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen und in der Anfangsphase auch gemeinsam interessierende globale Wirtschaftsthemen wie die Kennedy-Runde oder die UNHandels- und Entwicklungskonferenz. Offenkundige Höhepunkte ihrer europapolitischen Bedeutung erlebte die WEU mit der Vorstellung des zweiten britischen EG-Beitrittsgesuches im Juni 1967 in Den Haag sowie durch den Harmel-Plan und dessen Folgen ab dem Oktober 1968. Eine fundierte Einordnung der Rolle der WEU in der EG-Erweiterungskrise wird allerdings erst möglich, wenn die nationalen Ziele und Bewertungen im Hinblick auf die WEU überprüft werden. Die vorliegende auf einem multinationalen Ansatz basierende Untersuchung konnte zeigen, dass Großbritannien, Frankreich und die Bundesrepublik mit unterschiedlichen Zielen und in unterschiedlicher Weise auf die WEU zurückgriffen und damit die wechselhafte Rolle der WEU im europäischen Integrationsprozess prägten. Großbritannien hatte das größte Interesse an einer starken Rolle der WEU im europäischen Integrationsprozess, da es mit dem Ziel des EG-Beitrittes vor Augen am meisten von den wirtschaftlichen und politischen WEU-Kontakten profitieren konnte. Allerdings verband Großbritannien ein ambivalentes Verhältnis mit der WEU. Auf der einen Seite nutzte Großbritannien die WEU aktiv für eigene europapolitische Ziele. Mit Hilfe der WEU trieb es den EG-Beitritt kontinuierlich voran – abgesehen von der Frühphase der Labourregierung – und setze sich vor diesem Hintergrund gerade 1963 und 1964 für effektive Wirtschaftsdiskussionen ein. Den Höhepunkt bildete Browns Vorstellung des zweiten britischen EG-Beitrittsgesuches 1967 im WEU-Ministerrat. Gleichzeitig versuchte Großbritannien die WEU 1963/1964 und 1969/1970 für das Ziel zu instrumentalisieren, eine exklusive europäische politische Zusammenarbeit (EPU/EPZ) der EG-Staaten ohne britische Beteiligung zu verhindern. Zudem begrüßte Großbritannien die Möglichkeit, Frankreich nach dem zweiten Veto im Rahmen des Harmel-Planes von seinen EG-Partnern zu isolieren und forcierte aus diesem Grunde bewusst die Gefahr einer WEU-Krise, auch wenn es dies öffentlich bestritt. Parallel zeigte Großbritannien sich ab 1968 in den WEU-Wirtschaftsdiskussionen kompromisslos, um eine unbefriedigende Zwischenlösung wie beispielsweise das von Frankreich und der Bundesrepublik vorgeschlagene Handelsarrangement zu verhindern. Großbritannien trug damit bewusst zur Fortsetzung der EG-Erweiterungskrise 1968/1969 bei. Generell zeigte sich das britische Interesse an der WEU sowohl in internen Analysen als auch im Auftreten auf den WEU-Treffen. Großbritannien war im Vergleich der sieben WEU-Staaten der aktivste Vertreter, wobei sich das britische Hauptinteresse an der WEU im Zuge des Harmel-Planes von der wirtschaftlichen auf die politische Rolle verlagerte. Auf der anderen Seite zeigen die Entwicklungen von 1963–1970, dass Großbritannien trotz der aufgezählten Möglichkeiten und Vorteile oft nur dann auf das Instrument WEU zurückgriff, wenn nicht anderweitige Alternativen – idealer-
IX. Schlussbetrachtung
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weise innerhalb der EG-Strukturen – zur Verfügung standen. Großbritannien lehnte die WEU-Lösung 1963 zunächst sogar ab, da es einen Kontakt innerhalb der EG gefordert hatte. Auch nach dem zweiten französischen Veto wünschte sich Großbritannien anderweitige 5+1-Kooperationen mit den Fünf, da Frankreich in der WEU über Blockademöglichkeiten verfügte. Zudem glaubte selbst Großbritannien in der Phase ab dem Oktober 1968 – in der die WEU durch den HarmelPlan den Höhepunkt ihrer europapolitischen Bedeutung erlangte – nicht daran, dass die WEU langfristig eine zentrale Rolle im europäischen Integrationsprozess spielen würde. Zusammenfassend ist festzustellen, dass Großbritannien die WEU sowohl für (EG-Erweiterung) als auch gegen (EPU/EPZ) integrationspolitische Entwicklungen einsetzte. Das britische Interesse an der WEU war mittelfristig ausgerichtet und primär taktischer Natur. Damit wirft diese Untersuchung ein neues Licht auf die britische Position zur WEU, da eine deutlich positivere Einstellung Großbritanniens zu erwarten gewesen wäre. Großbritannien fiel es dabei selbst schwer, den Nutzen der WEU zu bewerten. Einerseits bemängelte Großbritannien, dass die Hoffnungen in die politische und wirtschaftliche Funktion der WEU nicht erfüllt worden seien und es zu zahlreichen Enttäuschungen gekommen sei, die vor allem auf französischer Obstruktionspolitik beruhten. Andererseits würdigte Großbritannien den Wert des regelmäßigen Gedankenaustausches, die Symbolkraft für die „special relationship“ mit den EG und die taktischen Möglichkeiten, die sich Großbritannien in und mit der WEU boten.1 Die Analyse der französischen Position hat im Vorwege aufgestellte Vermutungen über eine negative Einstellung zur WEU weitgehend bestätigt. Frankreich trug zwar selbst entscheidenden Anteil daran, dass die WEU nach dem Scheitern des britischen EG-Beitrittsgesuchs als multilaterales Kontaktforum herangezogen wurde, allerdings wollte Frankreich damit lediglich eine inakzeptable Kontaktlösung innerhalb der EG-Strukturen verhindern. In der Folgezeit versuchte Frankreich kontinuierlich, die Rolle der WEU zu beschränken. Damit sollte britischer Einfluss auf die Entwicklung der EG sowie eine unmittelbare und gleichberechtigte britische Beteiligung an europäischen politischen Kooperationsformen verhindert werden. Frankreich war der größte Gegner eines effektiven WEU-Einsatzes und blockierte wiederholt einen inhaltlichen oder strukturellen Ausbau der WEU, wobei insbesondere die WEU-Wirtschaftsdiskussionen Frankreich ein Dorn im Auge waren. Bereits in der Anfangsphase lehnte es Frankreich ab, die Ständigen EG-Vertreter in die Vorbereitung der WEU-Arbeit zu integrieren oder mit Großbritannien über die zukünftige Entwicklung der EG zu diskutieren. Zudem beteiligte sich Frankreich in den ersten Jahren kaum an den wirtschaftspolitischen Diskussionen in der WEU. Gleichzeitig blockierte es Versuche, die politische Rolle der WEU durch Harmonisierungen der nationalen Außenpolitiken in Latein1
Memorandum des WOD „Western European Union“ vom 14.7.1970, in: NA, FCO 41/724 und das Memorandum des WOD „The Future of the WEU“ vom 15.10.1971, in: NA, FCO 41/881.
