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German Pages 250 Year 2008
Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Band 48
Die Behandlung von Effizienzvorteilen in der europäischen Fusionskontrolle und in Art. 81 Abs. 3 EG Von
Johannes Rabus
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
JOHANNES RABUS
Die Behandlung von Effizienzvorteilen in der europäischen Fusionskontrolle und in Art. 81 Abs. 3 EG
Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Herausgegeben im Auftrag des Instituts für Europäisches Wirtschaftsrecht der Universität Erlangen-Nürnberg durch die Professoren Dr. Thomas Ackermann und Dr. Karl Albrecht Schachtschneider
Band 48
Die Behandlung von Effizienzvorteilen in der europäischen Fusionskontrolle und in Art. 81 Abs. 3 EG
Von
Johannes Rabus
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2007 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0947-2452 ISBN 978-3-428-12750-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Sommersemester 2007 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität Bonn als Dissertation angenommen worden. Für die veröffentlichte Fassung konnten Rechtsprechung und Literatur bis Ende 2007 berücksichtigt werden. Herzlich bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei meinem Doktorvater Prof. Dr. Daniel Zimmer. Er hat die Behandlung des Themas angestoßen und die Entstehung der Untersuchung mit Anregungen, Kritik und Ermutigungen fördernd begleitet. Prof. Dr. Wulf-Henning Roth danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Für die großzügige Förderung der Drucklegung danke ich dem „Arbeitskreis Wirtschaft und Recht“ des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft. Entstanden ist die Arbeit während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht. Prof. Dr. Daniel Zimmer danke ich auch insoweit für die lehrreichen und mit vielen Freiräumen verbundenen Jahre an seinem Lehrstuhl und nicht zuletzt dafür, dass ich diese Untersuchung unter den ganz besonderen Arbeitsbedingungen dieses Instituts verfassen durfte. Für wertvolle Unterstützung bei der Erarbeitung ökonomischer Fragen danke ich Sebastian Rausch, für hilfreiche Anmerkungen sowie die vielen gemeinsam verbrachten Stunden im Institut Stefan Haddick und Dr. Anders Leopold. Mein herzlicher Dank gilt schließlich Dr. Christian Binder, dessen fachlichen und freundschaftlichen Rat ich während der gesamten Promotionszeit als großen Gewinn empfunden habe. Meinen Eltern, Katrin und Dr. Werner Rabus, die mich während meiner langen Ausbildung mit liebevoller Anteilnahme begleitet und dabei in jeder Hinsicht unterstützt und ermutigt haben, verdanke ich mehr als allen anderen. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Bonn, April 2008
Johannes Rabus
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
Erster Abschnitt Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle I. Ökonomische und wettbewerbspolitische Grundlagen der Fusionskontrolle . . .
19 19
1. Der Zusammenhang von Marktmacht und Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
a) Der Begriff der Marktmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
aa) Erscheinungsformen von Marktmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Direkte und indirekte Ermittlung von Marktmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21 24
cc) Gesteigerter Grad an Marktmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
b) Der Begriff der Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
aa) Allokative Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Produktive Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26 27
cc) Dynamische Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
c) Verhältnis von Marktmacht und Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
aa) Marktmacht und allokative Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Marktmacht und produktive Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28 28
cc) Marktmacht und dynamische Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
dd) Zwischenergebnis zu c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
d) Unterschiedliche Schwerpunkte in der Wettbewerbspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Harvard-Schule: Fixierung auf Marktmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32 33
bb) Die Chicago-Schule: Effizienz als Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
e) Der Ausgleich von Marktmacht und Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
aa) Williamson’s Tradeoff: Der Ausgleich von allokativer und produktiver Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
bb) Kritik an Williamson’s Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
cc) Der Ausgleich von statischer und dynamischer Effizienz . . . . . . . . . . . . . . .
39
2. Die Bedeutung des Wohlfahrtsstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
a) Der Gesamtwohlfahrtsstandard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
b) Der verbraucherorientierte Wohlfahrtsstandard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
c) Für und Wider die beiden Wohlfahrtsstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
10
Inhaltsverzeichnis 3. Überblick über Effizienzvorteile aus ökonomischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
a) Rationalisierungsgewinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
b) Größen- und Verbundvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
aa) Größenvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
bb) Verbundvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
c) Technischer Fortschritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
aa) Effizienzvorteile durch höhere Innovationsanreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
bb) Weitergabe von Know-how . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
d) Verringerung von X-Ineffizienzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
4. Umsetzungsmodelle für den Ausgleich zwischen Marktmacht und Effizienz . . .
54
a) Pauschale Berücksichtigung von Effizienzvorteilen durch Errichtung einer vergleichsweise hohen Untersagungsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
b) Einzelfallberücksichtigung mittels einer ausdrücklichen Effizienzverteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
c) Einzelfallberücksichtigung im Rahmen einer Gesamtabwägung . . . . . . . . . . . . .
57
d) Nachträgliche Kontrolle potentiell effizienzsteigernder Zusammenschlüsse
59
II. Die Berücksichtigung von Effizienzvorteilen im Rahmen der europäischen Fusionskontrollverordnung Nr. 4064 / 89 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
1. Rechtliche Anknüpfungspunkte für eine Effizienzberücksichtigung . . . . . . . . . . . .
61
a) Untersagung mit oder ohne Erlaubnisvorbehalt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
b) Wettbewerbs- oder industriepolitische Ausrichtung der Fusionskontrolle . . . .
62
c) Kritik an der wörtlichen Übertragung von Art. 85 Abs. 3 EWG . . . . . . . . . . . . .
63
d) Der „Globalkompromiss“ als Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
2. Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
a) Interpretation der Fortschrittsklausel nach Art. 2 Abs. 1 lit. b) VO Nr. 4064 / 89 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
aa) Die Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts . . . . .
66
bb) . . . sofern diese dem Verbraucher dient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
cc) . . . und den Wettbewerb nicht behindert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
b) Wettbewerbliche Abwägungsklausel in Art. 2 Abs. 1 lit. a) VO Nr. 4064 / 89
70
c) „Erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs“, Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 4064 / 89 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
3. Praxis der Kommission und Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte unter der VO Nr. 4064 / 89 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
Inhaltsverzeichnis
11
III. Die Berücksichtigung von Effizienzvorteilen im Rahmen der europäischen Fusionskontrollverordnung Nr. 139 / 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
1. Modernisierung des europäischen Zusammenschlussrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
a) Die verstärkte Ökonomisierung der europäischen Fusionskontrolle . . . . . . . . . .
80
aa) Gründe für die verstärkte Ökonomisierung der europäischen Fusionskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
bb) Merkmale der Ökonomisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
b) Die Annäherung an das US-amerikanische Fusionskontrollrecht . . . . . . . . . . . .
85
aa) Die Zusammenschlussvorhaben „Boeing / McDonnell Douglas“ und „General Electric / Honeywell“ als transatlantische Streitfälle . . . . . . . . . .
85
bb) US-amerikanische Wettbewerbspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
cc) Wettbewerbspolitische Ausrichtung des europäischen Kartellrechts . . . . .
89
dd) Merkmale der Annäherung an das US-amerikanische Fusionskontrollrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
2. Rechtliche Anknüpfungspunkte für die Effizienzberücksichtigung unter der VO Nr. 139 / 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
a) Der Verordnungstext als vorrangige Rechtsquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
aa) Die Fortschrittsklausel als Anknüpfung der Effizienzberücksichtigung (1) Effizienzen innerhalb einer Gesamtabwägung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kein erhöhter Einfluss von Industriepolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verbraucherinteressen als wohlfahrtspolitische Entscheidung . . . . . . .
94 94 97 98
bb) Der neue Untersagungstest als Anknüpfungspunkt der Effizienzberücksichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (1) Zusammenhang zwischen SLC-Test und Effizienzberücksichtigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (2) Berücksichtigung von Effizienzvorteilen als Ausgleich für das Absenken der bisherigen Eingriffsschwelle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (3) Die „Erheblichkeit“ einer Wettbewerbsbehinderung gewinnt an Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 cc) Zwischenergebnis zu a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Erwägungsgrund Nr. 29 der VO Nr. 139 / 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 c) Leitlinien der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse . . . . . . . . . . . . . . (1) Umsetzungsmodell der Effizienzberücksichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kein Einfluss industriepolitischer Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Begriff der Effizienzvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Verbraucherbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Zusammenschlussspezifität der Effizienzvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Erheblichkeit der Effizienzvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Zeitnahe Realisierung der Effizienzvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
106 107 107 108 110 110 112 112
12
Inhaltsverzeichnis (8) Anforderung an die Nachweisbarkeit von Effizienzvorteilen und Verteilung der Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 (9) Resümee zu den Horizontalleitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 bb) Leitlinien zur Bewertung nicht-horizontaler Zusammenschlüsse . . . . . . . . 115 (1) Effizienzvorteile nicht-horizontaler Fusionen und die Art und Weise ihrer Einbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 (2) Resümee zu den Leitlinien für nicht-horizontale Zusammenschlüsse 117 3. Zusammenfassung und Stellungnahme zur Effizienzberücksichtigung in der VO Nr. 139 / 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Zweiter Abschnitt Effizienzvorteile im Rahmen des Art. 81 EG
122
I. Die Freistellungsregelung des Art. 81 Abs. 3 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Art. 81 Abs. 1 und 3 EG als einheitliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Zweck der Ausnahmeregelung des Art. 81 Abs. 3 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 a) Wettbewerbsfördernde Gesichtspunkte bereits unter Art. 81 Abs. 1 EG? . . . . 124 aa) Rechtsprechung der europäischen Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 bb) Einordnung dieser Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 b) Ökonomische Grundlagen der Freistellungsregelung des Art. 81 Abs. 3 EG 131 c) Nur wirtschaftliche Effizienzsteigerungen oder auch außerwettbewerbliche Ziele? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 aa) Entwicklung unter dem Freistellungsmonopol der Kommission . . . . . . . . . 133 bb) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 3. Einzelfreistellung und Gruppenfreistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 4. Der „more economic approach“ im Kooperationskontrollrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) Vertikalvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 b) Horizontalvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 II. Effizienzvorteile unter dem Freistellungsmonopol der Kommission . . . . . . . . . . . . 142 1. Die Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung, Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 2. Die angemessene Beteiligung der Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 3. Die Unerlässlichkeit der Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 4. Keine Ausschaltung des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 5. Ausgestaltung der Gruppenfreistellungsverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
Inhaltsverzeichnis
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III. Änderungen durch die Einführung der Verordnung Nr. 1 / 2003 . . . . . . . . . . . . . . . 157 1. Folgen der Legalausnahmeinterpretation für die Einzelfreistellung . . . . . . . . . . . . . 159 a) Einfluss nichtwettbewerblicher Gesichtspunkte oder ausschließliche Beschränkung auf wirtschaftliche Vorteile? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 b) Die Kommissionsleitlinien als Hilfestellung für nationale Behörden und Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 aa) Bindungswirkung der Leitlinien für nationale Anwender? . . . . . . . . . . . . . . 162 bb) Anforderungen der Leitlinien an die Einzelfreistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Hinweise zur Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Hinweise zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Effizienzgewinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Unerlässlichkeit der Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Angemessene Beteiligung der Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Keine Ausschaltung des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
164 164 167 167 168 169 172
cc) Bewertung der Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 2. Folgen für die Gruppenfreistellung aus der Interpretation des Art. 81 Abs. 3 EG als Legalausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 IV. Zusammenfassung des zweiten Abschnitts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
Dritter Abschnitt Die Annäherung von Konzentrations- und Kooperationskontrollrecht
179
I. Der Ausgangspunkt: Die unterschiedliche Behandlung von Fusionen und Kartellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 1. Fusionskontrolle nach den Artt. 85, 86 EWG-Vertrag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 2. Einführung der FKVO und Begründung des so genannten Konzentrationsprivilegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Die relative Besserbehandlung von Fusionen nach der FKVO . . . . . . . . . . . . . . . 182 aa) Unmittelbare Wettbewerbsbeschränkung durch Kartelle – Leistungssteigerung durch Zusammenschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 bb) Offener Markt für Unternehmensbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 b) Das Verhältnis der FKVO zu Artt. 81, 82 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 aa) Unternehmensbeteiligung als Gegenstand einer Doppelkontrolle? . . . . . . 186 (1) Tatbestandliche Einschlägigkeit des Art. 81 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (2) Keine Verdrängung des Kartellprimärrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 bb) Gemeinschaftsunternehmen als Gegenstand einer Doppelkontrolle? . . . . 189 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
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Inhaltsverzeichnis 3. Kritik am Konzentrationsprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 a) Die Nachhaltigkeit einer Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 b) Größeres, tatsächlich ausgeschöpftes Effizienzpotential durch Fusionen? . . . 192 c) Das Effizienzpotential von Vereinbarungen gem. Art. 81 EG . . . . . . . . . . . . . . . 195 d) Funktionierender Markt für Unternehmenskontrolle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 e) Falsche Anreizwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 f) Doppelkontrolle könnte entfallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 g) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
II. Modernisierung des europäischen Kartellrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 1. Verstärkte Ökonomisierung im Konzentrations- und Kooperationskontrollrecht 199 a) Allgemeine Parallelen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 b) Die ökonomische Grundlage der Effizienzberücksichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2. Vergleich des rechtlichen Rahmens der einzelfallorientierten Effizienzanalyse 201 a) Die Obergrenze einer einzelfallbezogenen Effizienzberücksichtigung . . . . . . . 201 b) Die Untergrenze einer einzelfallbezogenen Effizienzberücksichtigung . . . . . . 203 3. Die Anforderungen an die Umsetzung der Effizienzanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 a) Die Unterschiede im Wortlaut der Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die einbeziehungsfähigen Effizienzvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Verbraucherbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Unerlässlichkeit der Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
205 206 207 208
b) Die Anforderungen der jeweiligen Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Art der Effizienzvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Verbraucherbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Bedeutung des Zeitfaktors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Beweislast und Beweisumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
209 209 210 211 212
c) Organisationsbedingte Unterschiede als Rechtfertigung für abweichende Anforderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 aa) Generell erhöhte Anforderungen an fusionsbedingte Effizienzvorteile? 214 bb) (Potentieller) Innenwettbewerb als Bestandteil des Restwettbewerbs . . . . 215 4. Die Aussagekraft der bisherigen Entscheidungspraxis zu Art. 81 Abs. 3 EG . . . . 217 Zusammenfassung und Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. Abb. ABl.EG ABl.EU ABl.EWG Abs. a. E. a. F. Art. BB Bd. Bsp. bzw. CML Rev. CR DB ders. d. h. dies. DoJ Ebd. E.B.O.R. E.C.L.R. EG EGKS EGV EG-WbR engl. etc. EU EuG EuGH EuR EUV EuZW evtl. EWG EWS f. ff.
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16 FIW FK FKVO Fn. FTC gem. Geo. L. J. GRUR Int. GVO Hdb. EU-WiR. Hdb. KartR HHI Hrsg. i. S. d. i.V. m. JZ Komm. lit. m. w. N. NJW Nr. N.Y.U.L.Rev. NZG OECD ORDO RBB Rdnr. Rdnrn. RIW Rs. S. SIEC SLC Slg. sog. u. a. verb. vgl. VO Vol. WiSt WRP WuW z. B. ZEuS ZHR ZIP zit. ZVglRWIss ZWeR
Abkürzungsverzeichnis Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb e.V. Frankfurter Kommentar Fusionskontrollverordnung Fußnote Federal Trade Commission gemäß Georgetown Law Journal Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Internationaler Teil Gruppenfreistellungsverordnungen Handbuch des Europäischen Wirtschaftsrechts Handbuch des Kartellrechts Herfindahl-Hirschman-Index Herausgeber im Sinne des in Verbindung mit Juristenzeitung Kommission litera mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Nummer New York University Law Review Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Organisation for Economic Co-operation and Development Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft RBB Economics (Derek Ridyard, Simon Bishop, Simon Baker) Randnummer Randnummern Recht der Internationalen Wirtschaft Rechtssache Seite, Satz Significant Impediment to Effective Competition Substantial Lessening of Competition Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaft so genannte und andere, unter anderem verbunden, verbundene vergleiche Verordnung Volume Wirtschaftswissenschaftliches Studium Wettbewerb in Recht und Praxis Wirtschaft und Wettbewerb zum Beispiel Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Wettbewerbsrecht
Einleitung Seit der Einführung einer europäischen Fusionskontrolle gehört die Behandlung von Effizienzvorteilen zu den umstrittensten Fragen des Zusammenschlussrechts. Inwieweit vorteilhafte Auswirkungen von Zusammenschlüssen deren nachteiligen Folgen gegenüber gestellt werden können und in der Folge eine Fusion zweier Unternehmen trotz des Entstehens oder Verstärkens von wirtschaftlicher Macht aufgrund überwiegender Vorteile genehmigt werden kann, war Gegenstand einer anhaltenden Kontroverse, welche in beträchtlichem Ausmaß durch das Zusammenspiel rechtlicher und ökonomischer Gesichtspunkte und nicht zuletzt durch unterschiedliche Ansätze hinsichtlich der Zielsetzungen der europäischen Wettbewerbspolitik geprägt war. Drehte sich die Diskussion damit einerseits um die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Fusionsauswirkung zunächst überhaupt einen für die rechtliche Bewertung relevanten Vorteil darstellte – in diesem Zusammenhang spielten immer wieder Überlegungen um eine industriepolitische Ausrichtung des Fusionskontrollrechts eine Rolle –, waren es auf der anderen Seite technische Fragen nach der Art und Weise einer konkreten Einbeziehung von Effizienzvorteilen, welche es vor dem Hintergrund verschiedener denkbarer Umsetzungsmodelle zu beantworten galt. Verkompliziert wurde die Problematik überdies durch eine in Teilen inkonsistente Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission. Die sich seit geraumer Zeit vollziehende, etappenweise Modernisierung des europäischen Kartellrechts – zunächst im Bereich des Art. 81 EG, sodann im Bereich der Fusionskontrolle und schließlich bezüglich der Missbrauchsaufsicht nach Art. 82 EG – hat unter der zugespitzten Begrifflichkeit des „more economic approach“ insgesamt zu einer Stärkung des ökonomischen Einflusses auf das Wettbewerbsrecht geführt und auf diese Weise, neben einer Reihe weiterer Aspekte, auch die Frage nach der Behandlung von Effizienzvorteilen in ein neues Licht gerückt. Gerade für den Bereich der Fusionskontrolle hat die aufgezeigte Diskussion mit Einführung der VO Nr. 139 / 2004 zum 1. 5. 2004 erheblich an Bewegung gewonnen und möglich erscheint nunmehr zweifelsfrei, dass die positive Berücksichtigung von Effizienzvorteilen auch in der Kommissionspraxis eine größere, zumindest aber weniger ambivalente Rolle spielen wird als in der Vergangenheit. Neben den Änderungen hinsichtlich der Fusionskontrolle brachte die Überarbeitung des europäischen Wettbewerbsrechts zugleich auch Neuerungen für das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen und Verhaltensweisen nach Art. 81 EG, die sich im Besonderen auf dessen Ausnahmeregelung in Abs. 3 – eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung ist dann nicht nach Art. 81 Abs. 1 EG
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Einleitung
verboten, wenn sie, vereinfacht dargestellt, mehr positive als nachteilige Auswirkungen hat – bezogen. Fanden diese Änderungen ihre Begründung zum einen ebenfalls in der angestrebten Stärkung eines vorrangig ökonomischen Ansatzes, war es auf der anderen Seite die verfahrenstechnische Umstellung von dem langjährig praktizierten Anmelde- und Genehmigungssystem hin zu einer Interpretation des Art. 81 Abs. 3 EG als Legalausnahme, welche Auswirkung auf die Rechtsanwendung hat. Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, die beiden Regelungen betreffend die Einbeziehung vorteiliger Wirkungen – bei Fusionen einerseits und Vereinbarungen bzw. Absprachen andererseits – gegenüber zu stellen und auf ihre Gemeinsamkeiten zu überprüfen. Gerade die langjährige Erfahrung im Umgang mit Art. 81 Abs. 3 EG kann dabei möglicherweise dazu beitragen, bestehende Zweifel an einer praktikablen und im Sinne einer größtmöglichen Rechtssicherheit vorhersehbaren Anwendung der Effizienzberücksichtigung im Fusionskontrollrecht zu zerstreuen. Inwieweit eine Orientierung an der Freistellungsregelung des Art. 81 Abs. 3 EG tatsächlich gerechtfertigt und überdies sinnvoll erscheint, hängt zugleich von der Beantwortung einer grundsätzlicheren Frage ab: In einem erweiterten Kontext ist zu überlegen, ob die seit jeher unterschiedliche rechtliche Behandlung von Kooperationen und Konzentrationen im europäischen Wettbewerbsrecht – üblicherweise zusammengefasst unter dem Schlagwort „Konzentrationsprivileg“ – in wettbewerbspolitischer Hinsicht weiterhin berechtigt ist. Unterteilt ist die Arbeit in drei Abschnitte. In einem ersten Abschnitt soll zunächst auf die möglichen Zielrichtungen und ökonomischen Grundlagen einer Zusammenschlusskontrolle eingegangen werden, bevor im Anschluss zumindest überblickartig die Diskussion um die Effizienzbehandlung im Rahmen der veralteten Fusionskontrollverordnung Nr. 4064 / 89 nachgezeichnet wird. Vor diesem Hintergrund sollen schließlich die nunmehr eröffneten Möglichkeiten einer Vorteilseinbeziehung unter der Verordnung Nr. 139 / 2004 dargelegt und bewertet werden. In einem zweiten Abschnitt ist auf die Reichweite der Ausnahmeregelung des Art. 81 Abs. 3 EG und ihre jüngere Entwicklung unter den erwähnten Reformbemühungen einzugehen. Schließlich ist in einem dritten Abschnitt zu untersuchen, inwieweit die Modernisierung des europäischen Wettbewerbsrechts eine Annäherung des Konzentrations- und Kooperationskontrollrechts im Allgemeinen und – hier liegt der Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung – hinsichtlich der Behandlung von Effizienzvorteilen im Besonderen gebracht hat. Abschließend werden die gefundenen Ergebnisse knapp zusammengefasst.
Erster Abschnitt
Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle I. Ökonomische und wettbewerbspolitische Grundlagen der Fusionskontrolle Ausgangspunkt einer jeden Fusionskontrolle ist die gesicherte Erfahrung, dass freier Wettbewerb zu effizienten Marktergebnissen führt. Durch intensiven Wettbewerb kommt es zu steigender Wohlfahrt, indem die bestmögliche Verteilung der vorhandenen Güter gewährleistet wird und zugleich für alle am Marktgeschehen Beteiligten hinreichend Anreize bereitgehalten werden, ihre produktive und organisatorische Effizienz zu erhöhen. Nicht zuletzt trägt freier Wettbewerb zum allgemeinen Fortschritt und zur technischen Entwicklung neuer oder verbesserter Produkte bei und vereinfacht die Verbreitung von technischem Know-how.1 Schließen sich zwei bislang unabhängige Unternehmen zu einer neuen Unternehmenseinheit zusammen, so können solche Fusionen den Wettbewerb erheblich gefährden. Am anschaulichsten wird dies, wenn durch den Zusammenschluss der beiden einzigen Konkurrenzunternehmen für einen bestimmten Markt ein Monopol entsteht: Unterlagen die Konkurrenten vor der Fusion dem Druck des Wettbewerbs, über die wesentlichen Faktoren Qualität und Preis einen möglichst hohen Absatz zu erzielen, ist das Monopolunternehmen aufgrund seiner wirtschaftlichen Machtstellung und des Mangels an Alternativen nunmehr in der Lage, sich diesem Wettbewerbsdruck zu entziehen. Aus seiner Sicht besteht wenig Anreiz, die Qualität der Produkte zu verbessern oder die Preise zugunsten der Konsumenten zu senken; nahe liegend ist vielmehr, dass es zu teureren und / oder qualitativ minderwertigeren Produkten und damit insgesamt zu einer Schlechterstellung der Abnehmer kommt. Neben derartigen Nachteilen führen Unternehmenszusammenschlüsse regelmäßig aber auch zu Vorteilen. So liegt eine der Hauptmotivationen der an der Fusion beteiligten Unternehmen – neben der Erreichung von Marktmacht und der Expansion auf neue Märkte – regelmäßig in der Realisierung von Effizienzvorteilen.2 Darunter fallen beispielsweise das effektivere Ausnutzen vorhandener Produktionsanlagen, Synergieeffekte aller Art, ein breiteres Forschungs- und EntwickClapham, in: Cox / Jens / Markert, Handbuch des Wettbewerbs, S. 129, 134. Whish, Competition Law, S. 783; Kleinert / Klodt, in: Oberender, Megafusionen, S. 9, 13 ff. 1 2
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
lungspotential oder das Einsparen von Transaktionskosten durch die Integration vor- oder nachgelagerter Produktionsstufen.3 Werden solche Vorteile tatsächlich realisiert, kann dies nicht nur zu Kosteneinsparungen und möglicherweise damit einhergehenden Preissenkungen führen, sondern zum Wohle der Verbraucher auch verbesserte, innovativere Produkte hervorbringen. Unterstellt man den Unternehmen einer Marktwirtschaft die Tendenz zur Marktmachtkonzentration oder gar zur Monopolbildung als deren extremste Form, besteht für eine Annahme, dass auf den relevanten Märkten insgesamt zuviel Wettbewerb vorhanden ist, wenig Anlass.4 Es obliegt daher einer übergeordneten Wettbewerbsbehörde, durch die Kontrolle der beabsichtigten Zusammenschlüsse für den Erhalt des vorhandenen Wettbewerbs zu sorgen und bei der Bewertung der Fusionsvorhaben eine Abwägung zwischen den genannten Vor- und Nachteilen vorzunehmen. Die Wettbewerbsbehörde steht dabei vor der Aufgabe, die mit Fusionen einhergehenden Schäden für den Wettbewerb zu minimieren, gleichzeitig aber die positiven und wettbewerbsbelebenden Auswirkungen durch Unternehmenszusammenschlüsse nicht durch eine allzu rigide oder undifferenzierte Untersagungsregelung zu unterbinden.5 Eine der entscheidenden Fragen des Fusionskontrollrechts lautet daher: Wie viel Marktmacht ist erlaubt, ab wann wird Marktmacht schädlich?
1. Der Zusammenhang von Marktmacht und Effizienz a) Der Begriff der Marktmacht Ein Unternehmen hat ökonomische Macht, wenn sein Handlungsspielraum groß genug ist, um das Marktgeschehen zu seinem Vorteil zu beeinflussen.6 Die Aktionsparameter, die ihm zur Gestaltung seines Marktverhaltens zur Verfügung stehen, sind im Wesentlichen der Preis, die Qualität sowie die Bewerbung seiner Produkte. Da bezüglich der Produktqualität die allgemeine Schwierigkeit besteht, diese zu quantifizieren und schließlich auch die Höhe der Werbeausgaben keine verlässlichen Aussagen über die Marktmacht eines Unternehmen enthält, wird in der ökonomischen Literatur maßgeblich auf den Preissetzungsspielraum eines Unternehmen abgestellt, um das Ausmaß von dessen Verhaltensspielraum auf dem jeweiligen Markt zu ermitteln.7 Unter dem Begriff der Marktmacht wird in der Ausführlich unter 3. Neumann, Wettbewerbspolitik, S. 119. 5 Vgl. Kommission, XXII. Wettbewerbsbericht (1992), Rdnrn. 7 f. Neumann, Wettbewerbspolitik, S. 119, spricht vom Janusgesicht vieler Fusionen: einerseits seien diese Manifestation des Evaluationsprozesses einer Marktwirtschaft, andererseits seien sie oftmals allein durch das Streben nach größerer Marktmacht motiviert, a. a. O., S. 135. 6 Im Folgenden wird auf die Marktmacht eines Anbieters abgestellt, zur Marktmacht von Nachfragern vgl. Arndt, in: Cox / Jens / Markert, Handbuch des Wettbewerbs, S. 58. 7 Kinne, Effizienzvorteile in der Zusammenschlusskontrolle, S. 39. 3 4
I. Ökonomische und wettbewerbspolitische Grundlagen
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ökonomischen Theorie daher die Fähigkeit eines oder mehrerer Unternehmen verstanden, die Preise gewinnbringend über einen längeren Zeitraum über demjenigen Preis zu halten, der bei dem Referenzmodell des vollkommenen Wettbewerbs vom Markt selber, mithin ohne jeden Einflusses der Marktbeteiligten, bestimmt würde.8 Unter idealtypischen Bedingungen der vollkommenen Konkurrenz ist der Preis eines homogenen Produkts ein bloßes Datum, welches Anbieter und Nachfrager dem Markt entnehmen und auf dessen Veränderung der herstellende Anbieter mit der Anpassung seiner Produktmenge reagiert; steigen seine Grenzkosten, d. h. die Kosten für eine weitere Produkteinheit, über den gebotenen Marktpreis hinaus, lohnt sich die weitere Produktion insgesamt nicht mehr. Im Modell der vollkommenen Konkurrenz gibt der Produktpreis daher Aufschluss über die Grenzkosten des Herstellers (Grenzkosten = Preis).9 Besteht zwischen dem tatsächlich verlangten Preis und den Grenzkosten eines Unternehmens hingegen eine Differenz, handelt es sich um ein Unternehmen mit Marktmacht.10 aa) Erscheinungsformen von Marktmacht Die Erscheinungsformen fusionsbedingter Marktmacht variieren mit der Art der gewählten Konzentrationsstrategie. Zu unterscheiden ist zwischen horizontalen, vertikalen und konglomeraten Unternehmenszusammenschlüssen. Im Falle horizontaler Fusionen – Zusammenschlüsse von zwei auf demselben relevanten Markt konkurrierenden Unternehmen, bei denen der Innenwettbewerb vollständig ausgeschlossen wird – sind die strukturellen Veränderungen typischerweise zweierlei: Die Fusion verringert die Anzahl der auf dem Markt Beteiligten um wenigstens ein Unternehmen und sie führt regelmäßig zu einer Unternehmenseinheit, deren Marktanteil größer ist als derjenige jedes einzelnen Fusionspartners zuvor.11 Marktmacht der neuen Unternehmenseinheit tritt infolgedessen auf zwei Weisen auf. Auf der einen Seite kann das neugeformte Unternehmen selber, ohne jede Wechselbezüglichkeit seines Verhaltens mit demjenigen anderer Marktteilnehmer, durch den Zusammenschluss in die Lage versetzt werden, über einen längeren Zeitraum einen höheren Preis als den Wettbewerbspreis zu erzielen, indem es seine Produktionsmenge herabsetzt und die Angebotsmenge verknappt. Im Extremfall 8 Motta, Competition Policy, S. 40; kritisch Bishop / Walker, The Economics of EC Competition Law, 3.04. 9 Zur vollkommenen Konkurrenz vgl. Tirole, Industrieökonomik, S. 12. 10 Motta, Competition Policy, S. 40: Alternativ kann Marktmacht auch festgestellt werden, indem geprüft wird, wieweit die tatsächlich verlangten Preise von Monopolpreisen entfernt sind. Diese Definition bietet indessen keine wesentliche Vereinfachung, da es in der Praxis nicht weniger schwierig ist, einen Monopolpreis zu ermitteln als die Grenzkosten des Unternehmens zu errechnen. 11 Bishop / Walker, The Economics of EC Competition Law, 7.16.
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
entsteht durch die Fusion ein Monopol, welches keinerlei Wettbewerbsdruck mehr ausgesetzt und daher imstande ist, seinen gewinnmaximierenden Preis danach zu festzulegen, dass seine Grenzkosten dem Grenzerlös entsprechen, d. h. demjenigen Erlös, der durch eine zusätzlich verkaufte Produkteinheit entsteht.12 Aber auch unterhalb dieses Extremfalls, in einer Situation, in der nach einer Fusion noch einige Wettbewerber verbleiben – gemeint ist ein Oligopol –, kann nach einer in der modernen Industrieökonomik vorgebrachten Annahme bereits der Wegfall der Binnenkonkurrenz zwischen den fusionierten Unternehmen und das daraus resultierende strategische Verhalten der übrigen Marktteilnehmer dazu führen, dass die neue Einheit ihre Preise gewinnbringend anheben kann und damit über ökonomisch definierte Marktmacht verfügt.13 Da es in einer derartigen Situation zu einer Verstärkung von Marktmacht kommt, indem Wettbewerbsdruck für ein oder mehrere Unternehmen beseitigt wird und zwar ohne dass auf ein wie auch immer geartetes, koordiniertes Verhalten der auf dem Markt verbliebenen Unternehmen abzustellen ist – gegeben ist vielmehr eine individuell rationale Reaktion der Marktteilnehmer auf den Zusammenschluss14 –, spricht man von „nicht koordinierten“ oder „unilateralen“ Effekten. An hohe Marktanteile der Zusammenschlussparteien sind derartige Auswirkungen nicht notwendig gebunden. Vielmehr kann sowohl die Konzentration der betroffenen Märkte – aufgrund der geringeren Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite bei Wegfall eines Unternehmens begünstigt eine erhöhte Marktkonzentration die Macht der Marktteilnehmer zur Verknappung des Angebots und Erhöhung der Preise – als auch eine hohe Substitutionselastizität der Produkte der Zusammenschlussparteien von Bedeutung sein.15 Neben solchen unilateralen Effekten kann sich Marktmacht im Falle horizontaler Fusionen auch darin äußern, dass die neue Unternehmenseinheit zwar nicht alleine, aber immerhin mit Hilfe weiterer am Markt vertretener Unternehmen in die Lage versetzt wird, die Preise über einen längeren Zeitraum gewinnbringend zu erhöhen. Derartige, koordinierte Marktmachteffekte – mehrere Unternehmen verhalten sich gemeinsam wie ein Monopolist – können einerseits auf Grundlage ausdrücklich kommunizierter Absprachen entstehen, die bestimmte Produktionsbeschränkungen 12 Für einen Monopolisten lohnt eine Produktion nur so lange, wie seine zusätzlichen Kosten (Grenzkosten) unterhalb seiner zusätzlichen Erlöse (Grenzerlösen) liegen, jedoch nicht mehr, sobald sie darüber ansteigen. Anders gewendet: Da auch der Monopolist einer fallenden Nachfragekurve gegenübersteht, ist eine Preissteigerung für ihn nur so lange gewinnbringend, bis durch eine weitere Preisanhebung die Verminderung der nachgefragten Menge den Erlös stärker verringert als die Kosten. Vgl. zu der auf den französischen Ökonomen Cournot zurückgehenden Herleitung der gewinnoptimalen Preismengen-Kombination Bofinger, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, S. 141. 13 Ausführlich Ivaldi / Jullien / Rey / Seabright / Tirole, The Economics of Unilateral Effects; anschaulich zudem Schwalbe, Ökonomisierung der Fusionskontrolle, S. 10 ff. 14 Röller, in: Zukunftsperspektiven der Wettbewerbspolitik, S. 37, 39. 15 Zimmer, ZWeR 2004, 250, 253 ff.; Röller / Strohm, in: MüKo-WbR I, Rdnrn. 1561 ff., insbesondere 1567.
I. Ökonomische und wettbewerbspolitische Grundlagen
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zum Inhalt haben und regelmäßig Sanktionsmechanismen für abweichendes Verhalten vorsehen. Ebenso möglich und gerade in Oligopolsituationen mit einer gewissen Markttransparenz häufig ist aber auch, dass koordinierte Effekte ihre Ursache in einem strategischen Parallelverhalten haben und die Verhaltenskoordinierung auf einer bloß stillschweigenden, von einem gemeinsamen Interesse an bestimmten Marktergebnissen getragenen Abmachung beruht. In Abgrenzung zu den soeben dargelegten nicht koordinierten Effekten liegt im Falle kollektiv ausgeübter Marktmacht jedoch stets eine Wechselbeziehung im Verhalten der Marktteilnehmer vor: Ein bestimmtes Verhalten wird nur deshalb verfolgt, weil und solange sich andere Marktteilnehmer aufgrund des gemeinsamen Interesses an einer Wettbewerbsminderung ebenso verhalten.16 Je weniger Unternehmen dabei auf dem Markt sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit koordinierter Effekte. Marktmachteffekte können überdies auch bei vertikalen Fusionen auftreten, also bei Zusammenschlüssen von Unternehmen auf unterschiedlichen, vor- oder nachgelagerten Wirtschaftsstufen. Eine verstärkte vertikale Integration kann insbesondere zu einem Transfer bereits bestehender Marktmacht auf vor- oder nachgelagerte Märkte führen und die Marktstellung eines Unternehmens auf den verschiedenen Produktionsstufen festigen. Für nicht vertikal integrierte Unternehmen werden damit möglicherweise Bezugs- oder Absatzwege versperrt und für potentielle Wettbewerber Marktzugangsschranken errichtet, wenn diese den Markteinstieg statt in einem nunmehr in zwei Märkte bewältigen müssen.17 Nicht zuletzt kann vertikale Integration die Intensität von koordinierten Effekten erhöhen.18 Im Falle konglomerater oder diagonaler Fusionen schließlich, Zusammenschlüsse von Unternehmen, die weder auf demselben relevanten Markt konkurrieren noch innerhalb derselben vertikalen Wertabschöpfungskette stehen, wird die Marktstellung von Unternehmen regelmäßig durch eine mit der Diversifizierung einhergehenden, breiteren unternehmerischen Risikostreuung gestärkt; darüber hinaus kann es auch hier zu Marktmachttransfers in andere Märkte kommen.19 Soweit durch konglomerate Fusionen diversifizierte Unternehmen entstehen, die Aktivitäten auf einer Vielzahl von Märkten entfalten, kann von ihnen auch desZur Abgrenzung siehe Zimmer, ZWeR 2004, 250, 253 ff. Lindsay, The EC Merger Regulation: Substantive Issues, 5 – 26. Die Auswirkungen vertikaler Zusammenschlüsse auf den Wettbewerb sind insgesamt weniger klar als im Falle von horizontalen Fusionen, vgl. Emmerich, Kartellrecht, S. 213, 437. Ausführlich dazu Kruse, in: Festschrift für I. Schmidt, S. 247 ff. 18 Lindsay, The EC Merger Regulation: Substantive Issues, 5 – 27, Fn. 43; Immenga / Körber, in: Immenga / Mestmäcker, EG-WbR I / 2, Art. 2 FKVO, Rdnrn. 499, 512 ff. 19 Aus ökonomischer Sicht sind konglomerate Zusammenschlüsse bisher wenig erforscht, vgl. Emmerich, Kartellrecht, S. 214 f.; Herrmann, BB 1989, 1213 ff. Auch EuGH vom 15. 2. 2005, Rs. C-12 / 03, Slg. 2005 I-987 „Kommission / Tetra Laval“, Rdnr. 44: Die UrsachenWirkungskette sei „schlecht erkennbar, ungewiss und schwer nachweisbar“. Der EuGH offenbart in der genannten Entscheidung eine grundsätzlich neutrale Einstellung gegenüber konglomeraten Fusionen. 16 17
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
wegen ein erhöhtes Wettbewerbsrisiko ausgehen, weil eine solcherart verbreitete Kommunikation bereits faktisch mehr Möglichkeiten für kollusive Absprachen eröffnet.20 bb) Direkte und indirekte Ermittlung von Marktmacht Wichtigstes Kennzeichen ökonomischer Marktmacht ist der unternehmerische Preissetzungsspielraum. Um jedoch eine aussagekräftige Beurteilung dieses Spielraums vornehmen zu können, ist wesentlich auf die Preiselastizität der Marktnachfrage abzustellen, mithin der Reaktion der Nachfrageseite auf Preisänderungen seitens des Anbieters. Liegt eine hohe Preiselastizität vor – reagiert die Nachfrageseite stark auf nur geringfügige Preisänderungen, indem sie auf Substitutionsprodukte zurückgreift oder Kaufzurückhaltung übt – so ist der individuelle Preissetzungsspielraum und folglich die Marktmacht eines Herstellers gering.21 Ebenso kann eine hohe Angebotselastizität – wenn bereits kleinere Preisanhebungen eines Herstellers zu einer vergleichsweise starken Ausdehnung der Angebotsmenge anderer Anbieter führen oder neue Unternehmen durch das Fehlen von Zugangsschranken vergleichsweise schnell auf den Markt hinzutreten können – dazu beitragen, dass die Möglichkeit eines Unternehmens, durch Angebotsbeschränkungen Marktmacht auszuüben, eingeschränkt ist.22 In der Praxis bestehen indes erhebliche Schwierigkeiten, die Elastizität von Nachfrage und Angebot zu ermitteln. Das relevante Wissen über den Zusammenhang von Preis und Nachfrage ist unter einer Vielzahl von Marktbeteiligten derart verstreut, dass regelmäßig nicht einmal die handelnden Unternehmen selbst über eine hinreichende Kenntnis der Marktgegenseite verfügen.23 Eine direkte Feststellung von Marktmacht mittels der Schätzung von Nachfrageprofilen ist daher von zahlreichen Unwägbarkeiten geprägt.24 Angesichts dieser Schwierigkeiten wird Marktmacht in der Praxis regelmäßig über indirekte Indikatoren – d. h. Umstände, bei deren Vorliegen auf eine geringe Preiselastizität der Nachfrage geschlossen werden kann – ermittelt. Dabei wird zunächst ein relevanter Produktmarkt abgegrenzt und anschließend auf eine Mehrzahl von Faktoren abgestellt, darunter die Marktanteile der betreffenden Unternehmen, möglicherweise vorhandene Marktzugangsschranken sowie die Konzentration des übrigen Gesamtmarktes.25
Denzel, Materielle Fusionskontrolle in Europa und den USA, S. 54. Vgl. de la Mano, Efficiencies in European Merger Control, S. 10. 22 Zum Ganzen Kinne, Effizienzvorteile in der Zusammenschlusskontrolle, S. 42 sowie Camesasca, Getting the Efficiencies Right, Rdnr. 72. 23 Scherer / Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 426. 24 Dass eine direkte Feststellung von Marktmacht in Einzelfällen aber möglich ist, zeigen Bishop / Walker, The Economics of EC Competition Law, 3.70 ff. 25 Weiterführend Zimmer, in: Festschrift für Huber, S. 1173, 1174, 1180 ff. Kritisch gegenüber der indirekten Feststellung von Marktmacht Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 146. 20 21
I. Ökonomische und wettbewerbspolitische Grundlagen
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cc) Gesteigerter Grad an Marktmacht Die Orientierung der angeführten Marktmachtdefinition am Konzept der vollkommenen Konkurrenz und die praktische Erfahrung, dass Märkte mit vollkommenem Wettbewerb kaum je einmal gegeben sein dürften, machen deutlich, dass eine derart weit definierte Marktmacht der Unternehmen eher die Regel als die Ausnahme ist.26 Aus diesem Grund eignet sich der ökonomische Begriff der Marktmacht auch nicht ohne weiteres als Eingriffsschwelle für die rechtliche Überwachung funktionierenden Wettbewerbs: Wenn es in der Realität kaum je einen relevanten Produktmarkt mit vollkommener Konkurrenz gibt, kann dieses Referenzmodell nicht zugleich – über den Begriff der Marktmacht – den Maßstab für das staatlich gewährleistete Schutzniveau des Wettbewerbs darstellen. Aus einer wettbewerbsrechtlichen Perspektive bedarf es infolgedessen eines gesteigerten Grades an Marktmacht, um einen Unternehmenszusammenschluss als wettbewerbsschädlich zu klassifizieren; das Recht der Wettbewerbsbeschränkungen befasst sich stets mit Fragen nach Ausmaß und Grad einer Wettbewerbsstörung.27 Bedeutsam für das europäische Wettbewerbsrecht ist insofern das Konzept des „wirksamen Wettbewerbs“, welcher – je nach Art der Beschränkung – erst ab einem gesteigerten Grad von Marktmacht im dargelegten Sinne als gefährdet erkannt und mittels staatlicher Eingriffe geschützt wird.28 b) Der Begriff der Effizienz Unter ökonomischen Gesichtspunkten betrifft die Ausrichtung und Tragweite einer Zusammenschlusskontrolle den Zusammenhang von Marktmacht auf der einen und ökonomischer Effizienz als grundsätzlichem Beurteilungsmaßstab ökonomischer Wettbewerbsanalysen auf der anderen Seite. Der Begriff der ökono26 de la Mano, Efficiencies in European Merger Control, S. 9. Dies ist auch der Kritikpunkt von Bishop / Walker an der gebräuchlichen Marktmachtdefinition, dies., The Economics of EC Competition Law, 3.04, wo es heisst: „then virtually all firms have at least a degree of market power“. 27 Dazu Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rdnr. 69. 28 Vgl. etwa das geltende materielle Untersagungskriterium in Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 139 / 2004: „Zusammenschlüsse, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründen oder Verstärken einer beherrschenden Stellung, sind für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar zu erklären.“ In ständiger Rechtsprechung definiert der EuGH die „beherrschende Stellung“ i. S. d. Art. 82 EG mit Hinweis auf die Fähigkeit eines Unternehmens, „die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern“, EuGH, Slg. 1978, 207 „United Brands“ Rdnr. 63 und 66; Slg. 1979, 461 „Hoffmann-La Roche“ Rdnr. 38. Der Begriff der beherrschenden Stellung findet keine Entsprechung in der ökonomischen Literatur. Er wird allerdings dahingehend interpretiert, dass einem marktbeherrschenden Unternehmen ein gesteigerter Grad an Marktmacht zukommt, welche ihm erlaubt, Preise auf ähnliche Weise festzusetzen wie ein Monopolist, vgl. Motta, Competition Policy, S. 41.
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
mischen Effizienz nimmt Bezug auf eine Entscheidung oder Maßnahme, die den Gesamtwert aller ökonomisch messbaren Güter für die Gesellschaft erhöht, er wird also – im Ausgangspunkt – grundsätzlich gesamtwirtschaftlich verstanden.29 Dabei ist die ökonomische Effizienz am größten, wenn das Verhältnis zwischen den eingesetzten Ressourcen – bemessen anhand der Kosten – und dem darauf basierendem Ergebnis – bestimmt durch die Nutzenbewertung der hergestellten Produkte durch die Nachfrager – bestmöglich ist.30 Ungeachtet vom zugrunde liegenden Wohlfahrtsstandard31 wird innerhalb des ökonomischen Effizienzbegriffs üblicherweise zwischen drei verschiedenen Effizienzkategorien differenziert: Der allokativen, der produktiven und der dynamischen Effizienz.32 aa) Allokative Effizienz Die Allokationseffizienz behandelt das Angebot von optimalen Gütermengen zu optimalen Güterpreisen: Wenn Unternehmen auf der Anbieterseite solche Produkte und Dienstleistungen herstellen, die von den Verbrauchern tatsächlich nachgefragt werden und all diejenigen Nachfrager, die bereit sind, zumindest denjenigen Preis für das Produkt zu zahlen, welcher den langfristigen Grenzkosten des Herstellers entspricht, von dem Anbieterunternehmen mengenmäßig versorgt werden können, ist maximale Allokationseffizienz gegeben. Die Preise können in einer solchen Situation nicht mehr reduziert und die Gütermenge nicht mehr erhöht werden, ohne dass das herstellende Unternehmen wirtschaftliche Verluste machte; die Situation entspricht damit derjenigen bei der vollkommenen Konkurrenz.33 Weicht der von den Unternehmen tatsächlich realisierte Preis von ihren langfristigen Grenzkosten ab, so resultieren daraus allokative Ineffizienzen, da jedenfalls diejenigen Verbraucher, die nicht bereit sind, mehr als die unternehmerischen Grenzkosten als Preis für das Produkt aufzuwenden, von der Anbieterseite nicht mehr versorgt werden.34
29 Brodley, 62 N.Y.U.L.Rev. (1987), 1020, 1025; Kantzenbach / Kinne, in: Festschrift für I. Schmidt, S. 67, 69. 30 Kinne, Effizienzvorteile in der Zusammenschlusskontrolle, S. 57. 31 Dazu sogleich unter 2. 32 Scherer, 62 N.Y.U.L.Rev. (1987), 998; Halliday, World Competition 1999, 91, 105; Motta, Competition Policy, S. 40 ff.; etwas anders Lindsay, The EC Merger Regulation: Substantive Issues, 1 – 09, 1 – 13 der als weitere Kategorie zusätzlich eine Transaktionseffizienz einführt. 33 Bei vollkommener Konkurrenz ist zugleich eine „Pareto-Effizienz“ gegeben: Es ist nicht mehr möglich, durch Reallokation mindestens ein Wirtschaftssubjekt besser zu stellen, ohne dadurch die Lage eines anderen Wirtschaftssubjektes zu verschlechtern, vgl. Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, S. 14. 34 Siehe Kantzenbach / Kinne, in: Festschrift für I. Schmidt, S. 67, 70.
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bb) Produktive Effizienz Produktive Effizienz oder Produktionseffizienz ist gegeben, wenn die Produktionskosten eines Unternehmens das niedrigstmögliche Niveau erreicht haben, der Einsatz der wesentlichen Produktionsfaktoren wie Maschinen, Arbeitskraft und Material nicht mehr optimiert werden kann, um zu einem besseren Ergebnis – sei es in qualitativer oder in quantitativer Art – zu gelangen.35 Optimale Produktionseffizienz setzt voraus, dass alle Größenvorteile ausgeschöpft sind und keine X-Ineffizienzen auftreten. Unter X-Ineffizienzen, einer Form produktiver Ineffizienz, versteht man die Tendenz, dass Anstrengungen zur Kostenminimierung oder zur Motivation der beteiligten Arbeitskräfte vernachlässigt werden; ein Unternehmen handelt umso X-ineffizienter, je stärker die effektiven Kosten von den minimalen Kosten abweichen.36 cc) Dynamische Effizienz Beide bisher beschriebenen Effizienzkategorien unterstellen in Bezug auf die Nachfragepräferenzen, das technische Wissen und die Kapitalausstattung der Unternehmen konstant bleibende Bedingungen; ihre Betrachtung ist damit rein statischer Natur und etwaige Probleme, die sich aus der Änderung ökonomischer Variablen im Zeitablauf ergeben, werden ausgeblendet. Um insbesondere die für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen aussagekräftige Innovationsfähigkeit in die ökonomische Analyse aufnehmen zu können, wird die statische Effizienzbetrachtung üblicherweise um eine dynamische Betrachtungsweise erweitert.37 Dynamische Effizienz oder Innovationseffizienz eines Unternehmens ist gegeben, wenn es mit neuen Produkten auf veränderte Präferenzen oder neue Herstellungsprozessen auf veränderte Bedingungen bezüglich der Kosten, Mengen und Technologien bestmöglich reagieren kann. Je schneller sich die Produktion den entsprechenden Veränderungen anpasst, desto dynamisch effizienter ist das betreffende Unternehmen.38 c) Verhältnis von Marktmacht und Effizienz Nimmt die Marktmacht eines Unternehmens durch externes Wachstum zu, so hat dies in der Regel unterschiedliche Folgen für die genannten Effizienzkategorien.
Lindsay, The EC Merger Regulation: Substantive Issues, 1 – 09. Scherer / Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 668 ff.; Bühler / Jaeger, Industrieökonomik, S. 64 f. 37 Bishop / Walker, The Economics of EC Competition Law, 2.43. 38 Kinne, Effizienzvorteile in der Zusammenschlusskontrolle, S. 59; Tirole, Industrieökonomik, S. 871 ff. 35 36
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
aa) Marktmacht und allokative Effizienz Steigt die Marktmacht und damit der Preissetzungsspielraum eines Unternehmens, indem es sich mit einem anderen Unternehmen zusammenschließt, so führt dies regelmäßig zu einer erhöhten allokativen Ineffizienz auf dem betroffenen Markt. Am deutlichsten wird dieser Zusammenhang erneut im Falle eines Monopols, wenn das Monopolunternehmen zum Zwecke seiner Gewinnmaximierung die Angebotsmenge verknappt und die Produktpreise erhöht:39 Der Zugewinn an Produzentenrente kann den insgesamt entstehenden Verlust an Konsumentenrente nicht kompensieren, es kommt zu gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsverlusten (sog. „deadweight-loss“).40 Ist allokative Effizienz – wie gezeigt – optimal in einer Situation vollkommener Konkurrenz, so ermöglicht von einer derartigen Ausgangslage im Ergebnis jede Erhöhung von Marktmacht die Zunahme allokativer Ineffizienz. Wenn dennoch nicht jeder Zusammenschluss von zwei Unternehmen zwingend eine Steigerung allokativer Ineffizienz mit sich bringt, so ist das darin begründet, dass ein vorheriger Wettbewerbspreis möglicherweise über dem gewinnmaximierenden Monopolistenpreis liegen kann. Zusammenschlussbedingte Einsparungen können dann zu einer höheren Gewinnmarge pro Produkteinheit führen, so dass die auf eine Preissenkung folgende Erhöhung der Absatzmenge in der Summe den Gesamtgewinn des Unternehmens steigert.41 In einem derartigen Fall würde die Anzahl der versorgten Verbraucher trotz erhöhter Marktmacht steigen, die Allokationseffizienz sich folglich verbessern. bb) Marktmacht und produktive Effizienz Unter den theoretischen Bedingungen des vollkommenen Wettbewerbs liegt der wirtschaftliche Gewinn eines effizient produzierenden Unternehmens bei Null,42 ineffiziente Unternehmen machen unter diesen Umständen folglich Verluste. Es besteht daher ein starker Anreiz, die Produktionskosten zu minimieren, um gleichzeitig den maximalen Profit zu erreichen und nicht aufgrund der relativ niedrigeren Produktionskosten der Konkurrenten vom Markt verdrängt zu werden.43 Dies gilt jedenfalls im Verhältnis zu der Situation der vollkommenen Konkurrenz. Unter der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt versteht man die Summe aus Konsumenten- und Produzentenrente, vgl. Bühler / Jaeger, Industrieökonomik, S. 62. Die Konsumentenrente beschreibt die Differenz zwischen dem Preis, den die Nachfrager für ein bestimmtes Produkt grundsätzlich zu zahlen bereit wären und dem tatsächlich zu zahlenden Marktpreis. Umgekehrt ergibt sich die Produzentenrente aus der Differenz zwischen dem Preis, der die Herstellungskosten deckt und dem erzielbaren Marktpreis. 41 Zu einer solchen Gedankenführung vgl. Kiljañski, World Competition 2003, 651, 677. 42 Gilt im Modell der vollkommenen Konkurrenz Preis = Grenzkosten, so ist gleichwohl eine angemessene Eigenkapitalverzinsung in diesen Kosten kalkulatorisch enthalten; Cezanne, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 159. 43 Bishop / Walker, The Economics of EC Competition Law, 2.16; Tirole, Industrieökonomik, S. 165. 39 40
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Weicht eine Marktsituation aufgrund steigender Marktmacht einzelner Unternehmen und folglich einer insgesamt erhöhten Marktkonzentration von der Situation des vollkommenen Wettbewerbs mehr und mehr ab, gehen auch die Anreize zur Kostenreduzierung stetig zurück: Mangels Wettbewerbsdrucks neigen marktmächtige Unternehmen dazu, der Kostenentwicklung nicht mehr die bestmögliche Aufmerksamkeit zu schenken und die Qualitätskontrolle sowie die Motivation der Angestellten zu vernachlässigen.44 Zudem werden im Falle erhöhter Marktmacht oder gar eines Monopols verstärkt unproduktive Aufwendungen getätigt, um die einmal erreichte Machtstellung gegenüber Konkurrenten zu verteidigen. Solche Aufwendungen äußern sich etwa in Form überdimensionierter Werbekosten, um durch exzessive Markenpflege den Markteintritt neuer Unternehmen zu verhindern oder auch in Form von aufwendigem, politischen Lobbying.45 Neben dieser sich mit steigender Marktmacht verstärkenden Tendenz zu einer abnehmenden Produktionseffizienz können Zusammenschlüsse von bisher unabhängigen Unternehmen auch zu einer ganzen Reihe von produktiven Effizienzvorteilen führen, die insbesondere in dem Entstehen von Größen- und Verbundvorteilen zu sehen sind. Größenvorteile bzw. Skalenerträge resultieren in einer Absenkung der Durchschnittskosten durch effektiveres Auslasten der vorhandenen Produktionsanlagen – wenn also insgesamt die Angebotsmenge durch den Zusammenschluss bei gleichbleibenden Fixkosten vergrößert wird. Eine (zu) große Anzahl von Wettbewerbern kann durch die Vervielfachung solcher Fixkosten auch einen Verlust an Produktionseffizienz darstellen, der durch eine Fusion verringert wird.46 Mit einer erhöhten Ausnutzung von Größenvorteilen und dadurch sinkenden Durchschnittskosten können allerdings aufgrund einer einhergehenden, räumlichen Ausdehnung des Vertriebsgebietes zugleich höhere Transportkosten anfallen, welche die Größenvorteile in Teilen oder gänzlich kompensieren.47 Unter Verbundvorteilen versteht man Kosteneinsparungen durch synergetische Effekte, wenn es also wirtschaftlich vorteilhaft ist, sich ergänzende Leistungen von einem anstelle von zwei Unternehmen erbringen zu lassen.48 Das Anstreben und Umsetzen von wirtschaftlichen Effizienzvorteilen in Form von Skalen- und Verbunderträgen stellt oftmals die maßgebliche Motivation für 44 Plastisch etwa der vielzitierte Satz von Hicks: „The best of all monopoly profits is a quiet life“, ders., 3 Econometrica, (1935), S. 1, 8. 45 Scherer / Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 672 f.; de la Mano, Efficiencies in European Merger Control, S. 13. 46 Motta, Competition Policy, S. 51, der damit aufzeigt, dass die These „je mehr Wettbewerber, desto höher die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt“ in dieser Pauschalität nicht zutreffend ist. Eine mindestoptimale Betriebsgröße ist erreicht, wenn die langfristigen Durchschnittskosten ihr Minimum erreichen, Kantzenbach / Kinne, in: Festschrift für I. Schmidt, S. 67, 69. 47 Shepherd, Industrial Organization, S. 175. 48 Camesasca, Getting the Efficiencies Right, Rdnr. 160 m. w. N.; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 101. Siehe auch sogleich unter 3. b) bb).
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einen Zusammenschluss dar.49 Anders aber als bei der Allokationseffizienz, wo mit steigender Marktmacht eines Unternehmen und der höheren Konzentration des Gesamtmarktes tendenziell, wenngleich nicht zwingend, mit einer Verschlechterung des Versorgungsgrades und gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsverlusten („deadweight-loss“) zu rechnen ist, lassen sich die Auswirkungen von Marktmacht auf die Produktionseffizienz eines Unternehmen weniger eindeutig zuordnen. Die innerbetrieblichen Kostenersparnisse aufgrund von Effizienzvorteilen können zwar erheblich sein, sie können zugleich aber auch durch das marktmachtbedingte Auftreten von X-Ineffizienzen – vernachlässigte Kostendisziplin mangels Wettbewerbsdrucks von außen, etc. – wieder geschmälert oder gar überkompensiert werden. Je größer die Unterschiede bezüglich Unternehmenskultur und Führungsstil der fusionierenden Unternehmen sind, desto stärker kommen diese X-Ineffizienzen – auch in Form gestiegener Organisationskosten – zum Tragen.50 All diese verschiedenen Kosten- und Marktmachtwirkungen von Zusammenschlüssen müssen im Rahmen einer Zusammenschlussregelung berücksichtigt und in Einklang gebracht werden; zu einer aussagekräftigen Beurteilung ist eine umfängliche Prüfung der allgemeinen Wettbewerbsverhältnisse daher unerlässlich.51 cc) Marktmacht und dynamische Effizienz Ein Unternehmenszusammenschluss kann auch die Steigerung der dynamischen Effizienz der neuen Einheit bewirken, indem beispielsweise vorher getrennte Forschungs- und Entwicklungsabteilungen zusammengelegt werden und durch größere finanzielle und personnelle Ressourcen gezielter und koordinierter auch sehr kostenintensive (Grundlagen-)Forschung betrieben werden kann.52 Zudem können kostensenkende Lernkosteneffekte mit der Größe eines Unternehmens zunehmen. Insoweit gilt: Je größer die hergestellte Menge eines Produktes bereits ist, desto größer ist schließlich auch das Einsparungspotential eines Unternehmens bezüglich der Produktionskosten, da es im Zeitablauf aufgrund seiner bisherigen Erfahrung lernt, den Produktionsprozess effizienter zu gestalten.53 Auf der anderen Seite steht dem gegenüber, dass durch fortschreitende Unternehmenskonzentration auch Kreativität und Pluralität in der Forschung und Entwicklung neuer oder verbesserWhish, Competition Law, S. 783. Dazu Bühner / Spindler, DB 1986, 601, 606. 51 Kantzenbach / Kinne, in: Festschrift für I. Schmidt, S. 67, 73, die darauf hinweisen, dass die empirischen Schätzmethoden zur Ermittlung von Größenvorteilen nicht immer zu hinreichend klaren Ergebnissen gelangen. Zu den bekanntesten dieser Methoden gehören Ingenieursschätzungen, vgl. Monopolkommisison, VI. Hauptgutachten (1986), Rdnrn. 600 ff. sowie der Survivor-Approach von Stigler, der darauf abstellt, wie sich bestimmte Betriebe einer Branche und Größenklasse im Zeitablauf entwickelt haben. 52 Evans / Padilla, World Competition 2003, 167, 176 ff. 53 Scherer / Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 98; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 87 f. Es handelt sich hierbei um die dynamische Dimension von Größenvorteilen. 49 50
I. Ökonomische und wettbewerbspolitische Grundlagen
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ter Produkte verloren gehen. Zunehmend bürokratische und längere Entscheidungswege, unzureichende Beteiligung der Mitarbeiter am Innovationserfolg sowie ein erhöhter Zeitaufwand für die Überwachung von immer größeren Forschungsabteilungen können sich in Großunternehmen zum Innovationshindernis entwickeln und dynamische Ineffizienzen hervorrufen.54 Ob und inwieweit zwischen schierer Unternehmensgröße und Innovation ein positiver, verallgemeinerungsfähiger Zusammenhang besteht, technischer Fortschritt also mit zunehmender Größe von Unternehmen überproportional zunimmt – dies unterstellt die erste der beiden Neo-Schumpeter-Hypothesen – ist durch empirische Studien nicht eindeutig belegt.55 Deutlich wird indes, dass nicht primär die Unternehmensgröße über den Grad der Forschungsintensität entscheidet, sondern auch weitere Aspekte eine Rolle zu spielen scheinen, wie etwa unterschiedliche Produktionstechniken, die Sicherung von Innovationsrenten durch die Patentierfähigkeit von Produkten oder die Größe und das Wachstum der betroffenen Absatzmärkte.56 Ähnlich uneindeutig ist auch der Zusammenhang von Marktmacht und Innovation. Gemäß der zweiten Neo-Schumpeter-Hypothese begünstigt ökonomische Macht die Innovationsneigung von Unternehmen, da erhöhte Marktmacht neben anderen Gesichtspunkten einen stärkeren Schutz vor schneller Imitation biete – etwa durch die Errichtung strategischer Marktbarrieren – und somit die Wirtschaftlichkeit von Forschung und Entwicklung besser gewährleiste als ein Zustand intensiven Wettbewerbs.57 Auch können die aus bereits bestehender Marktmacht resultierenden Gewinne eines Unternehmens zu einer höheren Selbstfinanzierung der Forschung führen. Auf der anderen Seite ist aber zu bedenken, dass oftmals gerade der Wettbewerb als treibende Kraft zur Verbesserung des technischen Fortschritts beiträgt: Indem Unternehmen damit rechnen müssen, dass ihnen aktuelle oder potentielle Konkurrenten durch kostensenkende Produktionsprozesse zuvorkommen, werden sie verstärkt zu eigener Innovationstätigkeit getrieben, um ihrerseits einen Wettbewerbsvorsprung zu erarbeiten oder ihre Marktstellung zu verteidigen. 54 Vgl. Scherer / Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 652 ff.; Williamson, 59 American Economic Review (2), Papers and Proceedings (1969), 105, 115. 55 Ein Überblick zu den empirischen Untersuchungen zur Neo-Schumpeter-Hypothese I findet sich bei I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 106 f. Ausführlich auch Scherer / Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 630 ff. 56 Ausführlich Cohen / Levin, in: Schmalensee / Willig, Handbook of Industrial Organization, Bd. 2, S. 1059, 1067 ff.; ferner I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 109 ff. m. w. N., der, gestützt auf empirische Untersuchungen, von einer Art Arbeitsteilung zwischen großen und kleinen Unternehmen ausgeht: Große Unternehmen hätten danach Vorteile bei der Marktdurchsetzung von Innovationen und der Grundlagenforschung, kleine Unternehmen dagegen bei der anwendungsorientierten Weiterentwicklung von Erfindungen. 57 Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, S. 143 ff., 172 ff. Die in Aussicht gestellte Marktmacht durch das Angebot neuer oder verbesserter Produkte ist einer der wesentlichen Anreize für die Unternehmen, etwas Neues zu erfinden, de la Mano, Efficiencies in European Merger Control, S. 13.
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
Die bisherigen empirischen Untersuchungen bezüglich der zweiten Neo-Schumpeter-Hypothese zeigen lediglich, dass ein gewisser Grad an Marktmacht für die technische Entwicklung zwar förderlich ist, dass hingegen ein genereller Zielkonflikt zwischen dem Verhindern von Marktmacht und dem Fördern von technischem Fortschritt nicht besteht.58 Für eine gesteigerte Intensität und Effizienz von Innovation kommt es demnach maßgeblich auf die bereits genannten Strukturkriterien wie Patentierfähigkeit, Marktwachstum oder die verwendete Produktionstechnologie einer Industriebranche an.59 Die Abwägung, inwieweit Marktmacht zugunsten von dynamischer Effizienz zuzulassen ist, kann daher in verschiedenen Industriezweigen gänzlich unterschiedliche Ausmaße annehmen. dd) Zwischenergebnis zu c) Lediglich ein Zusammenhang zwischen steigender Marktmacht und abnehmender Allokationseffizienz lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit unterstellen, da hiervon allenfalls in Fällen, in denen der Wettbewerbspreis vor einer Fusion höher liegt als der gewinnmaximierende Monopolistenpreis, eine Ausnahme zu machen ist. Was hingegen den Zusammenhang zwischen produktiver bzw. dynamischer Effizienz und steigender Marktmacht anbelangt, so ist hinsichtlich pauschalisierender Aussagen größere Vorsicht geboten. Inwieweit die positiven produktiven bzw. dynamischen Effizienzauswirkungen die gleichzeitig denkbaren X-Ineffizienzen übersteigen, ist – gerade auch aufgrund der nicht immer zutreffenden Selbsteinschätzung der beteiligten Unternehmen – sehr viel stärker von den Gegebenheiten des konkreten Einzelfalles abhängig. d) Unterschiedliche Schwerpunkte in der Wettbewerbspolitik Bevor nun im Einzelnen auf die praktischen Konsequenzen und Umsetzungsmöglichkeiten des aufgezeigten Zusammenhangs von Marktmacht und Effizienz einzugehen ist, soll zunächst die Bedeutung des wettbewerbspolitischen Leitbilds betont werden, welches jeder Wettbewerbsordnung zugrunde liegt. Welcher grundlegende Maßstab für die Störung des Wettbewerbs und welche Kriterien für die Ermittlung einer solchen Beschränkung heranzuziehen sind, ist unter dem Stichwort „Schutzzwecke des Wettbewerbs“ seit langer Zeit umstritten.60 Im Mittelpunkt der Diskussion steht dabei nicht zuletzt die Frage, welches Gewicht den 58 Cohen / Levin, in: Schmalensee / Willig, Handbook of Industrial Organization, Bd. 2, S. 1059, 1074 ff.; Scherer / Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 648. 59 Vgl. Levin / Cohen / Mowery, 75 American Economic Review (2), Papers and Proceedings (1985), 20 – 24. 60 Siehe dazu Möschel, 147 Journal of Institutional and Theoretical Economies (1991), S. 7 ff.; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 1 – 24.
I. Ökonomische und wettbewerbspolitische Grundlagen
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jeweiligen Polen Marktmacht und ökonomische Effizienz im Rahmen einer Wettbewerbsordnung zugestanden werden soll. Der sich hieraus ergebende Konflikt soll hier lediglich überblicksweise anhand zwei wettbewerbspolitischer Konzepte dargelegt werden, die gerade bezüglich der aufgezeigten Thematik konträre Positionen vertreten und unterschiedliche Schwerpunkte setzen: die so genannte Harvard- und die Chicago-Schule.61 aa) Die Harvard-Schule: Fixierung auf Marktmacht Der wettbewerbspolitische Ansatz der so genannten Harvard-Schule,62 deren Anfänge bis in die 40er Jahre des letzten Jahrhunderts zurück reichen, stellt maßgeblich auf den von Bain und Mason untersuchten Zusammenhang zwischen Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergebnis ab.63 Demnach determiniert die Marktstruktur – insbesondere die Anzahl der beteiligten Unternehmen auf dem relevanten Markt, das Vorhandensein bzw. Fehlen von Marktzutrittsschranken, die besonderen Kostenstrukturen, eine mögliche vertikale Integration einzelner Beteiligter sowie der Grad an Produktdifferenzierung zwischen den einzelnen Herstellern64 – das Marktverhalten der beteiligten Unternehmen – u. a. die Preisgestaltung, die Art und Weise der Werbung, die Abgrenzung eigener Produkte zu denen der Konkurrenten und die Intensität von Forschung und Entwicklung – und darüber schließlich auch das Marktergebnis – mithin das Ausmaß an gesellschaftlicher Wohlfahrt, produktiver und allokativer Effizienz sowie den allgemeinen Fortschritt.65 Die Vertreter der Harvard-Schule verfolgen mit ihrem interpretatorischen Ansatz nicht nur wirtschaftliche, sondern auch gesellschaftspolitische, metaökonomische Zielsetzungen, wie etwa die Aufrechterhaltung eines dezentral gelenkten Wirtschaftssystems zur Kontrolle wirtschaftlicher Macht, welches dem Schutze kleinerer Produzenten vor Marktbarrieren oder missbräuchlich ausgeübter verdrängender 61 Vgl. etwa Schmidtchen, in: Festschrift für Hoppmann, S. 143, 148, der die konträren Positionen anschaulich verdeutlicht, wenn er den Ansatz der Harvard-Schule mit dem Schlagwort „Marktmachtphobie“ charakterisiert, dagegen im Zusammenhang mit der ChicagoSchule von „Effizienzeuphorie“ spricht. 62 Zu den bekanntesten Vertretern der Harvard-Schule gehören Mason, Clark, Bain, Scherer, Shepherd, Sullivan vgl. Herdzina, Wettbewerbspolitik, S. 110. 63 Bain, in: Herdzina, Wettbewerbstheorie, S. 179 ff.; Scherer / Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 4 f. 64 Scherer / Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 4 ff. 65 Faull / Nikpay, The EC Law of Competition, 1.06 ff. Die aufgezeigte Kausalitätskette ist allerdings keineswegs einseitig, auch das Verhalten kann letztlich – mittels sogenannter feedback-Effekte – Auswirkungen auf die Marktstruktur haben: Wenn etwa Konkurrenten im Wege einer Kampfpreisunterbietungen verdrängt werden sollen oder durch hohe Werbeaufwendungen der Markteintritt neuer Wettbewerber erschwert werden soll. Vgl. etwa Emmerich, Kartellrecht, S. 9: „vollkommen undurchschaubares Geflecht von Kausalbeziehungen“.
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
Marktmacht dient.66 Eines der wichtigsten Ziele der Harvard-Schule ist daher die Sicherstellung einer kompetitiven und dezentralisierten Marktstruktur, um auf diese Weise schon das Entstehen von erhöhter, wirtschaftlicher Marktmacht infolge hoher Marktkonzentration zu verhindern.67 Wettbewerb wird auch als Entmachtungsinstrument verstanden und die Wettbewerbsbehörden folglich mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet, die bis hin zu Entflechtungsanordnungen langfristig konzentrierter Industrien reichen.68 Insgesamt liegt der wettbewerbspolitische Schwerpunkt dieses Ansatzes vorrangig auf der Marktstruktur und nicht auf dem Marktergebnis; infolgedessen treten Effizienzüberlegungen hinter Marktmachtüberlegungen in den Hintergrund.69 bb) Die Chicago-Schule: Effizienz als Maßstab Als Reaktion auf die Sichtweise der Harvard-Schule hat sich in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts geradezu antithetisch der Standpunkt der so genannten Chicago-Schule etabliert.70 Dieser ist gekennzeichnet von einer Abkehr vom bekannten Struktur-Verhalten-Ergebnis-Paradigma, dessen Schwäche darin erkannt wird, dass sich die angenommenen Zusammenhänge in der Mehrzahl der Fälle nicht beweisen lassen und in der Folge von den Anhängern der Chicago-Schule durch einen ergebnisorientierten Ansatz ersetzt wird. Als alleiniges Ziel der Wettbewerbspolitik erkennen diese die Maximierung ökonomischer Effizienz im Sinne gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrt; metaökonomische, ordnungspolitische Überlegungen werden dagegen schlicht übergangen.71 Exemplarisch heißt es bei Bork: „. . . the whole task of antitrust can be summed up as the effort to improve allocative efficiency without impairing productive efficiency so greatly as to produce either no gain or a net loss in consumer welfare“.72 Anstatt wie die Anhänger der Harvard-Schule den Schutzzweck des Wettbewerbs schwerpunktmäßig bei der Sicherstellung einer idealen Marktstruktur anzu66 Dazu Mayer, Ziele und Grenzen des Kartellverbots, S. 36. Nach Mason, in: Herdzina, Wettbewerbstheorie, S. 172, 177 muss eine Doktrin der tolerierbaren Macht derart ausgestaltet sein, dass einerseits Macht begrenzt wird, andererseits aber zugleich Bedingungen für wirtschaftliches Wachstum erhalten bleiben. 67 Bain, in: Herdzina, Wettbewerbstheorie, S. 179, 185. 68 I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 21. 69 Faull / Nikpay, The EC Law of Competition, 1.09 ff.; Schmidtchen, in: Festschrift für Hoppmann, S. 143, 146. 70 Zu den bekanntesten Vertretern dieser wettbewerbspolitischen Sichtweise zählen Bork, Posner, Demsetz, Director und Stigler, vgl. Emmerich, Kartellrecht, S. 10. 71 Kolasky / Dick, 71 Antitrust Law Journal (2003 / 04), 207; ebenso Summers, 69 Antitrust Law Journal (2001), 353, 358. 72 The Antitrust Paradox, S. 91. Der von Bork verwendete Begriff der Konsumentenwohlfahrt beschreibt indes ein Konzept, das andernorts als Gesamtwohlfahrtsmodell verstanden wird: „Consumer welfare, in this sense, is merely another term for the wealth of the nation“, ebd. S. 90. Zur Rolle des Wohlfahrtstandards sogleich unter 2.
I. Ökonomische und wettbewerbspolitische Grundlagen
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siedeln, dient Wettbewerb gemäß den Anhängern der Chicago-Schule ausschließlich als Mittel zur Effizienzförderung. Bezogen auf die Fusionskontrolle sollen daher auch nur solche Unternehmenszusammenschlüsse zu untersagen sein, die zu einem Verlust an gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrt führen. Indem jedoch Fusionen als Ausdruck funktionierender, effizienzsteigernder Marktmechanismen grundsätzlich sogar positiv bewertet werden, wird auf wettbewerbspolitische Eingriffe weitgehend verzichtet und auf einen Marktdarwinismus vertraut, der zur Bildung einer – durchaus asymmetrischen – Marktstruktur beiträgt, welche als Spiegelbild die unterschiedliche Effizienz der einzelnen Marktteilnehmer wiedergibt. Lediglich auf die Bekämpfung künstlicher Marktzugangsschranken soll sich der Einfluss des Staates beschränken.73 Während daher nach der Harvard-Schule bereits schiere Unternehmensgröße Bedenken aufwirft – eine erhöhte Konzentration begünstigt das Risiko von Absprachen –, ist Größe allein nach dem Standpunkt der Chicago-Schule kein Anlass zur Sorge, sondern vielmehr Ausdruck einer höheren Effizienz, welche ein schnelleres Wachstum ermöglicht.74 Ungeachtet der Plausibilität ihrer Annahmen75 kann ein bleibendes Verdienst der Chicago-Schule darin gesehen werden, dass sie die Kategorie der ökonomischen Effizienz stärker in den Blickpunkt der Wettbewerbspolitik gerückt und damit zugleich den Zusammenhang zwischen Marktmacht und Effizienz thematisiert hat. Soweit die Berücksichtigung von Effizienzvorteilen in der Zusammenschlusskontrolle auch heute als beachtlich angesehen wird, geht diese Analyse ganz wesentlich auf die Erkenntnisse der Chicago-Schule zurück.76 e) Der Ausgleich von Marktmacht und Effizienz Im Rahmen einer ökonomisch begründeten Zusammenschlusskontrolle, die ausschließlich dem Ziel der Wohlfahrtssteigerung verpflichtet ist – Chicago-Schule –, sind die effizienzmindernden und die effizienzsteigernden Auswirkungen von Zusammenschlüssen gegeneinander abzuwägen. Die angestrebte Verbesserung von allokativer, produktiver und dynamischer Effizienz durch Unternehmenszusammenschlüsse vollzieht sich dabei keineswegs im Gleichschritt, vielmehr weisen die unter dem Gesichtspunkt der Effizienz zu untersuchenden Maßnahmen regelmäßig gegenläufige Wirkungen auf. So kann die Fusion zweier Unternehmen einerseits 73 Faktoren wie Werbung, Produktdifferenzierung, Mindestkapitalausstattung oder eine vertikale Integration werden nach der Chicago-Schule nicht als hinderliche Marktzutrittsschranken, sondern als Ausdruck wettbewerblicher Verhaltensweisen und unternehmerischer Effizienz erfasst. Unter künstlichen Marktzutrittsschranken verstehen die Vertreter dieser Ansicht etwa Kampfpreisunterbietungen, vgl. Schmidt / Rittaler, WiSt 15, 1986, 283, 284 ff.; Schmidtchen, in: Festschrift für Hoppmann, S. 143, 148 f. 74 Mueller, WuW 1986, 533, 539. 75 Kritisch Möschel, WiSt 15, 1986, 341 ff. 76 Drauz, ZWeR 2003, 254, 259; Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 2 Rdnrn. 88 ff.
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
die produktive und dynamische Effizienz der neuen Einheit erhöhen, gleichzeitig aber – und wie dargelegt wurde, ist dies der Regelfall – dazu führen, dass durch die von dem neuen Unternehmen ausgeübte Marktmacht allokative Ineffizienzen entstehen. Für diesen Zielkonflikt hat der Ökonom Oliver E. Williamson bereits 1968 ein von ihm selbst als „naiv“ bezeichnetes Modell entwickelt, welches in den nun folgenden Unterabschnitten kurz dargestellt werden soll [aa), bb)]. Bereits an dieser Stelle soll aber darauf verwiesen werden, dass der sogenannte WilliamsonTradeoff in seiner starken Vereinfachung rein statischer Natur ist, mithin lediglich den Ausgleich zwischen allokativer und produktiver Effizienz behandelt. Ob und auf welche Weise auch dynamische Effizienzvorteile in die ökonomische Abwägung mit einfließen können, soll im Anschluss an das Williamson-Modell erörtert werden [cc)]. aa) Williamson’s Tradeoff: Der Ausgleich von allokativer und produktiver Effizienz In einer Reihe von Aufsätzen ist es dem Ökonomen Williamson gelungen, ein zwar stark vereinfachtes, aber gerade deswegen zwingend erscheinendes Modell zu entwickeln, welches den bestehenden Zielkonflikt zwischen allokativer und produktiver Effizienz thematisiert.77 Um die Auswirkungen einer Unternehmensfusion zu veranschaulichen, werden in der folgenden Graphik zwei gedanklich zu trennende Marktsituationen gemeinsam abgebildet: Zum einen die Situation vor, zum anderen diejenige nach dem Zusammenschluss zweier Unternehmen. Williamson unterstellt als Ausgangspunkt eine Marktsituation von Dyopolisten, die ein homogenes Produkt in einer bestimmten Gesamtmenge ( M1 ) zu einem bestimmten Preis ( P1 ) anbieten. Ihre Durchschnittskosten liegen bei DK1 . Bereits vor der Fusion verfügen die Unternehmen über eine gewisse Marktmacht, die sich darin äußert, dass sie weniger als die Wettbewerbsmenge ( Mw ) zu einem höheren Preis als dem Wettbewerbspreis ( Pw ) anbieten. Schon vor dem Zusammenschluss führte die Marktmacht der Unternehmen daher zu einem Gesamtwohlfahrtsverlust, welcher der Fläche W entspricht. Durch den Zusammenschluss der Dyopolisten entsteht ein Monopol, welches zum Zwecke der Gewinnmaximierung die Produktmenge von M1 auf M2 reduziert und den Preis von P1 auf P2 erhöht. Es ergeben sich sodann folgende Wohlfahrtsauswirkungen: Die bisher der Konsumentenrente zugeschlagene Fläche C wächst den Produzenten zu, das neu entstandene Monopol schöpft also einen um die Fläche C vergrößerten Teil der Konsumentenrente ab. Ferner verlieren die Konsumenten zusätzlich die Fläche A, die – zusammen mit dem Verlust der Produzentenrente um die Fläche B78 – den nunmehr vergrößerten Gesamtwohlfahrtsverlust des 77 Williamson, 58 American Economic Review (1968), 18 ff.; ders., 58 American Economic Review (1968), 1372 ff.; ders., 59 American Economic Review (1969), 954 ff.
I. Ökonomische und wettbewerbspolitische Grundlagen
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Monopols (= gemeinsame Fläche von A, B und W) darstellt. Diesem Gesamtwohlfahrtsverlust stehen allerdings – unterstellte – produktive Effizienzgewinne der neuen Einheit gegenüber, die sich in einer Verringerung der Durchschnittskosten von DK1 auf DK2 äußern und die graphisch ihren Ausdruck in der rechteckigen Fläche D finden.
Abbildung 1: Tradeoff nach Williams
Die „Naivität“ des Williamson’schen Modells liegt nun darin, dass die – in Abb. 1 jeweils grau unterlegten – Flächen D und A+B gegeneinander aufgerechnet werden und im Rahmen der Fusionskontrolle solche Zusammenschlüsse erlaubt werden sollen, bei denen die fusionsbedingten Kostenvorteile die durch erhöhte Marktmacht entstehenden Nachteile mindestens ausgleichen. Den Transfer der Fläche C von den Konsumenten zu den Produzenten lässt Williamson bei seinem Tradeoff außer Betracht; obwohl die Verbraucher nach der Fusion deutlich schlechter stehen – sie verlieren die Flächen C und A und müssen in der Folge höhere Preise zahlen – soll die entsprechende Besserstellung der Produzenten diesen Verlust kompensieren können.79 78 Dieser Verlust an Produzentenrente rührt aus der Reduzierung der bisher angebotenen Menge, die vor dem Zusammenschluss zu einem Preis oberhalb der Durchschnittskosten abgesetzt werden konnte. 79 Williamson, 58 American Economic Review (1968), 18, 27.
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
bb) Kritik an Williamson’s Modell Das dargelegte Tradeoff-Modell ist in vielerlei Hinsicht als unzureichend und oberflächlich kritisiert worden.80 Es wird darauf verwiesen, dass die marktstrukturellen Folgewirkungen von Fusionen – wenn etwa ein Zusammenschluss in der Folge zu Aufholfusionen der Konkurrenten führt – sowie deren Auswirkung auf andere als die unmittelbar betroffenen Märkte durch den Tradeoff nicht berücksichtigt werden könnten.81 Der durch das vollständige Fehlen einer dynamischen Wettbewerbskomponente rein komparativ-statische Ansatz des Modells erlaube zudem nur eine Momentaufnahme des Marktes und könne allenfalls im Rahmen einer kurzfristigen Analyse Gültigkeit beanspruchen.82 Ein weiterer Kritikpunkt an dem Rahmenmodell geht dahin, dass die angestrebten Effizienzvorteile nicht nur durch Zusammenschlüsse, sondern möglicherweise auch durch internes Unternehmenswachstum generiert werden können. Ist dies aber der Fall, könnten die produktiven Vorteile mit einem regelmäßig weniger kostspieligen Mittel erreicht werden, eine mit Marktmachtzuwächsen und Marktkonzentration einhergehende Fusion wäre dann unter Wohlfahrtsgesichtspunkten nicht wünschenswert und der – insoweit gar nicht erforderliche – Verlust an Konsumentenrente würde durch die hervorgerufenen Vorteile nicht wirklich ausgeglichen.83 Der schwerwiegendste Vorwurf an das aufgezeigte Tradeoff-Modell ist schließlich derjenige der mangelnden Operationalität: 84 Die graphisch dargestellten Macht- und Kosteneffekte ließen sich in aller Regel nicht mit hinreichender Sicher80 Siehe Böbel, Wettbewerb und Industriekultur, S. 213 ff.; zusammenfassend auch Denzel, Materielle Fusionskontrolle in Europa und den USA, S. 272 ff. 81 de la Mano, Efficiencies in European Merger Control, S. 16. Auch Williamson selber hat einige dieser Schwächen seines Modells ausdrücklich benannt, vgl. ders., 58 American Economic Review (1968), 18, 23. Farrell und Shapiro haben dagegen eine indirekte Abwägungsmethode entwickelt, welche zusammenschlussübergreifende Wohlfahrtseffekte, also Auswirkungen einer Fusion auf Konkurrenzunternehmen und Nachfrager stärker berücksichtigt, dies., 80 American Economic Review (1990), 107 ff. Indirekt wird nach ihrem Konzept über die Qualifizierung externer Effekte als positiv oder negativ auf das Vorliegen von überwiegender Marktmacht oder überwiegenden Effizienzvorteilen geschlossen; führt die Fusion insgesamt zu einem positiven externen Effekt, d. h. zu einer Erhöhung der Summe aus Konsumentenrente und den Gewinnen der nicht an der Fusion beteiligten Unternehmen, wird empfohlen, die Fusion freizugeben. Siehe dazu Morasch, Industrie- und Wettbewerbspolitik, S. 33 und Röller / Stennek / Verboven, Efficiency Gains from Mergers, S. 32. 82 Camesasca, E.C.L.R. 1999, 14, 16; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 98. 83 Möschel, WiSt 15, 1986, 341, 344. Im Falle internen Wachstums wird der Zuwachs an Marktmacht als legitime Belohnung für riskante Aufwendungen eingeordnet, vgl. Motta, Competition Policy, S. 70. 84 Auch prominente Vertreter der Chicago-Schule, etwa Posner, Antitrust Law, S. 133 und Bork, The Antitrust Paradox, S. 128, wandten sich aufgrund dieser Schwierigkeiten gegen eine Effizienzberücksichtigung im Einzelfall; sie plädierten vielmehr für insgesamt höhere Untersagungsschwellen im Recht der Zusammenschlüsse. Zu den denkbaren Umsetzungen einer Effizienzeinbeziehung vgl. näher unter 4.
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heit ermitteln und stellten die abwägende Behörde – und gegebenenfalls die Gerichte – aufgrund einer Fülle von nicht bekannten Daten vor erhebliche Probleme.85 Williamson’s Modell setze für seine praktische Anwendbarkeit voraus, dass die den Tradeoff vornehmende Stelle Zugang zu einer Vielzahl von unternehmensinternen Informationen habe, deren Ermittlung – und deren glaubhafter Nachweis – selbst den betroffenen Unternehmen erhebliche Schwierigkeiten bereiten würde. Der Tradeoff von allokativer und produktiver Effizienz sei daher für die Praxis einer wirksamen Fusionskontrolle mit großen Unsicherheiten verbunden.86 Trotz dieser Kritik am Williamson’schen Tradeoff besteht indes weitgehend Einigkeit darüber, dass das Modell den Zusammenhang von Marktmacht und Effizienz anschaulich verdeutlicht und die aus ökonomischer Sicht erforderliche Einbeziehung fusionsbedingter Effizienzvorteile in die rechtliche Bewertung von Zusammenschlüssen in den Blickpunkt gerückt hat.87 cc) Der Ausgleich von statischer und dynamischer Effizienz Unternehmen schließen sich auch deshalb mit anderen Unternehmen zusammen, um technischen Fortschritt anzustoßen und sich dadurch einen Vorsprung vor ihren Konkurrenten zu verschaffen. Bedeutsam sind solche zusammenschlussbedingten Verbesserungen der Forschungs- und Entwicklungsmöglichkeiten insbesondere in einer mittel- und langfristigen Perspektive, wenn sie nicht unmittelbar zu kurzfristigen Preissenkungen führen, sondern zur Entwicklung neuer oder verbesserter Produkte und damit zu einem höheren allgemeinen Entwicklungsstand beitragen.88 Da sich dynamische Effizienzgewinne jedoch erst im Zeitablauf, nach einer oftmals ungewissen Zeitspanne realisieren lassen, können sie in einen Konflikt mit 85 Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 2 Rdnr. 90; Gerard, 40 CML Rev. (2003), 1367, 1387. Eines der grundlegendsten Probleme stellt dabei die nur schwer zu ermittelnde Elastizität der Nachfrage dar, Camesasca, E.C.L.R. 1999, 14, 16. 86 Halliday, World Competition 1999, 91, 106; Zampa, 4 E.B.O.R. (2003), 573, 583. Das von Farrell / Shapiro in 80 American Economic Review (1990), 107 ff. vorgestellte Modell der indirekten Wohlfahrtsabwägung hat demgegenüber zwar den Vorteil, dass es weniger Informationen erfordert, die externen Auswirkungen eines Zusammenschlusses zu schätzen, als die internen Kosteneinsparungen der fusionierten Einheit zu ermitteln, a. a. O., S. 109. Ein wesentlicher Nachteil von Farrell / Shapiro’s indirekter Wohlfahrtsanalyse ist jedoch, dass es eine Marktsituation erfordert, die sich ausschließlich durch Mengenwettbewerb (CournotWettbewerb) auszeichnet, was in der Realität kaum anzutreffen ist. 87 Etwa Bork, The Antitrust Paradox, S. 108: „[The diagram] merely illustrates a relationship; it does not quantify it“; ebenso Zampa, 4 E.B.O.R. (2003), 573, 584; Halliday, World Competition 1999, 91, 107. 88 Vgl. Motta, Competition Policy, S. 64: „Because of spillovers, Research & Development is a public good“. Technische spillovers führen dazu, dass die von einem Unternehmen durch Forschung und Entwicklung gewonnenen Informationen von anderen Unternehmen verwendet werden können, ohne dass dem forschenden Unternehmen ein Nutzungsentgelt gezahlt werden muss. Siehe auch Gifford / Kudrle, 72 Antitrust Law Journal (2005), 423, 441; Gerard, 40 CML Rev. (2003), 1367, 1392.
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der Zielsetzung nach größtmöglichen, statischen Effizienzvorteilen geraten. Geht man davon aus, dass kostenintensive unternehmerische Forschungs- und Entwicklungsbemühungen wirtschaftlicher Anreize bedürfen – beispielsweise durch die Inaussichtstellung ausschließlicher Nutzung- und Verwertungsrechte89 –, so wird schnell erkennbar, dass eine teilweise Verringerung von Wettbewerb erforderlich ist – welche zugleich zu einem Verlust an statischer Effizienz führt –, um diese Investitionsanreize zu schaffen. Technischer Fortschritt als eine der Hauptkomponenten wirtschaftlichen Wachstums ist für die Wohlfahrt einer Gesellschaft zugleich von einer derart großen Bedeutung, dass eine an ökonomischen Kriterien ausgerichtete Fusionskontrolle auf die Berücksichtigung von dynamischen Effizienzgewinnen bei der Bewertung von Zusammenschlüssen nicht von vornherein verzichten kann. Gestaltet sich aber bereits der Tradeoff von allokativer und produktiver Effizienz aufgrund der aufgezeigten Schwierigkeiten als problematisch, so gilt dies in noch gesteigertem Maße für den Ausgleich von statischen und dynamischen Gesichtspunkten. Es ist bereits ausgeführt worden, dass aus dem Blickwinkel empirischer Betrachtungen kein hinreichend gesicherter, positiver Zusammenhang zwischen dem Verhältnis von Größe bzw. Marktmacht und Innovationsbemühungen von Unternehmen besteht.90 Zusammenschlüsse können einerseits zu einer Beschleunigung, andererseits aber auch zu einer Behinderung von Innovation führen. Inwieweit daher gegenwärtige, marktmachtbedingte Verluste von allokativer oder produktiver Effizienz gegenüber einer zu erwartenden, zukünftigen Steigerung der dynamischen Effizienz aufzuwiegen sind, lässt sich in einer allgemein gültigen Abwägungsanalyse nicht formulieren.91 Erschwerend kommt hinzu, dass dynamische Effizienzvorteile wie neue oder qualitativ verbesserte Produkte kaum zu bemessen sind, so dass aufgrund der regelmäßig höchst unsicheren Ergebnisse von Forschungsinvestitionen92 eine auch nur einigermaßen verlässliche Prognose über den Eintritt von angestrebten Effizienzvorteilen kaum möglich ist. 89 Dazu ausführlich Scherer / Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 621 ff. Patente stellen nichts anderes als die staatliche Legitimation von Monopolen dar. Entscheidend ist daher vor allem die Frage nach der zeitlichen Befristung des Patentschutzes, vgl. Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 245 ff. 90 Vgl. oben I. 1. c), cc). 91 Kinne legt allerdings dar, dass unterschiedliche Diffusionsraten von Innovationen in der Abwägungsanalyse berücksichtigt werden können, die daraus resultieren, dass sich bestimmte Produkte leichter patentieren oder verfremden lassen als andere. Je höher die Diffusionsrate einer Innovation, desto stärker soll fusionsbedingten, allokativen Ineffizienzen entgegen gewirkt werden können, vgl. dies., Effizienzvorteile in der Zusammenschlusskontrolle, S. 81 ff. Zu bedenken ist aber auch, dass bei hohen Diffusionsraten insgesamt weniger Anreize für Innovationsinvestitionen bestehen. 92 Unsicher ist zum einen der zeitliche Abstand, zum anderen die Relation von Kosten und Nutzen der Forschungstätigkeit. Weiter ist schwierig zu ermitteln, inwieweit die Forschungsergebnisse überhaupt auf die neue Unternehmenseinheit zurückgeführt werden und nicht auch aufgrund eines allgemein bekannten Wissen hätten entstehen können. Schlagen sich die Forschungsergebnisse in Form neuer Produkte nieder, so wird eine Abwägung zusätzlich
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Die aufgezeigten Unsicherheiten bezüglich fusionsbedingter, dynamischer Effizienzgewinne legen nahe, dass ihnen mit größter Vorsicht zu begegnen ist und sie bei der Bewertung eines Zusammenschlusses grundsätzlich nur eine untergeordnete, ergänzende Rolle spielen können.93 Dennoch sind die spezifischen Besonderheiten der angestrebten dynamischen Effizienzvorteile in jedem Einzelfall sorgfältig zu untersuchen. Nur wenn im Rahmen einer zurückhaltend-konservativen und von unabhängiger Seite bestätigten Schätzung sichergestellt werden kann, dass die zusammenschlussbedingte Steigerung dynamischer Effizienz aufgrund von konkreten Erfahrungen über das Maß einer Spekulation hinausgeht, sind die dynamischen Effizienzgewinne auch geeignet, den statischen Tradeoff von allokativer und produktiver Effizienz zu erweitern. 2. Die Bedeutung des Wohlfahrtsstandards Bei der Einbeziehung von Effizienzvorteilen in die Zusammenschlussbewertung ist es von großer Bedeutung, auf welchem Wohlfahrtsverständnis die Entscheidung der zuständigen Wettbewerbsbehörde basiert. Mit der Hinwendung zu einem Wohlfahrtsstandard wird darüber bestimmt, welche ökonomischen Zielsetzungen mittels der Wettbewerbsordnung vorrangig erreicht werden sollen. In den bisherigen Ausführungen wurde die Problematik nur am Rande berührt, wenn etwa auf die gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsverluste durch Monopolisierung hingewiesen wurde. Für die Behandlung von Effizienzvorteilen ist die Frage nach dem Wohlfahrtsstandard jedoch von großem Belang, da von ihrer Beantwortung maßgeblich abhängt, unter welchen Umständen und in welchem Ausmaß Effizienzgewinne überhaupt in die wettbewerbsrechtliche Abwägung mit einzubeziehen sind. Es sind vor allem zwei Wohlfahrtskonzepte, die in der ökonomischen Literatur diskutiert werden und mit Hilfe derer sich die Konsequenzen von Effizienzgewinnen beurteilen lassen:94 Das Modell der Gesamtwohlfahrt („total welfare“95) und noch dadurch belastet, dass die Effizienzgewinne auf anderen sachlichen Märkten anfallen, als auf denjenigen, auf denen sich die Wettbewerbsbeschränkungen realisieren, vgl. Schwalbe, in: Oberender, Effizienz und Wettbewerb, S. 63, 80. 93 In diesem Sinne Evans / Padilla, World Competition 2003, 167, 173, 193; Camesasca, Getting the Efficiencies Right, Rdnr. 247 m. w. N.; Gerard, 40 CML Rev. (2003), 1367, 1392. Zurückhaltend auch aus weiteren Gründen Neumann, Wettbewerbspolitik, S. 109. 94 Im Schrifttum wird teilweise zwischen weiteren Wohlfahrtsstandards differenziert. Im Wesentlichen können diese jedoch als Ableitungen von einem der hier dargestellten Modelle eingeordnet werden, siehe Duhamel / Townley, World Competition 2003, 3, 6 ff. sowie Gifford / Kudrle, 72 Antitrust Law Journal (2005), 423, 435 ff. Erwähnt werden soll aber der im kanadischen Recht teilweise verwendete „balancing weights approach“, welcher dem Verlust an Konsumentenrente und dem Gewinn an Produzentenrente nach den Umständen des Einzelfalls jeweils ein relatives Gewicht zuordnet. Die Anwendungsschwierigkeiten dieses – sehr flexiblen – Ansatzes liegen jedoch darin, dass den Behörden bzw. Gerichten eine sozioökonomische Entscheidung auferlegt wird, welche in Bezug auf die individuell von der Fusion betroffenen Gruppen ein Werturteil im Einzelfall impliziert. Zum kanadischen Recht und der
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das Modell der Verbraucherwohlfahrt („consumer welfare“96). Das Ergebnis der aufgezeigten Effizienzabwägung hängt davon ab, welches grundsätzliche Gewicht den Interessen der beteiligten Gruppierungen „Verbrauchern“ und „Produzenten“ bzw. „Anteilseignern“ von den zur Entscheidung berufenen Stellen zugestanden wird. Welcher der Standards für eine Analyse der Effizienzvorteile heranzuziehen ist, kann allein aus ökonomischer Perspektive indes nicht eindeutig beantwortet werden; die Entscheidung für ein Wohlfahrtsmodell ist insofern stark von Argumenten politischer Natur geprägt.97 a) Der Gesamtwohlfahrtsstandard Das Konzept vom Gesamtwohlfahrtsstandard liegt dem beschriebenen TradeoffModell von Williamson zugrunde.98 Danach ist ein Zusammenschluss dann freizugeben, wenn er die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt erhöht, welche sich aus der Summe der Konsumenten- und der Produzentenrente zusammensetzt. Konsequenz dieses Wohlfahrtsstandards ist es, dass sich die Konsumentenrente durch einen Zusammenschluss zwar möglicherweise verringert – durch gestiegene Preise, die bewirken, dass nur noch diejenigen Verbraucher versorgt werden, die diese Preise zu zahlen bereit sind –, dass aber derartige Wohlfahrtsverluste durch einen relativ höheren, effizienzbedingten Anstieg der Produzentenrente ausgeglichen werden können.99 Trotz gestiegener Preise ist ein Zusammenschluss freizugeben, der Rechtssache „The Commissioner of Competition v Superior Propane Inc.“ vgl. Piaskoski / Finkelstein, World Competition 2004, 259, 284 ff. 95 Die Begriffe „welfare“ und „surplus“ werden in der ökonomischen Literatur teilweise synonym verwendet, vgl. Motta, Competition Policy, S. 18; Bishop / Walker, The Economics of EC Competition Law, 2.22. Anders allerdings Bork, The Antitrust Paradox, S. 90. (vgl. die nachfolgende Fn.). 96 Dieser Begriff wird sehr unterschiedlich interpretiert: Bork etwa beschreibt mit dem von ihm verwendeten Begriff des „consumer welfare“ den „wealth of the nation“, was nach der überwiegend vorgenommenen begrifflichen Einstufung eher einem Gesamtwohlfahrtsstandard entsprechen dürfte, Bork, The Antitrust Paradox, S. 90. 97 Vgl. Ilzkovitz / Meiklejohn, European merger control: do we need an efficiency defence?, S. 18. 98 Williamson selber verwendet den Begriff „allocative efficiency standard“, ders., 59 American Economic Review (2), Papers and Proceedings (1969), 105, 107. Auch die Bezeichnung „aggregate welfare standard“ findet sich in der Literatur, Kattan, 62 Antitrust Law Journal (1994), 513, 528. 99 Dies ist die Grundaussage des Williamson Tradeoff, siehe Abb. 1. Durch den Gesamtwohlfahrtsstandard wird das Pareto-Kriterium verletzt, wonach eine Maßnahme effizient ist, wenn durch sie niemand schlechter, aber mindestens eine Person besser gestellt wird. Gerechtfertigt wird diese Verletzung durch das Kaldor-Hicks-Kriterium, welches besagt, dass eine Maßnahme dann effizient ist, wenn die durch sie Begünstigten die Benachteiligten entschädigen könnten und gleichzeitig ein Restvorteil bestehen bliebe; Kirchgässner, JZ 1991, 104, 109. Dennoch liegt hier ein wesentlicher Kritikpunkt an dem Gesamtwohlfahrtskonzept: Da es bereits ausreicht, dass eine „Entschädigung“ der Zusammenschlussbenachteiligten
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Wohlfahrtstransfer von Konsumenten zu Produzenten wird als irrelevant vernachlässigt. Da Konsumenten- und Produzentenrente als gleichrangig bewertet werden, müssen unternehmensintern entstandene Effizienzgewinne nicht in irgendeiner Form an die Verbraucher weitergegeben werden, unter einem Gesamtwohlfahrtsstandard werden die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen einer Fusion ausschließlich an der Größe des gesamtwirtschaftlichen „deadweight-loss“ gemessen.100 Für die Bewertung von Effizienzvorteilen in der Fusionskontrolle bedeutet dies, dass all diejenigen Effizienzgewinne berücksichtigungsfähig sind, die diesen Wohlfahrtsverlust mindestens ausgleichen oder gar zu einem positiven Nettowohlfahrtsgewinn führen.101
b) Der verbraucherorientierte Wohlfahrtsstandard Dem Modell der Gesamtwohlfahrt steht das verbraucherorientierte Wohlfahrtskonzept gegenüber. Danach ist ein Zusammenschluss freizugeben, wenn er zu Wohlfahrtssteigerungen führt, die jedenfalls keine Schlechterstellung für die Nachfrager eines Produktes bewirken. Der Verlust an Konsumentenrente muss für die Konsumenten durch den ihnen zufließenden Anteil an den entstandenen Effizienzvorteilen mindestens ausgeglichen werden; folglich kommt es durch eine Fusion auch zu keinem Wohlfahrtstransfer von Verbrauchern zu Produzenten, höhere Unternehmensgewinne werden erst dann als wohlfahrtssteigernd betrachtet, wenn die Verluste der Verbraucher kompensiert sind.102 Anders als dem Gesamtwohlfahrtskonzept, welches Verbraucher und Produzenten gleichwertig behandelt, unterliegt dem Modell der Konsumentenwohlfahrt ein pauschales Werturteil zugunsten der Verbraucher. Konsequenz dieses Ansatzes ist es, dass die zunächst unternehmensintern anfallenden Effizienzen in irgendeiner Form an die Verbraucher weitergegeben werden müssen. Als wesentlicher Wettbewerbsparameter spielt dabei der Produktpreis eine herausgehobene Rolle; niedrigere oder jedenfalls gleichbleibende Preise für die Verbraucher nach der Fusion stehen daher maßgeblich im Zentrum einer an Verbraucherwohlfahrt orientierten Wettbewerbspolitik.103 Ob ein Zusammenschluss hingegen trotz prognostizierter, steigender Preise genehmigungsfähig ist, hängt davon ab, ob im Rahmen der Verallein möglich ist, führt die Fusion bei tatsächlich nicht gezahltem Ausgleich zu einer Unterteilung in Gewinner und Verlierer; vgl. Duhamel / Townley, World Competition 2003, 3, 8. 100 Vgl. in Abb. 1 die Fläche AB; der bereits vor dem Zusammenschluss bestehende deadweight-loss (Fläche W) bliebe außer Betracht. 101 Röller / Stennek / Verboven, Efficiency Gains from Mergers, S. 32: „Therefore, all types of efficiency in principle qualify for a Williamsonian type of defence, provided, of course, that they involve sufficiently large average cost reductions.“ 102 Der verbraucherorientierte Wohlfahrtsstandard beruht folglich auf der konsequenten Anwendung des Pareto-Kriteriums, vgl. dazu bereits Fn. 33. 103 Drauz, ZWeR 2003, 254, 266; Luescher, E.C.L.R. 2004, 72, 82.
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braucherwohlfahrt auch dynamische Effizienzgesichtspunkte zu beachten sind: Der Verbrauchervorteil kann in diesem Fall darin zu sehen sein, dass erheblich verbesserte Produkte nur relativ wenig teurer geworden sind. Überwiegend wird eine solch breite Interpretation der Verbraucherwohlfahrt bevorzugt; die bereits dargelegten Schwierigkeiten machen aber deutlich, dass dynamischen Effizienzaspekten aufgrund ihres oftmals eher spekulativen Charakters in der Fusionskontrolle allenfalls eine abgeschwächte Bedeutung zufallen kann.104
c) Für und Wider die beiden Wohlfahrtsstandards Ausgangspunkt des Gesamtwohlfahrtsstandards ist die diskriminierungsfreie Behandlung von Konsumenten und Produzenten. Die Gleichstellung beider Gruppierungen wird damit begründet, dass sich eine trennscharfe Linie zwischen ihnen ohnehin kaum ziehen lässt: Auch Produzenten sind außerhalb ihres Unternehmen Konsumenten, ebenso wie viele Verbraucher wenn nicht bereits auf direkte, so doch wenigstens auf indirekte Weise Anteilseigner von Unternehmen sind, wenn sie beispielsweise über Aktien oder Investmentfonds von den Gewinnen der Unternehmen profitieren.105 Des Weiteren sollten reine Wohlfahrtsverteilungsfragen nicht mittels kartellrechtlicher Regelungen, sondern effektiver durch eine differenzierende Steuergesetzgebung gelöst werden.106 Vor allem in der ökonomischen Literatur hat der Gesamtwohlfahrtsstandard als Grundlage wettbewerblicher Regelungen zahlreiche Anhänger.107 104 Bishop / Walker, The Economics of EC Competition Law, 2.26; Drauz, ZWeR 2003, 254, 268; Ahdar, E.C.L.R. 2002, 341, 351; Brodley, 62 N.Y.U.L.Rev. (1987), 1020, 1039. 105 Scherer, 62 N.Y.U.L.Rev. (1987), 998, 999; Kiljañski, World Competition 2003, 651, 653 f. 106 Williamson, 58 American Economic Review (1968), 18, 28; ähnlich auch Bork, The Antitrust Paradox, S. 112. Obwohl Bork – als einer der bekanntesten Vertreter der ChicagoSchule – seinen Ansatz als „consumer welfare model“ bezeichnet, macht er in der Sache deutlich, dass er einem möglichen Wohlfahrtstransfer keine Bedeutung schenkt: „There is every reason, therefore, to conclude that courts should ignore income distribution in deciding antitrust cases and stick to the criteria of the consumer welfare“, a. a. O. Kritisch zu dieser Begriffsverwendung durch die Anhänger der Chicago-Schule Fox, World Competition 2003, 149, 152 f. 107 Vgl. von den bisher Genannten etwa Williamson, Bork, de la Mano, Scherer, jeweils a. a. O., ferner Farrell / Shapiro, 80 American Economic Review (1990), 107, 114; Schmidtchen, in: Oberender, Effizienz und Wettbewerb, S. 9, 22. Aus juristischer Sicht neben Bork auch Pitofsky, 81 Geo. L. J. (1992), 195, 207. Motta macht geltend, dass wesentliche unternehmerische Innovationsanreize abgeschwächt würden, wenn ein verbraucherorientierter Wohlfahrtsstandard Effizienzvorteile nur dann in der Zusammenschlussbewertung berücksichtigte, wenn sie zu Preissenkungen führten. Würde ein solcher Standard hingegen um eine dynamische Komponente erweitert, wäre eine Unterscheidung zwischen beiden Modellen weitestgehend hinfällig, ders., Competition Policy, S. 21. Eine solche Gedankenführung unterstellt freilich eine sehr großzügige Einbeziehung dynamischer Effizienzen, was aufgrund der großen Unsicherheiten bei deren Entstehung und Weitergabe zumindest zweifelhaft erscheint.
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Die Argumente, die demgegenüber für einen verbraucherorientierten Wohlfahrtsansatz angeführt werden, sind teils politischer, teils ökonomischer Natur. Eine vollständige Gleichstellung von Konsumenten und Anteilseigner wird zunächst als unberechtigt abgelehnt. Allein die Tatsache, dass Anteilseigner letztlich auch Konsumenten sind, könne nicht zu der Annahme verleiten, dass ein Transfer zwischen ihnen auch stets neutral sei: Die individuelle Wertschätzung eines Guts hinge unter anderem auch davon ab, wie wohlhabend ein Empfänger bereits vor dessen Erlangung sei.108 Aus gesellschaftspolitischen Gründen müsse zudem verhindert werden, dass sich durch zusammenschlussbedingte Wohlfahrtstransfers zu den Produzenten soziale Asymmetrien verfestigten.109 Steuerrechtliche Maßnahmen könn-ten jedenfalls die individuelle Umverteilung durch konkrete Zusammenschlüsse nicht hinreichend kompensieren.110 Stärker ökonomisch fundierte Argumente sehen zwischen den fusionierenden Unternehmen und der entscheidenden Wettbewerbsbehörde eine Informationsasymmetrie, welche durch eine Hinwendung zum verbraucherorientierten Wohlfahrtsansatz kompensiert, jedenfalls aber abgemildert werden kann.111 In eine ähnliche Richtung weisen Neven und Röller, die das Wohlfahrtskonzept zugunsten der Konsumenten als Ausgleich einer drohenden Voreingenommenheit der Wettbewerbsbehörden sehen, die von einer unternehmerischen Einflußnahme durch Lobbying herrühre.112 Gegen die Verfolgung des gesamtwirtschaftlich orientierten Wohlfahrtsansatzes könnte auch sprechen, dass höhere Unternehmensgewinne die fusionsbedingten, negativen Auswirkungen für den Wettbewerb sogar noch vertieften, wenn eine durch Effizienzvorteile erhöhte Produzentenrente etwa für Kampfpreisunterbietungen verwendet würden.113 Aus ökonomischer Sicht wird jedoch auch darauf verwiesen, dass eine Weitergabe von zusammenschlussbedingten Effizienzvorteilen an Verbraucher typischerweise nur dann erfolgt, wenn sich der Zusammenschluss in einem wettbewerbsintensiven Markt vollzieht und letztlich die Marktkräfte einen derartigen Druck auf die Unternehmen ausüben, dass diese – erzwungenermaßen – auf die Vorteile Kiljañski, World Competition 2003, 651, 654. Anschaulich etwa Brodley, 62 N.Y.U.L.Rev. (1987), 1020, 1036: „to hold that producers perform a civic duty when they systematically take from buyers the entire economic surplus is an Orwellian result that no democratic government could long sustain.“ Ähnlich Ahdar, E.C.L.R. 2002, 341, 350. Dagegen mit dem Vorwurf der Diskriminierung Duhamel / Townley, World Competition 2003, 3, 21. 110 Ross / Winter, 72 Antitrust Law Journal (2005), 471, 479. 111 Besanko / Spulber, 9 Journal of Law, Economics, & Organization (1993), 1, 16 ff. 112 Dies., Consumer Surplus vs. Welfare Standard in a Political Economy Model of Merger Control, S. 21. Neven / Röller betonen in ihrer formalen Analyse die Vorzüge des verbraucherorientierten Wohlfahrtsstandards insbesondere dann, wenn sowohl die Verfahrensintransparenz als auch der zu prüfende Zusammenschluss groß ist. Im Fall des europäischen Wettbewerbsrechts halten sie diese Voraussetzungen typischerweise für gegeben. 113 Zampa, 4 E.B.O.R. (2003), 573, 591. 108 109
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verzichten und sie an die Verbraucher weitergeben. In einem solcherart umkämpften Markt bestehen aber von vornherein keine Einwände gegen einen Zusammenschluss, Effizienzgewinnen käme nach dem Modell der Verbraucherwohlfahrt in den meisten Fällen, in denen sie möglicherweise eine Rolle spielen könnten, kaum eine Bedeutung zu.114 Ist nach dieser Argumentation die Relevanz von Effizienzgewinnen in vielen Fällen gemindert, gilt zu beachten, dass eine Weitergabe von Effizienzvorteilen nicht per se im Widerspruch zur Gewinnmaximierung eines Monopolisten steht. Nicht immer muss die Verengung der Marktstruktur zum Nachteil der Verbraucher sein. Denkbar sind Situationen, in denen Preissenkungen gerade das Mittel zur Gewinnmaximierung darstellen: Wenn durch Einsparungen die Grenzkosten dergestalt gesenkt werden können, dass die Gewinnmarge pro Produkteinheit steigt, kann es für einen Monopolisten lohnend sein, den Preis zu senken, um über eine größere Absatzmenge den Gewinn zu maximieren.115 Auch im Falle von zwei hintereinander geschalteten, unabhängig voneinander agierenden Monopolen können sich die Monopoleffekte derart kumulieren, dass der Endpreis für den Verbraucher höher und gleichzeitig der Gesamtgewinn der unabhängigen Unternehmen niedriger ist als bei koordinierter, gemeinsamer Gewinnmaximierung.116 Nach einer vertikalen Integration ist dann der Endverkaufspreis geringer und die angebotene Produktmenge höher als in der nicht-integrierten Situation.117 114 Der ehemalige Vorsitzende der amerikanischen FTC Pitofsky hat in diesem Zusammenhang den Begriff der „killer qualification“ geprägt, 81 Geo. L. J. (1992), 195, 207; kritisch auch Gifford / Kudrle, 72 Antitrust Law Journal (2005), 423, 444. Differenzierend aber Yde / Vita, 64 Antitrust Law Journal (1996), 735, 741 ff., die zwischen marktweiten und unternehmensspezifischen Kostensenkungen unterscheiden. In der Folge gehen sie davon aus, dass im theoretischen Fall vollkommenen Wettbewerbs die natürliche Reaktion eines Unternehmens nach effizienzsteigernder Fusion darin liege, seine Produktionsmenge zwar auszudehnen, diese aber weiterhin und zwar solange zum bereits bisher gegebenen Marktpreis zu verkaufen, bis dieser sich den neuen Grenzkosten des Unternehmens angepasst hat. Aufgrund seiner vergleichsweise unbedeutenden Größe sei das Unternehmen weiterhin Preisnehmer und die produzierte Menge der neuen Einheit zu unbedeutend im Vergleich zur gesamten Marktmenge; eine Weitergabe der Effizienzen fände folglich nicht statt. Im realistischeren Falle schwächeren Wettbewerbs genügten dagegen kleine Preissenkungen, um Marktanteile der Wettbewerber zu übernehmen, der Großteil der Effizienzen würde aber auch hier als Effizienzrente der neuen Einheit einbehalten. Yde / Vita extrapolieren diesen Befund zu der provokanten These, nach der – entgegen aller Intuition – der Grad der Weitergabewahrscheinlichkeit von Effizienzvorteilen mit zunehmender Marktmacht eines Unternehmen sogar zunehme, vgl. dazu auch Strohm, Effizienzen in der Fusionskontrolle, Rdnr. 17. 115 Insoweit vermittelnd zu den Positionen in Fn. 114 verweist Kiljañski, World Competition 2003, 651, 679 ff. für den Zusammenhang von Marktmacht und Weitergabewahrscheinlichkeit von Effizienzvorteilen auf eine umgekehrte U-Funktion, nach der bis zu einem gewissen Scheitelpunkt die Wahrscheinlichkeit einer Effizienzenweitergabe mit zunehmender Marktmacht steigt, ab Überschreiten einer bestimmten machtfördernden Marktkonzentration jedoch wieder zurückgeht. 116 Zu dieser „doppelten Gewinnspannenmaximierung“ vgl. Tirole, Industrieökonomik, S. 379.
I. Ökonomische und wettbewerbspolitische Grundlagen
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Es bleibt aber festzuhalten, dass unter einem Gesamtwohlfahrtsstandard ein insgesamt größerer Spielraum für Effizienzvorteile verbleibt als unter einem Wohlfahrtsmodell, welches sich an Verbraucherinteressen orientiert. Es dürfte eine realitätsferne Annahme sein, dass zusammenschlussbedingte Effizienzvorteile vollständig an die Verbraucher weitergegeben werden – in einem solchen Fall hätten die Zusammenschlussparteien keinerlei Gewinn durch die Fusion –, und während im Falle des gesamtwirtschaftlich orientierten Modells schon verhältnismäßig geringe Einsparungen den Verlust an Konsumentenrente überwiegen können, liegt es auf der Hand, dass Effizienzvorteile für eine positive Berücksichtigung in der Fusionskontrolle im Falle eines verbraucherorientierten Konzepts von erheblich größerem Ausmaß sein müssen.118 Beiden Wohlfahrtskonzepten gemeinsam ist hingegen ihre grundsätzlich partialanalytische Anwendung: Indem sie von der Analyse eines einzelnen relevanten Marktes ausgehen, bleiben Auswirkungen einer Fusion auf anderen Märkte unberücksichtigt. Indes können Veränderungen auf einem Markt auch Veränderungen auf zahlreichen anderen Märkten bewirken.119 Bei der Einbeziehung dynamischer Effizienzvorteile in die Zusammenschlussbewertung stellt sich dieses Problem insbesondere dann, wenn verstärkte Innovationsbemühungen zu neuartigen, aber auf anderen Märkten angesiedelten Produkten führen. Für eine rechnerische Gegenüberstellung der Verbraucherverluste auf einem Markt mit den Gewinnen von Produzenten oder weiterer Verbraucher auf anderen Märkten, gibt es allerdings bislang kein fundiertes ökonomisches Modell, ein solches Aufrechnen wäre daher mit erheblichen Bewertungsspielräumen der zuständigen Entscheidungsstellen verbunden.120 Angesichts dieser Schwierigkeiten sind Abwägungen zwischen Vorund Nachteilen auf verschiedenen Märkten aus ökonomischer Sicht besonders kritisch zu beurteilen und sollten wenn überhaupt nur in Ausnahmefällen vorgenommen werden – etwa wenn die betroffenen Märkte so eng miteinander verbunden sind, dass die betroffenen Verbrauchergruppen sich wenigstens in Teilen überschneiden.121
117 Möschel, in: Festschrift für Tilmann, S. 705, 712 f., der diese Analyse zu der These zuspitzt: „Was ist schädlicher als ein Monopol? Zwei hintereinander geschaltete Monopole“. 118 Camesasca, Getting the Efficiencies Right, Rdnr. 17 sowie Kiljañski, World Competition 2003, 651, 683. 119 Vgl. Schwalbe, in: Oberender, Effizienz und Wettbewerb, S. 63, 68 f. 120 de la Mano, Efficiencies in European Merger Control, S. 24. Schwalbe, in: Oberender, Effizienz und Wettbewerb, S. 63, 69. 121 Vgl. insoweit die amerikanischen Horizontal Merger Guidelines von 1992 (überarbeitet 1997), in § 4 Fn. 36, die von „inextricably linked markets“ sprechen; die Guidelines können abgerufen werden unter www.usdoj.gov / atr / public / guidelines / hmg.htm.
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
3. Überblick über Effizienzvorteile aus ökonomischer Sicht In der Folge soll nun auf einzelne, typische Effizienzvorteile eingegangen werden, die aus einer verbreiteten ökonomischen Perspektive Eingang in die Bewertung von Zusammenschlüssen finden sollten. Dabei soll insbesondere dargelegt werden, dass nicht alle Arten von Effizienzgewinnen gleich zu behandeln sind. Auf unterschiedliche Weise wird in der ökonomischen Literatur bereits die Einteilung der Vorteile vorgenommen.122 Eine häufig zu findende Klassifizierung basiert auf dem Konzept der Produktionsfunktion,123 wonach zwischen Rationalisierungsgewinnen, Größen- und Verbundvorteilen, technischem Fortschritt sowie der Verringerung von X-Ineffizienzen unterschieden wird.124 Ein anderer Ansatz differenziert nach „synergy efficiencies“, welche zu einer – gegenüber den bisherigen Produktionsfunktionen – veränderten Produktionsfunktion führen125 und „non synergy efficiencies“, welche der neuen Einheit erlauben, auf einem anderen Punkt der bisherigen Produktionsfunktion zu produzieren.126 Eine weitere Unterscheidung richtet sich nach realen und pekuniären Effizienzgewinnen. Pekuniäre Effizienzvorteile werden dabei im Allgemeinen als nicht berücksichtigungsfähig angesehen, da mit ihnen keine realen Ressourceneinsparungen einhergehen, sondern es vielmehr zu einer reinen Umverteilung kommt.127 Die nun folgende Darstellung verschiedener Effizienzgewinne orientiert sich am erstgenannten Konzept der Produktionsfunktion. a) Rationalisierungsgewinne Einschlägige Effizienzvorteile sind zunächst Rationalisierungsgewinne. Derartige Vorteile entstehen dann, wenn durch die Produktionsverlagerung zwischen fusionierten Unternehmen – von einem Standort mit hohen zu einem Standort mit 122 Siehe etwa Röller / Stennek / Verboven, Efficiency Gains from Mergers, S. 12 ff. Eine abweichende Systematisierung findet sich bei Piaskoski / Finkelstein, World Competition 2004, 259, 266 ff.; wiederum anders de la Mano, Efficiencies in European Merger Control, S. 44 ff., 62 ff. oder Areeda / Hovenkamp / Solow, Antitrust Law IV A, Rdnr. 975. 123 Unter der Produktionsfunktion versteht man den funktionalen Zusammenhang zwischen der Output-Menge eines Guts und dem dafür erforderlichen Input, Bofinger, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, S. 117. 124 Röller / Stennek / Verboven, Efficiency Gains from Mergers, S. 13; Luescher, E.C.L.R. 2004, 72, 76. 125 Bei solchen Synergieeffekten handelt es sich um all diejenigen Effekte, die dafür sorgen, dass die produktiven Möglichkeiten der fusionierten Unternehmen zunehmen, bzw. die Kosten der neuen Einheit unter den Kosten der einzelnen Unternehmen liegen. Insbesondere Verbundvorteile können zu solchen Synergieeffekten führen, vgl. Farrell / Shapiro, 68 Antitrust Law Journal (2000), 685, 692 ff. 126 Farrell / Shapiro in 80 American Economic Review (1990), 107, 112 ff., dies., 68 Antitrust Law Journal (2000), 685 ff. 127 Piaskoski / Finkelstein, World Competition 2004, 259, 271; Areeda / Hovenkamp / Solow, Antitrust Law IV A, Rdnr. 970e.
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niedrigeren Grenzkosten – Einsparungen einhergehen, wenn also das Produktionsniveau insgesamt optimal auf verschiedene Produktionsstandorte verteilt ist und sich beide nunmehr fusionierten Unternehmen – ohne die Outputmenge zu vergrößern128 – dem Minimum ihrer jeweiligen Durchschnittskosten annähern. Derlei Vorteile werden grundsätzlich positiv bewertet, da sie oftmals konkret belegt werden können und aufgrund ihrer unmittelbar kostensenkenden Wirkung – aus Sicht eines verbraucherorientierten Wohlfahrtsmodells – geeignet sind, an die Verbraucher weitergegeben zu werden.129 b) Größen- und Verbundvorteile Ebenfalls eine Steigerung der produktiven Effizienz kann mit den bereits erwähnten Größen- und Verbunderträgen einhergehen. Es handelt sich hierbei um die am wenigsten umstrittenen Arten von Effizienzgewinnen, was seine Ursache darin haben mag, dass sie zumindest theoretisch quantifizierbar sind und regelmäßig mit einer Senkung der Produktionskosten in Verbindung gebracht werden. aa) Größenvorteile130 Unter Größenvorteilen versteht man diejenigen Ersparniseffekte, die sich mit einer Ausdehnung der mengenmäßigen Unternehmensleistungen einstellen. Größenvorteile bzw. Skalenerträge können sowohl im Produktionsbereich als auch in allen anderen Funktionsbereichen der neuen Unternehmenseinheit auftreten – etwa beim Kundenservice, Marketing oder Vertrieb.131 Üblicherweise werden sie unterteilt in kurz- und langfristige Skalenerträge. Kurzfristige Skalenerträge können insbesondere durch die Reduktion bestimmter Fixkosten erreicht werden: Indem nach der Fusion nur noch eine Buchhaltung oder EDV- bzw. Personalabteilung erforderlich ist, deren Kosten von der produzierten Menge im wesentlichen unabhängig sind, können die Fixkosten insoweit durch einen Zusammenschluss verringert werden.132 Aus Sicht eines verbraucherorientierten Wohlfahrtsstandards werden Einsparungen im Fixkostenbereich allerdings zurückhaltend bewertet, da zweifelhaft erscheint, ob die Verringerung dieser Kosten innerhalb eines überschaubaren Zeitraums an die Verbraucher weitergegeben wird.133 128 Kommt es hingegen zu einer Erhöhung der Outputmenge, werden Effizienzvorteile nach der an Röller / Stennek / Verboven orientierten Klassifizierung begrifflich als Größenvorteile eingeordnet, dies., Efficiency Gains from Mergers, S. 15. 129 de la Mano, Efficiencies in European Merger Control, S. 62. 130 Für eine umfangreiche Analyse von Größenvorteilen vgl. Scherer / Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 97 – 151. 131 Westerhausen, Die Relevanz von Effizienzvorteilen, S. 4. 132 Schwalbe, in: Oberender, Effizienz und Wettbewerb, S. 63, 74 f.
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
Langfristige Skalenerträge entstehen durch die Zusammenlegung und Integration der gemeinsamen Ressourcen und die dadurch bedingte Veränderung des Kapitalbestandes und der Produktionsmöglichkeiten. Nicht jede Umstrukturierung erscheint in kurzfristiger Hinsicht als sinnvoll und rentabel; jedenfalls mit Blick auf längerfristige, zukünftige Investitionsentscheidungen werden fusionsbedingte betriebliche Erweiterungen aber regelmäßig berücksichtigt, etwa bei der Entscheidung über den Ersatz oder die Instandhaltung veralteter Betriebsstätten oder bei der Festsetzung neuer technischer Unternehmensschwerpunkte. In langfristiger Sicht beruht das Verhältnis von Outputmenge und Kosten, wenn auch nicht ausschließlich, so doch maßgeblich auf der zugrunde liegenden Produktionstechnik, deren profitabler Einsatz von der Herstellung bestimmter Mindestmengen abhängig sein kann. Kostenersparnisse können sich zudem durch die geringere Vorhaltung an Reservemaschinen und einem verstärkten Einsatz technischer Automatisierung ergeben. Eine weitergehende unternehmerische Spezialisierung kann schließlich dazu führen, dass die Fähigkeiten der vorhandenen Mitarbeiter gezielter abgerufen und effizienter eingesetzt werden.134 In langfristiger Perspektive sind Kostenersparnisse durch Größenvorteile bis zum Erreichen der mindestoptimalen Betriebsgröße erzielbar.135 Da es sich bei Größenvorteilen um reale Einsparungen im Sinne einer gesamtwirtschaftlich geringeren Ressourcennutzung handelt, werden sie aus ökonomischer Sicht allgemein positiv bewertet. Aus Sicht eines verbraucherorientierten Wohlfahrtsstandards wird dabei Änderungen der variablen Kosten, die von der Größe der Outputmenge abhängen, mehr Gewicht eingeräumt als Änderungen der Fixkosten, deren zeitnahe Weitergabe an die Verbraucher stärker angezweifelt wird. bb) Verbundvorteile Verbundvorteile bzw. synergetische Effekte treten auf, wenn es kostengünstiger ist, bestimmte Leistungen in einem, statt in mehreren, spezialisierten Unternehmen zu erbringen.136 Derartige Kostenvorteile entstehen etwa dadurch, dass ein für die 133 Piaskoski / Finkelstein, World Competition 2004, 259, 266 ff. auch mit Nachweisen zu einem weniger skeptischen Ansatz. Areeda / Hovenkamp / Solow verweisen auf die mitunter unscharfe Grenze zwischen variablen und fixen Kosten, dies., Antitrust Law IVA, Rdnr. 974d. 134 Eine aus Sicht der Verbraucher nachteilige Verkleinerung der Produktpalette aufgrund weitergehender Spezialisierung sollte bei der Ermittlung der Größenvorteile aber miteinbezogen werden. Zum Ganzen Camesasca, Getting the Efficiencies Right, Rdnrn. 146 ff. 135 Herdzina, Wettbewerbspolitik, S. 40 ff. Zur Bestimmung der – innerhalb verschiedener Industriebranchen regelmäßig differierenden – mindestoptimalen Betriebsgröße sind die Durchschnittskostenfunktionen aller Unternehmensbereiche (Absatz, Produktion, Transport, etc.) zu einer „Unternehmensdurchschnittskostenfunktion“ zusammenzufassen; die mindestoptimale Betriebsgröße liegt dann im Minimum dieser Funktion, vgl. Kinne, Effizienzvorteile in der Zusammenschlusskontrolle, S. 22 ff., 27. 136 Bühner / Spindler, DB 1986, 601, 604 f.; Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 25 f.
I. Ökonomische und wettbewerbspolitische Grundlagen
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Herstellung zweier Güter erforderlicher Rohstoff in größeren Mengen günstiger beschafft werden kann oder die Zusammenführung von komplementären Patenten die Produktionstechniken optimiert.137 Wie auch die Größenvorteile können solche Verbundvorteile nicht nur im produktiven Bereich, sondern auch in allen anderen Unternehmensbereichen auftreten, so beispieslweise auch im Rahmen einer Fremdkapitalbeschaffung – ein größeres Mehrproduktunternehmen ist unabhängiger von Nachfrageeinbrüchen oder Preiskriegen und damit für gewöhnlich kreditwürdiger als kleine Einproduktunternehmen138 – oder im Bereich von Marketing- und Werbemaßnahmen, wenn für verschiedene Produkte zukünftig nur noch ein gemeinsamer Markenname gepflegt werden muss.139 Kosteneinsparungen durch die Bündelung von Unternehmensressourcen können insbesondere auch durch vertikale Integration entstehen, wenn also Unternehmen fusionieren, die auf unterschiedlichen Produktionsstufen tätig sind.140 Die Verbundvorteile liegen in derartigen Fällen vor allem in ersparten Transaktionskosten, die daher rühren, dass für die Benutzung des Marktes weniger Kosten aufgewendet werden müssen als bei einer nicht-integrierten Unternehmensstruktur.141 Nach vollzogener vertikaler Integration entfallen beispielsweise die Kosten für die Aushandlung und den Abschluss von Belieferungs- oder Absatzverträgen sowie die Überwachungs- und Durchsetzungskosten für derartige Vereinbarungen.142 Soll ein Zusammenschluss tatsächlich Effizienzvorteile in Form von Kosteneinsparungen hervorbringen, reicht es – aufgrund möglicher asynergetischer Effekte durch zunehmende Bürokratie und mangelnde Motivation, etc. – nach Erkenntnissen der Wirtschaftstheorie nicht notwendig aus, wenn Skalenerträge in beiden Unternehmen auftreten.143 Entscheidende Voraussetzung für Kosteneinsparungen ist vielmehr die Subadditivität der Kostenfunktion des fusionierten Unternehmens: 137 Stennek / Verboven, Merger control and enterprise competitiveness: Empirical analysis and policy recommendations, S. 140. 138 Pitofsky, 81 Geo. L. J. (1992), 195, 218, der allerdings betont, dass solchen Finanzierungsvorteilen selten – wenn überhaupt – eine erhebliche Rolle zukommt. In diesem Kontext ist ohnehin zu bedenken, dass Vorteile im Finanzierungsbereich auch das Ergebnis erhöhter Marktmacht sein können. 139 I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 102; Bühner / Spindler, DB 1986, 601, 605. 140 Teilweise werden Transaktionskostenersparnisse aufgrund vertikaler Integration begrifflich von den ausschließlich horizontal verstandenen Verbundvorteilen abgegrenzt, vgl. I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 98 ff. Wie hier aber Camesasca, Getting the Efficiencies Right, Rdnrn. 160 ff. 141 Kruse, in: Festschrift für I. Schmidt, S. 247, 248 ff.; Westerhausen, Die Relevanz von Effizienzvorteilen, S. 5; Camesasca, Getting the Efficiencies Right, Rdnrn. 163 ff. 142 Roberto, WuW 1992, 803, 807 ff., der ausführt, dass kurzfristige Verträge höhere Kosten verursachen, langfristige Verträge dagegen die Anpassungsflexibilität beschränken und ein opportunistisches Verhalten des Vertragspartners fördern. Die Benutzung des Marktes kann daher unvorteilhaft und eine vertikale Integration vorteilhaft sein. 143 Schwalbe, in: Oberender, Effizienz und Wettbewerb, S. 63, 76.
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Die Kosten müssen geringer sein, wenn mehrere verschiedene Leistungen zusammen erbracht werden, als wenn jede einzelne für sich erbracht wird.144 In praktischer Hinsicht ist schließlich von Bedeutung, dass Verbundvorteile bei technisch komplementären Produkten oder Leistungen der fusionierenden Unternehmen verhältnismäßig leicht ermittelt werden können. c) Technischer Fortschritt Kosteneinsparungen können auch durch die Zusammenlegung von Forschungsund Entwicklungsabteilungen erzielt werden. Überdies lassen sich technisch fortschrittlichere Produkte realisieren durch einen gezielteren und koordinierteren Einsatz der gemeinsamen Ressourcen.145 Bei einer Vielzahl denkbarer Effizienzvorteile im Bereich von Fortschritt und Entwicklung handelt es sich insoweit um spezielle Fälle von Skalen- und Synergievorteilen, erweitert um eine dynamische Komponente. So können unnötige unternehmerische Aufwendungen dadurch vermieden werden, dass ein Zusammenschluss einen Wettlauf bzw. Streitikeiten um Patente verhindert. Auch verbreitert die Zusammenführung bereits vorhandenen Wissens die Forschungsbasis und führt mitunter schneller zu den angestrebten Ergebnissen.146 aa) Effizienzvorteile durch höhere Innovationsanreize Effizienzgewinne können dadurch eintreten, dass mit dem Zusammenschluss erhöhte Forschungsanreize entstehen. Sind Forschungsergebnisse nur schwer geheim zu halten und lassen sie sich lediglich in geringem Maße patentieren, so besteht aufgrund einer hohen Imitationsgefahr und spillover-Effekten zunächst wenig Anreiz zu Forschungstätigkeit. Eine Fusion kann dazu beitragen, dass die Ergebnisse der eigenen Innovationsbemühungen besser vor Imitation geschützt werden und zugleich eine Mehrfachnutzung von technischem Wissen ermöglicht wird.147 Auch können die Risiken der Forschungstätigkeit von größeren Mehr144 Tirole, Industrieökonomik, S. 41. Stennek / Verboven, Merger control and enterprise competitiveness: Empirical analysis and policy recommendations, S. 150 betonen daher die gegenüber Größenvorteilen regelmäßig vorrangige Bedeutung der Verbundvorteile. 145 Hinsichtlich von Effizienzvorteilen im Bereich Forschung und Entwicklung wird regelmäßig unterschieden zwischen kostenreduzierenden Produktionsprozessen einerseits und der Verbesserung bekannter oder der Herstellung neuer Produkte andererseits, vgl. Röller / Stennek / Verboven, Efficiency Gains from Mergers, S. 16. 146 Camesasca, Getting the Efficiencies Right, Rdnr. 180 m. w. N. Die kostenintensive Existenz mehrerer Forschungslabore kann allerdings die Wahrscheinlichkeit erhöhen, bestimmte Entdeckungen zu machen und daher aus diesem Grund effizient sein. 147 Es geht letztlich um eine Kosten- und Risikoverteilung auf verbreiteter Basis, Pitofsky, 81 Geo. L. J. (1992), 195, 240; Scherer / Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 613 ff.
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produktunternehmen besser aufgefangen werden, wenn diese mittels mehrerer und technologisch voneinander unabhängigen Innovationsvorhaben unterschiedlich Produkte entwickeln.148 bb) Weitergabe von Know-how Zusammenschlussbedingte Effizienzvorteile sind überdies möglich durch eine verbesserte Weitergabe von Know-how. Darunter versteht man diejenigen Kenntnisse, die nur eingeschränkt handelbar sind und daher regelmäßig allein durch eine Fusion oder Kooperation weitergegeben werden, etwa eine spezielle Produktionstechnologie, eine unternehmerische Kommunikationskultur, besondere Fähigkeiten des Managements oder sonstige Ausprägungen des Humankapitals. Auch die besondere Reputation eines Unternehmens – „Corporate Identity“ – stellt einen Wert dar, welcher allein durch einen Zusammenschluss weitergegeben wird. Synergetische Ergänzungen im Zeitablauf sind auch hier insoweit denkbar, als der Zusammenschluss es einem vorher unterlegenen Unternehmen erlaubt, von den Fähigkeiten eines überlegenen Unternehmens zu lernen.149 Allen Effizienzvorteilen im Bereich von Forschung und Entwicklung, denen eine dynamische Dimension zukommt – nicht dazu zählt z. B. die Vermeidung von Duplikationen bestimmter Fixkosten bei einer Zusammenlegung von Forschungslaboren – ist gemeinsam, dass sie nur schwer ermittelt und quantifiziert werden können; im Rahmen einer Abwägung kommt ihnen daher nur eine untergeordnete Rolle zu. Eine stärkere Gewichtung dieser Effizienzvorteile ist aber denkbar und sinnvoll auf Märkten, die durch hohen Innovationswettbewerb, kurzlebiger Hochtechnologie und rapide steigende Nachfrage gezeichnet sind. d) Verringerung von X-Ineffizienzen Eine effizienzsteigernde Wirkung durch Zusammenschlüsse wird teilweise darin gesehen, dass mit einer Fusion von Unternehmen oftmals der Austausch von weniger effizienten Führungskräften einhergeht. Der expliziten Einbeziehung von Effizienzvorteilen in die Zusammenschlusskontrolle wird insoweit ein disziplinierender Einfluss auf die interne Effizienz eines Unternehmens zugeschrieben.150 Hierzu ist aber festzustellen, dass Führungsqualitäten wie Kreativität und Organisation schwerlich bemessen werden können. Entscheidend ist überdies, dass wenig effi148 Zu diesem Portfolioeffekt vgl. Kinne, Effizienzvorteile in der Zusammenschlusskontrolle, S. 34 m. w. N. 149 Schwalbe, in: Oberender, Effizienz und Wettbewerb, S. 63, 81; Röller / Stennek / Verboven, Efficiency Gains from Mergers, S. 17. Kritisch dazu Pitofsky, 81 Geo. L. J. (1992), 195, 218. 150 Ausführlich Röller / Stennek / Verboven, Efficiency Gains from Mergers, S. 19 ff. und Camesasca, Getting the Efficiencies Right, Rdnrn. 169 ff.
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ziente Führungskräfte in aller Regel auch ohne einen Unternehmenszusammenschluss jederzeit ausgetauscht werden können. Es ist daher fraglich, ob es einer zusätzlich disziplinierenden Wirkung durch erleichterte Zusammenschlussvoraussetzungen151 – sollte diese überhaupt bestehen152 – überhaupt bedarf. Effizienzvorteile durch den bloßen Austausch von Führungspersonal spielen insofern kaum je eine erhebliche Rolle.153 Ist nach dem Zusammenschluss allerdings nurmehr ein kleinerer Führungsstab erforderlich, können hieraus Fixkostensenkungen resultieren, denen möglicherweise mehr Gewicht zukommen kann.154
4. Umsetzungsmodelle für den Ausgleich zwischen Marktmacht und Effizienz Besteht vor dem skizzierten ökonomischen Hintergrund grundlegende Einigkeit darüber, dass auf die Berücksichtigung der durch einen Zusammenschluss herbeigeführten Effizienzgewinne im Rahmen einer umfassenden wettbewerbsrechtlichen Zusammenschlussanalyse nicht verzichtet werden kann, so stehen regelungstechnisch verschiedene Modelle zur Auswahl, mit Hilfe derer die positiven Zusammenschlusswirkungen in die rechtliche Praxis der Wettbewerbsbehörden einbezogen werden können. Bevor in der Folge insbesondere auf das im europäischen Recht angewandte Modell näher einzugehen ist, sollen zunächst die abstrakten Umsetzungsvarianten vorgestellt werden. Zu unterscheiden ist im Wesentlichen zwischen vier verschiedenen modi operandi.
a) Pauschale Berücksichtigung von Effizienzvorteilen durch Errichtung einer vergleichsweise hohen Untersagungsschwelle Eine erste Variante für die Einbeziehung von Effizienzvorteilen in das Wettbewerbsrecht verzichtet auf eine konkrete Einzelfallbewertung derartiger Vorteile, indem mit Hilfe struktureller Indikatoren wie etwa Marktanteilen oder eines Konzentrationsindexes eine relativ hohe Untersagungsschwelle errichtet wird und allen Fusionen unterhalb dieser Schwelle pauschalierte Effizienzgewinne in einer sol151 Letztlich handelt es sich bei diesem Argument – interne Effizienzsteigerung durch verbesserte externe Unternehmenskontrolle – nicht um einen eigenen Effizienzvorteil, sondern um die grundsätzliche Frage nach der wettbewerbsrechtlichen Behandlung von Zusammenschlüssen. Vgl. dazu auch dritter Abschnitt, I. 3. d). 152 de la Mano, Efficiencies in European Merger Control, S. 68, verweist darauf, dass belastbare empirischen Belege für eine solche Annahme fehlen. 153 Pitofsky, 81 Geo. L. J. (1992), 195, 218, weniger skeptisch aber Piaskoski / Finkelstein, World Competition 2004, 259, 277. 154 Kostenvorteile können allerdings auch durch ein vergrößertes Management auftreten, wenn dadurch eine weitergehende Spezialisierung ermöglicht wird, vgl. Westerhausen, Die Relevanz von Effizienzvorteilen, S. 11 m. w. N.
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chen Höhe unterstellt werden, dass die wettbewerbsschädigenden Auswirkungen dieser Fusionen in einer vorab durchgeführten, abstrakten Abwägung als zumindest ausgeglichen erachtet werden. Zusammenschlüsse, die andererseits von dem Untersagungskriterium erfasst werden, können nicht mehr in einem zweiten Schritt dadurch genehmigt werden, dass die beteiligten Unternehmen im Einzelfall die Entstehung erheblicher Effizienzen nachweisen.155 Ein Vorteil dieses „general presumptions approach“ liegt darin, dass eine aufwendige und kostspielige Ermittlung von in der Zukunft liegenden Effizienzvorteilen unterbleibt, ein Nachweis bzw. eine Überprüfung der Effizienzgewinne mittels umfangreicher Gutachten und Studien daher nicht erforderlich ist.156 Einem solchen Modell wird folglich eine erhöhte Rechtssicherheit zugeschrieben: Indem Unternehmen ihre eigenen Marktanteile verhältnismäßig einfach ermitteln können und diesen regelmäßig eine starke Indizwirkung für oder gegen die Freigabe der Fusion zukommt, werden die am Zusammenschluss beteiligten Parteien in die Lage versetzt, die Aussichten ihres Vorhabens einigermaßen verlässlich im Voraus einzuschätzen.157 Daneben schließt der „general presumptions approach“ die Möglichkeit aus, über die einzelfallorientierte Berücksichtigung von Effizienzvorteilen auch solche Aspekte in die Fusionsbewertung mit einzubeziehen, die letztlich nicht primär der Aufrechterhaltung des Wettbewerbs dienen, sondern nichtwettbewerblichen, rein (industrie-)politischen Zwecken zugute kommen – beispielsweise die Schaffung von Arbeitsplätzen oder die Förderung bestimmter geographischer Regionen – und die daher einen kaum kontrollierbaren Beurteilungsspielraum nach sich ziehen. Durch die pauschale Abgeltung der positiven Zusammenschlusswirkungen mittels eines ausschließlich wettbewerblich orientierten Untersagungskriteriums ist einem solcherart interpretierten Spielraum der Weg von vornherein versperrt. Ein wesentlicher Nachteil des „general presumptions approach“ liegt dagegen in der Schwierigkeit, die aufgrund ihrer Unflexibilität besonders entscheidungserhebliche Höhe der Untersagungsschwelle festzulegen.158 Ist diese Festlegung erst einmal erfolgt, entstehen gesamtwirtschaftliche Nachteile dadurch, dass nicht alle Fusionen unterhalb der Schwelle die unterstellten Effizienzvorteile auch tatsächlich hervorbringen.159 Ebenso kann es zu Untersagungen von Zusammenschlüssen kommen, die insgesamt zu erheblichen Effizienzsteigerungen geführt hätten.160 155 Dieser Ansatz wurde u. a. vorgeschlagen von Bork, The Antitrust Paradox, S. 128; Posner, Antitrust Law, S. 133 mit Verweis auf die Vorauflage. 156 Ilzkovitz / Meiklejohn, European merger control: do we need an efficiency defence?, S. 22. 157 Christiansen, WuW 2005, 285, 293; Schwalbe, in: Oberender, Effizienz und Wettbewerb, S. 63, 91. 158 Posner, Antitrust Law, S. 123. 159 Sog. Fehler der ersten Kategorie: schädliches Handeln wird genehmigt. 160 Sog. Fehler der zweiten Kategorie: wünschenswertes Handeln wird untersagt.
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Die Kosten derartiger Fehleinschätzungen sind letztlich den Kosten für die Ermittlung von Effizienzvorteilen im Einzelfall gegenüberzustellen.161 b) Einzelfallberücksichtigung mittels einer ausdrücklichen Effizienzverteidigung Eine andere Möglichkeit, Effizienzvorteile in der Fusionskontrolle zu berücksichtigen, besteht in der Einführung einer ausdrücklichen, einzelfallorientierten Effizienzverteidigung.162 Darunter versteht man die Möglichkeit für die beteiligten Unternehmen, trotz der zunächst behördlich festgestellten, wettbewerbsschädigenden Auswirkungen eines Zusammenschlusses dessen Freigabe auf einer zweiten Stufe durch den konkreten Nachweis überwiegender Effizienzvorteile zu erreichen.163 Anstelle einer pauschalen Unterstellung von Effizienzvorteilen in bestimmten Fällen wird bei einer solchen Umsetzungsvariante jedes Zusammenschlussvorhaben im Einzelfall auf das Hervorbringen von Effizienzgewinnen analysiert und diese im Anschluss gegebenenfalls mit den nachteiligen Wettbewerbsauswirkungen der betreffenden Fusion abgewogen. Die Vorteile eines solchen Ansatzes liegen darin, dass die Wettbewerbsbehörden durch eine am Einzelfall orientierte Analyse mehr Informationen über die Hintergründe und Motivation der zusammenschlusswilligen Unternehmen erhalten.164 Auch können die unter einem „general presumptions approach“ auftretenden Fehleinschätzungen reduziert werden, so dass es insgesamt zu einer den ökonomischen Auswirkungen von Fusionen präziser entsprechenden rechtlichen Würdigung kommt. Dieses allgemein als wünschenswert erachtete Ergebnis wird hingegen durch bereits angedeutete praktische Schwierigkeiten erkauft, deren Ausmaß einigen Kommentatoren geeignet erscheint, die Praktikabilität des Einzelfallansatzes insgesamt in Frage stellen.165 So bedarf es bereits zur Ermittlung von Effizienzvorteilen einer Datenmenge, die in vielen Fällen – jedenfalls von unvoreingenommener Seite – kaum zu beschaffen ist; die anschließende Gegenüberstellung von 161 Schwalbe, in: Oberender, Effizienz und Wettbewerb, S. 63, 91, der bei einer solchen Abwägung derzeit noch einen Vorteil zugunsten des „general presumptions approach“ sieht; vgl. auch Schwalbe / Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S. 394. Anders dagegen Schmidtchen, WuW 2006, 6, 16 f. 162 Für eine solche Umsetzung etwa Pitofsky, 81 Geo. L. J. (1992), 195, 218; Zampa, 4 E.B.O.R. (2003), 573, 621. 163 Noël, E.C.L.R. 1997, 498. 164 Dies fördert zugleich das Verständnis für den Zusammenschluss insgesamt: „Consideration of efficiencies may help competition enforcers to better understand the rationale for a merger and more accurately to assess its impact on market power“, vgl. Verouden / Bengtsson / Albæk, 49 Antitrust Bulletin (2004 / 1), 243, 279. 165 Posner, Antitrust Law, S. 133 f.; Böge / Jakobi, BB 2005, 113, 119. Es wird aber zugegeben, dass eine Einzelfallberücksichtigung von Effizienzvorteilen theoretisch wünschenswert wäre, Areeda / Hovenkamp / Solow, Antitrust Law IV A, Rdnr. 976c.
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Marktmachteffekten und Effizienzvorteilen wirft zusätzliche methodische und praktische Schwierigkeiten bezüglich der Quantifizierung derartiger Auswirkungen auf.166 Weiter ist zu bedenken, dass die bloße Möglichkeit einer Effizienzverteidigung für die Unternehmen einen Anreiz schafft, alle Arten von Effizienzvorteilen zunächst „ins Blaue hinein“ zu behaupten, was auf Unternehmerseite einen hohen Aufwand an internen Ressourcen erfordert, andererseits aber aufgrund der den Unternehmen gegenüber den Wettbewerbsbehörden zukommenden Informationsvorsprüngen auch dazu führt, dass diese Vorbringen mit einer gewissen Zurückhaltung zu bewerten sind.167 Die Folge ist letztlich ein hoher personeller und finanzieller Aufwand bei der Überprüfung von vorgebrachten Effizienzgewinnen – sei es behördenintern oder in Form von externen Gutachten und unabhängigen Studien. Eine einzelfallorientierte Umsetzung kann insofern zu einer gesteigerten Rechtsunsicherheit führen, soweit für die Unternehmen nicht vollends vorhersehbar ist, welches Gewicht den von ihnen behaupteten Effizienzgewinnen von den Wettbewerbsbehörden beigemessen wird. Derartige Schwierigkeiten können allenfalls dadurch abgemildert werden, dass die Wettbewerbsbehörden durch ein hochgradig transparentes Abwägungsverfahren einerseits und durch die Veröffentlichung detaillierter Leitlinien andererseits deutlich machen, welche Kriterien sie bei der Gewichtung und Handhabung einzelner positiver Zusammenschlussauswirkungen zum Maßstab nehmen.
c) Einzelfallberücksichtigung im Rahmen einer Gesamtabwägung Eine dritte Umsetzungsvariante versucht die Vorteile der vorgenannten Modelle zu vereinigen, indem zunächst mittels struktureller Marktmachtindikatoren diejenigen Fallkonstellationen ausgeschieden werden, welche lediglich zu einer als unerheblich erachteten Wettbewerbsschwächung führen – beispielsweise durch die Einführung einer bestimmten, vergleichsweise niedrigen Marktanteilsschwelle oder eines bestimmten Marktmachtindexes. Darüber hinaus wird eine zweite, höhere Marktanteilsschwelle errichtet, welche als absolute Obergrenze für die Einbeziehung von Effizienzvorteilen zu verstehen ist. Eine detaillierte Einzelfallanalyse positiver Zusammenschlusswirkungen ist dann ausschließlich innerhalb des geschaffenen „Zwischenraumes“ und mithin in solchen Fallkonstellationen möglich, in denen das Verhältnis von Marktmacht und Effizienz ohne ein erhöhtes Risiko von Fehleinschätzungen regelmäßig nicht eindeutig in abstrakter Weise vorherbestimmt werden kann.168 Ist der rechtliche Rahmen für die Berücksichtigung 166
Vgl. Ilzkovitz / Meiklejohn, European merger control: do we need an efficiency defence?,
S. 22. 167 Motta, Competition Policy, S. 242; Schwalbe, in: Oberender, Effizienz und Wettbewerb, S. 63, 87 ff. 168 Ausführlich Röller / Stennek / Verboven, Efficiency Gains from Mergers, S. 95; Ilzkovitz / Meiklejohn, European merger control: do we need an efficiency defence?, S. 23.
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
von Effizienzgewinnen dergestalt abgesteckt, so ist für die innerhalb dieses Bereichs fallenden Zusammenschlusskonstellationen erneut eine ausdrückliche, zweistufige Effizienzverteidigung denkbar; zugleich besteht aber die Möglichkeit, die prognostizierten Effizienzvorteile innerhalb einer einstufigen, wettbewerblichen Gesamtwürdigung der Fusion als zusätzlichen Faktor in die rechtliche Bewertung mit einzubeziehen und damit auf einen expliziten Tradeoff zu verzichten.169 Während der erstgenannte Fall letztlich eine graduelle Abwandlung des unter b) beschriebenen Ansatzes darstellt,170 wird der Vorteil einer integrierten Berücksichtigung von Effizienzgewinnen im Rahmen einer Gesamtwürdigung vor allem in der Stärkung eines wettbewerbsorientierten Bewertungsmaßstabs gesehen, welcher einen drohenden Einfluss spekulativer oder industriepolitischer Gesichtspunkte auf ein Minimum zurückdrängt.171 Ob sich auf diese Weise, wie angedeutet wird,172 der Spielraum für die Berücksichtigungsfähigkeit von positiven Zusammenschlusswirkungen im Einzelfall verringert, erscheint indessen fraglich. Von einem ökonomischen Standpunkt aus betrachtet sollte es im Ergebnis keinen Unterschied machen, ob die Effizienzvorteile als zusätzlicher Faktor in einer Gesamtwürdigung oder – auf einer eigenen, weiteren Stufe – als rechtfertigende Verteidigung der Unternehmen in die rechtliche Beurteilung mit einbezogen werden.173 Die Nachteile einer einzelfallorientierten, integrierten Effizienzberücksichtigung sind – in Abgrenzung zu dem „general presumptions approach“ – hinsichtlich der aufwendigen Geltendmachung, Ermittlung und Überprüfung von Effizienzvorteilen dieselben wie unter dem soeben dargelegten Ansatz einer ausdrücklich zweistufigen Effizienzverteidigung. Eine hinzukommende, zumindest denkbare Verringerung von Transparenz bezüglich der Gewichtung einzelner Effizienzvorteile und als Folge eine insoweit gesteigerte Rechtsunsicherheit ist dagegen 169 Lowe, Rede vom 30. 10. 2002, S. 7 ff. Ähnlich auch der damalige Wettbewerbskommissar Monti, Rede vom 7. 11. 2002 „Merger control in the European Union: a radical reform“. Vgl. ferner Lindsay, The EC Merger Regulation: Substantive Issues, 8 – 12 unter a). 170 Das unter c) beschriebene Umsetzungsmodell unterscheidet sich von dem unter b. dargelegten Ansatz lediglich in einer höheren unteren Marktanteilsschwelle, welche im Dienste einer Einsparung von personnellen und finanziellen Ressourcen zu einer größeren Vorausscheidung von unproblematisch erachteten Fallkonstellationen führt (sog. „screening test“), vgl. Ilzkovitz / Meiklejohn, European merger control: do we need an efficiency defence?, S. 24. 171 Siehe Strohm, in: Oberender, Effizienz und Wettbewerb, S. 113, 117. 172 Vgl. etwa Lowe, a. a. O. (Fn. 169), S. 8. 173 Kiljañski, World Competition 2003, 651, 660 m. w. N. Auch Gerard, 40 CML Rev. (2003), 1367, 1387 weist daraufhin, dass ein integrierter, einstufiger Ansatz und eine ausdrückliche, zweistufige Effizienzverteidigung weitgehend den gleichen Schwierigkeiten gegenüberstehen. Eine an der Sicherung wirksamen Wettbewerbs orientierte, integrierte Effizienzberücksichtigung vermeide jedoch den einer expliziten und vor allem bezüglich der erforderlichen Quantifizierung problematischen Abwägung von Marktmachteffekten und Effizienzgewinnen innewohnenden Spielraum für den Einfluss außerwettbewerblicher Aspekte, indem sie ihren Schwerpunkt ausdrücklich allein auf den Schutz des Wettbewerbs lege.
I. Ökonomische und wettbewerbspolitische Grundlagen
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nicht notwendigerweise zu befürchten:174 Auch im Rahmen einer ausführlichen Begründungspflicht kann die Wettbewerbsbehörde gehalten sein, auf das Ausmaß und die Bedeutung der konkret begutachteten Effizienzgewinne im Einzelfall näher einzugehen.175 d) Nachträgliche Kontrolle potentiell effizienzsteigernder Zusammenschlüsse Ein weiterer Ansatz zur Einbeziehung von Effizienzvorteilen geht zurück auf Brodley, der auf einer ersten Stufe zunächst alle potentiell effizienzfördernden Fusionen anhand eines Plausibilitätstests zulassen will, diese aber mittels einer nachfolgenden ex-post Kontrolle hinsichtlich der tatsächlich realisierten Effizienzvorteile einer erneuten Prüfung unterziehen möchte. Steht allerdings bereits im Voraus fest, dass eine nachträgliche Kontrolle aufgrund praktischer Schwierigkeiten nicht möglich ist, soll nach diesem Ansatz auf die Einbeziehung von Effizienzvorteilen gänzlich verzichtet werden.176 Einer derartigen Umsetzungsvariante ist zuzugestehen, dass eine lediglich auf prognostizierte Effizienzgewinne gestützte, endgültige Fusionsbewertung zwingend mit einer verbleibenden Restunsicherheit behaftet ist. Die Notwendigkeit für die Zusammenschlussparteien, Effizienzgewinne auch nachträglich noch zu belegen, kann diese dazu veranlassen, zunächst weniger wettbewerbsbeschränkende Alternativen zu einer Fusion ernsthaft zu überprüfen.177 Auf der anderen Seite schafft eine nachträgliche Überprüfung aber auch einen zusätzlichen Quell von Rechtsunsicherheit, wenn entgegen der ursprünglichen Erwartung die vorgebrachten Effizienzen nicht eingetreten sind und sich mitunter die schwierige Frage nach einer Rückabwicklung stellt, von der neben den Zusammenschlussparteien regelmäßig auch Dritte betroffen sind.178 Dass der in solchen Fällen bereits entstandene Schaden für den Wettbewerb durch Entflechtung oder sonstige Maßnahmen179 vollständig beseitigt werden kann, ist schwerlich anzunehmen. 174 Anders hingegen Motta, E.C.L.R. 2000, 199, 203: „For the sake of transparancy, it would be much better, if the Commission made explicit use of the efficiency defense“, sowie Niederleithinger, EWS 1990, 73, 78. 175 So auch Albers / Hacker, in: Schröter / Jakob / Mederer, Art. 2 FKVO, Rdnr. 446. 176 Brodley, 62 N.Y.U.L.Rev. (1987), 1020, 1048 f.; vgl. zudem Scherer / Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 188, die eine erneute Überprüfung nach einer dreijährigen Probephase vorschlagen. 177 Brodley, 62 N.Y.U.L.Rev. (1987), 1020, 1050. 178 Camesasca, Getting the Efficiencies Right, Rdnr. 385 m. w. N. 179 Scherer / Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 188, schlagen vor, dass sich das im Rückblick unrechtmäßig fusionierte Unternehmen aktiv an dem Aufbau eines unabhängigen Konkurrenten beteiligen soll. Neben der Problematik von möglichen Marktzugangsschranken ist aber zu bedenken, dass die ursprüngliche Marktstruktur durch derartige Maßnahmen nicht wieder hergestellt wird und es jedenfalls zunächst bei einer erhöhten Marktkonzentration verbleibt.
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
II. Die Berücksichtigung von Effizienzvorteilen im Rahmen der europäischen Fusionskontrollverordnung Nr. 4064 / 89 Im europäischen Kartellrecht hat es über lange Jahre an einer eigenständigen Regelung zur Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen gefehlt. Das Inkrafttreten des Vertrages über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft am 1. 1. 1958 brachte mit den Artt. 85 und 86 EWG (heute Artt. 81 und 82 EG) zwar Normen über das Kartellverbot und den Missbrauch von marktbeherrschenden Stellungen, auf die Einführung einer umfassenden Zusammenschlusskontrolle wurde jedoch zunächst verzichtet. Erst nach jahrelangen, zähen und immer wieder unterbrochenen Verhandlungen kam es 1989 – gefördert durch den Druck zweier Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, mit denen eine als wenig passgerecht erachtete Anwendung der Artt. 81, 82 EG auch auf Zusammenschlüsse in Aussicht gestellt wurde180 – zur Verabschiedung der eigenständigen Fusionskontrollverordnung Nr. 4064 / 89, die schließlich am 21. 9. 1990 in Kraft trat.181 Für die hier behandelte Fragestellung ist vor allem von Interesse, inwieweit und auf welche Weise wirtschaftliche Effizienzvorteile der aufgezeigten Art in der – nunmehr außer Kraft getretenen – Zusammenschlussregelung überhaupt berücksichtigt werden konnten und insbesondere, ob zugunsten der an der Fusion beteiligten Unternehmen die Möglichkeit einer Einzelfallprüfung von substantiiert vorgebrachten Effizienzgewinnen bestand. In diesem Zusammenhang soll dargelegt werden, dass die in der Literatur geführte Diskussion um die Tragweite der Effizienzbeachtung nicht immer hinreichend zwischen einzelwirtschaftlichen Effizienzgewinnen und nichtwettbewerblichen, vielmehr regional-, sozial- oder industriepolitischen Gesichtspunkten unterschieden hat.182
180 Zunächst EuGH vom 21. 2. 1973, Rs. 6 / 72, Slg. 1973, 215 „Europemballage u. Continental Can / Kommission“, später EuGH vom 17. 11. 1987, verb. Rs. 142 und 156 / 84, Slg. 1987, 4487 „British American Tobacco et al / Kommission“. 181 Verordnung (EWG) Nr. 4064 / 89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl.EWG 1989 Nr. L 395, S. 1 v. 30. 12. 1989. Zur Entstehungsgeschichte vgl. Farbmann, EuR 2004, 478 ff.; Caspari / Schwarz, in: Festschrift für Benisch, S. 383 ff. 182 Vgl. etwa der von Terhechte hergestellte Zusammenhang zwischen Industriepolitik und einer positiven Haltung gegenüber Effizienzvorteilen, ders., Ungeschriebene Tatbestandsmerkmale, S. 302 ff. Ähnlich Simon, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht Bd. 1, FKVO Einf., Rdnrn. 49, 50; Albers / Hacker, in: Schröter / Jakob / Mederer, Art. 2 FKVO, Rdnrn. 429 ff. und Opgenhoff, Die europäische Fusionskontrolle zwischen Wettbewerbsrecht und Industriepolitik, S. 216.
II. Die europäische Fusionskontrollverordnung Nr. 4064 / 89
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1. Rechtliche Anknüpfungspunkte für eine Effizienzberücksichtigung Als materiellrechtliches Untersagungskriterium für gemeinschaftsweite Zusammenschlüsse galt bis zum 30. 4. 2004 Art. 2 Abs. 3 der VO Nr. 4064 / 89: Danach war ein Zusammenschluss zu untersagen, wenn er eine beherrschende Stellung begründete oder verstärkte, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt erheblich behindert würde. Während in den früheren Verordnungsentwürfen noch allein die „Verhinderung wirksamen Wettbewerbs“ als Eingriffskriterium genannt wurde, verlangte insbesondere die Bundesrepublik Deutschland eine eindeutig strukturbezogene Ausrichtung der europäischen Fusionskontrolle und setzte sich schließlich mit der Einführung des Marktbeherrschungskriteriums in diesem Punkt auch durch.183 a) Untersagung mit oder ohne Erlaubnisvorbehalt? Neben dem materiellrechtlichen Untersagungskriterium wurde in der langjährigen Entstehungsgeschichte der Verordnung Nr. 4064 / 89 bis zuletzt über die Aufnahme von Genehmigungsmöglichkeiten von Zusammenschlüssen verhandelt, die nach der genannten Definition mit dem gemeinsamen Markt zunächst unvereinbar waren. Besondere Erwähnung verdient der so genannte April-Entwurf vom 25. 4. 1988, welcher eine fast wörtlich an den Grundsätzen des damaligen Art. 85 Abs. 3 EWG angelehnte Freistellungsmöglichkeit enthielt. Erweitert wurde diese Klausel noch um den Zusatz, dass bei der Abwägung „die internationale Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen“ zu berücksichtigen sei.184 Eine derartig über die Bestimmung des Art. 85 Abs. 3 EWG sogar hinausgehende Regelung wurde für die Fusionskontrolle indes von den Verfechtern einer rein wettbewerblich orientierten Ordnungspolitik abgelehnt; es überwogen die Befürchtungen, dass durch die Einräumung einer Freistellungsmöglichkeit allgemeinpolitische Aspekte in eine ansonsten wettbewerblich orientierte und vorrangig strukturbezogene Fusionskontrolle einfließen könnten.185 Die an Art. 85 Abs. 3 EWG orientierte Genehmigungsmöglichkeit für Fusionen bildete damit in erster Linie den Ausgangspunkt für einen lebhaften Streit über das Verhältnis von Wettbewerbs- und Industriepolitik und ihren jeweiligen Einfluss auf die europäische Fusionskontrolle.
183 Vgl. Löffler, Europäische Fusionskontrollverordnung, Vorbemerkung, Rdnr. 14; Wagemann, in: Wiedemann, Hdb.KartR, § 16 Rdnr. 4. 184 Art. 2 Abs. 4 des Verordnungsentwurfs, ABl.EWG 1988, Nr. C 130, S. 4. 185 Krimphove, Europäische Fusionskontrolle, S. 317.
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
b) Wettbewerbs- oder industriepolitische Ausrichtung der Fusionskontrolle Seit Beginn der Verhandlungen 1973 standen sich mit den Vertretern einer wettbewerblich orientierten und denjenigen einer industriepolitisch ausgerichteten Fusionskontrolle zwei inhaltlich konträre Grundauffassungen gegenüber. Dabei war es insbesondere die deutsche Seite – unterstützt von Großbritannien –, die auf die Einführung einer wettbewerblich orientierten Fusionskontrolle drängte.186 Eine solcherart ausgerichtete Zusammenschlussregelung beurteilt Fusionen ausschließlich anhand von Kriterien, die auf den Schutz und der Entfaltung freien Wettbewerbs gerichtet sind; außerwettbewerbliche, dem Gemeinwohl dienende Gesichtspunkte, wie beispielsweise die Förderung strukturschwacher Regionen, finden bei der Bewertung von Zusammenschlüssen keine gesonderte Berücksichtigung. Im Vordergrund dieser Auffassung steht vielmehr das marktwirtschaftliche Grundprinzip, nach dem wirtschaftlicher Wohlstand und Fortschritt am effektivsten durch freien Wettbewerb und dem von ihm ausgehenden Druck auf die Unternehmen realisiert werden.187 Indem eine politische Einflussnahme bei der Zusammenschlussbewertung ausgeschlossen wird, soll eine effektive Durchsetzung der ausschließlich dem Schutz von effektivem Wettbewerb verpflichteten Fusionskontrolle durch eine unabhängige Behörde gewährleistet werden. Eine vorrangig industriepolitische Ausrichtung der Fusionskontrolle – lange Zeit befürwortet insbesondere von französischer Seite188 – führt hingegen zu einer gezielten Förderung einzelner Unternehmen oder Industriebereiche und damit zu Wirtschaftsstrukturen, die aus staatlicher Perspektive wünschenswert erscheinen. Anstatt auf den Selbstregulierungsprozess des Wettbewerbs zu vertrauen, steht hinter dieser Auffassung die Annahme, dass der Staat die Verwirklichung von angestrebten Gemeinwohlzielen durch steuernde Eingriffe in den Markt effektiver sicherstellen kann, dass insoweit ein funktionierender Wettbewerb zur ihrer Durchsetzung allein nicht ausreicht. Im Falle einer industriepolitisch ausgerichteten Fusionskontrolle kann daher ein wettbewerbsschädigender Zusammenschluss freigegeben werden, wenn er zur Verwirklichung von Zielen beiträgt, die durch staatliche Industriepolitik vorgegeben werden.189 Indem auf die Einführung einer Genehmigungsklausel in die europäische Fusionskontrollverordnung im letzten Moment verzichtet wurde, haben sich die Befürworter einer wettbewerblich orientierten Fusionskontrolle nach allgemeiner 186 Janicki, WuW 1989, 193, 197; ders., WuW 1990, 195, 196 ff. Weitere Nachweise zur grundsätzlich kritischen Haltung gegenüber einer aktiven Industriepolitik in Deutschland finden sich bei Meessen, in: Festschrift für Gaedertz, S. 417, 418. 187 Zum Ganzen C. R. Schmidt, Die „Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts“, S. 32 f. m. w. N. Ferner auch Albers, CR 1990, 444 ff. 188 Vgl. hierzu Ruppelt, WuW 1989, 187, 190. 189 C. R. Schmidt, Die „Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts“, S. 34 f. m. w. N.
II. Die europäische Fusionskontrollverordnung Nr. 4064 / 89
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Auffassung weitgehend durchgesetzt.190 Dennoch fanden sich in der schließlich verabschiedeten Fusionskontrollverordnung Nr. 4064 / 89 Anhaltspunkte, die von Verfechtern einer starken europäischen Industriepolitik wiederholt als normative Anknüpfung für ihre Sichtweise ausgelegt wurden [sogleich unter d)]. Zunächst soll aber gezeigt werden, dass es nicht ausschließlich die Sorge um die in einem Genehmigungsvorbehalt erkannte Öffnungsklausel für Industriepolitik war, die gegen die Einführung einer an Art. 85 Abs. 3 EWG orientierten Ausnahmeregelung im Fusionsrecht angeführt wurde. c) Kritik an der wörtlichen Übertragung von Art. 85 Abs. 3 EWG Gegen die wörtliche Übertragung von Art. 85 Abs. 3 EWG wurden überdies vier weitere Kritikpunkte erhoben.191 Zunächst: Da Unternehmenszusammenschlüsse nur auf Dauer erlaubt oder auf Dauer verboten werden könnten, müssten an die fusionsbedingten Vorteile höhere Anforderungen gestellt werden als an Kooperationen, bei denen ein Widerruf, eine Beschränkung oder ein Fristablauf ohne Verlängerung möglich sei.192 Zweitens: Art. 85 Abs. 3 lit. a) EWG betone den Ausnahmecharakter einer Freistellung, indem er gebiete, dass die Beschränkung des freien Wettbewerbs durch die freizustellenden Absprachen nicht über das zur Vorteilserreichung notwendige Maß hinausgehen dürfe. Eine Übertragung dieser Voraussetzung auf Fusionen stünde dagegen vor dem Problem, dass Zusammenschlüsse – anders als Kooperationen – in ihrer Intensität nicht abstufungsfähig seien.193 Drittens: Die wörtliche Übernahme des zweiten negativen Kriteriums aus Art. 85 Abs. 3 lit. b) EWG, wonach die Freistellung einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung nur möglich ist, wenn die beteiligten Unternehmen nicht für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb ausschalten können, begegne der Schwierigkeit, dass bei Kooperationen regelmäßig nur ein einzelner Wettbewerbsparameter betroffen sei, während ein Zusammenschluss zum völligen Ausschluss des Wettbewerbs zwischen den Unternehmen führe.194 Und schließlich viertens: Eine Übertragung der Regelung des Art. 85 Abs. 3 EWG auf Fusionen müsse auch an den verschiedenen rechtlichen Rahmen scheitern, welche bei Kooperationen und Fusionen einer Freistellungsmöglichkeit zur Verfügung 190 Axster, in: Festschrift für Quack, S. 569, 581; Sauter, in: Festschrift für Quack, S. 657, 666; Löffler, Europäische Fusionskontrollverordnung, Vorbemerkung, Rdnr. 17. Zu einer vorsichtigeren Bewertung nach dem Vertrag von Maastricht kommt Immenga, EuZW 1994, 14, 17 f. 191 Ausführlich Monopolkommission, Sondergutachten Nr. 17 (1989), Rdnrn. 112 ff.; vorher bereits die Denkschrift der Kommission, WuW 1966, 330, 343 (Rdnrn. 8 ff.). 192 Monopolkommission, Sondergutachten Nr. 17 (1989), Rdnr. 112. Nach Art. 8 Abs. 1 der damals geltenden VO Nr. 17 / 62 war eine Freistellung nach Art. 85 Abs. 3 EGW nur für eine bestimmte Zeit zu gewähren. 193 Monopolkommission, Sondergutachten Nr. 17 (1989), Rdnr. 113. Ähnlich bereits die Denkschrift der Kommission, WuW 1966, 330, 343 (Rdnr. 9). 194 Monopolkommission, Sondergutachten Nr. 17 (1989), Rdnrn. 114, 117.
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
stünden. Reichte bezüglich des Kartellverbots der Spielraum für die Freistellung von der „Spürbarkeit“195 einer Wettbewerbsbeschränkung bis hin zur Marktbeherrschung,196 so könne ein Zusammenschluss, der überhaupt erst ab dem Begründen oder Verstärken eine marktbeherrschenden Stellung untersagt wird – so Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 4064 / 89 –, nicht schon aufgrund derselben Ausnahmekriterien des Art. 85 Abs. 3 EWG genehmigt werden.197 Die vorgebrachten Bedenken beruhten einerseits auf Unterschieden tatsächlicher Natur zwischen Konzentrationen und Vereinbarungen, andererseits – darauf richtete sich insbesondere der vierte Gesichtspunkt – auf ihrer Ungleichbehandlung in rechtlicher Hinsicht, zusammengefasst unter dem gängigen Schlagwort „Konzentrationsprivileg“. Es ist indes nicht erkennbar, dass es vorrangig diese Kritik war, welche die wörtliche Übernahme der Freistellungsvoraussetzungen aus Art. 85 Abs. 3 EWG ins Fusionsrecht verhinderte. Im Gegenteil schien es vielmehr, als habe die Kommission ihre vormals kritische Einstellung von 1966 zugunsten einer an Art. 85 Abs. 3 EWG orientierten Ausnahmeregelung für Zusammenschlüsse geändert:198 So führte sie zum April-Entwurf von 1988 an, dass sie für die Grundsätze des Art. 85 Abs. 3 EWG bereits praktizierbare und allgemein anerkannte Kriterien entwickelt habe, die überdies auch vom europäischen Gerichtshof gebilligt worden seien.199 Im Wesentlichen war es jedoch die aufgezeigte Kontroverse um den Einfluss von Wettbewerbs- bzw. Industriepolitik, die im Zentrum der Debatte um eine Genehmigungsklausel stand. Ergebnis der Verhandlungen um die materiellrechtliche Bewertung von Zusammenschlüssen war letztlich der so genannte „Globalkompromiss“. d) Der „Globalkompromiss“ als Lösung Nach langen Verhandlungen wurde auf die Einführung einer ausdrücklichen Genehmigungsklausel in die VO Nr. 4064 / 89 verzichtet und zudem das materiellrechtliche Untersagungskriterium mit dem Verweis auf das Begründen oder Verstärken einer beherrschenden Stellung, wie von deutscher Seite gefordert, eindeutig strukturbezogen ausgestaltet. Dennoch wurde – als Zugeständnis im Rahmen einer Kompromisslösung – in Art. 2 Abs. 1 lit. b) a. E. der nunmehr veralteten FKVO eine Formulierung aufgenommen, die zumindest in Teilen auf auffällige 195 Zum ungeschriebenen Merkmal der Spürbarkeit EuGH, Slg. 1969, 295, 302 „Völk / Vervaecke“ Rdnr. 7. 196 Es ist allerdings umstritten, ob das Begründen oder Verstärken einer marktbeherrschende Stellung notwendig auch die von Art. 85 Abs. 3 EWG geforderte Ausschaltung des Wettbewerbs vorliegt, vgl. Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 13 Rdnr. 70 sowie im zweiten Abschnitt, II. 4. 197 Monopolkommission, Sondergutachten Nr. 17 (1989), Rdnr. 115; Albers / Hacker, in: Schröter / Jakob / Mederer, Art. 2 FKVO, Rdnr. 444. Zustimmend C. R. Schmidt, Die „Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts“, S. 139. 198 Denkschrift der Kommission, WuW 1966, 330, 343 (Rdnrn. 8 ff.). 199 Kommission, XVII. Wettbewerbsbericht (1988), Rdnr. 51.