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IX. Schlussbetrachtung
amerika oder den Luns-Plan zu stärken, auch wenn es den Politikdiskussionen prinzipiell positiver gegenüberstand und sich inhaltlich für die Diskussion bestimmter Themenfelder interessierte. Ein deutliches Zeichen gegen die symbolische Bedeutung der WEU-Treffen setzte Frankreich mit dem Entschluss von Außenminister Couve de Murville, bereits nach wenigen Ministerratssitzungen auf eine weitere Teilnahme zu verzichten. Frankreich war der einzige WEU-Staat, der bis 1970 größtenteils ohne Minister an den WEU-Diskussionen partizipierte. Während die französischen Abwehrkämpfe in der WEU anfänglich von Erfolg gekrönt waren, setzten ab 1966 verstärkt Entwicklungen ein, die Frankreichs europapolitische Ziele bedrohten. Frankreich konnte nicht verhindern, dass Großbritannien sein zweites EG-Beitrittsgesuch über die WEU rhetorisch vorbereitete und schließlich in der WEU vorstellte. De Gaulle sah sich zu einem zweiten Veto gezwungen, womit die EG-Erweiterungskrise neu aufflammte. Nach dem Veto bot die WEU Frankreich indirekt den Vorteil, dass die Bundesrepublik mit Verweis auf die WEU alternative 5+1-Kooperationen ohne Frankreich verhinderte. Die Erleichterung über diesen Vorzug wurde indes schnell durch den Harmel-Plan getrübt, da Frankreich weder politische Konsultationen unter britischem Einschluss noch eine eigenständige Rolle des Ständigen WEU-Rates akzeptierte. Obgleich der Harmel-Plan keiner britischen Feder entsprang, fühlte sich Frankreich durch die britische Forcierung der weiteren Entwicklung doch in seiner seit 1963 vorherrschenden Auffassung bestätigt, dass Großbritannien den WEU-Kompromiss aus dem Jahr 1963 willentlich missachtete. Aus französischer Sicht versuchte Großbritannien, die WEU zu einem Anhörungsgericht für EG-Angelegenheiten zu machen, den EG-Beitritt durch die Hintertür anzustreben und darüber hinaus Frankreich von seinen EG-Partnern zu isolieren. Diese Vorwürfe führten dazu, dass sich Frankreich im Februar 1969 zum WEU-Boykott entschloss. Erst nach dem Durchbruch in der EG-Erweiterungsfrage auf dem Haager Gipfel im Dezember 1969 bot sich für Frankreich die Chance, die WEU für eigene europapolitische Ziele zu nutzen. So gelang es Frankreich 1970, durch seine WEU-Rückkehr und eine kooperativere Haltung in der WEU eine frühzeitige, vollwertige britische Partizipation an der EPZ zu verhindern. Von diesem einen Beispiel abgesehen lässt sich zusammenfassen, dass Frankreich die WEU kaum als Instrument für eigene europapolitische Ziele nutzen konnte. Stattdessen betrieb Frankreich Schadensbegrenzung und versuchte zu verhindern, dass die WEU gegen eigene Ziele eingesetzt wurde. Aus diesem Grunde war Frankreich zu keiner Zeit glücklich mit den WEU-Kontakten. Stattdessen beklagte Frankreich, seit 1963 in der WEU dem kontinuierlichen Druck der anderen WEU-Staaten für den britischen EG-Beitritt ausgesetzt gewesen zu sein, was Frankreich immer wieder in eine unkomfortable Lage gebracht habe.2
2
Aufzeichnung der S/DEO „a.s/ Avenir de l’UEO“ vom 30.7.1971, in: MAE, Europe, OIGQI, UEO/2903.