II. Die europäische Fusionskontrollverordnung Nr. 4064 / 89
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Weise dem Freistellungstatbestand aus Art. 85 Abs. 3 EWG ähnelte. Es handelte sich um die Klausel, nach der bei der Prüfung von Zusammenschlüssen unter anderem „die Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts“ zu berücksichtigen war, „sofern diese dem Verbraucher dient und den Wettbewerb nicht behindert“. Mit Verweis auf diesen Fortschrittseinwand und seiner begrifflichen Nähe zu Art. 85 Abs. 3 EWG, sowie einer Protokollerklärung der Kommission, in welcher betont wurde, dass die Fortschrittsklausel „im Lichte der in Art. 85 Abs. 3 des Vertrages verankerten Grundsätze in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof zu verstehen ist“,200 fanden sich in der Literatur immer wieder Auslegungsvorschläge, die einen Einfluss auch nichtwettbewerblicher Gesichtspunkte ermöglichen sollten.201 Über ein derartiges Verständnis von Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO a. F. hinaus wurde die Fortschrittsklausel aber vielfach auch als Anknüpfungspunkt für die bei der Bewertung von Zusammenschlüssen möglicherweise zu beachtenden ökonomischen Effizienzvorteile angeführt.202 Die bereits erwähnte, im Schrifttum nicht immer hinreichend klar vollzogene Trennung von derartigen Effizienzvorteilen einerseits und dem Einfluss allgemein- oder industriepolitisch instrumentalisierter Gesichtspunkte andererseits, liegt daher offenbar darin begründet, dass sich beide Einwände auf dieselbe Formulierung berufen.203 Ergänzend zu der umstrittenen Klausel in Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO a. F. wurde auch das materiellrechtliche Untersagungskriterium in Art. 2 Abs. 3 FKVO a. F. selbst als rechtliche Verortung einer möglichen Effizienzberücksichtigung herangezogen, und dies insbesondere im Hinblick auf die geforderte „erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs“. Uneinheitlich beantwortet wurde indes die Frage nach einer eigenständigen Bedeutung dieser Formulierung neben der im Vordergrund stehenden, durch den Zusammenschluss begründeten oder verstärkten beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt. Schließlich wurde – ebenfalls im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 3 FKVO a. F. – vertreten, eine wettbewerbliche Abwägungsklausel an die Vorschrift aus Art. 2 Abs. 1 lit. a) FKVO a. F. anzuknüpfen. 200 Erklärungen der Kommission für das Ratsprotokoll vom 19. Dezember 1989, WuW 1990, 240, 241. 201 Vgl. Meessen, in: Festschrift für Gaedertz, S. 417, 425 ff.; Röhling, ZIP 1990, 1179, 1182; Dreyer, Abwägungsmöglichkeiten in Art. 2 VO (EG) Nr. 4064 / 89, S. 122; Miersch, Kommentar zur EG-Verordnung Nr. 4064 / 89, S. 47, 56. Ausführlich zum Ganzen Heineke, Entlastungsgründe, S. 96 ff. Hingewiesen wurde in diesem Zusammenhang auch auf die Erwägungsgründe Nr. 4 und 13 der VO Nr. 4064 / 89, wo u. a. von der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie die Rede war, dazu Immenga, EuZW 1994, 14, 17 f. 202 Albers / Hacker, in: Schröder / Jakob / Mederer, Art. 2 FKVO Rdnrn. 429, 448 ff.; Adt, in: von der Groeben / Schwarze, Bd. 2, FKVO Rdnrn. 22, 273 ff.; Rösler, NZG 2000, 857, 864 f.; F. Immenga / Stopper, RIW 2001, 512, 515. 203 Vgl. Fn. 182. Klarstellend Kerber, in: Oberender, Europäische Fusionskontrolle, S. 69, 88 f.; ähnlich Camesasca, E.C.L.R. 1999, 14, 28.
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
In der Folge soll nun versucht werden, die divergierenden, unübersichtlichen Ansichten hinsichtlich der Berücksichtigung von wirtschaftlichen Effizienzvorteilen unter der VO Nr. 4064 / 89 überblicksweise zusammenzufassen; im Anschluss ist sodann auf die Entscheidungspraxis der europäischen Kommission einzugehen.
2. Meinungsstand in der Literatur Das nach langer Beratung gefundene, in systematischer Hinsicht schwer verständliche Kompromissergebnis des Art. 2 der VO Nr. 4064 / 89 bot hinreichenden Spielraum für eine ganze Reihe verschiedener Interpretationen. Mit Verweis auf den Wortlaut wurde weitgehend anerkannt, dass das maßgebliche, materiellrechtliche Untersagungskriterium für Fusionen in den Abs. 2 und 3 verankert war und die in Abs. 1 unter lit. a) und b) aufgezählten Kriterien – wenngleich keinesfalls abschließend – von der Kommission lediglich ergänzend zur Beantwortung der Frage herangezogen werden sollten, ob der zu prüfende Zusammenschluss zur Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung führte, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt erheblich behindert würde.204 Hinsichtlich der Fortschrittsklausel in Art. 2 Abs. 1 lit. b) war indessen umstritten, inwieweit die Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts zur Ermittlung einer beherrschenden Stellung überhaupt eine Bedeutung gewinnen konnte.205 a) Interpretation der Fortschrittsklausel nach Art. 2 Abs. 1 lit. b) VO Nr. 4064 / 89 aa) Die Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts . . . Ungeachtet der Frage, inwieweit die Formulierung „Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts“ den Einfluss industriepolitischer Gesichtspunkte im Sinne einer staatlich gesteuerten Wirtschaftspolitik zuließ – als Beispiele für eine Industriepolitik seien die Schaffung oder der Erhalt von Arbeitsplätzen, die Förderung strukturschwacher Regionen oder die Schaffung so genannter „nationaler, bzw. europäischer Champions“ angeführt –, war weitgehend anerkannt, dass der Wortlaut der Fortschrittsklausel jedenfalls auch die Erfassung von ökonomischen Effizienzvorteilen im bereits dargelegten206 Sinne ermöglichte.207 204 Immenga, in: Immenga / Mestmäcker, EG-WbR I (1997), Art. 2 FKVO Rdnr. 169; Janicki, WuW 1990, 195, 199; Niederleithinger, EWS 1990, 73, 77; Röhling, ZIP 1990, 1179, 1181; Bechtold, EuZW 1996, 389; Stockenhuber, Europäische Fusionskontrolle, S. 287. A.A. wohl Koch, EWS 1990, 65, 70 sowie unter cc). 205 Albers / Hacker, in: Schröter / Jakob / Mederer, Art. 2 FKVO, Rdnr. 430. 206 Die Terminologie ist in der Literatur uneinheitlich. Adt, in: von der Groeben / Schwarze, Bd. 2, FKVO Rdnr. 271 spricht von „Effizienzen im engeren Sinne“, vielfach findet sich dagegen der Begriff der „Rationalisierungsvorteile“ in Abgrenzung zu industriepolitisch ver-
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Der Begriff „wirtschaftlicher Fortschritt“ beinhaltet demnach Rationalisierungsvorteile, Größen- und Synergieeffekte aller Art sowie eine erhöhte Produktdifferenzierung; der Begriff „technischer Fortschritt“ umfasst dynamische Effizienzvorteile, die zur Entwicklung neuer Produkte und Produktionsverfahren führen.208 In Abgrenzung zu regional-, sozial- oder industriepolitischen Gesichtspunkten, die im Interesse einer staatlichen Wirtschaftspolitik und zur Erreichung vorgegebener Zielsetzungen instrumentalisiert werden, geht es bei der Einbeziehung von Effizienzvorteilen darum, ob diesen bereits für sich genommen ein positives Gewicht im Rahmen der Fusionskontrolle eingeräumt werden soll und inwieweit hier ein gegebenenfalls aufzulösender Zielkonflikt mit der Aufrechterhaltung wirksamen Wettbewerbs besteht [sogleich unter cc)].209 Als nähere Voraussetzungen für die Erfassung wirtschaftlicher Vorteile durch die Fortschrittsklausel wurde verlangt, dass die Effizienzgewinne erheblich sein und damit quantitativ über die üblicherweise mit Zusammenschlüssen verbundenen Rationalisierungsvorteile hinausgehen müssten.210 Auch sollten sich die Vorteile in absehbarer Zeit realisieren und von den insoweit beweispflichtigen Unternehmen konkret belegt werden.211 In Betracht gezogen wurden zudem nur reale Kosteneinsparungen, – in Abgrenzung zu solchen, die lediglich eine bloße Umverteilung zu Lasten anderer Marktteilnehmer bedeuteten.212 Als weitere allgemeine Voraussetzung für die Berücksichtigung von Effizienzvorteilen wurde verlangt, dass diese notwendig auf den Zusammenschluss zurückzuführen sein müssten und im Sinne eines allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht durch weniger wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen erreicht werden könnten.213
einnahmten Aspekten, etwa bei Immenga, WuW 1990, 371, 378. Nach der hier zugrunde liegenden Verwendung umfasst der Begriff der Effizienzvorteile alle unter I. 3. dargelegten wirtschaftlichen Vorteile. 207 Sedemund / Montag, in: Dauses, Hdb.EU-WiR, H. I § 2 Rdnr. 64; Wirtz, EWS 2002, 59, 62; de la Mano, Efficiencies in European Merger Control, S. 26; F. Immenga / Stopper, RIW 2001, 512, 516; Rösler, NZG 2000, 857, 865; Immenga, WuW 1990, 371, 378; Albers / Hacker, in: Schröter / Jakob / Mederer, Art. 2 FKVO, Rdnr. 447; kritisch dagegen Bechtold, RIW 1990, 253, 258; Heineke, Entlastungsgründe, S. 119; Terhechte, Ungeschriebene Tatbestandsmerkmale, S. 304. 208 Lindsay, The EC Merger Regulation: Substantive Issues, 8 – 12; C. R. Schmidt, Die „Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts“, S. 31; Wirtz, EWS 2002, 59, 62. 209 Heineke, Entlastungsgründe, S. 118 f.; Wirtz, EWS 2002, 59, 63 m. w. N. in Fn. 41. 210 Immenga, WuW 1990, 371, 378; Rösler, NZG 2000, 857, 865. 211 Albers / Hacker, in: Schröter / Jakob / Mederer, Art. 2 FKVO, Rdnr. 449; Immenga, WuW 1990, 371, 379. 212 Monopolkommission, Sondergutachten Nr. 17 (1989), Rdnr. 104; Adt, in: von der Groeben / Schwarze, Bd. 2, FKVO Rdnr. 273. 213 Albers / Hacker, in: Schröter / Jakob / Mederer, Art. 2 FKVO, Rdnr. 453.
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
bb) . . . sofern diese dem Verbraucher dient . . . Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO a. F. sah ausdrücklich vor, dass die Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts nur dann berücksichtigt wird, wenn dadurch Verbraucherinteressen gedient war. Der explizite Hinweis auf die Verbraucherbeteiligung wurde dabei als Hinwendung der europäischen Fusionskontrollverordnung zu einem Modell der Verbraucherwohlfahrt interpretiert.214 Unter den Verbrauchern wurden – wie auch bei der Auslegung der Verbraucherbeteiligung im Rahmen des Art. 85 Abs. 3 EWG215 – nicht allein die Endverbraucher, sondern alle der Marktgegenseite der fusionierenden Unternehmen angehörenden Abnehmer, also auch Weiterverarbeiter, sowie Groß- und Einzelhändler verstanden.216 Wiederholt wurde darauf verwiesen, dass die Weitergabe der Effizienzvorteile an die Verbraucher allein aufgrund eines hinreichenden Wettbewerbsdrucks erfolgen könnte; vor dem Hintergrund der Verbraucherbeteiligung war daher die Aufrechterhaltung eines bestimmten Ausmaßes an Restwettbewerb zwingend erforderlich und die Auflösung eines überwiegend angenommenen Konflikts zwischen ökonomischen Effizienzvorteilen und dem Erhalt wirksamen Wettbewerbs [dazu sogleich cc)] auch aus diesem Grund von erheblicher Bedeutung.217 cc) . . . und den Wettbewerb nicht behindert War es bereits die systematische Stellung der Fortschrittsklausel und ihr Verhältnis zu Art. 2 Abs. 3 FKVO a. F., welche ihre inhaltliche Einordnung so streitig werden ließ, so kam als weitere Schwierigkeit noch hinzu, dass die Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts gem. Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO a. F. nur dann berücksichtigt werden konnte, sofern sie „den Wettbewerb nicht behindert“. Ungeachtet der Entstehungsgeschichte und mit Verweis auf die bereits erwähnte Protokollerklärung der Kommission, nach der der Begriff des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts im Lichte von Art. 85 Abs. 3 EWG auszulegen sei,218 wurde vertreten, die Fortschrittsklausel als echte Ausnahmeregelung zum wettbewerblichen Untersagungskriterium in Art. 2 Abs. 3 FKVO a. F. zu ver214 de la Mano, Efficiencies in European Merger Control, S. 26. Vgl. ferner Röller / Stennek / Verboven, Efficiency Gains from Mergers, S. 69; Lindsay, The EC Merger Regulation: Substantive Issues, 8 – 12 unter c). 215 Dazu Bellamy / Child, Competition Law, 3 – 050; Bunte, in: Langen / Bunte, Art. 81 – Generelle Prinzipien, Rdnr. 159. 216 Immenga, in: Immenga / Mestmäcker, EG-WbR I (1997), Art. 2 FKVO Rdnr. 173 sowie Miersch, Kommentar zur EG-Verordnung Nr. 4064 / 89, S. 61, der insoweit von „Marktpartnern“ spricht. 217 Immenga, in: Immenga / Mestmäcker, EG-WbR I (1997), Art. 2 FKVO Rdnr. 173; Monopolkommission, Sondergutachten Nr. 17 (1989), Rdnrn. 106 f. 218 Vgl. Nachweis in Fn. 200.
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stehen.219 Demnach sollten fusionsbedingte, wirtschaftliche Vorteile mit den negativen Wirkungen einer marktbeherrschenden Stellung abgewogen werden können.220 Überwiegend wurde eine derartige Auslegung jedoch abgelehnt: Zum einen konnte die Protokollerklärung der Kommission schon keine rechtliche Bindung entfalten,221 zum anderen stellte sich eine derartige Interpretation gegen den Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO, wonach die Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts den Wettbewerb nicht behindern dürfe.222 Der Interpretation der Fortschrittsklausel als rechtfertigender Ausnahmetatbestand wurde entgegengehalten, dass – abweichend von der Regelung des Art. 85 Abs. 3 EWG – das materiellrechtliche Untersagungskriterium im Zusammenschlussrecht, Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 4064 / 89 nach allerdings umstrittener Auffassung223 gerade keine zweistufige Prüfung zuließ; es wurde eben nicht erst ein Verbot ausgesprochen und dann im Einzelfall gegebenenfalls als Ausnahme wieder eingeschränkt. Vielmehr bestand neben dem zentralen Merkmal für die Untersagung eines Zusammenschlusses, der beherrschenden Stellung, durch die wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, kein weiterer Raum für Genehmigungsmöglichkeiten.224 Nach diesem Verständnis waren alle in Art. 2 der VO Nr. 4064 / 89 aufgeführten Kriterien dem Begriff der beherrschenden Stellung untergeordnet.225 Eine andere Auffassung ging davon aus, dass dem Wettbewerbsprinzip mit den Verweisen in Art. 2 Abs. 1 lit. b) und Abs. 3 FKVO a. F. ein nicht zu beseitigender Vorrang eingeräumt wurde und das Merkmal der Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts – zumal es zur Ermittlung einer beherrschenden Stellung nicht beitragen könne – eine Abwägung mit den Nachteilen einer beherrschenden Stellung ausschlösse und somit weitgehend bedeutungslos wäre.226 Um diesem unbefriedigenden Ergebnis zu entgehen, wurde vorgeschlagen, die Fortschrittsklausel lediglich in Grenzfällen anzuwenden, wenn die Kommission innerhalb des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums bei der Anwendung von Art. 2 FKVO a. F. Zweifel an der Unvereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Löffler, Europäische Fusionskontrollverordnung, Art. 2 Rdnr. 166. Miersch, Kommentar zur EG-Verordnung Nr. 4064 / 89, S. 56. 221 Dazu C. R. Schmidt, Die „Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts“, S. 103. 222 Immenga, in: Immenga / Mestmäcker, EG-WbR I (1997), Art. 2 FKVO Rdnr. 170; Faull / Nikpay, The EC Law of Competition, 4.167. 223 Dazu sogleich unter c). 224 Camesasca, Getting the Efficiencies Right, Rdnr. 419; C. R. Schmidt, Die „Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts“, S. 131; Janicki, WuW 1990, 195, 199. 225 Stockenhuber, Europäische Fusionskontrolle, S. 287; Janicki, WuW 1990, 195, 199. 226 Cook / Kerse, E. C. Merger Control, 5.5.1.; Neven / Nuttall / Seabright, Merger in Daylight, S. 62. Vgl. auch Albers / Hacker, in: Schröter / Jakob / Mederer, Art. 2 FKVO, Rdnr. 454, wo es heißt: „bei wörtlicher Auslegung ist diese Bedingung [keine Wettbewerbsbehinderung] unerfüllbar.“ 219 220
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
Gemeinsamen Markt hätte.227 Den eigenständigen Sinn des Art. 2 Abs. 1 lit. b) VO Nr. 4064 / 89 konnte eine derartige Interpretation der Fortschrittsklausel freilich kaum erklären, denn wenn bereits Zweifel an der Verstärkung oder Begründung einer beherrschenden Stellung bestanden, konnte eine Fusion ohnehin nicht untersagt werden. Eine Zweifelsfallregelung war insoweit nicht erforderlich.228 Ein weiterer Ansatz verneinte einen generellen Zielkonflikt zwischen wirtschaftlichen Effizienzvorteilen und der Aufrechterhaltung von Wettbewerb.229 Nach dieser Ansicht konnten Effizienzvorteile den Wettbewerb als Rivalitätsprozess beleben, indem sie mit ihren positiven Wirkungen – Steigerung von Innovation, Verringerung von Kostenfaktoren und damit möglicherweise einhergehende Preissenkungen – neue Wettbewerbsimpulse und -anreize setzten.230 Wettbewerbsfördernde Effizienzgewinne sollten demnach im Rahmen der Prüfung einer beherrschenden Stellung, durch die wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, „grundsätzlich“ berücksichtigt werden können.231 Nicht vollends deutlich wurde indes auch bei dieser Interpretation, wie sich die Einbeziehung ökonomischer Effizienzvorteile mit der Aufrechterhaltung einer kompetitiven Marktstruktur vereinbaren ließ; die insoweit gemachten Ausführungen deuten darauf hin, dass weniger an die Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung angeknüpft wurde, sondern vielmehr an die Formulierung „. . . durch die wirksamer Wettbewerb . . . erheblich behindert würde“.232 b) Wettbewerbliche Abwägungsklausel in Art. 2 Abs. 1 lit. a) VO Nr. 4064 / 89 Einige Stimmen im Schrifttum verorteten eine ausschließlich Wettbewerbsgesichtspunkte einbeziehende Abwägungsklausel in Art. 2 Abs. 1 lit. a) der VO Nr. 4064 / 89, wonach die Kommission im Rahmen ihrer Prüfung eines Zusammenschlusses auch die Aufrechterhaltung und Entwicklung wirksamen Wettbewerbs im Hinblick auf die Struktur aller betroffenen Märkte berücksichtigen sollte.233 Demnach sollte ein Zusammenschluss, obwohl er eine beherrschende Stellung ver227 Immenga, WuW 1990, 371, 378; Wagemann, in: Wiedemann, Hdb.KartR, § 16 Rdnr. 66; Ehlermann, WuW 1991, 535, 543; Rösler, NZG 2000, 857, 865. 228 Meessen, in: Festschrift für Gaedertz, S. 417, 426. 229 Röller / Stennek / Verboven, Efficiency Gains from Mergers, S. 67 f.; Wirtz, EWS 2002, 59, 63; F. Immenga / Stopper, RIW 2001, 512, 518; Gerard, 40 CML Rev. (2003), 1367, 1411. 230 Wirtz, EWS 2002, 59, 64; Strohm, in: Oberender, Effizienz und Wettbewerb, S. 113, 117. 231 Wirtz, Legalität und ökonomische Realität, S. 295. 232 Röller / Stennek / Verboven, Efficiency Gains from Mergers, S. 68; Wirtz, Legalität und ökonomische Realität, S. 293 und 295. 233 Abgegrenzt wird eine „wettbewerbliche Bilanz“ zur „wirtschaftlichen Bilanz“, Bechtold, EuZW 1996, 389, 390 f.; Immenga, WuW 1990, 371, 376, Kleemann, in: Festschrift für Lieberknecht, S. 379, 381.
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stärkte oder begründete, dann noch freigestellt werden können, wenn er unter einem erweiterten Blickfeld – hierbei wurden auch Märkte betrachtet, auf denen sich die Auswirkungen der beherrschenden Stellung nicht unmittelbar bemerkbar machten – insgesamt zu einer Verbesserung der Wettbewerbsstruktur führte. In ein Verhälnis gesetzt wurden folglich Verbesserungen der strukturellen Wettbewerbsbedingungen auf einem Markt gegenüber Marktbeherrschungseffekten auf einem anderen.234 Auch die Vertreter dieser Ansicht gingen daher nicht davon aus, dass mit der dargelegten Abwägung einer umfassenden Effizienzberücksichtigung Rechnung getragen war; denn anstatt einen Zielkonflikt zwischen dem Schutz kompetitiver Marktstrukturen einerseits und wirtschaftlicher Effizienz andererseits zu thematisieren, sollte die wettbewerbliche Abwägungsklausel aus Art. 2 Abs. 1 lit. a) FKVO a. F. vielmehr zu einem Ausgleich von strukturbezogenen Vor- und Nachteilen auf verschiedenen Märkten führen. Nicht zuletzt sprach auch die Entstehungsgeschichte der VO Nr. 4064 / 89 gegen diese Auffassung, da eine zunächst in verschiedenen Entwürfen235 noch enthaltene Abwägungsklausel in der Endfassung schließlich entfallen ist.
c) „Erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs“, Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 4064 / 89 Über die aufgezeigten Anknüpfungspunkte hinaus und teilweise in Ergänzung zu jenen, wurde auch versucht, eine Berücksichtigung von Effizienzvorteilen an das materiellrechtliche Untersagungskriterium selbst anzulehnen.236 Im Mittelpunkt der Diskussion stand dabei die Frage, ob dem Merkmal der „erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs“ in Art. 2 Abs. 3 neben dem Kriterium des „Begründens oder Verstärkens einer beherrschenden Stellung“ eine eigenständige Rolle zufallen konnte. Wenn man dies bejahte und in der erheblichen Wettbewerbsbehinderung eine zusätzliche Voraussetzung zur Zusammenschlussuntersagung erblickte, so sollte nach dieser Gedankenführung auch die Möglichkeit einer Effizienzberücksichtigung eröffnet sein.237 Begründet wurde diese Sichtweise vor allem durch den in Abgrenzung zu Art. 82 EG abweichenden Wortlaut des Art. 2 Abs. 3 FKVO und die Entstehungs234 Kleemann, in: Festschrift für Lieberknecht, S. 379, 383; Bechtold, in: Schwarze, Europäisches Wettbewerbsrecht im Wandel, S. 109, 116 f. 235 Etwa Art. 2 Abs. 3 des Entwurfs von 1989, ABl.EG 1989 Nr. C 22, S. 16 v. 28. 01. 1989. 236 Montag / Wolfsgruber, in: Baudenbacher, Neueste Entwicklungen im Europäischen und Internationalen Kartellrecht, S. 289, 314; Adt, in: von der Groeben / Schwarze, Bd. 2, FKVO Rdnr. 278 m. w. N.; Weitbrecht, EuZW 1990, 18, 20. 237 Vgl. Strohm, WuW 2001, 1203, 1204; Whish, Competition Law, S. 835; Zampa, 4 E.B.O.R. (2003), 573, 603, 609; Albers / Hacker, in: Schröder / Jakob / Mederer, Art. 2 FKVO Rdnr. 393.
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
geschichte der Vorschrift.238 Nicht bereits jede beherrschende Stellung führte nach dieser Auffassung zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs, erst nachdem auf einer ersten Stufe das Vorliegen einer derart dominanten Stellung festgestellt werden konnte, sollte in einem weiteren Prüfungspunkt die durch den Zusammenschluss zu erwartenden Vor- und Nachteile für den Wettbewerb erfasst und gegeneinander abgewogen werden.239 Dabei fanden sich im Schrifttum nicht nur jene Stimmen, die im Rahmen dieser Abwägung auch außerwettbewerbliche, allgemeinpolitische Aspekte mit einbeziehen wollten,240 sondern auch solche Autoren, die dem Einfall industrie-, regional- oder sozialpolitisch motivierten Gesichtspunkte ablehnend gegenüberstanden, wirtschaftliche Effizienzgewinne hingegen durchaus berücksichtigen wollten.241 Dieser Sichtweise gegenüber gestellt fand sich aber auch die Interpretation, nach der die beiden in Art. 2 Abs. 3 FKVO a. F. genannten Kriterien gerade nicht gleichwertig nebeneinander standen, sondern für eine Zusammenschlussuntersagung ausschlaggebend allein das Begründen oder Verstärken einer beherrschenden Stellung war und der Passage „welche wirksamen Wettbewerb erheblich behindert“ letztlich nur noch eine ergänzend-beschreibende Funktion zufiel.242 Sobald die Marktstruktur durch einen Zusammenschluss derart verändert werde, dass eine beherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird, ginge damit zugleich immer auch eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs einher, eine eigenständige Funktion des Erheblichkeitskriteriums sei daher nicht ersichtlich.243 Um dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 3 FKVO a.F. dennoch Rechnung zu tragen, wurde in der „Erheblichkeit“ der Wettbewerbsbehinderung ein zwar unselbständiges, aber letztlich der Konkretisierung der beherrschenden Stellung dienendes Merkmal gesehen. Auf diese Weise sollte die vorrangig wettbewerbliche Orientierung der VO Nr. 4064 / 89 unterstrichen und zugleich einer wie auch immer gearteten Abwägungsmöglichkeit, welche zudem ein Einflusstor für politische Erwägungen darstellte, eine Absage erteilt werden.244 Bereits der hier lediglich skizzierte Meinungsstand im Schrifttum lässt erkennen, dass es unter der VO Nr. 4064 / 89 im Hinblick auf die Einbeziehung von Effi238 Adt, in: von der Groeben / Schwarze, Bd. 2, FKVO Rdnr. 279; Albers / Hacker, in: Schröder / Jakob / Mederer, Art. 2 FKVO Rdnr. 393 m. w. N. 239 de la Mano, Efficiencies in European Merger Control, S. 33 ff. 240 So Dreyer, Abwägungsmöglichkeiten in Art. 2 VO (EG) Nr. 4064 / 89, S. 253 ff. 241 Adt, in: von der Groeben / Schwarze, Bd. 2, FKVO Rdnrn. 281 ff.; im Ergebnis auch Motta, E.C.L.R. 2000, 199, 202. 242 Insbesondere Monopolkommission, Sondergutachten Nr. 17 (1989), Rdnr. 77; Bunte, Kartellrecht, S. 448; C. R. Schmidt, Die „Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts“, S. 91; Wagemann, in: Wiedemann, Hdb.KartR, § 16 Rdnr. 81. 243 C. R. Schmidt, Die „Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts“, S. 90; Camesasca, E.C.L.R. 1999, 14, 24. 244 Noël, E.C.L.R. 1997, 498, 503; Immenga, WuW 1990, 371, 374; Ehlermann, WuW 1991, 535, 543.
II. Die europäische Fusionskontrollverordnung Nr. 4064 / 89
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zienzgewinnen eine Vielzahl von mitunter sehr unterschiedlichen Deutungen gab. Verstärkt wurde dieser Eindruck der Unstimmigkeit nicht zuletzt durch die Anwendungspraxis der Kommission und die Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte, welche mit ihren Ausführungen zu fusionsbedingten Effizienzgewinnen kaum wesentlich zu einem klareren Bild beizutragen vermochten. 3. Praxis der Kommission und Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte unter der VO Nr. 4064 / 89 Die Kommission und die europäischen Gerichte haben in ihrer Anwendungspraxis bezüglich der Berücksichtigung von wirtschaftlichen Effizienzgewinnen kaum einmal einen eindeutigen Standpunkt eingenommen, vielmehr haben sie – dies gilt in besonderem Maße für die Kommission – die Thematik oftmals eher am Rande berührt, ohne dabei deutlich zu machen, welcher Stellenwert den Effizienzvorteilen in der schlussendlichen Bewertung eines Zusammenschlusses zugemessen wurde.245 So findet sich denn auch keine Kommissionsentscheidung, welche die Freigabe eines ansonsten wettbewerbsbeschränkendenden Zusammenschlusses zweier Unternehmen aufgrund überwiegender Effizienzgewinne zum Gegenstand hat. Ebensowenig haben aber auch die europäischen Gerichte die von ihnen zu überprüfenden Fallgestaltungen unter der VO Nr. 4064 / 89 zum Anlass genommen, über das Ob und Wie einer Einbeziehung von Effizienzvorteilen in das europäische Zusammenschlussrecht zu entscheiden.246 Trotz einer fehlenden, eindeutigen Stellungnahme hat die Kommission in vereinzelten Entscheidungen die Problematik der Effizienzvorteile gestreift und mit ihren teilweise widersprüchlichen Aussagen die Diskussion um eine positive Berücksichtigung derartiger Vorteile belebt. Immerhin herauskristallisiert hat sich zumindest der Umstand, dass eine rechtliche Anknüpfung ihrer Ausführungen ganz überwiegend über die Fortschrittsklausel in Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO a. F. stattfand.247 Gerade deren Wettbewerbsvorbehalt erwies sich dabei jedoch nach Kommissionsansicht als kaum zu überwindende Hürde für eine offenere Handhabung von Effizienzvorteilen. 245 Siehe Drauz, ZWeR 2003, 254, 255; Röller / Stennek / Verboven, Efficiency Gains from Mergers, S. 69. Differenzierend dagegen Camesasca, Getting the Efficiencies Right, Rdnr. 422, der von einer graduellen Entwicklung in der Anerkennung von Effizienzvorteilen in der Kommissionspraxis ausgeht; ähnlich Luescher, E.C.L.R. 2004, 72, 80. 246 Zwar finden sich neben der Entscheidung EuG vom 19. 5. 1994, Rs. T-2 / 93, Slg. 1994 II-327 „Air France / Kommission“ Rdnrn. 78 f. noch weitere Urteile des Gerichts Erster Instanz, die von der Zweistufigkeit des materiellen Untersagungstests in Art. 2 Abs. 3 FKVO a. F. ausgehen – angedeutet etwa in EuG vom 28. 4. 1999, Rs. T-221 / 95, Slg. 1999 II-1299 „Endemol / Kommission“ Rdnr. 169 sowie in EuG vom 22. 10. 2002, Rs. T-310 / 01, Slg. 2002 II-4071 „Schneider Electric SA / Kommission“ Rdnrn. 349, 380, 402 –; auf die Frage nach der Einbeziehung von Effizienzvorteilen gehen indes auch diese Urteile nicht näher ein. 247 Ein Überblick über die Entscheidungspraxis der Kommission findet sich bei Venit, in: Drauz / Reynolds, EC Merger Control, A Major Reform in Progress, S. 229, 243 ff. und Camesasca, Getting the Efficiencies Right, Rdnrn. 422 ff.
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
Bereits frühzeitig nach dem Inkrafttreten der VO Nr. 4064 / 89 – in der Entscheidung „AT&T / NCR“248 – sah sich die Kommission veranlasst, auf die Thematik der Effizienzbewertung zumindest in Kürze einzugehen. In dieser Entscheidung führte sie aus, dass der Transfer von technischem Wissen und die Verbesserung von Kommunikation Synergieeffekte herrufen könne, allerdings gelangte sie anschließend zu der Folgerung, dass gerade derartige Effizienzvorteile zu einer Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung beitragen könnten. Damit wurde Effizienzgesichtspunkten zwar ein gewisses Gewicht eingeräumt, jedoch wurden sie im Sinne einer so genannten efficiency offence, also zu Lasten der Zusammenschlussparteien bewertet. Nur kurze Zeit später, in ihrer ersten Untersagungsentscheidung „Aérospatiale-Alenia / de Havilland“249 ging die Kommission ungleich ausführlicher auf die Bedeutung von Effizienzvorteilen ein. Erklärtes Ziel der Fusion durch die Unternehmen war insbesondere die Kostensenkung aufgrund von geltend gemachten Effizienzgewinnen. In ihrer Bewertung erweckte die Kommission erstmals den Eindruck, unter der Bezeichnung „allgemeine Erwägungen“ Umstände anzuerkennen, unter denen Effizienzvorteile grundsätzlich positiv ins Gewicht fallen konnten; weil sie die angeführten Kosteneinsparungen in der Summe indes für nicht ausreichend einschätzte, hielt sie im konkreten Fall jedoch an ihrer Untersagungsentscheidung fest.250 Dennoch bot die Tatsache, dass die Kommission in der „Aérospatiale-Alenia / de Havilland“-Entscheidung insbesondere den fehlenden Zusammenhang der vorgebrachten Einsparungen mit dem konkreten Zusammenschluss bemängelte, einen Anhaltspunkt dafür, dass sie sich möglicherweise unter anderen Umständen gegenüber einer Effizienzberücksichtigung im positiven Sinne durchaus aufgeschlossener gezeigt hätte.251 Für diese Sichtweise könnte auch sprechen, dass die Kommission die Einbeziehung weiterer Effizienzvorteile gerade mit dem Einwand ablehnte, diese seien nicht hinreichend belegt und beziffert.252 Gleichzeitig deutete aber eine Formulierung am selben Ort der Entscheidung (Rdnr. 65) wiederum in eine andere Richtung, wenn es dort etwa hieß: „Ohne der Frage nachgehen zu wollen, ob solche Erwägungen für die Bewertung nach Art. 2 FKVO maßgeblich sein können, ist festzustellen, dass diese Einsparungen mit 0,5 % des gemeinsamen Umsatzes der neuen Einheit nur geringe Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit von ATR / de Havilland haben könnten.“ Ein eindeutiges Bild der Kommissionspraxis ergab sich daher auch nicht nach der „Aérospatiale-Alenia / de Havilland“-Entscheidung. 248 Komm. vom 18. 1. 1991, ABl.EG 1991 Nr. C 16, S. 20 „AT&T / NCR“ Rdnr. 30 (engl. Fassung). 249 Komm. vom 2. 10. 1991, ABl.EG 1991 Nr. L 334, S. 42 „Aérospatiale-Alenia / de Havilland“. 250 Komm. vom 2. 10. 1991, ABl.EG 1991 Nr. L 334, S. 42 „Aérospatiale-Alenia / de Havilland“ Rdnr. 65. 251 Drauz, ZWeR 2003, 254, 256. 252 Komm. vom 2. 10. 1991, ABl.EG 1991 Nr. L 334, S. 42 „Aérospatiale-Alenia / de Havilland“ Rdnr. 65.
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In den nachfolgenden Kommissionsentscheidungen wurde bereits regelmäßig das Vorliegen der angeführten Effizienzvorteile verneint und zur Beantwortung der Frage, ob diese möglicherweise als ausgleichende Faktoren eines ansonsten wettbewerbsbeschränkenden Zusammenschlusses herangezogen werden konnten, kam es daher oftmals gar nicht. In der Sache „Accor / Wagon-Lits“253 brachten die Parteien etwa vor, die Fusion würde nicht nur die Modernisierung veralteter Autobahnraststätten fördern, sondern zudem das Ausbildungsniveau des gemeinsamen Personals verbessern. Wiederum lehnte die Kommission diese Argumentation mit Hinweis auf nicht ausreichende Belege ab und fügte überdies hinzu, dass die Effizienzgewinne im konkreten Fall, sollten sie denn überhaupt eintreten, die wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen jedenfalls nicht aufwiegen könnten.254 Neben der Frage der Nachweisbarkeit eventueller Effizienzgewinne erwies sich auch der Wettbewerbsvorbehalt im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 lit. b) VO Nr. 4064 / 89 für die Praxis als kaum überwindbare Hürde. So befand die Kommission in ihrer Entscheidung „MSG / Media Service“, dass den vorgebrachten Effizienzvorteilen für die Bewertung schon deswegen keine Bedeutung zukommen könne, weil die Fusion zugleich eine Behinderung des Wettbewerbs im Sinne des Art. 2 Abs. 1 lit. b) VO Nr. 4064 / 89 darstellte.255 Ähnlich verhielt es sich in den Sachen „Bertelsmann / Kirch / Premiere“ und „Nordic Satellite Distribution“, wo die Kommission Zusammenschlussvorhaben untersagte, da diese, neben dem Hervorrufen von ohnehin nicht ausreichend nachweisbaren Effizienzgewinnen, eben auch zur Behinderung des Wettbewerbs geführt hätten.256 In „Saint-Gobain / Wacker-Chemie / NOM“ gelangte die Kommission trotz der grundsätzlichen Anerkennung der durch den Zusammenschluss hervorgerufenen Synergien zu dem Schluss, dass bereits die Möglichkeit der Unternehmen zu einer Preiserhöhung nach der Fusion die dargelegten Effizienzvorteile überkompensiere; auch wäre nicht hinreichend sichergestellt, dass die Verbraucher von den Vorteilen profitierten.257 Und in der Sache „Danish Crown / Vestjyske Slagterier“ machte die Kommission schließlich deutlich, dass eine Effizienzbewertung jedenfalls dann ausgeschlossen sei, wenn der Zusammenschluss eine beherrschende Stellung auf dem relevanten Markt begründete oder verstärkte.258 Der vorgeschlagenen Komm. vom 28. 4. 1992, ABl.EG 1992 Nr. L 204, S. 1 „Accor / Wagons-Lits“. Komm. vom 28. 4. 1992, ABl.EG 1992 Nr. L 204, S. 1 „Accor / Wagons-Lits“ Rdnr. 26 unter 2. f.). 255 Komm. vom 9. 11. 1994, ABl.EG 1994 Nr. L 364, S. 1 „MSG / Media Service“ Rdnr. 100. Dazu Ebenroth / Lange, EWS 1995, 1, 7 f. 256 Komm. vom 19. 7. 1995, ABl.EG 1996 Nr. L 53, S. 20 „Nordic Satellite Distribution“ Rdnrn. 145 ff.; Komm. vom 27. 5. 1998, ABl.EG 1999 Nr. L 53, S. 1 „Bertelsmann / Kirch / Premiere“ Rdnr. 122. 257 Komm. vom 4. 12. 1996, ABl.EG 1997 Nr. L 247, S. 1 „Saint-Gobain / Wacker-Chemie / NOM“ Rdnrn. 244 – 246. 258 Komm. vom 9. 3. 1999, ABl.EG 2000 Nr. L 20, S. 1 „Danish Crown / Vestjyske Slagterier“ Rdnr. 198. 253 254
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
Zweistufigkeit des Untersagungskriteriums erteilte sie damit eine ausdrückliche Absage. Die Untersagungsentscheidung im Fall „General Electric / Honeywell“259 führte dagegen einmal mehr vor Augen, dass die Position der Kommission gegenüber Effizienzvorteilen in der Fusionskontrolle nicht eindeutig festgelegt war, zumindest aber als widersprüchlich interpretiert werden konnte. Abweichend von den US-amerikanischen Antitrustbehörden gelangte die Kommission auch deswegen zu einer Untersagungsentscheidung, da sie die Möglichkeit der neuen Einheit, nach dem Zusammenschluss Bündelangebote zu günstigeren Konditionen anbieten zu können, als problematisch bewertete. Folge einer solchen Gedankenführung ist schließlich, dass Fusionen, die zu Effizienzgewinnen führen, dann Bedenken aufwerfen, wenn die neue Unternehmenseinheit letztlich zu effizient für seine – evtl. sehr viel trägeren – Konkurrenten wird.260 Wiederum anders, wenngleich keineswegs ausdrücklich, ist die Kommission mit Effizienzvorteilen in der jüngeren Entscheidung „Air France / KLM“ verfahren, die letztendlich aufgrund zahlreicher Zusagen seitens der Unternehmen von ihr genehmigt werden konnte.261 Geht die Entscheidung selbst auf Effizienzvorteile nicht ausdrücklich ein, führt die am gleichen Tag von der Kommission veröffentlichte Presseerklärung aus, dass die Verbraucher durch den Zusammenschluss größere Auswahlmöglichkeiten bei Zielorten und Flügen bekämen, ohne hierfür höhere Preise zahlen zu müssen, und dass ihnen durch die Zusammenlegung der Unternehmen und ihrer Netze letztlich Vorteile aufgrund von Kosteneinsparungen und verbesserter Leistungen erwüchsen.262 Die Kommissionsentscheidung vom 11. 2. 2004 ist bereits vor dem Hintergrund des sich im Gange befindlichen und in der Folge näher darzulegenden Reformprozesses der europäischen Fusionskontrolle zu sehen.263 Insbesondere im Anschluss an die massive Kritik an der „General Electric / Honeywell“-Entscheidung vermag sie insoweit als Beleg für die Aussage des damaligen Wettbewerbskommissars Monti genommen werden, nach der auch die europäische Kommission Effizienzvorteile jedenfalls nicht zu Lasten der Unternehmen berücksichtigt. Eine schlüssige Darstellung der Art und Weise einer Effizienzberücksichtigung fehlt allerdings auch in dieser Entscheidung. Die angeführten Entscheidungen sind ein Beleg dafür, dass die Kommission mit Effizienzvorteilen in der Fusionskontrolle insgesamt eher restriktiv verfahren ist. 259 Komm. vom 3. 7. 2001, ABl.EU 2004 Nr. L 48, S. 1 „General Electric / Honeywell“ Rdnrn. 350 ff. 260 Zur Entscheidung „General Electric / Honeywell“ auch unter III. 1. b) aa). 261 Komm. vom 11. 2. 2004, Comp / M.3280 „Air France / KLM“. Dazu Weitbrecht, E.C.L.R. 2005, 67, 71. 262 Presseerklärung der Kommission IP / 04 / 194 vom 11. 2. 2004, zu finden unter www. europa.eu.int / comm / competition / press_releases / . 263 Sogleich III.
II. Die europäische Fusionskontrollverordnung Nr. 4064 / 89
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Jedenfalls fand die normative Anbindung ihrer diesbezüglichen Aussagen aber über die Fortschrittsklausel in Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO a. F. statt. Entscheidende Hindernisse für eine offenere Handhabung von Effizienzgewinnen wurden von der Kommission regelmäßig in dem Wettbewerbsvorbehalt des Art. 2 Abs. 1 lit. b) bzw. der Marktbeherrschung gesehen, so etwa in der Entscheidung „Danish Crown / Vestjyske Slagterier“. Eine etablierte und systematisierte Effizienzeinrede oder efficiency defence war auf Grundlage der Kommissionspraxis unter der VO Nr. 4064 / 89 daher nicht auszumachen; eine einzelfallbezogene Abwägung von Wettbewerbsnachteilen mit generierten Vorteilen fand nicht statt.264 Die Kommission selbst bestätigte diese Haltung in einer Stellungnahme von 1996, wonach „there [is] no real legal possibility of justifying an efficiency defence under the Merger Regulation. Efficiencies are assumed for all mergers up to the limit of dominance – the „concentration privilege“.265 Dennoch wurde im Schrifttum darauf verwiesen, dass Effizienzüberlegungen ohne ausdrückliche Benennung in Einzelfällen zu Freigabeentscheidungen geführt hätten und es fand sich die Auffassung, welche anhand vereinzelter Kommissionsentscheidungen266 die Existenz einer „impliziten Effizienzeinrede“ herleiten wollte.267 Indes mangelte es den dafür vorgebrachten Entscheidungen bereits an einer einheitlichen systematischen Einordnung wirtschaftlicher Vorteile: Teilweise wurden Kostenüberlegungen im Rahmen der räumlichen Marktabgrenzung angeführt,268 Synergieeffekte in begrenztem Umfang für strukturelle Verbesserungen verantwortlich gemacht269 oder die Marktstellung der beteiligten Unternehmen vorrangig in dynamischer Hinsicht interpretiert.270 Andererseits wurde erneut deutlich, dass die Kommission Fusionen nicht schon aufgrund, sondern vielmehr gerade trotz der Entstehung von Synergieeffekten freigegeben hat, nachdem die Denzel, Materielle Fusionskontrolle in Europa und den USA, S. 292 m. w. N. Competition Policy and Efficiency claims in horizontal agreements, OECD / GD (96) 65, S. 53. 266 Komm. vom 14. 2. 1995, ABl.EG 1995 Nr. L 211, S. 1 „Mercedes-Benz / Kässbohrer“ Rdnr. 66; Komm. vom 18. 10. 1995, ABl.EG 1997 Nr. L 11, S. 1 „ABB / Daimler-Benz“ Rdnrn. 63 ff., 112 ff.; Komm. vom 31. 1. 1994, ABl.EG 1994, Nr. L 102, S. 15 „Mannesmann / Valourec / Ilva“ Rdnrn. 39 f., 62 ff.; Komm. vom 11. 2. 1998, ABl.EG 1998 Nr. L 211, S. 22 „Agfa-Gevaert / DuPont“ Rdnrn. 61, 110, 120, wo die Kommission die Fusion trotz der Entstehung von Größenvorteilen aufgrund erheblicher Zusagen freigegeben hat. Weitere Nachweise bei Camesasca, Getting the Efficiencies Right, Rdnrn. 421 ff. 267 Camesasca, E.C.L.R. 1999, 14, 25 ff.; ders., Getting the Efficiencies Right, Rdnrn. 420 ff.; ähnlich zuvor bereits Neven / Nuttall / Seabright, Merger in Daylight, S. 240. 268 Komm. vom 8. 6. 1994, ABl.EG 1994, Nr. L 332, S. 48 „Shell / Montecatini“ Rdnrn. 45 ff. 269 Komm. vom 18. 10. 1995, ABl.EG 1997 Nr. L 11, S. 1 „ABB / Daimler-Benz“ Rdnr. 112. 270 Komm. vom 1. 10. 1993, ABl.EG 1993, Nr. C 273, S. 6 „American Cyanamid / Shell“ Rdnr. 33: „Moreover, an analysis focusing on market shares alone is not particularly probative in a dynamic and R&D-intensive industry such as this . . .“. 264 265
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
Zusammenschlussparteien sich etwa zu erheblichen Zugeständnissen bereit erklärt hatten.271 Mangels einer einheitlichen systematischen Verortung und eines ausreichend transparent gemachten Einflusses der Effizienzvorteile auf das gefundene Prüfungsergebnis können die angeführten Entscheidungen kaum als Beleg dafür herhalten, dass die Kommission wirtschaftlichen Effizienzvorteilen positiv gegenüberstand; die Annahme einer anerkannten „impliziten“ Effizienzeinrede entsprang insofern einer zu weitgehenden Interpretation.272 Festzuhalten bleibt, dass durch einen Zusammenschluss hervorgebrachte Effizienzgewinne in der Vergangenheit vor allem dadurch abgegolten wurden, dass mit dem maßgeblichen Untersagungskriterium – dem Begründen oder Verstärken einer beherrschenden Stellung, durch die wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde – für eine Untersagungsentscheidung eine hohe Hürde gesetzt und damit allen Fusionen, die unterhalb dieser Eingriffsschwelle lagen, aufgrund von pauschal unterstellten Effizienzgewinnen eine wettbewerbsfördernde oder jedenfalls wettbewerbsneutrale Wirkung zugestanden wurde. Darüber hinaus wurde eine Berücksichtigung von Effizienzgewinnen im Einzelfall derart zurückhaltend bzw. ambivalent gehandhabt, dass sich der Eindruck aufdrängen konnte, die Fortschrittsklausel in Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO a. F. liefe im Wesentlichen leer273 oder würde seitens der Kommission gar zu Lasten der Unternehmen verwendet.274
271 Komm. vom 14. 2. 1995, ABl.EG 1995 Nr. L 211, S. 1 „Mercedes-Benz / Kässbohrer“ Rdnr. 66; Komm. vom 11. 2. 1998, ABl.EG 1998 Nr. L 211, S. 22 „Agfa-Gevaert / DuPont“ Rdnrn. 61, 110, 120. Auch in der Entscheidung Komm. vom 24. 4. 1996, ABl.EG 1997 Nr. L 11, S. 30 „Gencor / Lonrho“ Rdnr. 214, schloß die Kommission – bestätigt durch EuG vom 25. 3. 1999, Rs. T-102 / 96, Slg. 1999 II-753 ff. „Gencor / Kommission“ – u. a. aufgrund der festgestellten Synergieeffekte auf die Verstärkung der Marktstellung der beteiligten Unternehmen. 272 Vgl. Denzel, Materielle Fusionskontrolle in Europa und den USA, S. 292. Auch Camesasca erkennt die fehlende Transparenz als Problem an und fordert insoweit eine klarstellende Mitteilung der Kommission, ders., E.C.L.R. 1999, 14, 27 f. 273 Kinne, Effizienzvorteile in der Zusammenschlusskontrolle, S. 130; Denzel, Materielle Fusionskontrolle in Europa und den USA, S. 291. 274 Whish, Competition Law, S. 845; Noël, E.C.L.R. 1997, 498, 514. Diese Sichtweise wurde insbesondere im Zusammenhang mit der Entscheidung „General Electric / Honeywell“ bekräftigt, vgl. Pflanz / Caffarra, E.C.L.R. 2002, 115, 117; Colley, E.C.L.R. 2004, 342, 343; ferner Evans / Padilla, World Competition 2003, 167, 191.
III. Die europäische Fusionskontrollverordnung Nr. 139 / 2004
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III. Die Berücksichtigung von Effizienzvorteilen im Rahmen der europäischen Fusionskontrollverordnung Nr. 139 / 2004 1. Modernisierung des europäischen Zusammenschlussrechts Mit Geltung zum 1. 5. 2004 wurde die Verordnung Nr. 4064 / 89 durch die Fusionskontrollverordnung Nr. 139 / 2004 EG abgelöst.275 Ziel dieser Neuregelung war es, die mit der Überarbeitung von Art. 81 EG bereits begonnene Modernisierung des europäischen Kartellrechts auch auf den Bereich der Fusionskontrolle zu erstrecken und insbesondere eine neueren ökonomischen Kenntnissen vermehrt Rechnung tragende Anwendung des Zusammenschlussrechts zu fördern. Des Weiteren sollten die in jahrelanger Praxis gesammelten Erfahrungen im Umgang mit Fusionen in den Verordnungstext eingearbeitet und zugleich sichergestellt werden, dass auch im Kreis der um zehn Mitgliedstaaten erweiterten Europäischen Union eine wirksame und effektive Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen und folglich wirksamer Wettbewerb gewährleistet ist.276 Ausgangspunkt der Reform war die Veröffentlichung eines Grünbuchs der Kommission über die Revision der Verordnung (EWG) Nr. 4064 / 89 des Rates im Jahre 2001.277 Da die Erfahrungen mit der Verordnung Nr. 4064 / 89 im Allgemeinen als positiv bewertet wurden,278 waren weitreichende Änderungen der bisherigen Regelung von Anfang an nicht geplant.279 Vergleicht man die neue Fusionskontrollverordnung mit der Vorgängerverordnung Nr. 4064 / 89, so wird daher auch schnell ersichtlich, dass eine grundlegende inhaltliche Neuausrichtung des europäischen Fusionskontrollrechts unterblieben ist. Die Neufassung, die nach der Veröffentlichung des Grünbuchs Ende 2001 zudem unter dem Einfluss von drei im Jahre 2002 durch das europäische Gericht Erster Instanz aufgehobenen Untersagungsentscheidungen der Kommission zustande kam,280 brachte dennoch Änderungen mit sich, welche sowohl Zuständig275 VO (EG) Nr. 139 / 2004 des Rates vom 20. 1. 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl.EG 2004 Nr. L 24, S. 1. 276 Vgl. Kommission, Grünbuch über die Revision der Verordnung (EWG) Nr. 4064 / 89 des Rates, S. 4, abrufbar unter http: // europa.eu.int / eur-lex / lex / LexUriServ / site / de / com / 2001 / com2001_0745de01.pdf. Ausführlich dazu Arhold, EWS 2002, 449 ff. 277 Vgl. Fn. 276. 278 Exemplarisch dazu 32nd Report of the House of Lords Select Committee on the European Union, Rdnr. 21: „The Merger Regulation has become one of the cornerstones of EC competition law and many witnesses (from business to regulators) have spoken to us about how highly they regard the Regulation and what a success its operation has been.“ 279 Böge, WuW 2004, 138. 280 Es handelt sich dabei um EuG vom 6. 6. 2002, Rs. T-342 / 99, Slg. 2002 II-2585 „Airtours / Kommission“ (rechtskräftig); EuG vom 22. 10. 2002, Rs. T-310 / 01, Slg. 2002 II-4071 „Schneider Electric SA / Kommission“ (rechtskräftig) sowie EuG vom 25. 10. 2002, Rs. T-5 / 02, Slg. 2002 II-4389 „Tetra Laval / Kommission“ (im Wesentlichen bestätigt durch EuGH vom 15. 2. 2005, Rs. C-12 / 03, Slg. 2005 I-987 „Kommission / Tetra Laval“).
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
keitsregelungen als auch verfahrensrechtliche und materiellrechtliche Aspekte betreffen.281 Für die hier verfolgte Fragestellung ist vor allem die letztgenannte Änderung von Bedeutung, die Neufassung des materiellen Kriteriums für die Untersagung einer Fusion. Bevor jedoch auf diesen Gesichtspunkt und auf die eng verbundene Fragestellung nach der Behandlung von Effizienzvorteilen unter der Verordnung Nr. 139 / 2004 näher einzugehen ist, soll zunächst auf zwei allgemeine – ebenfalls eng miteinander verknüpfte – Tendenzen hingewiesen werden, die bei der Überarbeitung der europäischen Fusionskontrolle auffällig zu Tage getreten sind: Dabei handelt es sich einerseits um den vermehrten Einfluss neuerer ökonomischer Ansätze auf das Zusammenschlussrecht [a)] und andererseits um die zu beobachtende Annäherung des europäischen an das US-amerikanische Fusionskontrollrecht [b)].282
a) Die verstärkte Ökonomisierung der europäischen Fusionskontrolle aa) Gründe für die verstärkte Ökonomisierung der europäischen Fusionskontrolle Zu den vorrangigen Zielen seiner Amtszeit (1999 – 2004) hatte es der damalige Wettbewerbskommissar Monti gezählt, die europäische Wettbewerbspolitik auf eine breitere ökonomische Grundlage zu stellen und dabei verstärkt an den Interessen der Verbraucher auszurichten.283 Als zusätzlich treibende Kraft hinter diesem Vorhaben kann die bereits genannte Rechtsprechung des europäischen Gerichts Erster Instanz aus dem Jahr 2002 angesehen werden. So lag einer der Schwerpunkte der durch die drei EuG-Urteile284 zum Ausdruck gekommenen Kritik an der Untersagungspraxis der Kommission insbesondere auf dem Vorwurf einer mangelhaften und teilweise widersprüchlichen ökonomischen Argumentation.285 Nicht zu281 Überblicksweise zur Entstehungsgeschichte und den Änderungen durch die Neufassung siehe González-Díaz, World Competition 2004, 177 ff.; Böge, WuW 2004, 138 ff.; Staebe / Denzel, EWS 2004, 194 ff.; Berg, BB 2004, 561 ff.; Grave / Seeliger, Der Konzern 2004, 646 ff. 282 Vgl. auch die Überschrift eines Berichts zur neuen Wettbewerbspolitik in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Nr. 51 vom 1. 3. 2004, S. 13: „Amerikanisch beeinflußt, ökonomisch betrachtet und am Verbraucher orientiert“ sowie Röller, Zukunftsperspektiven der Wettbewerbspolitik, S. 37, 39 ff. 283 Vgl. Rede vom 24. 10. 2003 „EU competition policy after may 2004“ sowie vom 22. 10. 2004 „Competition for Consumers’ Benefit“. 284 Fn. 280. 285 EuG vom 6. 6. 2002, Rs. T-342 / 99, Slg. 2002 II-2585 „Airtours / Kommission“ Rdnrn. 138 f., 145, 147; EuG vom 25. 10. 2002, Rs. T-5 / 02, Slg. 2002 II-4389 „Tetra Laval / Kommission“ Rdnr. 155. Deutlich auch EuG vom 22. 10. 2002, Rs. T-310 / 01, Slg. 2002 II-4071 „Schneider Electric SA / Kommission“ Rdnr. 404: „Die Fehler, Unterlassungen und Widersprüche, die vorstehend in der Analyse der Auswirkungen des Zusammenschlusses durch die Kommission festgestellt worden sind, sind erheblich.“
III. Die europäische Fusionskontrollverordnung Nr. 139 / 2004
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letzt durch diese aufsehenerregenden Niederlagen der Kommission wurde die Berücksichtigung neuerer ökonomischer Erkenntnisse im Bereich der Fusionskontrolle unter dem Schlagwort „more economic approach“ in die Reformdiskussion einbezogen.286 Das Gericht Erster Instanz stellte ausführlich dar, dass es nicht länger gewillt ist, die ökonomischen Prognosebeurteilungen der Kommission – im Falle von „Airtours“ hinsichtlich der kollektiven Marktbeherrschung auf einem oligopolistischen Markt, im Falle von „Tetra Laval“ hinsichtlich der Auswirkungen eines konglomeraten Zusammenschlusses – ohne nähere Nachprüfung zu bestätigen.287 Die begleitend zur geänderten Zusammenschlussverordnung Nr. 139 / 2004 veröffentlichten Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse288 führten daher auch folgerichtig zu einer detaillierten Umsetzung der in der „Airtours“-Entscheidung gemachten Vorgaben für den Nachweis koordinierter Wirkungen einer kollektiven Marktbeherrschung. Darüber hinaus bot die Neufassung der Fusionskontrolle im Zusammenhang mit der „Airtours“-Entscheidung auch Gelegenheit, die seit geraumer Zeit diskutierte Frage nach einer – vor allem von ökonomischer Seite289 – behaupteten Schutzlücke des bisher angewandten Marktbeherrschungstests in Art. 2 Abs. 3 FKVO a. F. einer eindeutigen Lösung zuzuführen.290 Dahinter verbarg sich die Kontroverse, ob der bisherige Marktbeherrschungstest, dem ein ökonomisches Fundament vielfach abgesprochen wurde,291 auch solche Formen von Marktmacht erfassen kann, bei denen es an einer näheren Koordination der Marktteilnehmer – wie im Falle „koordinierter Effekte“ – fehlt und daher gerade keine kollektive Marktbeherrschung im Sinne der „Airtours“-Rechtsprechung gegeben ist. Da es nach der ökonomischen 286 Zur Diskussion Levy, World Competition 2003, 195, 211 ff.; Christiansen, WuW 2005, 285 ff.; Böge, WuW 2004, 726 ff.; Nitsche / Thielert, WuW 2004, 250 ff.; Schmidtchen, in: Oberender, Effizienz und Wettbewerb, S. 9, 10 ff. Aufschlussreich zum „more economic approach“ ist auch das Diskussionspapier des Bundeskartellamtes „Wettbewerbsschutz und Verbraucherinteressen im Lichte neuerer ökonomischer Methoden“ vom 27. 10. 2004, S. 4 ff., sowie umfangreich Schwalbe / Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie. 287 Zur „Airtours“-Entscheidung siehe Schohe, WuW 2002, 841, 844; zur Entscheidung „Tetra Laval“ und seiner weitgehenden Bestätigung durch den EuGH vom 15. 2. 2005, Rs. C-12 / 03, Slg. 2005 I-987 „Kommission / Tetra Laval“ Denzel, BB 2005, 1062 ff. 288 Bekanntmachung der Kommission vom 5. 2. 2004: Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl.EU 2004 Nr. C 31, S. 5, Rdnrn. 39 ff. In der Folge als Horizontalleitlinien bezeichnet. 289 Motta, E.C.L.R. 2000, 199, 202; Korah, E.C.L.R. 1999, 337; Bishop / Ridyard, ELCR 2003, 357, 359 ff. Vgl. auch die Stellungnahme ökonomischer Akademiker zum Grünbuch, die abgerufen werden kann unter www.europa.eu.int / comm / competition / mergers / review / comments.html. 290 Zu diesem Streit Böge / Müller, E.C.L.R. 2002, 495 ff.; Böge, WuW 2002, 825; Selvam, E.C.L.R. 2004, 52 ff.; Völcker, E.C.L.R. 2004, 395 ff.; Burgstaller, WuW 2003, 726 ff. 291 Azevedo / Walker, E.C.L.R. 2003, 640 ff.; Motta, Competition Policy, S. 41.
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
Theorie für derartige nicht koordinierte bzw. unilaterale Effekte nicht notwendig auf hohe Marktanteile der Fusionsparteien ankommt, sondern überdies Gesichtspunkte der Marktkonzentration und der Substitutionselastizität der Produkte der Zusammenschlussparteien eine wesentliche Rolle spielen,292 wurde die Eignung eines vorrangig auf die Überwachung der Marktstruktur gerichteten und schon begrifflich auf eine Art Marktführerschaft („beherrschen“) hinweisenden Beherrschungstests für die Erfassung derartig ausgestalteter ökonomischer Marktmacht in Frage gestellt.293 Insoweit hat das neue Untersagungskriterium, welches primär auf die erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs abstellt und folglich stärker auf die Auswirkungen eines Zusammenschlusses gerichtet ist, gemeinsam mit Erwägungsgrund Nr. 25 und den erläuternden Kommissionsleitlinien für horizontale Zusammenschlüsse zu einer Klarstellung geführt und die bestehende oder vermeintliche Schutzlücke des alten Marktbeherrschungstests geschlossen.294 Der von der Kommission gewählte Weg, neueren ökonomischen Konzepten Einfluss auf das Wettbewerbsrecht zu gewähren, wurde – insbesondere im deutschen Schrifttum – teilweise heftig kritisiert. Soweit der Kommissionsansatz auch mit der Erhöhung von Transparenz und damit von Rechtssicherheit für die beteiligten Unternehmen begründet wurde,295 fand sich eine Vielzahl von Stimmen, die gerade im Hinblick auf die Rechtssicherheit einen substanziellen Verlust bemängelten.296 Aus ökonomischer Perspektive wurde vorgebracht, dass im Rahmen einer wirklich konsequenten ökonomischen Analyse auch diejenigen wohlfahrtsmindernden – und damit gleichfalls ökonomisch relevanten – Unsicherheiten bedacht werden müssten, die allein dadurch entstehen, dass nach zehnjähriger erfolgreicher Praxis ein hinreichend bekanntes, materiellrechtliches Untersagungskriterium abgeändert wird: Dem höheren Maß an Flexibilität durch die Einführung des SIEC-Tests297 Vgl. bereits oben, I. 1. a) aa). Röller / Strohm, in: MüKo-WbR I, Rdnrn. 1561 ff. Statt aller vgl. die Stellungnahme ökonomischer Akademiker zum Grünbuch, die darauf verweisen, dass der Begriff der Marktbeherrschung in der Regel mit Marktanteilen von 35 – 40% verbunden ist, vgl. Fn. 289. 294 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnrn. 24 ff.; vgl. Schwalbe, Ökonomisierung der Fusionskontrolle, S. 19 f. 295 Kommission, Pressemitteilung 02 / 1856 vom 11. 12. 2002 (zum ersten Entwurf der neuen Leitlinien), wo es heißt: „Auf diese Weise [durch die Veröffentlichung eines Mitteilungsentwurfs über die Beurteilung von Konkurrenzunternehmen] wird die Analyse von Fusionsfällen nachvollziehbar und berechenbar gemacht, was allen Beteiligten mehr Rechtssicherheit garantiert“. Siehe auch die Rede „EU competition policy after may 2004“ von Kommissar Monti vom 24. 10. 2003. 296 Möschel, in: Festschrift für Tilmann, 705, 708 ff.; I. Schmidt, WuW 2005, 877; Böge, WuW 2004, 138, 143 ff.; Drexl, GRUR Int. 2004, 716, 718 f. Siehe auch Mestmäcker, in: Zukunftsperspektiven der Wettbewerbspolitik, S. 19 ff. Es wird erwartet, dass die Ermessensspielräume der Kommission trotz der gestiegenen Nachweisanforderungen seitens der Rechtsprechung eher noch zunehmen, vgl. Mestmäcker, WuW 2004, 135; Christiansen, WuW 2005, 285, 290 m. w. N. 297 Die Abkürzung ergibt sich nach der englischen Fassung: „Significant impediment to effective competition“. 292 293
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stehe ein zunächst vermindertes Maß an Vorhersehbarkeit gegenüber, so dass ein derartiger Wechsel auch aus ökonomischer Perspektive nicht zwingend als sinnvoll erscheine.298 Die periodische Überprüfung und schrittweise Weiterentwicklung des seit jeher auf breiter ökonomischer Grundlage verankerten Wettbewerbsrechts und die Berücksichtigung der Fortschritte der ökonomischen Forschung sind jedoch insbesondere im Bereich des maßgeblich auf Prognosen beruhenden Fusionskontrollrechts zu befürworten. Gerade ökonomische Theorie und Modelle können zukünftige Auswirkungen von Zusammenschlüssen mitunter weniger spekulativ erscheinen lassen als eine rein abstrakt-juristische Betrachtung.299 Ohne die Berücksichtigung neuerer wirtschaftswissenschaftlicher Analysemethoden verzichtete das Wettbewerbsrecht auf eine mögliche und im Sinne eines effektiven Wettbewerbsschutzes auch gebotene Differenzierung bei der Erfassung realer Sachverhalte; die Folge wäre nicht nur ein erhöhtes Risiko überschießender Eingriffe, sondern auch die Gefahr einer abnehmenden allgemeinen Akzeptanz des Wettbewerbsrechts in Kreisen der betroffenen Unternehmen. Die Anzahl derer, die eine stärkere – und vor allem „modernere“ – ökonomische Fundierung des Wettbewerbsrechts anstreben, und zwar sowohl im Hinblick auf die Zielsetzung als auch auf die Analysemethoden, scheint daher – nicht zuletzt mit Blick auf die Angleichung an das US-amerikanische Kartellrecht – gerade im europäischen Kontext erheblich zu wachsen.300 Letztlich gehört es zu den Aufgaben jeder durchsetzungsfähigen und wirksamen Wettbewerbsordnung, die Entwicklung der ökonomischen Forschung zu berücksichtigen und vor diesem Hintergrund bestehende Regelungen kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls zu reformieren. bb) Merkmale der Ökonomisierung Besonders anschaulich zum Ausdruck kommt das Bestreben der Kommission nach mehr ökonomischem Sachverstand zunächst durch die Anstellung eines „Chief Competition Economist“ bei der Generaldirektion Wettbewerb, der durch ein Team ihm zugeordneter Industrieökonomen unterstützt wird. Diese organisatorische Maßnahme soll es der Kommission ermöglichen, die Berücksichtigung aktueller wirtschaftswissenschaftlicher Methoden in ihren Entscheidungen zu gewährleisten und in zunehmendem Maße eigene ökonometrische Studien zu erstellen, die zur Ermittlung voraussichtlicher Auswirkungen von Fusionen auf das jeweilige Preisniveau beitragen.301 Voigt / Schmidt, E.C.L.R. 2004, 584, 587 f. m. w. N. insbesondere in Fn. 17 und 18. Hutchings, E.C.L.R. 2004, 531. 300 Schmidtchen, in: Oberender, Effizienz und Wettbewerb, S. 9, 37 m. w. N. Siehe auch Nitsche / Thielert, WuW 2004, 250, 252 sowie Hildebrand, World Competition 2002, 3, 4 f. 301 Bereits vor der Einführung des Chefökonomen sammelte die Kommission Erfahrungen mit derartigen Methoden, vgl. insbesondere die Entscheidung der Komm. vom 2. 9. 2003, 298 299
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Neben dieser organisatorischen Veränderung ist in erster Linie das neuformulierte materielle Untersagungskriterium in Art. 2 Abs. 3 der VO Nr. 139 / 2004 Ausdruck der angestrebten erweiterten Ökonomisierung des europäischen Zusammenschlussrechts. An Stelle des bisher vorrangig strukturbezogenen Marktbeherrschungskriteriums tritt nunmehr als neues Untersagungsmerkmal die „erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs“, in Anlehnung an den englischen Wortlaut auch als SIEC-Test bezeichnet. 302 Das bis zum 31. 4. 2004 zentrale Marktbeherrschungskriterium tritt dahinter in den Rang eines Regelbeispiels zurück. Näher konkretisiert wird der SIEC-Test in den erstmals veröffentlichten Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse, denen sich gleich mehrere Hinweise für die Einführung neuerer ökonomischer Konzepte entnehmen lassen: Zum einen soll nunmehr der Herfindahl-Hirschman-Index (HHI) als ergänzendes Strukturmerkmal neben den auch weiterhin wichtigen Marktanteilen verwendet werden.303 Des Weiteren wird bezüglich der wettbewerbswidrigen Auswirkungen von horizontalen Zusammenschlüssen zwischen koordinierten und nicht koordinierten Effekte unterschieden304 – letztere nach dem Willen der Kommission durch den SIEC-Test nun ausdrücklich erfasst.305 Eine bedeutsame Anleihe am wettbewerbspolitischen Konzept der ChicagoSchule findet sich daneben in der ausdrücklich erwähnten Absicht, begründeten und wahrscheinlichen Effizienzvorteilen bei der Beurteilung von Zusammenschlüssen unter der neuen Verordnung vermehrt Rechnung zu tragen.306 Damit verbunden ist jedenfalls eine klare Absage der Kommission an eine oftmals vermutete efficiency offence, wonach Effizienzsteigerungen durch einen Zusammenschluss tendenziell eher zu Lasten der fusionierenden Unternehmen gewertet wurden.307 Dass die Kommission bezüglich der Effizienzberücksichtigung dennoch einen bloß halbherzigen Weg gegangen ist, wird bereits daran ersichtlich, dass sich in dem Verordnungstext selber, etwa bei der Neuformulierung des materiellrechtlichen ABl.EU 2004, Nr. L 109, S. 1 „GE / Instrumentarium“ Rdnr. 166, dazu ausführlich Hofer / Williams / Wu, WuW 2005, 155, 161 m. w. N. Zu weiteren Modellen Hildebrandt, WuW 2005, 513, 515 f.; Kokkoris, World Competition 2005, 327, 343 ff. 302 Vgl. Fn. 297. 303 Danach wird die Summe des Quadrats der jeweiligen Marktanteile aller am Markt sich befindlichen Unternehmen als aussagekräftiger Hinweis auf den Konzentrationsgrad dieses Marktes herangezogen; vgl. dazu die Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnrn. 14, 16, 19 ff. 304 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnrn. 22 ff. 305 Dies folgt bereits aus Erwägungsgrund Nr. 25 a. E. der Verordnung Nr. 139 / 2004: „Für die Anwendung der Bestimmungen des Artikels 2 Absätze 2 und 3 wird beabsichtigt, den Begriff „erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs“ dahin gehend auszulegen, dass er sich ausschließlich auf diejenigen wettbewerbsschädigenden Auswirkungen eines Zusammenschlusses erstreckt, die sich aus nicht koordiniertem Verhalten von Unternehmen ergeben, die auf dem jeweiligen Markt keine beherrschende Stellung haben würden.“ 306 Erwägungsgrund Nr. 29 der Verordnung Nr. 139 / 2004. 307 Derartigen Vorwürfen (vgl. Fn. 274) war Wettbewerbskommissar Monti freilich stets entgegen getreten, etwa in seiner Rede vom 4. 6. 2002 „Roadmap for the reform project“.
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Untersagungskriteriums, keinerlei explizite Hinweise auf ihre neupropagierte Politik ausmachen lassen. Neben dem zur Auslegung bedeutsamen Erwägungsgrund Nr. 29 sind es auch hier die bereits erwähnten Leitlinien, die jedenfalls für den Bereich horizontaler Fusionen weitere Einzelheiten über die Berücksichtigungsfähigkeit von Effizienzvorteile benennen.308
b) Die Annäherung an das US-amerikanische Fusionskontrollrecht Zum Zeitpunkt der Einführung des europäischen Kartellrechts im Jahr 1958 standen sich auf beiden Seiten des Atlantiks unterschiedliche Wettbewerbsphilosophien und Zielvorstellungen gegenüber. Die erweiterte Ökonomisierung im Rahmen der Fusionskontrollverordnung Nr. 139 / 2004 verdeutlicht in vielerlei Hinsicht die auffällige Annäherung des europäischen Zusammenschlussrechts an das US-amerikanische Antitrust-Recht.309 Insbesondere die Neuformulierung des materiellrechtlichen Untersagungstests sowie die nunmehr verstärkt beabsichtigte Berücksichtigung von wirtschaftlichen Effizienzvorteilen im europäischen Recht deuten auf eine Konvergenz mit der traditionell effizienzfreundlichen Wettbewerbspolitik der USA hin, die nicht zuletzt vor dem Hintergrund unterschiedlicher Ergebnisse in der jüngeren Vergangenheit an praktischer Bedeutung gewinnt. Dennoch sollten keine überzogenen Erwartungen an einen zukünftigen Gleichlauf gehegt werden. Die Vielschichtigkeit der vom EG-Vertrag vorgegebenen Ziele und die Möglichkeit abweichender Sachverhaltsbewertung im Einzelfall lassen zweifelhaft erscheinen, dass es in Zukunft trotz der teilweisen Annäherung stets auch zu identischen Ergebnissen kommt.310 aa) Die Zusammenschlussvorhaben „Boeing / McDonnell Douglas“ und „General Electric / Honeywell“ als transatlantische Streitfälle Seit Bestehen einer europäischen Fusionskontrolle haben die amerikanischen Antitrust-Behörden311 und die europäische Kommission eng miteinander kooperiert.312 Dass dennoch – im Jahre 1997 mit der Bewertung der Fusion „Boeing / McDonnell Douglas“ und im Jahre 2001 mit jener des Zusammenschlussvorhabens „General Electric / Honeywell“ – auf beiden Seiten des Atlantiks inhaltlich voneinander abweichende Entscheidungen ergangen sind, kann angesichts der anHorizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnrn. 76 ff. Eine umfassende Darstellung dieser Thematik findet sich bei Denzel, Materielle Fusionskontrolle in Europa und den USA, S. 56 – 68. Aus amerikanischer Sicht vgl. Fox, World Competition 2003, 149 ff. 310 Zu den Risiken einer weit reichenden Harmonisierung auch Möschel, WuW 2005, 479. 311 Federal Trade Commission (FTC) und Department of Justice (DoJ). 312 Siehe Reynolds / Burnley, in: Hawk, International Antitrust Law & Policy, 2004, S. 397, 448; Wiedemann, in: Wiedemann, Hdb.KartR, § 6 Rdnrn. 20 f. 308 309
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sonsten weitgehend konfliktfreien Zusammenarbeit als Ausnahme von der Regel eingeordnet werden. Im erstgenannten Fall hatte die FTC das Vorhaben – und zwar nicht zuletzt aus industriepolitischen Gründen313 – als unproblematisch eingestuft, während es von der Kommission trotz schwerster Bedenken erst aufgrund in letzter Minute unterbreiteter Zusagen genehmigt werden konnte.314 Ungleich folgenreicher waren die divergierenden Einschätzungen und unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe dagegen im Fall „General Electric / Honeywell“.315 Hierbei handelte es sich um das zum damaligen Zeitpunkt weltweit größte Zusammenschlussvorhaben, welches Produktmärkte im Bereich der Luftund Raumfahrt sowie Antriebssysteme betraf und zu horizontalen, vertikalen und konglomeraten Verflechtungen führte. Ausgangspunkt der transatlantischen Auseinandersetzung war vor allem die unterschiedliche Bewertung angeblicher Sortiments- und Marktabschottungseffekte, welche sich insbesondere nach Ansicht der Kommission aus der Möglichkeit der Zusammenschlussparteien zur Produktbündelung („mixed bundling“) ergaben; demnach konnten Produkte sowohl einzeln als auch im Paket mit signifikanten Preisnachlässen angeboten werden.316 Die Kommission sah hierin die Gefahr, dass die Wettbewerber der fusionierten Einheit ebenfalls zu Preisnachlässen gezwungen würden, zu denen sie möglicherweise aber nicht in der Lage wären und folglich immer stärker vom Wettbewerb ausgeschlossen würden.317 Zusammenfassend führte sie aus: „Eine derartige Integration würde das fusionierte Unternehmen in die Lage versetzen, die Marktmacht der einzelnen Unternehmen zum Vorteil der Produkte des jeweils anderen einzusetzen. Dies würde zu einem Ausschluss der Konkurrenten führen, Wettbewerb auf diesen Märkten verhindern und sich letztendlich nachteilig auf Produktqualität, Service und Preise auswirken.“318 Diese Begründung wurde in den USA hart kritisiert. Der Kommission wurde vorgeworfen, träge Mitkonkurrenten vor Wettbewerbsdruck zu schützen anstatt ihnen in mittelfristiger Perspektive gleichwertige Effizienzsteigerungen zuzutrauen.319 In einer Presseerklärung betonte Charles James vom DoJ, die Freigabeentscheidung der amerikanischen Behörden beruhe auf dem Schluss, dass die neue Einheit bessere Produkte und Dienstleistungen zu günstigeren Preisen anKritisch Bishop, E.C.L.R. 1997, 417 ff. Komm. vom 30. 7. 1997, ABl.EG 1997 Nr. L 336, S. 16 „Boeing / McDonnell Douglas“. Dazu Hirsbrunner, EuZW 1999, 389, 390 und Budzinski / Kerber, Megafusionen, S. 93 ff. Für den Fall einer Nichtgenehmigung des Vorhabens hatten die USA einen transatlantischen Handelskrieg angedroht. 315 Entscheidung der Komm. vom 3. 7. 2001, ABl.EU 2004 Nr. L 48, S. 1 „General Electric / Honeywell“; im Ergebnis, wenngleich nur teilweise auch in der Begründung bestätigt durch EuG vom 14. 12. 2005, T-209 / 01, Slg. 2005 II-5527 „Honeywell / Kommission“. 316 Ausführlich zu den ökonomischen Aspekten Pflanz / Caffarra, E.C.L.R. 2002, 115. 317 A. a. O. (Fn. 315), Rdnrn. 412 und 416. 318 Presseerklärung der Kommission IP / 01 / 939 vom 9. 7. 2001 (vgl. Fn. 262). 319 Hirsbrunner, EuZW 2001, 453, 454. 313 314
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bieten könne als eines der Unternehmen für sich allein. Nach Ansicht seiner Behörde sei dies „the essence of competition“. Dagegen habe die Kommission vorrangig die Nachteile für die übrigen Marktteilnehmer im Blick, die durch ein stärker diversifiziertes und kompetitives Unternehmen entstünden.320 Die unterschiedliche Bewertung des Fusionsvorhabens verdeutlichte indes vor allem, dass sich die Kommission, insofern anders als die US-Behörden, zumindest nicht ausschließlich auf die Steigerung der Verbraucherwohlfahrt – in Form von besseren und günstigeren Produkten – konzentrierte und Effizienzgewinne nach ihrer Auffassung im konkreten Fall strukturell erachtete Wettbewerbsverschlechterungen nicht auszugleichen vermochten. Auf der andere Seite wurde in der besagten Entscheidung aber erkennbar, dass ungeachtet aller unterschiedlichen wettbewerbspolitischen Leitbilder nicht zuletzt eine abweichende Beurteilung der tatsächlichen Umstände zu dem Konflikt geführt hatte: So wurde die Wahrscheinlichkeit der befürchteten Abschottungs- und Ausschließungseffekte von den US-Behörden zwar ebenfalls gesehen, aber offensichtlich wesentlich geringer eingeschätzt als von der Kommission.321 Die letztgenannte Entscheidung forcierte die Überlegungen, im Rahmen der europäischen Modernisierungsdiskussion eine weitergehende Konvergenz mit dem US-amerikanischen Zusammenschlussrecht anzustreben; sie veranschaulichte jedenfalls, dass die Behandlung von Effizienzgewinnen im europäischen Fusionskontrollrecht noch ausbaufähig war. bb) US-amerikanische Wettbewerbspolitik Während sich der ökonomische Einfluss im europäischen Recht erst allmählich verstärkte, kann die Verzahnung von Ökonomie und Recht im Bereich des Wettbewerbsschutzes in den USA auf eine lange Tradition zurückblicken. In den 50er und 60er Jahren standen dabei zunächst die vorrangig strukturorientierten Ansätze der Harvard-Schule im Vordergrund der Behördenpraxis und Rechtsprechung. Trotz der ausdrücklichen Feststellung, dass der Clayton Act den Wettbewerb und nicht etwa die Wettbewerber schütze, kam der Supreme Court in seiner berühmten Brown Shoe-Entscheidung von 1962 zu dem Ergebnis, dass nach dem Willen des 320 Department of Justice, Presseerklärung vom 3. 7. 2001, zuletzt abgerufen unter www. usdoj.gov / atr / public / press_releases / 2001 / 8510.htm. 321 Burnside, E.C.L.R. 2001, 107, 109. Eine vergleichbare Problematik, wenngleich zwischen Kommission und EuG, ergab sich im ebenfalls konglomeraten Fusionsvorhaben Tetra Laval / Sidel: Das Gericht Erster Instanz bemängelte in seinem Urteil, dass die Kommission die Wahrscheinlichkeit zukünftigen wettbewerbswidrigen Verhaltens der fusionierten Einheit nicht ausreichend untersucht habe, EuG vom 25. 10. 2002, Rs. T-5 / 02, Slg. 2002 II-4389 Rdnr. 159 „Tetra Laval / Kommission“. Der EuGH wiederum hat dem EuG-Urteil gerade in diesem Aspekt teilweise widersprochen und die strengen Maßstäbe des EuG als zu weitgehend befunden, EuGH vom 15. 2. 2005, Rs. C-12 / 03, Slg. 2005 I-987 „Kommission / Tetra Laval“ Rdnrn. 74, 78.
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Kongresses höhere Kosten und Preise zugunsten des Schutzes von dezentralisierten, kleinen und lebensfähigen Unternehmen in Kauf zu nehmen waren.322 Mehr Wettbewerber wurden mit mehr Wettbewerb gleichgesetzt. Spätestens Anfang der 80er Jahre gewannen unter der wirtschaftsfreundlichen Politik von US-Präsident Reagan die Lehren der Chicago-Schule erheblich an Einfluss, welche das Antitrust-Recht vorrangig in den Dienst der Wohlfahrtsmaximierung – und zwar im Sinne einer weit verstandenen Verbraucherwohlfahrt323 – stellten: „It is efficiency, not competition, that is the ultimate goal of the antitrust laws.“324 Anschaulicher Ausdruck dieser Neuorientierung waren die Horizontal Merger Guidelines von 1992 (überarbeitet 1997), die erstmals ausdrücklich und ausführlich auf die einzelfallbezogene Einbeziehung von Effizienzvorteilen eingingen.325 Zwar sind die ökonomischen Lehren der Chicago-Schule nicht unumstritten,326 dennoch gelten sie heute als weithin verbreitet und akzeptiert, zumal sie insbesondere von den amerikanischen Bundesbehörden anerkannt und angewendet werden.327 Als wesentlich für die Feststellung, ob Wettbewerb durch eine Fusion beeinträchtigt ist, wird demnach das Marktergebnis herangezogen, und die entscheidende Frage kann vereinfachend dahingehend formuliert werden, ob es durch den Zusammenschluss zu einer Verknappung eines Produkt oder zu steigenden Preisen kommt.328 Aufbauend auf den Annahmen der Chicago-Schule kam es in jüngerer Zeit zu einer industrieökonomisch geprägten, so genannten „Post-Chicago“-Entwicklung, welche für eine verstärkte Anwendung von spieltheoretischen Oligopolmodellen eintritt, um strategisches Verhalten von Unternehmen theoretisch besser zu erfassen.329 Ungeachtet dessen gilt aber weiterhin: „Modern antitrust is build on a foundation laid by the Chicago School – while subsequent research may have changed some of the details, it has not altered the basic principles“.330
Brown Shoe Co. v. United States, 370 U.S. 294, 344 (1962). Vgl. Fn. 72. 324 Kolasky / Dick, 71 Antitrust Law Journal (2003 / 04), 207. 325 § 4 Horizontal Merger Guidelines, vgl. Fn. 121. 326 Zu den Schwächen des Konzepts insbesondere Möschel, WiSt 15, 1986, 341 ff. sowie Schmidt / Rittaler, WiSt 15, 1986, 283, 289. 327 Vgl. dazu Denzel, Materielle Fusionskontrolle in Europa und den USA, S. 63 m. w. N. 328 Fox, World Competition 2003, 149, 150, 154 f.; Gerard, 40 CML Rev. (2003), 1367, 1377 ff. jeweils m. w. N. 329 Schmidtchen, in: Oberender, Effizienz und Wettbewerb, S. 9, 32 ff.; ders., in: Festschrift für Hoppmann, S. 143, 152 ff.; Christiansen, WuW 2005, 285, 290 m. w. N. 330 Ross, 37 Canadian Journal of Economics (2004), Nr. 2, 243, 254. 322 323
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cc) Wettbewerbspolitische Ausrichtung des europäischen Kartellrechts Auch das europäische Kartellrecht betrachtet Wettbewerb nicht als Selbstzweck, sondern sieht in ihm das Instrument zur Erreichung der im EG-Vertrag angelegten Ziele. Anders aber als das US-Antitrustrecht mit seiner vorrangig auf die Steigerung der weit verstandenen Verbraucherwohlfahrt gerichteten Zielsetzung ist das übergeordnete Ziel des europäischen Kartellrechts nach Art. 2 EG die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes sowie die Förderung eines „hohen Grades an Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz der Wirtschaftsleistungen“. Nach Art. 3 Abs. 1 lit. g) EG soll zudem der Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor Verfälschungen geschützt werden. Die Wettbewerbsregeln des Vertrages bilden damit einen Integrationsfaktor, der zur Annäherung der mitgliedstaatlichen Volkswirtschaften maßgeblich beitragen331 und durch die Gewährleistung von gleichen Regeln für alle am Wettbewerb Beteiligten doe Öffnung von bisher nationalen Märkten überhaupt erst ermöglichen soll.332 Neben dieser wichtigen Integrationsfunktion finden sich indes auch Forderungen nach „beständige[m] Wachstum“ und der „Hebung der Lebenshaltung“ im Aufgabenkatalog von Art. 2 EG. Damit wird eine wohlfahrtssteigernde und mithin wirtschaftliche Funktion des Wettbewerbs berührt, ohne freilich näher auf eine Differenzierung zwischen Gesamt- und Verbraucherwohlfahrt einzugehen; eine weitergehende Ausgestaltung des Wettbewerbsbegriffs fehlt im europäischen Recht. Fraglich ist daher, ob und inwieweit die ökonomischen Funktionen des Wettbewerbs – Verteilungs-, Anpassungs-, Innovations- und Kostensenkungsfunktionen333 – neben der Integrationsfunktion maßgeblich im Vordergrund stehen oder ob nicht eine Reihe weiterer Gesichtspunkte, etwa stärker strukturbezogene Kriterien wie die Offenhaltung von Märkten oder die Selbständigkeit und Freiheit der Wirtschaftssubjekte, eine wichtige, im Einzelfall sogar wichtigere Rolle bei der wettbewerbspolitischen Ausrichtung des europäischen Kartellrechts spielen.334 Die europäischen Gerichte und die Kommission haben bisher einen einzelfallorientierten pragmatischen Ansatz verfolgt und die Festlegung auf ein bestimmtes Wettbewerbskonzept vermieden.335 Jedoch standen bislang weniger das Marktergebnis als vielmehr die Dynamik und die Struktur des Wettbewerbs im Mittelpunkt der europäischen Politik; folgerichtig wurde insofern die FKVO zumindest in weiten Teilen als Umsetzung des Harvard’schen Wettbewerbskonzepts verstanden.336 331 Ehlermann, WuW 1992, 5 ff.; Whish, Competition Law, S. 20, Opgenhoff, Die europäische Fusionskontrolle zwischen Wetbewerbsrecht und Industriepolitik, S. 27 ff m. w. N. 332 Schröter, in: Schröter / Jakob / Mederer, Vorb. zu Artt. 81 bis 89 Rdnr. 15. 333 Vgl. Reymann, Immanente Schranken, S. 49. 334 In diese Richtung zielt insbesondere die aus den USA geäußerte Kritik, die Kommission schütze die Wettbewerber effizienter Unternehmen mehr als den Wettbewerb, etwa in der Entscheidung Komm. vom 3. 7. 2001, ABl.EU 2004 Nr. L 48, S. 1 „General Electric / Honeywell“, vgl. Fox, World Competition 2003, 149, Fn. 1. 335 Vgl. Gleiss / Hirsch, EG-Kartellrecht, Art. 85 (1), Rdnrn. 114 ff.
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Ein tragender Gesichtspunkt war stets der freie Zugang zu offenen Märkten, wodurch der Schutz des Wettbewerbs als dynamischer Rivalitätsprozess gewährleistet werden und zugleich zur Erreichung des Integrationsziels beitragen sollte.337 Im Rahmen des Modernisierungsprozesses des europäischen Wettbewerbrechts wurden einzelne Äußerungen des damaligen Wettbewerbskommissars Monti dahingehend interpretiert, dass zukünftig das Wohl der Verbraucher das primäre Ziel der Wettbewerbspolitik darstellt.338 Tatsächlich ließen die Aussagen des Kommissars aber auch andere Rückschlüsse zu: „[A]ctually, the goal of competition policy, in all aspects, is to protect consumer welfare by maintaining a high degree of competition in the common market“.339 Eine eindeutige Zuordnung des Wettbewerbs als Mittel oder Schutzzweck der Kommissionspolitik – etwa im Sinne der USAntitrustpolitik „efficiency ist the goal, not competition“ – kann dieser Äußerung Montis nicht entnommen werden. Dennoch ist nicht zu übersehen, dass das Ziel der Wohlfahrtssteigerung von Verbrauchern unter den Kommissaren van Miert (1993 – 1999) und Monti (1999 – 2004) stark an Bedeutung gewonnen hat.340 So zog Monti zum Abschluss seiner Amtszeit folgendes Resümee: „Consumer interest confirmed as the main goal of competition policy [Absatzüberschrift]. This mandate has also consolidated consumer interest as the central goal of competition policy. This has been reflected in the policy approach followed in different areas. For instance, appropriate efficiencies may countervail anticompetitive mergers and agreements only if they ultimately benefit consumers. Consumer interest has a bearing in priority setting. . . .“.341 336 Siehe Hildebrand, World Competition 2002, 3, 5 ff., die von einer „European School“ spricht, welche nach wie vor ihren Ausgangspunkt in dem bekannten Struktur-VerhaltenErgebnis-Paradigma findet. Ähnlich Faull / Nikpay, The EC Law of Competition, 1.16 f.; Wagemann, in: Wiedemann, Hdb.KartR, § 16 Rdnr. 4; Adt, in: von der Groeben / Schwarze, Bd. 2, FKVO Rdnr. 20. 337 Vgl. Wettbewerbskommissar Monti, in: Hawk, International Antitrust Law & Policy, 2000, S. 257: „[E]nshrined in the Treaty . . . [is] an open market economy with free competition. Since its adoption more than 40 years ago, the Treaty acknowledges the fundamental role of the market and of competition in guaranteeing consumer welfare, encouraging the optimal allocation of resources and granting to economic agents the appropriate incentives to pursue productive efficiency, quality and innovation“. Dazu auch Gerard, 40 CML Rev. (2003), 1367, 1379 f. 338 Etwa Kolasky vom U.S. DoJ, Rede vom 17. 5. 2002 „North Atlantic Competition Policy: Convergence Toward What?“. 339 Monti, Rede vom 9. 7. 2001 „The Future for Competition Policy in the European Union“ (Hervorhebung nicht im Original). Kolasky (a. a. O., Fn. 338) bezieht sich mit seiner Auslegung gerade auf diese Passage. 340 Ebenso Nitsche / Thielert, WuW 2004, 250, 252. 341 Rede vom 28. 10. 2004 „A reformed competition policy: achievements and challenges for the future“ (Hervorhebung hinzugefügt). Deutlich auch die Rede Monti’s vom 28. 9. 2002 „Analytical Framework for Merger Review“: „The ultimate policy goal is the promotion of economic performance, and in particular the protection of consumer welfare.“ Die derzeitige Wettbewerbskommissarin Kroes (seit 2004) äußert sich ähnlich: „Es kümmert mich nicht, wenn Konkurrenten Schaden erleiden, solange am Ende die Kunden profitieren“, in: Süd-
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Primärrechtlich festmachen lässt sich diese wettbewerbspolitische Ausrichtung vor allem an Art. 81 Abs. 3 EG, wo von der angemessenen Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn einer ansonsten wettbewerbswidrigen Vereinbarung die Rede ist.342 Im Rahmen der nunmehr reformierten Fusionskontrolle findet die Verbraucherbeteiligung einerseits Erwähnung in dem unverändert übernommenen Art. 2 Abs. 1 lit. b), andererseits in dem Erwägungsgrund Nr. 29 der VO Nr. 139 / 2004 sowie in den erwähnten Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse.343 Nach wie vor enthält die Verordnung aber auch ausdrückliche Hinweise, die gerade auf die Aufrechterhaltung einer kompetitiven Marktstruktur als wichtiges Ziel hindeuten. So hat die Kommission bei der Beurteilung von Zusammenschlüssen gem. des gleichfalls unveränderten Art. 2 Abs. 1 lit. a) FKVO die Notwendigkeit zu berücksichtigen, wirksamen Wettbewerb aufrechtzuerhalten und zwar „insbesondere im Hinblick auf die Struktur aller betroffenen Märkte“. Daneben betont Erwägungsgrund Nr. 6, dass die VO Nr. 139 / 2004 eine wirksame Kontrolle sämtlicher Zusammenschlüsse im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Wettbewerbsstruktur der Gemeinschaft ermöglicht. Abschließend lässt sich festhalten, dass die Beantwortung der Frage, inwieweit sich die europäische Wettbewerbspolitik im Bereich der Fusionskontrolle tatsächlich in Richtung eines vorrangig an Verbraucherinteressen orientierten Konzepts entwickelt und die Kommission bereit sein wird, im Einzelfall für kurz- oder mittelfristige Effizienzvorteile – sinkende Preise, erweiterte Auswahl evtl. verbesserter Produkte – langfristig wirkende Marktstrukturverschlechterungen in Kauf zu nehmen, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abzusehen und erst anhand der zukünftigen Entscheidungspraxis zu überprüfen sein wird. Wenngleich an dieser Stelle – und zwar vorrangig mit Blick auf die europäische Besonderheit der Integrationsfunktion344 – Bedenken vor einer allzu einseitigen Orientierung der Wettbewerbspolitik an Verbraucherinteressen geltend gemacht werden, so ist doch auch darauf zu verweisen, dass selbst einer zum alleinigen Wettbewerbsziel erkorenen Verbraucherwohlfahrt eine langfristige, dauerhafte Dimension innewohnt und diese deutsche Zeitung Nr. 18 vom 23. 1. 2006, S. 16. Nach Reynolds / Burnley macht die europäische Wettbewerbspolitik derzeit eine vergleichbare Entwicklung durch wie diejenige in den USA Anfang der 80er Jahre, als die politische Ausrichtung unter Präsident Reagan immer mehr in Richtung Chicago-Schule tendierte, dies., in: Hawk, International Antitrust Law & Policy, 2004, Fordham Corporate Law Institute 2005, S. 397, 449. 342 Schröter, in: Schröter / Jakob / Mederer, Vorb. zu Artt. 81 bis 89 Rdnr 41, sowie Mayer, Ziele und Grenzen des Kartellverbots, S. 48 f. Kritisch aber Denzel, Materielle Fusionskontrolle in Europa und den USA, S. 66, der gerade auf den Ausnahmecharakter dieser Vorschrift abstellt. 343 Fn. 288. Dort Rdnrn. 79 ff. 344 In einer jüngeren Untersuchung der OECD zur Wettbewerbspolitik der EU wird die Bedeutung des Marktintegrationsziels allerdings vor allem in historischer Hinsicht betont; danach geht die Bedeutung der Marktintegration mit zunehmender Realisierung des Binnenmarkts zurück und wirtschaftliche Zielsetzungen treten in den Vordergrund, Competition Law and Policy in the European Union, 2005, S. 14 f.
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je nach Umständen des Einzelfalls gegebenenfalls in den Vordergrund gerückt werden kann: Demnach profitieren die Verbraucher dauerhaft gerade von einer kompetitiven Marktstruktur, nur diese ermöglicht überhaupt ihre Vorteilsbeteiligung im Zeitablauf.345 Im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Fusionskontrolle sind marktstrukturelle Gesichtspunkte damit in jedem Fall beachtlich. dd) Merkmale der Annäherung an das US-amerikanische Fusionskontrollrecht Gemeinsam mit der nunmehr auch im europäischen Fusionskontrollrecht ausdrücklich vorgesehen Berücksichtigung von Effizienzvorteilen im Einzelfall, die sich eng an den genannten US-Merger Guidelines von 1992 (1997) orientiert,346 vollzieht sich die angestrebte Annäherung der europäischen Regelung an diejenige der USA noch in einem weiteren, wenngleich kaum zu trennenden Aspekt, nämlich durch die Einführung des neuen materiellrechtlichen Untersagungskriteriums, dem SIEC-Test. Die Kommission war von Anfang an gewillt, das bisherige Marktbeherrschungskriterium im Rahmen der Reform dahingehend auszudehnen, dass zukünftig auch nicht koordinierte Effekte in bestimmten Oligopolsituationen erfasst würden; der von ihr vorgeschlagene Weg war allerdings zunächst ein anderer als die insbesondere von Großbritannien geforderte Einführung der „wesentlichen Wettbewerbsverminderung“347 nach amerikanischen Vorbild.348 Unterstützt von deutscher Seite349 war beabsichtigt, den bisher verwendeten Begriff der Marktbeherrschung zu Gunsten eines höheren Maßes an Rechtssicherheit beizubehalten, ihn jedoch in der reformierten Verordnung durch einen neu formulierten Art. 2 Abs. 2 weiter zu interpretieren als bisher.350 Erst im November 2003 kam es schließlich mit der nun geltenden Formel „erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs“ zu einem Kompromiss, welcher auf den bisher zentralen Begriff der beherrschenden Stellung zwar nicht vollständig verzichtet, ihn aber zu einem bloßen Regelbeispiel herabstuft.351 345 Siehe etwa die Kommission, XXIII. Wettbewerbsbericht (1993), Rdnr. 85, wo sie argumentiert, dass der Vorteil der Verbraucher darin liege, dass sie auf eine wettbewerbsfähige und wirtschaftlich gesunde Angebotsstruktur zurückgreifen könnten. 346 Fn. 121. Eine umfassende Darstellung der US-amerikanischen Rechtspraxis und dem dortigen Meinungstand bezüglich der Berücksichtigung von Effizienzvorteilen soll hier nicht erbracht werden. Es kann insoweit verwiesen werden auf die Darstellungen bei Kinne, Effizienzvorteile in der Zusammenschlusskontrolle, S. 141 ff.; Heineke, Entlastungsgründe, S. 164 ff.; Katz, in: Drauz / Reynolds, EC Merger Control, A Major Reform in Progress, S. 207 ff. 347 Nach dem englischen Wortlaut – „Substantial Lessening of Competition“ – auch SLCTest bezeichnet. 348 Clayton Act § 7, 15 U.S.C. § 18. Zur britischen Position vgl. 32nd Report of the House of Lords Select Committee on the European Union, Rdnr. 159. 349 Dazu Böge, WuW 2004, 138, 143. 350 ABl.EG 2003 Nr. C 20, S. 4, 11, 28.
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Nach Ansicht des damaligen Kommissars Monti wurde mit Einführung des SIEC-Tests in Europa die behauptete Lücke zwischen dem bisherigen Marktbeherrschungstest und dem US-amerikanischen SLC-Test endgültig geschlossen.352 Ungeachtet dessen wird aber darauf verwiesen, dass das neue europäische Untersagungskriterium als Ergebnis eines politischen Kompromisses mit dem amerikanischen SLC-Test keineswegs identisch ist und ein Rückgriff auf die amerikanische Entscheidungspraxis somit entfällt.353 Besteht damit ausreichend Raum für die Entwicklung einer eigenständigen europäischen Rechtspraxis, ist die von den Befürwortern des neuen Kriteriums gewünschte Annäherung an den amerikanischen Untersagungsstandard dennoch unverkennbar. Mit dem SIEC-Test und der einhergehenden Herabsetzung des Marktbeherrschungskriteriums zu einem Regelbeispiel wird die bisherige Betonung des europäischen Rechts auf eine Marktstrukturkontrolle abgeschwächt; gemeinsam mit der Einführung einer verstärkten Effizienzberücksichtigung kann hierin zumindest ein Anhaltspunkt zugunsten einer vermehrt an Verbraucherinteressen – als dem anzustrebenden Marktergebnis – ausgerichteten Wettbewerbspolitik nach amerikanischen Vorbild gesehen werden.354 Überdies konkretisiert sich die zunehmende Konvergenz mit dem US-Recht in der nunmehr ausdrücklich in den Horizontalleitlinien vorgeschlagenen Verwendung des Herfindahl-Hirschman-Index als Marktstrukturkriterium355 sowie in den ebenfalls in den Leitlinien dargelegten – wenngleich bereits in der Entscheidungspraxis der Kommission entwickelten und vom EuGH bestätigten356 – Grundsätzen einer unter bestimmten Voraussetzungen zulässigen Sanierungsfusion („failing firm defense“).357 351 Zum Kompromissfindungsprozess Linder, Kollektive Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle, S. 150 f. 352 Monti, Rede vom 28. 2. 2004 „Convergence in EU-US antitrust policy regarding mergers and acquisitions : an EU perspective“: „If there was ever a gap between both systems, it will disappear on 1st May 2004, the date of entry into force of our new Regulation“. 353 Böge, WuW 2004, 138, 144 f.; Bergmann / Burholt, EuZW 2004, 161: „Nicht Fisch und nicht Fleisch“. In der deutschsprachigen Literatur wurde die Einführung des SIEC-Tests überwiegend kritisch bewertet, vgl. Tilmann, WuW 2003, 3; Kapp / Meßmer, EuZW 2005, 161; Mestmäcker, WuW 2004, 135. Zustimmend dagegen Fountoukakos / Ryan, E.C.L.R. 2005, 277, 296; Staebe / Denzel, EWS 2004, 194, 200 f.; Ehlermann / Völcker / Gutermuth, World Competition 2005, 193, 202 f. 354 Denzel, Materielle Fusionskontrolle in Europa und den USA, S. 74; Colley, E.C.L.R. 2004, 342, 343; Fountoukakos / Ryan, E.C.L.R. 2005, 277, 288 f. Vgl. auch Drauz, in: Hawk, International Antitrust Law & Policy, 2004, Fordham Corporate Law Institute 2005, S. 468: „. . . our new substantive test is also clearly more effects-based than in the past“. 355 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnrn. 16 ff. Bereits zuvor hatte die Kommission allerdings den HHI als Instrument zur Marktstrukturermittlung verwendet, etwa Komm. vom 4. 3. 1999, ABl.EG 1999 Nr. C 120, 20 „FCC / Vivendi“ (vgl. spanische Fassung, M.1365, dort Rdnr. 40). 356 EuGH vom 31. 3. 1998, verb. Rs. C-68 / 94 und C-30 / 95, Slg. 1998 I-1375 „Französische Republik u. a. / Kommission“ Rdnrn. 111 ff.; Komm. vom 11. 7. 2001, ABl.EG Nr. L 132, S. 45 „BASF / Eurodiol / Pantochim“ Rdnrn. 136 ff., 157 ff., dazu Strohm, WuW 2001, 1203 ff.
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
2. Rechtliche Anknüpfungspunkte für die Effizienzberücksichtigung unter der VO Nr. 139 / 2004 a) Der Verordnungstext als vorrangige Rechtsquelle Eine explizite Effizienzanalyse bzw. die Möglichkeit eines einzelfallorientierten Ausgleichs der nachteiligen Auswirkungen einer Fusion mit ihren ökonomischen Effizienzvorteilen wurde auch bei der Überarbeitung der Fusionskontrolle nicht in den verfügenden Verordnungstext eingeführt. Der Wille der Kommission, einzelwirtschaftlichen Effizienzvorteilen nunmehr verstärkt in positiver Hinsicht Beachtung zu schenken, ergeht vor allem aus dem zur Auslegung heranzuziehenden Erwägungsgrund Nr. 29 sowie den Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse. Jedoch finden sich auch im Verordnungstext selbst zwei Anknüpfungspunkte für die Einbeziehung wirtschaftlicher Vorteile. Wenngleich diese hinsichtlich einer näheren Ausgestaltung nicht auf konkrete Anforderungen eingehen, so bilden sie doch den maßgebenden Ausgangspunkt und rechtlichen Rahmen für die Effizienzanalyse: Zum einen der unverändert aus der Vorgängerverordnung übernommene Art. 2 Abs. 1 lit. b) – die Fortschrittsklausel –, zum anderen das nunmehr geltende materiellrechtliche Untersagungskriterium, gem. Art. 2 Abs. 3 die „erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung“. aa) Die Fortschrittsklausel als Anknüpfung der Effizienzberücksichtigung (1) Effizienzen innerhalb einer Gesamtabwägung? Im Laufe des Reformprozesses wurde von Wettbewerbskommissar Monti und führenden Mitgliedern der Generaldirektion Wettbewerb wiederholt darauf verwiesen, dass eine Wortlautänderung der Fusionskontrollverordnung für die Berücksichtigung von Effizienzvorteilen nicht erforderlich wäre und mit Art. 2 Abs. 1 lit. b) der VO Nr. 4064 / 89 bereits ein geeigneter normativer Anknüpfungspunkt bestünde.358 Trotz des verlautbarten Kommissionswillens zugunsten einer verstärkten Effizienzbeachtung in einem fast zeitgleich veröffentlichten Mitteilungsentwurf zur Beurteilung horizontaler Zusammenschlüsse enthielt der zunächst vorgeschlagene Verordnungsentwurf daher keinerlei Änderung des Untersagungstests.359 Vergleicht man die soeben angeführten Äußerungen mit der bereits zitier357 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnrn. 89 ff. Zum amerikanischen Recht Fleischer / Körber, WuW 2001, 6, 10 ff. 358 Monti, Rede vom 7. 11. 2002 „Merger control in the European Union: a radical reform“; Generaldirektor Lowe, (Fn. 169), S. 7; ebenso der stellvertretende und für die Fusionskontrolle zuständige Generaldirektor Drauz, ZWeR 2003, 254, 269. 359 ABl.EG 2002, Nr. C 331, S. 18, Rdnrn. 87 ff. (Mitteilungsentwurf); ABl.EG 2003 Nr. C 20, S. 4, Rdnrn. 52 ff. (Verordnungsentwurf).
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ten Stellungnahme der Kommission aus dem Jahre 1996, wonach „there [is] no real legal possibility of justifying an efficiency defence under the Merger Regulation“,360 wird der Wandel zugunsten einer größeren Öffnung gegenüber Effizienzgesichtspunkten hinlänglich veranschaulicht. Dass die bekannte Fortschrittsklausel in Art. 2 Abs. 1 lit. b) der alten und neuen Verordnung die Berücksichtigung von Effizienzvorteilen vom Wortlaut her ermöglicht, ist an anderer Stelle bereits dargelegt worden.361 Auch die Kommission selbst hat ihre wenigen und zurückhaltenden Ausführungen zu dieser Thematik regelmäßig auf Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO a. F. gestützt.362 Als problematisch und letztlich entscheidende Hürde hatte sich in ihrer bisherigen Entscheidungspraxis jedoch meist der Hinweis auf den zu beachtenden Wettbewerbsvorbehalt in Art. 2 Abs. 1 lit. b) oder, wie in der Entscheidung „Danish Crown / Vestjyske Slagterier“, der Verweis auf die Marktbeherrschung erwiesen, deren Begründen oder Verstärken jegliche einzelfallorientierte Berücksichtigung von Effizienzvorteilen von vornherein ausgeschlossen hatte. Hält man sich diesen Hintergrund vor Augen, kann der Meinungsumschwung der Kommission durchaus verwundern: Der rechtliche Rahmen für die einzubeziehenden Effizienzvorteile bliebe bei einem Festhalten an dem Beherrschungskriterium unverändert, es stellte sich vielmehr erneut die Frage, inwieweit wirtschaftliche Effizienzerwägungen zugunsten der Verbraucher überhaupt in die Untersagungsprüfung mit einbezogen werden können, wenn bereits festgestellt wurde, dass der Zusammenschluss eine vorrangig unter strukturellen Gesichtspunkten ermittelte beherrschende Stellung begründete oder verstärkte. Zu einem effektiven Ausgleich der wettbewerblichen Nachteile durch die wirtschaftlichen Vorteile einer Fusion könnte es daher nur kommen, wenn ein denkbarer, im Wettbewerbsvorbehalt der Fortschrittsklausel angedeuteter – und tatsächlich vielfach angenommener363 – Zielkonflikt zwischen einem primär auf den Erhalt einer kompetitiven Marktstruktur abzielenden Wettbewerbsverständnis, wie es sich bislang aus dem Marktbeherrschungskriterium in Art. 2 Abs. 3 FKVO a.F. ergab, einerseits und wirtschaftlicher Effizienz zugunsten der Verbraucher als Marktergebnis andererseits, dadurch aufgelöst würde, dass allein solche Verbrauchervorteile in Betracht zu ziehen wären, welche die Intensität des Wettbewerb als Rivalitätsprozess belebten.364 Berücksichtigt man allerdings die nunmehrige Hinwendung zum SIEC-Test als weniger struktur- und stärker wirkungs- bzw. ergebnisorientiertes Untersagungs360 Competition Policy and Efficiency claims in horizontal agreements, OECD / GD (96) 65, S. 53. 361 Siehe die Nachweise in Fn. 207. 362 Insbesondere Komm. vom 4. 12. 1996, ABl.EG 1997 Nr. L 247, S. 1 „Saint-Gobain / Wacker-Chemie / NOM“ Rdnrn. 244 – 246. 363 Neven / Nuttall / Seabright, Merger in Daylight, S. 62; kritisch auch von Hinten-Reed / Camesasca, E.C.L.R. 2003, 458, 461. 364 Gerard, 40 CML Rev. (2003), 1367, 1370, 1387 ff., 1410 ff.; Wirtz, EWS 2002, 59, 63 ff.
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
kriterium und den Willen der Kommission, wirtschaftliche Effizienzvorteile stärker als bisher positiv in die Bewertung von Fusionen zu integrieren, so bekäme eine diesbezügliche Anknüpfung an die Fortschrittsklausel in Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO vor allem dann einen Gehalt, wenn man deren abschließenden Wettbewerbsvorbehalt – „. . . und den Wettbewerb nicht behindert“ – im Sinne einer verstärkt an Verbraucherinteressen ausgerichteten Wettbewerbspolitik versteht. Bei einer derartigen Interpretation von „Wettbewerb“ könnten die nachteiligen Wirkungen eines Zusammenschlusses gem. Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO ausgeglichen werden, wenn dieser zugleich zur Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts und insgesamt – beispielsweise durch verringerte Preise – zur Besserstellung der Verbraucher führte; Wettbewerb würde dadurch nicht behindert.365 Die bereits an anderer Stelle dargelegten Äußerungen der Kommissare Monti und Kroes (seit 2004) zu den Zielen der neueren europäischen Wettbewerbspolitik lassen sich durchaus in diese Richtung deuten.366 Eine solcherart vorrangig an Verbraucherinteressen orientierte Ausrichtung der europäischen Wettbewerbspolitik muss – wie bereits gezeigt – auf eine Überprüfung der Marktstruktur keineswegs verzichten. Es handelt sich dabei gewissermaßen um die Kehrseite des bereits unter der alten Verordnung angenommenen Zielkonflikts zwischen Verbrauchereffizienz und Marktstruktur, der sich gleichfalls unter dem Primat der Verbraucherwohlfahrt lösen lässt, wenn man die angestrebten Verbrauchervorteile eben auch langfristig – und in dieser Gewichtung liegen letztlich die Unterscheidungen – in der dauerhaften Existenz einer funktionierenden Marktstruktur erblickt. Der abschließende Wettbewerbsvorbehalt der Fortschrittsklausel steht einer rechtlichen Anknüpfung der einzelfallorientierten Effizienzanalyse jedenfalls nicht im Wege und obschon sich die Gewichtung innerhalb der europäischen Wettbewerbspolitik mit der Hinwendung zum SIEC-Test und der Effizienzanalyse stärker in Richtung eines an den Verbraucherinteressen als Ergebnis orientierten Untersagungskriteriums verschiebt, bedeutet dies keine Aufgabe, sondern allenfalls eine graduelle Schwächung der struktursichernden Ausrichtung des Fusionsrechts. In systematischer Hinsicht veranschaulicht eine normative Anknüpfung der Effizienzberücksichtigung an die Fortschrittsklausel, dass Abs. 1 des für die materielle Bewertung maßgebenden Art. 2 der FKVO – und damit auch dessen lit. b) – gerade nicht losgelöst neben dem materiellen Kriterium in Abs. 3 zu sehen ist, vielmehr ausdrücklich im Rahmen einer Prüfung des Abs. 3 heranzuziehen ist. Dieser Umstand spricht folglich für die Annahme einer einzelfallorientierten Effizienzberücksichtigung im Rahmen einer wettbewerblichen Gesamtabwägung.
365 366
Röller / Stennek / Verboven, Efficiency Gains from Mergers, S. 67 f. Nachweise in Fn. 341.
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(2) Kein erhöhter Einfluss von Industriepolitik Hinsichtlich der Anknüpfung einer Effizienzberücksichtigung an Art. 2 Abs. 1 lit. b) VO Nr. 139 / 2004 lässt sich eine weitere Aussage treffen. Wenn unter dem Stichwort „more economic approach“ eine verstärkt auf ökonomischen Analysemethoden basierende und zunehmend an den Interessen der Verbraucher ausgerichtete Wettbewerbspolitik propagiert wird, so darf dies keinesfalls dazu führen, dass die bekannte Diskussion um den Einfluss nichtwettbewerblicher, sozial-, regional- oder industriepolitischer Aspekte in die Fusionskontrolle neu aufgerollt wird. In dieser Hinsicht werden mitunter Bedenken geäußert, dass die Forderung nach einer Einzelfallprüfung stets das Einfallstor für industriepolitisch als wünschenswert erachtete Ausnahmen darstellt.367 Zwar ist zuzugeben, dass ein erhöhtes Ausmaß neuerer ökonomischer Methoden zunächst Bedenken hinsichtlich einer vorhersehbaren Rechtspraxis aufwerfen kann.368 Dennoch kann allein ein stärker ökonomisch geprägtes Verständnis von Wettbewerb keinesfalls mit der Möglichkeit gleichgesetzt werden, politisch wünschenswerte Industriestrukturen zu errichten oder eine gezielte Förderung einzelner Unternehmen zum Zwecke der Errichtung „nationaler bzw. europäischer Champions“ zu betreiben. Anstatt politisch vorgegeben Ziele zu verwirklichen, vertraut auch eine stärker einzelfall- und effizienzorientierte Prüfung von Zusammenschlüssen auf den Selbstregulierungsprozess des Wettbewerbs; Fusionen, welche insgesamt zu einer Besserstellung der Verbraucher führen, sollen demnach gerade Ausdruck der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs sein. Eine stärker ökonomisch fundierte Auffassung von Wettbewerb setzt sich folglich nicht dem Verdacht aus, einen erhöhten Spielraum für industriepolitischen Interventionismus zu gewähren,369 und insbesondere die Anknüpfung an Art. 2 Abs. 1 lit. b) der VO Nr. 139 / 2004 mit seinem Wettbewerbsvorbehalt veranschaulicht in diesem Zusammenhang nach wie vor den Vorrang des Wettbewerbsprinzips. Ergänzend kann in diesem Kontext zudem auf die nunmehr langjährige Praxiserfahrung der Kommission verwiesen werden, welche nichtwettbewerbliche Einflüsse bei der Bewertung von Zusammenschlüssen bisher weitestgehend außer Acht gelassen hat.370 Äußerungen von Generaldirektor Lowe (seit 2002) lassen jedenfalls er367 Vgl. etwa Monopolkommisison, XV. Hauptgutachten (2004), Kurzfassung, Rdnr. 91 sowie der Diskussionsbeitrag von Basedow, wiedergegeben bei Wurmnest, ZWeR 2005, 111, 118. Zudem Schwalbe, in: Oberender, Effizienz und Wettbewerb, S. 63, 90. 368 Vgl. oben, III. 1. a) aa). Siehe aber Schmidtchen, in: Oberender, Effizienz und Wettbewerb, S. 9, 27: Ein Kriterium wie die Wohlfahrtsmaximierung soll den entscheidungsbefugten Behörden und Gerichten sogar eine rationalere Entscheidungsfindung ermöglichen als die Orientierung an einem schwer greifbaren Kriterium wie dem der Wettbewerbsfreiheit. Zu den Schwierigkeiten dieses Freiheitsbegriffs ordoliberaler Prägung und seinem Verhältnis zum Effizienzgedanken siehe von Weizsäcker, ORDO Bd. 54, S. 335, 337. 369 So auch Kerber, in: Oberender, Europäische Fusionskontrolle, S. 69, 89. 370 Mische, Nicht-wettbewerbliche Faktoren in der europäischen Fusionskontrolle, S. 325; Burholt, Die europäische Fusionskontrolle, S. 75 ff., 102 ff.
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
kennen, dass sich die Kommission dieser sensiblen Problematik hinreichend bewusst ist.371 (3) Verbraucherinteressen als wohlfahrtspolitische Entscheidung Die normative Anbindung der Effizienzberücksichtigung an der Fortschrittsklausel des Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO und insbesondere die Formulierung „sofern diese dem Verbraucher dient“ stützt nicht zuletzt die bereits dargelegte Absicht der Kommission, die europäische Wettbewerbspolitik zunehmend mehr an den Interessen der Verbraucher auszurichten; wohlfahrtspolitisch verfolgt sie damit das Modell der Verbraucherwohlfahrt.372 Nähere Einzelheiten, in welchem Ausmaße die möglichen Effizienzgewinne den Verbrauchern zugute kommen müssen, lassen sich der Norm freilich nicht entnehmen, diesbezüglich ist auf die noch näher einzugehenden Horizontalleitlinien zu verweisen. bb) Der neue Untersagungstest als Anknüpfungspunkt der Effizienzberücksichtigung Neben der bekannten Fortschrittsklausel kann auch die Einführung des neuen Untersagungstest in Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 139 / 2004, der sich nur auf den ersten Blick als geringfügige Umstellung bisher vertrauter Formulierungen präsentiert,373 als normativer Anknüpfungspunkt für eine Effizienzbetrachtung herangezogen werden. Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 139 / 2004 lautet: „Zusammenschlüsse, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung, sind für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar zu erklären.“ (1) Zusammenhang zwischen SLC-Test und Effizienzberücksichtigung? Im Laufe der Diskussion um die Neuausrichtung der Fusionskontrolle wurde in der Literatur darauf verwiesen, dass die erwogene Übernahme des amerikanischen SLC-Tests in das europäische Wettbewerbsrecht nicht per se zu einem erweiterten Rahmen für Effizienzgesichtspunkte geführt hätte; vielmehr sei deren generelle Berücksichtigung unter beiden diskutierten Untersagungstests – SLC einerseits, 371 Lowe, vgl. Fn 169, S. 7. Ähnlich Möschel, Diskussionsbeitrag bei Wurmnest, ZWeR 2005, 111, 118, der vor einer Überbewertung der mit der Neuausrichtung verbundenen Risiken warnt. 372 Wirtz, EWS 2003, 146, 157. 373 Die im Sinne einer kontinuierlichen Rechtspraxis beabsichtigte Beibehaltung vertrauter Formulierungen stellte den Grund dafür dar, nicht vollständig auf die Formulierung des SLC-Test zurückzugreifen, Kokkoris, E.C.L.R. 2005, 37, 44.
III. Die europäische Fusionskontrollverordnung Nr. 139 / 2004
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Marktbeherrschung andererseits – möglich.374 Zwar vermag die Zugrundelegung dieser Prämisse den ursprünglichen Verordnungsentwurf der Kommission zu erklären, welcher zunächst eine ausdrückliche Effizienzberücksichtigung bei zugleich unverändertem Beherrschungstest vorsah. Auffallend ist aber dennoch, dass gerade in denjenigen Ländern, die bereits über Erfahrungen mit einem SLC-Standard verfügen, frühzeitig auch eine vertiefte Diskussion um die Berücksichtigung von wirtschaftlichen Effizienzvorteilen stattgefunden hat.375 Entsprechend kam eine OECD-Studie aus dem Jahr 2003 zu der Folgerung: „In theory, an efficiency defence can be employed with either a dominance or SLC test. In practice, such defences seem more typical of SLC jurisdictions, and even when not explicitly provided, an efficiency defence may be implicit in an SLC test.“376 Dieser Beobachtung kann man entnehmen, dass die Verwendung eines SLCStandards als insgesamt flexibler angesehen wird und dies gerade auch in Bezug auf die Einbeziehung wirtschaftlicher Effizienzvorteile. Entscheidender Anknüpfungspunkt für diese Flexibilität ist dabei das Merkmal der „Wesentlichkeit“ einer Wettbewerbsverminderung.377 Ob ein Zusammenschluss zu untersagen ist oder nicht, hängt demzufolge nicht von dem Begründen oder Verstärken einer beherrschenden Stellung ab – dies mag immerhin als wichtiger Richtwert dienen –, sondern allein davon, ob die Fusion den Wettbewerb wesentlich vermindert. Vom Wortlaut bietet die „Wesentlichkeit“ der Wettbewerbsverminderung einen nahe liegenden Spielraum für die Abwägung vor- und nachteiliger Fusionsauswirkungen, da sie nicht vorrangig auf strukturelle Kriterien abstellt, sondern ihren Schwerpunkt stärker auf das Verhalten der Unternehmen legt und im Zusammenhang mit einer an Verbraucherinteressen orientierten Wettbewerbspolitik eine größere Betonung des insoweit vorgegebenen Marktergebnisses ermöglicht.378 374 Drauz, ZWeR 2003, 254, 264; anders aber Maudhuit / Soames, E.C.L.R. 2005, 75, 81. Zurückhaltend auch Böge, WuW 2004, 138, 145; Weitbrecht, E.C.L.R. 2005, 67, 71. 375 Voigt / Schmidt, E.C.L.R. 2004, 584, 589 m. w. N. Neben den USA ist insbesondere Kanada hervorzuheben, welches sogar eine ausdrückliche Effizienzeinbeziehung in § 96. (1) des Canadian Competition Act aufgenommen hat: „The Tribunal shall not make an order under section 92 if it finds that the merger or proposed merger in respect of which the application is made has brought about or is likely to bring about gains in efficiency that will be greater than, and will offset, the effects of any prevention or lessening of competition that will result or is likely to result from the merger or proposed merger and that the gains in efficiency would not likely be attained if the order were made.“ Dazu ausführlich Gifford / Kudrle, 72 Antitrust Law Journal (2005), 423, 454 f.; Ross / Winter, 72 Antitrust Law Journal (2005), 471 ff. Der SLC-Standard wird zudem in Australien, Neuseeland, Irland und Großbritannien verwendet, vgl. insoweit das Arbeitspapier der Merger Working Group im Rahmen des International Competition Network ICN, Rdnrn. 11 ff., abzurufen unter www.internationalcompetitionnetwork.org / seoul / amg_chap6_efficiencies.pdf. 376 Substantive Criteria used for the Assessment of Mergers, S. 10. 377 Selvam, E.C.L.R. 2004, 52, 61. 378 Vgl. zu dieser Einschätzung Grave / Seeliger, Der Konzern 2004, 646, 652; Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 25 Rdnr. 7; Immenga / Körber, in: Immenga / Mestmäcker, EG-WbR I / 2, Art. 2 FKVO, Rdnrn. 3. ff. Anschaulich zur Unterschei-
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
Die Wortlautabweichung des neu geschaffenen europäischen SIEC-Tests vom amerikanischen SLC-Standard kann jedenfalls nicht weiter ins Gewicht fallen: Die zur „wesentlichen Wettbewerbsverminderung“ gemachten Aussagen treffen in gleichem Maße auf die „erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs“ zu und statt wie hier die „Wesentlichkeit“ eröffnet dort die „Erheblichkeit“ den dargelegten Rahmen für eine flexiblere Ausgleichsmöglichkeit nachteiliger Zusammenschlusswirkungen. Festzuhalten ist daher, dass selbst wenn man die Umstellung des materiellen Untersagungstests für eine Einbeziehung von Effizienzgewinnen nicht für erforderlich gehalten hat, sie nunmehr jedenfalls – gemeinsam mit Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO – eine klare normative Verankerung der vorgesehenen Effizienzberücksichtigung ermöglicht.379 (2) Berücksichtigung von Effizienzvorteilen als Ausgleich für das Absenken der bisherigen Eingriffsschwelle? Ein weiterer Gesichtspunkt, aufgrund dessen die Orientierung des neuen europäischen Untersagungskriteriums am SLC-Test für die Einbeziehung wirtschaftlicher Effizienzvorteile als vorteilhaft zu bewerten ist, könnte in der Annahme liegen, dass das Abrücken vom Beherrschungstest und die bereits angedeutete, größere Flexibilität des SIEC- bzw. SLC-Test insgesamt zu einer Ausdehnung der Fusionskontrolle führt, indem nunmehr auch Untersagungen von Zusammenschlüssen möglich sind, die eben keine marktbeherrschende Stellung begründen oder verstärken. Diese Erweiterung könnte auf der Gegenseite durch die verstärkte Einbeziehung von Effizienzvorteilen gewissermaßen ausgeglichen werden, indem jene der Kommission einen zwar einzelfallbezogenen, aber weniger strengen Umgang mit wettbewerbsbeschränkenden Zusammenschlüssen erlauben. Die zeitgleiche Einführung eines neuen, teilweise strengeren Untersagungstests sowie einer verstärkten „abmildernden“ Effizienzberücksichtigung erscheint unter diesem Blickwinkel als sorgfältig ausbalanciert.380 Ob und gegebenenfalls wie weitreichend der SIEC-Test die Eingriffsmöglichkeiten der Kommission ausgedehnt hat, ist eine besonders wichtige Frage, deren Antwort aufgrund des Fehlens einer auf den neuen Test gestützten Untersagungsentscheidung der Kommission derzeit nicht vollends abzusehen ist. Nach dem Willen von Rat und Kommission sollte jedenfalls die behauptete Lücke des alten Bedung der Kriterien „Wettbewerbsbeschränkung“ und „Marktbeherrschung“ zuvor Immenga, in: Immenga / Mestmäcker, EG-WbR I (1997), FKVO, B, Rdnr. 29. 379 In diesem Sinne Maudhuit / Soames, E.C.L.R. 2005, 75, 81; Zimmer, ZWeR 2004, 250, 261; Burgstaller, WuW 2003, 726, 734; Arhold, EWS 2002, 449, 457; ablehnend dagegen Ehricke, in: FK, Bd. III EG-Kartellrecht, Art. 2 FKVO Rdnrn. 233 ff., der die marktstruktursichernde Ausrichtung der FKVO betont und allein die Fortschrittsklausel als Anknüpfungspunkt für Effizienzvorteile heranzieht. 380 Voigt / Schmidt, E.C.L.R. 2004, 584, 589 sowie die Stellungnahme ökonomischer Akademiker zum Grünbuch, S. 2 f., vgl. Fn. 289. Ähnlich Nitsche / Thielert, WuW 2004, 250, 253; Maudhuit / Soames, E.C.L.R. 2005, 75, 77.
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herrschungstests geschlossen und künftig auch diejenigen Wettbewerbssituationen auf oligopolistischen Märkten erfasst werden, die aufgrund von nicht koordinierten Effekten den Wettbewerb erheblich behindern, ohne zugleich die Voraussetzungen einer beherrschenden Stellung zu erfüllen. Aus den Erwägungsgründen Nr. 25 und 26 VO Nr. 139 / 2004 geht hervor, dass „eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs . . . im Allgemeinen aus der Begründung oder Stärkung einer beherrschenden Stellung [resultiert]“ und dass sich das neue Kriterium „über das Konzept der Marktbeherrschung hinaus ausschließlich auf diejenigen wettbewerbsschädigenden Auswirkungen eines Zusammenschlusses erstreckt, die sich aus nicht koordiniertem Verhalten von Unternehmen ergeben, die auf dem jeweiligen Markt keine beherrschende Stellung haben würden.“381 Welche Umstände im Einzelfall hingegen vorliegen müssen, damit Zusammenschlüsse zukünftig auch ohne das Begründen oder Verstärken einer beherrschenden Stellung untersagt werden können und mithin eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs aufgrund nicht koordinierter Oligopoleffekte anzunehmen ist, ist weithin offen.382 Die gegebenen Anhaltspunkte seitens der Kommission können allenfalls dahingehend interpretiert werden, dass eine befürchtete, bis zur Konturenlosigkeit383 reichende Absenkung der bisherigen Eingriffsschwelle nicht angestrebt wurde und die Einführung des SIEC-Tests eher als Klarstellung denn als Ausbau ihrer Befugnisse zu verstehen ist.384 Zudem muss die Umstellung von einem vorrangig strukturbezogenen zu einem stärker ergebnisorientierten Untersagungstest keineswegs zwingend auch zu einer Änderung der bisherigen Eingriffstiefe führen. Dass die bisherige Eingriffsschwelle der europäischen Fusionskontrolle durch die Einführung des SIEC-Tests in beträchtlichem Maße abgesenkt werden sollte, kann auch deshalb bezweifelt werden, da das neue Kriterium lediglich benennt, was bereits in jüngerer Zeit unter der VO Nr. 4064 / 89 von den Gerichten zunehmend als Grundlage für eine Untersagungsentscheidung herangezogen wurde: Die zweite Säule des bisherigen Beherrschungstests, die erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs.385 Daneben deuten die Erwägungsgründe Nr. 25 und 26 VO Hervorhebungen nicht im Original. Böge, WuW 2004, 138, 144. Unklar ist bereits, unter welchen Umständen überhaupt von einem Oligopol gesprochen werden kann, vgl. Berg, BB 2004, 561, 563. 383 Vgl. etwa Kapp / Meßmer, EuZW 2005, 161: „Mit diesem Ansatz lässt sich in Zukunft fast alles verbieten . . .“. Ähnlich äußern sich auch Bergmann / Burholt, EuZW 2004, 161. 384 Lowe, Rede vom 9. 12. 2003 (wenige Tage nach der Einigung über die VO Nr. 139 / 2004 im Ministerrat), „Implications of the recent Reforms in the Antitrust Enforcement in Europe for national Competition Authorities“: „The test should not be interpreted as a lowering of the intervention threshold. Indeed, the „SIEC“ already constitutes the base-line threshold for assessing the compatibility of mergers with the common market, in particular for interpreting the concept of creation or strengthening of a dominant position.“ Auch Staebe / Denzel, EWS 2004, 194, 200 betonen den Klarstellungscharakter der Neuformulierung. 385 EuGH vom 31. 3. 1998, verb. Rs. C-68 / 94 und C-30 / 95, Slg. 1998 I-1375 „Französische Republik u. a. / Kommission“ Rdnrn. 221; EuG vom 6. 6. 2002, Rs. T-342 / 99, Slg. 2002 381 382
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
Nr. 139 / 2004 darauf hin, dass das Begründen bzw. Verstärken einer beherrschenden Stellung auch weiterhin eine wichtige Rolle bei der Bewertung einer Fusion spielt. Dennoch bleibt festzuhalten, dass der beherrschenden Stellung die allein ausschlaggebende Rolle gerade nicht mehr zukommt und in dieser Abweichung – sollte dem SIEC-Test überhaupt eine eigenständige Bedeutung zufallen – die Möglichkeit eröffnet wird, dass bei der Bewertung einer stärker anhand ihrer Auswirkungen untersuchten Fusion in der Summe ein geringerer Grad an Wettbewerbsbeschränkung untersagt werden kann, als dies unter dem Beherrschungstest der Fall war. Die Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse legen zwar ebenfalls dar, dass „im Allgemeinen“ ein Zusammenschluss, der nicht koordinierte Wirkungen zeigt, eine beherrschende Stellung begründet oder verstärkt; nicht koordinierte Wirkungen auf oligopolistischen Märkten können aber die Untersagung von solchen Zusammenschlüssen ermöglichen, die „wichtige Wettbewerbszwänge, die von den fusionierenden Parteien vorher gegeneinander ausgeübt wurden“ beseitigen und zu „einer Verringerung des Wettbewerbsdruck auf die verbleibenden Wettbewerber führen.“386 Die in der Folge gemachten Ausführungen weisen sodann auf einzelne Faktoren hin, die für diese Untersuchung zu berücksichtigen sind; indes wird auch an dieser Stelle nicht ersichtlich, welcher Wichtigkeitsgrad den durch den Zusammenschluss wegfallenden Zwängen zukommen muss, um eine Fusionsuntersagung aufgrund nicht koordinierter Auswirkungen letztlich anzunehmen.387 Es ist daher zuzugeben, dass ungeachtet aller insoweit gegenteiligen Beteuerungen die tatsächliche Eingriffstiefe des neuen SIEC-Tests nicht vollends abzusehen ist und dass die Hinwendung zum SIEC-Test der Kommission bei ihren zukünftigen Entscheidungen eine Flexibilität einräumt, die es ihr ermöglicht, im Einzelfall zu von der bisherigen Praxis divergierenden Ergebnissen zu kommen.388 Nimmt man die Kommission dagegen beim Wort, wird sie sich auch in den Fällen, bei denen sie sich ausschließlich an der „erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs“ orientiert, an einer in quantitativer Hinsicht der beherrschenden Stellung vergleichbaren Wettbewerbsbeschränkung festhalten lassen müssen.389 II-2585 „Airtours / Kommission“ Rdnr. 82: „Das Gericht stellt jedoch fest, dass die Kommission in Bezug auf eine angebliche kollektive beherrschende Stellung u. a. die Frage prüfen muss, ob der Zusammenschluss, mit dem sie befasst ist, zu einer erheblichen Behinderung des wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt führen würde (Urteile Kali & Salz, RandNr. 221, und Gencor / Kommission, RandNr. 163). Wird das Ausmaß des früheren Wettbewerbs nicht wesentlich verändert, müsste der Zusammenschluss genehmigt werden, da er keine wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen hat (siehe oben, RandNr. 58).“ Ferner auch EuG vom 25. 3. 1999, Rs. T-102 / 96, Slg. 1999 II-753 „Gencor / Kommission“ Rdnr. 163; EuG vom 22. 10. 2002, Rs. T-310 / 01, Slg. 2002 II-4071 „Schneider Electric SA / Kommission“ Rdnrn. 349, 380, 402. 386 Horizontalleitlinien, (Fn. 288), Rdnr. 25. 387 Baxter / Dethmers, E.C.L.R. 2005, 380, 383 ff., 386 ff. 388 Bechtold / Bosch / Brinker / Hirsbrunner, EG-Kartellrecht, Art. 2 FKVO Rdnr. 37.
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(3) Die „Erheblichkeit“ einer Wettbewerbsbehinderung gewinnt an Bedeutung Mit Einführung des SIEC-Tests kommt dem bislang umstrittenen Kriterium der „Erheblichkeit“ der Wettbewerbsbehinderung eine eigenständige, gesteigerte Bedeutung zu: Zwingend – und überhaupt möglich – ist die Untersagung einer Fusion allein dann, wenn diese wirksamen Wettbewerb erheblich behindert. Zugleich wird die vormals zentrale Rolle der beherrschenden Stellung dadurch geschwächt, dass diese nur noch als Regelbeispiel für eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs heranzuziehen ist, eine derartige Behinderung lediglich indiziert. Die Kombination aus Verselbständigung der „erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs“ und Zurückstufung der „beherrschenden Stellung“ als Regelbeispiel trägt es in sich, dass nicht zugleich in jeder Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung auch eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs zu sehen ist.390 Gestützt wird diese Sichtweise durch den bereits erwähnten Erwägungsgrund Nr. 26 VO Nr. 139 / 2004, wo es heißt, dass „eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs. . .im Allgemeinen aus der Begründung oder Stärkung einer beherrschenden Stellung [resultiert]“.391 Damit scheint das SIECKriterium – im Speziellen – selbst nach der Ermittlung einer begründeten oder verstärkten beherrschenden Stellung durch die Fusionsparteien noch eine Einbeziehung ausgleichender Effizienzvorteile zu ermöglichen.392 Dass eine solche Fallgestaltung in praktischer Hinsicht gleichwohl selten sein dürfte, liegt an einer zentralen Schwierigkeit, die der Einbeziehung von Effizienzvorteilen in derartigen Fällen gegenüber steht: Sollen die zusammenschlussbedingten Effizienzgewinnen in erster Linie den Verbrauchern dienen – so Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO –, dann stellt sich im Falle einer beherrschenden Stellung und einem dementsprechend verringerten Grad an Wettbewerbsdruck die Frage, ob für die fusionierten Unternehmen überhaupt noch ein Anreiz zur Weitergabe der Effizienzen besteht.393 Praktisch bedeutsamer könnten Effizienzvorteile daher auf oligopolistisch geprägten Märkten werden, auf denen – als mögliches Resultat kollektiver Marktbeherrschung – die Gefahr einer Koordinierung des Preisverhaltens der Oligopolisten besonders groß ist. Die Weitergabe erreichter Effizienzvorteile, etwa in Form niedrigerer Preise, kann hier dem Interesse der neuen Unternehmenseinheit entspringen, über eine Ausweitung seiner Produktion die bisher stabile Marktsituation zu erschüttern und sich von den anderen Mitgliedern des Oligopols zum 389 Fountoukakos / Ryan, E.C.L.R. 2005, 277, 292 f. Ähnlich Maudhuit / Soames, E.C.L.R. 2005, 75, 77; González-Díaz, World Competition 2004, 177, 189. 390 Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 25 Rdnr. 6; Berg, BB 2004, 561, 563; Fountoukakos / Ryan, E.C.L.R. 2005, 277, 292. 391 Hervorhebung nicht im Original. 392 Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 25 Rdnr. 7; zum alten Kriterium bereits Neumann, Wettbewerbspolitik, S. 145. 393 Böge, WuW 2004, 138, 147.
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
eigenen Vorteil abzusetzen.394 Darüber hinaus können aber auch potentieller Wettbewerb oder eine starke Nachfragemacht der Marktgegenseite die Weitergabe von Effizienzvorteilen sicherstellen.395 cc) Zwischenergebnis zu a) Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der verfügende Teil der neuen Fusionskontrollverordnung mit keinem Wort auf eine verstärkte Einbeziehung wirtschaftlicher Effizienzvorteile eingeht. Angesichts der Bedeutung und des möglichen Ausmaßes der in verschiedenen Redebeiträgen erkenntlich gemachten, angestrebten Umorientierung der europäischen Wettbewerbspolitik – stärker als bisher steht der Verbraucher im Vordergrund –, und auch im Hinblick auf eine verlässliche Rechtsanwendung ist das Fehlen klarer Vorgaben, die unmittelbar und ausdrücklich an die Verordnung anknüpfen, nicht unproblematisch. Über die konkreten Anforderungen, die zukünftig an eine erfolgreiche Geltendmachung von Effizienzgewinnen zu stellen sind, etwa Fragen nach dem Beweismaßstab, nach der Berechenbarkeit sowie der Kausalität der Vorteile, finden sich keine näheren Hinweise. Dennoch kann festgehalten werden, dass die beiden aufgezeigten Anknüpfungspunkte – die Fortschrittsklausel sowie das materiellrechtliche Untersagungskriterium – gemeinsam eine hinreichende Grundlage für die verstärkte Einbeziehung von Effizienzvorteile darstellen.
b) Erwägungsgrund Nr. 29 der VO Nr. 139 / 2004 Aufschlussreich für die Problematik der Effizienzvorteile und einziger ausdrücklicher Anhaltspunkt für deren verstärkte Beachtung in der VO Nr. 139 / 2004 ist der Erwägungsgrund Nr. 29: „Um die Auswirkungen eines Zusammenschlusses auf den Wettbewerb im Gemeinsamen Markt bestimmen zu können, sollte begründeten und wahrscheinlichen Effizienzvorteilen Rechnung getragen werden, die von den beteiligten Unternehmen dargelegt werden. Es ist möglich, dass die durch einen Zusammenschluss bewirkten Effizienzvorteile die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb, insbesondere den möglichen Schaden für den Verbraucher ausgleichen, so dass durch den Zusammenschluss wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben, insbesondere durch Begründung oder Stärkung einer beherrschenden Stellung, nicht erheblich behindert würde. Die Kommission sollte Leitlinien veröffentlichen, in denen sie die Bedingungen darlegt, unter denen sie Effizienzvorteile bei der Prüfung eines Zusammenschlusses berücksichtigen kann.“ 394 Adt, in: von der Groeben / Schwarze, Bd. 2, FKVO Rdnr. 272; Ehricke, in: FK, Bd. III EG-Kartellrecht, Art. 2 FKVO Rdnr. 240. 395 Burholt, Die europäische Fusionskontrolle, S. 105; Zeise, in: Handbuch der Fusionskontrolle, Rdnrn. 1301 f.
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Die dem verfügenden Teil der Verordnung vorangestellten Erwägungsgründe sind zu deren Auslegung heranzuziehen und dienen als Ersatz für das in weiten Teilen nicht öffentlich zugängliche europäische Gesetzgebungsverfahren.396 Bevor Erwägungsgrund Nr. 29 mit der Aufforderung an die Kommission schließt, für den wettbewerbspolitisch heiklen Bereich der Effizienzvorteile weiterführende Leitlinien zu veröffentlichen, macht er in Bezug auf deren Einbeziehung in die Untersagungsprüfung einige aufschlussreiche Vorgaben. Er legt dar, dass die keineswegs zwingend – „sollte . . . Rechnung getragen werden“ – einzubeziehenden Effizienzvorteile begründet werden müssen und die Darlegungslast insoweit die beteiligten Unternehmen trifft. Eine derartige Beweislastverteilung könnte möglicherweise im Sinne einer zweistufigen Effizienzverteidigung interpretiert werden und damit im Widerspruch zu dem bisher anhand der Systematik von Art. 2 Abs. 1 lit. b) und Art. 2 Abs. 3 FKVO gefundenen Ergebnis stehen, nach dem eine einstufige wettbewerbliche Gesamtabwägung vorzunehmen ist. Der Wortlaut „es ist möglich, dass die durch einen Zusammenschluss bewirkten Effizienzvorteile die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb, . . . ausgleichen, so dass durch den Zusammenschluss wirksamer Wettbewerb . . . nicht erheblich behindert würde“ kann diese Auslegung allerdings nicht stützen; er legt vielmehr nahe, dass die Unternehmen die geltend gemachten, begründeten Effizienzvorteile der Kommission vorab darlegen und diese im Anschluss eine abschließende und alle berücksichtigungsfähigen Gesichtspunkte einbeziehende Entscheidung trifft. Gem. Erwägungsgrund Nr. 29 müssen die zu beachtenden Effizienzvorteile ferner durch den Zusammenschluss bewirkt werden, sie müssen damit fusionsspezifisch sein und dürfen nicht gleichermaßen auch ohne den Zusammenschluss realisiert werden. Dies impliziert eine vorzunehmende und mitunter aufwendige Prüfung möglicher Alternativen zum angemeldeten Zusammenschluss. Der Hinweis auf den Ausgleich insbesondere eines möglichen Schadens für den Verbraucher stützt die bereits in Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO zugrunde gelegte Auffassung, wonach das europäische Wettbewerbsrecht, soweit es an Wohlfahrtskriterien ausgerichtet ist, das Modell der Verbraucherwohlfahrt zugrunde legt. Der abschließende Hinweis auf die von der Kommission zu erstellenden Leitlinien bezeugt einmal mehr die Zögerlichkeit des europäischen Gesetzgebers in Bezug auf die Berücksichtigung von Effizienzvorteilen; problematisch erscheint diese Delegation von gesetzgeberischer Verantwortung insbesondere vor dem Hintergrund der umstrittenen Rechtswirkung von Leitlinien und Bekanntmachungen der Kommission.397
396 EuGH vom 3. 2. 1976, Rs. 63 / 75, Slg. 1976, 111 „Roubaix / Roux“ Rdnrn. 16 / 19; Streinz, ZEuS 2004, 387, 402. 397 Ähnlich Denzel, Materielle Fusionskontrolle in Europa und den USA, S. 293.
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
c) Leitlinien der Kommission Die in Erwägungsgrund Nr. 29 genannten Leitlinien zur näheren Bestimmung der Voraussetzungen einer Effizienzberücksichtigung hat die Kommission zeitgleich mit der VO Nr. 139 / 2004 veröffentlicht, diese aber zunächst auf den Bereich von horizontalen Zusammenschlüssen beschränkt.398 Über das Ausmaß der Bindungswirkung derartiger Mitteilungen bestehen unterschiedliche Auffassungen, die im Bereich der Fusionskontrolle allerdings eine untergeordnete Rolle spielen, da europäisches Fusionskontrollrecht ausschließlich von der Kommission und daneben nicht zugleich von nationalen Behörden der Mitgliedstaaten angewendet wird. Dass aber jedenfalls die Kommission selber, begründet über die Geltung des Gleichheitssatzes,399 an die von ihr veröffentlichten Leitlinien gebunden ist, entspricht nicht nur der Rechtsprechung der europäischen Gerichte,400 sondern auch der überwiegenden Ansicht im Schrifttum.401 Trotz dieser Selbstbindung ist es der Kommission allerdings unbenommen, in begründeten Einzelfällen von den in den Leitlinien gesetzten Standards abzuweichen, die Selbstbindungswirkung gilt weder absolut noch unbedingt.402 Deutlich wird dies in Rdnr. 13 der Horizontalleitlinien: „Bei diesen Faktoren403 handelt es sich nicht um eine „Kontrollliste“, die mechanisch in jedem Einzelfall anzuwenden ist. Vielmehr muss sich die wettbewerbliche Analyse des Einzelfalles auf eine Gesamtbewertung der vorhersehbaren Wirkungen der Fusion im Hinblick auf die relevanten Faktoren und Bedingungen stützen.“ Unumstritten ist zugleich, dass die Selbstbindung der Kommission jedenfalls keine Rechtsbindung der europäischen Gerichte impliziert. aa) Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse Über insgesamt 13 Randnummern (76 – 88) bestimmen die Horizontalleitlinien die von der Kommission gestellten Anforderungen an berücksichtigungsfähige Effizienzvorteile. Bereits ein kurzer Überblick führt vor Augen, dass sich die einzelnen Kriterien – Verbraucherbeteiligung, Zusammenschlussspezifität, Erheblichkeit, zeitnahe Realisierung und hinreichende Nachweisbarkeit der Effizienzvorteile –, von kleineren Ausnahmen abgesehen, eng an den revidierten US-MerHorizontalleitlinien (Fn. 288). EuG vom 30. 4. 1998, Rs. T-214 / 95, Slg. 1998 II-717, Rdnr. 89 „Vlaams Gewest / Kommission“. 400 EuGH vom 13. 6. 2002, Rs. C-382 / 99, Slg. 2002 I-5163, Rdnr. 24 „Niederlande / Kommission“; EuG vom 3. 4. 2003, Rs. T-119 / 02, Slg. 2003 II-1433 Rdnr. 242 „Philips / Kommission“. 401 Pampel, EuZW 2005, 11, 12 m. w. N. in Fn. 11. 402 Schweda, WuW 2004, 1133, 1138 f. Kritisch daher Voigt / Schmidt, E.C.L.R. 2004, 584, 589. 403 Gemeint sind die in den einzelnen Abschnitten der Leitlinien behandelten Anhaltspunkte. 398 399
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ger Guidelines von 1997 orientieren.404 Im Einzelnen lassen sich Aussagen zu den folgenden Gesichtspunkten entnehmen. (1) Umsetzungsmodell der Effizienzberücksichtigung Die Horizontalleitlinien lassen keinen Zweifel daran, dass das von der Kommission bevorzugte Umsetzungsmodell für die Effizienzberücksichtigung eine einstufige Gesamtabwägung ist. So ist in Rdnr. 76 die Rede von einer umfassenden wettbewerblichen Prüfung, im Rahmen derer die Kommission auch die Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts einbezieht. Noch deutlicher in Richtung einer Gesamtabwägung – insbesondere in Abgrenzung zu einer zweistufigen Effizienzverteidigung – weisen die Leitlinien in Rdnr. 77. Hier heißt es, dass „Die Kommission [ . . . ] bei ihrer Gesamtbewertung eines Zusammenschlusses alle nachgewiesenen Effizienzvorteile [berücksichtigt].“405 Zugleich markieren die Horizontalleitlinien auch den äußeren Rahmen für die fallorientierte Effizienzberücksichtigung. In Rdnrn. 18 – 20 setzen sie einen unteren Schwellenwert, unterhalb dessen Zusammenschlüsse „in der Regel“ keiner genaueren Untersuchung bedürfen und – so wird angenommen – mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind. Sie wiederholen die bereits in Erwägungsgrund Nr. 32 FKVO aufgestellte Vermutung, dass bei gemeinsamen Marktanteilen der Fusionsparteien von weniger als 25% eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs nicht gegeben ist. Für Fusionen, die unterhalb dieser Schwelle bleiben, wird damit ein „general presumptions approach“ verfolgt. Als Obergrenze für die Berücksichtigung von Effizienzvorteilen im Einzelfall sehen die Leitlinien dagegen das Erreichen einer monopolähnlichen Stellung vor, wenngleich die gewählte Formulierung hier auffälligerweise keineswegs abschließend ist:406 „Es ist höchst unwahrscheinlich, dass ein Zusammenschluss, der zu einer Marktstellung führt, die einem Monopol nahe kommt oder ein ähnliches Maß an Marktmacht erbringt, mit der Begründung für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden könnte, dass Effizienzvorteile ausreichen würden, den möglichen wettbewerbswidrigen Wirkungen entgegenzuwirken.“ Innerhalb des aufgezeigten Rahmens besteht demnach Raum für die einzelfallbezogene Analyse von Effizienzvorteilen im Wege einer wettbewerblichen Gesamtwürdigung. (2) Kein Einfluss industriepolitischer Gesichtspunkte In Bezug auf die wichtige Frage nach dem möglichen Einfluss nichtwettbewerblicher, industrie-, regional- oder sozialpolitischer Aspekte findet sich ein möglicher 404 Kinne, Effizienzvorteile in der Zusammenschlusskontrolle, S. 144 ff.; Völcker, 41 CML Rev. (2004), 1027, 1061. 405 Ähnlich deutlich auch Rdnr. 13 der Horizontalleitlinien. 406 Dazu sogleich unter (6).
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Anhaltspunkt in Rdnr. 76. Zur Rechtfertigung der verstärkten Effizienzberücksichtigung heißt es dort, dass „durch Zusammenschlüsse herbeigeführte Restrukturierungen von Unternehmen [ . . . ] den Erfordernissen eines dynamischen Wettbewerbs entsprechen und die Wettbewerbsfähigkeit eines Wirtschaftszweiges erhöhen [können], wodurch sich die Wachstumsbedingungen verbessern und der Lebensstandard in der Gemeinschaft erhöht.“ Diese Formulierung könnte im Sinne einer verstärkt politischen Förderung bestimmter Wirtschaftszweige ausgelegt werden und wurde vereinzelt als Einfallstor für wettbewerbsfremde Erwägungen interpretiert.407 Eine Sichtweise, die über die angeführte Formulierung Raum für industriepolitische Erwägungen gewährt, ist jedenfalls abzulehnen; letztlich ist es noch immer wirksamer Wettbewerb als dynamischer Prozess, der einzelne Wirtschaftzweige stärkt und andere schwächt, in den Leitlinien wird insoweit – über den rechtsverbindlichen Art. 2 Abs. 1 lit. b) Vo Nr. 139 / 2004 hinaus – gleich mehrfach die rein wettbewerbliche Ausrichtung der Zusammenschlussprüfung ausdrücklich betont.408 (3) Begriff der Effizienzvorteile Spricht Erwägungsgrund Nr. 29 der FKVO lediglich von bewirkten „Effizienzvorteilen“ und die Horizontalleitlinien in der Überschrift vor den Rdnrn. 76 ff. von „Effizienzgewinnen“ – diese Formulierungen werden synonym verwendet –, so fällt auf, dass der Begriff der Effizienzvorteile weder in dem verfügenden noch in dem erläuternden Teil der VO Nr. 139 / 2004 näher bestimmt wird und der Kommission möglicherweise auch hier einen weiten Auslegungsspielraum eröffnet. Die Horizontalleitlinien unternehmen den Versuch einer Eingrenzung und sprechen zunächst allgemein von Vorteilen, die zu niedrigeren Preisen und sonstigen Vorteilen für die Verbraucher führen können (Rdnr. 80). Sodann bemühen sie sich mit zwei Beispielen um eine Schärfung des Begriffs. Zum einen sprechen sie von Kosteneinsparungen bei der Produktion oder dem Vertrieb der fusionierten Einheit, die im Ergebnis in günstigeren Preisen für die Verbraucher resultieren. In diesem Kontext führen sie aus, dass im Einklang mit der im Schrifttum verbreiteten Ansicht409 Einsparungen bei den Fixkosten weniger stark ins Gewicht fallen, als solche bei variablen Kosten, da der Zusammenhang zwischen Fixkosten und sinkenden Verbraucherpreisen weniger unmittelbar und zumindest weniger kurzfristig sei als bei den variablen Kosten. Kosteneinsparungen durch wettbewerbswidrige Produktionseinschränkungen werden dagegen gar nicht berücksichtigt.410 Denzel, Materielle Fusionskontrolle in Europa und den USA, S. 294. Art. 2 Abs. 1 lit. b), auch Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnrn. 76 und 85. Ebenso Wirtz, EWS 2003, 146, 153 (dort Fn. 115), der sich noch auf den Entwurf der Leitlinien bezieht. 409 Kiljañski, World Competition 2003, 651, 671. Weitere Nachweise in Fn. 133. 410 Wirtz, EWS 2003, 146, 157 dehnt diesen Gedanken auf Kosteneinsparungen durch Serviceverschlechterungen aus. 407 408
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Als zweites Beispiel für beachtenswerte Effizienzvorteile benennen die Horizontalleitlinien neue bzw. verbesserte Waren oder Dienstleistungen, die sich aus einer erhöhten Forschung und Entwicklung und Innovation ergeben (Rdnr. 81).411 Die Schwierigkeiten, die mit dem Nachweis und der Bemessung dieser stark von einer dynamischen Komponente geprägten Vorteile einhergehen, liegen auf der Hand und sind bereits an anderer Stelle dargelegt worden.412 Problematisch, da in der Regel auch für die betroffenen Unternehmen höchst ungewiss, ist insbesondere der Zeitraum, welcher für die Realisierung von Effizienzvorteilen im Bereich von Forschung und Entwicklung berücksichtigt werden soll. Die Horizontalleitlinien sprechen davon, dass die Effizienzvorteile sich „rechtzeitig einstellen“413 sollen, an anderer Stelle heißt es, dass sie sich „innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes einstellen [müssen], damit sie als ausgleichender Faktor gewürdigt werden können.“414 Diese Zeitangaben sind zwar vage, ermöglichen aber den Rückschluss, dass Innovationseffizienzen dann nicht mehr berücksichtigungsfähig sind, wenn ihre Realisierung gänzlich ungewiss ist und allenfalls, etwa durch die bloße Zusammenlegung bisher getrennter Forschungsabteilungen, als möglich erachtet wird. Um rein spekulative Hoffnungen auszuschließen, wird man verlangen können, dass bereits zum Zeitpunkt des Zusammenschlusses durch Tatsachen belegte, konkrete Hinweise auf neue oder verbesserte Produkte gegeben sind. Bei der verstärkten Einbeziehung von Effizienzvorteilen in die Bewertung von Zusammenschlüssen handelt es sich um ein ökonomisches Konzept, welches im Rahmen des „more economic approach“ in der Fusionskontrolle berücksichtigt wird. Ein vermehrter Einfluss industriepolitischer Gesichtspunkte über den Effizienzbegriff ist damit nicht nur theoretisch ausgeschlossen, sondern auch in praktischer Hinsicht aufgrund der nunmehr langjährigen Erfahrung der Kommission im Umgang mit Fusionen nicht zu erwarten.415 Neben den beiden angeführten Beispielen ist es daher zur Eingrenzung der einzubeziehenden Vorteile angezeigt, auf die bereits an anderer Stelle dargelegten, wirtschaftlichen Effizienzvorteile zu verweisen:416 Danach sind sämtliche Rationalisierungs-, Größen- und Verbundvorteile, Synergieeffekte und verbesserte Innovationsmöglichkeiten unter dem Begriff der Effizienzvorteile zu verstehen.417
411 Dagegen Strohm, der allein Kosteneinsparungen einbeziehen will, ders., in: Oberender, Effizienz und Wettbewerb, S. 113, 122. 412 Oben, I. 3. c) bb). 413 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 79. 414 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 83. 415 Gänzlich auszuschließen ist politischer Einfluss freilich schon deswegen nicht, da die Kommissionsentscheidungen von allen Kommissaren gemeinsam getroffen werden. 416 Unter I. 3. 417 Übereinstimmend Böge / Jakobi, BB 2005, 113, 114; Luescher, E.C.L.R. 2004, 72, 76; Wirtz, EWS 2002, 59, 62; Schwalbe, in: Oberender, Effizienz und Wettbewerb, S. 63, 73 ff.
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(4) Verbraucherbeteiligung Dass die Effizienzvorteile letzten Endes den Verbrauchern zugute kommen müssen, ergibt sich bereits aus Art. 2 Abs. 1 lit. b) VO Nr. 139 / 2004. Dort findet sich auch der Hinweis, dass mit den „Verbrauchern“ sowohl die Zwischen- als auch die Endverbraucher gemeint sind. Die Horizontalleitlinien präzisieren dies weitergehend, indem sie klarstellen, dass dazu die gegenwärtigen als auch die potentiellen Kunden der Fusionsparteien zählen. Zudem „sollten“ die Effizienzvorteile den Verbrauchern in denjenigen relevanten Märkten zugute kommen, in denen ansonsten die Wettbewerbsbedenken entstünden.418 Diese Einschränkung begründet sich nicht zuletzt anhand der Schwierigkeit, Vor- und Nachteile auf unterschiedlichen relevanten Märkten in einer aussagekräftigen Gegenüberstellung zu berücksichtigen.419 Ihre konsequente Auslegung hätte allerdings zur Folge, dass Effizienzgewinne, die zur Entwicklung neuer Produkte führen und damit oftmals auf anderen, neuen Märkten anfallen, entgegen den soeben gemachten Ausführungen doch nicht berücksichtigungsfähig wären.420 Dieser scheinbare Widerspruch in den Leitlinien löst sich allenfalls auf, wenn man den bloßen Empfehlungscharakter der Formulierung „sollte“ bedenkt. Bezüglich der Frage, zu welchem Anteil die Effizienzvorteile den Verbrauchern zugute kommen müssen, finden sich dagegen auch in den Leitlinien kaum Hinweise.421 Verlangte man eine umfangreiche oder gar vollständige Weitergabe der generierten Effizienzgewinne, so entfiele für die Unternehmen bereits einer der vorrangigsten Anreize für eine Fusion, die Effizienzberücksichtigung liefe im Wesentlichen leer. Näher liegt es daher, eine Aufteilung der Effizienzvorteile zwischen Produzenten und Verbrauchern dann ausreichen zu lassen, wenn jedenfalls die nachteiligen Auswirkungen für die Verbraucher ausgeglichen werden und diese somit nicht schlechter stehen als vor der Fusion.422 Scheidet die vollständige Weitergabe der Effizienzvorteile damit aus, so fällt alsdann die Parallele zu Art. 81 Abs. 3 EG ins Auge, wo von einer „angemessenen Beteiligung der Verbraucher“ die Rede ist.423 (5) Zusammenschlussspezifität der Effizienzvorteile Effizienzvorteile können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie unmittelbare Folge des angemeldeten Zusammenschlusses sind und zudem „nicht in ähnlichem Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 79. Oben, I. 2. c). 420 Schwalbe, in: Oberender, Effizienz und Wettbewerb, S. 63, 80. 421 Vgl. aber Rdnr. 84, wo von der Weitergabe in „ausreichendem Maße“ die Rede ist. Dies spricht jedenfalls gegen eine vollständige Weitergabe. 422 Ähnlich Lindsay, The EC Merger Regulation: Substantive Issues, 8 – 17; Kiljañski, World Competition 2003, 651, 683 m. w. N. 423 Dazu näher im dritten Abschnitt, II. 3. b) bb). 418 419
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Umfang durch weniger wettbewerbswidrige Alternativen erzielt werden können.“424 Werden von den Zusammenschlussparteien einfache Größenvorteile dargetan, welche – in Abgrenzung zu Verbundvorteilen – grundsätzlich, wenngleich über einen längeren Zeitraum, auch durch internes Unternehmenswachstum erreicht werden könnten, so ist im Rahmen der Fusionsspezifität zu untersuchen, welcher Grad an Wahrscheinlichkeit einer vergleichbar zeitnahen Vorteilsrealisierung durch internes Wachtsum tatsächlich zukommt. Das Kriterium der Zusammenschlussspezifität wurde bereits in der Kommissionsentscheidung „Aérospatiale-Alenia / de Havilland“ angedeutet425 und stellt mit der Forderung, eine gleich wirksame, aber weniger wettbewerbsbeeinträchtigende Alternativmaßnahme zur Fusion zu prüfen, eine Konkretisierung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Auch in dieser Hinsicht fällt auf, wie nahe das Erfordernis der Zusammenschlussspezifität an die Regelung des Art. 81 Abs. 3 lit. a) EG heranreicht, wo als negative Freistellungsvoraussetzung für eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung verlangt wird, dass den beteiligten Unternehmen keine Beschränkungen auferlegt werden, die zur Verwirklichung der im Rahmen der Vorschrift näher bestimmten Ziele nicht unerlässlich sind. Wenn daher angesichts der geforderten Zusammenschlussspezifität der Vorteile und der insoweit zu prüfenden Alternativen zu dem Zusammenschluss der hohe Prüfungsaufwand der Kommission als bedenklich angesehen wird,426 so kann hierzu auf die seit Jahren bewährte Praxis bei der Prüfung des Kartellverbots verwiesen werden. Überdies geben die Horizontalleitlinien konkrete Beispiele für im Einzelfall weniger wettbewerbswidrige Alternativen:427 Zum einen Maßnahmen nicht konzentrativer Art (etwa Lizenzvereinbarungen bzw. kooperative Gemeinschaftsunternehmen),428 zum anderen solche konzentrativer Art (konzentrative Gemeinschaftsunternehmen bzw. andersartig strukturierte Zusammenschlüsse). Gleichzeitig betont die Kommission, bei der Prüfung der Fusionsspezifität ausschließlich „praktikable“ Alternativen zu berücksichtigen, mithin solche, die in dem betroffenen Wirtschaftszweig üblichen Geschäftspraktiken entsprechen.429 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 85. A. a. O. (Fn. 249), Rdnr. 65. 426 Böge / Jakobi, BB 2005, 113, 118. 427 Nye zeigt an einem konkreten Fallbeispiel, dass in einer Oligopolsituation mit Mengenwettbewerb ein Gemeinschaftsunternehmen zu einer größeren Mengenreduktion und damit höheren Preisen führen kann als eine vollständige Fusion, ders., 40 Economic Letters (1992), 487 ff. Pauschale Aussagen zu einer Abstufung im Grad der Wettbewerbsbeeinträchtigung sind daher nicht geboten; kritisch insoweit auch Voigt / Schmidt, Making European Merger Policy More Predictable, S. 82 f. 428 In der Entscheidung „Aérospatiale-Alenia / de Havilland“ (vgl. Fn. 249) verwies die Kommission auf die Möglichkeit internen Wachstums als weniger einschneidende Alternative, ebd. Rdnr. 65. 429 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 85. Zur Zusammenschlussspezifität von Effizienzvorteilen auch Colley, E.C.L.R. 2004, 342, 348 und Areeda / Hovenkamp / Solow, Antitrust Law IV A, Rdnrn. 973 ff. 424 425
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
(6) Erheblichkeit der Effizienzvorteile In den Horizontalleitlinien heißt es, dass eventuelle Effizienzvorteile „erheblich“ sein sollten.430 Die Leitlinien verfolgen insoweit einen „sliding scale approach“, wonach die Anforderungen an Effizienzvorteile umso größer sind, je größer sich auch die negativen Auswirkungen für den Wettbewerb darstellen.431 In diesem Zusammenhang verweisen sie darauf, dass es „höchst unwahrscheinlich“ sei, dass ein Zusammenschluss, der zu einer Marktstellung führt, die einem Monopol nahe kommt oder ein ähnliches Maß an Marktmacht erzeugt, durch Effizienzvorteile ausgeglichen werden könne.432 Völlig ausgeschlossen ist es nach dieser Formulierung offenbar nicht. In praktischer Hinsicht dürfte eine solche Fallkonstellation jedenfalls selten sein: Auch die Leitlinien legen dar, dass es regelmäßig der von den im Markt verbleibenden Unternehmen oder potentiellen Neuanbietern ausgehende Wettbewerbsdruck ist, der dafür sorgt, dass fusionsspezifische Vorteile in ausreichendem Maße an die Verbraucher weitergegeben werden.433 Im Falle einer monopolartigen Marktstellung ist die neue Unternehmenseinheit diesem Wettbewerbsdruck definitionsgemäß gerade nicht mehr ausgesetzt.434 Dennoch wurde bereits dargelegt, dass auch bei fehlendem Wettbewerbsdruck Preissenkungen eines Monopolisten grundsätzlich möglich sind.435 Zuzugeben ist, dass dieses Szenario eher eine Ausnahme bilden dürfte, da es einen Wettbewerbspreis vor der Fusion voraussetzt, der sogar über dem gewinnmaximierenden Monopolistenpreis liegt. Es vermag indes die Formulierung „höchst unwahrscheinlich“ im Sinne von „nicht unmöglich“ zu erläutern. (7) Zeitnahe Realisierung der Effizienzvorteile Effizienzvorteile werden von der Kommission nur dann berücksichtigt, wenn sie sich innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes einstellen.436 Je weiter ihre Reali430 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 79. Siehe Areeda / Hovenkamp / Solow, Antitrust Law IV A, Rdnr. 974a, die zudem geringfügige Effizienzgewinne bereits durch die Existenz einer Eingriffsschwelle abgedeckt sehen. 431 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 84. 432 Ebd. Kritisch Kocmut, E.C.L.R. 2006, 19, 23. 433 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 84. Deutlicher war diesbezüglich noch der Leitlinienentwurf (Fn. 359) vom Dezember 2002, dort Rdnr. 88. Für den potentiellen Wettbewerbsdruck ist insbesondere auf mögliche Marktzutrittsschranken näher einzugehen. In den Erwägungen der Kommission spielt dabei auch die Größe des Marktes eine Rolle, da kleinere Märkte von potentiellen Wettbewerbern schneller zu erobern sind als große, vgl. Zeise, in: Handbuch der Fusionskontrolle, Rdnr. 1302. 434 Insbesondere Böge, WuW 2004, 138, 147; I. Schmidt, WuW 2004, 359; Kapp / Meßmer, EuZW 2005, 161. 435 Bereits Text zu Fn. 41. 436 Im US-amerikanischen Recht reicht der Betrachtungszeitraum je nach Einzelfall von 6 Monaten bis zu 2 Jahren, vgl. Kinne, Effizienzvorteile in der Zusammenschlusskontrolle, S. 149.
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sierung in die Zukunft projiziert wird, desto weniger Gewicht wird ihnen eingeräumt.437 Zu bedenken ist dabei, dass die Zeitspanne mit ausschließlich nachteiligen Fusionswirkungen umso länger dauert, je später die Effizienzgewinne eintreten; die zukünftigen Vorteile müssen die Verbraucher dann auch für die vorteilslose Zeit kompensieren. Bedeutsam ist das Kriterium der zeitnahen Realisierung insbesondere für mittel- und langfristige Innovationseffizienzen, deren Nachweis mit besonderer Unsicherheit behaftet ist.438 So sind zeitliches Eintreten und Nachweisbarkeit der Vorteile eng miteinander verknüpft und unter der Überschrift „Nachprüfbarkeit“ heißt es folglich in Rdnr. 86: „Je weiter die Effizienzvorteile in die Zukunft projiziert werden, desto unwahrscheinlicher ist es, dass die Kommission in der Lage ist, ihr Eintreten festzustellen.“ (8) Anforderung an die Nachweisbarkeit von Effizienzvorteilen und Verteilung der Beweislast Mehrfach betonen die Leitlinien, dass Effizienzvorteile auf Grundlage ausreichender Beweismittel festgestellt werden müssen.439 Zugleich machen sie deutlich, dass es aufgrund ihres Informationsvorsprungs Aufgabe der Zusammenschlussparteien ist, der Kommission die Beweismittel rechtzeitig und vollumfänglich darzulegen.440 Problematisch bezüglich der Beweisanforderungen ist die Tatsache, dass angesichts des im europäischen Zusammenschlussrecht verfolgten präventiven Kontrollverfahrens allen Aussagen über zukünftige Effizienzvorteile zwangsläufig eine Prognose zugrunde liegt. Trotz der Unmöglichkeit von vollständig abgesicherten Effizienzauswirkungen legen die Horizontalleitlinien hier einen strengen Maßstab an und wirken dem offensichtlichen Anreiz der Unternehmen, Effizienzvorteile übertrieben positiv einzuschätzen und darzulegen, damit entgegen.441 In praktischer Hinsicht dürfte die Beweisbarkeit daher eines der schwierigsten Probleme bei der Effizienzberücksichtigung sein. Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 83. Dazu bereits unter (3) sowie Luescher, E.C.L.R. 2004, 72, 84. 439 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnrn. 77, 78, 86 ff. 440 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnrn. 85, 86, 87. Gerade die Formulierung in Rdnr. 87 ist aber nicht eindeutig. Dort heißt es: „Es ist deshalb Sache der Anmelder, rechtzeitig alle erforderlichen Angaben vorzulegen, die nachweisen, dass die behaupteten Effizienzvorteile fusionsspezifisch sind und sich wahrscheinlich einstellen werden. Auch haben die Anmelder darzulegen, in welchem Maße die Effizienzvorteile geeignet sind, den nachteiligen Wirkungen der Fusion auf den Wettbewerb entgegenzuwirken, und damit den Verbrauchern zugute kommen.“ Es ist ein Unterschied, ob die Unternehmen der Kommission lediglich die Informationen für die Effizienzvorteile darlegen oder aber deren erwartetes Eintreten beweisen müssen, vgl. Luescher, E.C.L.R. 2004, 72, 84. Die Informationsasymmetrie zwischen Unternehmen und Kommission rechtfertigt indes die Beweislastverteilung zum Nachteil der Zusammenschlussparteien, vgl. auch Röller / Stennek / Verboven, Efficiency Gains from Mergers, S. 118 m. w. N. 441 Lindsay, The EC Merger Regulation: Substantive Issues, 8 – 16 m. w. N. Zustimmend Böge / Jakobi, BB 2005, 113, 118. Vgl. auch González-Díaz, World Competition 2004, 177, 191. 437 438
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
Die Leitlinien sehen vor, dass die geltend gemachten Vorteile nach Möglichkeit mit Zahlenangaben zu untermauern sind. Dazu können interne Unterlagen ebenso einen Beitrag leisten wie vor der Fusion erstellte Gutachten externer Sachverständiger.442 Gerade der letztgenannte Aspekt veranschaulicht, dass sich in Zukunft der Personalaufwand sowohl für die Unternehmen als auch für die Kommission erhöht.443 Soweit eine verlässliche Quantifizierung von Effizienzvorteilen ausscheidet444 – vorrangig betrifft dies Qualitäts- bzw. Serviceverbesserungen sowie Forschungserfolge – müssen „klar identifizierbare und nicht lediglich marginale positive Wirkungen auf die Verbraucher vorhersehbar sein.“445 Insgesamt kommt es darauf an, dass die Zusammenschlussparteien glaubhaft darlegen, warum die angestrebte Fusion wettbewerbsfördernd oder zumindest wettbewerbsneutral ist und warum sie dazu führen wird, dass die Verbraucher von ihr profitieren.446 Gerade in Bezug auf lediglich qualitativ zu beurteilende Vorteile verbleibt der Kommission hier ein Wertungen eröffnender Beurteilungsspielraum. Dass sie diesen zugunsten spekulativer oder wettbewerbsfremder Einflüsse ausübt, ist angesichts der ihr zukommenden, positiven Begründungspflicht447 und der in den Leitlinien zum Ausdruck gebrachten hohen Anforderungen an berücksichtigungsfähige Effizienzvorteile kaum zu erwarten. Vielmehr erscheint nahe liegend, dass nicht quantifizierbare Effizienzgewinne in praktischer Hinsicht eine deutlich geringere Bedeutung einnehmen werden, als konkret belegbare Größen- und Verbundvorteile. (9) Resümee zu den Horizontalleitlinien Ist der Verordnungstext in Erwägungsgrund Nr. 29 hinsichtlich der Einzelheiten einer verstärkten Effizienzberücksichtigung nur knapp, so gehen die HorizontalHorizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnrn. 86, 88. Kritisch Böge / Jakobi, BB 2005, 113, 119. 444 In jüngerer Zeit wird verstärkt versucht, mittels mathematischer Simulationsmodelle die sogenannten minimum required efficiencies zu ermitteln, die erforderlich sind, um gefundene Marktmachteffekte auszugleichen, vgl. Röller / Stennek / Verboven, Efficiency Gains from Mergers, S. 99 ff., 109 ff. sowie Colley, E.C.L.R. 2004, 342 ff. Die Schwierigkeiten, die derartigen Modellen begegnen, liegen dabei nicht nur in der Fülle der zu ermittelnden Daten, sondern auch in den zu treffenden Annahmen, etwa über Verbraucherpräferenzen, Weitergaberaten oder Reaktionen von Konkurrenzunternehmen auf Preiserhöhungen der fusionierten Einheit, vgl. auch Dubow / Elliot / Morrison, E.C.L.R. 2004, 114, 116 f. Können die getroffenen Annahmen durch Beobachtungen und Daten jedoch einigermaßen abgesichert werden, erlauben die Simulationsmodelle immerhin eine grobe Abschätzung der Fusionsauswirkungen. 445 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 86. 446 Lindsay, The EC Merger Regulation: Substantive Issues, 8 – 16, Fn. 85; Ehricke, in: FK, Bd. III EG-Kartellrecht, Art. 2 FKVO Rdnr. 242 a.E. 447 Vgl. Art. 253 EG. Danach sollte die Kommission auf Ausmaß und Bedeutung der Vorteile im Einzelfall explizit eingehen. Je transparenter sich der Bewertungsprozess der Kommission gestaltet, desto niedriger ist auch das Risiko von spekulativen und politischen Einflüssen. Zum Umfang der Begründungspflicht der Kommission Schoo, in: Schwarze, EUKommentar, Art. 253 Rdnr. 7. 442 443
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leitlinien ungleich ausführlicher auf die Thematik ein. Zwar fehlt ihren Aussagen eine rechtsverbindliche Wirkung, gleichwohl enthalten sie wichtige Hinweise für die von der Kommission in dieser Frage beabsichtigten Herangehensweise. Insgesamt verdeutlichen die Leitlinien hohe Anforderungen an den Nachweis von Effizienzgewinnen, was besonders für das starke Weitergabekriterium, die Zusammenschlussspezifität sowie die Frage der Nachprüfbarkeit von Existenz und Ausmaß derartiger Vorteile gilt; die genannten Voraussetzungen müssen überdies kumulativ gegeben sein.448 Die Unterscheidung zwischen variablen und Fixkosten, der Ansatz einer „gleitenden Skala“ sowie die bevorzugte Einbeziehung kurzfristiger Größen- und Verbundvorteile gegenüber langfristigen Innovationseffizienzen veranschaulichen die hohen Hürden an die Nachprüfbarkeit, die das Risiko von Fehlern der ersten Kategorie – eine Fusion wird erlaubt, obwohl sie wohlfahrtsschädliche Auswirkungen hat – weitgehend ausschließen sollen. Der in den Leitlinien klar zum Ausdruck kommenden Präferenz der Kommission zugunsten einer einstufigen, wettbewerblichen Gesamtabwägung kann zugute gehalten werden, dass ein unerwünschter, immerhin denkbarer Einfluss außerwettbewerblicher, spekulativer Gesichtspunkte zurückgedrängt wird. Die dafür in Kauf genommene verringerte Transparenz bei der Effizienzberücksichtigung sollte durch die Pflicht der Kommission zur ausführlichen Begründung kompensiert werden. Wenngleich umfängliche Klarheit durch die Leitlinien angesichts der Komplexität der Thematik nicht erwartet werden konnte, so hätte doch eine weitergehende Hierarchie der einzelnen Effizienzvorteile das Maß an Vorhersehbarkeit der Anwendung noch erhöhen können.449 Dennoch sind die Horizontalleitlinien in ihrer deutlichen Tendenz zu begrüßen;450 ob sich die Praxis der Kommission hinsichtlich der Effizienzberücksichtigung maßgeblich ändern wird, ist angesichts der hohen Hürden allerdings durchaus fraglich. bb) Leitlinien zur Bewertung nicht-horizontaler Zusammenschlüsse Nach vierjähriger Vorlaufzeit hat die Kommission im November 2007 eine endgültige Fassung der Leitlinien für nicht-horizontale Zusammenschlüsse veröffentlicht.451 Darin wird erkennbar, dass die Kommission bei vertikalen und konHorizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 78. Vgl. hierzu die Leitlinien N / 02 / 004 der Irish Competition Authority, abzurufen unter www.tca.ie sowie in Teilen abgedruckt bei Lindsay, The EC Merger Regulation: Substantive Issues, 8 – 21 in Fn. 8, die unter den Ziffern 5.10 ff. eine weitergehende Trennung von berücksichtigungsfähigen und nicht berücksichtigungsfähigen Effizienzvorteile vornehmen. 450 Trotz aller Kritik auch Kocmut, E.C.L.R. 2006, 19, 26 f. 451 Die Leitlinien zur Bewertung nicht-horizontaler Zusammenschlüsse vom 28. 11. 2007 können abgerufen werden unter http: // ec.europa.eu / comm / competition / mergers / legislation / nonhorizontalguidelines.pdf. In der Folge werden sie vereinfachend als Vertikalleitlinien bezeichnet. Eine erste Ankündigung der Vertikalleitlinien war bereits 2003 erfolgt, vgl. Presseerklärung der Kommission IP / 03 / 1621 vom 27. 11. 2003. 448 449
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
glomeraten Fusionen mehr Spielraum für Effizienzvorteile sieht, da die Aktivitäten oder Produkte der Zusammenschlussparteien ergänzenden Charakter hätten und bereits dadurch erhebliche Vorteile mit sich bringen könnten.452 (1) Effizienzvorteile nicht-horizontaler Fusionen und die Art und Weise ihrer Einbeziehung Hinsichtlich der konkreten Umsetzung der Einbeziehung von Effizienzvorteilen in die Zusammenschlussbewertung verweisen die Vertikalleitlinien weitgehend auf die dargelegten Horizontalleitlinien. 453 Bei der Prüfung der Verbraucherbeteiligung, der Zusammenschlussspezifität sowie der Nachweisbarkeit der Effizienzgewinne ist derselbe Maßstab zugrundezulegen wie auch im Falle von horiontalen Fusionen. Eine Änderung ergibt sich hingegen mit Blick auf den unteren Schwellenwert, unterhalb dessen bei nicht-horizontalen Zusammenschlüssen die Kommission ein pauschales Überwiegen der Vor- gegenüber den Nachteilen vermutet. Mit einem fusionsbedingten Marktanteil von 30 % liegt diese Schwelle etwas höher als im Falle von rein horizontalen Fusionen (25 %) und veranschaulicht damit eine insgesamt wohlwollendere Haltung der Kommission gegenüber nicht-horizontalen Zusammenschlüssen.454 Die Vertikalleitlinien zeigen beispielhaft auf, welche möglichen Quellen von Effizienzvorteilen im Rahmen von vertikalen und konglomeraten Zusammenschlüssen von der Kommission besonders ins Auge gefasst werden. Verwiesen wird so auf die Möglichkeit eines Unternehmens, durch vertikale Integration die Preise für ein bestimmtes Produkt auf der Endvertriebsstufe zu senken und durch die daraus resultierende, insgesamt höhere Nachfrage auf der Herstellungsebene – durch eine größere Absatzmenge – in der Gesamtsumme zu profitieren.455 Wenn die Absatzzunahme auf diesem Wege zu einer Gewinnsteigerung des integrierten Unternehmens beiträgt, so könnte ein solches Unternehmen nicht nur motiviert sein, die Preise zu senken, sondern auch verstärkt Verbesserungen hinsichtlich weitererer Wettbewerbsfaktoren – etwa Service, Kundeninformation und Innovation – zu erzielen. Dadurch entstehende Vorteile auf vor- bzw. nachgelagerten Produktionsstufen könnten einen größeren Anreiz zu einem solchen Verhalten darstellen als bisher.456 Weiter werden in den Vertikalleitlinien die Reduzierung von Transaktionskosten sowie die Möglichkeit besserer Koordination hinsichtlich Produktdesign, Produktions- und Vertriebsabläufen als mögliche Vorteile vertikaler Integration angeführt.457 Auch könnten Effizienzgewinne dadurch enstehen, dass sich ergänzende 452 453 454 455 456 457
Vertikalleitlinien (Fn. 451), Rdnr. 13. Vertikalleitlinien (Fn. 451), Rdnrn. 52 f., 115. Vertikalleitlinien (Fn. 451), Rdnr. 25. Dazu bereits auch oben Fn. 116 und 117. Vertikalleitlinien (Fn. 451), Rdnr. 13 und 57. Vertikalleitlinien (Fn. 451), Rdnr. 14.