IX. Schlussbetrachtung
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Die Bundesrepublik Deutschland nahm eine Mittelposition im Bezug zur WEU ein, da sie sich grundsätzlich um eine auf Ausgleich zwischen britischen und französischen Forderungen ausgerichtete Politik bemühte und daher Vor- und Nachteile in der Arbeit der WEU erkannte. Den ursprünglichen WEU-Kompromiss wusste die Bundesrepublik am meisten zu schätzen, da er sowohl kontinuierliche Kontakte mit Großbritannien als auch eine Fortentwicklung in den EG ermöglichte. In der Folgezeit setzte sich die Bundesrepublik für fruchtbare WEU-Treffen ein, um einen späteren britischen EG-Beitritt zu erleichtern, der ein kontinuierliches Ziel der wechselnden Bundesregierungen blieb. Entsprechend zeigte die Bundesrepublik primär an den WEU-Wirtschaftsdiskussionen Interesse. Sie prägte diese gemeinsam mit Großbritannien und der E(W)G-Kommission und forderte insbesondere in der Anfangsphase eine bessere Vorbereitung und Durchführung der WEU-Ministerratssitzungen. Zudem schlug die Bundesrepublik Großbritannien vor, das zweite Beitrittsgesuch in der WEU vorzustellen, um eine französische Blockade im EG-Rat zu umgehen. Allerdings sollte die WEU zu keinem Zeitpunkt die Entwicklung der EG behindern oder zu einer unnötigen Verschärfung der Interessengegensätze mit Frankreich führen. Die WEU durfte nur für eine Linderung der EG-Erweiterungskrise eingesetzt werden. In dieser Hinsicht ist auch die deutsche Ablehnung von 5+1-Kooperationen ohne Frankreich mit Verweis auf die existierenden WEU-Kontakte nach dem zweiten Veto zu verstehen. Außerdem bemühte sich die Bundesrepublik, die unterschiedlichen Vorschläge für wirtschaftliche Übergangslösungen nach dem zweiten Veto innerhalb der WEU zu diskutieren, um einen gemeinsamen Gesprächsrahmen zu gewährleisten. Allerdings führten diese Diskussionen zu keiner Annäherung der unterschiedlichen Auffassungen und Forderungen. Vorbehalte hatte die Bundesrepublik im Hinblick auf die politische Funktion der WEU. So stellte die WEU in den Jahren 1964/1965 ein Hindernis für das deutsche Ziel dar, einen neuen Vorstoß für eine EPU zu wagen. Aus diesem Grund lehnte auch die Bundesrepublik – teilweise offen, teilweise sich hinter Frankreich versteckend – Elemente ab, die zur strukturellen Weiterentwicklung der WEU geführt hätten. Die Bundesrepublik erklärte sich lediglich bereit, die Möglichkeiten des WEU-Kompromisses aus dem Juli 1963 voll auszunutzen, nicht aber darüber hinauszugehen. Die skeptische Haltung zur politischen Rolle der WEU wandelte sich mit dem zweiten britischen EG-Beitrittsgesuch. So setzte sich die Bundesregierung ab 1967 für verbesserte politische WEU-Diskussionen ein, da anderweitige Fortschritte in der europäischen politischen Zusammenarbeit in dieser Phase aussichtslos schienen. Zudem trug die Bundesrepublik zur Zeit des französischen WEU-Boykotts moderate und informelle Weiterentwicklungen der WEU mit. Dabei verfolgte die Bundesrepublik primär das Ziel, anderweitige Kooperationen der Fünf und Großbritanniens ohne Frankreich zu verhindern und die Diskussion über den Harmel-Plan und seine Ausläufer innerhalb der WEU zu führen. Gleichzeitig sperrte sich die Bundesrepublik während der französischen Abwesenheit gegen formelle Veränderungen der WEU, um den Konflikt mit Frankreich nicht weiter eskalieren zu lassen, der sowohl die Entwicklung der EG
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IX. Schlussbetrachtung
als auch die deutsch-französischen Beziehungen noch stärker belastet hätte. Die WEU wurde zu einem Problem für die deutschen europapolitischen Ziele, so dass die Bundesrepublik unbedingt einen Kompromiss in der WEU-Krise anstrebte. Aufgrund dieser Zielsetzung übernahm die Bundesrepublik kurzzeitig die Rolle als Gegenspieler Großbritanniens in der WEU, auch wenn sie diese Rolle konzilianter als zuvor Frankreich spielte. Ihr originäres Interesse an einer politischen Weiterentwicklung der WEU hatte die Bundesrepublik durch die französische Abwesenheit verloren, da politische Konsultationen ohne Frankreich wertlos schienen. Darüber hinaus rückte im zweiten Halbjahr 1969 eine EPZ in den Bereich des Möglichen, deren Umsetzung nicht durch die WEU behindert werden durfte. Der Bundesrepublik kam dabei entgegen, dass die britische Einbindung in die WEU es ermöglichte, die EPZ auch ohne sofortige britische Partizipation zu realisieren. Zusammengefasst ist hervorzuheben, dass die Bundesrepublik für die EGErweiterung und für die EPU/EPZ eintrat. Deshalb durfte aus bundesdeutscher Sicht die WEU nur als Instrument für diese integrationspolitischen Entwicklungen dienen, nicht aber gegen diese eingesetzt werden. Aus diesem Grunde war die Bundesrepublik nicht uneingeschränkt mit der Arbeit der WEU in den Jahren 1963 bis 1970 zufrieden. Deutscher Zuspruch galt primär der wirtschaftlichen Rolle der WEU, obgleich sich die Bundesrepublik noch intensivere Diskussionen gewünscht hätte. Die Aufnahme der britischen EG-Beitrittsverhandlungen zeigte dennoch, dass die WEU-Diskussionen von Wert gewesen waren. Die politische Rolle der WEU betrachtete die Bundesrepublik kritischer, da sie durch den Harmel-Plan zu einem ernsthaften europapolitischen Problem geworden war und die Bundesrepublik von den drei untersuchten Staaten eine WEU-Krise und deren Auswirkungen am meisten gefürchtet hatte. Zudem missfiel der Bundesrepublik die harsche Kritik sowohl Großbritanniens als auch Frankreichs an der kompromissorientierten deutschen Haltung. Dennoch würdigte die Bundesrepublik rückblickend den gemeinsamen Gesprächsrahmen, den die WEU während der schwelenden EG-Erweiterungskrise geboten hatte.3 Ein zweites Erkenntnisinteresse dieser Untersuchung betraf die Frage, welche konkrete Rolle die WEU im europäischen Integrationsprozess von 1963 bis 1970 spielte. Hierzu lässt sich feststellen, dass die WEU eine nachweisbare, wenn auch limitierte Rolle in den europapolitischen Entwicklungen innehatte. Auf der einen Seite führten die Interessengegensätze der WEU-Staaten in der EG-Erweiterungskrise dazu, dass die WEU aktiv für nationale europapolitische Anliegen eingesetzt wurde und sich somit auf die integrationspolitische Entwicklung in Europa auswirkte. Insbesondere Großbritannien versuchte sich in dieser Richtung. Auf der anderen Seite verhinderten die konträren Auffassungen, die sich durch französische Blockaden und deutsche Bedenken zeigten, dass die WEU starken Einfluss
3
Aufzeichnung von Simon „Antrittsbesuch des WEU-Generalsekretärs Heisbourg, hier: Besprechung mit St.S. Frank am 11.6.1971“ vom 14.6.1971, in: PA/AA, B1/329.
IX. Schlussbetrachtung
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gewann. Insgesamt lassen sich sechs Aspekte herausfiltern, die Auswirkungen der WEU auf den europäischen Integrationsprozess aufzeigen: Erstens half bereits die Einigung auf den WEU-Kompromiss im Juli 1963, den ersten Ausbruch der EG-Erweiterungskrise zu entschärfen und damit auch die innere Fortentwicklung der EG zu erleichtern. Zweitens verhinderten die kontinuierlichen politischen und wirtschaftlichen Diskussionen mit den EG-Staaten, dass Großbritannien Kontinentaleuropa den Rücken kehrte, obgleich eine solche britische Abkehr ohnehin kaum wahrscheinlich war. In diesem Sinne diente die WEU dem letztlich erfolgreichen EG-Beitritt. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass Großbritannien ohne die WEU-Kontakte komplett auf sein Ziel des EG-Beitritts verzichtet hätte, da es keine gute Alternative besaß. Allerdings erleichterten die regelmäßigen multilateralen Kontakte den Austausch von jeweiligen Zielvorstellungen und damit auch das gegenseitige Verständnis. Mehr noch führten die regelmäßigen WEU-Kontakte zu einer Intensivierung der Kontakte zwischen den EG und Großbritannien.4 Der wichtige symbolische Charakter der WEU-Kontakte, den Großbritannien intern immer wieder betonte, darf in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht unterbewertet werden. Drittens konnte Großbritannien von 1963 bis 1970 nur im Rahmen der außenpolitischen Konsultationen in der WEU seine von Kritikern angezweifelte Bereitschaft zur europapolitischen Partizipation nachweisen. 5 Viertens half die WEU in den Jahren 1963 bis 1968, 5+1-Kooperationen ohne Frankreich zu verhindern, die insbesondere nach dem zweiten französischen Veto die EG-Krise weiter verschärft hätten. Durch den französischen WEU-Boykott kam es dann vom Februar 1969 bis Juni 1970 zwar zu einer 5+1-Kooperation innerhalb der WEU, doch drohten damit weniger Gefahren für die Entwicklung der EG als dies Kooperationen ohne Frankreich in einem neuen Organisationsrahmen nach sich gezogen hätten. Innerhalb der WEU konnte die Bundesrepublik die Entwicklung kontrollieren, und Frankreich besaß jederzeit die Möglichkeit, in die WEU zurückzukehren. Fünftens zeigten die Fünf und Großbritannien in der Phase des französischen WEU-Boykotts, dass sie französische Blockaden im europäischen Integrationsprozess nicht mehr widerstandslos hinnahmen. Dies trug seinen Teil dazu bei, den neuen französischen Präsidenten Pompidou von der Notwendigkeit der EGErweiterung zu überzeugen.6 Sechstens erleichterte die WEU die erfolgreiche Umsetzung der EPZ. Zum einen, weil im Rahmen der WEU erstmals vertiefte politische Konsultationen stattfanden, auch wenn es diesen an handfesten Ergebnissen mangelte und sie nicht das Niveau der späteren EPZ-Konsultationen erreichten. 7 Zum anderen, weil die britische Mitgliedschaft in der WEU den Konsens der EG-Staaten erleichterte, 4 5 6 7
Vgl. Dransfeld, S. 261. Vgl. Clemens, Beitritt Großbritanniens, S. 321. Vgl. Dujardin, The Failed Attempt, S. 41. Vgl. Pine, Harold Wilson, S. 178/179.
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IX. Schlussbetrachtung
die EPZ zunächst ohne vollwertige britische Beteiligung zu errichten, was für Frankreich ein entscheidendes Kriterium war. Diese nachgewiesenen Auswirkungen der WEU ändern nichts an der korrekten Einschätzung Birks, dass die WEU nur dann eine europapolitische Aufwertung wie in den Jahren von 1963 bis 1970 erfuhr, wenn Erfolge und Fortschritte in der eigentlichen Präferenzorganisation – in diesem Fall den EG – nicht möglich waren.8 Ohne die EG-Erweiterungskrise hätte die WEU nicht diese acht Jahre einer besonderen europapolitischen Bedeutung erlebt. Die WEU war eine Art integrationspolitischer Ersatzspieler mit begrenzter Einsatzzeit. Sie wurde anlässlich einer übergeordneten Krise zu einem Kriseninstrument, das seinen wichtigen Beitrag zur Lösung der Krise leistete. Die Untersuchung hat dabei keine Belege für Schells These gefunden, dass die WEU ohne den Rücktritt de Gaulles aus dem Charakter der Ersatzlösung hätte herauswachsen können und langfristig eine stärkere Rolle im europäischen Integrationsprozess gespielt hätte.9 Kein WEUStaat hatte ein Interesse daran, die Bedeutung der EG als integrationspolitischen Fixpunkt anzufechten. Selbst Großbritannien betonte die Bedeutung der WEU gegenüber den Partnerstaaten primär aus taktischem Interesse und hatte dabei vordergründig den mittelfristigen EG-Beitritt vor Augen. Die intergouvernementale WEU war nicht als dauerhafte Alternative für im Brüsseler EG-Rahmen zentrierte Entwicklungen vorgesehen, sondern diente den WEU-Staaten für – unterschiedliche – europapolitische Ziele, die sich entweder als Antrieb oder Bremsmittel auf die EG und deren Erweiterung, Vertiefung und außenpolitische Ergänzungen bezogen.
8 9
Vgl. Birk, S. 60. Vgl. Schell, S. 65/72.
X. QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS I. ARCHIVQUELLEN 1. Bundesarchiv (Koblenz) Bundeskanzleramt B 136/3621; 6173; 6207–6210; 6408; 6414–6415; 6431; 6926–6927; 7882–7883; 7929; 7931; 7978–7982; 7984; 8065; 14917; 30657 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung B 145/7168 Nachlass Blankenhorn NL 351/218–224; 227b–230
2. Ministère des Affaires Étrangères (Paris) Cabinet du Ministre Couve de Murville /342 DE_CE-Cooperation Economique /787; 924; 1110; 1413–1414; 1577 DE_CE-Papieres Directeurs, Olivier Wormser /50 Europe-Grande Bretagne /213–214; 217–218; 221; 266; 268 Europes-Organismes Internationaux et Grandes Questions Internationales /1531–1534; 2015–2016; 2020–2025; 2903; 2913–2914 Europe-Questions Internationales Européennes /1956–1957; 2723–2724; 2731 Europe-République Fédérale Allemagne /1611; 1624; 1635; 1651; 1655–1656
3. National Archives (Kew) Cabinet Office CAB 124/2295, CAB 164/467 Colonial Office CO 1056/30
242
X. Quellen und Literaturverzeichnis
Foreign Office FO 146/4619; 4637 FO 371/167727; 171115; 171386; 171424–171439; 171467–171473; 173343; 173474– 173487; 173583–173585; 176543; 177349; 177376–177379; 178945; 178956; 179092– 179095; 179103; 179116; 181363; 181616; 182293–182297; 182299; 182377–182379; 184332; 184336; 184485–184487; 184492; 186046; 187433; 187698; 188264–188266; 189516–189517; 190127; 190763–190766; 190779 FO 800/975; 980–982; 986 FO 924/1546 FO 1109/471; 521; 525 Foreign and Commonwealth Office FCO 7/1029 FCO 9/860–862; 1056; 1207 FCO 10/63–64 FCO 17/727 FCO 25/8 FCO 30/54–60; 99; 101; 115; 395–400; 411; 421; 489; 533–535; 539–540; 820 FCO 33/2; 41; 44–45; 50–52; 56–57; 59–60; 62; 90; 123; 566; 639 FCO 41/257–263; 265; 268–269; 274; 286; 443; 459–485; 494–512; 518–520; 524; 526; 534; 690–710; 712–728; 730; 863; 865–868; 880–881; 1031–1033 FCO 55/179–180 FCO 58/44–46; 281–282 FCO 61/3; FCO 62/7; 69 FCO 65/240–242 FCO 66/41 FCO 73/23–25; 82–84 Prime Ministers Office PREM 11/4220; 4735; 4815; 4817 PREM 13/309; 324; 894; 933; 1472; 1488; 1507; 1518; 1527; 1731; 2110–2113; 2627; 2675; 3196; 3207 Treasury T 312/647–649; 1610; 1773; 2093
4. Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (Berlin) B 1/206–208; 210–214; 218; 324–329; 495; 498 B 2/128–129; 167; 181; 194 B 20/1236–1245; 1276; 1280; 1495–1498; 1595; 1630 B 20–200/1462–1478 B 21/356; 443; 513–514; 516; 659–677; 687–688; 738 IA1, Bd. 102372–102373 (Zwischenarchiv) B 31/371 B 53–IIIA2/20; 32; 383 B 150/1–19; 26–28; 32–33; 77–80; 89–90
X. Quellen und Literaturverzeichnis
243
II. EDIERTE QUELLEN 1. Editionen Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland (AAPD), hrsg. im Auftrag des Auswärtigen Amtes vom Institut für Zeitgeschichte, 1963–1970, München 1994–2001. Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, hrsg. für das Bundesarchiv von Hartmut Weber, Bd. 16, 1963, München 2006. Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, hrsg. für das Bundesarchiv von Hartmut Weber, Bd. 17, 1964, München 2007. Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, hrsg. für das Bundesarchiv von Hartmut Weber, Bd. 18, 1965, München 2008. Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, hrsg. für das Bundesarchiv von Hartmut Weber, Bd. 19, 1966, München 2009. Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung, 1949–1968. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1968. Siegler Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung II, 1968–1973. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1973.
2. Einzelne Quellenverweise Adenauer, Konrad: Regierungserklärung am 6. Februar 1963, in: Europa-Archiv 18 (1963), S. D 125. Aide-mémoire der Benelux-Staaten vom 19. Januar 1968, in: Europa-Archiv 23 (1968), S. D 128–130. Antwort der britischen Regierung vom 26. Juli 1963 auf den Vorschlag des EWG-Ministerrats betreffend die Kontakte zwischen Großbritannien und der EWG, in: Europa-Archiv 18 (1963), S. D 585. Bericht der EWG-Kommission an das Europäische Parlament über den Stand der Verhandlungen mit Großbritannien, veröffentlicht am 5. März 1963, in: Europa-Archiv 18 (1963), S. D 141–146. Brandt, Willy: Erklärung vor dem Deutschen Bundestag am 26. Oktober 1967 über die Tagung des EWG-Ministerrats in Luxemburg, in: Europa-Archiv 22 (1967), S. D 541–543. Brandt, Willy: Rede auf der Internationalen Parlamentarier-Konferenz der Europäischen Bewegung am 4. Mai 1968 in Bonn, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung II. 1968–1973. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1968, S. 3. Brandt, Willy: Rede auf gemeinsamer Sitzung von Versammlung und Rat der WEU am 20. September 1968, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung II. 1968–1973. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1968, S. 12. Brandt, Willy: Rede auf EG-Ratstagung am 27. September 1968, in: Europa-Archiv 23 (1968), S. D 604–609. Brandt, Willy: Rede vor dem Deutschen Bundestag am 29. November 1968, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung II. 1968–1973. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1973, S. 30/31. Brandt, Willy: Rede vor der Beratenden Versammlung des Europarates am 13. Mai 1969, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung II. 1968–1973. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1973, S. 51.