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oder regelmäßig von denselben Abnehmergruppen nachgefragte Produkte stärker gemeinsam vertrieben werden können; insbesondere die Verbraucher profitierten von derartigen Vorteilen des „one-stop-shopping“.458 Bei konglomeraten Fusionen, die wettbewerbsrechtlich in der Mehrzahl ohnehin als weniger nachteilhaft eingestuft werden,459 können spezifische, positive Auswirkungen aus zusammenschlussbedingten Verbundvorteilen resultieren, die zudem verhältnismäßig einfach zu belegen sind.460 Eine bessere Kompatibilität und Qualitätskontrolle sich ergänzender Produkte können direkte Vorteile für die Verbraucher bringen.461 (2) Resümee zu den Leitlinien für nicht-horizontale Zusammenschlüsse Die neuen Leitlinien belegen ausdrücklich, dass die Kommission nunmehr auch im Bereich der Fusionskontrolle klarer zwischen den Auswirkungen horizontaler und nicht-horizontaler Unternehmensverbindungen differenziert. Dabei werden – ähnlich wie im Falle von Unternehmensvereinbarungen – nicht-horizontale Fusionen insgesamt weniger kritisch bewertet als horizontale Zusammenschlüsse. Gleichwohl vermeiden die Vertikalleitlinien den Eindruck, dass nicht-horizontale Zusammenschlüsse nur in Ausnahmefällen nachteilige Wirkungen auf den Wettbewerb ausüben. So gehen sie ausführlich auf die Möglichkeiten und Motivation der Fusionsparteien ein, vor- und nachgelagerte Märkte durch vertikale Integration gegenüber Wettbewerbern abzuschotten462 Auffällig ist dabei, dass die Kommission gerade mit der detaillierten Darlegung der Anreize für wettbewerbschädliches unternehmerisches Handeln dem wiederholt von den europäischen Gerichten geäußerten Vorwurf463 zu begegnen versucht, ihre Entscheidungen seien ökonomisch zu wenig fundiert. Bezüglich der Einbeziehung von Effizienzvorteilen lassen die Leitlinien jedoch eine vorsichtige Herangehensweise erkennen, die weitgehend auf die Horizontalleitlinien verweist und jedenfalls nicht über den dort gezeichneten Ansatz hinausreicht.464 Mit Blick auf die beschriebenen Abschottungseffekte fallen die Ausführungen zu möglichen Effizienzgewinnen zwar vergleichsweise knapp aus, gleichwohl lassen sie erkennen, dass nach Auffassung der Kommission bei nicht-horizontalen Zusammenschlüssen die zu erwartenden Effizienzen typiVertikalleitlinien (Fn. 451), Rdnr. 14. Eine gegenüber konglomeraten Fusionen zurückhaltende Position offenbart der EuGH in seiner Entscheidung vom 15. 2. 2005, Rs. C-12 / 03, Slg. 2005 I-987 „Kommission / Tetra Laval“, Rdnr. 24, 40 f.; vgl. ferner die Vertikalleitlinien (Fn. 451), Rdnr. 92. Zum Ganzen Schwaderer, ZWeR 2007, 482. 460 Dazu bereits oben I. 3. b) bb). 461 Vertikalleitlinien (Fn. 451), Rdnr. 118. 462 Vertikalleitlinien (Fn. 451), Rdnrn. 29 ff. Ferner dazu Immenga / Körber, in: Immenga / Mestmäcker, EG-WbR I / 2, Art. 2 FKVO, Rdnrn. 504 ff. 463 Vgl. insoweit die Nachweise in Fn. 285. 464 Kritisch hierzu Svetlicinii, World Competition 2007, 403, 410; Schwaderer, ZWeR 2007, 482, 507 ff. 458 459
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
scherweise neben kurzfristigen Kostengewinnen auch verstärkt in Gestalt längerfristiger, dynamischer Vorteile anfallen. Die insoweit besonders hohe Hürde der Beweislast für zusammenschlussbedingte, qualitative Vorteile liegt auch hier, wie der pauschale Verweis auf die Horizontalleitlinien zeigt, bei den Fusionsparteien. Gleichwohl könnten die in den Leitlinien dargelegten Beispiele für nichthorizontale Effizienzgewinne möglicherweise dazu beitragen, dass – vor dem Hintergrund der jeweiligen Motivation für eine vertikale Integration – der Nachweis längerfristigerer Vorteile im Rahmen nicht-horizontaler Fusionen leichter gelingt als bei Zusammenschlüssen zwischen zwei Unternehmen auf derselben Produktionsstufe. 3. Zusammenfassung und Stellungnahme zur Effizienzberücksichtigung in der VO Nr. 139 / 2004 Die verstärkte Einbeziehung wirtschaftlicher Effizienzvorteile in das europäische Fusionskontrollrecht ist zunächst schon deswegen zu begrüßen, als durch die nunmehr geltende Verordnung Nr. 139 / 2004 und die veröffentlichten Horizontalleitlinien die bislang unklare und ambivalente Anwendungspraxis der Kommission zumindest in der Theorie in eine eindeutige Richtung gewendet wurde. Effizienzvorteile werden demnach nicht zu Lasten der Zusammenschlussparteien bewertet, sondern können – unter freilich strengen Voraussetzungen – im Einzelfall zur Freigabe eines ansonsten wettbewerbsschädlichen Zusammenschlusses führen. Zu begrüßen ist die verstärkt einzelfallorientierte Effizienzbetrachtung auch deshalb, weil sie dazu führt, dass die Kommission umfangreiche Informationen über die wirtschaftlichen Hintergründe, die Unternehmensstrategien und die Beweggründe der Zusammenschlussparteien erhält und ihr dadurch eine insgesamt präzisere rechtliche Würdigung ermöglicht wird.465 Aus ökonomischem Blickwinkel ist die Berücksichtigung von Effizienzvorteilen ohnehin wünschenswert, da sie die Kommissionsentscheidungen ökonomisch besser fundiert und im besten Fall alle wohlfahrtsmindernden Fusionen untersagt, bzw. alle wohlfahrtssteigernden Fusionen genehmigt. Das Fehlerrisiko – von Fehlern der ersten und zweiten Kategorie – wird durch eine flexible Einzelfallprüfung verringert. Diesen unbestrittenen Vorteilen stehen allerdings nicht unerhebliche Nachteile gegenüber, die sich in erster Linie auf die Praktikabilität der einzelfallorientierten Effizienzwürdigung beziehen. So erfordert die Ermittlung der für die Einzelfallanalyse notwendigen Informationen bzw. deren Überprüfung einen hohen personellen und finanziellen Aufwand. Zudem sind die in den Horizontalleitlinien verankerten Anforderungen zwar im Ganzen streng, andererseits aber auch wiederum vage, so dass selbst bei einer umfangreichen Darlegung der erforderlichen Informationen eine tatsächliche Berücksichtigung der Effizienzvorteile nicht stets 465 Khemani, in: Drauz / Reynolds, EC Merger Control, A Major Reform in Progress, S. 197, 198.
III. Die europäische Fusionskontrollverordnung Nr. 139 / 2004
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auch auf vorhersehbare Weise möglich ist. Rechtssicherheit wird damit zunächst nicht erhöht und es ist abzuwarten, in welche Richtung sich die Entscheidungspraxis der Kommission hier wenden wird. Weitere Schwierigkeiten bestehen hinsichtlich der Berechenbarkeit von Effizienzgewinnen. Gerade die von einer dynamischen Komponente geprägten Effizienzen sind regelmäßig nicht quantifizierbar, so dass deren Einbeziehung in die Abwägung weitgehend im Ermessen der Kommission liegt. Dynamische Effizienzvorteile sollten nur dann eine – zumal untergeordnete – Rolle einnehmen, wenn zurückhaltend-konservative Schätzungen deren Eintreten mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersehen.466 Dabei können sich bereits vor der Fusion überschneidende Forschungsabteilungen der Zusammenschlussparteien ebenso als Indiz zu sehen sein, wie etwa die Innovationstätigkeit auf den betroffenen Märkten insgesamt. Problematisch und weitgehend ungeklärt ist die Frage, was geschehen soll, wenn die prognostizierten Effizienzvorteile nicht oder nicht in dem erwarteten Ausmaß eintreten. Ist der Zusammenschluss bereits vollzogen, müssten derartige Fusionen rückabgewickelt werden, um den Schaden für den Wettbewerb nicht auf Dauer zu vertiefen. Hierzu ist zunächst grundsätzlich zu bedenken, dass das Risiko fehlerhafter Prognosen auch im Rahmen der bisherigen Fusionspraxis bestand, es dem Präventionscharakter des Kontrollverfahren zwingend anhaftet und daher bereits mit dem bisherigen, vorrangig strukturorientierten Ansatz Fehler der ersten und zweiten Kategorie mit den Entscheidungen der Kommission einhergingen.467 Entscheidend ist folglich nicht allein, welches Modell – „general presumptions approach“ oder teilweise Einzelfallanalyse – weniger fehleranfällig ist, sondern auch, welche Fehler in der Summe weniger schwer wiegen.468 Empirische Untersuchungen der jüngeren Zeit haben gezeigt, dass nur etwa jede zweite Fusion in mittelfristiger Perspektive auch die angestrebte Effizienzsteigerung erbringt, die fusionsbedingten Synergiepotentiale mithin nicht immer auch ausgeschöpft werden.469 Dieser Befund legt immerhin einen vorsichtigen Umgang mit pauschalen Effizienzabgeltungen nahe. Wenn die Unternehmen andererseits gehalten sind, das konkrete Effizienzpotential einer Fusion vorab zu belegen, kann dies – von Übertreibungsanreizen abgesehen – auch dazu führen, dass sie intern diesbezüglich eine gewissenhafte Untersuchung vornehmen. Eine solch interne Prüfung ist umso mehr angezeigt, als die Kommission nunmehr grundsätzlich die Entflechtung der Fusion anordnen470 bzw. ihre vorherige Vgl. oben unter I. 1. e) cc). Siehe Fn. 159 f. 468 Schmidtchen, WuW 2006, 6, 16 f. 469 Kleinert / Klodt, in: Oberender, Megafusionen, S. 9, 17. Je größer der Zusammenschluss und je größer das übernommene Unternehmen im Verhältnis zum Erwerber ist, desto zweifelhafter wird regelmäßig die effizienzsteigernde Wirkung der Fusion, vgl. Budzinski / Kerber, Megafusionen, S. 45. Weiterführend auch I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 105 ff. und dritter Abschnitt, I. 3. b). 470 Art. 8 Abs. 4 lit. b), 1. Spiegelstrich VO Nr. 139 / 2004. 466 467
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1. Abschn.: Effizienzvorteile in der europäischen Fusionskontrolle
Genehmigungsentscheidung unter bestimmten Umständen widerrufen kann.471 Haben sich die erwarteten Effizienzvorteile nicht hinreichend realisiert, bedeutet dies zwar nicht zwingend, dass auch die Voraussetzungen für derart einschneidende Maßnahmen erfüllt sind. Selbst im Falle der rechtlichen Zulässigkeit kann die Entflechtung, die regelmäßig auch Interessen Dritter berührt und eine Fusion faktisch nicht ungeschehen macht, aufgrund möglicher volkswirtschaftlicher Kosten zudem nur ultima ratio sein.472 Dennoch kann bereits die glaubhafte Entflechtungsandrohung abschreckend auf leichtfertige Zusammenschlüsse wirken.473 Um die Weitergabe der Effizienzvorteile sicherzustellen, kann die Kommission auf Auflagen und Bedingungen als Abhilfemaßnahme zurückgreifen.474 Im Vordergrund stehen hier verhaltensbezogene Zusagen, deren generelle Eignung – in Abgrenzung zu strukturbezogenen Zusagen – wegen einer dauerhaften Unternehmenskontrolle durchaus kritisch bewertet wird.475 Gerade in jüngerer Zeit hat die Kommission aber gezeigt, dass sie – zumal bestärkt durch das Gericht Erster Instanz476 – vermehrt auch auf verhaltensbezogene Auflagen zurückgreift.477 Erhöht sich damit zwar die Regulierungsdichte für die Unternehmen, so könnten gerade sie eine fortlaufende Kontrolle zugunsten einer einzelfallorientierten Effizienzwürdigung in Kauf nehmen, wenn dadurch anderfalls zu untersagende Zusammenschlüsse genehmigt werden können. Hinsichtlich der aufgezeigten Schwierigkeiten ist schließlich anzumerken, dass die Kommission im Bereich der Fusionskontrolle den Umgang mit prognostizierArt. 8 Abs. 6 VO Nr. 139 / 2004. Dieser Aspekt ist zugleich eines der wesentlichen Argumente gegen das von Scherer / Ross vorgeschlagene Umsetzungsmodell, nachdem eine erneute Überprüfung der Fusion nach dreijähriger „Probezeit“ über die endgültige Genehmigung entscheiden soll, vgl. Röller / Stennek / Verboven, Efficiency Gains from Mergers, S. 119. 473 Schmidtchen, WuW 2006, 6, 15. 474 Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 139 / 2004. 475 Immenga / Körber, in: Immenga / Mestmäcker, EG-WbR I / 2, Art. 8 FKVO, Rdnrn. 143 ff. Vgl. aber auch Schroeder, in: Schwerpunkte des Kartellrechts 2002, S. 83, 92, der auf die Schwierigkeiten der Unterscheidung sowie auf eine bereits bestehende Zusagenpraxis der Kommission verweist. Ferner Paas, E.C.L.R. 2006, 209 ff. 476 EuG vom 25. 3. 1999, Rs. T-102 / 96, Slg. 1999 II-753 „Gencor / Kommission“, Rdnr. 319 f.: Demnach kann das Nichtverwenden einer Marke für einen längeren Zeitraum eine geeignete Zusage sein, die das Entstehen oder Verstärken einer marktbeherrschenden Stellung verhindert und daher von der Kommission zu berücksichtigen ist. Vgl. auch EuG vom 25. 10. 2002, Rs. T-5 / 02, Slg. 2002 II-4389 „Tetra Laval / Kommission“ (weitgehend bestätigt durch EuGH vom 15. 2. 2005, Rs. C-12 / 03, Slg. 2005 I-987 „Kommission / Tetra Laval“), dazu Denzel, BB 2005, 1062, 1066. 477 Etwa in den Entscheidungen zu den Fusionen Air France / KLM (Presseerklärung der Kommission IP / 04 / 194 vom 11. 2. 2004) sowie Lufthansa / Swiss (Presseerklärung der Kommission IP / 05 / 837 vom 5. 7. 2005): „Die die Slots betreffende Verpflichtungszusage geht mit Maßnahmen einher, denen zufolge Lufthansa darauf verzichtet, ihr geplantes Flugangebot auf den betreffenden Strecken zu erhöhen, um einem neuen Anbieter eine faire Chance zu geben, auf dem Markt Fuß zu fassen.“ Zur Kommissionspraxis vgl. auch Went, E.L.C.R. 2006, 455 ff. 471 472
III. Die europäische Fusionskontrollverordnung Nr. 139 / 2004
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ten Auswirkungen seit jeher gewohnt ist. Eine Beweisbarkeit im naturwissenschaftlichen Sinne ist auch hinsichtlich der prognostizierten, negativen Auswirkungen eines Zusammenschlusses nicht möglich, wenn die Kommission mit einer Untersagungsentscheidung mitunter schwerwiegend in die unternehmerische Freiheit der Zusammenschlussparteien eingreift. Wenn aber für die Beschreibung der wettbewerbsschädlichen Auswirkungen einer Fusion Prognosen als ausreichend erachtet werden, denen zwangsläufig eine spekulative Komponente innewohnt, ist schwerlich einzusehen, warum ein vergleichbares Maß an Vorhersehbarkeit nicht auch bezüglich der wettbewerbsfördernden Auswirkungen der Fusionen anzuerkennen ist. Blickt man auf die aufgezeigten Probleme der Praktikabilität in einem erweiterten Kontext, so fällt schnell auf, dass die bereits angesprochene Regelung des Art. 81 EG eine zumindest auf den ersten Blick vergleichbare Problematik aufweist. Sollte sich dieser Eindruck verfestigten, so ließe sich argumentieren, dass die Kommission bereits in der Vergangenheit wiederholt bewiesen hat, dass sie zu einer detaillierten Ermittlung und Abwägung der Vor- und Nachteile einer den Wettbewerb beeinträchtigenden Maßnahme – im Rahmen des Art. 81 EG sind dies Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen – in der Lage ist und auch angesichts dieses Umstands eine weniger skeptische Betrachtung der Effizienzwürdigung in der Fusionskontrolle gerechtfertigt ist. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass zum einen die hohen Anforderungen, die an eine Effizienzanalyse gestellt werden478 und die einen Einfluss rein spekulativer Aspekte weitgehend ausschließen, sowie zum anderen die Nähe der Einzelfallanalyse im Fusionskontrollrecht zu jener langjährig praktizierten Regelung im Kooperationskontrollrecht, die bestehenden Zweifel an der Praktikabilität einer einzelfallorientierten Effizienzanalyse auf ein erträgliches Maß reduzieren könnten. Geben die zu Art. 81 Abs. 3 EG gefundenen Ergebnisse Hinweise auch für die Handhabung von Effizienzen in der Fusionskontrolle, könnte damit nicht nur Bedenken bezüglich der Rechtssicherheit begegnet werden, sondern zugleich auch die unbestrittenen Vorteile einer detaillierten Effizienzwürdigung zur Geltung gebracht werden.
478 Röller, in: Zukunftsperspektiven der Wettbewerbspolitik, S. 37, 40: „Die relativ strengen Beweisanforderungen, die an eine Berücksichtigung von Effizienzvorteilen gestellt werden, garantieren einen sparsamen Einsatz dieses Instruments“.
Zweiter Abschnitt
Effizienzvorteile im Rahmen des Art. 81 EG I. Die Freistellungsregelung des Art. 81 Abs. 3 EG Anders als die 1989 verabschiedete europäischen Fusionskontrolle besteht die Regelung über das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen bereits seit Inkrafttreten des EWG Vertrages am 1. 1. 1958. Im Entstehungsprozess der Wettbewerbsregeln bildete sie lange Zeit den Gegenstand eines Streits, der sich zwischen den Anhängern eines Verbotsprinzips – alle Kartelle sind grundsätzlich verboten und werden nur ausnahmsweise durch eine konstitutive Genehmigung erlaubt – und denjenigen eines Missbrauchsprinzips – Kartelle sind grundsätzlich erwünscht und erlaubt und sollen nur im Missbrauchsfall untersagt werden können – abspielte.479 Die gefundene Lösung des damaligen Art. 85 EWG (jetzt Art. 81 EG) wurde überwiegend als Verbotsprinzip mit Ausnahmevorbehalt interpretiert und diese Auffassung durch die 1962 verabschiedete Verfahrensverordnung Nr. 17 / 62480 weitgehend bestärkt.481 Mit Einführung der seit dem 1. 5. 2004 geltenden Nachfolgeverordnung Nr. 1 / 2003482 vollzog sich hinsichtlich der Auslegung des Art. 81 Abs. 3 EG allerdings ein einschneidender Richtungswechsel.483
1. Art. 81 Abs. 1 und 3 EG als einheitliche Regelung Gem. Art. 81 Abs. 1 EG sind horizontale und vertikale Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen verboten, die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und die eine Verhinderung, Ein479 Siehe dazu Hoeren, in: Festschrift für Großfeld, S. 405, 413 ff. Vgl. zudem Schulze / Hoeren, Dokumente zum Europäischen Recht, Bd. 3, Dokument 59, S. 179. 480 Verordnung (EWG) Nr. 17 / 62 des Rates vom 6. 2. 1962: Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages, ABl.EWG 1962 Nr. P 13, S. 204. 481 Nachweise bei Mailänder, in: Gemeinschaftskommentar (3. Auflage), Art. 85 Rdnr. 52; Gleiss / Hirsch, EG-Kartellrecht, Art. 85 (3), Rdnr. 1779 sowie Bunte, in: Langen / Bunte, Art. 81 – Generelle Prinzipien, Rdnr. 146 (9. Auflage). 482 Verordnung (EG) Nr. 1 / 2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrages niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl.EG 2003 Nr. L 1, S. 1. 483 Dazu näher unter III.
I. Die Freistellungsregelung des Art. 81 Abs. 3 EG
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schränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt bezwecken oder bewirken. Die weit reichende Vorschrift enthält indes kein absolutes Verbot. Eingeschränkt wird sie insbesondere durch Art. 81 Abs. 3 EG, wonach Abs. 1 für nicht anwendbar erklärt werden kann, wenn Vereinbarungen484 kumulativ die vier Voraussetzungen des Abs. 3 erfüllen. In systematischer Hinsicht bilden beide Absätze eine Einheit, wobei das Verbot einer unter Abs. 1 fallenden Vereinbarung die Regel, die Freistellung nach Abs. 3 hingegen die Ausnahme darstellt. Mit der Regelung des Art. 81 Abs. 3 EG wird anerkannt, dass nicht alle Vereinbarungen, die die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllen, auch als schädlich zu untersagen sind, vielmehr, dass unbeschränkter Wettbewerb allein nicht immer auch zu bestmöglichen Ergebnissen führt. Die Vorteile, die mit einer Absprache von zwei selbständigen Unternehmen einhergehen, können im Rahmen einer vorzunehmenden Abwägung deren wettbewerbsbeschränkende Wirkungen unter bestimmten Umständen übertreffen. Die im Grundsatz klare Trennung des Verbots- von dem Ausnahmetatbestand im Rahmen des Art. 81 EG verdeutlicht die formale Zweistufigkeit der wettbewerblichen Prüfung: Nachdem die zu entscheidende Stelle die Wettbewerbsschädlichkeit der Vereinbarung festgestellt hat, geht sie in einem zweiten Schritt auf das Verteidigungsvorbringen der betroffenen Unternehmen ein, die darzulegen haben, dass die nachteiligen Wirkungen der getroffenen Abrede im Ergebnis von deren vorteilhaften Wirkungen zumindest ausgeglichen werden können.485 Sieht man von derartigen Umsetzungsmodalitäten im Einzelnen ab, so wird eine grundlegende Ähnlichkeit mit der dargelegten Problematik im Fusionskontrollrecht bereits an dieser Stelle offenkundig. 2. Zweck der Ausnahmeregelung des Art. 81 Abs. 3 EG Art. 81 Abs. 3 EG dient als Korrektiv von Art. 81 Abs. 1 EG. Dies ist deswegen begründet, da die weit reichende Norm des Abs. 1 zwar einerseits Fallgestaltungen erfasst, bei denen die strenge Nichtigkeitsfolge nach Abs. 2 ohne weiteres angemessen scheint – zu denken ist an Preis- oder Quotenkartelle unter Konkurrenten –, aufgrund der weiten Formulierung aber ebenso solche Fallgestaltungen, bei denen die Intensität einer Wettbewerbsbeeinträchtigung nicht in gleicher Pauschalität angenommen werden kann – verwiesen sei etwa auf Forschungs- und Entwicklungskooperationen zwischen Wettbewerbern oder auf Absprachen betreffend den exklusiven Vertrieb besonders beratungsintensiver Produkte. Betrachtet man beide 484 Der Verwendung des Begriffes Vereinbarungen bezieht sich in der Folge stets auch auf die in Art. 81 EG mitgenannten Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen. 485 Zur Beweislast bereits EuGH vom 17. 1. 1984, verb. Rs. 43 und 63 / 82, Slg. 1984, 19 „VBVB und VBBB / Kommission“ Rdnr. 11; EuG vom 9. 7. 1992, Rs. T-66 / 89, Slg. 1992, II-1995 „Publishers Association / Kommission“ Rdnr. 74. Ausdrücklich nunmehr auch Art. 2 VO Nr. 1 / 2003.
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2. Abschn.: Effizienzvorteile im Rahmen des Art. 81 EG
Absätze des Art. 81 EG zusammen, so enthalten sie letztlich alle Elemente einer „rule of reason“.486 Diese dem US-amerikanischen Kartellrecht entstammende Regel hat es – als Begrenzung eines noch weiterreichenden Tatbestandes487 – zum Ziel, nur solche Vereinbarungen zu untersagen, die bereits auf Tatbestandsebene als „unreasonable restraints“ eingeordnet werden.488 In Abgrenzung zum USRecht ist eine Abwägung der positiven mit den negativen Auswirkungen einer Vereinbarung im europäischen Recht dagegen schon formal in zwei getrennt zu prüfende Schritte aufgeteilt, und gerade die Existenz des Art. 81 Abs. 3 EG dient den zahlreichen Gegnern einer auf Tatbestandsebene angesiedelten „rule of reason“ im europäischen Recht folglich immer wieder als vorrangigstes Argument.489 Die überwiegende Ablehnung einer europäischen „rule of reason“ hat aber nicht dazu geführt, dass wettbewerbsfördernde Auswirkungen von Vereinbarungen im Rahmen des Art. 81 Abs. 1 EG bislang gänzlich unbeachtet geblieben sind. Bevor daher auf die Funktion des Art. 81 Abs. 3 EG näher einzugehen ist, soll kurz dargelegt werden, dass die Trennung der Abs. 1 und 3 in der praktischen Anwendung keineswegs so klar ist, wie sie in theoretischer Hinsicht zunächst erscheint. a) Wettbewerbsfördernde Gesichtspunkte bereits unter Art. 81 Abs. 1 EG? aa) Rechtsprechung der europäischen Gerichte Insbesondere die Rechtsprechung der europäischen Gerichte hat in der Vergangenheit zur Bildung von Fallgruppen geführt, auf welche die Vorschrift des Art. 81 Abs. 1 EG trotz ihres zunächst einschlägig erscheinenden Wortlauts nicht angewendet wurde.490 Nicht näher berücksichtigt werden hier diejenigen Vereinbarungen, denen von vornherein keine wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen zukommen,491 bzw. solche Abreden, die den Wettbewerb nicht „spürbar“ zu be486 Kjølbye, E.C.L.R. 2004, 566. Ähnlich Kommission, Weißbuch über die Modernisierung der Vorschriften zur Anwendung der Art. 85 und 86 EG, ABl.EG 1999 Nr. C 132, S. 1, Rdnr. 57. 487 Section 1 des Sherman Acts (1890): „Every contract, combination in the form of trust or otherwise, or conspiracy, in restraint of trade or commerce among the several States, or with foreign nations, is declared to be illegal. [ . . . ].“ 488 Mayer, Ziele und Grenzen des Kartellverbots, S. 74 ff.; Roth / Ackermann, in: FK, Bd. II EG-Kartellrecht, Grundfragen Art. 81 Abs. 1 Rdnrn. 254 ff. m. w. N. 489 EuG vom 23. 10. 2003, Rs. T-65 / 98, Slg. 2003, II-4653 „Van der Bergh Foods / Kommission“ Rdnrn. 106 f.; EuG vom 18. 9. 2001, Rs. T-112 / 99, Slg. 2001, II-2459 „M6 u. a. / Kommission“ Rdnrn. 74 ff.; Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, EG-WbR I / 1, Art. 81 Abs. 1, Rdnr. 249; Schröter, in: Schröter / Jakob / Mederer, Art. 81 Abs. 1 Rdnr. 108. 490 Überblick bei Roth / Ackermann, in: FK, Bd. II EG-Kartellrecht, Grundfragen Art. 81 Abs. 1 Rdnrn. 255 ff. Siehe auch der Schlussantrag des Generalanwalts Léger vom 10. 7. 2001, Rs. C-309 / 99, Slg. 2002, I-1577 „Wouters“, Rdnr. 103, wo es ausdrücklich heißt, dass „der Gerichtshof in einigen Urteilen die rule of reason in beschränktem Umfang angewandt hat“. 491 Vgl. etwa die umfangreiche Bekanntmachung der Kommission vom 6. 1. 2001: Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 81 EG-Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale
I. Die Freistellungsregelung des Art. 81 Abs. 3 EG
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einträchtigen geeignet sind, was als anerkannte, ungeschriebene materiellrechtliche Eingriffsschwelle letztlich nichts anderes bedeutet, als dass unterhalb dieser Hürde alle positiven Auswirkungen einer Vereinbarung bereits pauschal abgegolten sind.492 Von größerem Interesse sind hier dagegen diejenigen Fallgestaltungen, bei denen nach Ansicht von Kommission und Gerichten die zweifellos nachteiligen Effekte der Vereinbarung bereits auf Ebene des Art. 81 Abs. 1 EG durch solche Vorteile überkompensiert werden, deren abwägende Inrechnungstellung nach einen unbefangenen Blick unter Art. 81 Abs. 3 EG möglicherweise weitaus näher läge. Dabei ist zunächst auf die wettbewerbsbeschränkenden Nebenabreden zu einem wettbewerbsneutralen Hauptzweck zu verweisen, zu denen die Rechtsprechung insbesondere Wettbewerbsverbote zu Lasten des Verkäufers bei Unternehmensverkäufen zählt:493 Die Bewertung derartiger Absprachen läuft – in einschränkender Auslegung des Art. 81 Abs. 1 EG – parallel zu der Bewertung der Hauptvereinbarung, wenn sie mit solchen Hauptmaßnahmen unmittelbar verbunden sind und sich für deren Durchführung zugleich objektiv als notwendig und verhältnismäßig erweisen.494 Die Begründung des Gerichtshofs in der Entscheidung „Remia“ lässt erkennen, dass die wettbewerbsbeschränkende Nebenabrede zugunsten der grundsätzlich wettbewerbsfördernden Wirkung von Unternehmensverkäufen in Kauf genommen wird und damit tatsächlich eine Gewichtung der vor- und nachteiligen Wirkungen bereits auf Ebene des Art. 81 Abs. 1 EG stattzufinden scheint: „Die im Rahmen eines Kaufvertrages über ein Unternehmen vereinbarten Wettbewerbsverbote bieten somit grundsätzlich die Gewähr dafür, dass eine effektive Unternehmensübertragung möglich ist. Sie tragen dadurch zu einer Vermehrung der auf dem betreffenden Markt tätigen Unternehmen und damit zu einer Verstärkung des Wettbewerbs bei.“495
Vermag man die Gesamtwürdigung einer Vereinbarung im Falle wettbewerbsbeschränkender Nebenabreden noch mit einem untrennbaren Zusammenhang von Haupt- und Nebenabrede und insbesondere einer normativen Wertung zugunsten von Austausch- und Gesellschaftsverträgen zu begründen,496 scheint dieser ErkläZusammenarbeit, ABl.EG 2001 Nr. C 3, S. 2, Rdnrn. 24, 55 ff., 86 ff., 123, 143, 163 f., 184 ff. Beispielhaft sind etwa Kooperationen zwischen Wettbewerbern, die zu keinerlei Koordinierung ihres Wettbewerbsverhaltens führen (a. a. O., Rdnr. 24). 492 Siehe dazu die Bekanntmachung der Kommission über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die den Wettbewerb gem. Art. 81 Abs. 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nicht spürbar beschränken (de minimis), ABl.EG 2001, Nr. C 368, S. 13. Nicht spürbar ist eine Wettbewerbsbeschränkung unter Wettbewerbern demnach, wenn die von ihnen gehaltenen Marktanteile auf keinem der betroffenen Märkte 1 % überschreiten, im Falle vertikaler Vereinbarungen liegt diese Grenze sogar bei 15%, vgl. a. a. O., Rdnr. 7. 493 EuGH vom 11. 7. 1985, Rs. 42 / 84, Slg. 1985, 2545 „Remia / Kommission“ Rdnrn. 19 f., 34. Mayer, Ziele und Grenzen des Kartellverbots, S. 106 ff. 494 EuGH vom 11. 7. 1985, Rs. 42 / 84, Slg. 1985, 2545 „Remia / Kommission“ Rdnr. 20. Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 7 Rdnr. 57. 495 A. a. O., (Fn. 493) Rdnr. 19. Hervorhebung nicht im Original.
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rungsversuch bei der praktisch wohl bedeutsamsten Fallgruppe der einschränkenden Auslegung von Art. 81 Abs. 1 EG, der Bewertung selektiver Vertriebssysteme, nicht zu greifen.497 Hierunter versteht man Vereinbarungen zwischen Herstellern und Vertriebshändlern, welche letztere dazu verpflichten, bestimmte Anforderungen hinsichtlich der fachlichen Eignung ihres Personals, ihrer sachlichen Ausstattung sowie der Art der Produktpräsentation zu erfüllen.498 Beschränken sich diese Anforderungen allein auf qualitative Merkmale – in Abgrenzung zu quantitativen Vertriebsvereinbarungen, die zusätzlich eine nur beschränkte Anzahl von Händlern für ein bestimmtes Absatzgebiet vorsehen –, und werden diese Voraussetzungen einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und zugleich diskriminierungsfrei gehandhabt, so fallen sie nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte bereits nicht unter den Tatbestand des Art. 81 Abs. 1 EG.499 Hinter dieser Rechtsprechung steht die auf Gedanken der Chicago-Schule zurückgehende Sichtweise, wonach eine Steigerung des Interbrand-Wettbewerbs – der Wettbewerb zwischen Herstellern konkurrierender Produkte – auch dann befürwortet wird, wenn dadurch Beschränkungen für den Intrabrand-Wettbewerb – gemeint ist der produktinterne Wettbewerb zwischen den Vertriebshändlern derselben Ware oder Marke – einhergehen.500 Eine ökonomisch fundierte Rechtfertigung wird darin gesehen, dass der Interbrand-Wettbewerb zu gestärkten vertikalen Kooperationssäulen führt, die zu einem kostengünstigeren Vertrieb und zur Erreichung von Größenvorteilen beitragen.501 Auch ermöglicht die Vereinbarung langfristig an496 Der Wettbewerbsvorteil ist „vertragsimmanent“, vgl. dazu Roth / Ackermann, in: FK, Bd. II EG-Kartellrecht, Grundfragen Art. 81 Abs. 1 Rdnr. 257; Stockenhuber, in: Grabitz / Hilf, Bd. II, Art. 81 Rdnr. 150. 497 Eine praxisorientierte Erklärung für das Bestreben der Kommission, insgesamt wettbewerbsneutrale bzw. wettbewerbsfördernde Vereinbarungen bereits unter Art. 81 Abs. 1 EG zu subsumieren, könnte vielmehr in der Tatsache zu sehen sein, dass die Kommission auf diesem Wege zu ihrer eigenen Entlastung beitragen wollte; unter der bis zum 31. 4. 2004 geltenden VO Nr. 17 / 62 konnte allein Abs. 1, nicht hingegen Abs. 3 des Art. 81 EG unmittelbar von den Behörden und Gerichten der Mitgliedstaaten angewendet werden, vgl. Roth / Ackermann, in: FK, Bd. II EG-Kartellrecht, Grundfragen Art. 81 Abs. 1 Rdnr. 263 sowie Ackermann, EuZW 1997, 271, 274. 498 Zu den verschiedenartigen Ausgestaltungen des selektiven Vertriebs Emmerich, Kartellrecht, S. 90 m. w. N. 499 Grundlegend EuGH vom 25. 10. 1977, Rs. 26 / 76, Slg. 1977, 1875 „Metro / Kommission“ Rdnr. 20. Bestätigt in EuGH vom 10. 7. 1980, Rs. 99 / 79, Slg. 1980, 2511 „Lancôme / Etos“ Rdnr. 20; EuGH vom 25. 10. 1983, Rs. 107 / 82, Slg. 1983, 3151 „AEG-Telefunken AG / Kommission“ Rdnrn. 32 ff. 500 Ausführlich Neven / Papandropoulos / Seabright, Trawling for Minnows, S. 17 ff.; Fuchs, in: Symposium zum 65. Geburtstag von Ulrich Immenga, S. 95, 101 ff. m. w. N; kritisch Veelken, ZVglRWiss. 1998, 241, 255 ff. 501 Mitteilung der Kommission, Leitlinien für vertikale Beschränkungen, ABl.EG 2000, Nr. C 291, S. 1 Rdnr. 116, Nr. 6; Wagner-von Papp, in: Langenbucher, Europarechtliche Bezüge, § 9 Rdnrn. 55, 60 ff.
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gelegter vertikaler Bindungen zwischen Herstellern und Zulieferern eine wirtschaftlich sinnvolle höhere Spezialisierung, ohne dass die Zulieferer Gefahr laufen, aufgrund einer einseitigen Ausrichtung erpressbar zu werden.502 Durch vertikale Vertriebsbindungen wird zudem unerwünschten Trittbrettfahrern vorgebeugt: Hierbei profitieren Vertriebshändler von den Verkaufsförderungsbemühungen anderer Händler, indem sie, anders als jene, zugunsten niedrigerer Preise auf eine fachlich qualifizierte Beratung oder entsprechende Präsentation der Produkte verzichten. Durch die Zugangsbeschränkung zu einem Vertriebssystem kommen die getätigten Investitionen hingegen tatsächlich denjenigen Händlern zugute, die sich auch den wirtschaftlichen Anforderungen der auf Qualitätssicherung bedachten Herstellerpolitik unterwerfen.503 Der EuGH sieht die Legitimation der selektiven Vertriebssysteme daher in erster Linie in der Aufrechterhaltung eines Fachhandels, der in der Lage ist, bestimmte Dienstleistungen für technisch hoch entwickelte Erzeugnisse zu erbringen.504 In engem Zusammenhang mit den selektiven Vertriebssystemen stehen auch die von einigen Herstellern gewährten Alleinvertriebsrechte. Schon früh hat der EuGH diese Form der Bindung als in bestimmten Situationen notwendiges Mittel zur Markterschließung gebilligt.505 Obwohl mit dem Abschluss derartiger Vertikalvereinbarungen zugleich die Errichtung von wettbewerbshindernden Marktzutrittsschranken einhergehen kann, ist eine wohlwollende wettbewerbliche Einordnung von Exklusivbindungen als Mittel zur Effizienzsteigerung und Qualitätssicherung durch diese Spruchpraxis gefestigt.506 In der neueren Entscheidung „Wouters“ – im Zentrum stand das niederländische Verbot gemischter Sozietäten von Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern – führte der Gerichtshof aus, dass bei der Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG im Einzelfall auch der Gesamtzusammenhang, in dem eine Vereinbarung ihre Wirkungen entfalte und insbesondere deren Zielsetzung zu würdigen sei.507 Indem der EuGH anschließend eine Gegenüberstellung von unbeschränktem Wettbewerb sowie der Wahrung der Dienstleistungsqualität von – unabhängigen – Rechtsanwälten vornahm508 und 502 Leitlinien für vertikale Beschränkungen (Fn. 501) Rdnr. 116, Nr. 4; Wagner-von Papp, in: Langenbucher, Europarechtliche Bezüge, § 9 Rdnr. 63. 503 Leitlinien für vertikale Beschränkungen (Fn. 501) Rdnr. 116, Nr. 1; Roth / Ackermann, in: FK, Bd. II EG-Kartellrecht, Grundfragen Art. 81 Abs. 1 Rdnr. 259. 504 EuGH vom 25. 10. 1983, Rs. 107 / 82, Slg. 1983, 3151, „AEG-Telefunken AG / Kommission“ Rdnr. 33. 505 EuGH vom 30. 6. 1966, Rs. 56 / 65, Slg. 1966, 282, 304 „Maschinenbau Ulm“, sog. Markterschließungsdoktrin. 506 Roth / Ackermann, in: FK, Bd. II EG-Kartellrecht, Grundfragen Art. 81 Abs. 1 Rdnrn. 246, 256, 258. Anhänger der Chicago-Schule halten die Problematik der Marktzutrittschranken schlichtweg für überbewertet, etwa Bork, The Antitrust Paradox, S. 310 ff. Siehe auch Roberto, WuW 1992, 802, 804 ff. 507 EuGH vom 19. 2. 2002, Rs. C-309 / 99, Slg. 2002, I-1577 „Wouters“ Rdnr. 97. 508 Ebd. Rdnrn. 98 – 110.
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Letzterer schließlich mehr Gewicht einräumte als den geltend gemachten Rationalisierungsvorteilen durch gemischte Sozietäten,509 wird auch hier eine Bilanzierung der vor- und nachteiligen Wirkungen der Vereinbarung vorgenommen, bei der freilich mit der ordnungsgemäßen Ausübung des Rechtsanwaltsberufes ein außerwettbewerblicher, im Allgemeininteresse liegender Gesichtspunkt mit einbezogen wurde.510 bb) Einordnung dieser Praxis Versteht man unter einer „rule of reason„ die einzelfall- und effizienzorientierte Analyse der Bedeutung einer Freiheitsbeschränkung für den Wettbewerb, ohne dass dabei außerwettbewerbliche Faktoren industrie-, umwelt- oder sozialpolitischer Art Berücksichtigung finden,511 so lassen sich die angeführten Entscheidungen durchaus als Beleg für deren Anwendung auch im europäischen Recht interpretieren.512 Inwieweit allerdings neben der Ausnahmeregelung des Art. 81 Abs. 3 EG, die ja das Vorliegen einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung zunächst voraussetzt, überhaupt eine Notwendigkeit und ausreichend Raum für eine weitere Ausnahme vom Kartellverbot besteht, ist seit langer Zeit umstritten. In seiner Untersuchung zu den immanenten Schranken des europäischen Kartellrechts zeigt Reymann, dass die Einführung der VO Nr. 1 / 2003 und der damit einhergehende Systemwechsel im europäischen Kartellrecht bezüglich dieser Kontroverse insoweit eine Änderung gebracht haben, als dass viele Faktoren, die vormals für eine tatbestandliche Beschränkung des Art. 81 Abs. 1 EG angeführt wurden – Arbeitsüberlastung der Kommission, Rechtssicherheit,513 Verfahrens509 In Rdnr. 87 der Entscheidung spricht der Gerichtshof ausdrücklich von innovativen Leistungen, in Rdnr. 89 von möglichen Größenvorteilen gemischter Sozietäten. Auch der Vorteil des so genannten „one-stop-shopping“ wird erwähnt, Rdnr. 87. 510 Generalanwalt Léger hatte in seinem Schlussantrag betont, dass sich die bisher in beschränktem Umgang angewandte „rule of reason“ des Gerichtshofs auf eine rein wettbewerblich Bilanz beschränkte und daraus gefolgert, dass ihre Anwendbarkeit im Fall „Wouters“ ausschiede, Schlussantrag vom 10. 7. 2001, Rs. C-309 / 99, Slg. 2002, I-1577 „Wouters“ Rdnrn. 104 und 105. 511 So auch Roth / Ackermann, in: FK, Bd. II EG-Kartellrecht, Grundfragen Art. 81 Abs. 1 Rdnr. 254. 512 G. Monti, 39 CML Rev. (2002), 1057, 1088 spricht von einer „european style rule of reason“. Vgl. zudem die Nachweise bei Stockenhuber, in: Grabitz / Hilf, Bd. II, Art. 81 Rdnr. 154. A. A. aber Kjølbye, E.C.L.R. 2004, 566 sowie Goyder, Competition Law, S. 127; Schröter, in: Schröter / Jakob / Mederer, Art. 81 Abs. 1 Rdnr. 108, der die genannten Entscheidungen des EuGH als „Sonderfälle“ klassifiziert. Vgl. auch Fn. 510. 513 Bestand vor der Einführung der VO Nr. 1 / 2003 das Problem vor allem darin, dass die nach Art. 4 Abs. 1 der VO Nr. 17 / 62 erforderliche Anmeldung für die Freistellung durch die Kommission keine aufschiebende Wirkung entfaltete und die betroffenen Unternehmen sowohl eine Untersagung als auch eine Freistellung einzukalkulieren hatten, bringt die Einführung der unmittelbaren Anwendung auch von Art. 81 Abs. 3 EG und die damit einhergehende Kartellkontrolle ex post für beide Absätze des Art. 81 EG das gleiche Ausmaß an Rechtssicherheit bzw. Rechtsunsicherheit, Reymann, Immanente Schranken, S. 285 f.
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formalisierung514 und Beweislast515 – durch die Neuerungen an Gewicht verloren haben.516 Die seit Jahrzehnten umstrittene Frage, inwieweit wettbewerbsfördernde Aspekte bereits unter Art. 81 Abs. 1 EG einzubeziehen sind, soll und kann hier keiner Lösung zugeführt werden. Eine überzeugende Trennlinie zwischen den Abs. 1 und 3 der Vorschrift scheint nach der dargelegten Rechtsprechung jedenfalls nicht zu bestehen. Für die Untersuchung, inwieweit und auf welche Weise wirtschaftliche Effizienzvorteile im Rahmen des Art. 81 EG einbezogen werden, ist die systematische Einordnung dieser Berücksichtigung letztlich aber insoweit von Bedeutung, als dass die Vor- und Nachteile eines ein- bzw. zweistufigen Prüfungsaufbaus zum Tragen kommen könnten. So liegt ein Unterschied möglicherweise darin, dass im Falle einer Vorteilsbeachtung bereits unter Art. 81 Abs. 1 EG eine ausführliche und transparente Abwägung der gegenläufigen Gesichtspunkte unterbliebe und die durch die Vereinbarung generierten Effizienzvorteile lediglich als Faktoren innerhalb einer wettbewerblichen Gesamtwürdigung berücksichtigt würden. Kein Zweifel sollte hingegen daran bestehen, dass bei der Vorteilsberücksichtigung unter Art. 81 Abs. 1 EG ausschließlich wettbewerbsbezogene Kriterien in Betracht zu ziehen sind. Bereits die normative Anknüpfung der Vor- und Nachteilsgewichtung an das Merkmal der „Wettbewerbsbeschränkung“ lässt außerwettbewerblichen Gesichtspunkten in der Bilanzierung keinen Raum, und auch die seit jeher unmittelbare Anwendung des Art. 81 Abs. 1 EG durch nationale Behörden und Gerichte erschwert die Berücksichtigung von Faktoren, die nicht zur Förderung des Wettbewerbs beitragen. Die angeführten Entscheidungen zu den vertikalen Vertriebssystemen lassen erkennen, dass die europäischen Gerichte auch unter Art. 81 Abs. 1 EG die jeweiligen Vor- und Nachteile der Vereinbarung – Service-, bzw. Qualitätsverbesserung einerseits, erhöhtes Preisniveau andererseits – im Einzelfall gegenüberstellen und sodann unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu einem Aus514 Der Gerichtshof räumte der Kommission hinsichtlich ihrer konstitutiven Freistellungsentscheidungen einen weiten Beurteilungsspielraum ein, da sie eine umfassende ökonomische Gesamtbewertung vorzunehmen hatte (etwa EuGH vom 25. 10. 1977, Rs. 26 / 76, Slg. 1977, 1875 „Metro / Kommission “ Rdnrn. 45, 50; EuG vom 11. 07. 1996, verb. Rs. T-528, T-542, T-543 und T-546 / 93, Slg. 1996, II-649 „Métropole“ Rdnr. 93). Bezüglich ökonomischer Aspekte im Rahmen des Art. 81 Abs. 1 EG überprüfte der Gerichtshof die Entscheidungen dagegen grundsätzlich in vollem Umfang (vgl. aber EuGH vom 11. 7. 1985, Rs. 42 / 84, Slg. 1985, 2545 „Remia / Kommission“ Rdnr. 34) so dass eine Einschränkung des Abs. 1 einen umfassenderen Rechtsschutz gewährte. Durch die unmittelbare Anwendung des Art. 81 Abs. 3 EG können die europäischen (und nationalen) Gerichte aber nunmehr ebenso abschließend über Art. 81 Abs. 3 entscheiden wie vorher über Abs. 1; vgl. dazu Bailey, 41 CML Rev. (2004), 1327, 1339 ff. 515 Vorteilhafte Tatsachen sind von der Partei zu beweisen, die sie zu ihren Gunsten geltend macht, unabhängig davon, ob diese unter Art. 81 Abs. 1 oder Abs. 3 EG berücksichtigt werden, vgl. Fikentscher, WuW 2001, 446, 449 f.; Reymann, Immanente Schranken, S. 283 f. 516 Reymann, Immanente Schranken, S. 332 f.
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gleich bringen, indem sie festlegen, unter welchen Voraussetzungen die Grenze zur Wettbewerbsbeschränkung überschritten ist.517 Die Einbeziehung von wettbewerbsfördernden Aspekten bereits unter Art. 81 Abs. 1 EG ist damit, zumindest was die Transparenz anbelangt, derjenigen unter Art. 81 Abs. 3 EG im Wesentlichen gleichgestellt. Die von der genannten Rechtsprechung zur Markterschließung, zu Exklusivbindungen und zu vertikalen Vertriebssystemen beachteten Vorteile – Wettbewerbsentstehung bzw. -verstärkung durch neu hinzukommende Anbieter, Stärkung eines spezialisierten Fachhandels, Sicherung der Produktqualität – können bei isolierter Betrachtung zudem ohne weiteres als Beiträge zugunsten einer erhöhten Verbraucherwohlfahrt eingeordnet werden, so dass eine Umgehung der in Art. 81 Abs. 3 EG ausdrücklich benannten angemessenen Verbraucherbeteiligung nur dann zu befürchten steht, wenn Hinweise auf die Angemessenheit einer solchen Beteiligung gänzlich fehlen.518 Aufschlussreicher als die systematische Einordnung der Vor- und Nachteilsgewichtung von Vereinbarungen ist es hingegen, zunächst die Art der von der aufgezeigten Anwendungspraxis zu Art. 81 Abs. 1 EG bisher einbezogenen Vorteile und sodann die Art und Weise ihrer Abwägung mit den nachteiligen Wirkungen zu betrachten. Sieht man dabei von den Fallgestaltungen der vertragsimmanenten Wettbewerbsverbote ab, ohne die eine Unternehmensübertragung erfahrungsgemäß überhaupt nicht stattfinden würde und denen die normative Wertung zugunsten der Übertragbarkeit von Rechtspositionen zugrunde liegt,519 so behandeln die dargelegten Entscheidungen vor allem Vereinbarungen zwischen Marktteilnehmern auf verschiedenen Produktionsstufen, also vertikale Kooperationen. Hierzu ist festzuhalten, dass sich eine in Abgrenzung zu horizontalen Vereinbarungen mildere Behandlung vertikaler Absprachen zwar durchaus begründen lässt – eine Beschneidung des Intrabrand-Wettbewerbs schränkt die Auswahlfreiheit der Marktgegenseite weniger stark ein, da stets die Möglichkeit eines Ausweichens auf andere Marken besteht –, dass aber deren negative Auswirkungen, die vor allem in dem Ausschluss Dritter durch Marktabschottungseffekte sowie einer Erleichterung horizontaler Kollusion durch eine erhöhte Transparenz der Preispolitik von Wettbewerbern zu sehen sind,520 keineswegs gänzlich vernachlässigt werden dürfen. Die europäischen Gerichte haben mit der grundsätzlichen Privilegierung vertikaler Vereinbarungen eine Richtung eingeschlagen, die nicht allein 517 EuGH vom 25 10. 1977, Rs. 26 / 76, Slg. 1977, 1875 „Metro / Kommission“ Rdnrn. 20 f.; EuGH vom 25. 10. 1983, Rs. 107 / 82, Slg. 1983, 3151, „AEG-Telefunken AG / Kommission“ Rdnrn. 33 ff. 518 Für eine Verbraucherbeteiligung der unter Art. 81 Abs. 1 EG gewürdigten Vorteile Ackermann, Art. 85 Abs. 1 EGV und die rule of reason, S. 233. Zu der allerdings auch unter Art. 81 Abs. 3 EG geringen Bedeutung der Angemessenheit der Verbraucherbeteiligung vgl. die bisherige Entscheidungspraxis sogleich unter II. 2. 519 Ackermann, Art. 85 Abs. 1 EGV und die rule of reason, S. 234 ff.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 63 f. 520 Wagner-von Papp, in: Langenbucher, Europarechtliche Bezüge, § 9 Rdnr. 58.
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auf eindeutiger ökonomischer Theorie, sondern auch auf einer starken, wettbewerbspolitischen Wertentscheidung zu beruhen scheint.521 Hält man sich vor Augen, dass die einbezogenen Vorteile der vertikalen Vereinbarungen maßgeblich in qualitativen Verbesserungen zu sehen sind und jene schwerlich zu bemessenen positiven Wirkungen ausdrücklich auch dann noch akzeptiert werden, wenn durch die betreffende Absprache eine Beschränkung des Preiswettbewerbs einhergeht,522 wird der wertende Charakter einer solchen Beurteilung besonders offensichtlich. Ob aber Wettbewerb und Verbraucherwohlfahrt besser durch einen spezialisierten Fachhandel oder durch niedrigere Preise gewährleistet werden, ist fraglich. Inwieweit der Verbrauchervorteil durch einen qualifizierten Fachhandel höher einzuschätzen ist als niedrigere Endpreise unter Verzicht auf Service und Beratung wird in den grundlegenden Entscheidungen zu den vertikalen Vertriebssystemen auch nicht näher dargelegt; der Versuch einer solchen Begründung müsste ohnehin bereits an der Uneinheitlichkeit der Verbraucherpräferenzen scheitern. In dieser stark von Wertungsgesichtspunkten geprägten Unterscheidung haben sich die europäischen Gerichte mit ihrer Spruchpraxis zu vertikalen Vertriebssystemen und Ausschließlichkeitsbindungen innerhalb eines bestimmten Rahmens für die erstgenannte Variante – Aufrechterhaltung eines spezialisierten, aber teureren Fachhandels – entschieden und damit die negativen Auswirkungen starker Vertikalbindungen geringer eingeschätzt als die ihnen zugeschriebenen Vorteile. In den genannten Grenzen wird Exklusivität grundsätzlich als vorteilhaft eingeordnet, da sie zu Effizienzsteigerungen durch Qualitätsverbesserung führt. Die Praxis der europäischen Gerichte zur Vorteilsberücksichtigung bereits unter Art. 81 Abs. 1 EG belegt damit vor allem nachdrücklich, wie groß der Beurteilungsspielraum der Kommission insbesondere dann ist, wenn die einbezogenen Effizienzvorteile nicht quantifizierbar sind, sondern vorrangig in der Verbesserung von Service und Produktqualität liegen. b) Ökonomische Grundlagen der Freistellungsregelung des Art. 81 Abs. 3 EG Dass mit den in Art. 81 Abs. 3 EG genannten Vorteilen – Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts – jedenfalls wirtschaftliche Effizienzvorteile gemeint sind, die Anerkennung wettbewerbsbeschränkender, aber gleichwohl effizienzsteigernder Vereinbarungen gerade einen wesentlichen Berechtigungsgrund für die Ausnahmeregelung des Art. 81 Abs. 3 EG darstellt, ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut als auch der Systematik des Art. 81 EG. Beachtet man die Schutzziele des euro521 Zimmer, in: Privat- und Wirtschaftsrecht im Zeichen der Europäischen Integration, S. 33, 45. 522 Grundlegend EuGH vom 25. 10. 1977, Rs. 26 / 76, Slg. 1977, 1875 „Metro / Kommission“ Rdnr. 21.
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päischen Wettbewerbsrechts – Marktintegration, eine zunehmend am Modell der Verbraucherwohlfahrt orientierte ökonomische Effizienz sowie Schutz der Handlungsfreiheit aller Marktteilnehmer –, so findet sich in Art. 81 Abs. 1 EG ein Bezug zur geschützten Wettbewerbsfreiheit, während Art. 81 Abs. 3 EG einen Ausgleich von wirtschaftlicher Effizienz und wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen ermöglicht.523 Vereinbarungen, die, obwohl sie nach Art. 81 Abs. 1 EG den Wettbewerb beschränken, zu allokativen, produktiven oder dynamischen Effizienzsteigerungen beitragen, fallen in den Anwendungsbereich des Art. 81 Abs. 3 EG und sind freigestellt, wenn sie auch dessen weitere Voraussetzungen erfüllen. Absprachen zwischen Unternehmen können mitunter zu effizienteren Ergebnissen führen, als dies unter unbeschränkten Wettbewerb der Fall wäre. Als ökonomische Grundlage ist hier erneut auf das bereits vorgestellte Tradeoff-Modell von Williamson zu verweisen.524 Zwar bezieht sich Williamson in seinen Ausführungen ausdrücklich auf den Kontext der Fusionskontrolle, in seiner „naiven“ Vereinfachung ist die zugrunde liegende Theorie des Modells aber ohne weiteres auch auf andere Wettbewerbssachverhalte anwendbar.525 Demnach können die mit einer Vereinbarung zwischen zwei Unternehmen einhergehenden Effizienzvorteile – etwa Kosteneinsparungen durch Rationalisierung, Größen- oder Verbundvorteile, aber auch Qualitätsverbesserungen und Produktinnovation – die durch steigende Marktmacht anfallenden Wettbewerbsnachteile – regelmäßig handelt es sich um einen Verlust allokativer Effizienz, also einem verringerten Versorgungsgrad der Verbraucher – überwiegen, wenn die effizienzbedingten realen Einsparungen größer sind als der gesamtwirtschaftliche Wohlfahrtsverlust. c) Nur wirtschaftliche Effizienzsteigerungen oder auch außerwettbewerbliche Ziele? Innerhalb der Vorteilsberücksichtigung in Art. 81 Abs. 3 EG stellt sich die Frage, ob der Zweck der Norm allein dahingeht, den wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen von Vereinbarungen wettbewerbsfördernde, ökonomische Effizienzvorteile gegenüber zu stellen oder ob nicht vielmehr auch Ausnahmen vom Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen auf der Grundlage weiterer Gemeinschaftsziele zuzulassen sind. Es soll hier zunächst auf die Praxis der Kommission und der europäischen Gerichte im Zeitraum von vor dem 31. 4. 2004 eingegangen werden, in welchem ausschließlich die Kommission als zentrale Genehmigungsbehörde über eine Freistellung gem. Art. 81 Abs. 3 EG befand.526 An späterer Stelle wird dann zu zeigen sein, dass auch im Hinblick auf die Einbeziehung 523 Aicher / Schuhmacher, in: Grabitz / Hilf, Bd. II, Art. 81 Rdnrn. 256 f., 269; G. Monti, 39 CML Rev. (2002), 1057, 1059, 1063 ff. 524 Erster Abschnitt, I. 1. e) aa). 525 So auch Odudu, E.C.L.R. 2002, 17, 18 ff.; Zampa, 4 E.B.O.R. (2003), 573, 604. 526 Gem. Art. 9 Abs. 1 der VO Nr. 17 / 62.
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nichtwettbewerblicher Gesichtspunkte die Einführung der Legalausnahmeninterpretation von Art. 81 Abs. 3 EG, nach der eine Anwendung des Freistellungstatbestands nunmehr auch den nationalen Behörden und Gerichten zusteht, möglicherweise eine Veränderung mit sich bringt.527 aa) Entwicklung unter dem Freistellungsmonopol der Kommission Bei der Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG hat die Kommission – bestärkt von den europäischen Gerichten, die ihr diesbezüglich schon früh einen Beurteilungsspielraum einräumten528 – in ständiger Praxis auch nichtwettbewerbliche Aspekte miteinbezogen. Jenseits von wirtschaftlicher Effizienz haben Gesichtspunkte des Umweltschutzes,529 der Gesundheitsförderung,530 der Energieversorgung,531 der Erhaltung von Arbeitsplätzen,532 und der Verkehrssicherheit533 Berücksichtigung gefunden. Während sich Verbesserungen für die Umwelt, die zu einem ressourcenschonenderen Umgang mit Produktionsmitteln und einem geringeren Gesamtenergieaufwand führten, teilweise auch unmittelbar als wirtschaftliche Effizienzvorteile einordnen und unter das Merkmal der Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts subsumieren ließen,534 kam das industriepolitische Ziel der Arbeitsplatzsicherung etwa in solchen Fallgestaltungen zur Geltung, in denen bereits die Stabilität langfristiger Lieferverträge als effizienzsteigernd bewertet worden war.535 Dass indes die Schaffung bzw. der Erhalt von Arbeitsplätzen allein als positiver Faktor für die Freistellung einer wettbewerbsbeschränkenden Absprache Siehe zweiter Abschnitt, III. 1. a). Vgl. Nachweise bei Fn. 514. 529 Komm. vom 24. 1. 1999, ABl.EG 2000 Nr. L 187, S. 47 „CECED“ Rdnrn. 48, 55 ff.; Komm. vom 11. 10. 1988, ABl.EWG 1988 Nr. L 301, S. 68 „BBC Brown Boveri“ Rdnr. 23; Komm. vom 8. 12. 1983, ABl.EG 1983 Nr. L 376, S. 17„Carbon Gas Technologie“, S. 19. 530 Komm. vom 18. 5. 1994, ABl.EG 1994 Nr. L 144, S. 20 „Exxon / Shell“ Rdnr. 68; Komm. vom 6. 10. 1994, ABl.EG 1994 Nr. L 309, S. 1 „Pasteur-Mérieux / Merck“ Rdnr. 89. 531 Komm. vom 12. 12. 1983, ABl.EG 1983 Nr. L 376, S. 30 „Internationale EnergieAgentur I“ Rdnr. 29; Komm. vom 30. 4. 1991, ABl.EG 1991 Nr. L 178, S. 31 „Scottish Nuclear“ Rdnr. 33. 532 EuGH vom 25. 10. 1977, Rs. 26 / 76, Slg. 1977, 1875 „Metro / Kommission“ Rdnr. 43; EuGH vom 11. 7. 1985, Rs. 42 / 84, Slg. 1985, 2545 „Remia / Kommission“ Rdnr. 42. 533 Komm. vom 11. 10. 1988, ABl.EG 1988 Nr. L 305, S. 33 „Continental / Michelin“ Rdnr. 30. 534 Komm. vom 18. 5. 1994, ABl.EG 1994 Nr. L 144, S. 20 „Exxon / Shell“, Rdnrn. 67 ff.; Komm. vom 24. 1. 1999, ABl.EG 2000 Nr. L 187, S. 47 „CECED“ Rdnr. 48: „Der künftige Betrieb aller installierten Maschinen mit derselben Leistung bei geringerer Umweltverschmutzung ist wirtschaftlich effizienter, als wenn es keine Vereinbarung gäbe.“; zudem Komm. vom 21. 12. 1994, ABl.EG 1994, Nr. L 378, S. 37 „Philips / Osram“ Rdnr. 25. 535 EuGH vom 25. 10. 1977, Rs. 26 / 76, Slg. 1977, 1875 „Metro / Kommission“ Rdnr. 43; EuGH vom 11. 7. 1985, Rs. 42 / 84, Slg. 1985, 2545 „Remia / Kommission“ Rdnr. 42. 527 528
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keinesfalls ausreichte, machte die Kommission in ihrer Entscheidung über das Gemeinschaftsunternehmen von Ford und Volkswagen deutlich: Hier berücksichtigte sie „die vorstehenden [Anm.: nichtwettbewerblichen] Erwägungen [ . . . ], obgleich diese allein eine Freistellung nicht rechtfertigen könnten, sofern nicht im Übrigen die Voraussetzungen des Artikels 81 Absatz 3 erfüllt sind.“536 Dem ist bereits deswegen zuzustimmen, da die Schaffung von Arbeitsplätzen als positiver Faktor im Rahmen einer Freistellungsentscheidung gar nicht all denjenigen Verbrauchern zugute kommen kann, die durch die wettbewerbsbeschränkende Maßnahme benachteiligt werden, sondern in erster Linie den zukünftigen Arbeitnehmern.537 Industriepolitischen Aspekten trug die Kommission auch dann Rechnung, wenn unternehmerische Absprachen den Abbau struktureller Überkapazitäten beschleunigten538 bzw. wenn Technologietransfers – die Einführung neuer Technologien wurde als Beitrag zur Verbesserung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts verstanden – die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie gegenüber Drittstaaten stärkten.539 Da Verbesserungen der Wettbewerbsfähigkeit ohne die Steigerung wirtschaftlicher Effizienz nicht möglich sind, standen auch in diesen Fällen industriepolitische Gesichtspunkte zumindest nicht allein im Vordergrund.540 Dazu passt es, dass die Kommission in ihrer Entscheidung „Continental / Michelin“ ausführte, dass die Präsenz weltweiter starker Konkurrenz zwar ein beachtenswerter Faktor sei, allerdings nur dann, wenn er in Ergänzung zu den in Art. 81 Abs. 3 EG dargelegten Kriterien trete.541 bb) Fazit Art. 3 Abs. 1 lit. g) EG ist zu entnehmen, dass die Errichtung eines Systems des unverfälschten Wettbewerbs ein eigenständiges Vertragsziel darstellt. Die Regelung des Art. 81 EG ist dabei in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dieser 536 Komm. vom 23. 12. 1992, ABl.EG 1993, Nr. L 20, S. 14 „Ford / Volkswagen“ Rdnr. 36. Bestätigt durch EuG vom 15. 7. 1994, Rs. T-17 / 93 Slg. 1994, II-595 „Matra Hachette / Kommission“ Rdnrn. 136, 139. 537 Mayer, Ziele und Grenzen des Kartellverbots, S. 175. 538 Vgl. die Strukturkrisenkartelle in den Entscheidungen Komm. vom 29. 4. 1994, ABl.EG 1994, Nr. L 131, S. 15 „Stichting Baksteen“ Rdnrn. 18 ff.; Komm. vom 19. 7. 1984, ABl.EG 1984, Nr. L 212, S. 1 „BPCL / ICI“ Rdnrn. 35; Komm. vom 4. 12. 1986, ABl.EG 1987, Nr. L 5, S. 13 „ENI / Montedison“ Rdnrn. 27, 29, 31. Als Produktionsverbesserung wird ein Kapazitätsabbau insoweit angesehen, als dass er langfristig die Rentabilität einer Branche erhöht und die Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellt, vgl. Kommission, XXIII. Wettbewerbsbericht (1993), Rdnrn. 82 ff. 539 Komm. vom 14. 7. 1986, ABl.EG 1986, Nr. L 236, S. 30 „Lichtwellenleiter“ Rdnr. 59; Komm. vom 22. 12. 1987, ABl.EG 1988, Nr. L 52, S. 51 „Olivetti / Canon“ Rdnrn. 54 ff.; Komm. vom 5. 5. 1988, ABl.EG 1988, Nr. L 150, S. 35 „Bayer / BPCL“ Rdnrn. 27 f. 540 Quellmalz, WRP 2004, 461, 465. 541 Komm. vom 11. 10. 1988, ABl.EG 1988 Nr. L 305, S. 33 „Continental / Michelin“ Rdnr. 21.
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Zielsetzung zu sehen. Die Berücksichtigung anderer Zielbestimmungen des EGVertrags – insbesondere die als Querschnittsklauseln ausgestalteten Ziele Umweltschutz (Artt. 6 und 174 EG), Kultur (Art. 151 Abs. 4 EG), Industriepolitik (Art. 157 EG), Verbraucherschutz (Art. 153 Abs. 2 EG), Gesundheitsschutz (Art. 152 Abs. 1 EG) und Entwicklungspolitik (Art. 178 EG)542 – ist bei der Auslegung der weiten Formulierungen des Art. 81 Abs. 3 EG allenfalls insoweit möglich, als sie dessen vorrangigem Ziel, der Berücksichtigung wirtschaftlicher Effizienzsteigerungen durch wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, nicht entgegenstehen; nichtwettbewerblichen Faktoren ist dadurch jedenfalls kein Vorrang einzuräumen.543 Folglich kann die Kommission andere Vertragsziele allenfalls dann – nämlich mittelbar – berücksichtigen, wenn sie im Rahmen von effizienzsteigernden Absprachen zwischen Unternehmen auftreten.544 Die dargelegte Freistellungspraxis der Kommission hat diese Grenze zwar weitgehend beachtet und die genannten Ziele regelmäßig herangezogen, wenn die wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen jedenfalls auch – weit verstandene – wirtschaftliche Effizienzsteigerungen mit sich brachten.545 Nicht immer wurde durch diese Praxis aber deutlich, in welchem Verhältnis sich die wettbewerblichen und nichtwettbewerblichen Gesichtspunkte zueinander verhielten und ob nicht letztere doch im Vordergrund einer Freistellungsentscheidung standen.546 Aufschlussreich in diesem Zusammenhang ist zudem die Äußerung der Kommission selber, die in ihrem XXIII. Wettbewerbsbericht ausführte, dass die Anwendung des Art. 81 Abs. 3 542 Querschnittsklauseln zeichnen sich dadurch aus, dass der in ihnen genannte Politikbereich bei der Ausgestaltung anderer Politikbereiche stets angemessen zu berücksichtigen und in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen ist, vgl. Quellmalz, WRP 2004, 461, 463. Zur Bedeutung und Funktion der Querschnittsklauseln im europäischen Freistellungsrecht ausführlich Gasse, Querschnittsklauseln, S. 121 ff. 543 Odudu, E.C.L.R. 2002, 17, 22; Dreher, WuW 1998, 656, 661 ff. u. a. mit Bezugnahme auf die Entscheidung des EuGH vom 21. 2. 1973, Rs. 6 / 72, Slg. 1973, 215 „Europemballage u. Continental Can / Kommission“ Rdnr. 24. 544 Vgl. etwa EuGH vom 13. 2. 1969, Rs. 14 / 68, Slg. 1969, 1 „Walt Wilhelm / Bundeskartellamt“ Rdnr. 5: „Daneben [der Marktintegration durch Wettbewerb] gestattet [der EG-Vertrag] den Gemeinschaftsbehörden auch gewisse positive, obgleich mittelbare Eingriffe zur Förderung einer harmonischen Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft im Sinne von Art. 2 EWGV“. Ferner Aicher / Schuhmacher, in: Grabitz / Hilf, Bd. II, Art. 81 Rdnrn. 257 m. w. N.; G. Monti, 39 CML Rev. (2002), 1057, 1070 f. Jeglichen Einfluss nichtwettbewerblicher Faktoren ablehnend hingegen Monopolkommission, Sondergutachten Nr. 17 (1989), Rdnr. 110 a. E. 545 Siehe Gasse, Querschnittsklauseln, S. 154 ff.; G. Monti, 39 CML Rev. (2002), 1057, 1069 ff. 546 Etwa Komm. vom 17. 9. 2001, ABl.EG 2001, Nr. L 319, S. 1 „Duales System Deutschland“ Rdnr. 143, 145, wo zunächst auf Umweltgesichtspunkte, dann aber aufgrund der Netzwerkeffekte auf Größen- und Verbundvorteile verwiesen wurde. Andersherum verhielt es sich in Komm. vom 24. 1. 1999, ABl.EG 2000 Nr. L 187, S. 47 „CECED“ Rdnrn. 48, 55 ff., wo ein geringere Stromverbrauch zunächst als technische Effizienzsteigerung dargelegt wird, es im Anschluss daran aber heißt, dass dadurch „indirekt“ auch die Umweltverschmutzung reduziert wird.
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EG die Nutzung eines umfassenden Ermessensspielraums dann voraussetze, wenn verschiedene Ziele des EG-Vertrags zu berücksichtigen seien; letztlich sei dies auch der ausschlaggebende Grund, weshalb die Anwendung des Art. 81 Abs. 3 EG allein von der Kommission übernommen werden könne.547 Gerade aus Gründen einer effektiven gerichtlichen Überprüfung sowie der Vorhersehbarkeit der mitunter tief in die Unternehmerrechte eingreifenden Kommissionsentscheidungen ist aber ein schwerpunktmäßig wettbewerbsorientiertes Verständnis bei der Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG geboten und eine Politisierung des Wettbewerbsregeln so weit wie möglich zu vermeiden. Ein ergänzender Seitenblick auf die Fusionskontrolle soll daran erinnern, dass über deren vorrangig wettbewerbliche Ausrichtung in ihrer Entstehungsphase lange – und im Ergebnis erfolgreich – gerungen wurde548 und dass auch die praktische Anwendung der VO Nr. 4064 / 89 durch die Kommission keinen nennenswerten Raum für außerwettbewerbliche Erwägungen gestattet hat.549 Dass aber nichtwettbewerbliche Gesichtspunkte im Rahmen der Freistellungspraxis für wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen stärker ins Gewicht fallen sollen als im Falle vergleichbarer Fusionen, vermag im Hinblick auf eine einheitliche europäische Wettbewerbspolitik nicht zu überzeugen.550
3. Einzelfreistellung und Gruppenfreistellung Der Wortlaut des Art. 81 Abs. 3 EG sieht vor, dass die Freistellungsnorm einerseits auf Vereinbarungen, andererseits auf Gruppen von Vereinbarungen angewendet werden kann. Diese primärrechtlich verankerte Unterscheidung zwischen Einzelfreistellung und Gruppenfreistellung ist unter der VO Nr. 1 / 2003 weiterhin beachtlich. Unter der Geltung des vorherigen Genehmigungssystems ermöglichte sie der Kommission vor allem, mittels einer abstrakt-generellen Anwendung des Art. 81 Abs. 3 EG ihre Arbeitsbelastung durch den Erlass von Gruppenfreistellungsverordnungen (GVO) zu verringern. Vergleichbare Tatbestände, die aufgrund weitgehend gleichförmiger Interessenlagen der Beteiligten einer typisierenden Betrachtung zugänglich waren, konnten so mit Hilfe einer einzigen Maßnahme freigestellt werden.551 Bezüglich der materiellrechtlichen Anforderungen besteht zwischen beiden Arten der Freistellung keinerlei Unterschied, zu berücksichtigen ist der abstrakt-generelle Charakter der GVO jedoch insoweit, als dass nicht jeder einKommission, XXIII. Wettbewerbsbericht (1993), Rdnr. 190 a. E. Erster Abschnitt, II. 1. b). 549 Burholt, Die europäische Fusionskontrolle, S. 102 ff.; Mische, Nicht-wettbewerbliche Faktoren in der europäischen Fusionskontrolle, S. 155 ff. 550 So andeutungsweise Ehlermann, in: Ehlermann / Laudati, European Competition Law Annual 1997, S. 480. 551 K. Schmidt betont vorrangig die Rechtssicherheitsfunktion der GVO, ders., BB 2003, 1237, 1241. 547 548
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zelne unter die Verordnung fallende Sachverhalt auch stets alle vier Tatbestandsmerkmale des Art. 81 Abs. 3 EG erfüllen muss,552 es entscheidend vielmehr auf die Vereinbarkeit der GVO selbst mit den Kriterien der Freistellungsnorm ankommt.553 Um der Flut von Freistellungsanträgen Herr zu werden, nutzte die Kommission das Mittel der GVO sowohl für vertikale als auch für horizontale Vereinbarungen in gesteigertem Maße,554 was als Umkehrung des in Art. 81 EG angelegten Regel-Ausnahme-Verhältnisses durchaus kritikwürdig war.555 Trotz dieser Bemühungen wurde das „Massenproblem“ nach Auffassung der Kommission allein mit dem Erlass von GVO nicht entschärft; ohnehin konnte für Vereinbarungen, die nicht bereits eindeutig unter eine GVO fielen, zugleich auch eine Einzelfreistellung beantragt werden. Letzten Endes bildete die Arbeitsüberlastung der Kommission ein ausschlaggebendes Motiv für die Reformüberlegungen, die zum Erlass der VO Nr. 1 / 2003 führten und es der Kommission ermöglichen sollten, ihre Ressourcen auf besonders schwerwiegenden Wettbewerbsverstöße zu konzentrieren. Die bereits erlassenen GVO sowie die jeweils ergangenen Leitlinien verdeutlichen aber, dass auch im Kooperationskontrollrecht seit einiger Zeit ein verstärkt ökonomischer Ansatz verfolgt wurde.
4. Der „more economic approach“ im Kooperationskontrollrecht Bereits seit 1999 hat die Kommission bei ihren Bemühungen um einen effektiven Wettbewerbsschutz verstärkt wirtschaftliche Erwägungen in die Auslegung von Art. 81 EG mit einbezogen. Durch die Berücksichtigung neuerer ökonomischer Erkenntnisse sollte ein stärker an den Marktauswirkungen von Vereinbarungen orientierter Ansatz eine effizientere Durchsetzung des Wettbewerbsrechts gewährleisten und überdies zur angestrebten Arbeitsentlastung der Kommission beitragen. a) Vertikalvereinbarungen Ausgangspunkt dieser Entwicklung war die Neuorientierung der europäischen Wettbewerbspolitik gegenüber vertikalen Vereinbarungen, welche sich bereits 552 EuG vom 10. 7. 1990, Rs. T-51 / 89, Slg. 1990, II-309 „Tetra Pak / Kommission“ Rdnr. 29. 553 Veelken, in: Immenga / Mestmäcker, EG-WbR I / 1, Einl GFVO, Rdnr. 5. 554 Ein Überblick aller GVO findet sich bei Aicher / Schuhmacher, in: Grabitz / Hilf, Bd. II, Art. 81 Rdnrn 366 f. Der nach dem EG-Vertrag ausschließlich zuständige Rat hat die Kommission in einer Vielzahl von Verordnungen ermächtigt, eigene GVO zu erlassen. Der Gerichtshof hat diese Praxis frühzeitig gebilligt, etwa EuGH vom 13. 7. 1966, Rs. 32 / 65, Slg. 1966, 457 „Italienische Republik / Rat und Kommission“ S. 481. 555 Emmerich, Kartellrecht, S. 19; Hansen, Beurteilung horizontaler Forschungs- und Entwicklungskooperationen, S. 186.
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2. Abschn.: Effizienzvorteile im Rahmen des Art. 81 EG
1997 mit dem Grünbuch zur EG-Wettbewerbspolitik gegenüber vertikalen Beschränkungen andeutete.556 Direkte Folge des Grünbuchs war der Erlass der sog. Schirm-GVO, welche seither branchen- und vertragstypenübergreifend auf fast alle Formen vertikaler Vereinbarungen anwendbar ist und derartige Absprachen grundsätzlich nur dann als problematisch einstuft, wenn ein gewisses Ausmaß an Marktmacht auf Ebene des Anbieters oder Käufers vorhanden ist.557 Regelungstechnisch wurde diese wettbewerbspolitische Ausrichtung mit der Einführung einer Marktanteilsschwelle von 30% umgesetzt, deren Überschreiten die Nichtanwendung der Gruppenfreistellung zur Folge hat, deren Unterschreiten aber zur grundsätzlichen Freistellung führt, wenn die Vereinbarung nicht zugleich eine als besonders gefährlich erachtete, in einer gesonderten Liste aufgezählten Kernbeschränkung enthält.558 Die großzügige Behandlung vertikaler Vereinbarungen basiert – in Übereinstimmung mit der bisherigen Kommissionspraxis und Rechtsprechung559 – auf der Vermutung, dass „vertikale Vereinbarungen, die nicht bestimmte Arten schwerwiegender wettbewerbsschädigender Beschränkungen enthalten, im allgemeinen zu einer Verbesserung der Produktion oder des Vertriebs und zu einer angemessenen Beteiligung der Verbraucher an dem daraus entstehenden Gewinn führen“.560 In der ökonomischen Theorie liegt dem die Erkenntnis zugrunde, dass vertikale Vereinbarungen oftmals zur Verringerung externer Effekte beitragen, die immer dann vorliegen, wenn die sozialen Gesamtkosten eines Produkts höher sind als die privaten Produktionskosten. Als Ausdruck eines defekten Marktmechanismus sind derartige Effekte unerwünscht, da sie Unternehmen zu Fehlkalkulationen verleiten; indem diese nicht alle anfallenden Kosten in ihre Entscheidungen – etwa über die zu produzierende Menge – einbeziehen, werden letztlich falsche Anreize für die Verteilung knapper Ressourcen gesetzt.561 556 Das Grünbuch kann abgerufen werden unter www.europa.eu.int / comm / competition / antitrust / 96721de_de.pdf. Hierzu eingehend Veelken, ZVglRWiss. 1998, 241 ff. 557 Verordnung (EG) Nr. 2790 / 1999 der Kommission vom 22. 12. 1999 über die Anwendung von Art. 81 Abs. 3 des Vertrags auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, ABl.EG 1999 Nr. L 336, S. 21. Dazu auch die umfangreichen Leitlinien für vertikale Beschränkungen (bereits Fn. 501). Ausgenommen vom Anwendungsbereich ist nach wie vor der KfZ-Vertrieb, für den eine eigene Verordnung gilt, Nr. 1400 / 2002 der Kommission vom 31. 07. 2002 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrags auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor, ABl.EG 2002 Nr. L 203, S. 30. 558 Art. 3 und 4 VO Nr. 2790 / 1999. 559 Vgl. bereits I. 2. a) aa). 560 Erwägungsgrund Nr. 8 der VO Nr. 2790 / 1999. Aus dem umfangreichen Schrifttum zur ökonomischen Analyse und wettbewerbspolitischen Bewertung vertikaler Vereinbarungen siehe Fuchs, in: Symposium zum 65. Geburtstag von Ulrich Immenga, S. 95, 101 ff.; Veelken, ZVglRWiss. 1998, 241 ff.; Schwintowski, in: Festschrift für Sandrock, S. 901 ff. sowie Kallfass, WuW 1999, 225 ff. 561 Cezanne, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 220 ff.
I. Die Freistellungsregelung des Art. 81 Abs. 3 EG
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Vertikale Vereinbarungen können zur Internalisierung externer Effekte beitragen, indem etwa das Risiko von Trittbrettfahrern verringert wird562 oder vertragsspezifische Investitionen sowie die Weitergabe von Know-how durch Exklusivität bzw. langfristige Bindungen abgesichert werden.563 Auch können vertikale Vereinbarungen Transaktions- und Distributionskosten verringern und dadurch Umsätze und Investitionen der Beteiligten optimieren.564 Die negativen Auswirkungen vertikaler Vereinbarungen kommen vor allem dann zum Tragen, wenn auf Seiten eines Beteiligten erhebliche Marktmacht gegeben ist.565 Sogar in diesem Falle – bei Marktmacht sowohl beim Hersteller als auch beim Händler – kann die Zulassung vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen aber noch vorteilhaft sein, wenn letztere zur Vermeidung doppelter Gewinnspannenerhöhung führen.566 Unter ökonomischen Gesichtspunkten müssen effizienzsteigernde Höchstpreisbindungen durch marktmächtige Hersteller daher ebenfalls erlaubt werden, zumal die dadurch verringerten Endpreise fraglos den Verbrauchern zugute kämen.567 Die in Art. 3 VO Nr. 2790 / 1999 eingeführte Marktanteilsschwelle von 30 % steht aber jedenfalls einer gruppenweisen Freistellung derartiger Konstellationen im Wege, so dass allenfalls noch eine Einzelfreistellung gem. Art. 81 Abs. 3 EG in Betracht kommt. Praktisch relevant dürften solche Fälle indes kaum werden, da regelmäßig bereits ein Mangel an Informationen auf Seiten der Hersteller eine gemeinsam gewinnmaximierende Preissetzung verhindert. b) Horizontalvereinbarungen Im Anschluss an die ökonomisch-orientierte Modernisierung der Behandlung vertikaler Vereinbarungen verstärkte die Kommission ähnliche Bemühungen auch bezüglich der Behandlung horizontaler Vereinbarungen. Deutlich wurde dieses Bestreben in den im Jahre 2001 in Kraft getretenen GVO über die Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG auf Gruppen von Spezialisierungsvereinbarungen568 sowie auf Vgl. Fn. 503. Nachweise in Fn. 501. 564 Erwägungsgrund Nr. 6 der VO Nr. 2790 / 1999. Kallfass betont, dass vertikale Beschränkungen die Erzeugung innovativer Produkte erleichtern können, wenn die Hersteller (und zwar gerade auch Newcomer) auf die fachliche Kompetenz erfahrener Vertriebsstrukturen zurückgreifen können, ders., WuW 1999, 225, 231. 565 Kommission, Grünbuch zur EG-Wettbewerbspolitik gegenüber vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen (Fn. 556), Rdnrn. 83, 85; Neven / Papandropoulos / Seabright, Trawling for Minnows, S. 33. 566 Veelken, ZVglRWiss. 1998, 241, 262 f. Dazu auch bereits Fn. 116. 567 Leitlinien für vertikale Beschränkungen (Fn. 501) Rdnr. 47; Weber, WuW 1998, 134, 144 f.; Wagner-von Papp, in: Langenbucher, Europarechtliche Bezüge, § 9 Rdnr. 71; kritisch hingegen Pischel, EuZW 2005, 459, 462; gänzlich ablehnend Schwintowski, in: Festschrift für Sandrock, S. 901, 908. 568 Verordnung (EG) Nr. 2658 / 2000 der Kommission vom 29. 11. 2000 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Spezialisierungsvereinbarungen, ABl.EG 2000 Nr. L 304, S. 3. 562 563
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2. Abschn.: Effizienzvorteile im Rahmen des Art. 81 EG
Gruppen von Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung,569 insbesondere aber in den umfangreichen Leitlinien über die Anwendbarkeit von Art. 81 EG auf horizontale Vereinbarungen.570 Ungeachtet der umstrittenen Rechtsbindungswirkung von Kommissionsbekanntmachungen – neben der wohl anerkannten Selbstbindung der Kommission betrifft dieser Streit vorrangig die Frage, ob eine Rechtsverbindlichkeit auch für mitgliedstaatliche Behörden und Gerichte besteht571 – ist gerade den Leitlinien der angestrebte, stärker wirtschaftlich orientierte Ansatz der Kommission anschaulich zu entnehmen.572 Gemäß ihren Erläuterungen sowohl zu Art. 81 Abs. 1 als auch zu Abs. 3 EG, besteht die ökonomische Neuorientierung vor allem darin, dass stärker differenziert wird zwischen so genannten Kernbeschränkungen, die eine Wettbewerbsstörung bereits bezwecken und „fast immer untersagt sind“573 und sonstigen horizontalen Vereinbarungen, die eine Wettbewerbsbeschränkung – ohne sie zu bezwecken – lediglich bewirken und deren Auswirkungen anhand der Marktmacht der Beteiligten sowie weiteren Merkmalen der betroffenen Marktstruktur genauer zu untersuchen sind.574 Fehlt es innerhalb einer Kooperationsabsprache an einer Kernbeschränkung, so werden für verschiedene Arten von Vereinbarungen – die Leitlinien sprechen von denjenigen Arten der Zusammenarbeit, „die zu Effizienzgewinnen führen können“, nämlich solchen im Bereich von Forschung und Entwicklung, Produktion, Einkauf, Vermarktung, Normung und Umweltschutz575 – jeweils unterschiedlich hohe Marktanteilsschwellen eingeführt, welche die ungeschriebene Spürbarkeitsgrenze teilweise erheblich anheben.576 Liegen die addierten Marktanteile der 569 Verordnung (EG) Nr. 2659 / 2000 der Kommission vom 29. 11. 2000 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung, ABl.EG 2000 Nr. L 304, S. 7. 570 Siehe Fn. 491. Dazu Griffiths / Nüesch, E.C.L.R. 2000, 452 ff.; Polley / Seeliger, WRP 2000, 494 ff. 571 Vgl. dazu näher erster Abschnitt, III. 2. c). 572 Auch bereits Kommission, XXX. Wettbewerbsbericht (2000), Rdnr. 23. 573 Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 81 EG-Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (Fn. 491), Rdnrn. 18, 25. Beispiele für diese Kernbeschränkungen finden sich insbesondere in Art. 81 Abs. 1 lit. a)-c) EG. Gem. Rdnr. 11 der Bagatellbekanntmachung der Kommission (Fn. 492) ist auch die Spürbarkeitsschwelle für derartige „hardcore restraints“ niedriger als bei anderen horizontalen Beschränkungen. 574 Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 81 EG-Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (Fn. 491), Rdnr. 19. Ausführlich zudem Bekanntmachung der Kommission vom 27. 4. 2004: Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, ABl.EU 2004 Nr. C 101, S. 97, Rdnrn. 17 – 27. 575 Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 81 EG-Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (Fn. 491), Rdnr. 10. 576 Diese Marktanteilsschwellen liegen bei 15 % im Falle von Einkaufs- bzw. Vermarktungsvereinbarungen (Rdnrn. 130, 149), bei 20 % im Falle von Produktionsvereinbarungen (Rdnr. 93) und 25 % bei Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen (Rdnr. 62).