244
X. Quellen und Literaturverzeichnis
Brandt, Willy: Initiative im WEU Rat zur Neubelebung der Europapolitik am 5./6. Juni 1969, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung II. 1968–1973. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1973, S. 55/56. Brandt, Willy: Rede auf dem Kongress der Sozialistischen Internationale in Eastbourne am 16. Juni 1969, in: Europa-Archiv 24 (1969), S. D 408/409. Brandt, Willy: Rede am 21. Juli 1969 in Bad Godesberg, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung II. 1968–1973. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1973, S. 66/67. Brandt, Willy: Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag am 28. Oktober 1969, in: Europa-Archiv 24 (1969), S. D 499–506. Britisch-italienische Erklärung zur Europa-Politik vom 28. April 1969, in: Europa-Archiv 24 (1969), S. D 399. Brown, George: Erklärung vor dem Unterhaus am 26. Oktober 1967 zur Frage des britischen EGBeitritts, in: Europa-Archiv 22 (1967), S. D 544/545. Brown, George: Erklärung vor dem Unterhaus am 20. Dezember 1967 zu den Ergebnissen der EG-Ratstagung am 18./19. Dezember, in: Europa-Archiv 23 (1968), S. D 45/46. Brown, George: Rede am 23. Februar 1968 im Elliot College der Kent University in Canterbury, in: Europa-Archiv 23 (1968), S. D 140/141. Chaban-Delmas, Jacques: Regierungserklärung des französischen Premierministers vor der Nationalversammlung am 26. Juni 1969, in: Europa-Archiv 24 (1969), S. D 385–390. Communiqué des Staatsbesuches Ludwig Erhards in Großbritannien am 15./16. Januar 1964, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung. 1949–1968. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1968, S. 250/251. Couve de Murville, Maurice: Erklärung des französischen Außenministers auf EWGMinisterratssitzung am 29. Januar 1963, in: Europa-Archiv 18 (1963), S. D 115/116. Couve de Murville, Maurice: Rede am 29. Oktober 1963 vor der Nationalversammlung in Paris, in: Europa-Archiv 18 (1963), S. D 613–618. Couve de Murville, Maurice: Rede am 28. April 1964 vor der Nationalversammlung in Paris, in: Europa-Archiv 19 (1964), S. D 395–402. Couve de Murville, Maurice: Rede am 3. November 1964 vor der Nationalversammlung in Paris, in: Europa-Archiv 19 (1964), S. D 608–617. Couve de Murville, Maurice: Rede am 7. November 1967 vor der Nationalversammlung in Paris, in: Europa-Archiv 22 (1967), S. D 547–552. Debré, Michel: Rede am 16. September 1968 vor der diplomatischen Presse in Paris, in: EuropaArchiv 23 (1968), S. D 597/598. Debré, Michel: Verlautbarung des französischen Außenministeriums über die Ausführungen Debrés auf der EG-Ratstagung am 5. November 1968, in: Europa-Archiv 23 (1968), S. D 615/616. Einleitung zum zweiten Gesamtbericht der EG-Kommission über die Tätigkeit der EG im Jahr 1968 vom 11. Februar 1969, in: Europa-Archiv 24 (1969), S. D 155–160. Empfehlung Nr. 94 der WEU-Versammlung vom 4. Juni 1963 über die politische und wirtschaftliche Tätigkeit des Rates der WEU, in: Europa-Archiv 18 (1963), S. D 337. Empfehlung Nr. 95 der WEU-Versammlung vom 6. Juni 1963 über die künftigen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten der WEU, in: Europa-Archiv 18 (1963), S. D 337/338. Empfehlung Nr. 101 der WEU-Versammlung vom 5. Dezember 1963 über die Wiederbelebung der europäischen Zusammenarbeit in der WEU, in: Europa-Archiv 19 (1964), S. D 12/13. Empfehlung Nr. 104 der Versammlung der WEU vom 23. Juni 1964 über die Europäische Politische Union, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung. 1949–1968. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1968, S. 260/261. Empfehlung Nr. 122 der WEU-Versammlung vom 2. Juni 1965 über eine europäische politische Union, in: Europa-Archiv 20 (1965), S. D 317.
X. Quellen und Literaturverzeichnis
245
Empfehlung Nr. 122 der WEU-Versammlung vom 16. November 1965 über Großbritannien, die EFTA und die EWG, in: Europa-Archiv 20 (1965), S. D 626. Empfehlung Nr. 133 der WEU-Versammlung vom 14. Juni 1966 über die Dimension Europas, in: Europa-Archiv 21 (1966), S. D 633/634. Empfehlung Nr. 165 der WEU-Versammlung vom 7. Dezember 1967, in: Europa-Archiv 23 (1968), S. D 41/42. Entschließung der WEU-Versammlung vom 18. Oktober 1968, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung II. 1968–1973. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1973, S. 22/23. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. Januar 1968 über die Beschlüsse des Rates vom 19. Dezember 1967, in: Europa-Archiv 23 (1968), S. D 135/136. Erklärung der Bundesregierung vom 20. Dezember 1967 zu den Ergebnissen der EG-Ratstagung vom 18./19. Dezember, in: Europa-Archiv 23 (1968), S. D 44. Erklärung der französischen Regierung vom 20. Dezember 1967 zu den Ergebnissen der EGRatstagung vom 18./19. Dezember, in: Europa-Archiv 23 (1968), S. D 44/45. Erklärung der WEU-Versammlung vom 6. Dezember 1967, in: Europa-Archiv 23 (1968), S. D 40/41. Erster Bericht der Außenminister an die Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedsstaaten vom 27. Oktober 1970 (Luxemburger Bericht), in: Auswärtiges Amt (Hg.): Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ). Dokumentation, Bonn 8. überarbeitete Auflage 1987, S. 23–28. Erster Gesamtbericht der EG-Kommission über die Tätigkeit der EG 1967 vom. 12. Februar 1968, in: Europa-Archiv 23 (1968), S. D 146–150. Fayat, Henri: Erklärung des stellvertretenden belgischen Außenministers bei der Eröffnung der EWG-Ministerratssitzung am 29. Januar 1963, in: Europa-Archiv 18 (1963), S. D 114. Gaulle, Charles de: Pressekonferenz des französischen Staatspräsidenten vom 14. Januar 1963 (Auszug betreffend die französische Europa- und Verteidigungspolitik), in: Europa-Archiv 18 (1963), S. D 87–94. Gaulle, Charles de: Rundfunkansprache zum Jahreswechsel am 31. Dezember 1963, in: EuropaArchiv 19 (1964), S. D 35/36. Gaulle, Charles de: Pressekonferenz vom 23. Juli 1964, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung. 1949–1968. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1968, S. 266–269. Gaulle, Charles de: Pressekonferenz des französischen Staatspräsidenten vom 28. Oktober 1966, in: Europa-Archiv 21 (1966), S. D 571–576. Gaulle, Charles de: Pressekonferenz des französischen Staatspräsidenten vom 16. Mai 1967, in: Europa-Archiv 22 (1967), S. D 249–253. Gaulle, Charles de: Pressekonferenz des französischen Staatspräsidenten vom 27. November 1967, in: Europa-Archiv 22 (1967), S. D 553–561. Gemeinsame deutsch-französische Erklärung vom 16. Februar 1968, in: Europa-Archiv 23 (1968), S. D 137. Gemeinsame Erklärung von Harold Wilson und Kurt Georg Kiesinger vom 13. Februar 1969, in: Europa-Archiv 24 (1969), S. D 144/145. Gordon Walker, Patrick: Rede vor der Gemeinsamen Tagung der Beratenden Versammlung des Europarats und des Europäischen Parlaments am 23. September 1966, in: Europa-Archiv 21 (1966), S. D 592–594. Hallstein, Walter: Erklärung des EWG-Kommissionspräsidenten vor dem Europäischen Parlament am 5. Februar 1963, in: Europa-Archiv 18 (1963), S. D 122–125. Harmel, Pierre: Rede des belgischen Außenministers vor der Organisation europäischer Juristen in Val Duchesse am 3. Oktober 1968, in: Europa-Archiv 23 (1968), S. D 609–612.