I. Die Freistellungsregelung des Art. 81 Abs. 3 EG
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beteiligten Unternehmen unterhalb der bezifferten Werte, so sollen die nachteiligen Wirkungen der Vereinbarungen regelmäßig nicht weiter zu untersuchen sein. Liegen sie dagegen oberhalb der aufgeführten Schwellen, bedeutet dies nicht ohne weiteres, dass die nachteiligen Wirkungen gegenüber den positiven überwiegen, vielmehr wird in diesen Fällen auf die Notwendigkeit einer weitergehenden Analyse verwiesen.577 Hierzu soll unter anderem anhand des Herfindahl-HirschmanIndex (HHI)578 die Konzentration auf dem betreffenden Markt ermittelt werden und zugleich weitere Faktoren wie die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Markteintritte, die Stabilität der Marktanteile, eine mögliche Nachfragemacht der Abnehmer oder die Beschaffenheit der Produkte untersucht werden.579 Gerade in der Fokussierung auf die Marktkonzentration ist dabei eine wesentliche, ökonomisch fundierte Neuerung zu sehen: Nach Auffassung der Kommission soll der Blick offensichtlich verstärkt auf die Außenwirkung einer Vereinbarung gerichtet und auf diese Weise ermittelt werden, ob die an der Kooperation Beteiligten gemeinsam – und zwar auch ohne nähere Abstimmung580 – mit den übrigen Marktteilnehmern zu einem weitergehenden „nicht koordinierten“ Zusammenwirken in der Lage sind. Insofern scheint sich die Kommission auch bei Anwendung des Art. 81 EG auf neuere Erkenntnisse im Bereich möglicher Oligopolwirkungen von Wettbewerbsbeschränkungen zu stützen.581 Insgesamt stehen die Marktanteile der von der Vereinbarung betroffenen Unternehmen – sei es für das Erreichen der Unbedenklichkeitsschwellen, sei es zur Ermittlung der gesamten Marktkonzentration – maßgeblich im Vordergrund des stärker ökonomisch fundierten Ansatzes, und dies nicht nur bei horizontalen, sondern auch bei vertikalen Vereinbarungen.582 Schwierigkeiten begegnet die eingeschlagene Richtung insoweit, als dass die für die Ermittlung von Marktanteilen erforderliche Abgrenzung des relevanten Marktes für die Unternehmen von erheblichen Unsicherheiten geprägt ist.583 Zugleich ist die Berechnung von Marktanteilen stark rückwärtsgerichtet und daher insbesondere auf technologiegeprägten Märkten, die sich durch hohe Innovationsdynamik auszeichnen, als nur bedingt aussagekräftig 577 Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 81 EG-Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (Fn. 491), Rdnrn. 94, 96, 131, 150; Geiger, EuZW 2000, 325, 327. 578 Vgl. bereits Fn. 303. Bei einem HHI von unter 1000 wird von einer niedrigen, zwischen 1000 und 1800 von einer mäßigen und jenseits von 1800 von einer hohen Marktkonzentration ausgegangen; Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 81 EG-Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (Fn. 491), Rdnr. 29. 579 Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 81 EG-Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (Fn. 491), Rdnrn. 29 f. 580 Zu diesen „nicht koordinierten“ Auswirkungen im Oligopol bereits die Nachweise in Fn. 13 sowie Röller / Strohm, in: MüKo-WbR I, Rdnrn. 1561 ff. 581 Zimmer, in: Privat- und Wirtschaftsrecht im Zeichen der Europäischen Integration, S. 33, 50 f. 582 Kritisch Emmerich, WRP 2000, 858, 861; Griffiths, E.C.L.R. 2000, 241, 245 f. 583 Ackermann, EuZW 1999, 741, 742 f.
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2. Abschn.: Effizienzvorteile im Rahmen des Art. 81 EG
einzuordnen.584 So bedenkenswert diese primär gegen die Unbedenklichkeitsschwellen gerichtete Kritik einerseits sein mag, so ist andererseits gerade im Sinne einer erhöhten Rechtssicherheit auf die Heranziehung weiterer Kriterien, wie etwa die Höhe der Marktzutrittsschranken, bei der Bewertung der Unbedenklichkeit einer Vereinbarung zu verzichten; die Ermittlung dieser Daten ist für die Unternehmen regelmäßig mit einer noch größeren Unsicherheit verbunden.585 Im Hinblick auf Rechtssicherheit und Praktikabilität kommt den Marktanteilsschwellen daher eine hohe wettbewerbspolitische Plausibilität zu, zumal eine durchgehend bessere, realistischere Alternative nicht zu erkennen ist.586
II. Effizienzvorteile unter dem Freistellungsmonopol der Kommission Bis zum Inkrafttreten der VO Nr. 1 / 2003 zum 1. 5. 2004 war es ausschließlich der Kommission überlassen, die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG im Einzelfall zu überprüfen. Innerhalb welcher Grenzen wirtschaftliche Effizienzgesichtspunkte im Bereich des Kooperationskontrollrechts Beachtung gefunden haben und im Einzelfall die wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen von Vereinbarungen ausgleichen konnten, lässt sich daher anhand der Freistellungsentscheidungen der Kommission darlegen. Anders als in der Fusionskontrolle benennt Art. 81 Abs. 3 EG die Voraussetzungen für die Effizienzberücksichtigung präziser und zudem unmittelbar im Normtext: Die Norm enthält vier materiellrechtliche Tatbestandsmerkmale, die nach der ständigen Rechtsprechung der europäischen Gerichte kumulativ erfüllt sein müssen.587 1. Die Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung, Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts Erste Voraussetzung für die Einbeziehung von Effizienzvorteilen in die wettbewerbsrechtliche Bewertung von Vereinbarungen ist zunächst das Vorliegen einer Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung, bzw. ein Beitrag zur Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts. Bezüglich der aufgezählten Alternativen sind dabei weitgehende Überschneidungen möglich und anerkannt ist darüber hinaus, dass neben der Verbesserung der Warenerzeugung und -verteilung 584
Schultze / Pautke / Wagener, WRP 2004, 175, 179; ähnlich Drexl, GRUR Int. 2004, 716,
726. Fuchs, in: Symposium zum 65. Geburtstag von Ulrich Immenga, S. 95, 114 ff. m. w. N. Kallfass, WuW 1999, 225, 243; Weitbrecht, EuZW 2000, 496, 499; Veelken, ZVglRWiss. 1998, 241, 279; Bueren, WRP 2004, 567, 572. 587 EuGH vom 13. 7. 1966, verb. Rs. 56 und 58 / 64, Slg. 1966, 322 „Grundig und Consten“ S. 399; EuG vom 15. 7. 1994, Rs. T-17 / 93 Slg. 1994, II-595 „Matra Hachette / Kommission“ Rdnr. 104. 585 586
II. Effizienzvorteile unter dem Freistellungsmonopol der Kommission
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auch die Verbesserung von Dienstleistungen über Art. 81 Abs. 3 EG berücksichtigt werden kann.588 Erfasst werden sollen alle spürbar ins Gewicht fallenden, objektiven wirtschaftlichen Effizienzgewinne, die unmittelbar kausal durch die Koordinierung der Beteiligten verursacht werden.589 Da die einbezogenen Vorteile eine Freistellung nur dann rechtfertigen können, wenn sie zu einer Verbesserung im Vergleich zu derjenigen Situation führen, die ohne die wettbewerbsbeschränkende Maßnahme bestanden hätte, war bereits innerhalb der ersten Voraussetzung des Art. 81 Abs. 3 EG eine Abwägung der vor- und nachteiligen Auswirkungen der Vereinbarung vorzunehmen.590 Die Freigabeentscheidung der Kommission erforderte dazu eine Prognose, die sich auf eine an objektiven Merkmalen orientierte, hinreichende Wahrscheinlichkeit stützte.591 Besonderes Gewicht wurde seitens der Kommission zunächst der Ermittlung der einzubeziehenden Vorteile eingeräumt. Im Mittelpunkt standen dabei alle Arten von Kosteneinsparungen, die sich durch Größen- oder Verbundvorteile, neue Produktionsverfahren oder jegliche Art von Rationalisierung ergaben.592 Auch niedrigere Lohnkosten, eine schnellere Amortisation von Investitionen sowie die Verringerung von Transaktions- und Distributionskosten konnten von dem weit verstandenen Begriff der Verbesserung der Warenerzeugung gem. Art. 81 Abs. 3 EG erfasst werden.593 Daneben waren Effizienzgewinne vor allem in der Verbesserung der Produktund Dienstleistungsqualität sowie in der Herstellung neuer Produkte bzw. Einführung neuer Dienstleistungen in der Fallpraxis der Kommission anerkannt.594 Hierunter fielen sowohl die Verbreiterung des bisher bestehenden Produktangebots 588 Bellamy / Child, Competition Law, 3 – 027; Schröter, in: Schröter / Jakob / Mederer, Art. 81 Abs. 3, Rdnr. 342. 589 EuGH vom 13. 7. 1966, verb. Rs. 56 und 58 / 64, Slg. 1966, 322 „Grundig und Consten“ S. 396 f.; Komm. vom 19. 12. 1990, ABl.EWG 1991 Nr. L 152, S. 54 „ANSAC“ Rdnr. 24; Aicher / Schuhmacher, in: Grabitz / Hilf, Bd. II, Art. 81 Rdnrn. 271 ff. 590 Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 13 Rdnrn. 44 ff.; Ellger, in: Immenga / Mestmäcker, EG-WbR I / 1, Art. 81 Abs. 3, Rdnr. 155; Bunte, in: Langen / Bunte, Art. 81 – Generelle Prinzipien, Rdnr. 150 f. 591 Komm. vom 20. 12. 1974, ABl.EWG 1975 Nr. L 29, S. 20 „Rank / Sopelem“, S. 24; Gleiss / Hirsch, EG-Kartellrecht, Art. 85 (3), Rdnr. 1855. 592 Komm. vom 22. 7. 1969, ABl.EWG 1969 Nr. L 195, S. 5 „Jaz-Peter“ Rdnr. 10; Komm. vom 8. 10. 1973, ABl.EWG 1973 Nr. L 296, S. 24 „Prym-Beka“ unter III, B. 1.; Komm. vom 13. 7. 1983, ABl.EWG 1983 Nr. L 224, S. 19 „Rockwell / Iveco“ Rdnr. 8; Komm. vom 30. 7. 1991, ABl.EWG 1991 Nr. L 258, S. 18 „IATA Passenger Agency Programme“ Rdnr. 56; Komm. vom 18. 5. 1994 ABl.EG 1994 Nr. L 144, S. 20 „Exxon / Shell“ Rdnr. 69; Komm. vom 21. 12. 1994, ABl.EG 1994, Nr. L 378, S. 37 „Philips / Osram“ Rdnr. 25; Komm. vom 17. 7. 1996, ABl.EG 1996 Nr. L 239, S. 57 „PHOENIX / GlobalOne“ Rdnr. 57; Komm. vom 17. 9. 2001, ABl.EG 2001 Nr. L 319, S. 1 „DSD“ Rdnr. 145. Stockmann, in: Wiedemann, Hdb.KartR, § 7 Rdnr. 113 m. w. N. 593 Gleiss / Hirsch, EG-Kartellrecht, Art. 85 (3), Rdnr. 1876. 594 Komm. vom 19. 7. 1989, ABl.EG 1989 Nr. L 253, S. 1, „Niederländische Banken“ Rdnr. 62; vgl. Aicher / Schuhmacher, in: Grabitz / Hilf, Bd. II, Art. 81 Rdnr. 279.
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2. Abschn.: Effizienzvorteile im Rahmen des Art. 81 EG
als auch die Ausdehnung des Vertriebs- und Kundendienstnetzes mit der besonders wichtigen Fallgruppe der effektiveren Erschließung des europäischen Marktes.595 Qualitative Effizienzgewinne wurden in der höheren Spezialisierung von Fachhändlern gesehen, die bei besonders beratungsintensiven Produkten besser auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen konnten.596 Auch die Erhöhung der Markttransparenz wurde in ständiger Praxis dann als Beitrag zur Verbesserung der Warenverteilung eingeordnet, wenn sie die Produktinformation der Verbraucher erweiterte und insgesamt zu einer besseren Vergleichbarkeit der Güter führte;597 bestand jedoch die Gefahr, dass die verbesserte Transparenz vor allem den Wettbewerbern zur besseren Abstimmung ihrer Preise und Wettbewerbsstrategien diente, fielen wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen, die eine erhöhte Markttransparenz bewirkten, unter keines der in Art. 81 Abs. 3 EG genannten Kriterien.598 Vereinbarungen über eine gemeinsame Forschung und Entwicklung in Form von Gemeinschaftsunternehmen und Spezialisierungsvereinbarungen, die durch den Gedanken der Arbeitsteilung geprägt sind, konnten – soweit sie nicht bereits durch entsprechende GVO freigestellt waren – insbesondere zur Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, indem sie die Innovationsfähigkeit verstärkten und die Forschungskapazitäten insgesamt erhöhten.599 Rechnung getragen wurde dabei den verschiedenen Phasen des Entwicklungsprozesses neuer Produkte oder Produktionsverfahren: Insbesondere in der Aufbauphase neuer Technologien war die Kommission mit einer großzügigen Freistellungspraxis zurückhaltend, um für größtmögliche Offenhaltung des Wettbewerbs zu sorgen.600 Waren die positiven Wirkungen der Vereinbarung sowie deren beschränkende Wirkungen auf den Wettbewerb einmal ermittelt, so konnte eine Gegenüberstellung und eingehende Abwägung der Vor- und Nachteile durch die Kommission noch immer daran scheitern, dass die den Effizienzgewinnen entgegenwirkenden Nachteile derartig gewichtig waren, dass sie regelmäßig per se zum Ausschluss 595 Vgl. Komm. vom 19. 12. 1974, ABl.EWG 1974 Nr. L 29, S. 11 „Duro-Dyne / Europair“ unter III, B., 1.; Komm. vom 25. 7. 1977, ABl.EWG 1977 Nr. L 215, S. 11 „De LavalStork“ unter III, B., 10. 596 Dazu bereits Fn. 504. Aber auch Komm. vom 10. 12. 1984, ABl.EWG 1985 Nr. L 19, S. 17 „Grohe“ Rdnr. 20 f.: Für Sanitärarmaturen wurde eine besonders fachmännische Beratung als nicht erforderlich erachtet. 597 Komm. vom 17. 7. 1975, ABl.EWG 1975 Nr. L 228, S. 17 „U.N.I.D.I“ S. 21; Komm. vom 11. 7. 1988, ABl.EWG 1988 Nr. L 233, S. 15 „British Dental Trade Association“ Rdnrn. 31 ff. 598 Etwa Komm. vom 15. 5. 1974, ABl.EG 1974 Nr. L 160, S. 1 „Verpackungsglas“ Rdnr. 57. 599 Eingehend zu den Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen Fuchs, Kartellrechtliche Grenzen der Forschungskooperation, S. 194 ff. Siehe etwa Komm. vom 6. 10. 1994, ABl.EWG 1994 Nr. L 309, S. 1 „Pasteur-Mérieux / Merck“ Rdnrn. 83, 90: Beschleunigung von Forschung und Entwicklung. 600 Etwa Komm. vom 19. 2. 1991, ABl.EWG 1991 Nr. L 63, S. 32 „Screensport / EBUMitglieder“ Rdnr. 71.
II. Effizienzvorteile unter dem Freistellungsmonopol der Kommission
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einer Freistellung führten. Zu diesen Kernbeschränkungen gehörten insbesondere Preisfestsetzungen, Markt- bzw. Kundenaufteilungen durch Quotenvereinbarungen sowie die Einschränkung der technischen Entwicklung.601 Auf der anderen Seite maß die Kommission – in weiter Auslegung der Markterschließungsdoktrin des EuGH – solchen Absprachen, die Markteintritte602 und Wettbewerbseröffnung603 erheblich erleichterten, stets ein besonderes Gewicht bei, so dass zu deren Erreichung auch sehr weitgehende Beschränkungen zulässig sein konnten.604 Für die Bilanzierung der Vor- und Nachteile kam es sodann auf die Intensität und Reichweite der Verbesserungen, die Auswirkungen der Vorteile auf den Integrationsprozess sowie die Realisierbarkeit der Vorteile bei Fehlen der Vereinbarung an. Auffallend ist indes, dass es oftmals bei einer bloßen Gegenüberstellung der einzelnen Gesichtspunkte geblieben ist und daher an einer detaillierten Abwägung zwischen den Vor- und Nachteilen eines selbständigen und eines kooperativen Vorgehens fehlt.605 Hinsichtlich der schwierigen Frage nach der Gewichtung kurzfristiger Vorteile einerseits und mittel- und langfristiger Auswirkungen andererseits schien die Kommission insbesondere im Bereich der Forschungs- und Entwicklungskooperationen mit einer großzügigen Freistellungspraxis den kurzfristigen Vorteilen breiten Raum einzuräumen.606 So wurden beispielsweise die Nachteile einer gemeinsamen Forschung, die in einem weniger differenzierten Produktangebot liegen können, nur am Rande erwähnt;607 auch die durch Rationalisierungsvorteile in Kauf genommene Verringerung der Anbieterzahl wurde recht knapp als nicht weiter ins Gewicht fallend bewertet.608 Insgesamt entstand so der Eindruck, dass auf das Verhältnis der Vor- und Nachteile einer Vereinbarung nur oberflächlich eingegangen wurde und darüber hinaus nur in wenigen – zumal jüngeren – Kommissionsentscheidungen überhaupt der Versuch unternommen wurde, 601 Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 13 Rdnr. 52 f. Kritisch Gleiss / Hirsch, EG-Kartellrecht, Art. 85 (3), Rdnr. 1897. 602 Komm. vom 13. 7. 1983, ABl.EWG 1983 Nr. L 224, S. 19 „Rockwell / Iveco“ Rdnr. 10; Komm. vom 17. 7. 1996, ABl.EG 1996 Nr. L 239, S. 57 „PHOENIX / GlobalOne“ Rdnr. 61. Relevant wird das Ausmaß der genannten Vorteile zudem im Rahmen des UnerlässlichkeitsKriteriums. 603 Komm. vom 23. 12. 1975, ABl.EWG 1976 Nr. L 51, S. 7 „United Reprocessors“ S. 12. 604 Weitere Nachweise bei Gleiss / Hirsch, EG-Kartellrecht, Art. 85 (3), Rdnrn. 1886 ff. 605 Zu dieser Einschätzung gelangen auch Teichmann, Die Verbesserung der Warenerzeugung, S. 219; Lugard / Hancher, E.C.L.R. 2004, 410, 419; Kjølbye, E.C.L.R. 2004, 566, 573; Monopolkommission, VIII. Hauptgutachten (1990), Rdnr. 1038; Hansen, Beurteilung horizontaler Forschungs- und Entwicklungskooperationen, S. 180. 606 Fuchs, Kartellrechtliche Grenzen der Forschungskooperation, S. 199; kritisch dazu Claydon, E.C.L.R. 1986, 151, 185; Hansen, Beurteilung horizontaler Forschungs- und Entwicklungskooperationen, S. 187. 607 Komm. vom 5. 12. 1983, ABl.EWG 1983 Nr. L 376, S. 11 „VW-MAN“ S. 13 ff., ähnlich knapp Komm. vom 11. 10. 1988, ABl.EG 1988 Nr. L 305, S. 33 „Continental / Michelin“ Rdnr. 25. 608 Komm. vom 22. 7. 1969, ABl.EWG 1969 Nr. L 195, S. 5 „Jaz-Peter“ Rdnr. 14.
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2. Abschn.: Effizienzvorteile im Rahmen des Art. 81 EG
die Kosteneinsparungen genauer zu quantifizieren.609 Detaillierte Kosten-NutzenAnalysen wurden regelmäßig als nicht erforderlich erachtet, ausschlaggebend war vielmehr, ob nach einer überschlägigen, pauschalen Saldierung mit den Nachteilen die vorgebrachten Kosteneinsparungen noch nennenswert ins Gewicht fielen.610 2. Die angemessene Beteiligung der Verbraucher Der Eindruck einer eher oberflächlichen Prüfungsweise setzt sich auch bei Betrachtung der zweitgenannten Freistellungsvoraussetzung fort. Art. 81 Abs. 3 EG verlangt insoweit die angemessene Beteiligung der Verbraucher an dem durch die Vereinbarung entstehenden Gewinn. Bedeutend abgeschwächt wird die geforderte Verbraucherbeteiligung dabei durch den weit verstandenen Verbraucherbegriff: Erfasst wurden nicht nur Endverbraucher, sondern alle mittelbaren und unmittelbaren Abnehmer der betroffenen Produkte.611 Negativ gewendet bedeutete dies: Nicht ausreichend war es, wenn die Effizienzgewinne ausschließlich den an der Vereinbarung Beteiligten zukamen.612 Unter den Begriff des Gewinns fielen alle wirtschaftlichen – qualitativen und quantitativen –Vorteile, die durch die Vereinbarung entstanden, mithin insbesondere die zur ersten Voraussetzung genannten Effizienzgewinne, wie etwa Preissenkungen613 oder Qualitätsverbesserungen.614 609 Komm. vom 21. 12. 1994, ABl.EG 1994, Nr. L 378, S. 37 „Philips / Osram“ Rdnr. 26; Komm. vom 24. 1. 1999, ABl.EG 2000 Nr. L 187, S. 47 „CECED“ Rdnrn. 47 – 57; Komm. vom 5. 7. 2002, ABl.EG 2002 Nr. 242, S. 25 „AuA / LH“ Rdnr. 88; Komm. vom 16. 1. 1996, ABl.EG 1996 Nr. L 54, S. 28 „LH / SAS“ Rdnr. 70. Anders hingegen Komm. vom 13. 7. 1983, ABl.EWG 1983 Nr. L 224, S. 19 „Rockwell / Iveco“ Rdnr. 8: „Es ist anzunehmen, dass diese Großserienproduktion [ . . . ] eine Rationalisierung der Herstellung zur Folge haben wird.“ 610 Siehe etwa Komm. vom 22. 12. 1972, ABl.EWG 1972 Nr. L 303, S. 24 „Cimbel“ Rdnr. 20; Gleiss / Hirsch, EG-Kartellrecht, Art. 85 (3), Rdnr. 1878; Neven / Papandropoulos / Seabright, Trawling for Minnows, S. 104, 106. 611 Unstreitig, etwa Komm. vom 9. 7. 1980, ABl.EWG 1980 Nr. 260, S. 24 „National Sulphuric Acid Association“ Rdnr. 47; Komm. vom 8. 5. 2001, ABl.EG 2001 Nr. L 302, S. 1 „Glaxo Wellcome“ Rdnr. 185; Dresel, Die Verbraucherbeteiligung, S. 265 f. Weitreichend auch Komm. vom 11. 10. 1988, ABl.EG 1988 Nr. L 305, S. 33 „Continental / Michelin“ Rdnr. 27: „Die Vermeidung von Verkehrsunfällen liegt im privaten und im öffentlichen Interesse“; auch Komm. vom 24. 1. 1999, ABl.EG 2000 Nr. L 187, S. 47 „CECED“ Rdnr. 55: „Umweltnutzen für die Gesellschaft“. 612 EuGH vom 13. 7. 1966, verb. Rs. 56 und 58 / 64, Slg. 1966, 322 „Grundig und Consten“ S. 396. 613 Komm. vom 14. 7. 1986, ABl.EWG 1986 Nr. L 236, S. 30 „Lichtwellenleiter“ Rdnr. 60: „Durch diese Kostensenkung müssten sich auch die Verbraucherpreise verbilligen“; Komm. vom 16. 12. 1996, ABl.EG 1996 Nr. L 354, S. 87 „Asahi / Saint-Gobain“ Rdnr. 26. 614 Komm. vom 12. 12. 1990, ABl.EWG 1991 Nr. L 19, S. 25 „KSB / Goulds / Lowara / ITT“ Rdnr. 27. Einen Schwerpunkt auf die Weitergabe von Kostenvorteilen in Form von Preissenkungen legte die Kommission – trotz festgestellter qualitativer Verbesserungen – in ihrer Entscheidung vom 25. 11. 1981, ABl.EWG 1982 Nr. L 54, S. 36 „VBBB / VBVB“ Rdnr. 55. Zum Ganzen Aicher / Schuhmacher, in: Grabitz / Hilf, Bd. II, Art. 81 Rdnrn. 306, 308 m. w. N.; Eilmansberger, in: Streinz, Art. 81 Rdnr. 134.
II. Effizienzvorteile unter dem Freistellungsmonopol der Kommission
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Um festzustellen, ob die Beteiligung der Verbraucher am entstehenden Gewinn tatsächlich angemessen war, verlangte auch das zweite Freistellungskriterium eine Abwägung der Vor- und Nachteile der Vereinbarung. Die Angemessenheit wurde nur bejaht, wenn die Nutzen für die Verbraucher die sie gleichfalls betreffenden Nachteile überwogen, zumindest aber ausglichen.615 Dabei liegt es auf der Hand, dass auch diese Abwägung der Kommission einen weiten Spielraum für Wertentscheidungen eröffnete, insbesondere wenn es sich um Verbesserungen auf qualitativer Ebene handelte. Als Grundsatz galt hier: Je schwerwiegender die Wettbewerbsbeschränkungen ins Gewicht fielen, desto größer mussten auch die Vorteile sein.616 Einzubeziehen war dabei der voraussichtliche Zeitpunkt des Eintretens der Auswirkungen: Sich kurzfristig realisierende Vorteile reichten dann nicht aus, wenn in langfristiger Hinsicht eine Verschlechterung des Wettbewerbs drohte,617 andererseits konnten kurzfristige Nachteile wie Preiserhöhungen im Falle eines Kapazitätsabbaus durch langfristige Vorteile wie die Sicherstellung wirksamen Wettbewerbs ausgeglichen werden.618 Auf eine genauere Prognose hinsichtlich des Auswirkens der Vor- und Nachteile beim Verbraucher hat die Kommission jedoch auch hier regelmäßig verzichtet, als ausreichend erachtete sie insoweit eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Vorteilsweitergabe.619 Dazu untersuchte sie in einer Art Vorgriff auf das vierte Freistellungskriterium – keine Ausschaltung des Restwettbewerbs –, ob auch nach Abschluss der Vereinbarung noch ausreichender Restwettbewerb auf dem betreffenden Produktmarkt vorhanden war620 oder etwa die wirtschaftliche Macht der Nachfrager die Weitergabe sicherstellte.621 In jüngerer Zeit hat sie darüber hinaus die 615 EuGH vom 29. 10. 1986, verb. Rs. 209 – 215, 218 / 78, Slg. 1980, 3125 „van Landewyk u. a. / Kommission“ Rdnr. 185; Komm. vom 29. 12. 1970, ABl.EWG 1971 Nr. L 10, S. 15 „Fliesenhersteller“ S. 22. 616 Stockmann, in: Wiedemann, Hdb.KartR, § 7 Rdnr. 114. 617 Etwa Komm. vom 19. 2. 1991, ABl.EWG 1991 Nr. L 63, S. 32 „Screensport / EBUMitglieder“ Rdnrn. 72 f. 618 Komm. vom 22. 12. 1987, ABl.EWG 1988 Nr. L 50, S. 18 „Enichem / ICI“ Rdnr. 38. 619 Komm. vom 17. 1. 1979, ABl.EWG 1979 Nr. L 70, S. 11 „Beecham / Parke, Davis“ Rdnr. 38; Komm. vom 12. 1. 1990, ABl.EWG 1990 Nr. L 32, S. 19 „ALCATEL / ESPACE / ANT“ Rdnr. 18: „Die Vereinbarung ist somit ein Beitrag zur Förderung des technischen Fortschritts und lässt erwarten, dass diese in Form von verbesserten Produkten an die Benutzer weitergegeben wird.“ Teilweise wird die Weitergabe der Vorteile sogar ohne jede Prognose angenommen, etwa Komm. vom 16. 12. 1996, ABl.EG 1996 Nr. L 354, S. 87 „Asahi / Saint-Gobain“ Rdnr. 26: „Durch die Zusammenarbeit von AG und SG kommt es zu einer Senkung der Forschungs- und Entwicklungskosten bei Zweischichterzeugnissen und damit auch des Preises für den Verbraucher, wodurch sich das Produkt schneller auf dem Markt durchsetzen kann.“ 620 Exemplarisch Komm. vom 29. 10. 1982, ABl.EWG 1982 Nr. L 314, S. 34 „Amersham Buchler“ Rdnr. 12. Kritisch dazu Weiß, in: Callies / Ruffert, EUV / EGV, Art. 81 Rdnr. 159; Bunte, in: Langen / Bunte, Art. 81 – Generelle Prinzipien, Rdnr. 160 (9. Auflage). Vgl. auch EuGH vom 25. 10. 1977, Rs. 26 / 76, Slg. 1977, 1875 „Metro / Kommission“ Rdnr. 48. 621 Komm. vom 16. 7. 2003, ABl.EU 2004 Nr. L 75, S. 32 „T-Mobile / O2“ Rdnr. 130; Komm. vom 25. 7. 1977, ABl.EWG 1977 Nr. L 215, S. 11 „De Laval-Stork“ unter III, B., 11.
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2. Abschn.: Effizienzvorteile im Rahmen des Art. 81 EG
Angemessenheit der Weitergabe nur noch pauschal überprüft und in einigen Entscheidungen wird diese Anforderung schließlich gänzlich unterschlagen.622 Die Eigenständigkeit der zweiten Freistellungsvoraussetzung war nach dieser Praxis durch die Rückgriffe sowohl auf das erste als auch das vierte Freistellungskriterium und der nur oberflächlichen, bzw. fehlenden Prüfung der Angemessenheit insgesamt stark anzuzweifeln.623
3. Die Unerlässlichkeit der Wettbewerbsbeschränkung Der Ausnahmecharakter der Freistellung verlangt, eine Beschränkung des Wettbewerbs nur dann hinzunehmen, wenn sie über das zur Vorteilserreichung notwendige Maß nicht hinausgeht. Die dritte Voraussetzung einer Freistellung, die Unerlässlichkeit der wettbewerbsbeschränkenden Abrede zur Verwirklichung der vorgenannten Ziele, Art. 81 Abs. 3 lit. a) EG, ist damit eine wettbewerbsrechtliche Ausprägung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, wonach allein das am wenigsten wettbewerbsbeschränkende Mittel freistellungsfähig ist. Die Anforderungen an die Unerlässlichkeit waren in der bisherigen Entscheidungspraxis streng,624 und da der Nachweis, dass eine konkrete Wettbewerbsbeschränkung nicht unerlässlich ist, regelmäßig leichter zu führen war, als derjenige über das Vorliegen der beiden vorangestellten positiven Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG, wurden zahlreiche negative Freistellungsentscheidungen mit dem Hinweis auf die fehlende Unerlässlichkeit begründet.625 Vor einer endgültigen Freistellungsverweigerung hat die Kommission den an der Vereinbarung beteiligten Parteien allerdings vielfach die Gelegenheit gegeben, ihre Absprache im Rahmen von Verhandlungen auf das unerlässliche Maß an Wettbewerbsbeschränkung zu verringern.626 Ausschlaggebend für die Unerlässlichkeit der Wettbewerbsbeschränkung war ein objektiver Maßstab. Es musste objektiv festgestellt werden, dass sich auch 622 Etwa Komm. vom 11. 10. 1988, ABl.EWG 1988 Nr. L 301, S. 68 „BBC Brown Boveri“ Rdnr. 24; Komm. vom 12. 12. 1990, ABl.EWG 1991 Nr. L 19, S. 25 „KSB / Goulds / Lowara / ITT“ Rdnr. 27. 623 Weiß, in: Callies / Ruffert, EUV / EGV, Art. 81 Rdnr. 159; Gleiss / Hirsch, EG-Kartellrecht, Art. 85 (3), Rdnr. 1929; anders aber Dresel, Die Verbraucherbeteiligung, S. 297. 624 EuGH vom 25. 3. 1981, Rs. 61 / 80, Slg. 1981, 851 „Coöperatieve Stremsel – En Kleurselfabriek / Kommission“ Rdnr. 6, 18; EuG vom 9. 7. 1992, Rs. T-66 / 89, Slg. 1992, II-1995 „Publishers Association / Kommission“ Rdnr. 103 ff.; Stockmann, in: Wiedemann, Hdb.KartR, § 7 Rdnr. 115. 625 Komm. vom 25. 7. 1974, ABl.EWG 1974 Nr. L 237, S. 16 „FRUBO“ S. 21; Komm. vom 25. 7. 1977, ABl.EWG 1977 Nr. L 215, S. 11 „De Laval-Stork“ unter III, B., 13 f.; Komm. vom 19. 12. 1990, ABl.EWG 1991 Nr. L 152, S. 54 „ANSAC“ Rdnr. 28; Komm. vom 17. 12. 1981, ABl.EWG 1982 Nr. L 167, S. 39 „Navewa / Anseau“ Rdnr. 63; Komm. vom 18. 12. 1987, ABl.EWG 1988 Nr. L 49, S. 19 „Fisher-Price / Quaker Oats Ltd.“ Rdnr. 23. 626 Komm. vom 11. 10. 1988, ABl.EG 1988 Nr. L 305, S. 33 „Continental / Michelin“ Rdnr. 28; Schröter, in: Schröter / Jakob / Mederer, Art. 81 Abs. 3 Rdnr. 355.
II. Effizienzvorteile unter dem Freistellungsmonopol der Kommission
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dritte Unternehmen ohne die jeweiligen Beschränkungen „vernünftigerweise“627 nicht auf die Vereinbarung eingelassen hätten.628 Der Prognosecharakter der Freistellung erlaubte der Kommission jedoch auch beim dritten Freistellungskriterium einen Spielraum für Wertungen. Besondere Bedeutung wurde stets dem wirtschaftlichen Risiko zugemessen, welches für das Erreichen der Vorteile erforderlich war; wurden hohe Aufwendungen getätigt, konnten auch länger andauernde Beschränkungen unerlässlich sein, um die vorgenommenen Investitionen zu amortisieren;629 im Gegenzug hat die Kommission oftmals Freistellungen lediglich für eine befristete Aufbauphase für erforderlich erachtet.630 Grundsätzlich waren die Anforderungen an die Unerlässlichkeit umso höher, je schwerwiegender die einzelnen Beschränkungen631 oder die Marktmacht der an der Absprache beteiligten Unternehmen ins Gewicht fielen.632 Waren die Vorteile im Verhältnis zur Wettbewerbsbeschränkung nur gering oder konnten sie auch ohne die konkrete Absprache eintreffen, war das dritte Freistellungskriterium nicht erfüllt.633 Alternativen zur konkreten Absprache wurden von der Kommission allerdings nur dann ernsthaft erwogen, wenn sie den beteiligten Parteien tatsächlich zumutbar waren und die angestrebten Effizienzvorteile aufgrund einer hinreichend sicheren Prognose ebenso vollständig, wahrscheinlich und fristgerecht erreicht werden konnten wie mit der ursprünglich vereinbarten Wettbewerbsbeschränkung.634 627 Komm. vom 17. 9. 2001, ABl.EG 2001 Nr. L 319, S. 1 „DSD“ Rdnrn. 150 ff.; Komm. vom 22. 7. 1969, ABl.EWG 1969 Nr. L 195, S. 5 „Jaz-Peter“ Rdnr. 16; Komm. vom 17. 7. 1975, ABl.EWG 1975 Nr. L 228, S. 17 „U.N.I.D.I“ S. 21. 628 Komm. vom 12. 12. 1990, ABl.EWG 1991 Nr. L 19, S. 25 „KSB / Goulds / Lowara / ITT“ Rdnr. 29; Komm. vom 24. 6. 1996, ABl.EG 1996 Nr. L 188, S. 37„BNP und Dresdner Bank“ Rdnr. 20; Gleiss / Hirsch, EG-Kartellrecht, Art. 85 (3), Rdnr. 1932. 629 Komm. vom 11. 10. 1988, ABl.EWG 1988 Nr. L 301, S. 68 „BBC Brown Boveri“ Rdnr. 30. 630 Komm. vom 3. 3. 1999, ABl.EG 1999 Nr. L 90, S. 6 „TPS“ Rdnr. 134; Komm. vom 13. 7. 1983, ABl.EWG 1983 Nr. L 224, S. 19 „Rockwell / Iveco“ Rdnr. 10. Zur Beachtung des Zeitfaktors siehe auch EuG vom 15. 9. 1998, verb. Rs. T-374, 375, 384, 388 / 94, Slg. 1998, II-3141 „European Night Services u. a. / Kommission“ Rdnr. 230. Weitere Nachweise bei Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 13 Rdnr. 63. 631 EuG vom 28. 2. 2002, Rs. T-86 / 95, Slg. 2002, II-1011 „Compagnie générale maritime u. a. / Kommission“ Rdnr. 392. Aicher / Schuhmacher, in: Grabitz / Hilf, Bd. II, Art. 81 Rdnr. 319. 632 Komm. vom 11. 10. 1988, ABl.EG 1988 Nr. L 305, S. 33 „Continental / Michelin“ Rdnr. 29. 633 Komm. vom 19. 2. 1991, ABl.EWG 1991 Nr. L 63, S. 32 „Screensport / EBU-Mitglieder“ Rdnr. 74; Komm. vom 11. 5. 1973, ABl.EWG 1973 Nr. L 217, S. 3 „SCPA / Kali und Salz“ S. 5; Komm. vom 16. 12. 1971, ABl.EWG 1972 Nr. L 13, S. 34 „Vereniging van Cementhandelaren“ S. 43. 634 Komm. vom 13. 7. 1983, ABl.EWG 1983 Nr. L 224, S. 19 „Rockwell / Iveco“ Rdnr. 10; Komm. vom 16. 1. 1996, ABl.EG 1996 Nr. L 54, S. 28 „LH / SAS“ Rdnr. 76 ff.; Komm. vom 22. 12. 1987, ABl.EWG 1988 Nr. L 50, S. 18 „Enichem / ICI“ Rdnr. 44; Schröter, in: Schröter / Jakob / Mederer, Art. 81 Abs. 3 Rdnr. 356 m. w. N.
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2. Abschn.: Effizienzvorteile im Rahmen des Art. 81 EG
Für bestimmte Arten von Absprachen hat die Kommission im Laufe ihrer Anwendungspraxis anerkannt, dass sie unter normalen Umständen regelmäßig bestimmte Vorteile erbringen und diesen Umstand zugleich als Indiz für die Unerlässlichkeit der Beschränkung herangezogen. Darunter fielen Alleinvertriebsund Spezialisierungsvereinbarungen, Fachhandelsbindungen sowie Forschungsund Entwicklungskooperationen.635 Für derartige, einer Typisierung zugänglichen Fallgruppen hat die Kommission – nach entsprechender Ermächtigung durch den Rat – GVO erlassen, die zu ihrer eigenen Arbeitsentlastung beitragen sollten, darüber hinaus aber auch wichtige Hinweise für eine Freistellung im Einzelfall enthielten. Insbesondere die in den GVO zu findende Auflistung verbotener, „schwarzer“ Klauseln gibt Aufschluss darüber, welche Vertragsklauseln auch im Einzelfall grundsätzlich nicht als unerlässlich für die Erreichung der Vertragsziele angesehen werden können.636 Dazu zählen Preisabsprachen und Marktaufteilungen, aufgrund der hohen Bedeutung des Marktintegrationsziels aber auch Ein- und Ausfuhrverbote.637 4. Keine Ausschaltung des Wettbewerbs Art. 3 lit. g) EG verlangt ein System, welches den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützt. Damit wird die herausgehobene Stellung des freien Wettbewerbs betont und zugleich klargestellt, dass Ausnahmen vom Wettbewerbsprinzip nur bis zu einer absolut zu verstehenden Grenze möglich sind: Mittels der Vereinbarung darf den Unternehmen keine Möglichkeit eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten, Art. 81 Abs. 3 lit. b) EG. Um zu ermitteln, ob auch nach der Vereinbarung noch hinreichender Wettbewerb besteht, kommt es zunächst entscheidend auf die Abgrenzung des sachlich und geographisch relevanten Marktes an. Diesbezüglich hat die inhaltliche Untrennbarkeit von Art. 81 Abs. 1 und 3 EG zur Folge, dass für die Prüfung des Restwettbewerbs derselbe Markt zugrunde zu legen ist, der vorab auf der Stufe des Art. 81 Abs. 1 EG ermittelt wurde.638 Sodann war von der Kommission zu untersuchen, inwieweit die Vereinbarung zwischen den Unternehmen den tatsächlichen und potentiellen Wettbewerb auf diesem Markt behinderte und ob insofern der verbleibende Grad an Wettbewerb noch als ausreichend bewertet werden konnte. Zwei Gesichtspunkte waren zu beachten: Zum einen war auf die Vereinbarung selbst und die in ihr enthaltene Wettbewerbs635 Gleiss / Hirsch, EG-Kartellrecht, Art. 85 (3), Rdnr. 1940; Aicher / Schuhmacher, in: Grabitz / Hilf, Bd. II, Art. 81 Rdnr. 326 ff. 636 Emmerich, in: Dauses, Hdb.EU-WiR, H. I § 1 Rdnr. 197; Schröter, in: Schröter / Jakob / Mederer, Art. 81 Abs. 3 Rdnr. 360. Zu den GVO sogleich unter 5. 637 Erwägungsgrund Nr. 10 und Art. 4 VO Nr. 2790 / 1999 (Fn. 557); Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 2658 / 2000 (Fn. 568); Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 2659 / 2000 (Fn. 569); Whish, Competition Law, S. 157. 638 Schröter, in: Schröter / Jakob / Mederer, Art. 81 Abs. 3 Rdnr. 369.
II. Effizienzvorteile unter dem Freistellungsmonopol der Kommission
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beschränkung zwischen den beteiligten Unternehmen einzugehen – den Innenwettbewerb. Auf der anderen Seite hatte die Kommission zu prüfen, welche Auswirkungen von der Absprache auf die Wettbewerbsstruktur und die Marktsituation für Mitwettbewerber ausgingen, insoweit war auf den Außenwettbewerb abzustellen.639 Beide Aspekte spielten in der Entscheidungspraxis der Kommission regelmäßig eine Rolle:640 Die weitgehende Beschränkung oder – im Falle kooperativer Gemeinschaftsunternehmen – gar vollständige Ausschaltung des Innenwettbewerbs konnten bei Fortbestand wesentlichen Außenwettbewerbs ebenso freigestellt werden wie auch Vereinbarungen, die zu hohen Marktanteilen der beteiligten Unternehmen führten, solange noch ausreichender Innenwettbewerb oder jedenfalls potentieller Wettbewerb verblieb.641 Zur Ermittlung des voraussichtlich verbleibenden Außenwettbewerbs stellte die Kommission auf die Marktpositionen der Unternehmen sowie die Marktstruktur im Allgemeinen ab. Eine herausgehobene Rolle spielten dabei wiederum die Marktanteile der an der Absprache Beteiligten. Kooperationen, die den Unternehmen Marktanteile von über 80 % gewährten, waren demnach nicht mehr freistellungsfähig,642 auch ein Marktanteil von über 50 % führte regelmäßig zum Ausschluss des Restwettbewerbs,643 wenn nicht außergewöhnliche Umstände ausnahmsweise ein anderes Ergebnis rechtfertigten.644 Marktanteile von bis zu 30 % Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 13 Rdnr. 72 f. Etwa Komm. vom 11. 10. 1988, ABl.EG 1988 Nr. L 305, S. 33 „Continental / Michelin“ Rdnr. 36; Komm. vom 29. 4. 1994, ABl.EG 1994, Nr. L 131, S. 15 „Stichting Baksteen“ Rdnrn. 39 ff.; Komm. vom 18. 5. 1994, ABl.EG 1994 Nr. L 144, S. 20 „Exxon / Shell“ Rdnrn. 79 ff. 641 EuG vom 28. 2. 2002, Rs. T-395 / 94, Slg. 2002, II-875 „Atlantic Container Line u. a. / Kommission“ Rdnr. 300; Komm. vom 6. 10. 1994, ABl.EG 1994 Nr. L 309, S. 1 „Pasteur-Mérieux / Merck“ Rdnrn. 95 ff.; Komm. vom 20. 12. 1989, ABl.EWG 1990 Nr. L 15, S. 25 „Concordato Incendio“ Rdnr. 28; Komm. vom 23. 12. 1975, ABl.EWG 1976 Nr. L 51, S. 15 „Kewa“ unter III, B., 4. 642 Komm. vom 3. 6. 1975, ABl.EWG 1975 Nr. L 159, S. 22 „Haarden- en Kachelhandel“ S. 28 (90 %); Komm. vom 13. 7. 1983, ABl.EWG 1983 Nr. 200, S. 44 „Vimpoltu“ Rdnr. 50 (90 %). 643 Komm. vom 22. 12. 1976, ABl.EWG (1977) Nr. L 16, S. 8 „Gerofabriek“ S. 12: „Außerdem ist schwerlich vorstellbar, dass diese Beschränkungen unerlässlich sein sollten, um diesen hypothetischen Gewinn zu erzielen, und dass der Wettbewerb angesichts des hohen Marktanteils von GERO in den Niederlanden [50 %] nicht für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren ausgeschaltet ist.“ Siehe auch Komm. vom 20. 10. 1978, ABl.EWG 1978 Nr. L 322, S. 26 „WANO Schwarzpulver“ S. 34 (58 %); Komm. vom 28. 9. 1981, ABl.EWG 1981, Nr. L 326, S. 32 „Flachglas in Italien“ S. 40; Komm. vom 17. 12. 1980, ABl.EWG 1980 Nr. L 383, S. 19 „Gussglas in Italien“ S. 25. 644 Komm. vom 17. 9. 2001, ABl.EG 2001 Nr. L 319, S. 1 „DSD“ Rdnrn. 30, 158 ff., wo trotz eines Marktanteils von 70 % ein koordinierte Entsorgungssystem genehmigt wurde, da vor allem die Wahrscheinlichkeit eines Marktzutritts in Betracht gezogen wurde (insbesondere Rdnr. 162). In der Kommissionsentscheidung vom 6. 10. 1994, ABl.EG 1994 Nr. L 309, S. 1 „Pasteur-Mérieux / Merck“ Rdnrn. 18 ff., 95 ff. wurde ein Gemeinschaftsunternehmen trotz hoher Marktanteile zugelassen, da den verbleibenden Konkurrenten von der Kommis639 640
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2. Abschn.: Effizienzvorteile im Rahmen des Art. 81 EG
wurden dagegen meist als unproblematisch erachtet645 und folgerichtig auch zur Grenzziehung von pauschalen Gruppenfreistellungen in den einschlägigen horizontalen und vertikalen Verordnungen herangezogen. Ein Überschreiten derartiger Schwellen in den GVO musste aber keinesfalls zwingend die Ablehnung der Freistellung bedeuten; aufgrund der tendenziell großzügigeren Kommissionspraxis im Einzelfall konnte trotz des Erreichens der Anteilsschwellen noch eine weiterreichende, über die Berücksichtigung von Marktanteilen hinausgehende Einzelfallanalyse zu einer individuellen Freistellung führen. Zwar kam den Marktanteilen im Rahmen der Prüfung des vierten Freistellungskriteriums eine wichtige Rolle zu, nach der Entscheidungspraxis der Kommission waren sie jedoch keinesfalls der allein ausschlaggebende Faktor, sondern bildeten zunächst einen ersten Anhaltspunkt. Die Kommission ging darüber hinaus auch auf die Marktverhältnisse generell ein und untersuchte beispielsweise die Anzahl und Stärke der Mitkonkurrenten,646 bestehende Besonderheiten der jeweiligen Produkte,647 die Struktur und Verhandlungsmacht der Marktgegenseite648 sowie die Existenz möglicher Marktzugangsschranken.649 Zudem wurde der Eigenschaft des Wettbewerbs als dynamischen Prozess Rechnung getragen, wenn etwa Tendenzen berücksichtigt wurden, die die betroffenen Märkte in der Vergangenheit geprägt hatten oder für die zukünftige Entwicklung eines Marktes aufgrund technischer Veränderungen bedeutsam erschienen.650 sion zugetraut wurde, ihren Marktanteil weiter auszubauen und durch die Kooperation keinerlei Marktzutrittsschranken geschaffen wurden. Vgl. auch Komm. vom 12. 4. 1999, ABl.EG 1999 Nr. L 125, S. 12 „P&I-Clubs. Pooling Agreement“ Rdnrn. 113 ff. 645 Komm vom 13. 12. 1974, ABl.EWG 1975 Nr. L, S. 1 „BMW“ Rdnr. 31 (32 %); Komm. vom 19. 12. 1974, ABl.EWG 1974 Nr. L 29, S. 11 „Duro-Dyne / Europair“ S. 12 (20 – 30 %); Komm. vom 22. 12. 1987, ABl.EWG 1988 Nr. L 50, S. 18 „Enichem / ICI“ Rdnr. 48 (23 %); Komm. vom 18. 5. 1994, ABl.EWG 1994 Nr. L 144, S. 20 „Exxon / Shell“ Rdnr. 81 (22 %); Komm. vom 20. 12. 1974, ABl.EWG 1975 Nr. L 29, S. 20 „Rank / Sopelem“, S. 22 (20 %); Komm. vom 29. 10. 1982, ABl.EWG 1982 Nr. L 314, S. 34 „Amersham Buchler“ Rdnr. 14 (18 %). 646 Komm. vom 29. 10. 1982, ABl.EWG 1982 Nr. L 314, S. 34 „Amersham Buchler“ Rdnrn. 12, 14. 647 Komm. vom 15. 12. 1975, ABl.EWG 1976 Nr. L 30, S. 13 „Bayer / Gist-Brocades“ S. 20; Komm. vom 21. 12. 1982, ABl.EWG 1983 Nr. L 376, S. 41 „SABA-EG-Vertriebssystem“ S. 50. 648 Komm. vom 17. 7. 1996, ABl.EG 1996 Nr. L 239, S. 57 „PHOENIX / GlobalOne“ Rdnr. 65; Komm. vom 25. 7. 1977, ABl.EWG 1977 Nr. L 215, S. 11 „De Laval-Stork“ Rdnr. 11, dort allerdings unter dem Aspekt der angemessenen Verbraucherbeteiligung. Vgl. dazu Gleiss / Hirsch, EG-Kartellrecht, Art. 85 (3), Rdnr. 1963. 649 Komm. vom 16. 1. 1996, ABl.EG 1996 Nr. L 54, S. 28 „LH / SAS“ Rdnr. 82 ff. Siehe auch Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 13 Rdnr. 74. 650 Komm. vom 23. 12. 1975, ABl.EWG 1976 Nr. L 51, S. 7 „United Reprocessors“ S. 13; Komm. vom 21. 12. 1982, ABl.EWG 1983 Nr. L 376, S. 41 „SABA-EG-Vertriebssystem“ S. 50; siehe dazu auch Aicher / Schuhmacher, in: Grabitz / Hilf, Bd. II, Art. 81 Rdnrn. 338 m. w. N.
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Bedeutung kam auch dem Inhalt der Absprache und damit dem vereinbarten Verhältnis der beteiligten Unternehmen zueinander zu. Je mehr Wettbewerb dabei zwischen den Parteien verblieb, desto geringere Anforderungen konnten an den verbleibenden Wettbewerbsdruck von dritten Unternehmen gestellt werden. Für die Ermittlung des Innenwettbewerbs war nach der Kommissionspraxis entscheidend, welche Wettbewerbsparameter in welchem Ausmaß von der Vereinbarung betroffen waren. Die vollständige Beseitigung des Preiswettbewerbs zwischen den Parteien führte zwangsläufig zur Versagung einer Freistellung,651 auch der Mengenund Konditionenwettbewerb durften nicht völlig ausgeschlossen und Marktzugangsschranken nicht errichtet werden.652 Begrenzte Einschränkungen der genannten Faktoren waren dagegen dann möglich, wenn andere Erscheinungsformen des Wettbewerbs, wie Werbung, Service und Qualität nach Ansicht der Kommission noch einen hinreichenden Druck auf die Unternehmen gewährleisteten.653 Im Falle selektiver Vertriebssysteme konnten die jeweiligen Einschränkungen für den Wettbewerb nur dann gerechtfertigt werden, wenn der Intrabrand-Wettbewerb nicht völlig zum Erliegen kam, Querverbindungen zwischen den Händler eines Herstellers also nicht untersagt waren und nach einer Gesamtwürdigung der Vereinbarung insgesamt der Eindruck dominierte, dass sowohl die Interessen der Verbraucher als auch die der Lieferanten gesichert waren.654 Hinsichtlich der Beschränkungen des Innenwettbewerbs ist schließlich auf eine Argumentation der Kommission hinzuweisen, die trotz eines weitgehenden Ausschlusses des Restwettbewerbs eine Ausnahme von Art. 81 Abs. 1 EG gerechtfertigt sah, wenn die zeitliche Begrenztheit der Freistellung den Beteiligten vor Augen hielt, dass sie nach Ablauf der Freistellungsdauer wieder zu Konkurrenten würden und ihr Verhalten auch bereits während der Vereinbarungsdauer darauf einrichteten.655 Diese Gedankenführung war insofern bemerkenswert, als dass sie eine starke Wettbewerbsbeschränkung zugunsten einer lediglich zukünftigen, prognostizierten Wettbewerbsbelebung ermöglichte; dahinter verbarg sich die bereits dargelegte Wertung, dass zum Erreichen marktstruktureller Vorteile wie etwa einer erleichterten Wettbewerbseröffnung auch große Nachteile bis hin zu einem zeit651 EuGH vom 25. 10. 1977, Rs. 26 / 76, Slg. 1977, 1875 „Metro / Kommission I“ LS Nr. 6, Rdnr. 21. 652 EuGH vom 29. 10. 1986, verb. Rs. 209 – 215, 218 / 78, Slg. 1980, 3125 „van Landewyk u. a. / Kommission“ Rdnr. 188; Komm. vom 2. 12. 1981, ABl.EWG 1982 Nr. L 161, S. 18 „Hasselblad“ S. 31; Komm. vom 3. 6. 1975, ABl.EWG 1975 Nr. L 159, S. 22 „Haardenen Kachelhandel“ S. 27. 653 Komm. vom 9. 7. 1980, ABl.EWG 1980 Nr. 260, S. 24 „National Sulphuric Acid Association“ Rdnr. 50; Komm. vom 17. 7. 1975, ABl.EWG 1975 Nr. L 228, S. 17 „U.N.I.D.I“ S. 21. 654 Ausführlich dazu EuG vom 28. 2. 2002, Rs. T-395 / 94, Slg. 2002, II-875 „Atlantic Container Line u. a. / Kommission“ Rdnrn. 300 – 367. 655 Komm. vom 23. 12. 1975, ABl.EWG 1976 Nr. L 51, S. 15 „Kewa“ S. 19; Komm. vom 23. 12. 1975, ABl.EWG 1976 Nr. L 51, S. 7 „United Reprocessors“ S. 13; vgl. zudem Komm. vom 17. 1. 1979, ABl.EWG 1979 Nr. L 70, S. 11 „Beecham / Parke, Davis“ Rdnr. 46.
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2. Abschn.: Effizienzvorteile im Rahmen des Art. 81 EG
weiligen Ausschluss des aktuellen Wettbewerbs in Kauf genommen wurden, wenn darin mit entsprechend hoher Wahrscheinlichkeit der einzige Weg zu mehr Wettbewerb gesehen wurde.656 Kritisiert wurde dagegen die Auffassung des Gerichts Erster Instanz, wonach die Möglichkeit der Unternehmen, den Wettbewerb auszuschalten, nicht mit dem Bestehen oder Verstärken einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG gleichgesetzt werden konnte.657 Unstreitig war zunächst, dass wesentlicher Wettbewerb auch dann ausgeschaltet werden konnte, wenn keine marktbeherrschende Stellung der Unternehmen vorlag. Darüber hinaus war aber nach Ansicht des Gerichts die „Nichtausschaltung des Wettbewerbs“ spezifisch für das Konzept des Art. 81 Abs. 3 lit. b) EG und eine Vereinbarung demzufolge selbst dann noch freistellungsfähig, wenn an ihr ein marktbeherrschendes Unternehmen teilnahm oder sie den Absprachebeteiligten eine solch beherrschende Stellung verschaffte.658 Die kohärente Anwendung des europäischen Kartellrechts wurde dadurch gewahrt, dass die Anwendung des Art. 81 Abs. 3 EG jedenfalls auf solche wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen ausschied, die den Missbrauch einer dominanten Stellung darstellten; allein die Entstehung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung wurde jedoch durch keinen der beiden Artikel verboten.659
5. Ausgestaltung der Gruppenfreistellungsverordnungen Gruppenfreistellungsverordnungen sind eine abstrakt-generelle Anwendung des Art. 81 Abs. 3 EG und ihrem Wesen nach Normsetzung, da mit der Festlegung der typischerweise unter Art. 81 Abs. 3 EG fallenden Vereinbarungsgruppen eine unbestimmte Anzahl von Fällen erfasst wird.660 Sie sind unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht und damit von allen Gemeinschaftsbehörden und -gerichten anzuwenden. Die Kommission hat zunehmend – und zwar sowohl zu vertikalen als auch zu horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen – von den Ermächtigungen zum Erlass von GVO Gebrauch gemacht und auf diese Weise versucht, zu ihrer eigenen Arbeitsentlastung beizutragen. 656 Dreyer, Abwägungsmöglichkeiten in Art. 2 VO (EG) Nr. 4064 / 89, S. 198 f. sowie Fn. 603. 657 EuG vom 28. 2. 2002, Rs. T-395 / 94, Slg. 2002, II-875 „Atlantic Container Line u. a. / Kommission“ Rdnr. 330 m. w. N. zur Rechtsprechung. Zustimmend Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 13 Rdnr. 70 sowie Rousseva, 42 CML Rev. (2005), 587, 618. Kritisch dagegen Aicher / Schuhmacher, in: Grabitz / Hilf, Bd. II, Art. 81 Rdnr. 332 f.; Emmerich, in: Dauses, Hdb.EU-WiR, H. I § 1 Rdnr. 198; Schröter, in: Schröter / Jakob / Mederer, Art. 81 Abs. 3, Rdnr. 366. Anders auch noch die Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 81 EG-Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (Fn. 491), Rdnr. 36. 658 EuG a. a. O. 659 EuG vom 15. 7. 1994, Rs. T-17 / 93 Slg. 1994, II-595 „Matra Hachette / Kommission“ Rdnr. 153. 660 Ellger, in: Immenga / Mestmäcker, EG-WbR I / 1, Art. 81 Abs. 3, Rdnr. 331.
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Differenzierten die früheren GVO noch zwischen ausdrücklich erlaubten „weißen“ und ausdrücklich verbotenen „schwarzen“ Klauseln,661 so wurde dies mit Verweis auf den sog. Zwangsjackeneffekt als übertrieben starr und wenig effizient kritisiert.662 Insbesondere die Behandlung „überschießender“ oder „grauer“ Wettbewerbsbeschränkungen, mithin solcher Absprachen, die ohne ausdrücklich verboten zu sein von der GVO nicht ausdrücklich erlaubt wurden, war umstritten; nach Auffassung des EuGH führte die Verwendung derartiger Klauseln zur Unanwendbarkeit der GVO auf die gesamte Vereinbarung, eine Freistellung war dann nur noch im Einzelfall möglich.663 Freigestellt wurden durch die GVO also allein solche Klauseln, die ausdrücklich in den jeweiligen Verordnungen benannt waren. In den GVO der jüngeren Zeit hat die Kommission auf eine Auflistung „weißer“ Klauseln verzichtet und ist also nach dem umgekehrten Prinzip verfahren, nach dem nunmehr alle Klauseln, die nicht ausdrücklich verboten sind, bis zu einer bestimmten Obergrenze freigestellt werden. Die Auflistung „schwarzer“ Klauseln in den aktuellen GVO ist dagegen nach wie vor von Bedeutung, und nur wenn die konkrete Absprache keine der dort genannten Klauseln enthält, kommt es für eine Freistellung nach den GVO noch darauf an, wie groß – im Falle horizontaler Vereinbarungen – der gemeinsame Marktanteil der konkurrierenden Unternehmen, bzw. – im Falle vertikaler Absprachen – der Marktanteil des Lieferanten auf dem relevanten Markt ist. Im Zentrum der jede Freistellung ausschließenden „schwarzen“ Klauseln steht bei den derzeit geltenden, allgemeinen – sich also nicht lediglich auf einen bestimmten Wirtschaftssektor beziehenden664 – GVO das Verbot von Preisabsprachen, Vereinbarungen über Produktionsbeschränkungen und Marktaufteilungen.665 Daneben enthalten die genannten GVO speziell für ihren jeweiligen Regelungsgegenstand noch weiter gehenden Kernbeschränkungen. So dürfen etwa Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen nicht die Freiheit der beteiligten Unternehmen beschränken, mit außenstehenden Dritten in einem anderen, bzw. – nach Ablauf der Zusammenarbeit – in demselben Bereich zu forschen oder ihnen die Möglichkeit nehmen, bestehende Rechte an geistigem Eigentum des jeweiligen Forschungspartners anzufechten.666 Im Bereich der vertikalen Vereinbarungen sieht die Schirm-GVO Nr. 2790 / 1999 vor, dass durch die freizustellende AbNachweise bei Gleiss / Hirsch, EG-Kartellrecht, Art. 85 (3), Rdnrn. 1788 ff. Vgl. etwa Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 13 Rdnr. 28. 663 EuGH vom 25. 11. 1971, Rs. 22 / 71, Slg. 1971, 949 „Béguelin u. a / Import Export u. a.“ Rdnrn. 19 ff. 664 Einen Überblick zu den sektorspezifischen GVO, darunter solche für den Kraftfahrzeugsektor, den Seeverkehr und den Versicherungssektor, findet sich bei Aicher / Schuhmacher, in: Grabitz / Hilf, Bd. II, Art. 81 Rdnr. 367. 665 Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 2658 / 2000 (Fn. 568); Art. 5 Abs. 1 lit. c) und d) VO Nr. 2659 / 2000 (Fn. 556); Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 772 / 2004 der Kommission vom 27. 4. 2004, ABl.EU 2004 Nr. L 123, S. 11; Art. 4 VO Nr. 2790 / 1999 (Fn. 557). 666 Art. 5 Abs. 1 lit. a) und b) VO Nr. 2659 / 2000 (Fn. 569). 661 662
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sprache jedenfalls keine Querlieferungen zwischen Händlern innerhalb eines selektiven Vertriebssystems ausgeschlossen werden dürfen, insofern also noch ein Rest an Intrabrand-Wettbewerb bestehen bleiben muss.667 Der Verzicht auf die „weißen“ Klauseln und die Einführung von Marktanteilsschwellen in den GVO hat dazu geführt, dass die ungeschriebene Eingriffsschwelle für die Anwendbarkeit des Art. 81 EG, die „Spürbarkeit“ der Wettbewerbsbeschränkung, für eine Großzahl der Fälle zugunsten einer an Marktmacht orientierten Prüfung aufgegeben und damit faktisch erheblich erhöht wurde. Die Verordnung über die Anwendung des Art. 81 Abs. 3 EG auf Gruppen von Spezialisierungsvereinbarungen begrenzt die Freistellung auf gemeinsame Marktanteile von 20 %,668 die Verordnung über die Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG auf Gruppen von Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung ermöglicht die Freistellung bis zu einem Marktanteil von 25 %.669 Die Verordnung über die Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG auf Gruppen von Technologietransfer-Vereinbarungen setzt die Grenze für eine pauschale Freistellung bei Marktanteilen von 20 % bzw. 30 %,670 die Schirm-GVO für vertikale Vereinbarungen ebenfalls bei 30 %.671 Auffällig ist, dass die GVO neben der Prüfung der Marktanteile auf die Untersuchung weiterer Marktmachtkriterien verzichten, für eine pauschale Freistellung von Vereinbarungsgruppen bedarf es daher keiner näheren Marktstrukturanalyse oder Untersuchung von möglichen Zugangsschranken. Eine detailliertere Prüfung der Auswirkungen von Kooperation auf den Wettbewerb erfolgt erst dann, wenn die genannten Marktanteilsschwellen überschritten werden und gegebenenfalls noch eine Freistellung im Einzelfall in Betracht zu ziehen ist. Die GVO führen mithin dazu, dass Effizienzvorteile im Kooperationskontrollrecht im Sinne eines „general presumptions approach“ bis zum Erreichen der Marktanteilsobergrenzen pauschal abgegolten werden, ihr Entstehen, ihre angemessene Weitergabe an die Verbraucher, ihre Unerlässlichkeit sowie der Bestand wirksamen Restwettbewerbs mithin für die weitaus überwiegende Zahl der unter die GVO fallenden Sachverhalte vermutet wird. 6. Zusammenfassung Die Freistellungspraxis der Kommission unter dem bis zum 31. 4. 2004 geltenden Freistellungsmonopol der VO Nr. 17 / 62 hat deutlich werden lassen, dass die Kommission vor allem bei der Prüfung der ersten beiden Voraussetzungen des Art. 4 lit. d) VO Nr. 2790 / 1999 (Fn. 557). Art. 4 VO Nr. 2658 / 2000 (vgl. Fn. 568). Auch Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 81 EG-Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (Fn. 491), Rdnr. 93. 669 Art. 4 Abs. 2 VO Nr. 2659 / 2000 (vgl. Fn. 569). Auch Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 81 EG-Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (Fn. 491), Rdnr. 62. 670 Art. 3 Abs. 1 und 2 VO Nr. 772 / 2004 (Fn. 665). 671 Art. 3 VO Nr. 2790 / 1999 (vgl. Fn. 557). 667 668
III. Änderungen durch die Einführung der Verordnung Nr. 1 / 2003
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Art. 81 Abs. 3 EG keine strengen Maßstäbe angelegt hat. Bezüglich der Verbesserung der Warenerzeugung etc. und insbesondere der angemessenen Beteiligung der Verbraucher am entstehenden Gewinn ließ sie eine überschlägige und oftmals sehr oberflächliche Betrachtung sowohl hinsichtlich der Quantifizierung als auch des Nachweises genügen.672 Die Weitergabe der prognostizierten Effizienzvorteile zu einem angemessenen Teil an die Verbraucher wurde in der Regel dann bejaht, wenn die Unternehmen nach Ansicht der Kommission dem Druck eines funktionierenden Restwettbewerbs auch weiterhin ausgesetzt blieben; auf die Art und Weise der einzelnen Effizienzvorteile und die teilweise unterschiedlich hohe Wahrscheinlichkeit einer Weitergabe an die Konsumenten ging die Kommission dagegen ebenso wenig ein, wie in jüngeren Entscheidungen auf die Frage einer tatsächlichen Angemessenheit der Verbraucherbeteiligung. Für die Untersuchung des nach einer Kooperation verbleibenden Restwettbewerbs kam vor allem den erwarteten gemeinsamen Marktanteilen der Unternehmen eine starke Indizwirkung zu, wenngleich von der Kommission im Falle einer Einzelfreistellung stets weitere Marktstrukturkriterien untersucht wurden. Die Änderung in der Systematik der GVO – weg von der Auflistung „weißer“ Klauseln hin zu einem ökonomisch fundierteren, auf die Auswirkung einer Klausel auf den Wettbewerb gerichteten Ansatz – hat ebenfalls die Einführung von Marktanteilsschwellen in den Mittelpunkt gestellt und damit das Spürbarkeitskriterium als Eingriffsschwelle weitgehend abgelöst: Zwar fallen die Vereinbarungen, die von den GVO erfasst werden, weiterhin unter Art. 81 Abs. 1 EG, sie sind aber bis zu der jeweiligen Marktanteilsobergrenze ohne nähere Prüfung freigestellt und damit insgesamt erlaubt. Effizienzvorteile werden im Anwendungsbereich der GVO daher bis zu den genannten Marktanteilsschwellen im Wege eines „general presumptions approach“ pauschal abgegolten und der Anwendungsbereich für eine einzelfallorientierte Effizienzanalyse entsprechend verringert.
III. Änderungen durch die Einführung der Verordnung Nr. 1 / 2003 Das Inkrafttreten der Ratsverordnung Nr. 1 / 2003 zum 1. 5. 2004 hat zu einem weit reichenden Systemwechsel des europäischen Kartellrechts geführt, welcher sich in erster Linie auf die Freistellungsregelung des Art. 81 Abs. 3 EG auswirkt. Nach Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 1 / 2003 ist nunmehr eine Vereinbarung, die sowohl die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 1 EG als auch diejenigen des Art. 81 Abs. 3 EG erfüllt, freigestellt, ohne dass dies, wie noch unter der VO Nr. 17 / 62, einer vorherigen Genehmigung der Kommission bedarf.673 War zuvor allein Art. 81 Abs. 1 672 Ähnlich die Einschätzung von Neven / Papandropoulos / Seabright, Trawling for Minnows, S. 103, 106. 673 Art. 9 Abs. 1 VO Nr. 17 / 62.
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2. Abschn.: Effizienzvorteile im Rahmen des Art. 81 EG
EG unmittelbar durch nationale Behörden und Gerichte anwendbar,674 so gilt nunmehr gleiches für den Abs. 3 der Norm, und die bereits zum Entstehungszeitpunkt des EG-Vertrags umstrittene Frage nach der systematischen Ausgestaltung möglicher Ausnahmen vom Kartellverbot wurde somit – und zwar ohne jegliche Änderung des Primärrechts – zugunsten einer Legalausnahme entschieden: Sind die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 1 und 3 EG erfüllt, ist die Vereinbarung kraft Gesetzes freigestellt. Die Rechtmäßigkeit dieser Auslegung wurde insbesondere im deutschen Schrifttum bezweifelt.675 Die wesentlichen Argumente gegen den Systemwechsel waren dabei einerseits der Wortlaut des Abs. 3 („für nicht anwendbar erklärt werden“) und andererseits die nach Auffassung der Kritiker nicht erfüllten Voraussetzungen einer unmittelbaren Anwendung. Gemäß den Kriterien des Europäischen Gerichtshofs erfordert die unmittelbare Anwendung einer Norm des Gemeinschaftsrechts, dass sie der Sache nach abschließend, rechtlich perfekt und inhaltlich hinreichend klar ist.676 Aufgrund der umfangreichen und schwierigen wirtschaftlichen Bewertungen im Rahmen des Art. 81 Abs. 3 EG haben die europäischen Gerichte der Kommission unter der alten Praxis jedoch stets einen weiten Beurteilungsspielraum eingeräumt,677 so dass sich insbesondere die Frage nach der ausreichenden, inhaltlichen Bestimmtheit des Art. 81 Abs. 3 EG stellte.678 Dieser Gedankenführung kann immerhin entgegen gehalten werden, dass sowohl die bisherige Entscheidungspraxis der europäischen Gerichte bzw. der Kommission, als auch die bestehenden GVO und zahllosen Bekanntmachungen sowie Leitlinien der Kommission die Anwendung des Art. 81 Abs. 3 EG ausreichend vorhersehbar gemacht haben.679 Mit Blick auf den dieserart verstärkten Rechtsrahmen einer Freistellung erscheint es daher denkbar, dass auch der Gerichtshof im Falle einer Entscheidung über die Primärrechtskonformität der VO Nr. 1 / 2003 von der erforderlichen inhaltlichen Bestimmtheit des Art. 81 Abs. 3 EG ausginge.680 Angesichts dieser Unwahrscheinlichkeit einer Korrektur der VO Nr. 1 / 2003 ist bezüglich der verbleibenden Beurteilungsspielräume für die nationalen Gerichte und Behörden zu untersuchen, welche Konsequenzen damit für die Effizienzanalyse im Kooperationskontrollrecht einhergehen. Zwei Aspekte sind dabei hervorEuGH vom 30. 1. 1974, Rs. 127 / 73, Slg. 1974, 51 „BRT / Sabam“ Rdnrn. 15 / 17. Ausführlich Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 13 Rdnrn. 9 ff. m. w. N.; Weyer, ZHR 164 (2000), 611, 617 ff.; Möschel, WuW 2000, 951, ders., JZ 2000, 61, 62; Heutz, WuW 2004, 1255, 1260 f.; vgl. auch Monopolkommission, Sondergutachten Nr. 28 (2000), Rdnr. 72. Dagegen aber Hirsch, ZWeR 2003, 233, 238. 676 EuGH vom 5. 2. 1963, Rs. 26 / 62, Slg. 1963, 1 „van Gend & Loos“ S. 25 ff. 677 Vgl. dazu bereits die Nachweise in Fn. 517. 678 Mestmäcker, EuZW 1999, 523, 526. 679 Kommission, Weißbuch über die Modernisierung der Vorschriften zur Anwendung der Art. 85 und 86 EG, (Fn. 486), Rdnrn. 51, 70 f. 680 Ähnlich auch Geiger, EuZW 2000, 165, 167; Ehlermann, 37 CML Rev. (2000), 537, 557 f.; K. Schmidt, BB 2003, 1237, 1238. 674 675
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zuheben: Zum einen die Frage, inwieweit in einem System der Legalausnahme auch nichtwettbewerbliche, politisch motivierte Gesichtspunkte in die Prüfung des Art. 81 Abs. 3 EG mit einbezogen werden können. Wenn zukünftig zunächst die Unternehmen in einer Selbstveranlagung, sodann aber die nationalen Gerichte über die Einbeziehung und Gewichtung außerwettbewerblicher, industriepolitischer Ziele entscheiden können sollen, drängen sich möglicherweise Konflikte mit dem auch auf Gemeinschaftsebene geltenden Prinzip der Gewaltenteilung auf [unten 1. a)]. Daneben betrifft der zweite Aspekt, der mit der Einführung des Legalausnahmeprinzips verbunden ist, die Anforderungen, die an eine Einzelfallberücksichtigung von Effizienzvorteilen zu stellen sind. Um hier für die nationalen Behörden und Gerichte über die bisherige Entscheidungspraxis hinaus konkrete Anhaltspunkte für die praktische Handhabung zu geben und drohende Gefahren für die Rechtseinheit weitgehend zu entschärfen, hat die Kommission im Rahmen ihres Modernisierungspakets umfangreiche Leitlinien zur unmittelbaren Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG veröffentlicht.681 Diese Leitlinien, deren Rechtsverbindlichkeit für die nationalen Anwender uneinheitlich beurteilt wird, gehen über 22 Seiten ausführlich auf die praktischen Probleme bei der Prüfung des Freistellungstatbestands ein und verweisen mit einem starken ökonomischen Einschlag auf eine ganz ähnliche Behandlung von Effizienzvorteilen, wie dies auch die Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse tun.682 Fraglich ist allerdings, ob die Leitlinien zu Art. 81 Abs. 3 EG mit der bisherigen Entscheidungspraxis in Einklang zu bringen sind oder ob sie nicht vielmehr einen strengeren Maßstab an die Freistellung einer Kooperation anlegen und damit im Ergebnis zu einer praktizierten Einschränkung der Freistellungsnorm beitragen [vgl. 1. b)]. 1. Folgen der Legalausnahmeinterpretation für die Einzelfreistellung a) Einfluss nichtwettbewerblicher Gesichtspunkte oder ausschließliche Beschränkung auf wirtschaftliche Vorteile? Wie bereits an anderer Stelle dargelegt wurde, hat die Kommission frühzeitig und mit Zustimmung des Europäischen Gerichtshofs den ihr eingeräumten Beurteilungsspielraum dazu genutzt, auch außerwettbewerbliche Gesichtspunkte in ihre Freistellungsentscheidungen mit einzubeziehen. 683 In seinem Urteil „Walt Wilhelm“ billigte der Gerichtshof den Gemeinschaftsbehörden die Kompetenz zu, neben der Wettbewerbspolitik auch die in Art. 2 EG genannten Ziele zu gestalten, ohne damit allerdings eine Rangfolge hinsichtlich der verschiedenen Zielsetzungen vorzugeben.684 Die von der Kommission fortan praktizierte Einbeziehung nicht681 682 683 684
Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, Fn. 574. Vgl. Fn. 288. Zweiter Abschnitt, I. 2. c). A. a. O. (Fn. 544).
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2. Abschn.: Effizienzvorteile im Rahmen des Art. 81 EG
wettbewerblicher Ziele in die Prüfung des Freistellungstatbestands wurde bereits frühzeitig kritisiert.685 War es insoweit aber noch ausschließlich die Kommission, die den weiten Beurteilungsspielraum ausfüllte, und war somit zumindest die einheitliche Gewichtung nichtwettbewerblicher Faktoren durch die zentralisierte Anwendung der Norm gewährleistet, so stellt sich die Situation nach der Einführung der VO Nr. 1 / 2003 wesentlich komplexer dar. Anders als der Kommission kann nationalen Behörden und Gerichten keine derart politische Legitimation bzw. Kompetenz zugestanden werden, die es ihnen ermöglicht, Einbußen des Wettbewerbs gegenüber Vorteilen hinsichtlich der Industrie-, Umwelt-, Gesundheitsoder Beschäftigungspolitik abzuwägen; solcherart politische Gestaltungsmöglichkeiten sind jedenfalls der Rechtsanwendung und gerichtlichen Überprüfung von vornherein entzogen.686 Für die nationalen Anwender des Art. 81 Abs. 3 EG hat dies zur Folge, dass sie bei der Prüfung des Freistellungstatbestands allein auf rechtliche und ökonomische Aspekte beschränkt sind, außerwettbewerbliche Gesichtspunkte hingegen außer Acht lassen müssen.687 Nur eine solch trennscharfe Auslegung von Art. 81 Abs. 3 EG kann die Justiziabilität der Norm gewährleisten, ohne dass die mitgliedstaatlichen Gerichte ihre Befugnisse überschreiten.688 Für die Zurückdrängung nichtwettbewerblicher Aspekte im Rahmen der Freistellung spricht überdies aber auch eine am Wortlaut orientierte Interpretation des Art. 81 Abs. 3 EG, der allein ökonomische Effizienzvorteile zur Rechtfertigung von Ausnahmen des Kartellverbots benennt. Bedenkt man zugleich, dass die Kommission zunehmend direkt in anderen Politikbereichen aktiv geworden ist, ist es durchaus nahe liegend, dass die Notwendigkeit zur Verfolgung anderer Politiken mittels der Wettbewerbsnormen insgesamt abgenommen hat.689 In ihrem Weißbuch über die Modernisierung der Vorschriften zur Anwendung der Artt. 81 und 82 EG führt die Kommission daher – abweichend von einer früheren Stellungnahme690 – aus, dass Freistellungen 685 Etwa Monopolkommission, Sondergutachten Nr. 17 (1989), Rdnr. 110; ähnlich Baldi, Freistellung vom EWG-Kartellverbot, S. 231. 686 Koch, ZWeR 2005, 380, 387 m. w. N.; Immenga, EuZW 2005, 353; Fuchs, ZWeR 2005, 1, 17; Quellmalz, WRP 2004, 461, 466. Anders mit Verweis auf die Querschnittsklauseln Everling, in: Festschrift für Huber, S. 1073, 1088 ff. 687 Schütz, in: Gemeinschaftskommentar, VO Nr. 1 / 2003, Art. 1 Rdnr. 18; Wesseling, E.C.L.R. 1999, 420, 425; Fuchs, ZWeR 2005, 1, 17; Rousseva, 42 CML Rev. (2005), 587, 608, 615; Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 3 Rdnr. 74; Quellmalz, WRP 2004, 461, 469; Weitbrecht, EuZW 2003, 69, 70; offen gelassen bei Bailey, 41 CML Rev. (2004), 1327, 1354; anders offenbar Whelan, in: Europäisches Wettbewerbsrecht im Umbruch, S. 261, 266. Umfassend zum Ganzen Koch, ZWeR 2005, 380 ff. 688 Whish, Competition Law, S. 154 f. 689 G. Monti, 39 CML Rev. (2002), 1057, 1092 m. w. N. 690 Kommission, XXIII. Wettbewerbsbericht (1993), Rdnr. 190 a. E., wo es hieß: „In den [ . . . ] einer Einzelfallprüfung unterzogenen Fällen setzt die Gewährung einer Ausnahmeregelung vom Vereinbarungsverbot die Bewertung von komplexen wirtschaftlichen Zusammenhängen und die Nutzung eines umfassenden Ermessensspielraums u. a. dann voraus, wenn
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allein auf wirtschaftliche, nicht aber auf politische Erwägungen gestützt werden dürfen.691 Entsprechend konsequent sind auch die Leitlinien zu Art. 81 Abs. 3 EG gestaltet: Zwar heißt es dort in Rdnr. 42, dass „mit anderen Bestimmungen des EGVertrags angestrebten Zielen [ . . . ] Rechnung getragen werden [kann], sofern sie den vier Voraussetzungen von Artikel 81 Absatz 3 zugeordnet werden können“. Wenn aber sodann in denselben Leitlinien die Anforderungen an das erste Kriterium der Freistellung näher ausgeführt werden, stützt sich die Kommission allein auf wirtschaftliche Gesichtspunkte, wettbewerbsfremde Aspekte werden dagegen nicht weiter erwähnt.692 Wird somit augenscheinlich, dass sich die Kommission von einem weit reichenden Einfluss nichtwettbewerblicher Gesichtspunkte bei der Prüfung der Freistellungsvoraussetzungen distanziert, muss dies auf der anderen Seite nicht zugleich einen vollumfassenden Verzicht auf industrie-, gesundheits- oder umweltpolitische Erwägungen bedeuten. Bereits nach der bisherigen Entscheidungspraxis unter der VO Nr. 17 / 62 wurden außerwettbewerbliche Aspekte regelmäßig dann miteinbezogen, wenn die betreffende Absprache zugleich auch wirtschaftliche Effizienzvorteile mit sich brachte.693 Als zentrale Institution der Gemeinschaft ist die Kommission zudem weiterhin den Vertragszielen in Art. 3 und 4 EG verpflichtet und in dieser Funktion gehalten, in ihren Entscheidungen auf die in den Querschnittsklauseln genannten Zielsetzungen einzugehen. Soweit die Kommission daher gem.Art. 10 VO Nr. 1 / 2003 „aus Gründen des öffentlichen Interesses der Gemeinschaft“ und von Amts wegen feststellen kann, dass die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG erfüllt sind, ist die bisher praktizierte, mittelbare Einbeziehung nichtwettbewerblicher Gesichtspunkte auch weiterhin möglich.694 Berufen sich die Unternehmen vor den nationalen Gerichten demnach auf ein öffentliches Interesse der Gemeinschaft und hat die Kommission bereits eine einschlägige Entscheidung getroffen, so sind die Gerichte nach Art. 16 VO Nr. 1 / 2003 an diese, eben auch nichtwettbewerbliche Aspekte berücksichtigende Bewertung gebunden.695 Darüber dabei verschiedene Ziele des EG-Vertrags zu berücksichtigen sind. Diese Aufgabe kann nur von der Kommission übernommen werden.“ 691 Kommission, Weißbuch über die Modernisierung der Vorschriften zur Anwendung der Art. 85 und 86 EG, (Fn. 486), Rdnr. 57. Zustimmend Ehlermann, 37 CML Rev. (2000), 537, 549. 692 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574) Rdnrn. 48 ff. Ähnlich bereits die Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 81 EG-Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (Fn. 491), Rdnr. 32. 693 Vgl. dazu oben, zweiter Abschnitt, I. 2. c) bb). 694 Quellmalz, WRP 2004, 461, 470. Im Ergebnis ähnlich G. Monti, 39 CML Rev. (2002), 1057, 1094 ff., der allerdings auf Ebene des Primärrechts die Einführung eines ausschließlich der Kommission vorbehaltenen Art. 81 Abs. 4 EG vorgeschlagen hat, welcher Ausnahmen vom Wettbewerbsprinzip aus gemeinschaftspolitischen Gründen ermöglichen soll. Ein solches Verfahren käme der in Deutschland praktizierten Ministererlaubnis nahe. 695 Immenga, EuZW 2005, 353; weitergehend Everling, in: Festschrift für Huber, S. 1073, 1088 ff., der den Unternehmen selber einen Abwägungsspielraum zugesteht.
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hinaus haben mitgliedstaatliche Gerichte bei Zweifeln bezüglich der Auslegung von Art. 81 EG stets die Möglichkeit gem. Art. 15 VO Nr. 1 / 2003 eine Stellungnahme der Kommission einzuholen. Als Rechtsgutachten stellen diese jedoch allenfalls eine Anregung dar und sind für die Gerichte nicht bindend.696 Um eine endgültige Klärung entscheidungserheblicher Fragen herbeizuführen können diese schließlich gem. Art. 234 EG zur Vorabentscheidung dem Gerichtshof vorlegt werden. Es bleibt somit festzuhalten, dass die mitgliedstaatlichen Gerichte weder die Kompetenz noch die Legitimation haben, außerwettbewerbliche Gesichtspunkte in ihre Entscheidungen gem. Art. 81 Abs. 3 EG mit einzubeziehen und diese folglich in der Fallpraxis an Einfluss verlieren. Nur auf diese Weise kann die Justiziabilität der Vorschrift als unabdingbare Voraussetzung für ihre unmittelbare Anwendung sichergestellt werden. Auf der anderen Seite ist die Kommission bei der Anwendung der Ausnahmevorschrift aber auch weiterhin den übrigen Vertragszielen der Gemeinschaft verpflichtet; wie auch in ihrer bisherigen Entscheidungspraxis kann sie daher auch in Zukunft nichtwettbewerbliche Gesichtspunkte mittelbar in ihre Bewertungen einbeziehen. Der Grundsatz der kohärenten Anwendung des Gemeinschaftsrechts kann sodann über Art. 16 VO Nr. 1 / 2003 dazu führen, dass auch die mitgliedstaatlichen Gerichte an diese Entscheidungen gebunden sind. b) Die Kommissionsleitlinien als Hilfestellung für nationale Behörden und Gerichte Um eine einheitliche Anwendung des europäischen Kartellverbots in nunmehr 25 Mitgliedstaaten – davon einige ohne langjährige Kartellrechtstradition 697 – zu gewährleisten, hat die Kommission, begleitend zur Verordnung Nr. 1 / 2003, Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag erlassen.698 Problematisch ist aber, ob dieser Kommissionsbekanntmachung für die nationalen Anwender des Art. 81 EG überhaupt eine rechtsverbindliche Wirkung zukommt. aa) Bindungswirkung der Leitlinien für nationale Anwender? Während weitgehend anerkannt ist, dass die Kommission selbst über die Geltung des Gleichheitssatzes und des Grundsatzes des Vertrauensschutzes an die von ihr erlassenen Leitlinien gebunden ist,699 wird die rechtliche Verbindlichkeit der Kommissionsbekanntmachungen für die nationalen Behörden und Gerichte unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird versucht, eine Bindungswirkung für nationale Hirsch, ZWeR 2003, 233, 240 f. So haben beispielsweise Lettland, Litauen und Estland Wettbewerbsgesetze erst im Zuge ihrer Beitrittsbemühungen zur Europäischen Union eingeführt. 698 Siehe Fn. 574. 699 Dazu bereits erster Abschnitt, III. 2. c). 696 697
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Rechtsanwender über die in Art. 10 EG zum Ausdruck kommende Loyalitätspflicht der Mitgliedstaaten und ihrer Hoheitsträger zu begründen.700 Allerdings handelt es sich bei den Kommissionsbekanntmachungen nicht um formelle Rechtsnormen, die auf eine ausdrückliche Ermächtigung zurückgehen und die einer Kontrolle des Parlaments oder des Rates unterliegen.701 Die verbindlich wirkenden Handlungsinstrumente der Kommission werden in Art. 249 EG aufgezählt, Art. 10 EG kann darüber hinaus keine Sekundärrechtsakte mit Bindungswirkung ersetzen.702 Ein Ergebnis, welches die umfassende Bindungswirkung von Kommissionsleitlinien bejahte, widerspräche nicht zuletzt einem Beschluss der Mitgliedstaaten im Rat: Im Zuge der Beratungen zur VO Nr. 1 / 2003 hatte die Kommission den Wunsch nach einer Generalermächtigung zum Erlass von GVO geäußert, war in diesem Punkt jedoch an dem einstimmigen Ratsbeschluss zur Verabschiedung der Verordnung gescheitert.703 Könnte sie nun über umfangreiche Bekanntmachungen die Freistellungsanforderungen in rechtsverbindlicher Weise konkretisieren, so käme derartigen Leitlinien letztlich eine den GVO vergleichbare Wirkung zu.704 Zu Recht wird daher überwiegend angenommen, dass den Kommissionsleitlinien keine Bindungswirkung für nationale Rechtsanwender zukommt, sie vielmehr eine Rechtsqualität aufweisen, die derjenigen von deutschen Verwaltungsvorschriften ähnelt, welche ebenfalls nur zu einer Selbstbindung der jeweiligen Behörde führen.705 Unbestreitbar ist aber dennoch, dass die Leitlinien jedenfalls in praktischer Hinsicht eine bedeutsame Rolle spielen und zumindest von einer faktischen Bindungswirkung gesprochen werden kann.706
700 Schweda, WuW 2004, 1133, 1139 ff.; vgl. dazu die Entgegnung von Pohlmann, WuW 2005, 1005 ff. 701 Kulka, in: FK, Bd. II EG-Kartellrecht, Art. 81 Abs. 1, 3 Fallgruppe II.1, Rdnr. 21. 702 EuG vom 13. 12. 1990, Rs. T-116 / 89, Slg. 1990, II-843 „Vereniging Prodifarma u. a. / Kommission“ Rdnr. 79, wo es heißt: „Artikel 5 EWG-Vertrag [heute Art. 10 EG] verleiht der Kommission aber nicht die Befugnis, verbindliche Entscheidungen an die Mitgliedstaaten zu richten, um ihnen ein Verhalten vorzuschreiben, das dem Gemeinschaftsrecht entspricht.“ 703 Vgl. Art. 28 des Vorschlags für eine Verordnung des Rates zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag niedergelegten Wettbewerbsregeln und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 1017 / 68, (EWG) Nr. 2988 / 74, (EWG) Nr. 4056 / 86 und (EWG) Nr. 3975 / 87 („Durchführungsverordnung zu den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag“), Kom(2000) 582 endg., ABl.EG 2000 Nr. C 365 E / 284. 704 Zum Ganzen auch Pampel, EuZW 2005, 11, 12 f. 705 Diese Ansicht vertritt auch die Kommission in Rdnr. 4 der Leitlinien; zudem Pampel, EuZW 2005, 11, 12 f.; Müller, WRP 2004, 1472, 1477; Schwarze / Weitbrecht, Kartellverfahrensrecht, § 2 Rdnr. 26. 706 Zur praktischen Bedeutung der Leitlinien auch Bechtold, EWS 2001, 49, 53.