246
X. Quellen und Literaturverzeichnis
Heath, Edward: Erklärung vor dem WEU-Ministerrat am 10. April 1962 über erwünschte britische Beteiligung an EPU-Verhandlungen, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung. 1949–1968. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1968, S. 150–153. Heath, Edward: Schlusserklärung auf EWG-Ministerratssitzung am 29. Januar 1963, in: EuropaArchiv 18 (1963), S. D 117–119. Heath, Edward: Rede vor dem Überseeclub in Hamburg am 2. Mai 1963, in: Europa-Archiv 18 (1963), S. D 282–288. Kiesinger, Kurt Georg: Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 vor dem Deutschen Bundestag, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung. 1949–1968. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1968, S. 384–386. Kiesinger, Kurt Georg: Rede vor dem National Press Club in Washington am 16. August 1967, in: Europa-Archiv 22 (1967), S. D 415–419 Kiesinger, Kurt Georg: Erklärung vor dem Deutschen Bundestag am 26. Oktober 1967, in: Europa-Archiv 22 (1967), S. D 543/544. Kiesinger, Kurt Georg: Rede vor dem Deutschen Bundestag am 2. April 1968, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung II. 1968–1973. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1968, S. 1. Kiesinger, Kurt Georg: Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag vom 16. Oktober 1968, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung II. 1968–1973. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1973, S. 18/19. Kiesinger, Kurt Georg: Rede am 12. Februar 1969, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung II. 1968–1973. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1973, S. 38. Kommuniqué des EWG-Ministerrats vom 11. Juli 1963 betreffend Kontakte mit der britischen Regierung, in: Europa-Archiv 18 (1963), S. D 382–383. Kommuniqué über die Tagung des WEU-Ministerrats am 25./26. Oktober 1963 in Den Haag, in: Europa-Archiv 18 (1963), S. D 586. Kommuniqué über die Tagung des WEU-Ministerrats am 23./24. Januar 1964 in London, in: Europa-Archiv 19 (1964), S. D 192. Kommuniqué vom 24. Mai 1965 über die Tagung des Ministerrats der EFTA in Wien, in: Europa-Archiv 20 (1965), S. D. 349–350. Kommuniqué vom 25. Mai 1966 über die Besprechungen Ludwig Erhards und Harold Wilsons in London, in: Europa-Archiv 21 (1966), S. D 362–364. Kommuniqué der Konferenz der Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten in Den Haag am 1. und 2. Dezember 1969, in: Europa-Archiv 25 (1970), S. D 42–44. Lipkowski, Jean de: Rede des französischen Abgeordneten im Europäischen Parlament am 23. Januar 1968, in: Europa-Archiv 23 (1968), S. D 130–134. Lord Chalfont: Rede des britischen Staatsministers für Auswärtige Angelegenheiten auf Konferenz der europäischen Parlamentarier in Bonn am 3. Mai 1968, in: Europa-Archiv 23 (1968), S. D 252–256. Lord Chalfont: Rede des britischen Staatsministers für Auswärtige Angelegenheiten vor der WEU-Versammlung am 17. Juni 1969, in: Europa-Archiv 24 (1969), S. D 409–411. Luns, Josef: Erklärung des niederländischen Außenministers vor der Zweiten Kammer des Parlaments am 21. Dezember 1967 zu den Ergebnissen der EG-Ratstagung am 18./19. Dezember, in: Europa-Archiv 23 (1968), S. D 46–49. Nenni, Pietro: Rede des italienischen Außenministers auf der WEU-Ratstagung am 6. Februar 1969, in: Europa-Archiv 24 (1969), S. D 251/252. Macmillan, Harold: Rundfunk- und Fernseherklärung am 30. Januar 1963 zum Abbruch der EWG-Beitrittsverhandlungen, in: Europa-Archiv 18 (1963), S. D 120–122. Pompidou, Georges: Pressekonferenz des französischen Staatspräsidenten am 10. Juli 1969, in: Europa-Archiv 24 (1969), S. D 390–394.