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bb) Anforderungen der Leitlinien an die Einzelfreistellung Die Leitlinien der Kommission zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG aus dem Jahr 2004 sind ein weiterer Beleg für die bereits dargelegte Wendung des europäischen Kartellrechts hin zu einem verstärkt ökonomischen und an der Wohlfahrt der Verbraucher ausgerichteten Ansatz. So heißt es ausdrücklich in Rdnr. 13: „Artikel 81 soll den Wettbewerb im Markt schützen, um den Wohlstand der Verbraucher zu fördern und eine effiziente Ressourcenallokation zu gewährleisten.“ Vereinbarungen von Unternehmen werden anhand ihrer tatsächlichen Auswirkungen auf den Markt bewertet und nicht daran, inwieweit sie die Handlungsfreiheit der Unternehmen beschränken.707 Die Leitlinien bauen zu einem großen Teil auf der bisherigen Praxis der Kommission und Rechtsprechung der europäischen Gerichte auf, zum Teil gehen sie aber auch nicht unerheblich über die bisherige Praxis hinaus und führen im Ergebnis – zumal wenn man den Verzicht auf außerwettbewerbliche Gesichtspunkte in die Betrachtung mit einbezieht – zu einer insgesamt engeren Auslegung der Norm. (1) Hinweise zur Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG Die Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG gaben der Kommission erneut die Gelegenheit, auf die nach ihrer Auffassung klare Trennung der Absätze 1 und 3 des Art. 81 EG hinzuweisen und damit jeglicher Art von „rule of reason“ eine Absage zu erteilen. Gleich mehrfach heißt es daher, dass eine Abwägung der wettbewerbsfördernden und wettbewerbswidrigen Auswirkungen ausschließlich im Rahmen von Art. 81 Abs. 3 EG durchzuführen sei.708 Die Leitlinien zu Art. 81 Abs. 3 EG, die sowohl für horizontale als auch für vertikale Vereinbarungen gelten, stellen als Fortsetzung des bereits in den früheren Leitlinien zur horizontalen Zusammenarbeit709 und zu vertikalen Beschränkungen710 zum Ausdruck gebrachten wirtschaftlichen Ansatzes klar, dass regelmäßig bereits im Rahmen von Art. 81 Abs. 1 EG eine detaillierte Marktanalyse erforderlich ist, um die wettbewerbswidrigen Auswirkungen einer Absprache zu ermitteln. Unterschieden wird weiterhin zwischen Vereinbarungen, die eine Beschränkung bezwecken und deren wettbewerbsschädigende Auswirkungen im Einzelfall nicht näher untersucht werden müssen, sowie Vereinbarungen, die eine Beschränkung mitunter bloß reflexartig bewirken und folglich hinsichtlich ihrer konkreten Wirkung auf den Wettbewerb einer weitergehenden Analyse bedürfen.711 Diese vorentscheidende Kategorisierung in „Zweck“ und „Wirkung“ vollzieht sich allerdings 707 708
Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 24. Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnrn. 11 und
30. 709 710 711
Fn. 491. Fn. 501. Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnrn. 19 ff.
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keineswegs mechanisch anhand des Abspracheinhalts und der mit der Vereinbarung verfolgten Zielsetzung.712 Einzubeziehen sind darüber hinaus der Zusammenhang, in dem die Vereinbarung angewendet wird, das tatsächliche Verhalten der Parteien im Markt und die besonderen Umstände, unter denen die Absprache wirksam wird.713 Die Leitlinien verweisen diesbezüglich auf die GVO als mögliche, wenngleich nicht abschließende Orientierung.714 Vereinbarungen mit wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen müssen den tatsächlichen oder potentiellen Wettbewerb – entweder im Verhältnis der Parteien zueinander oder zu Dritten – derart beeinträchtigen, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit negative Auswirkungen auf Preise, Produktionsmengen, Innovationen oder die Vielfalt bzw. Qualität von Waren und Dienstleistungen zu erwarten sind.715 Nach diesen Ausführungen ist eine Verringerung der Verbraucherwohlfahrt Voraussetzung für die Anwendung des Art. 81 Abs. 1 EG. Weitere Hilfestellung durch die Leitlinien soll zudem die Unterscheidung zwischen Interbrand- und Intrabrand-Beschränkungen leisten.716 Wird Interbrand-Wettbewerb durch die Vereinbarung beschränkt, indem die Wettbewerbsintensität ohne die Absprache höher ist als mit ihr und hat dies spürbare negative Auswirkungen auf die soeben genannten Faktoren, so unterfällt die Vereinbarung ohne weiteres dem Anwendungsbereich des Art. 81 Abs. 1 EG.717 Dagegen soll nach Ansicht der Kommission nicht schon jede Beschränkung des Intrabrand-Wettbewerbs zu einem Eingreifen von Art. 81 Abs. 1 EG führen. Aus dessen Tatbestand sollen vielmehr solche Beschränkungen herausfallen, die zunächst den Interbrand-Wettbewerb nicht beeinträchtigen, die aber zugleich darüber hinaus objektiv notwendig sind, um bestimmte effizienzsteigernde Vereinbarungen überhaupt erst zu ermöglichen. Wenngleich diese Ausnahme von Art. 81 Abs. 1 EG allein Beschränkungen des Intrabrand-Wettbewerbs betrifft, so kann hierin doch eine gewisse Nähe zur Nebenabrede-Doktrin der Kommission gesehen werden.718 Entscheidend soll sein, ob eine weniger beschränkende Vereinbarung von Unternehmen unter ähnlichen Gegebenheiten gar nicht erst geschlossen worden wäre.719 712 Infolge der nunmehr erforderlichen Selbsteinschätzung der Unternehmen dürfte diesen die Einschätzung, ob ihre Vereinbarung eine Wettbewerbsschädigung bezweckt allerdings nicht schwer fallen, vgl. dazu Schwintowski / Klaue, WuW 2005, 370, 371. 713 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 22. 714 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 23. 715 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 24. Weiterführend Alfter / Young, E.C.L.R. 2005, 546, 548 ff. 716 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 18. 717 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnrn. 18 Nr. 1; 24. Vgl. auch Lugard / Hancher, E.C.L.R. 2004, 410, 413. 718 Dazu auch die Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnrn. 28 ff. sowie Amato / Gonzalez Diaz, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht Bd. 1, Art. 81 Abs. 1, Rdnrn. 140 ff. 719 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 18 Nr. 2.
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Als Beispiel werden etwa zeitlich begrenzte Gebietsbeschränkungen in Vereinbarungen zwischen Anbietern und Vertriebshändlern genannt, die erforderlich sein können, um für Letztere den Eintritt in einen neuen Markt abzusichern.720 Führen hingegen die dennoch von Art. 81 Abs. 1 EG erfassten – vertikalen – Absprachen, die ausschließlich den Intrabrand-Wettbewerb beeinträchtigen und bei objektiver Betrachtungsweise für die Existenz der Vereinbarung nicht erforderliche Beschränkungen enthalten, zu Effizienzgewinnen, kann dies im Ergebnis immer noch zu einer Freistellung nach Art. 81 Abs. 3 EG führen. Problematisch erscheint allerdings, ob im Anschluss an den in Rdnr. 18 Nr. 2 der Leitlinien dargelegten Test die Freistellungsvoraussetzung der „Unerlässlichkeit“ überhaupt noch erfüllbar ist oder ob nicht jener vielmehr zu einem per se Verbot der aufgezeigten Vereinbarungen führt. Ein solches Ergebnis könnte der verstärkt ins Zentrum gerückten Zielsetzung der Verbraucherwohlfahrt dann entgegenstehen, wenn trotz starker Intrabrand-Beschränkungen der Interbrand-Wettbewerb eine Belebung erfährt und damit insgesamt eine Steigerung der Verbraucherwohlfahrt möglich erscheint.721 Die aus ökonomischer Perspektive zu strenge Behandlung des Intrabrand-Wettbewerbs könnte freilich mit Bedenken hinsichtlich der angestrebten Marktintegration gerechtfertigt werden, wenn etwa die beispielhaft genannten Gebietsbeschränkungen in zeitlicher Hinsicht ein erforderliches Maß überschreiten. Trotz des engen Zusammenhangs der beiden Kriterien – hier die Prüfung, ob eine vertragliche Beschränkung objektiv notwendig für den Bestand der Vereinbarung ist, dort die Untersuchung, inwieweit die Beschränkung unerlässlich zur Erreichung der Effizienzvorteile ist – soll zwischen ihnen mit folgender Kontrollfrage differenziert werden: Entscheidend für den in Rdnr. 18 Nr. 2 dargelegten Test ist, ob die Vereinbarung ohne die Beschränkung gar nicht geschlossen worden wäre; entscheidend für die Unerlässlichkeit der Beschränkung ist hingegen, ob mehr Effizienzvorteile mit ihr erzielt werden als ohne sie.722 Fraglich bleibt indes, ob diese Hilfestellung auch in praktischer Hinsicht durchführbar ist und letztlich zu einer überzeugenden, trennscharfen Unterscheidung der Anwendung von Art. 81 Abs. 1 und 3 EG führt.
Ebenda. Lugard / Hancher, E.C.L.R. 2004, 410, 414. Zum Verhältnis von Interbrand- und Intrabrand-Wettbewerb siehe auch bereits EuGH vom 13. 7. 1966, verb. Rs. 56 und 58 / 64, Slg. 1966, 322 „Grundig und Consten“ S. 390: „Der Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit gilt für alle Wirtschaftsstufen und für alle Erscheinungsformen des Wettbewerbs. Der Wettbewerb zwischen Herstellern mag zwar im Allgemeinen augenfälliger in Erscheinung treten als der zwischen Verteilern von Erzeugnissen einer und derselben Marke. Dies bedeutet aber nicht, dass eine Vereinbarung, die den Wettbewerb zwischen solchen Verteilern beschränkt, schon deswegen nicht unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 fiele, weil sie den Wettbewerb zwischen Herstellern möglicherweise verstärkt.“ 722 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 74. 720 721
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(2) Hinweise zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG Verstößt die Vereinbarung gegen Art. 81 Abs. 1 EG, kommt eine Freistellung in Betracht, wenn die wettbewerbsfördernden Effekte der Absprache deren wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen insgesamt überwiegen. Nach dem Wegfall der Anmeldepflicht durch die Einführung der Legalausnahme erfolgt die Bewertung nach Art. 81 Abs. 3 EG auf der Grundlage der zum jeweiligen Zeitpunkt vorliegenden Fakten.723 Anders als bisher, wo regelmäßig schwierige Prognosen über die Auswirkungen der Absprachen anzustellen waren, kann sich die Prüfung des Art. 81 Abs. 3 EG nunmehr stärker an den tatsächlichen Auswirkungen der wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweise orientieren.724 Erforderlich ist insoweit die kumulative Erfüllung der vier in Art. 81 Abs. 3 EG genannten Voraussetzungen. Jedem dieser vier Kriterien widmet die Kommission in den Leitlinien detaillierte Ausführungen und bereits die flüchtige Lektüre macht deutlich, dass diese – insbesondere bezüglich der ersten beiden Kriterien des Art. 81 Abs. 3 EG – nicht immer mit der bisherigen Fallpraxis übereinstimmen. Die Leitlinien, denen der „ökonomische Ansatz“ zugrunde liegt,725 führen in Verbindung mit der direkten Anwendung auch von Art. 81 Abs. 3 EG im Ergebnis vielmehr zu einer strengeren Auslegung der Freistellungsregel als bisher. (a) Effizienzgewinne Bezeichnenderweise lautet bereits die Überschrift über die Ausführungen zum ersten Freistellungskriterium in den Leitlinien „Effizienzgewinne“726 und weicht damit vom Wortlaut des Art. 81 Abs. 3 EG ab. Zwar wird sodann auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs bezüglich der objektiven Betrachtungsweise der Vorteile verwiesen,727 doch lassen die Leitlinien schnell erkennen, dass – insoweit stärker fokussiert als in der Vergangenheit – Ziel der ersten Freistellungsvoraussetzung die Ermittlung der wirtschaftlichen Bedeutung der Effizienzvorteile ist und dass für die Gegenüberstellung der vorteilhaften und der nachteiligen Wirkungen der Vereinbarung eine möglichst genaue Überprüfung der Werthaltigkeit der Effizienzgewinne erforderlich ist.728 Substantiiert darzulegen ist von den Unternehmen folglich nicht nur die Art der geltend gemachten Effizienzvorteile und deren direkter, kausaler Zusammenhang mit der Absprache, sondern darüber hinaus die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß jedes einzelnen Vorteils sowie der zeitliche RahLeitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 44. Meessen, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht Bd. 1, Art. 81 Abs. 3, Rdnr. 27. 725 Ausdrücklich Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 5. 726 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnrn. 48 ff. 727 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 49. 728 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 50. 723 724
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men, innerhalb dessen sich diese aller Voraussicht nach realisieren.729 Werden vor allem Kosteneinsparungen als maßgebende Effizienzgewinne geltend gemacht, müssen diese so genau berechnet oder geschätzt werden wie irgend möglich, zudem muss angegeben werden, nach welchem Verfahren sie erzielt werden sollen und ab welchem Datum sie spürbare positive Auswirkungen auf den Markt haben. Effizienzvorteile, die in Form von neuen oder verbesserten Produkten angeführt werden, müssen von den Unternehmen im Hinblick auf ihren wirtschaftlichen Wert ausführlich erläutert und begründet werden;730 „unsubstantiierte Behauptungen werden zurückgewiesen“.731 Bereits nach diesen Ausführungen wird ersichtlich, dass eine Vielzahl der bisherigen Kommissionsentscheidungen mit ihren teilweise nur oberflächlichen Feststellungen bezüglich der erwarteten Effizienzvorteile diesen strengeren Anforderungen wohl nicht genügt hätte. Auch in der Folge differenziert die Kommission in den Leitlinien zwischen Kosteneinsparungen und qualitativen Effizienzgewinnen, ohne innerhalb dieser Aufteilung eine abstrakte Gewichtung vorzunehmen. Verwiesen wird in einer nicht erschöpfenden Auflistung auf zu berücksichtigende Produktions- und Verfahrensverbesserungen, Synergieeffekte, Größen- und Verbundvorteile sowie Qualitätsverbesserungen, die jeweils mit konkreten Beispielen belegt werden und damit für die Unternehmen eine anschauliche Orientierung darstellen.732 Allgemein werden Effizienzvorteile nach Ansicht der Kommission dann erzielt, wenn Unternehmen ihre Vermögenswerte zusammenlegen und ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten integrieren, um damit gemeinsam zu erreichen, was sie nicht ebenso effizient alleine verwirklichen können.733 (b) Unerlässlichkeit der Einschränkung Vor dem zweiten Freistellungskriterium behandeln die Leitlinien zunächst die dritte Voraussetzung von Art. 81 Abs. 3 EG, die Unerlässlichkeit der Wettbewerbsbeschränkung zur Erreichung der angestrebten Vorteile.734 Dieser Vorgriff erklärt sich damit, dass die angemessene Verbraucherbeteiligung eine Abwägung erfordert, die sich von vornherein nur auf unerlässliche Einschränkungen stützen soll. Vorgeschlagen wird eine zweistufige Prüfung: zunächst muss die Vereinbarung insgesamt vernünftigerweise notwendig sein, um Effizienzgewinne zu erzielen, sodann muss auch jede einzelne sich aus der Absprache ergebende Beschränkung hierzu vernünftigerweise erforderlich sein.735 Die entscheidende Frage lautet, ob Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnrn. 51 ff. Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnrn. 56 – 58. 731 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 55, ähnlich auch Rdnr. 47. 732 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnrn. 64 ff. 733 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 60. 734 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnrn. 73 ff. 735 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 73. 729 730
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die Unternehmen plausibel erläutern und belegen können, dass es keine andere wirtschaftlich machbare und weniger wettbewerbsbeschränkende Möglichkeit gibt, die angestrebten Effizienzgewinne zu erzielen, beispielsweise durch internes Wachstum oder Preiswettbewerb. Die Kommission selber nimmt dabei keine eigene wirtschaftliche Beurteilung des unternehmerischen Handelns vor, sie schreitet nach den Leitlinien lediglich dann ein, wenn hinreichend klar ist, dass realistische und erreichbare Alternativen vorliegen.736 Hierin kommt der Kommissionswille zum Ausdruck, sich zukünftig vorrangig auf besonders schwere Wettbewerbsverstöße zu konzentrieren. Darüber hinaus ergeben sich bezüglich der Unerlässlichkeitsprüfung keine augenscheinlichen Abweichungen von der bisherigen Praxis; es gilt wie auch bisher eine gleitende Skala, nach der die Anforderungen an die Unerlässlichkeit umso strenger sind, je ausgeprägter auch die Beschränkungen für den Wettbewerb ausfallen.737 Auch legen die Leitlinien dar, dass die Beurteilung der Unerlässlichkeit im Rahmen des tatsächlichen wirtschaftlichen Umfelds erfolgen soll und dabei insbesondere die Marktstruktur und die mit der Vereinbarung verbundenen Risiken zu berücksichtigen sind.738 (c) Angemessene Beteiligung der Verbraucher Bezüglich des Freistellungskriteriums der angemessenen Verbraucherbeteiligung veranschaulichen die Kommissionsleitlinien das Bemühen, dieser Voraussetzung, nach der teilweise nur oberflächlichen Anwendung in der Vergangenheit, eine eigenständigere, größere Bedeutung zukommen zu lassen und dabei insbesondere eine Abgrenzung zu dem vierten Freistellungsmerkmal, dem Verbot der Ausschaltung der Restwettbewerb, vorzunehmen.739 Auffällig ist, dass – insoweit abweichend von der bisherigen Praxis – der erforderlichen Abwägung im Rahmen der Angemessenheit der Verbraucherbeteiligung breiter Raum eingeräumt wird.740 Es muss demnach festgestellt werden, dass die für die Verbraucher vorteilhaften Wirkungen der Vereinbarung die für sie nachteiligen Wirkungen mindestens kompensieren, wenngleich nicht erforderlich ist, dass die Verbraucher an jedem einzelnen Effizienzgewinn beteiligt werden.741 Bei der Bewertung der Effizienzvorteile ist insbesondere der Zeitraum zu berücksichtigen, innerhalb dessen sie sich realisieren. Je länger hier eine zeitliche Verzögerung besteht, desto gewichtiger müssen die Vorteile schließlich sein, um die Verbraucher auch für die vorteilslose ZwiLeitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 75. EuG vom 28. 2. 2002, Rs. T-86 / 95, Slg. 2002, II-1011 „Compagnie générale maritime u. a. / Kommission“ Rdnrn. 392 – 395. 738 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 80. 739 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnrn. 83 ff. 740 Vgl. auch etwa Rdnr. 92 der Leitlinien, wo es heißt: „Hat eine Vereinbarung sowohl erhebliche wettbewerbswidrige als auch erhebliche wettbewerbsfördernde Auswirkungen, ist eine sorgfältige Untersuchung erforderlich.“ Auch Rdnr. 101. 741 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnrn. 85 f. 736 737
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schenzeit zu kompensieren; bei der Gegenüberstellung von gegenwärtigen Verlusten mit zukünftigen Gewinnen sind Inflation und Zinsen zu berücksichtigen.742 Wurde in der bisherigen Praxis eine angemessene Verbraucherbeteiligung regelmäßig dann bejaht, wenn – im Vorgriff auf das vierte Merkmal des Art. 81 Abs. 3 EG – ausreichend Restwettbewerb festgestellt wurde,743 so bedeuten die Leitlinien eine Abkehr von dieser pauschalen Vermutung.744 Zwar ist das Vorliegen ausreichenden Restwettbewerbs auch weiterhin ein wichtiger Hinweis auf die angemessene Beteiligung der Verbraucher, dennoch soll es bei der Prüfung dieses Freistellungsmerkmals nach den Leitlinien verstärkt auf zusätzliche Faktoren ankommen, beispielsweise die Merkmale des Marktes, die Elastizität der Nachfrage sowie das Ausmaß der konkreten Wettbewerbsbeschränkung.745 Betont wird zudem die unterschiedliche Bedeutung verschiedener Effizienzgewinne. So wird in Rdnr. 98 der Leitlinien im Bezug auf Kosteneinsparungen zwischen Fixkosten und variablen Kosteneinsparungen differenziert und mit Verweis auf ökonomische Theorie dargelegt, dass die Wahrscheinlichkeit der Verbraucherbeteiligung bei einer Senkung der variablen Kosten höher ist als bei der Senkung von Fixkosten. Anders als Kosteneinsparungen werden dagegen Verbesserungen qualitativer Art notwendig an die Verbraucher weitergegeben; hier kommt es allein auf die Prüfung der Angemessenheit an. Die Schwierigkeiten bei der Bemessung qualitativer Effizienzvorteile und ihrer Weitergabe an die Verbraucher sollen dadurch abgemildert werden, dass die Unternehmen ihre Behauptungen substantiieren und „verfügbare Angaben und Schätzungen vorlegen, die den Gegebenheiten ihres Falles Rechnung tragen.“746 Für die Abwägung der Wettbewerbsbeschränkungen mit den Effizienzvorteilen geben die Leitlinien schließlich folgende Faustregel vor: Sind die Vorteile erheblich, die Wettbewerbsbeschränkung dagegen gering, so ist die angemessene Weitergabe der Vorteile an die Verbraucher wahrscheinlich und eine vertiefte Analyse der Verbraucherbeteiligung – ebenso wie im umgekehrten Fall – für gewöhnlich nicht erforderlich.747 Nur wenn sowohl die Vor- als auch die Nachteile der Vereinbarung erheblich sind, ist eine sorgfältige Abwägung notwendig. Dass die Leitlinien gerade in diesem Zusammenhang noch einmal ausdrücklich auf die Antriebsfunktion des Wettbewerbs verweisen und vor allem dessen langfristigen Auswirkungen betonen, kann als weiterer Ausdruck dafür gewertet werden, dass die Kommission Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnrn. 87 ff. Vgl. oben, zweiter Abschnitt, II. 2. 744 Deutlich etwa in Rdnr. 96 a. E. 745 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnrn. 96 ff.; Kirchhoff, WuW 2004, 745, 750 sowie Aicher / Schuhmacher, in: Grabitz / Hilf, Bd. II, Art. 81 Rdnrn. 311 ff. 746 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 94, auch Rdnrn. 102 ff. 747 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnrn. 90 f. 742 743
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bezüglich einer Freistellung nach Art. 81 Abs. 3 EG einen strengeren Maßstab anstrebt als bisher.748 Erwähnenswert ist noch ein weiterer Gesichtspunkt der Leitlinien. In Rdnr. 43 führen sie aus, dass eine Abwägung von Vor- und Nachteilen grundsätzlich innerhalb desjenigen relevanten Marktes erfolgt, auf den sich die Vereinbarung bezieht. Eine marktübergreifende Abwägung von Vor- und Nachteilen soll nur dann möglich sein, wenn zwei Märkte derart miteinander verknüpft sind, dass im Wesentlichen die gleiche Verbrauchergruppe, die von der Einschränkung betroffen ist, auch von den Effizienzgewinnen profitiert. Die strenge Anwendung des ParetoKriteriums könnte allerdings problematisch sein, wenn die Verbraucher in 24 Mitgliedstaaten von einer Vereinbarung profitierten und lediglich die Verbraucher eines kleinen Mitgliedstaates Nachteile zu tragen hätten.749 Auch würde die Bedeutung neuartiger Produkte als Effizienzgewinn geschwächt, da diese in der Regel einem anderen Markt zuzuordnen sind als demjenigen, auf dem die Verbraucher benachteiligt werden. Tatsächlich scheint die Rechtsprechung des EuG hier teilweise weiter zu gehen als die Kommissionsleitlinien. In der Entscheidung „Compagnie Générale Maritime“ hieß es etwa: „Bei der Prüfung der Frage, ob die Feststellungen der Kommission im Rahmen der Untersuchung der einzelnen Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 [ . . . ] zutreffend sind, sind selbstverständlich die Vorteile der betreffenden Vereinbarung nicht nur für den relevanten Markt, [ . . . ], sondern gegebenenfalls auch für jeden anderen Markt, auf den sich die betreffende Vereinbarung vorteilhaft auswirken könnte, [ . . . ]. Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages [sieht] nämlich die Möglichkeit einer Freistellung u. a. von Vereinbarungen vor, die zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, ohne eine besondere Beziehung zum relevanten Markt zu verlangen.“750
Wenn die Leitlinien der Kommission im Bezug auf marktüberschreitende Abwägungen hier eine restriktivere Haltung offenbaren, so ist dies vorrangig den praktischen Schwierigkeiten geschuldet, die mit der Bewertung von unterschiedlichen Verbraucherpräferenzen einhergingen und die zwangsläufig zu großen 748 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 92. Deutlicher noch Rdnr. 105, dazu sogleich unter (d). 749 Vgl. Lugard / Hancher, E.C.L.R. 2004, 410, 419 in Fn. 59. 750 EuG vom 28. 2. 2002, Rs. T-86 / 95, Slg. 2002, II-1011 „Compagnie générale maritime u. a. / Kommission“ Rdnr. 343. In Fn. 57 der Leitlinien (a. a. O., Fn. 574) weist die Kommission aber darauf hin, dass auf Grundlage der konkreten Umstände der Entscheidung dieselbe Verbrauchergruppe von den Vor- und Nachteilen betroffen war. Zudem entschied das Gericht Erster Instanz in dem Urteil „Shaw“ nur kurze Zeit später, dass es „im Hinblick auf die Gewährung der Einzelfreistellung [keine Rolle] spielt [ . . . ], dass die geldwerten Vorteile der angemeldeten Verträge den Preisnachteil bei dem einen oder anderen Wirt möglicherweise nicht vollständig ausgleichen, wenn nur bei einem durchschnittlichen gebundenen Wirt ein solcher Ausgleich eintritt, der damit auf dem Markt allgemein wirksam wird“, vgl. EuG vom 21. 3. 2002, Rs. T-131 / 99, Slg. 2002, II-2023 „Michael Hamilton Shaw u. a. / Kommission“ Rdnr. 163.
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Bewertungsspielräumen führten. In jedem auch nur entfernt berührten Markt müsste eine Gewichtung der einzelnen Wettbewerbsbeschränkungen und Effizienzvorteile vorgenommen werden; eine überprüfbare Anwendung des Freistellungstatbestandes wäre unter derartigen Umständen kaum möglich.751 (d) Keine Ausschaltung des Wettbewerbs Bezüglich der letzten Freistellungsvoraussetzung, dem Verbot, mittels der Vereinbarung für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten, übernimmt die Kommission die jüngere Rechtsprechung des EuG, nach der dieses Kriterium selbst bei Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung gem. Art. 82 EG nicht notwendigerweise erfüllt sein muss; die Freistellung einer Absprache ist demnach auch dann noch möglich, wenn sie zur Entstehung oder Verstärkung marktbeherrschender Unternehmen beiträgt.752 Es wird betont, dass die Feststellung der Ausschaltung des Wettbewerbs maßgeblich vom Grade des Wettbewerbs vor Abschluss der Vereinbarung abhängt.753 Erforderlich ist insoweit eine realistische Untersuchung der verschiedenen Wettbewerbsquellen auf dem Markt, der Auswirkungen der Vereinbarung auf den bestehenden Wettbewerbsdruck754 sowie eine Berücksichtigung des potentiellen Wettbewerbs im Wege einer Analyse möglicher Marktzugangsschranken. Zur Prüfung des vierten Freistellungskriteriums heben die Leitlinien in Rdnr. 109 zwar die Bedeutung von Marktanteilen hervor, es wird aber ausdrücklich auf die Notwendigkeit von weiterführenden einzelfallbezogenen Untersuchungen in qualitativer und quantitativer Hinsicht verwiesen. Konsequenterweise fehlt es in den Leitlinien daher auch an festgelegten Marktanteilsgrößen. Bezüglich der Prüfung von Marktzutrittsschranken müssen Behauptungen der Kooperationsparteien, wonach diese vernachlässigbar seien, substantiiert mit der Offenlegung der Quellen potentiellen Wettbewerbs belegt werden.755 Sodann schlägt die Kommission ein ausführliches Prüfungsschema vor: Es ist zu untersuchen, inwieweit nicht rückholbare Investitionen für einen Markteintritt zu erwarten sind, wie groß die branchenspezifische effiziente Mindestgröße ist und wie stark potentielle Neuzugänger sind. Auch die wahrscheinliche Reaktion der etablierten Unternehmen ist zu berücksichtigen, ebenso wie die allgemeinen wirtZustimmend auch Kjølbye, E.C.L.R. 2004, 566, 572. Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 106. 753 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnrn. 107 ff. 754 Hierzu kann es erforderlich sein, den Grad der Substituierbarkeit zwischen den von den Vertragsparteien angebotenen Produkten zu ermitteln. Je mehr die Produkte, die Gegenstand der Absprache sind, austauschbar sind, desto größer sind auch die voraussichtlichen wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen der Vereinbarung; Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 113. 755 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 114. 751 752
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schaftlichen Aussichten einer Branche und die Anzahl der Markteintritte in der Vergangenheit.756 Neben solcherart detaillierten Anweisungen, wird auch im Rahmen des vierten Freistellungskriteriums noch einmal verdeutlicht, dass insgesamt ein strenger Maßstab für die Einbeziehung von Effizienzvorteilen gelten soll. In Rdnr. 105 heißt es – ähnlich wie in Rdnr. 92 – ausdrücklich: „Der Schutz des Wettbewerbsprozesses bleibt das eigentliche Ziel von Artikel 81 und zwar nicht nur auf kurze, sondern auch auf lange Sicht. Wenn der Wettbewerb ausgeschaltet wird, kommt der Wettbewerbsprozess zum Stillstand, und die kurzfristigen Effizienzgewinne werden von langfristigen Verlusten überlagert.“
Gerade eine langfristige Perspektive beim Schutz des Wettbewerbs trägt mithin dazu bei, dass ausgleichenden Effizienzvorteilen insgesamt eher vorsichtig begegnet werden soll.757 cc) Bewertung der Leitlinien Die Lektüre der Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG lässt erkennen, dass die Kommission im Rahmen der Freistellungsnorm insgesamt hohe Anforderungen an die Einbeziehung von Effizienzvorteilen stellt. Damit geht sie insbesondere bezüglich der ersten beiden Voraussetzungen der Vorschrift – Effizienzgewinne sowie angemessene Verbraucherbeteiligung – über den bisher in ihrer Entscheidungspraxis verwendeten Maßstab hinaus, indem sie eine detailliertere Untersuchung hinsichtlich des Ausmaßes und der Wahrscheinlichkeit einer Weitergabe der Effizienzgewinne verlangt. Die hohen Anforderungen an die Freistellungsfähigkeit einer Absprache haben für die betroffenen Unternehmen zur Folge, dass sie regelmäßig externen, sachkundigen Rat einholen müssen, um das Risiko drohender Bußgelder und Schadensersatzforderungen zu minimieren. Diesen Umstand dadurch zu kompensieren, dass die Unternehmen zum Zwecke der Rechtssicherheit Hilfeersuchen bei der Kommission einreichen können, käme letzten Endes der Wiedereinführung eines Notifikationssystems gleich, welches durch die Verordnung Nr. 1 / 2003 gerade aufgegeben werden sollte.758 Eine restriktive und verstärkt auf neueren ökonomischen Erkenntnissen basierende Handhabung der Effizienzberücksichtigung im Rahmen des Art. 81 Abs. 3 EG, welche in jüngeren Kommissionsentscheidungen vereinzelt angedeutet wurde,759 ist trotz dieser zunächst nachteiligen Auswirkung für die Unternehmen insgesamt positiv zu bewerten, da mit ihr einerseits der Grundsatz vom wirksamen Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 115. Schwintowski / Klaue, WuW 2005, 370, 375. 758 Müller, WRP 2004, 1472, 1478 m. w. N. 759 Exemplarisch die Entscheidung der Komm. vom 24. 1. 1999, ABl.EG 2000 Nr. L 187, S. 47 „CECED“. 756 757
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2. Abschn.: Effizienzvorteile im Rahmen des Art. 81 EG
Wettbewerb insbesondere in einer langfristigen Perspektive gestärkt wird, andererseits aber dennoch die Möglichkeit von Ausnahmen gewährt wird, wenn zugleich wahrscheinlich ist, dass tatsächlich entstehende Effizienzgewinne zu einer tatsächlichen Besserstellung der Verbraucher führen. Die im Vergleich zur vorherigen Praxis stärkere Fokussierung auf die ersten beiden Freistellungsmerkmale betont die sorgfältige Analyse der Auswirkungen einer Vereinbarung und verdeutlicht einmal mehr, dass die Kommission mit dem ökonomisch fundierten Ansatz weniger darauf abstellt, dass die Handlungsfreiheit der Unternehmen eingeschränkt wird, als vielmehr darauf, welche Effekte eine Absprache auf den Wettbewerb und insbesondere auf die Verbraucher hat. Zwar differenziert die Kommission in den Leitlinien zu Art. 81 Abs. 3 EG – insoweit anders als im Fusionskontrollrecht – nicht zwischen horizontalen und vertikalen Vereinbarungen und macht somit auch keine Unterscheidung zwischen den unterschiedlichen Effizienzvorteilen, die typischerweise durch die jeweilige Art der Absprache erreicht werden können;760 angesichts der Tatsache, dass die Kommission ihre Rechtsauffassung aber bereits umfangreich in den einzelnen Horizontal- und Vertikalleitlinien dargelegt hat, fällt dieser Umstand nicht wesentlich ins Gewicht. Ausdrücklich getrennt wird in den Leitlinien dagegen zwischen quantifizierbaren Effizienzgewinnen wie Kosteneinsparungen und qualitativen Effizienzvorteilen aufgrund neuer oder verbesserter Produkte. Stellt die Kommission mit ihrer Bekanntmachung klar, dass die letztere Art von Effizienzgewinnen im Einzelfall von gleicher oder sogar größerer Bedeutung sein kann als die Einsparung von Kosten, scheinen die hohen Beweisanforderungen eher für eine faktische Besserbehandlung von statischen gegenüber dynamischen und quantitativen gegenüber qualitativen Effizienzvorteilen zu sprechen. Die Leitlinien sind für nationale Behörden und Gerichte nicht bindend und daher auch deren hohe Anforderungen an die Beweisbarkeit der Effizienzvorteile nicht zwingend zu übernehmen.761 Im Sinne einer einheitlichen und vor allem streng wettbewerblich orientierten Rechtsanwendung wäre eine möglichst weitgehende Anlehnung an die Kommissionsleitlinien aber zu begrüßen. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Leitlinien zu Art. 81 Abs. 3 EG in ihrer Ausführlichkeit und vor allem mit ihren zahllosen Beispielen für die Unternehmen und die nationalen Behörden und Gerichte einen hilfreichen Beitrag zur Ermittlung der Freistellungsvoraussetzungen darstellen. Sie spiegeln das Kommissionsbemühen wider, einen Ausgleich zu finden zwischen einer fundierten ökonomischen Analyse bezüglich der Wirkungen einer Kooperation einerseits und einem größtmöglichen Ausmaß an Rechtssicherheit durch die Schaffung abstrakter Abwägungsregelungen andererseits. 760 Kritisch dazu RBB Brief 15 „Art or Science? Assessing Efficiencies under the Commission’s Article 81(3) Notice“. 761 Bereits Rdnr. 5 der VO Nr. 1 / 2003 stellt insoweit klar, dass die nationalen Rechtsvorschriften über das Beweismaß durch die Verordnung nicht berührt werden sollen.
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Dass nicht alle Schwierigkeiten mit Hilfe der Leitlinien beseitigt werden können, liegt auf der Hand. Dass jedoch dem enger interpretierten Anwendungsbereich des Art. 81 Abs. 1 EG – es reicht nicht die bloße Einschränkung der Handlungsfreiheit eines oder mehrerer Beteiligten, sondern es ist bereits im Rahmen des Abs. 1 eine detaillierte wirtschaftliche Analyse der Auswirkungen der Absprache vorzunehmen, bestimmte Arten von Intrabrand-Vereinbarungen fallen von vornherein aus Art. 81 Abs. 1 EG heraus – zugleich auch ein restriktiver verstandener Anwendungsbereich des Art. 81 Abs. 3 EG folgt, ist nur konsequent, um letztlich jene Balance zwischen Verbotsnorm und Ausnahmevorschrift herzustellen, die jedenfalls allzu offensichtliche Fehler der ersten oder zweiten Kategorie vermeidet.762
2. Folgen für die Gruppenfreistellung aus der Interpretation des Art. 81 Abs. 3 EG als Legalausnahme Mit der Auslegung des Art. 81 Abs. 3 EG als Legalausnahme stellt sich auch die Frage nach der Bedeutung der bisherigen GVO. Sind die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG erfüllt, ist eine Vereinbarung kraft Gesetzes erlaubt; die Legalausnahme kann somit selber als weiteste Form einer Gruppenfreistellungsverordnung bezeichnet werden.763 Aus Art. 29 Abs. 1 sowie dem Erwägungsgrund Nr. 10 der VO Nr. 1 / 2003 geht indes hervor, dass auch im System einer Legalausnahme an dem Instrument der GVO festgehalten werden soll und die Geltung der bisherigen GVO nicht in Frage gestellt wird. Allerdings mutet es seltsam an, durch eine Verordnung zu erlauben, was ohnehin bereits erlaubt ist. Über das Verhältnis von Art. 81 Abs. 3 EG als Legalausnahme und den GVO bestehen folglich unterschiedliche Auffassungen in der Literatur, die sich im Wesentlichen auf die Frage nach einer konstitutiven oder deklaratorischen Wirkung der GVO konzentrieren. Für eine bloß deklaratorische Wirkung der GVO, die auf den ersten Blick weniger Konflikte zu einem System der gesetzlichen Ausnahme hervorzurufen scheint, wurde angeführt, dass die GVO den unmittelbar anwendbaren Art. 81 Abs. 3 EG keinesfalls überschreiten dürften – die Verordnung wäre in diesem Fall primärrechtswidrig und folglich unwirksam –, sie aber als Normen des Sekundärrechts die Freistellungsregelung des EG-Vertrags auch nicht einschränken könnten; als logische Folge käme ihnen daher ein nur noch feststellender Charakter zu.764 Versteht man unter einer konstitutiven Wirkung allein, dass die GVO zur Freistellung von andernfalls gem. Art. 81 Abs. 1 EG verbotenen Vereinbarungen beitragen, wäre dieser Ansicht ohne weiteres zuzustimmen. Zu bedenken ist aber, dass die Kjølbye, E.C.L.R. 2004, 566, 570 sowie bereits oben Fn. 159 f. So Weitbrecht, EuZW 2003, 69, 70. 764 Schütz, in: Gemeinschaftskommentar, VO Nr. 1 / 2003, Art. 29 Rdnr. 9; Hirsch, ZWeR 2003, 233, 246; Sauter, in: Dauses, Hdb.EU-WiR, H. I § 3 Rdnrn. 7, 10; Bechtold, WuW 2003, 343. 762 763
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Kommission – soweit sie vom Rat dazu ermächtigt ist – mittels der GVO einen für die Unternehmen, Gerichte und Behörden verbindlichen Rechtsrahmen schaffen kann, der im Einzelnen bestimmt, unter welcher Voraussetzung eine Absprache von der Norm der Art. 81 Abs. 3 EG erfasst ist.765 Insoweit besteht das bisherige Entscheidungsmonopol der Kommission auch mit Auslegung des Art. 81 Abs. 3 EG als Legalausnahme partiell fort.766 Nicht einmal die Kommission selbst kann sich im Hinblick auf die GVO darauf berufen, dass diese auf einer Fehlinterpretation des Art. 81 Abs. 3 EG beruhen; so weit die GVO – freilich innerhalb der von Art. 81 Abs. 3 EG gezogenen Grenzen – reichen, entfällt im Dienste einer gesteigerten Rechtssicherheit und kohärenten Rechtsanwendung ein Rückgriff auf die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des Art. 81 Abs. 3 EG.767 Möglich ist indes, dass die Kommission oder die nationale Kartellbehörde im Einzelfall den Vorteil der Gruppenfreistellung entzieht. Diese in Art. 29 der VO Nr. 1 / 2003 angelegte Option spricht nur zusätzlich für eine konstitutive Wirkung der GVO; die Entziehung eines Rechtsvorteils ist allein dann sinnvoll, wenn zunächst überhaupt ein Vorteil durch die GVO gewährt wurde; ein solcher kann aber überzeugenderweise nur in der konstitutiven Freistellung durch die GVO gesehen werden.768 Eine derartige Einordnung der GVO hat für die Unternehmen zudem die vorteilhafte Folge, dass sie für eine Freistellung nicht darlegen müssen, dass die vier Voraussetzung des Art. 81 Abs. 3 EG kumulativ erfüllt sind, sondern lediglich, dass ihre Vereinbarung unter eine GVO fällt. Anstelle der Beweislast nach Art. 2 VO Nr. 1 / 2003 tragen sie insofern lediglich das Subsumtionsrisiko.769 Bezogen auf Vereinbarungen, die unter eine GVO fallen, ist den Unternehmen damit ein erhebliches Maß an Rechtssicherheit gegeben.
IV. Zusammenfassung des zweiten Abschnitts Im Anwendungsbereich des Art. 81 EG sind es zwei – teilweise parallel laufende – Entwicklungen, die in jüngerer Zeit zu einschneidenden Veränderungen geführt haben: zum einen der mit der Neuorientierung bezüglich vertikaler Vereinbarungen ab dem Jahr 1997 verstärkt propagierte ökonomische Ansatz, zum anderen die Interpretation des Art. 81 Abs. 3 EG als Legalausnahme mit der Folge der nunmehr unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 81 Abs. 1 und 3 EG auch durch nationale Behörden und Gerichte. Aicher / Schuhmacher, in: Grabitz / Hilf, Bd. II, Art. 81 Rdnr. 345. K. Schmidt, BB 2003, 1237, 1241. 767 Ausführlich Fuchs, ZWeR 2005, 1, 12 f., der insoweit den Begriff des „Abschirmeffekts“ verwendet. K. Schmidt stützt diese Sichtweise auf die sog. „Doppelwirkung im Recht“, vgl. BB 2003, 1237, 1241 m. w. N. 768 Klees, Europäisches Kartellverfahrensrecht, § 3 Rdnr. 19; Wagner, WRP 2003, 1369, 1375. 769 Aicher / Schuhmacher, in: Grabitz / Hilf, Bd. II, Art. 81 Rdnr. 346. 765 766
IV. Zusammenfassung des zweiten Abschnitts
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Eine Folge des „more economic approach“ ist die weitgehende Aufgabe der bisherigen ungeschriebenen Spürbarkeitsschwelle durch die Einführung von GVO mit jeweils konkreten Marktanteilsschwellen, unterhalb derer die vorteilhaften Effekte gegenüber den nachteiligen Auswirkungen der Vereinbarung pauschal als überwiegend vermutet werden; Effizienzvorteile werden auf diese Weise für den größten Teil der unter die GVO fallenden Fälle im Sinne eines „general presumptions approach“ bis zum Erreichen der Marktanteilsobergrenzen abgegolten. Erst wenn die Unternehmen mit ihren Marktanteilen die in den GVO genannten Schwellen überschreiten und damit die Annahme von Marktmacht nahe legen, wird eine weitergehende Einzelfallanalyse für erforderlich erachtet. Im Falle horizontaler Vereinbarungen ist dabei nach dem Willen der Kommission insbesondere auf die Wirkungen der betroffenen Vereinbarung auf den relevanten Markt abzustellen; neben weiteren Faktoren soll mit Hilfe des Herfindahl-Hirschman-Index die Marktkonzentration und letztlich das Risiko „nicht koordinierten“ Zusammenwirkens der Kooperationsbeteiligten mit weiteren Marktteilnehmern ermittelt werden. Vertikale Vereinbarungen sind bis zu einem Marktanteil des Lieferanten auf dem Absatzmarkt von 30 % pauschal freigestellt und werden damit generell großzügiger behandelt als horizontale Vereinbarungen. Eine Einzelfreistellung ist aber auch oberhalb dieser Marktanteile möglich, wenn die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG erfüllt sind und dabei insbesondere – dies ist die absolute Obergrenze für eine Freistellung – der Wettbewerb für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren oder Dienstleistungen nicht ausgeschlossen wird. Nach Ansicht von Kommission und Gericht Erster Instanz sollen hierfür das Begründen oder Verstärken einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG nicht ausreichen, hohe Marktanteile der Kooperationsbeteiligten sind jedoch regelmäßig ein starkes Indiz gegen eine Freistellung im Einzelfall. Eine Folge der Legalausnahmeinterpretation und der dezentralen Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG ist hingegen die Stärkung eines wettbewerblichen, effizienzorientierten Prüfungsmaßstabs; die Bedeutung nichtwettbewerblicher, industriepolitischer Gesichtspunkte wird nicht zuletzt aus Gründen der Justiziabilität des Art. 81 Abs. 3 EG zurückgedrängt. Dass anscheinend auch die Kommission gewillt ist, von ihrer vormals weiten Auslegung der Freistellungsvoraussetzungen abzurücken, offenbart sich in ihren Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG, wo unter der Überschrift „Effizienzgewinne“ allein auf ökonomische Aspekte verwiesen wird. Ist es den nationalen Rechtsanwendern mangels fehlender Legitimation verwehrt, im Rahmen ihrer Freistellungsprüfung eine Gewichtung politischer Gemeinschaftsbelange vorzunehmen, kann sich die Kommission allerdings nicht im Wege der Leitlinien davon lossagen, andere Gemeinschaftspolitiken – über die Querschnittsklauseln – auch weiterhin mittelbar in ihren wettbewerblichen Beurteilungen zu berücksichtigen. Die Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG verdeutlichen zugleich den Willen der Kommission, strenge – und im Verhältnis zu Teilen der bisherigen Praxis strengere – Maßstäbe an eine Freistellung vom Verbot wettbewerbsbe-
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2. Abschn.: Effizienzvorteile im Rahmen des Art. 81 EG
schränkender Vereinbarungen anzulegen. Bei gemeinsamer Betrachtung führt daher sowohl die stärker ökonomische Ausrichtung des Art. 81 EG als auch die Interpretation von dessen Abs. 3 als Legalausnahme zu dem Ergebnis, dass der Rahmen für eine einzelfallorientierte Freistellungsanalyse insgesamt erheblich schmaler geworden ist.
Dritter Abschnitt
Die Annäherung von Konzentrationsund Kooperationskontrollrecht I. Der Ausgangspunkt: Die unterschiedliche Behandlung von Fusionen und Kartellen Die wettbewerbsrechtliche Behandlung von Fusionen und Kartellen hat sich im europäischen Recht von Anfang an unterschiedlich entwickelt. Der am 1. 1. 1958 in Kraft getretene Vertrag über die Europäische Wirtschaftsunion enthielt über die Artt. 85 und 86 EWG hinaus keine eigenständigen Regelungen, die sich ausdrücklich auf Unternehmenszusammenschlüsse bezogen. Diese Tatsache fand ihren Grund vor allem darin, dass die damaligen Gründerstaaten das Instrument einer Fusionskontrolle noch gar nicht kannten. Mit Blick auf die seit 1951 existierenden, fusionskontrollrechtlichen Regelungen der Artt. 66, 67 EGKS mag dies zunächst verwundern,770 die genannten Vorschriften waren jedoch allein für Unternehmen der Montanunion anwendbar und ihre frühe Existenz darf bereits schon deswegen nicht überbewertet werden, weil hinsichtlich der Montanindustrie keine ordnungspolitischen, sondern vorrangig sicherheitspolitische Zielsetzungen im Vordergrund standen: Es sollte ein Wiedererstarken der deutschen Ruhrindustrie vermieden werden.771 Abgesehen von derartigen Sondermotiven wurde eine eigenständige, wettbewerbsrechtliche Kontrolle von Unternehmenskonzentrationen zunächst nicht für erforderlich gehalten, letztere wurden als Form externen Unternehmenswachstums vielmehr überwiegend für zulässig und mitunter gar wünschenswert erachtet.772 Die Erkenntnis, dass neben einer wettbewerblichen Verhaltenskontrolle auch die Überwachung externen Wachstums und der Marktstruktur zum Gesamtbild einer funktionierenden Wettbewerbsordnung gehörte, setzte sich indes schon bald nach Inkrafttreten des EWG-Vertrags durch. Lebhaft wurde im Schrifttum darüber gestritten, ob und inwieweit nicht bereits die Vorschriften des EWG-Vertrags auf Unternehmenszusammenschlüsse angewendet werden konnten: Danach stellte eine Fusion zwischen Wettbewerbern einen Vertrag dar, demzufolge eines der beteiligten Zusammenschlussunternehmen gänzlich vom Markt verdrängt wurde. 770 Mittlerweile ist der Geltungszeitraum dieser Regelungen ausgelaufen und alle Fusionen mit gemeinschaftsweiter Bedeutung fallen unter die FKVO Nr. 139 / 2004. 771 Vgl. Caspari / Schwarz, in: Festschrift für Benisch, S. 383. 772 Dazu Mestmäcker, EuR 1988, 349, 353 f.; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rdnrn. 718 ff. m. w. N.
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3. Abschn.: Annäherung von Konzentrations- und Kooperationskontrollrecht
1. Fusionskontrolle nach den Artt. 85, 86 EWG-Vertrag? Das „Continental Can“-Urteil des europäischen Gerichtshofs von 1973 hatte die Auffassung der Kommission bestätigt, dass unter bestimmten Umständen eine Zusammenschlusskontrolle auch unter Art. 86 EWG möglich war. Der Gerichtshof hatte in seiner Entscheidung anerkannt, dass eine Strukturkontrolle über Art. 86 EWG jedenfalls insoweit möglich wäre, als einem marktbeherrschenden Unternehmen versagt werden könnte, seine Stellung durch einen Zusammenschluss mit einem anderen Unternehmen zu stärken, wenn hierdurch kein wirksamer Wettbewerb mehr fortbestünde.773 Da eine solche Anwendung des Art. 86 EWG auf Unternehmenszusammenschlüsse aber voraussetzte, dass zumindest eines der an der Fusion beteiligten Unternehmen bereits marktbeherrschend war, konnte die Vorschrift von vornherein nur für einen eingeschränkten Bereich als Kontrollinstrument in Frage kommen. Die „Continental Can“-Entscheidung bildete mithin einen Auslöser für die anschließenden Kommissionsbemühungen, auf den Erlass einer eigenständigen Verordnung hinzuwirken, welche ihr Befugnisse bezüglich der Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen unabhängig von den Voraussetzungen des Art. 86 EWG einräumte.774 Hinsichtlich der Anwendbarkeit von Art. 85 EWG auf Fusionen hatte die Kommission dagegen bereits 1965 darauf verwiesen, dass nach ihrer Auffassung – und dies entgegen einer von ihr selber eingesetzten Gutachterkommission – die Möglichkeit einer Zusammenschlusskontrolle nach Art. 85 EWG entfiele.775 Zwar erfasse der Wortlaut des Art. 85 Abs. 1 EWG auch Zusammenschlüsse von Unternehmen, sofern sie auf einer Vereinbarung beruhten und den Wettbewerb beschränkten. Da auf diese Weise aber allenfalls eine partielle Anwendbarkeit des Art. 85 EWG auf Fusionen ermöglicht wurde und die für erforderlich erachtete, in sich geschlossene Lösung zur Behandlung Unternehmenskonzentrationen nicht erreicht werden konnte, sollte die Vorschrift folglich im Ganzen nicht auf Zusammenschlüsse von Unternehmen angewendet werden.776 Als Begründung für ihre Ansicht führte die Kommission überdies an, dass die definitive Änderung von Eigentumsverhältnissen eine erhöhte Rechtssicherheit erfordere, welche insbesondere durch eine Anwendung des Art. 85 Abs. 2 und 3 EWG und der auf Kartelle zugeschnittenen Durchführungsverordnung Nr. 17 / 62 nicht gewährleistet werden könne.777 773 EuGH vom 21. 2. 1973, Rs. 6 / 72, Slg. 1973, 215 „Europemballage u. Continental Can / Kommission“, Rdnr. 26. Vorher bereits die Denkschrift der Kommission, WuW 1966, 330, 346 (Rdnr. 26). 774 Caspari / Schwarz, in: Festschrift für Benisch, S. 383, 385 ff. 775 Denkschrift der Kommission, WuW 1966, 330, 341 ff. Zum gleichen Ergebnis gelangt Fikentscher, Recht und wirtschaftliche Freiheit, Band 2, S. 83 ff. m. w. N. 776 Siehe Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 403 ff. 777 Zur fehlenden Eignung des damaligen Art. 85 Abs. 3 EWG auf Fusionen bereits erster Abschnitt, II. 1. c).
I. Die unterschiedliche Behandlung von Fusionen und Kartellen
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Wenngleich bereits diese Sichtweise der Kommission im Schrifttum nicht unbestritten blieb,778 brachte erst das so genannte „Zigaretten“-Urteil des Gerichtshofs aus dem Jahre 1987 entscheidende Bewegung in die Diskussion.779 Der Gerichtshof hatte in dieser Entscheidung die Anwendbarkeit des Art. 85 EWG auf eine Vereinbarung bejaht, die den Erwerb einer Unternehmensbeteiligung zum Gegenstand hatte und zwischen zwei weiterhin selbständig bleibenden Unternehmen getroffen wurde. Der Gerichtshof führte insoweit aus, dass der Erwerb einer Beteiligung an einem konkurrierenden Unternehmen als Verstoß gegen Art. 85 EWG angesehen werden könne, und zwar „insbesondere [ . . . ] dann, wenn das investierende Unternehmen durch den Erwerb der Beteiligung oder durch Nebenklauseln der Vereinbarung rechtlich oder faktisch die Kontrolle über das geschäftliche Verhalten des anderen Unternehmen erlangt . . .“.780 Zeichnete sich damit trotz verschiedener Interpretationsmöglichkeiten des Urteils781 die Bereitschaft der Gemeinschaftsorgane zur Anwendung von Art. 85 EWG auch auf Zusammenschlüsse immer deutlicher ab – die Kommission etwa machte sich die Ausführungen des Gerichtshof sogleich zu eigen782 –, stellte die besagte Entscheidung vor allem einen wichtigen Anstoß dar, der die seit Jahren vorrangig aus politischen Gründen stockenden Bemühungen um die Schaffung einer eigenständigen Fusionskontrollverordnung wiederbelebte und angesichts der neuen Möglichkeiten der Kommission nunmehr auch erheblich forcierte. 2. Einführung der FKVO und Begründung des so genannten Konzentrationsprivilegs Die Einführung der Fusionskontrollverordnung im Jahre 1989 setzte der skizzierten Diskussion um eine zumindest partielle Anwendbarkeit der Artt. 85, 86 EWG auch auf Zusammenschlüsse ein vorläufiges Ende. Nunmehr unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen jener Vorschriften erhielt die Kommission mittels der Verordnung Nr. 4064 / 89 die Befugnis, gemeinschaftsweite Unternehmenszusammenschlüsse eines gewissen Umfangs hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Wettbewerbsstruktur zu untersuchen und gegebenenfalls auch zu untersagen. Neben der Festlegung bestimmter Aufgreifkriterien, deren Erfüllung es 778 Gegen die Kommission etwa Emmerich, EuR 1971, 295, 308 f. Im Ergebnis der Kommission folgend dagegen Steindorff, Revue du Marché Commun 1968, 186, 188 ff., 207. 779 EuGH vom 17. 11. 1987, verb. Rs. 142 und 156 / 84, Slg. 1987, 4487 „British American Tobacco et al / Kommission“. 780 A. a. O., Rdnr. 38. 781 Vgl. etwa Immenga / Fuchs, NJW 1988, 3052, 3055 ff.; Mestmäcker, EuR 1988, 349, 368 ff. 782 Siehe WuW 1988, 222 zum Fall Carnaud / Sofreb. Zu der teilweise unklaren Haltung der Kommission bezüglich der Anwendbarkeit von Art. 85 EWG auf Zusammenschlüsse vor dem „Zigaretten“-Urteil und ihrem Standpunkt danach siehe Emmerich, in: Festschrift für Steindorff, S. 951, 954 ff., 957 ff. m. w. N.
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3. Abschn.: Annäherung von Konzentrations- und Kooperationskontrollrecht
bedurfte, um die Kommission überhaupt zu fusionskontrollrechtlichem Tätigwerden zu berechtigen – vorliegen musste zunächst ein Zusammenschluss, näher konkretisiert in Art. 3 VO Nr. 4064 / 89; überdies musste dieser auch gemeinschaftsweit von Bedeutung sein, was sich rechtstechnisch anhand der in Art. 1 VO Nr. 4064 / 89 vorgegebenen Umsatzzahlen der beteiligten Unternehmen ermittelte – stand in materiellrechtlicher Hinsicht vor allem jenes Kriterium im Zentrum der Verordnung, welches im Falle seines Vorliegens zur Untersagung des Zusammenschlusses führte: Nach Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 4064 / 89 waren Zusammenschlüsse zu untersagen, wenn sie eine beherrschende Stellung begründeten oder verstärkten, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt erheblich behindert würde. Offenkundig wird damit, dass die rechtliche Würdigung von Zusammenschlüssen nach der nunmehr überholten Verordnung Nr. 4064 / 89 erheblich von derjenigen abwich, die Art. 85 EWG für wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen vorsah. Bedurfte es zur behördlichen Untersagung einer Fusion des Begründens oder Verstärkens einer beherrschenden Stellung, waren nach Art. 85 Abs. 1 EWG Vereinbarungen bereits verboten und gem. Abs. 2 der Norm unmittelbar nichtig, wenn sie den Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten nur spürbar beschränkten. Die Gründe für diese – gemeinhin unter dem Schlagwort „Konzentrationsprivileg“ zusammengefassten – Ungleichbehandlung und die offenbar unterschiedliche Wertschätzung des Verordnungsgebers bezüglich von Kartellen und Fusionen sollen sogleich näher beleuchtet werden [a)]. Sodann ist auf das Verhältnis der Regelungen der FKVO zu denjenigen aus Artt. 85, 86 EWG einzugehen [b)]; nur soweit Unternehmenszusammenschlüsse ausschließlich nach der FKVO beurteilt werden und eine Doppelkontrolle, die zusätzlich die Maßstäbe der Artt. 85, 86 EWG berücksichtigte, entfällt, kann auch im umfassenden Sinne von einer relativen Besserbehandlung von Zusammenschlüssen im Gemeinschaftsrecht gesprochen werden. a) Die relative Besserbehandlung von Fusionen nach der FKVO Standen mit den Kartellen von Beginn an solche Vereinbarungen im Blickpunkt, die auf eine konkrete, kollusive Preisgestaltung ausgerichtet waren und eine Wettbewerbsbeschränkung mithin unmittelbar verwirklichten, wurde eine Beschränkung des Wettbewerbs im Falle von Unternehmenszusammenschlüssen lange Zeit als Nebenfolge eingeordnet, die hinter der auf Leistungssteigerung bedachten und damit wettbewerbskonformen Möglichkeit externen Wachstums zurücktrat.783 Der für die rechtliche Ungleichbehandlung entscheidende Unterschied zwischen Kartellen und Unternehmenskonzentrationen wurde vorrangig darin gesehen, dass Letztere nicht zwangsläufig den Wettbewerb beschränkten, der neuen Unternehmenseinheit aber zugleich die Möglichkeit verschafften, aufgrund potentieller Ef783
Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 400 f.
I. Die unterschiedliche Behandlung von Fusionen und Kartellen
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fizienzsteigerungen insgesamt zu wettbewerbsbelebenden Auswirkungen beizutragen.784 Ein weiteres Argument, welches für das Konzentrationsprivileg angeführt wurde, lag in dem Bestreben, durch die höhere Eingriffsschwelle bei Fusionen einen eigenen Markt für Unternehmensübertragungen offenzuhalten.785 aa) Unmittelbare Wettbewerbsbeschränkung durch Kartelle – Leistungssteigerung durch Zusammenschlüsse Im Vordergrund der unterschiedlichen Bewertung von Kartellen und Zusammenschlüssen standen Überlegungen, wonach die ökonomischen Auswirkungen beider Organisationsformen typischerweise unterschiedlich seien.786 So sei im Falle von Kartellen meist nur eine Unternehmensfunktion durch die Absprache betroffen. Gezielt werde unmittelbar negativ auf den Wettbewerb eingewirkt und durch ein derartiges, auf den Erhalt einer bestimmten Marktsituation gerichteten Stillstandsabkommen ein Vorteil zu Lasten von Wettbewerbern angestrebt. Die Reduktion der Absprache auf einen einzelnen oder einige wenige Aktionsparameter habe zur Folge, dass nach Abschluss der Vereinbarung – jedenfalls im Hinblick auf die übrigen unternehmerischen Funktionen, soweit hier eine präzise Aufteilung überhaupt denkbar ist – weiterhin für getrennte wirtschaftliche Einheiten geplant werde und oftmals unterschiedliche Zielsetzungen verfolgt würden. Auch bezüglich des von der Absprache betroffenen Parameters sei indes ein einheitliches und aktives wirtschaftliches Planen nicht möglich, da sich das unternehmerische Verhalten eines Beteiligten weitgehend reaktiv nach demjenigen des Vertragspartners richte.787 Nachteilig für den Wettbewerb wirke sich darüber hinaus das Bestreben der Kartellbeteiligten aus, eine möglichst breite Ausdehnung ihrer Absprache auch auf andere Unternehmen zu erreichen, um damit die einer unerlaubten Koordination innewohnende Gefahr der Instabilität weitestgehend zu reduzieren. Seien damit auch solche Unternehmen eingebunden, die ohnehin bereits zu nicht wettbewerbsfähigen Kosten produzierten, könnten sich durch das Kartell letztlich Unternehmen am Markt halten, die bei wirkungsvoller Ausübung der wettbewerblichen Kostenkontrollfunktion bereits verdrängt worden wären.788 Zudem sei davon auszugehen, dass im Falle einer – insbesondere branchenweiten – Kartellierung die wettbewerblichen Innovationsanreize zum Erliegen kämen, innovatorisches Tätigwerden der Unternehmen vielmehr die Stabilität der gemeinsamen Absprache gefährdete.789 784 Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rdnr. 709; siehe auch Areeda / Turner, Antitrust Law IV, Rdnrn. 901 f. 785 Allgemein dazu Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 426 ff. 786 Fikentscher, Recht und wirtschaftliche Freiheit, Band 2, S. 15; Immenga, in: Festschrift für Pfeiffer, S. 659, 662; Benisch, in: Festschrift für Rittner, S. 17. 787 Immenga, in: Festgabe für Kummer, S. 363, 364. 788 Schmidt / Fritz, in: Festschrift für Kantzenbach, S. 119, 126. 789 Schmidt / Fritz, in: Festschrift für Kantzenbach, S. 119, 126 f.; Cox, in: Cox / Jens / Markert, Handbuch des Wettbewerbs, S. 252 f.
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3. Abschn.: Annäherung von Konzentrations- und Kooperationskontrollrecht
Das bei funktionierendem Wettbewerb vorhandene Effizienzpotential würde demnach auch in dieser Hinsicht nur unzureichend ausgeschöpft. Dem gegenüber steht bei Unternehmenszusammenschlüssen die Änderung der Unternehmensstruktur durch die Erschaffung einer neuen, aktiv planend am Marktgeschehen teilnehmenden Einheit. Zielsetzung einer solch langfristig angelegten Verbindung sei regelmäßig eine Rationalisierung und damit verbunden eine Leistungssteigerung, nicht notwendig erfasst sein müsse auch eine wettbewerbsbeschränkende Motivation.790 Dahinter steht einerseits die Überlegung, dass der Eigentümer von Produktionsmitteln einen hinreichenden Anreiz hat, über deren effektivsten Einsatz bestmöglich zu entscheiden; eine als schwerwiegend erachtete Einschränkung dieser Eigentumsgarantie soll daher nur unter strengen Voraussetzungen gestattet sein.791 Auf der anderen Seite wird das Potential für Effizienzsteigerungen allgemein bei Fusionen höher eingeschätzt als bei wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen – nicht zuletzt deswegen, weil im Falle eines Zusammenschlusses die Gesamtheit aller Unternehmensfunktionen betroffen ist und damit bereits in quantitativer Hinsicht mehr Raum für Effizienzgewinne besteht.792 Die Annahme, dass dauerhafte Strukturveränderungen nicht nur einen stärkeren Anreiz für die Erzeugung von Effizienzvorteilen bieten, sondern zusätzlich auch ein höheres Maß an derartigen Steigerungen ermöglichen als punktuelle und regelmäßig zeitlich begrenzte Absprachen zwischen Unternehmen, hat im Zuge der Einfüh-rung der Fusionskontrollverordnung maßgeblich zur milderen Behandlung von Fusionen beigetragen. Im Ergebnis beruhte das Konzentrationsprivileg insoweit auf einer weitergehenden, abstrakt-pauschalierten Abwägung von Effizienzvorteilen und Marktmacht, die Zusammenschlüsse unabhängig von den Umständen des Einzelfalls besser behandelte als wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen. bb) Offener Markt für Unternehmensbeteiligungen Ein zweiter, wenngleich weniger im Vordergrund stehender Gesichtspunkt, der für die Besserstellung von Zusammenschlüssen gegenüber Vereinbarungen ins Feld geführt wurde, war die angestrebte Offenhaltung eines eigenständigen Marktes für Unternehmensbeteiligungen. Der Allokationsmechanismus eines derartigen Marktes soll demnach nicht nur Nachfolgeprobleme lösen und schwaches Führungspersonal austauschen, sondern zugleich unternehmensgebundene Produktionsmittel dergestalt verteilen, dass diese bestmöglich zum Einsatz gebracht werden und den 790 So Immenga, in: Festschrift für Pfeiffer, S. 659, 661 f.; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rdnr. 709. 791 Schmidt / Fritz, in: Festschrift für Kantzenbach, S. 119, 127; ähnlich bereits die Denkschrift der Kommission, WuW 1966, 330, 343. 792 Siehe Areeda / Turner, Antitrust Law IV, Rdnr. 901 im Zusammenhang mit horizontalen Zusammenschlüssen; auch Schulz, Wettbewerbspolitik, S. 116; Zampa, 4 E.B.O.R. (2003), 573, 601; Immenga / Fuchs, NJW 1988, 3052, 3056.
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höchsten wirtschaftlichen Nutzen erbringen. Die drohende und insoweit disziplinierende Gefahr für wenig ertragreiche Unternehmen, im Falle kontinuierlich schlechten Wirtschaftens von einem anderen Unternehmen übernommen zu werden, soll durch strenge hoheitliche Maßnahmen nicht beschränkt werden, ergänzend zur Fusionskontrolle wird insoweit auch auf die Kontrolle durch den Kapitalmarkt gesetzt.793 Die dargelegten Gründe bildeten das tragende Gerüst für das so genannte Konzentrationsprivileg. Wenn in diesem Zusammenhang auf weitere positive Auswirkungen von Fusionen verwiesen wurde, etwa auf die Tatsache, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme von wettbewerbsfähigeren Unternehmen in seiner Intensität gesteigert und ein vormals asymmetrisches Kräfteverhältnis durch das Hinzutreten neuer Konkurrenten korrigiert werden kann, wenn Zusammenschlüsse – als sogenannte Aufholfusionen – dazu beitragen, den Abstand zu einem Marktführer zu verringern,794 so stellte dies freilich kein Spezifikum von Zusammenschlüssen dar, welches deren generelle Besserbehandlung gegenüber Kooperationen rechtfertigte. Zugunsten einer zurückhaltenderen Anwendung des Fusionskontrollrechts wurde aber nicht zuletzt auf diejenigen Schwierigkeiten verwiesen, die in der Entflechtung einer einmal vollzogenen Fusion zu sehen sind; insoweit entspreche es dem „Charakter der dauerhaften Investitionsentscheidungen [ . . . ], wenn das Instrument der Fusionskontrolle vorsichtig gehandhabt wird.“795 Die hier zugunsten des Konzentrationsprivilegs angeführten Gründe können nur teilweise überzeugen. Ob und inwieweit aus wettbewerbspolitischer Perspektive die Aufrechterhaltung einer grundlegend wohlwollenderen Behandlung von Zusammenschlüssen gegenüber von Kartellen erstrebenswert erscheint, muss bezweifelt werden. Bevor aber im Einzelnen auf die vorgebrachten Argumente einzugehen ist, soll zunächst ein weiterer, eng mit der Problematik verbundener Gesichtspunkt beleuchtet werden: Es ist auf das generelle Verhältnis zwischen der Fusionskontrollverordnung und den heutigen Artt. 81, 82 EG (ehem. Artt. 85, 86 EGW) abzustellen. Soweit Unternehmenszusammenschlüsse ausschließlich nach den Vorschriften der FKVO beurteilt werden, reicht auch die volle Bedeutung von deren Privilegierung; soweit aber zusätzlich der Prüfungsmaßstab der Artt. 81, 82 EG heranzuziehen ist und somit eine Doppelkontrolle erforderlich wird, ist eine privilegierte Behandlung von Zusammenschlüssen entsprechend entwertet.
793 Immenga / Fuchs, NJW 1988, 3052, 3056; Immenga, in: Festschrift für Pfeiffer, S. 659, 661; Wagner-von Papp, in: Langenbucher, Europarechtliche Bezüge, § 9 Rdnr. 105. 794 Schmidt / Fritz, in: Festschrift für Kantzenbach, S. 119, 124 m. w. N. 795 Immenga, in: Festschrift für Pfeiffer, S. 659, 662.
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3. Abschn.: Annäherung von Konzentrations- und Kooperationskontrollrecht
b) Das Verhältnis der FKVO zu Artt. 81, 82 EG aa) Unternehmensbeteiligung als Gegenstand einer Doppelkontrolle? Anders als die für den Anwendungsbereich der FKVO maßgeblichen Vorschriften des Art. 1 – erfasst werden sollen alle Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung – und Art. 3 FKVO, wo konkretisiert wird, unter welchen Umständen ein Zusammenschluss gegeben ist – maßgeblich ist ein Kontrollerwerb über ein anderes Unternehmen –, finden sich für die Artt. 81 und 82 EG in Bezug auf ihren Anwendungsbereich keine vergleichbar detaillierten Regelungen. Die Diskussion darüber, ob auch solche Vereinbarungen von den Artt. 81, 82 EG erfasst werden können, die eine Änderung der Unternehmensstruktur bezwecken oder bewirken und eine Fusionskontrolle somit zusätzlich auch nach dem europäischen Kartellprimärrecht ermöglicht wird, ist daher wesentlich durch die bereits angeführte Rechtsprechung des EuGH geprägt.796 Die Tragweite einer Doppelkontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen sowohl nach der FKVO als auch nach Artt. 81, 82 EG richtet sich folglich einerseits nach der tatbestandlichen Einschlägigkeit der letztgenannten Vorschriften – insbesondere der Interpretation des „Zigaretten“-Urteils von 1987 – und andererseits danach, ob der zitierten Rechtsprechung des EuGH nach dem Erlass der FKVO überhaupt noch eine Bedeutung zukommt und die Anwendungsvoraussetzungen der Artt. 81, 82 EG nicht auf Ebene des Sekundärrechts durch die FKVO verdrängt worden sind. (1) Tatbestandliche Einschlägigkeit des Art. 81 EG Im „Zigaretten“-Urteil erkannte der EuGH, dass der Erwerb von Beteiligungen an einem anderen Unternehmen, an dem ein Konkurrent des Erwerbers bereits beteiligt ist, als wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung am Maßstab des Art. 81 EG zu messen ist. Zwar reichte eine bloße Kapitalbeteiligung für einen Verstoß gegen Art. 81 EG nicht aus. Obwohl die an der Absprache beteiligten Unternehmen selbständig bleiben mussten, konnte ein solcher Verstoß aber dann vorliegen, wenn der Erwerb als Mittel diente, „das geschäftliche Verhalten der betreffenden Unternehmen so zu beeinflussen, dass der Wettbewerb auf dem Markt, auf dem sie ihre Geschäftstätigkeit entfalten, eingeschränkt oder verfälscht wird.“797 Im Schrifttum wurde argumentiert, der EuGH habe maßgeblich darauf abgestellt, dass der Erwerber die Kontrolle über das anteilig erworbene Unternehmen gewinne798 und als Konsequenz die Anwendung des Art. 81 EG nicht nur auf Minderheiten-, sondern auch auf Mehrheitsbeteiligungen bejaht. Auch im Falle einer Mehrheitsbeteiligung komme dem herrschenden Unternehmen keine alleinige Handlungsfreiheit zu, diese sei über den gesellschaftsrechtlich gewährleisteten 796 797 798
Vgl. Fn. 773 und 779. EuGH, a. a. O. (Fn. 779), Rdnr. 37. Etwa in den Rdnrn. 38 f., 44 f. und 56 der Entscheidung.
I. Die unterschiedliche Behandlung von Fusionen und Kartellen
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Minderheitenschutz eingeschränkt; gerade aus einem Mehrheitserwerb ergebe sich aber regelmäßig eine den Wettbewerb beschränkende, faktische oder rechtliche Kontrolle des Erwerbers.799 Die rechtliche Selbständigkeit der Unternehmen bliebe jedenfalls gewahrt.800 Eine wohl überwiegende Gegenauffassung interpretierte das Urteil des Gerichtshofs indes dahingehend, dass allein die Konstellation einer Minderheitsbeteiligung erfasst werden sollte.801 Neben der rechtlichen Selbständigkeit müsse überdies auch eine wirtschaftliche Selbständigkeit der Absprachebeteiligten erhalten bleiben.802 Diese restriktivere Sichtweise wurde damit begründet, dass eine Differenzierung zwischen rechtlicher und wirtschaftlicher Selbständigkeit vom EuGH nicht vorgenommen wurde; da die Unternehmen im Falle eines Beteiligungserwerbes aus rechtlicher Sicht immer selbständig blieben, könne sinnvollerweise nur die zusätzlich auch wirtschaftliche Selbständigkeit der Unternehmen gemeint sein.803 Erst die wirtschaftliche Selbständigkeit schaffe den notwendigen Freiraum für koordiniertes verbotswidriges Verhalten im Sinne des Art. 81 EG und sei damit Voraussetzung für die Anwendung der Vorschrift. Der über den Minderheitenschutz verbleibende Handlungsspielraum sei regelmäßig zu gering, als dass er sich in einem konkreten Marktverhalten niederschlagen könne.804 Zusammenfassend wurde darauf verwiesen, dass der Verlust der Unabhängigkeit eines Unternehmens sowie der Erwerb der Kontrolle über ein Unternehmen letztlich ein und denselben Tatbestand beschrieben, der aber vom Kartellbegriff nicht mehr erfasst würde.805 (2) Keine Verdrängung des Kartellprimärrechts Ungeachtet einer weiten oder engen Interpretation des „Zigaretten“-Urteil stellt sich indes die Frage, ob die Rechtsprechung des EuGH zur Anwendung insbesondere des Art. 81 EG auf Zusammenschlüsse auch nach Inkrafttreten der FKVO überhaupt noch von Bedeutung ist, der Gerichtshof mithin eine derartige Spruchpraxis angesichts der bestehenden FKVO auch heute bestätigen oder gar fortsetzen würde. Mit Verweis auf den schleppenden Entstehungsprozess der FKVO wurde gemutmaßt, dass die ausschlaggebende Motivation für die betreffenden Urteile vor allem der zum Zeitpunkt ihres Erlasses politische Kontext gewesen sei; sie hätten 799 Basedow, EuZW 2003, 44, 47; Mestmäcker, EuR 1988, 349, 369 f. Im Fall Carnaud / Sofreb hat auch die Kommission die Doktrin aus dem „Zigaretten“-Urteil auf einen Mehrheitserwerb angewendet, vgl. WuW 1988, 222. 800 Emmerich, in: Festschrift für Steindorff, S. 951, 958 ff. 801 Dazu die umfangreichen Nachweise bei Kurz, Das Verhältnis der EG-Fusionskontrollverordnung zu Artikel 85 und 86 des EWG-Vertrages, S. 110 ff. 802 Staebe, EWS 2003, 249, 251 m. w. N.; Immenga / Fuchs, NJW 1988, 3052, 3054 ff.; Bechtold, RIW 1990, 253, 261. 803 Riesenkampff, WuW 1988, 465, 467. 804 Staebe, EWS 2003, 249, 251. 805 Benisch, in: Festschrift für Rittner, S. 17, 26.
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vorrangig veranschaulichen sollen, dass – wenngleich mit erheblichen Schwierigkeiten – eine Fusionskontrolle notfalls auch auf Grundlage des geltenden Gemeinschaftsrechts möglich gewesen wäre.806 Ist aber schon fraglich, ob sich die Bedeutung des EuGH auf eine lediglich politische Rolle als Anstoßgeber reduzieren lässt,807 wurde im Falle des „Zigaretten“-Urteils auch darauf verwiesen, dass der Gerichtshof seine Überprüfung von Zusammenschlüssen vorrangig an Verhaltensaspekten ausgerichtet hat.808 Neben der jedenfalls auch auf den Schutz der Marktstruktur gerichteten FKVO könnten die Grundsätze dieses Urteils daher weiterhin Bestand haben und eine schematische Besserstellung von Zusammenschlüssen folgerichtig dann entfallen, wenn sie eine Verhaltensabstimmung zum Inhalt hätten.809 Unternehmensbeteiligungen können jedoch Gegenstand sowohl einer Strukturals auch einer Verhaltenskontrolle sein.810 Im Bestreben, eine permanente Doppelkontrolle von Zusammenschlüssen anhand der FKVO und Art. 81 EG zu vermeiden, fand sich daher bereits in der VO Nr. 4064 / 89 ein Hinweis auf die Notwendigkeit eines einheitlichen Kontrollinstruments.811 Zugunsten einer erhöhter Rechtssicherheit und eines verringerten Prüfungsaufwands sollte keine zweifache Überprüfung von Zusammenschlüssen erfolgen. Problematisch an diesem wünschenswerten Ergebnis ist freilich, dass nach dem allgemein anerkannten Vorrang des primären Gemeinschaftsrechts die FKVO als Maßnahme des Sekundärrechts die Artt. 81, 82 EG nicht verdrängen kann.812 Sieht man daher den Fall einer Unternehmensbeteiligung sowohl von Art. 81 EG als auch von Art. 3 FKVO erfasst, 806 Dreher, WuW 2002, 828, 831; Immenga, in: Immenga / Mestmäcker, EG-WbR I (1997), FKVO, A Rdnr. 13. 807 Basedow, EuZW 2003, 44, 46. Für die Fortgeltung der bisherigen Rechtsprechung tritt auch die Monopolkommission ein, vgl. Sondergutachten Nr. 34 (2002), Rdnr. 224. 808 Zwingend ist eine solche Sichtweise allerdings nicht. So finden sich durchaus Passagen in dem Urteil, die eher auf eine Strukturkontrolle hinweisen, etwa in Rdnr. 38, wo es heißt, dass eine Vereinbarung wettbewerbsbeschränkend sei, wenn sie „eine geschäftliche Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen vorsieht oder Strukturen schafft, die einer solchen Zusammenarbeit förderlich sein können.“ 809 K. Schmidt, BB 1990, 719, 723 f. 810 Vgl. Montag / Dohms, WuW 1993, 93, 98. 811 In Erwägungsgrund Nr. 7 hieß es: „Daher ist ein besonderes Rechtsinstrument erforderlich, das eine wirksame Kontrolle sämtlicher Zusammenschlüsse im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Wettbewerbsstruktur in der Gemeinschaft ermöglicht und das zugleich das einzige auf derartige Zusammenschlüsse anwendbare Instrument ist.“ Im Erwägungsgrund Nr. 6 hieß es sodann: „Die Artikel 85 und 86 des Vertrags sind zwar nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs auf bestimmte Zusammenschlüsse anwendbar, reichen jedoch nicht aus, um alle Zusammenschlüsse zu erfassen, die sich als unvereinbar mit dem vom Vertrag geforderten System des unverfälschten Wettbewerbs erweisen könnten.“ Auch in der VO Nr. 139 / 2004 finden sich diese Formulierungen, wenngleich in umgekehrter Reihenfolge. Nach Auffassung von Rat und Kommission soll die FKVO damit das alleinige Kontrollinstrument für Zusammenschlüsse darstellen. 812 Basedow, EuZW 2003, 44, 46; Möschel, BB 2002, 2077, 2085.
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erscheint eine Doppelkontrolle unausweichlich und der mildere materiellrechtlichen Prüfungsmaßstab der FKVO liefe in derartigen Fällen weitgehend leer. Über eine verfahrensrechtliche Vorschrift hat der europäische Verordnungsgeber versucht, sich aus dieser als unbefriedigend erachteten Lage zu befreien und Zusammenschlüsse insgesamt dem Prüfungsmaßstab der Artt. 81, 82 EG zu entziehen. Gem. Art. 21 Abs. 1 VO Nr. 139 / 2004 gilt die Fusionsverordnung für alle Zusammenschlüsse im Sinne des Art. 3 FKVO, ausdrücklich nicht gilt dagegen die Kartellverfahrensverordnung Nr. 1 / 2003. Mangels schlagkräftiger Durchführungsverordnung kann die Kommission die Artt. 81, 82 EG auf Zusammenschlüsse daher nicht anwenden, es verbleiben ihr lediglich die vergleichsweise schwachen Befugnisse aus Art. 85 EG (ehem. Art. 89 EWG).813 In einer frühen – freilich rechtlich nicht bindenden – Protokollerklärung hat die Kommission eine Doppelprüfung von Unternehmenszusammenschlüssen überdies ausdrücklich ausgeschlossen und angekündigt, dass sie „normalerweise nicht beabsichtigt“, die Artt. 81, 82 EG auf solche Zusammenschlüsse anzuwenden, die auch der FKVO unterliegen.814 Mag eine Doppelprüfung für Unternehmensbeteiligungen in der Praxis damit entfallen, so verbleiben jedenfalls Zweifel, ob eine verfahrens- und sekundärrechtliche Vorschrift – Art. 21 Abs. 1 VO Nr. 139 / 2004 – anordnen kann, was aus materiell- und primärrechtlicher Sicht gar nicht angeordnet werden darf.815 Festzuhalten ist daher, dass eine Doppelkontrolle von bestimmten Zusammenschlüssen, so unerwünscht sie auch sein mag, theoretisch nicht ausgeschlossen werden kann.816 bb) Gemeinschaftsunternehmen als Gegenstand einer Doppelkontrolle? Ähnlich wie die verschiedenen Formen einer Unternehmensbeteiligung bewegen sich auch die Gemeinschaftsunternehmen zwischen den Polen der Konzentration und der Kooperation. Begrifflich werden darunter solche Unternehmen gefasst, die von zwei oder mehr Gesellschaftern gemeinsam beherrscht werden.817 Die Bandbreite denkbarer Ausgestaltungen von Gemeinschaftsunternehmen ist erheblich, 813 Vgl. dazu Dreher, WuW 2002, 828, 834; Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 23 Rdnr. 13. 814 WuW 1990, 240 ff. 815 Kritisch Kindler, EWS 1995, 321, 323; auch Staebe, EWS 2003, 249, 253, der stattdessen auf die Auslegungsgrundsätze der Einheitlichkeit und Widerspruchsfreiheit verweist. 816 Die Diskussion um eine parallele Anwendung von FKVO und Art. 81 EG war insbesondere durch die deutsche Fusionsentscheidung im Fall E.ON / Ruhrgas neu entflammt. Umstritten war in dem Zusammenhang primär die Frage, ob solche Zusammenschlüsse, die aufgrund fehlender gemeinschaftsweiter Bedeutung schon nicht unter Art. 1 FKVO fallen, ebenfalls von dem in Art. 21 Abs. 1 FKVO angeordneten Geltungsausschluss der Kartellverfahrensverordnung profitieren sollten; zum Ganzen Basedow, EuZW 2003, 44 ff., der dies ablehnt und folgerichtig insoweit von einer Doppelkontrolle ausgeht. A.A. Dreher, WuW 2002, 828 ff.; Immenga / Körber, in: Immenga / Mestmäcker, EG-WbR I / 2, FKVO, Einl., Rdnr. 47 f. 817 Kommission, Mitteilung über den Begriff des Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmens, ABl.EG 1998 C Nr. 66, S. 1 Rdnr. 3.