X. Quellen und Literaturverzeichnis
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Rey, Jean: Rede des EG-Kommissionspräsidenten vor dem Europäischen Parlament am 12. März 1969, in: Europa-Archiv 24 (1969), S. D 160–162. Sandys, Duncan: Rede des Berichterstatters des Verteidigungsausschusses vor der Versammlung der WEU, in: Europa-Archiv 20 (1965), S. D 40–46. Schröder, Gerhard: Erklärung am 29. Januar 1963 zum Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien, in: Europa-Archiv 18 (1963), S. D 119–120. Schröder, Gerhard: Rede in Düsseldorf zur Einigung Europas am 28. Juni 1963, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung. 1949–1968. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1968, S. 232–235. Schumann, Maurice: Rede des französischen Außenministers im EG-Rat am 22. Juli 1969, in: Europa-Archiv 24 (1969), S. D 421/422. Soames-Affäre vom 4. Februar bis 1. März 1969, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung II. 1968–1973. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1973, S. 41–46. Spaak, Paul-Henri: Interview mit Westdeutschem Rundfunk am 7. März 1963, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung. 1949–1968. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1968, S. 210/211. Spaak, Paul-Henri: Rede vor Europarat zu EPU und einem Beitritt Großbritanniens am 14. Januar 1964, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung. 1949–1968. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1968, S. 246–250. Spaak, Paul-Henri: Rundfunkinterview vom 10. September 1964, in: Europa-Archiv 19 (1964), S. D 494–496. Stellungnahme der EG-Kommission an den Rat vom 29. September 1967 zu den Beitrittsgesuchen Großbritanniens, Irlands, Dänemarks und Norwegens, in: Europa-Archiv 22 (1967), S. D 481–499. Stellungnahme der EG-Kommission vom 20. Dezember 1967 zu den Ergebnissen der EGRatstagung vom 18./19. Dezember, in: Europa-Archiv 23 (1968), S. D 46. Stellungnahme der EG-Kommission vom 2. April 1968 zu einigen Problemen im Zusammenhang mit den Beitrittsgesuchen Großbritanniens, Irlands, Dänemarks und Norwegens, in: Europa-Archiv 23 (1968), S. D 345–352. Stewart, Michael: Rede auf WEU-Außenministerkonferenz am 9. März 1965, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung. 1949–1968. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1968, S.326/327. Vereinbarung der sechs EWG-Staaten vom 29. Januar 1966 (Luxemburger Kompromiss), in: Europa-Archiv 21 (1966), S. D 85/86. Vorschläge der deutschen Bundesregierung für eine handelspolitische Zusammenarbeit zwischen den EG-Mitgliedstaaten und anderen europäischen Staaten, dem Rat am 9. März 1968 vorgelegt, in: Europa-Archiv 23 (1968), S. D 141–145 WEU-Ministerratstagung vom 21./22. Oktober 1968, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung II. 1968–1973. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1968, S. 22. WEU-Ministerratstagung vom 6./7. Februar 1969, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung II. 1968–1973. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1968, S. 37/38. WEU-Ratstagung der Ständigen Vertreter am 14. Februar 1969, in: Siegler, Heinrich (Hg.): Europäische politische Einigung II. 1968–1973. Dokumentation von Vorschlägen und Stellungnahmen, Bonn/Wien/Zürich 1968, S. 40/41. Wilson, Harold: Rede des Labourvorsitzenden am 1. April 1963, in: Europa-Archiv 18 (1963), S. D 273–280. Wilson, Harold: Erklärung vor britischem Unterhaus am 10. November 1966, in: Europa-Archiv 21 (1966), S. D 597/598.
248
X. Quellen und Literaturverzeichnis
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III. MEMOIREN Adenauer, Konrad: Erinnerungen: 1959–63. Fragmente, Stuttgart 1970. Brandt, Willy: Begegnungen und Einsichten. Die Jahre 1960–1975, Hamburg 1976. Brown, George: In My Way. The Political Memoirs of Lord George-Brown, London 1971. Castle, Barbara: The Castle Diaries, 1964–1970, London 1984. Frank, Paul: Entschlüsselte Botschaft. Ein Diplomat macht Inventur, Stuttgart 1981. Gaulle, Charles de: Memoirs d’Espoir, Bd. 2, L’effort 1962-, Paris 1970. Kiesinger, Kurt Georg: Stationen. 1949–1969, Tübingen 1969. Macmillan, Harold: At the End of the Day, 1961–1963, London 1973. Spaak, Paul-Henri: Memoiren eines Europäers, Hamburg 1969.
IV. SEKUNDÄRLITERATUR Ackere, Patrice van: L’Union de l’Europe occidentale, Paris 1995. Adamthwaite, Anthony: John Bull v. Marianne, Round Two: Anglo-French Relations and Britain’s Second EEC Membership Bid, in: Daddow, Oliver J. (Hg.): Harold Wilson and European Integration: Britain’s Second Application to Join the EEC, London 2003, S. 151–171. Aldous, Richard/Lee, Sabine (Hg.): Harold Macmillan, Basingstoke 1999. Alexander, Philip: From Imperial Power to Regional Powers: Commonwealth Crises and the Second Application, in: Daddow, Oliver J. (Hg.): Harold Wilson and European Integration: Britain’s Second Application to Join the EEC, London 2003, S. 188–210. Alexander, Philip: The Labour Government, Commonwealth Policy, and the Second Application to Join the EEC, 1964–67, in: May, Alex (Hg.): Britain, the Commonwealth and Europe. The Commonwealth and Britain’s Applications to join the European Communities, Basingstoke 2001, S. 132–155. Allers, Robin M.: Besondere Beziehungen: Deutschland, Norwegen und Europa in der Ära Brandt (1966–1974), Bonn 2009, zgl. Diss. Hamburg 2006. Bailes, Alyson J. K.: Western European Union and Contemporary European Security: a British Perspective, in: Deighton, Anne (Hg.): Western European Union 1954–1997: Defence, Security, Integration, Oxford 1997, S. 47–61. Bange, Oliver: The EEC Crisis of 1963. Kennedy, Macmillan, de Gaulle and Adenauer in Conflict, Basingstoke 2000.
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studien zur modernen geschichte
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Franz Steiner Verlag
ISSN 0178–8310
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Das Veto des französischen Staatspräsidenten de Gaulle gegen den britischen EWG-Beitritt stürzte die Europäischen Gemeinschaften (EG) im Januar 1963 in ihre erste echte Krise, die EG-Erweiterungskrise. Zur Lösung dieser Krise griffen die sechs EG-Staaten und Großbritannien 1963 auf die WEU zurück, um den gegenseitigen politischen und wirtschaftlichen Kontakt in einem gemeinsamen Forum auf WEUAußenministertreffen aufrecht zu erhalten. Arnd Herrmann untersucht erstmals anhand eines multinationalen Ansatzes auf Basis deutscher, bri-
ISBN 978-3-515-10995-6
9 7 8 3 5 1 5 1 09956
tischer und französischer Akten die jeweiligen Ziele, welche die EG-Staaten und Großbritannien mit dem Einsatz der WEU in der EG-Erweiterungskrise verbanden. Er entschlüsselt auf diese Weise die Rolle der WEU, die als Kriseninstrument an Einfluss auf die Entwicklung des europäischen Integrationsprozesses in den 1960er Jahren gewann. Diese wirtschaftliche und politische Sonderfunktion der WEU endete erst mit dem Haager Gipfel im Dezember 1969, der das Ende der EGErweiterungskrise und den Bedeutungsverlust der WEU einläutete.
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