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sie reicht von dauerhaften Strukturveränderungen in Fällen „faktischer“ Vollfusionen – die Mutterunternehmen ziehen sich gänzlich vom relevanten Markt des Gemeinschaftsunternehmen zurück – bis hin zu bloßen Koordinierungsstellen, die darauf abzielen, das Marktverhalten der Mütter aufeinander abzustimmen. Bis 1997 richtete sich die rechtliche Behandlung von Gemeinschaftsunternehmen dementsprechend danach, ob konzentrative oder kooperative Gesichtspunkte bei der Unternehmensgründung im Vordergrund standen; je nach Ergebnis war entweder die FKVO oder Art. 81 EG anzuwenden. Drohte durch das Gemeinschaftsunternehmen hingegen eine Verhaltenskoordinierung der Mütter, so sollte eine Anwendung der FKVO auch dann ausscheiden, wenn das neue Unternehmen auf Dauer sämtliche Funktionen einer selbständigen Wirtschaftseinheit erfüllte.818 Gerade die Prüfung eines solch koordinierten Wettbewerbsverhaltens bereitete der Kommission aber derartige Schwierigkeiten, dass in der Folge praktisch jedes Gemeinschaftsunternehmen als konzentrativ eingestuft wurde und von dem milderen Prüfungsmaßstab der FKVO profitierte.819 Eine Reform der FKVO im Jahre 1997 brachte insoweit eine Änderung, als dass seither all jene Gemeinschaftsunternehmen als Zusammenschlüsse im Sinne der FKVO verstanden werden, die auf Dauer alle Funktionen einer selbständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllen.820 Wann ein solches Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen im Einzelnen vorliegt, soll an dieser Stelle nicht näher erörtert werden;821 entscheidend ist vielmehr, dass sich die Schwierigkeiten der Kommission mit dieser Änderung keineswegs erledigt, sondern allenfalls verschoben haben.822 So stellt sich aus materiellrechtlicher Sichtweise erneut das Problem der europäischen Normenhierarchie, wonach das Primärrecht nicht durch sekundärrechtliche Regelungen verdrängt werden kann. Folgerichtig ordnen Art. 2 Abs. 4 und 5 der VO Nr. 139 / 2004 daher die zusätzliche Überprüfung von Gemeinschaftsunternehmen am Maßstab des Art. 81 Abs. 1 und 3 EG an, soweit diese „die Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens unabhängig bleibender Unternehmen bezweck[en] oder bewirk[en].“823 Im Ergebnis findet daher eine partielle Doppelkontrolle statt, wenngleich diese sich vollständig innerhalb des Verfahrens der Fusionskontrolle vollzieht.824 So Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 FKVO a.F. Kritisch zu dieser Entwicklung Kindler, EWS 1995, 321, 324 ff. 820 Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 139 / 2004. 821 Dazu im Einzelnen Kommission, Mitteilung über den Begriff des Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmens, ABl.EG 1998 C Nr. 66, S. 1 Rdnrn. 8 ff. 822 So auch Neven / Papandropoulos / Seabright, Trawling for Minnows, S. 90. Deutlich positiver dagegen Whish, Competition Law, S. 808: „enormous improvement in the law“, womit aber vor allem die verfahrensrechtlichen Vorteile gemeint sein dürften. 823 Nach Auffassung von Pohlmann handelt es sich bei der Vorschrift um eine letztlich überflüssige Rechtsgrundverweisung, vgl. dies., WuW 2003, 473, 475. 824 Weiterführend Schroeder, WuW 2004, 893, 895 ff. auch mit Nachweisen zur spärlichen Entscheidungspraxis der Kommission. Eine auf Art. 2 Abs. 4 FKVO gestützte Untersagungs818 819
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c) Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine Besserbehandlung konzentrativer Sachverhalte keineswegs schematisch erfolgt, vielmehr die Existenz von Mischformen zwischen Konzentration und Kooperation, wie den Unternehmensbeteiligungen und Gemeinschaftsunternehmen, gegebenenfalls auch eine Überprüfung am Maßstab des strengeren Kartellprimärrechts erfordert. Ein Konzentrationsprivileg in dem Sinne, dass Zusammenschlüsse gem. Art. 3 FKVO ausschließlich auf ihre Vereinbarkeit mit der FKVO überprüft werden, besteht daher nicht. Schwierigkeiten bereitet jedoch die Tatsache, dass der Übergang von Verhaltensbindung und Strukturveränderung fließend ist, eine abstrakte Grenze zwischen Koordination und Konzentration sich kaum bestimmen lässt.825 Gerade vor diesem Hintergrund erscheint es daher nicht schlüssig, wenn in den Fällen einer Minderheitenbeteiligung eine – aus Gründen der Rechtssicherheit als misslich erachtete – Doppelkontrolle jedenfalls in der Praxis ausgeschlossen werden soll, im Falle solcher Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen aber, die zugleich eine Verhaltenskoordination der Mutterunternehmen bezwecken oder bewirken, eine Doppelprüfung von den Art. 2 Abs. 4 und 5 FKVO sogar ausdrücklich angeordnet wird. 3. Kritik am Konzentrationsprivileg Die Begründung, welche für die gegenüber wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen grundsätzlich mildere rechtliche Beurteilung von Zusammenschlüssen angeführt wird, beruht maßgeblich auf den dargelegten Argumenten: Auf der einen Seite die Annahme, nach der Zusammenschlüsse – anders als wettbewerbsbeschränkende Absprachen – regelmäßig zu Leistungssteigerungen führen, auf der anderen Seite die Forderung, nach der eine fusionskontrollrechtliche Eingriffsschwelle schon deswegen nicht zu niedrig angesetzt werden dürfe, um den bestehenden, eigenständigen Markt für Unternehmensbeteiligungen im Interesse eines effektiven Ausleseprozesses nicht über Gebühr einzuschränken. Ob dieser Einschätzung zugestimmt werden kann und die Aufrechterhaltung des dargelegten Konzentrationsprivilegs aus wettbewerbspolitischer Sicht erstrebenswert erscheint, ist – wie bereits angedeutet – aus mehreren Gesichtspunkten zweifelhaft. a) Die Nachhaltigkeit einer Wettbewerbsbeschränkung Zunächst einmal mutet es paradox an, wenn Unternehmenszusammenschlüsse als sehr viel festere und in ihren wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen entsprechend nachhaltigere Verbindungen gegenüber den permanent vom Zerfall beentscheidung liegt bislang nicht vor, diesbezüglich kritische Fallkonstellationen wurden durch Zusagen der betroffenen Unternehmen entschärft, ebd., S. 899 ff. 825 So ausdrücklich schon die Denkschrift der Kommission, WuW 1966, 330, 341.
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drohten Kartellabsprachen privilegiert werden sollen.826 Ist eine verhaltenskoordinierende, wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung erst einmal getroffen, so bedeutet dies nicht gleichzeitig auch deren Erfolg. Für einzelne Beteiligte wird es regelmäßig lohnend sein, von der eigenen Absprache abzuweichen und (differenzierte) Produkte beispielsweise unterhalb der festgelegten Kartellpreise anzubieten, um im Ergebnis über die größere Absatzmenge einen höheren Gewinn zu realisieren. Zwar lassen sich derartige „cheating“-Anreize im Spannungsfeld zwischen Gruppen- und Einzelinteressen über die Einführung interner Sanktionsmöglichkeiten reduzieren. Ob sich aber ein wirksamer Zwang zur Kartelltreue tatsächlich aufbauen lässt, hängt nicht zuletzt von der Interessenvielfalt der Mitglieder und den vorhandenen Möglichkeiten einer Aufdeckung absprachewidrigen Verhaltens ab. Aufgrund unterschiedlicher betrieblicher Auslastungsgrade und divergierender Unternehmens- und Betriebsstrukturen – etwa verschiedener Verflechtungsgrade – können sich die Interessen einzelner Teilnehmer unterschiedlich entwickeln, von einander abweichen und damit die Stabilität der Absprache gefährden.827 Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen stellen diesbezüglich in gradueller Hinsicht eine weniger nachhaltige Beeinträchtigung des Wettbewerbs dar. b) Größeres, tatsächlich ausgeschöpftes Effizienzpotential durch Fusionen? Wenn die rechtliche Würdigung von Kartellen trotz deren Instabilität pauschal strenger ist als diejenige von Fusionen, so ist zugleich fraglich, ob die implizierte Annahme, nach der Zusammenschlüsse das ihnen zugestandene, per se größere Effizienzpotential auch regelmäßig ausschöpfen und folglich dieser Gesichtspunkt die rechtliche Beurteilung – in Gestalt einer höheren Eingriffsschwelle – prägen soll, auch mit dem Ergebnis bisheriger empirischer Untersuchungen in Einklang zu bringen ist. Die bekannten empirischen Studien über den Erfolg von Fusionen haben – einmal ungeachtet aller methodischen Schwierigkeiten und Unterschiede828 – weitgehend übereinstimmend darauf verwiesen, dass nur etwa jeder zweite Unternehmenszusammenschluss in wirtschaftlicher Hinsicht auch ein Erfolg wird.829 So 826 Benisch, in: Festschrift für Rittner, S. 17, 18; Schmidt / Fritz, in: Festschrift für Kantzenbach, S. 119, 125. 827 Ausführlich Bishop / Walker, The Economics of EC Competition Law, 5.20 ff.; Cox, in: Cox / Jens / Markert, Handbuch des Wettbewerbs, S. 237 ff.; ferner Alfter / Young, E.C.L.R. 2005, 546, 549. 828 Diesbezüglich wird teilweise die Rentabilitätsentwicklung des eingesetzten Kapitals mit dem jeweiligen Branchendurchschnitt verglichen, teilweise wird auch lediglich die Rentabilität der Unternehmen vor und nach dem Zusammenschluss untersucht oder zusätzliche Faktoren wie der Unternehmensumsatz einbezogen, vgl. zu den verschiedenen Ansätzen Kaufer, Konzentration und Fusionskontrolle, S. 58 ff. 829 Gugler / Mueller / Yurtoglu / Zulehner, International Journal of Industrial Organization, 21 (2003), S. 625, 647 f.; Ravenscraft / Scherer, 36 (2) Journal of Industrial Economics (1987),
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untersuchten jüngst Gugler et al. die Auswirkungen von rund 14.300 internationalen Fusionen der letzten 15 Jahre und kamen zu dem Ergebnis, dass sich 55,8 % all jener Zusammenschlüsse insofern wohlfahrtsmindernd auswirkten, als dass 27,6 % von ihnen zur Steigerung von Marktmacht (Kriterium: höhere Gewinne bei sinkenden Umsätzen) und 28,2 % zur Verringerung von Effizienz (Kriterium: sinkende Gewinne bei zugleich sinkenden Umsätzen) beitrugen.830 Differenziert man zwischen den Zusammenschlüssen kleinerer und solchen größerer Unternehmen, so wirkten sich nach Gugler et al. bezüglich der erstgenannten Gruppe immerhin noch 47,8 % aller Fusionen nachteilig aus, hingegen im letztgenannten Fall schon 63,9 %.831 Eine Untersuchung von Kleinert und Klodt aus dem Jahr 2000 gelangte zu ähnlichen Ergebnissen. Auch nach ihrer Analyse waren die Erfolgschancen von Fusionen umso geringer, je größer das Übernahmevolumen war. Bei Zusammenschlüssen mit einem Gesamtwert von über US$ 1 Mrd. standen die Chancen eines überdurchschnittlich rentablen Zusammenschlusses bei 50 %, bei sogenannten Megafusionen, deren Gesamtwert US$ 5 Mrd. überstieg, betrug die Wahrscheinlichkeit einer über dem Branchendurchschnitt liegenden Rentabilität der neuen Einheit nur noch 54 %. Wichtig für eine positive Entwicklung der Fusion war auch die jeweilige Größe der fusionierenden Unternehmen: War bei der Übernahme eines kleinen oder mittleren Unternehmens, das bis zu 30 % der Größe des übernehmenden Unternehmens ausmachte, noch jede zweite Fusion ein Erfolg, scheiterten dagegen drei Viertel aller Zusammenschlüsse, die die Übernahme eines größeren Unternehmens zum Gegenstand hatten.832 Die Ursachen für ein Scheitern von Zusammenschlüssen sind komplex und vielfältig. Zu bedenken ist jedenfalls, dass das Potential für Effizienzvorteile nicht unendlich ist und bei zunehmender Größe die Gefahr von X-Ineffizienzen entsprechend ansteigt.833 Allein die Maßnahmen, die zur Umstrukturierung von zwei 147, 150 ff.; Bekier / Bogardus / Oldham, The McKinsey Quarterly (2001) Nr. 4 m. w. N.; Röller / Stennek / Verboven, Efficiency Gains from Mergers, S. 35 – 55. Übersichten bei Schulz, Wettbewerbspolitik, S. 118 ff. sowie I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 105 ff. Bemerkenswert auch Beise, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 134 vom 14. 6. 2005, S. 19: „70 bis 80 Prozent aller Fusionen und Übernahmen bringen nichts ein oder scheitern gar, gemessen am tatsächlich geschaffenen Firmenmehrwert; erst recht gilt das für grenzüberschreitende Zusammenschlüsse“. 830 Gugler / Mueller / Yurtoglu / Zulehner, International Journal of Industrial Organization, 21 (2003), S. 625 ff., 643 ff. 831 Gugler / Mueller / Yurtoglu / Zulehner, International Journal of Industrial Organization, 21 (2003), S. 625, 650. Der durchschnittliche Transaktionswert einer „kleinen“ Fusion betrug US$ 103 Mio., derjenige einer „großen“ Fusion US$ 667 Mio., a. a. O., S. 646 unter Fn. 19. 832 Kleinert / Klodt, Megafusionen – Trends, Ursachen und Implikationen, S. 66 ff.; dies., in: Oberender, Megafusionen, S. 9, 17 f.; zudem Oldag, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 142 vom 23. 6. 2005, S. 26 unter dem Titel „Das Ende der Giganten“, zur sich abzeichnenden Aufspaltung der Megafusion AOL / Time Warner. 833 I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 332. Dazu auch bereits erster Abschnitt, I. 1. c) bb).
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Einheiten erforderlich sind, können beträchtliche Kosten verursachen. Höhere Verwaltungs- und Organisationskosten sowie steigende Transportaufwendungen durch ein vergrößertes Absatzgebiet können Kostenersparnisse durch Größen- oder Verbundvorteile überkompensieren; eine insgesamt höhere Produktionsmenge steigert zudem das Risiko von Produktionsausfällen.834 Mit der wachsenden Bedeutung der Mitarbeiter als wichtigstes Kapital vieler Unternehmen kommt deren Leistungsfähigkeit und -bereitschaft eine besonders hervorgehobene Rolle zu. Unklare Unternehmensstrategien oder unübersichtliche Eigentümerverhältnisse können insoweit zu negativen Einflüssen unkalkulierbaren Ausmaßes werden; vollzieht sich eine Unternehmensintegration nur schleppend, so fällt die Verunsicherung der Mitarbeiter allein schon in zeitlicher Hinsicht besonders ins Gewicht.835 Wird das tatsächlich bestehende Effizienzpotential durch Fusionen oftmals überschätzt, so beruht dies – gerade bei grenzüberschreitenden Zusammenschlüssen – offensichtlich auch auf erheblichen Unterschieden in der Unternehmenskultur und dem Führungsstil der bisher getrennten Einheiten. Zu den Ursachen unprofitabler Zusammenschlüsse kommt eine Problematik hinzu, die unter dem Stichwort Prinzipal-Agenten-Relation zusammengefasst wird: Darunter ist der statistisch schwer nachzuweisende Interessenkonflikt zwischen den Kapitaleignern und dem eingesetzten Management zu verstehen, der sich regelmäßig in dem Bestreben letzterer niederschlägt, ihr persönliches Ansehen sowie ihre Macht und Karrierechancen durch eindrucksvolle Unternehmensimperien zu vergrößern, jedenfalls aber ihr eigenes Gehalt auch dadurch zu vervielfachen, dass sie – und sei es unbewusst – Entscheidungen treffen, welche den Interessen der Anteilseigner letztlich zuwiderlaufen.836 Hierin könnte jedenfalls eine denkbare Erklärung für das besonders häufige Scheitern von Großfusionen gesehen werden, denn neben einer zunehmend unübersichtlichen und bürokratiefördernden Unternehmensstruktur tritt in diesen Fällen der Interessenwiderstreit zwischen den weit gestreuten Kapitaleignern und dem mit dem Tagesgeschäft befassten Management schon aufgrund bestehender Informationsasymmetrien besonders eklatant zu Tage. In gleichem Zusammenhang ist zu bedenken, dass durch strategische Fusionen die Marktkapitalisierung einer neuen Einheit derart gesteigert werden kann, dass eine eigene, möglicherweise auch die Managerposten gefährdende Übernahme kaum noch möglich erscheint. Ohnehin darf im Hinblick auf die bisher in zeitlichen Schüben vollzogenen Fusionswellen nicht unterschätzt werden, dass die den Zusammenschlüssen zugrunde liegenden Entscheidungen von erheblichen Irrationalitäten geprägt sind; phasenweise wurde Fusionieren zu einer Schmidt / Fritz, in: Festschrift für Kantzenbach, S. 119, 128, 130. Klodt, in: Oberender, Megafusionen, S. 103, 106 m. w. N. 836 Kleinert / Klodt, in: Oberender, Megafusionen, S. 9, 16, die sich immerhin auf eine „reichhaltige anekdotische Evidenz“ berufen. Vgl. auch Budzinski / Kerber, Megafusionen, S. 50 f. mit dem Verweis auf die Daimler / Chrysler-Fusion, bei der vielfach unterstellt wurde, dass die deutschen Manager vor allem auch an der Übernahme des amerikanischen Entgeltsystems interessiert waren. 834 835
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Art Modeerscheinung und ein unreflektiertes „Herdenverhalten“ somit begünstigt.837 Je mehr derartige Fusionsmotive in den Vordergrund rücken, desto zufälliger werden aber auch effizienzsteigernde Kosteneinsparungen; der vorhandene Spielraum für Effizienzvorteile wird weniger sorgfältig analysiert und in der Tendenz leichthin überschätzt. c) Das Effizienzpotential von Vereinbarungen gem. Art. 81 EG Wenn die strengere rechtliche Beurteilung von Vereinbarungen im Sinne des Art. 81 EG gegenüber Fusionen auch damit begründet wird, dass sie eine Wettbewerbsbeschränkung unmittelbar verwirklichen, so gilt dies unbestritten dann, wenn es sich um nackte Preis-, Quoten- oder Mengenabsprachen handelt, wenn also eine Wettbewerbsbeschränkung von vornherein „bezweckt“ wird. Von derartigen „Hardcore“-Kartellen zu unterscheiden sind solche Vereinbarungen nach Art. 81 EG, die eine Wettbewerbsbeschränkung zwar bewirken, bei denen letztlich aber Gesichtspunkte der Arbeitsteilung oder Spezialisierung im Vordergrund stehen. Im letzteren Fall werden Kartelle gerade zum Erreichen von Rationalisierungs- oder Technologievorteilen gebildet und Ressourcen gebündelt bzw. Wissen ausgetauscht, um Kosten zu sparen und Risiken zu minimieren, die sich durch immer schneller verändernde Marktbedingungen ergeben. Eine solch strategische Zusammenarbeit bietet den Vorteil einer raschen und flexiblen Anpassung an den technischen Fortschritt und kann insbesondere auf Märkten, die durch risikoreiche und kostenintensive Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten gekennzeichnet sind, dazu beitragen, auch kleinere und mittelgroße Unternehmen im Wettbewerb zu halten.838 Die Beschränkung von Absprachen auf einzelne, ausgesuchte Aktionsparameter kann es den Unternehmen erleichtern, die angestrebten, effizienzfördernden Wirkungen gezielter und effektiver mittels einer Kooperation zu erreichen als im Falle einer vollständigen Integration. d) Funktionierender Markt für Unternehmenskontrolle? Auch die Privilegierung von Zusammenschlüssen mit Verweis auf die Offenhaltung eines funktionierenden Marktes für Unternehmensbeteiligungen begegnet Bedenken. Der Gedanke, dass Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen gleich beliebigen Produkten Bestandteil eines kompetitiven Marktprozesses sind und bereits aus disziplinarischen Gründen gegenüber weniger effizienten Unternehmen frei handelbar sein sollen – unternehmensgebundene Ressourcen gehen demnach in die Verfügung desjenigen über, der mit ihnen die höchste Rendite erwirtschaftet –, mag zwar für sich genommen für eine hohe Eingriffsschwelle der Fusions837 Siedenberg, in: Oberender, Megafusionen, S. 21, 23 ff., 33 ff.; Budzinski / Kerber, Megafusionen, S. 50 ff. 838 Schmidt / Fritz, in: Festschrift für Kantzenbach, S. 119, 125 f.
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kontrolle sprechen; nicht zwingend ergibt sich daraus jedoch eine relative Besserbehandlung von Fusionen gegenüber Vereinbarungen. Bei konsequenter Umsetzung müsste eine solcherart geforderte Marktoffenhaltung schließlich zum Verzicht auf jegliche Form von Zusammenschlusskontrolle führen. Ungeachtet dessen sprechen aber auch hohe Transaktions- und Beratungskosten von Übernahmeversuchen gegen die allokative Leistungsfähigkeit eines Marktes für Unternehmenskontrolle. So kann etwa der Übernahmepreis für ein übernahmereifes Unternehmen erheblich gesteigert werden, wenn sich dessen Management dem Zusammenschluss beharrlich widersetzt.839 Auch bilden Bewertungsdifferenzen bezüglich unternehmensgebundener Ressourcen zwar den Antrieb vieler Fusionen, die tatsächlich bestehenden Informationsunterschiede zwischen Erwerbern und Veräußerern stellen jedoch ein beträchtliches und einzukalkulierendes Risiko für die Erreichung höherer Renditeerwartungen dar.840 Unter diesen Umständen erscheint die Übernahme ineffizienter Unternehmen wirtschaftlich nicht immer lohnend und die Disziplinierungswirkung des Marktes für Unternehmenskontrolle insoweit geschwächt.841 Eine Privilegierung von konzentrativen gegenüber kooperativen Sachverhalten lässt sich jedenfalls mit dem Verweis auf einen derartigen Markt nicht überzeugend begründen. e) Falsche Anreizwirkung Werden Zusammenschlüsse rechtlich milder beurteilt als Kooperationen, kann dies Unternehmen dazu verleiten, sich fester und nachhaltiger zu binden, als eigentlich beabsichtigt. Soweit eine Substitutionsbeziehung zwischen Konzentrationen und Kooperationen festgestellt werden kann, geht vom Konzentrationsprivileg daher eine verfehlte Anreizwirkung aus und die Unternehmen, die ja eine wettbewerbsrechtliche Unbedenklichkeit ihrer Vorhaben erstreben, bezahlen unter Umständen einen hohen Preis, wenn ein notwendig langfristiger Zusammenschluss ihrer Eigenplanung und ihren wirtschaftlichen Interessen zuwiderläuft.842 Tatsächlich kann dargelegt werden, dass die Anzahl von Fusionen in den USA dann zunahm, als diese rechtlich milder bewertet wurden und leichter zu verteidigen waren als Kartelle.843 Hinsichtlich vertikaler Absprachen können Preisbindungen das Substitut für vertikale Integration jedenfalls dann darstellen, wenn sie geeignet Kaufer, Konzentration und Fusionskontrolle, S. 67 f. Kaufer, Industrieökonomik, S. 517; ders., Konzentration und Fusionskontrolle, S. 68. 841 Kleinert / Klodt, Megafusionen – Trends, Ursachen und Implikationen, S. 68, 98, führen insbesondere die schlechte Rentabilität der übernehmenden Unternehmen im Vergleich zum Branchendurchschnitt als Argument gegen die These eines effizienten Marktes für Unternehmenskontrolle an. Skeptisch auch Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rdnrn. 723 ff. 842 Neven / Papandropoulos / Seabright, Trawling for Minnows, S. 19; Benisch, in: Festschrift für Rittner, S. 17, 18. 843 Neumann, Wettbewerbspolitik, S. 136 f. mit weiteren Beispielen. 839 840
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sind, zur Vermeidung doppelter Gewinnspannenmaximierung beizutragen. Die Unternehmen müssten dann die Nachteile einer Integration – u. a. die Aneignung von Wissen über Märkte, in denen sie keinerlei Kompetenz haben – nicht mehr in Kauf nehmen, um durch Festlegung des integrierten Monopolpreises einen höheren Gewinn zu realisieren.844 f) Doppelkontrolle könnte entfallen Aus praktischer Hinsicht soll schließlich nicht unerwähnt bleiben, dass die Aufgabe des bisherigen Konzentrationsprivilegs und die Angleichung des materiellrechtlichen Prüfungsstandards von Konzentration und Kooperation auch zur Aufgabe der bisherigen Doppelkontrolle insbesondere im Falle von Gemeinschaftsunternehmen führen könnte. Die schwierige und nicht immer konsequente Grenzziehung zwischen den Formen der Verbindung wäre bei einer einheitlichen rechtlichen Bewertung nicht mehr erforderlich. Die Folge wäre nicht nur eine gestärkte Rechtssicherheit durch einen für die Unternehmen besser überschaubaren Tatbestand, sondern auch ein verringerter Zeitaufwand bei der behördlichen Prüfung von Wettbewerbsbeschränkungen.845 g) Fazit Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Fusionen, soweit mit ihnen die Stärkung von Marktmacht verbunden ist, genauso wettbewerbsschädlich sein können wie Kartelle, ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb sogar regelmäßig nachhaltiger sind als bei letzteren. Im Gegenzug können Formen der Kooperation, wenn sie zur Arbeitsteilung oder zur Erreichung von Rationalisierungsvorteilen abgeschlossen werden, in vergleichbarer Weise effizienzfördernd sein wie Fusionen. Die in der Privilegierung von Zusammenschlüssen zum Ausdruck gebrachte, pauschale Vermutung eines größeren Effizienzpotentials bei konzentrativen Sachverhalten wird angesichts der in den bisherigen empirischen Untersuchungen gefundenen Ergebnisse in Frage gestellt. Kommen demnach der wohl überwiegenden Anzahl von genehmigten Fusionen nicht die erhofften Wirkungen zu, entfällt aber zugleich ein wesentliches Argument für ihre im Vergleich zu Vereinbarungen rechtlich mildere Behandlung. Nimmt man hinzu, dass letztere betreffend ihrer nachteiligen Wirkungen eine sehr viel stabilere und dauerhaftere Beschränkung des Wettbewerbs zur Folge haben als die ständig von der Auflösung bedrohten Kooperationen, so kann jedenfalls eine vom Einzelfall gelöste, pauschale Besserbewertung von Fusionen nicht überzeugen. Anstatt an die Organisationsform der Wettbewerbsbeschränkung anzuknüpfen, sollte vielmehr die Wirkung auf den Wettbewerb das ausschlagKnieps, Wettbewerbsökonomie, S. 163. Schmidt / Fritz, in: Festschrift für Kantzenbach, S. 119, 120; im Ergebnis auch Bartling, in: Festschrift für I. Schmidt, S. 17, 30. 844 845
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gebende Kriterium für deren rechtliche Zulässigkeit sein.846 Eine Aussage darüber, auf welche Art und Weise das Verhältnis von Marktmacht und Effizienz bestenfalls ermittelt werden soll – sei es im Wege eines „general presumptions approach“ oder einer Einzelfallberücksichtigung 847 –, lässt sich mit diesem Befund freilich nicht verbinden. Festzuhalten ist aber, dass aus den genannten Gründen die bisherige Privilegierung von Konzentrationen gegenüber Kooperationen als wettbewerbspolitisch überholt anzusehen ist.
II. Modernisierung des europäischen Kartellrechts Die sich seit geraumer Zeit vollziehende Modernisierung des europäischen Kartellrechts – zunächst in Bezug auf Art. 81 EG, sodann betreffend die Fusionskontrollverordnung – hat in vielerlei Hinsicht zu einer Annäherung von Konzentrations- und Kooperationskontrollrecht geführt. Es stellt sich daher die Frage, ob der lange Zeit praktizierten, pauschalen Privilegierung von konzentrativen gegenüber kooperativen Sachverhalten auch weiterhin dieselbe Geltung zukommt. Die jüngeren Reformen könnten vielmehr auch dazu genutzt worden sein, einen jahrzehntelangen „Wildwuchs“ zweier eng beieinander liegender Regelungsregime zumindest in Teilen zu korrigieren und zu harmonisieren.848 Der Einführung einer verstärkten Einzelfallanalyse von Effizienzvorteilen im Recht der Zusammenschlusskontrolle kommt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle zu, da Art. 81 EG in Gestalt seines Abs. 3, zu dem die Effizienzanalyse der FKVO ja bereits auf einen flüchtigen Blick erkennbare Parallelen aufweist, schon seit jeher über eine am Einzelfall orientierte Berücksichtigungsmöglichkeit vorteilhafter Wirkungen verfügt. Mit der Einführung der Effizienzanalyse in der FKVO lassen sich nunmehr Aussagen über das Verhältnis von Pauschal- und Einzelfallanalyse bezüglich derartiger Wirkungen im Fusionskontrollrecht verbinden und Rückschlüsse über den rechtlichen Rahmen bis hin zu einer absoluten Obergrenze ziehen, innerhalb dessen die Einbeziehung von Effizienzvorteilen im Recht der Fusionskontrolle möglich ist. Ein näherer Vergleich zu Art. 81 Abs. 3 EG drängt sich allein auch daher auf, da jene Norm und ihre seit Jahren praktizierte Anwendung Hinweise für die weitgehend neuartige Effizienzanalyse der Zusammenschlusskontrolle zu geben vermögen.
846 Zimmer, ZWeR 2004, 250, 265; Schmidtchen, WuW 2006, 6, 17; Schmidt / Fritz, in: Festschrift für Kantzenbach, S. 119, 131. 847 Zu den möglichen Umsetzungsmodellen bereits erster Abschnitt, I. 4. 848 Vgl. de la Mano, Efficiencies in European Merger Control, S. 28: „It can be argued (and probably regretted) that the Commission’s administrative practice (and the Courts’ case law) has gradually moved these two provisions [Anm.: gemeint sind die Fortschrittsklausel der FKVO und Art. 81 Abs. 3 EG] apart from each other.“
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1. Verstärkte Ökonomisierung im Konzentrationsund Kooperationskontrollrecht a) Allgemeine Parallelen Von den Bemühungen des europäischen Gesetzgebers um eine verstärkte Einbeziehung neuerer ökonomischer Konzepte sind Konzentrations- und Kooperationskontrollrecht gleichermaßen betroffen. Dabei ist Zielsetzung des „more economic approach“ nicht nur, die von den europäischen Gerichten geäußerten Bedenken hinsichtlich der Begründung einiger Untersagungsentscheidungen der Kommission im Bereich der Fusionskontrolle auszuräumen, sondern ganz allgemein weniger auf die Organisationsform einer wettbewerbsrelevanten Maßnahme abzustellen als vielmehr auf deren Auswirkungen. Zugleich soll die Modernisierung des europäischen Kartellrechts dazu beitragen, die angesichts einer immer größer werdenden Gemeinschaft vergleichsweise knappen personnellen Ressourcen der Kommission auf diejenigen Fälle zu konzentrieren, die den Wettbewerb auch tatsächlich zum Nachteil der Verbraucher zu beeinträchtigen geeignet sind. Im Hinblick auf die Vorschrift des Art. 81 EG hat dies einerseits zur Interpretation des Art. 81 Abs. 3 EG als Legalausnahme geführt, wodurch jedenfalls das viel zitierte „Massenproblem“ des alten Anmeldeverfahrens endgültig beseitigt wurde; auf der anderen Seite hat sich eine immer weitergehende Differenzierung zwischen ohne weiteres verbotenen Kartellen und solchen Kooperationen vollzogen, die nach Auffassung der Kommission zu Effizienzsteigerungen zum Wohle der Verbraucher beitragen und mithin abstrakt-generell im Wege von GVO zusammengefasst werden können, da sie regelmäßig die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands gem. Art. 81 Abs. 3 EG erfüllen. Rechtstechnisch umgesetzt findet sich diese Entwicklung in den GVO und den sie begleitenden, wenngleich für die nationalen Anwender rechtlich nicht bindenden Leitlinien, die für eine Vielzahl von Vereinbarungen bestimmte Marktanteilsschwellen der Parteien vorsehen, bis zu deren gemeinsamer Erreichung die Kooperation pauschal für überwiegend wettbewerbsförderlich eingeordnet wird. Die Einführung dieser Marktanteilsschwellen bedeutet nicht nur die Ausdehnung des „general presumption approach“ im Bereich des Kooperationskontrollrechts – eine Einzelfallanalyse mit Abwägung der wettbewerblichen Vor- und Nachteile der Vereinbarung findet erst ab Überschreiten dieser Schwellen statt –, sondern sie führt de facto zugleich auch zu einem weitgehenden Leerlauf der ungeschriebenen „Spürbarkeits“-Schwelle aus Art. 81 Abs. 1 EG. Zwar ist eine Vereinbarung gem. Art. 81 Abs. 1 EG auch weiterhin verboten, wenn sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen geeignet ist. Der großzügige Anwendungsrahmen der GVO bringt es aber mit sich, dass die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG innerhalb ihrer Geltung pauschal als erfüllt erachtet sind und die Einheit des Art. 81 EG daher im Ergebnis zu keinem Verbot der Absprache führt. Für die Vielzahl der von den GVO erfassten Vereinbarungen ist die Untersagungsschwelle mithin derjenigen von Fusionen
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zumindest angenähert und das skizzierte Konzentrationsprivileg insoweit abgeschwächt.849 Neben der Einführung von Marktanteilsschwellen als „sichere Häfen“ für die Unternehmen fällt auf, dass die Ökonomisierung des europäischen Wettbewerbsrechts den Blick verstärkt auf die Außenwirkung einer Maßnahme gelenkt hat. Sowohl die Horizontalleitlinien zur FKVO als auch diejenigen über horizontale Zusammenarbeit im Rahmen des Art. 81 EG sehen vor, dass innerhalb des für eine Einzelfallanalyse gegebenen Spielraums die Konzentration des betreffenden Marktes anhand des Herfindahl-Hirschman-Index ermittelt und damit die Größe und Anzahl der Mitbewerber in die Bewertung als wettbewerbsschädigend oder wettbewerbsfördernd miteinbezogen wird. Eine solche Analyse der Marktkonzentration kann neben weiteren Faktoren – etwa bestehenden Marktzutrittsschranken – zu Erkenntnissen über die Wahrscheinlichkeit beitragen, dass sich durch eine Absprache oder Fusion und den damit verbundenen Wegfall eines bestimmten Wettbewerbsdrucks das strategische Verhalten der Marktteilnehmer auch ohne weitere Koordination zum Nachteil der Verbraucher verändert.850
b) Die ökonomische Grundlage der Effizienzberücksichtigung Neben derartigen Parallelen ist auch das Fundament für die Einbeziehung von Effizienzvorteilen sowohl in der Fusionskontrolle als auch im Rahmen des Art. 81 EG dasselbe, nämlich das andernorts dargelegte Tradeoff Modell des Ökonomen Williamson. Zwar mögen hinsichtlich der Ausgestaltung der einzelfallorientierten Effizienzanalyse konzeptionelle Unterschiede bestehen – im Fusionskontrollrecht eine einstufige, wettbewerbliche Gesamtabwägung, im Anwendungsbereich von Art. 81 EG eine ausdrücklich zweistufige Effizienzverteidigung –, doch bedeutet dies nach ökonomischen Sichtweise keinen Unterschied im Ergebnis, sondern allenfalls in der Transparenz der Gewichtung von wettbewerbsschädigenden und wettbewerbsfördernden Aspekten. Auch in einer weiteren Hinsicht ist eine partielle Annäherung von Konzentrations- und Kooperationskontrollrecht zu beobachten. So ist der Einfluss industrie-, sozial- und regionalpolitischer Gesichtspunkte im Recht der Fusionskontrolle auch nach Einführung der VO Nr. 139 / 2004 – zumindest theoretisch – unverändert gering. Durch die Interpretation des Art. 81 Abs. 3 EG als Legalausnahme hat sich indes eine Wandlung der in der Bewertung zu berücksichtigenden Vorteile im Kooperationskontrollrecht vollzogen. Jedenfalls die nationalen Anwender des Art. 81 Abs. 3 EG haben keine Kompetenz und Legitimation, auch außerwettbewerbliche, politische Gesichtspunkte in ihre Entscheidungen einzubeziehen. Sie sind vielmehr gehalten, zur Begründung einer Freistellung allein solche Aspekte zu berücksich849 850
Dazu sogleich unter 2. Dazu bereits näher unter erster Abschnitt, I. a) aa).
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tigen, die sich unter Zugrundelegung eines Verbraucherwohlfahrtsstandards als ökonomisch vorteilhaft erweisen. Ist damit auch Art. 81 Abs. 3 EG weitgehend auf die Einbeziehung wirtschaftlicher Effizienzvorteile beschränkt, tritt die Frage nach einem ein- bzw. zweistufigen Aufbau der Effizienzberücksichtigung, wie ausgeführt, in den Hintergrund. In beiden Fällen müssen die wirtschaftlichen Vorteile gewichtet und in ein Verhältnis zu den nachteiligen Auswirkungen der Abrede oder Fusion gebracht werden; dass in einer Art Zwischenergebnis der Prüfung zunächst das Ausmaß der Wettbewerbsbeeinträchtigung ausdrücklich benannt wird – so gem. Art. 81 Abs. 1 EG – mag zwar die Transparenz der Abwägung fördern, lässt sich aber im Falle einer einheitlichen Gesamtprüfung in ähnlicher Weise mittels einer ausführlichen Entscheidungsbegründung erreichen.
2. Vergleich des rechtlichen Rahmens der einzelfallorientierten Effizienzanalyse Aus ökonomischer Perspektive liegt die Annäherung von Konzentrations- und Kooperationskontrollrecht darin, dass nunmehr sowohl bei der Prüfung von Vereinbarungen als auch bei derjenigen von Zusammenschlüssen Raum für eine einzelfallorientierte Untersuchung von Effizienzvorteilen besteht. Die Modelle für die Einbeziehung dieser Vorteile unterscheiden sich jedoch nicht allein darin, dass sie ein- bzw. zweistufig sind, sie weisen auf den ersten Blick auch Differenzen hinsichtlich der Begrenzungen, mithin des rechtlichen Rahmens auf, innerhalb derer eine Effizienzanalyse im Einzelfall schon möglich, bzw. noch zulässig ist. Eines der Argumente, mit denen die Monopolkommission 1989 die Ablehnung einer wörtlichen Übertragung des damaligen Art. 85 Abs. 3 EWG in die FKVO begründete, bezog sich gerade auf diese Unterschiede im Rechtsrahmen: Demnach reichte der Spielraum für eine Freistellung im Rahmen des Art. 85 Abs. 3 EWG von der „Spürbarkeit“ der Wettbewerbsbeschränkung bis hin zur Marktbeherrschung, wohingegen im Rahmen der damaligen VO Nr. 4064 / 89 die in Art. 85 Abs. 3 EWG formulierten Ausnahmekriterien schon deswegen nicht greifen konnten, weil ein Zusammenschluss überhaupt erst ab dem Begründen oder Verstärken einer marktbeherrschenden Stellung zu untersagen war.851 Die Modernisierung des europäischen Wettbewerbsrechts könnte die Überzeugungskraft dieser Einschätzung geschwächt haben. a) Die Obergrenze einer einzelfallbezogenen Effizienzberücksichtigung Negative Begrenzung im Sinne einer absoluten Schranke für die Effizienzberücksichtigung im Rahmen des Art. 81 Abs. 3 EG ist gem. dessen lit. b) das Gebot, nach dem es den Unternehmen mittels der Vereinbarung nicht ermöglicht werden 851
Siehe erster Abschnitt, II. 1. c).
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darf, „für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten“. Dem steht das materielle Untersagungskriterium der FKVO gegenüber, welches eine Unternehmenskonzentration untersagt, wenn durch sie „wirksamer Wettbewerb [ . . . ] erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung. . .“. Die hier zum Ausdruck kommende, graduelle Unterscheidung in der Intensität der zu untersagenden Wettbewerbsbeschränkung lässt erkennen, dass ungeachtet der unterschiedlichen Nuancen zwischen einer stärker strukturorientierten oder ergebnisorientierten Ausrichtung der europäischen Wettbewerbspolitik, das europäische Wettbewerbsrecht weiterhin Fragen nach Ausmaß und Grad einer Beschränkung behandelt.852 Wenn vor diesem Hintergrund ein unbefangener Blick auf die jeweiligen Formulierungen der absoluten Genehmigungsgrenzen fällt – kein Ausschalten des Restwettbewerbs hier, keine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs dort – und das allgemeine Sprachverständnis einen nach oben hin weiteren Spielraum für Effizienzvorteile im Rahmen von Art. 81 EG nahe legt – das Ausschalten als Steigerung einer erheblichen Behinderung –, so ist diesbezüglich relativierend auf die unterschiedlichen Umsetzungsmodelle der Effizienzberücksichtigung zu verweisen. Da schließlich eine „erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs“ nur nicht das Gesamtergebnis einer Abwägung der nachteiligen mit den vorteilhaften Wettbewerbswirkungen, mithin einer einstufigen Gesamtabwägung sein darf, um die Genehmigung einer Fusion zu ermöglichen, ist die Einbeziehung von Effizienzvorteilen im Fusionskontrollrecht auch für solche Zusammenschlüsse möglich, die den Wettbewerb bei isolierter Betrachtung der nachteiligen Wirkung sogar stärker als erheblich behindern. Beide Regelungsregime, die die Einbeziehung von Effizienzvorteilen betreffen, haben demnach eine wettbewerbsbezogene Begrenzung, oberhalb derer es nicht mehr möglich ist, im Wege einer auf den Einzelfall gerichteten Effizienzanalyse darzulegen, dass die vorteilhaften Wirkungen der Fusion oder der Vereinbarung deren nachteilige Auswirkungen überwiegen. Angesichts der unterschiedlichen Umsetzungsmodelle ist jedoch ein vom Wortlaut ausgehender Vergleich über die Höhe der jeweiligen Obergrenze kaum ergiebig. Umso aufschlussreicher dürfte daher eine weitere Parallele sein: Während nach der Rechtsprechung des Gerichts Erster Instanz – und im Anschluss daran die Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG853 – die Erfüllung der Freistellungsvoraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG auch dann noch möglich ist, wenn an der Absprache ein Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung beteiligt ist und das Kriterium des „Ausschalten des Restwettbewerbs“ folglich nicht mit dem Erreichen einer derartigen Stellung gleichzusetzen ist, sieht auch die Neuordnung des Art. 2 Abs. 3 FKVO vor, dass eine Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung noch nicht zwingend stets zu einer Zusammenschlussuntersagung führt. Ergänzend legen die Leit852 853
Vgl. Nachweis in Fn. 27. Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, (Fn. 574), Rdnr. 106.
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linien über horizontale Zusammenschlüsse in ihrem Abschnitt über Effizienzen dar, dass es zwar „höchst unwahrscheinlich“ sei, dass ein Zusammenschluss, der zu einer monopolartigen Marktstellung führt, durch ausreichende Effizienzvorteile genehmigungsfähig werde – völlig ausgeschlossen scheint es im Umkehrschluss hingegen nicht.854 Hinsichtlich der Obergrenze für eine Effizienzanalyse lässt sich somit festhalten, dass in beiden Effizienzregelungen das Begründen oder Verstärken einer marktbeherrschenden Stellung für sich genommen noch nicht zur Untersagung der Fusion bzw. Vereinbarung ausreicht. Trotz des unterschiedlichen Wortlauts sind die negativen Begrenzungen einer Effizienzanalyse offensichtlich in ähnlicher Weise zu interpretieren. Und wenn schließlich die Weitergabe fusionsspezifischer Effizienzvorteile an die Verbraucher aus Unternehmenssicht auch in Situationen mit geringem Wettbewerbsdruck sinnvoll sein kann, wenn sich nämlich Unternehmen auf einem oligopolistischen Markt einen Vorteil davon versprechen, von einer bisher stabilen Marktsituationen abzuweichen,855 so ist eine entsprechende Fallkonstellation genauso im Rahmen von Kooperationen denkbar. b) Die Untergrenze einer einzelfallbezogenen Effizienzberücksichtigung Reicht jedenfalls das Begründen oder Verstärken einer marktbeherrschenden Stellung in beiden Effizienzregelungen nicht zwingend zum Verbot der Absprache oder Fusion, lässt sich damit der von der Monopolkommission 1989 geäußerte Vorwurf der zirkulären Argumentation in Bezug auf die Obergrenze einer fallorientierten Effizienzberücksichtigung nicht mehr aufrecht erhalten. Für die untere Intensitätsschwelle, ab welcher die Möglichkeit einer derartigen Effizienzberücksichtigung besteht, fallen darüber hinaus weitere Parallelen ins Auge. So gilt im Anwendungsbereich des Art. 81 EG zwar nach wie vor die ungeschriebene Grenze der „Spürbarkeit“ einer Wettbewerbsbeschränkung. Bereits dargelegt wurde aber, dass diese Eingriffsschwelle durch die stärker ökonomisch fundierten GVO zumindest innerhalb deren Reichweite beträchtlich angehoben wurde: Diejenigen Kooperationen, die anders als die reinen Preis- und Mengenkartelle – für diese gilt weiterhin die Schwelle der Spürbarkeit – typischerweise Vorteile für die Verbraucher bringen und damit regelmäßig über ein wirtschaftliches Effizienzpotential verfügen, sind bis zu bestimmten Marktanteilsschwellen ohne nähere Einzelfallanalyse erlaubt. Für horizontale Absprachen reicht diese Grenze je nach Inhalt von 20 % (Spezialisierung) über 25 % (Forschung und Entwicklung) bis hin zu 30 % (Technologietransfer) gemeinsamen Marktanteilen der beteiligten Unternehmen, für vertikale Vereinbarungen statuiert die Schirm-GVO eine Marktanteilsgrenze von 30 %, bis zum Erreichen derer alle Effizienzvorteile pauschal als die Nachteile überwiegend abgegolten werden.856 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 84. Bechtold / Bosch / Brinker / Hirsbrunner, EG-Kartellrecht, Art. 2 FKVO Rdnr. 24 sowie bereits Fn. 394. 854 855
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In Art. 2 FKVO findet sich dagegen auch weiterhin kein ausdrücklich geregelter, an quantitativen Kriterien gekoppelter „sicherer Hafen“, innerhalb dessen die Unternehmen mit der wettbewerbsrechtlichen Unbedenklichkeit ihres Vorhabens rechnen können; unbedenklich ist ein Zusammenschluss allein dann, wenn er wirksamen Wettbewerb nicht erheblich behindert. In Erwägungsgrund Nr. 32 der FKVO heißt es jedoch vorab, dass bei Zusammenschlüssen von Unternehmen mit „begrenzten Marktanteilen“ davon auszugehen ist, dass eine solche Behinderung nicht besteht; insbesondere gilt dies für gemeinsame Marktanteile der Fusionsparteien bis zu einer Höhe von 25 %.857 Ergänzend legen auch die Horizontalleitlinien Indikatoren dar, welche dazu bestimmt sind, das Eingreifen der Kommission für die Unternehmen bestmöglich vorhersehbar zu machen.858 Neben Marktanteilsschwellen – unterhalb von 25 % wird die Unbedenklichkeit vermutet, oberhalb von 50 % auf das Vorliegen einer beherrschenden Stellung geschlossen – verwenden die Leitlinien den Herfindahl-Hirschman-Index zur Ermittlung der jeweiligen Marktkonzentration. Die Summe der quadrierten Marktanteile aller auf dem Markt vorhandenen Unternehmen – die Quadrierung bewirkt, dass größeren Unternehmen ein verhältnismäßig größeres Gewicht eingeräumt wird – vermittelt einen ersten Eindruck über den jeweils vorhandenen Wettbewerbsdruck. Liegt der HHI auch nach der Fusion unterhalb von 1000 Punkten, stellen sich gem. den Leitlinien „in der Regel“ keine Wettbewerbsbedenken und eine genauere Untersuchung des Vorhabens ist „in der Regel“ nicht erforderlich.859 Liegt der HHI nach dem Zusammenschluss oberhalb von 2000 Punkten und führte jener selbst zu einer Indexveränderung von über 150 Punkten, so ist hingegen wahrscheinlich, dass die Kommission das Hauptverfahren eröffnet und eine detaillierte Untersuchung der Marktgegebenheiten vornimmt. Hinsichtlich von vertikalen und konglomeraten Zusammenschlüssen erachtet die Kommission ausweislich ihrer Vertikalleitlinien von 2007 regelmäßig solche Fusionen für unbedenklich, bei denen die Marktanteile auf den jeweils betroffenen Märkten unterhalb von 30 % verbleiben, bzw. bei denen der HHI nach der Fusion unterhalb von 2000 Punkten liegt. Interessanterweise verweist die Kommission in den Vertikalleitlinien sogar ausdrücklich auf die Parallelregelung in der Schirm-GVO zu Art. 81 Abs. 3 EG.860 Legt man gerade die Zielsetzung der Leitlinien zugrunde, den Unternehmen zur Stärkung der Rechts856 Ergänzend dazu die freilich unverbindlichen Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 81 EG-Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, vgl. Fn. 491 (15 % – 25 %). 857 In der bisherigen Kommissionspraxis zur beherrschenden Stellung hat diese Schwelle – sie fand sich in der alten Verordnung in Erwägungsgrund Nr. 15 – indes kaum eine Rolle gespielt und ihre zukünftige praktische Relevanz hängt davon ab, in welchem Ausmaß die Kommission Zusammenschlussverbote allein an der „erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs“ anknüpft. 858 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnrn. 14 – 21. Dazu Verouden / Bengtsson / Albæk, 49 Antitrust Bulletin (2004 / 1), 243, 274. 859 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 19. 860 Vertikalleitlinien (Fn. 451), Rdnr. 25 einschließlich der dortigen Fn. 19.
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sicherheit verlässliche Anhaltspunkte an die Hand zu geben, so kommt den genannten Schwellenwerten de facto die Bedeutung von „sicheren Häfen“ zu; lediglich in begründeten Ausnahmefällen behält sich die Kommission vor, von den in den Leitlinien gesetzten Grenzen abzuweichen.861 Es fällt also auf, dass sich auch bei der schwierigen Festsetzung eines Schwellenwerts, bis zu dessen Erreichen pauschal vermutet wird, dass die Effizienzgewinne die Nachteile der jeweiligen Maßnahme überwiegen, eine Annäherung von Konzentrations- und Kooperationskontrollrecht vollzogen hat. Für den Großteil der Kooperationen gelten über die verschiedenen GVO oder die Leitlinien über horizontale Zusammenarbeit Marktanteilsschwellen von gemeinsamen 20 – 30 %, für Zusammenschlüsse dagegen ausweislich des Erwägungsgrundes Nr. 32 der FKVO diejenige von gemeinsamen 25 %. Bei vertikalen Vereinbarungen und Fusionen richtet sich die Unbedenklichkeitsvermutung übereinstimmend nach der Marktanteilsschwelle von 30 %. Gemeinsam mit der aufgezeigten Parallele bezüglich der Obergrenze steht damit in beiden Regelungsregimen zwar kein identischer, zumindest aber ein erheblich angenäherter rechtlicher Rahmen zur Verfügung, innerhalb dessen die entscheidende Behörde sowohl bei Vereinbarungen als auch bei Fusionen Effizienzvorteile im Einzelfall grundsätzlich in ihrer Bewertung berücksichtigen kann. 3. Die Anforderungen an die Umsetzung der Effizienzanalyse Der weitreichende Gleichlauf des Rechtsrahmens besagt indes noch nichts darüber, ob auch die weitere Ausgestaltung und die Voraussetzungen, die bei der Bewertung der jeweiligen Organisationsform – Fusion oder Vereinbarung – für eine positive Effizienzeinbeziehung erfüllt werden müssen, parallel laufen. Ausgangspunkt für einen solchen Vergleich bildet zunächst der Wortlaut der Vorschriften Art. 81 Abs. 3 EG und Art. 2 FKVO, in deren knappen Formulierungen sich trotz der augenscheinlichen Parallelen Abweichungen finden, die einer Interpretation zugänglich sind und bedürfen. Im Anschluss an die Wortlautanalyse ist auf die detaillierteren Vorgaben der jeweiligen Leitlinien einzugehen. a) Die Unterschiede im Wortlaut der Regelungen Der rechtliche Anknüpfungspunkt für die Einbeziehung von Effizienzvorteilen im Fusionskontrollrecht liegt zum einen in der unverändert gebliebenen Fortschrittsklausel, Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO, zum anderen in dem neuen materiellen 861 Röller / Strohm, in: MüKo-WbR I, Rdnr. 1580 mit Verweis auf die Entscheidung der Komm. vom 29. 8. 2000, ABl.EG 2000 Nr. C 369, S. 5 „Siemens / Dematic / VDO / Sachs“ Rdnrn. 67 ff. (Volltext Comp / M.2059), wo der Zusammenschluss zu Marktanteilen von über 50 % führte, aufgrund starker Gegenmacht der Marktgegenseite jedoch dennoch genehmigt werden konnte. Vgl. auch Vertikalleitlinien (Fn. 451), Rdnrn. 26 f.
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Untersagungstest, Art. 2 Abs. 3 FKVO. In diesen Textpassagen wird auf die „Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts“ verwiesen, die zu berücksichtigen ist, sofern sie „dem Verbraucher dient“. Beide Merkmale finden sich in ganz ähnlicher Form auch in der Formulierung des Art. 81 EG. aa) Die einbeziehungsfähigen Effizienzvorteile Während in Art. 81 EG als Umschreibung der berücksichtigungsfähigen Effizienzen von solchen Gewinnen die Rede ist, die „zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts“ beitragen, fehlt im Wortlaut der FKVO ein vergleichbarer Hinweis auf die Warenverbesserung. Teilweise ist aus diesem Umstand geschlossen worden, dass im Rahmen einer Zusammenschlussprüfung allein auf dynamische Effizienzgewinne zurückgegriffen werden könne, mithin solche, die unmittelbar auf Innovationssteigerungen beruhen. Nach dieser Auffassung wäre jedenfalls eine engere Interpretation der Formulierung angezeigt als im Fall des Art. 81 Abs. 3 EG.862 Dem ist zuzugeben, dass die Übernahme der Formel „technischer und wirtschaftlicher Fortschritt“ zur Entstehungszeit der VO Nr. 4064 / 89 unzweifelhaft an Art. 81 Abs. 3 EG orientiert war, denn nur so ist die bereits zitierte Protokollerklärung der Kommission zu verstehen, nach welcher die Fortschrittsklausel „im Lichte der in Art. 85 Abs. 3 des Vertrages verankerten Grundsätze in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof zu verstehen ist“.863 Das Fehlen eines Hinweises auch auf die „Verbesserung von Warenerzeugung oder -verteilung“ lässt sich daher nicht mit einem Versehen begründen. Gleichwohl ist eine derart restriktive Auslegung in Bezug auf den Wortlaut der FKVO abzulehnen. An anderer Stelle ist bereits dargelegt worden – und auch die bisherige Freistellungspraxis der Kommission hat dies bestätigt864 –, dass sich die Alternativen des Art. 81 Abs. 3 EG im Einzelfall überschneiden und eine trennscharfe Abgrenzung zwischen ihnen kaum möglich ist. Schon die Verwendung des Begriffes „wirtschaftlicher Fortschritt“ in Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO spricht dafür, dass insoweit eine weitergehende Interpretation angezeigt ist, die, unter dem „wirtschaftlichen Fortschritt“ als Oberbegriff, auch diejenigen wirtschaftlichen Vorteile erfasst, die aus einer Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung herrühren.865 Dem in dieser Hinsicht abweichenden Wortlaut der Fortschrittsklausel von Art. 81 Abs. 3 EG wird man ohnehin nicht überbewerten dürfen, da jene das (Kom862 Ilzkovitz / Meiklejohn, European merger control: do we need an efficiency defence?, S. 14; Venit, in: Drauz / Reynolds, EC Merger Control, A Major Reform in Progress, S. 229, 242; Röller / Stennek / Verboven, Efficiency Gains from Mergers, S. 82. 863 Erklärungen der Kommission für das Ratsprotokoll vom 19. Dezember 1989, WuW 1990, 240, 241. 864 Zweiter Abschnitt, II. 1. 865 Zampa, 4 E.B.O.R. (2003), 573, 608.
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promiss-)Ergebnis eines zähen Ringens insbesondere um den Einfluss industriepolitischer Gesichtspunkte darstellt.866 So ist es schließlich auch eine nur unbedeutende Abweichung, wenn einmal von der „Entwicklung“ und einmal von der „Förderung“ des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts die Rede ist. Zwar mag der Begriff der „Förderung“ nach unbefangener Betrachtungsweise eine aktivere Einbeziehung von Effizienzvorteile nahe legen. Die Eigenart der einzubeziehenden Effizienzgewinne wird durch diesen Unterschied hingegen nicht berührt und die Frage nach dem Ausmaß und der Reichweite der Effizienzvorteile hängt im Wesentlichen von der Erfüllung der zusätzlich geforderten Voraussetzungen im Einzelfall ab. Ein Wortlautvergleich der Effizienzregelungen gelangt somit zu dem Schluss, dass die bestehenden Differenzen mit Blick auf die berücksichtigungsfähigen Vorteile nicht dazu führen können, je nach Art der zu beurteilenden Maßnahme unterschiedliche Effizienzgewinne einzubeziehen. Sowohl in Rahmen des Art. 81 EG als auch in der FKVO können – bei gleichzeitiger Erfüllung aller übrigen Voraussetzungen – alle Arten von wirtschaftlichen Vorteilen herangezogen werden, um nachteilige Auswirkungen von Vereinbarung oder Fusionen auszugleichen. bb) Die Verbraucherbeteiligung Unterschiede im Wortlaut bestehen auch betreffend der jeweils verlangten Verbraucherbeteiligung. Ist in Art. 81 Abs. 3 EG die Rede von einer „angemessenen Beteiligung der Verbraucher“, die insbesondere dann angenommen wird, wenn die Vorteile einer Vereinbarung deren Nachteile mindestens ausgleichen, heißt es in Art. 2 Abs. 1 lit. b) der FKVO lediglich, dass die Fortschrittsentwicklung zu berücksichtigen ist, „sofern diese dem Verbraucher dient“. Das Fehlen einer präziseren Maßgabe über das Ausmaß der Konsumentenbeteiligung wurde hier vereinzelt dahingehend interpretiert, dass entweder bereits jede Art von Verbraucherbeteiligung ausreiche oder aber eine vollständige Weitergabe der über die Fusion erreichten Effizienzvorteile an die Verbraucher zu verlangen sei.867 Beide Auslegungsvorschläge können aber nicht überzeugen. Irgendeine, noch so geringfügige Beteiligung der Verbraucher lässt sich praktisch bei jedem Unternehmenszusammenschluss feststellen, die Verbraucherklausel aus Art. 2 Abs. 1 lit. b) verlöre bei einer derartigen Sichtweise jeglichen eigenständigen Sinn. Dies gilt umso mehr, als dass der Fortschrittsklausel unmittelbar vorangehend ohnehin bereits von den zu berücksichtigenden „Interessen der Zwischen- und Endverbraucher“ die Rede ist.868 Eine derartige Auslegung würde darüber hinaus der zuneh866 867
Dazu bereits erster Abschnitt, II. 1. d). Ilzkovitz / Meiklejohn, European merger control: do we need an efficiency defence?,
S. 14. 868 Röller / Stennek / Verboven, Efficiency Gains from Mergers, S. 82 sehen im Falle der FKVO sogar einen stärkeren Verbraucherbezug als in Art. 81 Abs. 3 EG, dessen isolierten
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menden Bedeutung der Verbraucher als Schutzobjekt der europäischen Wettbewerbspolitik nicht gerecht und die vielfach propagierte Verwendung eines Verbraucherwohlfahrtsstandards bliebe ein bloßes Lippenbekenntnis.869 Ein Ansatz wiederum, der auf die vollständige Weitergabe der Effizienzgewinne an die Verbraucher gerichtet ist, setzt sich dem Vorwurf aus, eine einzelfallorientierte Effizienzberücksichtigung als letztlich inhaltslose und allein theoretische Möglichkeit anzuerkennen und ihr damit für die Praxis jegliches Gewicht zu nehmen. Es ist schwerlich vorstellbar und dürfte tatsächlich kaum vorkommen, dass eine fusionierte Einheit die gesamten wirtschaftlichen Vorteile, die ja gerade einen der wesentlichen Anreize für den Zusammenschluss darstellen, vollständig in irgendeiner Form an die Verbraucher weitergibt.870 Um der hervorgehobenen Stellung der Verbraucher Rechnung zu tragen und gleichzeitig einen praktikablen, wenngleich schmalen Anwendungsspielraum für eine Effizienzanalyse zu gewährleisten, erscheint es daher sinnvoll, das bekannte Kriterium der Angemessenheit der Verbraucherbeteiligung auch im Rahmen der FKVO zu verwenden.871 Wenn folglich die Verbraucher dann angemessen beteiligt sind, wenn die für sie nachteiligen Wirkungen mindestens kompensiert werden, so findet diese Interpretation auch eine Stütze in dem zur Auslegung heranzuziehenden Erwägungsgrund Nr. 29 der FKVO. Dort heißt es ausdrücklich, dass es möglich sei, dass „die durch einen Zusammenschluss bewirkten Effizienzvorteile die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb, insbesondere den möglichen Schaden für die Verbraucher, ausgleichen, so dass durch den Zusammenschluss wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt . . . nicht erheblich behindert würde.“872 cc) Die Unerlässlichkeit der Wettbewerbsbeschränkung Mit Blick auf den Wortlaut ist schließlich darauf zu verweisen, dass Art. 81 Abs. 3 lit. a) EG eine Effizienzberücksichtigung ausdrücklich nur dann gestattet, wenn die in Kauf genommenen zugelassenen Wettbewerbsbeschränkungen zur Gewinnung der Effizienzen unerlässlich sind, wenn also keine gleich effektiven aber milderen Mittel bereitstehen, um die vorteilhaften Wirkungen der Vereinbarungen zu erreichen. Das Unerlässlichkeitskriterium ist damit die wettbewerbsrechtliche Ausprägung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, wonach allein das am wenigsten wettbewerbsbeschränkende Mittel freistellungsfähig ist.873 In Art. 2 Wortlaut sich nicht entnehmen ließe, wann die Beteiligung der Verbraucher tatsächlich auch als angemessen zu bezeichnen sei. 869 Dazu erster Abschnitt, III. 1. b) cc). 870 Lindsay, The EC Merger Regulation: Substantive Issues, 8 – 17. 871 So auch de la Mano, Efficiencies in European Merger Control, S. 27 und im Ergebnis Verouden / Bengtsson / Albæk, 49 Antitrust Bulletin (2004 / 1), 243, 281, dort unter Fn. 86. 872 Hervorhebung nicht im Original. 873 Bereits oben zweiter Abschnitt, II. 3.
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FKVO fehlt es an einem solchen Hinweis. Jedoch ist das Prinzip der Verhältnismäßigkeit als gemeinschaftsrechtlich verbindlicher, in Art. 5 Abs. 3 EG und Erwägungsgrund Nr. 6 der FKVO geregelter bzw. aufgegriffener Grundsatz auch ohne ausdrückliche Anweisung auf alle Maßnahmen der Kommission anzuwenden und fand dementsprechend in ihrer bisherigen Entscheidungspraxis Berücksichtigung.874 Eine unterschiedliche Bewertung von Effizienzvorteilen aufgrund dieser Wortlautdifferenz wäre daher verfehlt. Wenngleich die Monopolkommission schon 1989 bemängelte, dass Zusammenschlüsse anders als Kooperationen in ihrer Intensität nicht abstufungsfähig sind und aus diesem Grund die Übertragung der Voraussetzung aus Art. 81 Abs. 3 lit. a) EG auf Fusionen problematisch wäre, lässt sich doch konstatieren, dass die Kommission mit der in Art. 6 Abs. 2 sowie Art. 8 Abs. 2 FKVO vorgesehenen Möglichkeit von Bedingungen und Auflagen über ein wirksames Mittel verfügt, um die Intensität eines Zusammenschlusses für den Wettbewerb abzumildern. In jüngerer Zeit scheint die Bedeutung derartiger Abhilfemaßnahmen in der Tat zuzunehmen und es werden auch verstärkt rein verhaltensorientierte Zusagen berücksichtigt.875 Darüber hinaus heißt es bereits in Rdnr. 85 der Horizontalleitlinien, dass weniger wettbewerbswidrige Alternativen grundsätzlich auch in Lizenzvereinbarungen, Gemeinschaftsunternehmen oder anders strukturierten Zusammenschlüssen liegen können.876 b) Die Anforderungen der jeweiligen Leitlinien Über den Wortlaut der Regelungen des Art. 81 Abs. 3 EG sowie Art. 2 Abs. 3 FKVO hinaus geben die bereits vorgestellten Leitlinien ein sehr viel detaillierteres Bild über die an die Effizienzvorteile zu stellenden Anforderungen. Wo die Leitlinien jedoch Aspekte betreffen, auf die bereits der Regelungswortlaut hinweist – die Art der zu beachtenden Vorteile, die Beteiligung der Verbraucher –, so stimmen sie mit der hier zugrunde gelegten Interpretation im Wesentlichen überein. aa) Die Art der Effizienzvorteile Bezüglich der berücksichtigungsfähigen Effizienzvorteile ist besonders auffällig, dass die Leitlinien für horizontale Fusionen eben jene Beispiele anführen, die sich auch in den Leitlinien zu Art. 81 Abs. 3 EG finden: Hier wie dort wird lediglich unterschieden zwischen Kosteneinsparungen einerseits877 und neuen bzw. ver874 Etwa Komm. vom 2. 10. 1991, ABl.EG 1991 Nr. L 334, S. 42 „Aérospatiale-Alenia / de Havilland“ Rdnr. 65. 875 Dazu Weitbrecht, E.C.L.R. 2006, 43, 48 f. Jüngst Komm. vom 22. 12. 2005, Comp / M.3940 „Lufthansa / Eurowings“ Rdnrn. 109 ff. 876 Allgemeingültige Abstufungen in der Intensität dieser Organisationsformen lassen sich daraus allerdings nicht entnehmen, vgl. oben Fn. 427.
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besserten Waren oder Dienstleistungen, die sich aus einer erhöhten Forschung und Entwicklung ergeben – so die Formulierung im Fusionsrecht878 – bzw. qualitativen Effizienzgewinnen – so formulieren die Leitlinien zu Art. 81 Abs. 3 EG879 – andererseits. Wenn trotz dieser Differenzierung in den letztgenannten Leitlinien darauf verwiesen wird, dass insgesamt „alle objektiven wirtschaftlichen Effizienzgewinne erfasst werden sollen“,880 so kann aus diesem Umstand gefolgert werden, dass die Unterscheidung zwischen quantitativen und qualitativen Vorteilen in den Leitlinien für horizontale Zusammenschlüsse gleichermaßen all jene Vorteile umschließen soll. Entgegen einigen Stimmen im Schrifttum881 ist daher offenbar auch die Kommission der Ansicht, dass keinerlei Unterschiede bezüglich der Art der Effizienzvorteile zwischen den verglichenen Regelungen auszumachen sind. bb) Die Verbraucherbeteiligung Beiden Regelungen liegt zudem ein weiter Verbraucherbegriff zugrunde. Erfasst werden jeweils alle End- und Zwischenabnehmer – dies regelt bereits Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO –, sowie gegenwärtige und potentielle Verbraucher.882 Grundsätzlich müssen die wirtschaftlichen Vorteile auf demjenigen Markt auftreten, auf dem sich auch die Nachteile der Vereinbarungen oder Fusion auswirken. Wenn ausnahmsweise auch Vorteile auf Drittmärkten beachtet werden sollen, so finden sich in den jeweiligen Leitlinien auf den ersten Blick zunächst unterschiedliche, andererseits jedoch vergleichbar vage und ausfüllungsbedürftige Kriterien. Die Hilfestellung zu Art. 81 Abs. 3 EG führt insoweit aus, dass zwei Märkte dergestalt miteinander verknüpft sein können, dass auch die auf verschiedenen Märkten erzielten Effizienzgewinne berücksichtigungsfähig sind, sofern „im Wesentlichen die gleiche Verbrauchergruppe von den Einschränkungen betroffen ist wie die, die von den Effizienzgewinnen profitiert.“883 Im Fusionsrecht heißt es schlicht, dass die Effizienzvorteile den Verbrauchern in denjenigen relevanten Märkten zugute kommen „sollten“, in denen ansonsten die Wettbewerbsbedenken entstünden.884 In beiden Fällen sollte diese Ausnahmemöglichkeit vorrangig für qualitative Vorteile genutzt werden, wenn etwa mit hinreichender Sicherheit dargelegt werden kann, dass durch die unternehmerische Verbindung ein neues Produkt entsteht oder zumindest zeitnah ermöglicht wird. Da die Nachweisanforderungen für qualitative Effizienz877 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 80; Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag (Fn. 574), Rdnr. 64. 878 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 81. 879 Rdnr. 69. 880 Rdnr. 59. 881 Vgl. die Nachweise in Fn. 862. 882 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 79; Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag (Fn. 574), Rdnr. 84. 883 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag (Fn. 574), Rdnr. 43. 884 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 79.
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gewinne ohnehin nur schwer zu erfüllen sind, dürfte die komplizierte und den entscheidungsbefugten Behörden große Wertungsspielräume eröffnende Einbeziehung von Drittmärkten tatsächlich eine Ausnahme bleiben. Beide Leitlinien – diejenigen zu Art. 81 Abs. 3 EG sowie jene zur FKVO – vermitteln den Eindruck, dass die Prüfung der Verbraucherbeteiligung einen Schwerpunkt der Effizienzanalyse bildet. Übereinstimmend erklären sie die Ermittlung von Restwettbewerb nicht als allein ausschlaggebend, sondern differenzieren vielmehr nach Art der Effizienzvorteile, die über das Ausmaß der Verbraucherbeteiligung bestimmen kann. Sie verweisen dazu auf die ökonomisch fundierte Erkenntnis, dass fusionsbedingte, bzw. durch Absprache erreichte Senkungen von Fixkosten weniger ins Gewicht fallen als diejenige von variablen Kosten.885 Um zu dem Ergebnis eines Nettogewinns der Verbraucher zu gelangen, ist also eine Gewichtung der Vor- und Nachteile erforderlich. Für diese Abwägung wird eine „sliding scale“ zugrunde gelegt, nach der die Effizienzvorteile und deren Weitergabe an die Verbraucher umso bedeutender sein müssen, je gewichtiger auch die festgestellte Wettbewerbsbeschränkung ist.886 In Rdnr. 90 der Kooperationsleitlinien heißt es hierzu: „Dieses abgestufte Konzept beinhaltet, dass es bei relativ begrenzten wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen einer Vereinbarung und erheblichen Effizienzgewinnen wahrscheinlich ist, dass ein angemessener Anteil der Kosteneinsparungen an die Verbraucher weitergegeben wird.“ Wenngleich ein derartiger Hinweis in den Fusionsleitlinien fehlt, so ist doch diese – und die umgekehrte – Faustregel auch im Bereich des Zusammenschlussrechts anzuwenden und eine detaillierte Gewichtung und Abwägung der einzelnen Auswirkungen allein erforderlich, wenn die unternehmerische Verbindung sowohl erhebliche Nachteile als auch erhebliche Vorteile mit sich bringt. cc) Die Bedeutung des Zeitfaktors Im Rahmen der erforderlichen Gewichtung ist auch der Zeitfaktor zu bedenken, mit welchem das Eintreten der Effizienzgewinne erwartet wird. Die Fusionsleitlinien verlangen einen „überschaubaren Zeitraum“ für den Eintritt der Vorteile; je später sie sich realisieren, umso weniger Gewicht sei ihnen einzuräumen.887 Verfahrensbedingt könnte sich in diesem Punkt allerdings ein Unterschied zwischen Konzentration- und Kooperationskontrollrecht ergeben. Vor dem Hintergrund des präventiven Kontrollverfahrens der Fusionskontrolle und der damit zwangsläufig verbundenen Prognose über den Eintritt von Effizienzvorteilen könnte der genannte Hinweis auf den Zeitfaktor vorrangig unter dem Gesichtspunkt der Nachweis885 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 80; Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag (Fn. 574), Rdnr. 98. 886 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 84; Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag (Fn. 574), Rdnr. 90. 887 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 83.
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barkeit zu verstehen sein. Hingegen haben die Einführung der VO Nr. 1 / 2003 und die Interpretation des Art. 81 Abs. 3 EG als Legalausnahme für dessen Anwendungsbereich dazu geführt, dass die vormalige ex-ante Kontrolle durch die Kommission durch eine ex-post Kontrolle der Selbsteinschätzung der Unternehmen seitens der nationalen Rechtsanwender ersetzt wurde und letzteren zum Zeitpunkt ihrer Überprüfung zumindest kurzfristige Auswirkungen der Vereinbarungen bereits erkennbar sein dürften. Infolgedessen steht die Berücksichtigung des Zeitfaktors im Rahmen des Art. 81 Abs. 3 EG möglicherweise weniger unter dem Aspekt der Nachweisbarkeit, als vielmehr unter demjenigen des Diskontierens zeitlich späterer Gewinne, die auf diese Weise in ein reales Verhältnis zu den regelmäßig sofort mit Abschluss der Vereinbarung eintretenden Nachteilen gesetzt werden können.888 Da sich die Höhe einer von zukünftigen Gewinnen herunterzurechnenden Verzinsung jedoch maßgeblich nach der Wahrscheinlichkeit ihrer tatsächlichen Realisierung bemisst, liegen beide Gesichtspunkte eng beieinander. Effizienzvorteile, deren Eintreten erst nach einer Anlaufphase erwartet wird, unterliegen auch im Rahmen der Prüfung von Art. 81 Abs. 3 EG weiterhin einer auf Wahrscheinlichkeit beruhenden Prognose.889 Daneben müssen in der Zusammenschlusskontrolle gleichermaßen zukünftige Vorteile in Relation zu gegenwärtigen Nachteilen gebracht werden. Wenn daher an späterer Stelle der Fusionsleitlinien – unter dem Titel „Nachprüfbarkeit“ – der erneute Hinweis auf den Zeitfaktor eines Vorteilseintritts (Rdnr. 86) nicht lediglich eine inhaltlose Wiederholung sein soll, ist die vorangehende Passage in Rdnr. 83 – „Effizienzvorteilen kann von der Kommission um so weniger Gewicht eingeräumt werden, je weiter deren Erbringung in die Zukunft projiziert wird“ – ebenfalls im Sinne eines Diskontierens zukünftiger Effizienzgewinne zu verstehen. dd) Beweislast und Beweisumfang Nach den horizontalen Zusammenschlussleitlinien tragen die Fusionsparteien die Beweislast für die Wahrscheinlichkeit des Eintritts und Umfangs der Effizienzvorteile, ebenso wie gem. Art. 2 Satz 2 VO Nr. 1 / 2003 den Unternehmen auch die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 81 Abs. 3 EG obliegt. Zu diesen Voraussetzungen gehört mit der angemessenen Beteiligung der Verbraucher auch die konkrete Abwägung der einzelnen Wirkungen und folglich der Nachweis, dass die wettbewerbsfördernden Wirkungen der Vereinbarung deren wettbewerbsschädigende Wirkungen wenigstens kompensieren. In den Kooperationsleitlinien ist von der „Substantiierung“ der Effizienzvorteile die Rede, welche nicht nur das Ausmaß und die Wahrscheinlichkeit jedes einzelnen geltend gemachten 888 So ausdrücklich die Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag (Fn. 574), Rdnrn. 87, 88. 889 Allgemein zum Bewertungszeitpunkt beschränkender Vereinbarungen nach Art. 81 Abs. 3 EG vgl. Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag (Fn. 574), Rdnrn. 44 f.
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Effizienzgewinns umfasst, sondern auch die Art und Weise sowie den Zeitpunkt, zu dem die Vorteile erreicht werden sollen und überdies warum „realistisch erscheinende und weniger wettbewerbsbeschränkende Alternativen für die Vereinbarung erheblich weniger effizient wären“.890 Bezüglich qualitativer Vorteile müssen die Unternehmen die Effizienzgewinne beschreiben und „eingehend erläutern, wie und warum diese Effizienzgewinne einen objektiven wirtschaftlichen Vorteil darstellen“.891 Die Fusionsleitlinien legen in inhaltlicher Hinsicht vergleichbar hohe Anforderungen an: Gegebenenfalls sind die Vorteile mit Zahlen zu untermauern, scheidet dies aus, müssen „klar identifizierbare und nicht lediglich marginale positive Wirkungen auf die Verbraucher vorhersehbar sein.“892 Ebenfalls muss dargelegt werden, warum keine weniger wettbewerbswidrigen Alternativen zu der Fusion realistischerweise in Betracht kommen893 und in welchem Maße die Effizienzvorteile geeignet sind, den nachteiligen Wirkungen der Fusion auf den Wettbewerb entgegenzuwirken.894 Auch in der Fusionskontrolle müssen die Unternehmen daher darlegen, dass die erwarteten Vorteile des Zusammenschlusses von einer solchen Reichweite sind, dass sie dessen Nachteile für die Verbraucher wenigstens neutralisieren. c) Organisationsbedingte Unterschiede als Rechtfertigung für abweichende Anforderungen? Bislang ist dargelegt worden, dass der rechtliche Rahmen und die näheren Anforderungen an die Umsetzung einer einzelfallorientierten Effizienzanalyse im Konzentrations- und Kooperationskontrollrecht in vielerlei Hinsicht parallel laufen. Es fragt sich daher, ob – und gegebenenfalls welche – organisationsbedingten Unterschiede zwischen Absprachen und Zusammenschlüssen von solchem Gewicht sind, dass sie trotz dieser insgesamt zu beobachtenden Annäherung bei der Einbeziehung wirtschaftlicher Vorteile eine generell abweichenden Bewertung erfordern. In der Vergangenheit sind zu dieser Frage insbesondere zwei Aspekte genannt worden: Zum einen die Dauer und Irreversibilität der wettbewerbsbeschränkenden Verbindung, die es rechtfertige, an fusionsbedingte Effizienzvorteile allgemein höhere Anforderungen zu stellen, zum anderen der Umstand, dass bei wettbewerbswidrigen Absprachen zwischen Unternehmen meist nur ein einzelner Wettbewerbsparameter betroffen sei, wohingegen bei Unternehmensfusionen stets der vollständige Wettbewerb zwischen den Zusammenschlussparteien entfiele.895 890 891 892 893 894 895
Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag (Fn. 574), Rdnrn. 55, 75. Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag (Fn. 574), Rdnrn. 57. Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 86. Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 85. Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 87. Monopolkommission, Sondergutachten Nr. 17 (1989), Rdnrn. 112, 114, 117.
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aa) Generell erhöhte Anforderungen an fusionsbedingte Effizienzvorteile? Die Untersuchung der in den jeweiligen Leitlinien angeführten Anforderungen an die Effizienzberücksichtigung im Einzelfall hat gezeigt, dass diese bei Vereinbarungen und Fusionen in abstrakter Weise vergleichbar strenge Maßstäbe anlegen. Dieses Ergebnis erscheint auch deswegen berechtigt, da die mit Verweis auf die Dauerhaftigkeit von Verbindungen befürchtete Irreversibilität von Wettbewerbsbeschränkungen kein alleiniges Phänomen von Zusammenschlüssen ist. Zum einen kann die Kommission im Falle einer Zuwiderhandlung gegen auferlegte Zusammenschlussbedingungen eine Entflechtungsanordnung erlassen,896 die eine bereits vollzogene Fusion zwar kaum je einmal ungeschehen macht, als Instrument jedoch immerhin – wenngleich als ultima ratio – geeignet ist, deren nachteiligen Wirkungen für die Zukunft zu unterbinden. Insofern ist zu berücksichtigen, dass auch im Falle von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen Nachteile für den Wettbewerb entstehen können, die selbst nach einer späteren Unvereinbarkeit der Absprache mit Art. 81 EG – die Voraussetzungen des Abs. 3 sind inzwischen nicht mehr erfüllt – irreversibel sind. Die Leitlinien zu Art. 81 Abs. 3 EG liefern hierzu das Beispiel einer vereinbarten Zusammenlegung von Forschungs- und Entwicklungstätigkeit, die zugleich die Aufgabe der bisher getrennten, individuellen Forschungsarbeiten beinhaltet. Deren Wiederaufnahme zu einem späteren Zeitpunkt kann technisch und wirtschaftlich unmöglich sein, so dass die nachteiligen Folgen für den Wettbewerb – eine von Anfang an getrennte Forschung wäre effektiver gewesen – unumkehrbar bestehen bleiben.897 Die erhoffte Effizienzsteigerung durch eine Unternehmenskooperation bleibt letztlich aus, obwohl die Vereinbarung aufgrund der hohen Investitionskosten gem. Art. 81 Abs. 3 EG zunächst erlaubt war und über einen längeren Zeitraum bis zur vollständigen Amortisierung dieser Kosten allein nachteilige Auswirkungen hatte.898 Indem jedoch beide Regelungsregime den Ansatz einer gleitenden Skala verfolgen, nach der die Effizienzvorteile umso bedeutender sein müssen, je gewichtiger auch die festgestellte Wettbewerbsbeschränkung ist899 und darüber hinaus der Zeitpunkt des Eintritts der dargelegten Effizienzen eine erhebliche Bedeutung für deren Gewichtung einnimmt,900 kann die voraussichtliche Dauer der jeweiligen Wettbewerbsbeschränkung ohne weiteres berücksichtigt und dem Zeitablauf im Einzelfall – dessen Bedeutung freilich nicht ausschließlich von der OrganisationsArt. 8 Abs. 4 lit. b), 1. Spiegelstrich VO Nr. 139 / 2004. Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag (Fn. 574), Rdnr. 45. 898 Die Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag (Fn. 574) führen in Rdnr. 44 aus, dass bei der Anwendung des Art. 81 Abs. 3 EG auch der Zeitraum und die Wettbewerbsbeschränkungen zu berücksichtigen sind, die erforderlich sind, um eine leistungssteigernde Investition vorzunehmen und ihre Kosten zu amortisieren. 899 Horizontalleitlinien (Fn. 288), Rdnr. 84; Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag (Fn. 574), Rdnr. 90. 900 Soeben unter dritter Abschnitt, II. 3. b) cc). 896 897
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form, sondern auch von der Höhe der Marktzutrittsschranken auf dem betroffenen Markt und der Möglichkeit zukünftigen Wettbewerbs abhängen kann – Rechnung getragen werden. Die Verwendung einer einheitlichen „sliding scale“, die gerade nicht an die Organisationsform anknüpft und keine schon abstrakt höheren Anforderungen an fusionsbedingte Effizienzgewinne stellt, ermöglicht es auf sachgerechte Weise, eine Prüfung überwiegender Effizienzvorteile auch im Falle von grundsätzlich dauerhaft angelegten Zusammenschlüssen vorzunehmen. Die praktische Umsetzung dieser Konzeption mag dazu führen, dass im Falle von Zusammenschlüssen oftmals höhere Anforderungen an Umfang und Weitergabe der Effizienzvorteile zu stellen sind. Dies folgt auch schon daraus, dass die Effizienzanalyse im Fusionsrecht weiterhin zwingend auf Prognosen beruht, wohingegen die Hinwendung zum Prinzip der Legalausnahme für den Bereich des Art. 81 EG dazu geführt hat, dass sich die zunächst erwarteten Vorteile einer Absprache zum Zeitpunkt ihrer Überprüfung möglicherweise bereits entfaltet haben. Dessen ungeachtet sind aber Fallkonstellationen denkbar, in denen aufgrund der Höhe der für die angestrebten – ebenfalls prognostizierten – Leistungssteigerungen erforderlichen Investitionen den Kooperationsbeteiligten ein relativ langer Zeitraum zur Amortisation gewährt wird und die Anforderungen an Effizienzvorteile gegebenenfalls sogar höher sein können als im Fusionsrecht. Zum Abschluss soll auf die ohnehin strengen Kriterien der Effizienzberücksichtigung verwiesen und noch einmal daran erinnert werden, dass ein wesentlicher Teil der diesbezüglichen Annäherung von Konzentrations- und Kooperationskontrollrecht gerade darauf beruht, dass die Anforderungen an Effizienzvorteile im Bereich des Art. 81 Abs. 3 EG höher geworden sind als noch unter Geltung des vormaligen Anmeldesystems. Noch weiterreichende generelle Forderungen an fusionsbedingte Effizienzvorteile könnten schließlich den Ausschluss jeglicher relevanten Einzelfallanalyse im Zusammenschlussrecht bedeuten.
bb) (Potentieller) Innenwettbewerb als Bestandteil des Restwettbewerbs Der zweitgenannte Unterschied, wonach Kooperationen in der Regel nur einen, Konzentration dagegen auch alle weiteren bestehenden Wettbewerbsparameter zwischen den Unternehmen betreffen, könnte für die Anwendung der Effizienzregelungen insoweit Auswirkungen haben, als dass von den jeweiligen Entscheidungsträgern stets auch das konkrete Ausmaß des nach der Verbindung verbleibenden Restwettbewerbs zu untersuchen ist. Setzt sich dieser im Bereich von Vereinbarungen aus Innen- und Außenwettbewerb zusammen, fehlt es im Falle von Unternehmensfusionen vollständig und im Falle von Gemeinschaftsunternehmen mitunter recht weitgehend an einem verbleibenden Innenwettbewerb. Um zu einer wettbewerbsrechtlich positiven Beurteilung zu gelangen – Restwettbewerb wird nicht ausgeschaltet bzw. Wettbewerb nicht erheblich behindert –, ist es freilich unerheblich, ob der verbleibende Wettbewerbsdruck aus dem Innen- und / oder
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Außenwettbewerb resultiert.901 So hat es die Kommission in ihrer bisherigen Freistellungspraxis bei einer Feststellung verbleibenden Innenwettbewerbs kaum einmal beruhen lassen, sondern daneben regelmäßig auf vorhandene oder potentielle Drittwettbewerber verwiesen;902 im Übrigen hat sie die Vorschrift des Art. 81 Abs. 3 EG auch dann angewendet, wenn der Innenwettbewerb zwischen den Kooperationsparteien vollständig zum Erliegen kam.903 Eine abstrakt-generelle Besserstellung von Vereinbarungen ist folglich in dieser Hinsicht nicht angezeigt. Bemerkenswert in dem aufgezeigten Kontext ist allerdings die Kommissionspraxis, welche – wenngleich mit der mehrfachen Betonung eines marktbedingten Ausnahmecharakters – trotz weitgehendem Ausschluss aktuellen Wettbewerbs, eine befristete, aber immerhin 15jährige Freistellung eines Gemeinschaftsunternehmens mit dem Hinweis auf zukünftigen Wettbewerb bewilligte. Danach wäre es den Absprachebeteiligten bewusst gewesen, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt – nach 15 Jahren – wieder zu Konkurrenten würden, so dass sie auf Grundlage dieser Erkenntnis ihr Verhalten bereits zum Zeitpunkt des Vereinbarungsabschlusses darauf ausgerichtet hätten.904 Die Eröffnung zukünftigen, potentiellen Wettbewerbs wurde mit dem vorübergehenden Verzicht auf aktuellen Wettbewerb erkauft. Im Falle dauerhafter Zusammenschlüsse muss eine derartige Argumentation jedenfalls dann ausscheiden, wenn der zukünftige Wettbewerb – wie in den angeführten Entscheidungen, wo die Wahrscheinlichkeit potentiellen Wettbewerbs aufgrund der hohen Investitionskosten gegen Null ging – gerade zwischen den Fusionsparteien entstehen soll. Sollte nach Ansicht der Kommission bereits die bloße Möglichkeit zukünftigen Innenwettbewerbs als ausreichend für die Voraussetzung weiterbestehenden Restwettbewerbs einzuordnen sein, läge hier in der Tat ein grundsätzlicher und möglicherweise pauschalierungsfähiger Unterschied in der jeweiligen Effizienzanalyse. Indes lassen die soeben angeführten Entscheidungen erkennen, dass die Kombination aus fehlendem Außenwettbewerb – ein einzelnes Unternehmen hatte auf dem betroffenen Markt für Wiederaufbereitungsdienstleistungen keine realen Erfolgsaussichten – mit lediglich erwartetem Innenwettbewerb 901 EuG vom 28. 2. 2002, Rs. T-395 / 94, Slg. 2002, II-875 „Atlantic Container Line u. a. / Kommission“ Rdnr. 300. 902 Komm. vom 16. 12. 1996, ABl.EG 1996 Nr. L 354, S. 87 „Asahi / Saint-Gobain“ Rdnr. 32; Komm. vom 23. 12. 1992, ABl.EG 1993, Nr. L 20, S. 14 „Ford / Volkswagen“ Rdnrn. 37 (Außenwettbewerb) und 37 (Innenwettbewerb); bestätigt durch EuG vom 15. 7. 1994, Rs. T-17 / 93 Slg. 1994, II-595 „Matra Hachette / Kommission“ Rdnrn. 151 f.; Komm. vom 20. 12. 1989, ABl.EWG 1990 Nr. L 15, S. 25 „Concordato Incendio“ Rdnr. 28. Ferner EuG vom 28. 2. 2002, Rs. T-395 / 94, Slg. 2002, II-875 „Atlantic Container Line u. a. / Kommission“ Rdnr. 302. 903 Exemplarisch etwa Komm. vom 6. 10. 1994, ABl.EG 1994 Nr. L 309, S. 1 „PasteurMérieux / Merck“ Rdnrn. 56 sowie 95 ff. 904 Komm. vom 23. 12. 1975, ABl.EWG 1976 Nr. L 51, S. 15 „Kewa“ S. 19; Komm. vom 23. 12. 1975, ABl.EWG 1976 Nr. L 51, S. 7 „United Reprocessors“ S. 13.
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in mittelfristiger Zukunft den besonderen technischen Gegebenheiten des betroffenen Marktes und darüber hinaus insbesondere sicherheits- und energiepolitischen Gründen geschuldet war.905 Im Bereich der Freistellungsvoraussetzungen ist daher eine derart extensive Auslegung des erforderlichen Restwettbewerbs eine auf Einzelfällen beruhende Ausnahme. Gleichwohl kann letztlich weder die Tatsache, dass bestimmte Wettbewerbsparameter – Preis und Innovation906 – unter keinen Umständen beseitigt werden dürfen und folglich auch ein verbleibender Innenwettbewerb bezüglich anderer Faktoren – Werbung, Qualität, Service – zu keiner Freistellung gelangte, als auch die ökonomisch motivierte, verstärkt auf die Außenwirkung wettbewerbsbeschränkender Verbindungen gerichtete Sichtweise den Blick darauf verstellen, dass es den entscheidungsbefugten Behörden im Rahmen des Art. 81 Abs. 3 EG mit Verweis auf (potentiellen) Innenwettbewerb leichter fallen wird, den erforderlichen Restwettbewerb festzustellen, als dies für die Kommission im Falle von Fusionen gilt.
4. Die Aussagekraft der bisherigen Entscheidungspraxis zu Art. 81 Abs. 3 EG Betrachtet man schließlich die unter dem vormaligen Freistellungsmonopol getroffenen Entscheidungen der Kommission hinsichtlich einer möglichen Aussagekraft für die Effizienzanalyse im Fusionsrecht, erscheint es nahe liegend, die bisherige Spruchpraxis zu Art. 81 Abs. 3 EG als Beleg dafür zu nehmen, dass die Kommission im Hinblick auf eine ex-ante Abwägung von langfristigen Wettbewerbsnachteilen mit prognostizierten Effizienzvorteilen über eine Erfahrung verfügt, die das Risiko von Fehleinschätzungen für fusionsbedingte Effizienzvorteile auf ein erträgliches Maß reduziert. Insbesondere die ergangenen Entscheidungen zu den kooperativen (Vollfunktions-)Gemeinschaftsunternehmen, die (auch) nach Art. 81 Abs. 3 EG zu beurteilen sind und die hinsichtlich einer Rückabwicklung beim Wegfall der Freistellungsvoraussetzungen aufgrund ihrer mitunter weitreichenden Verbindung ähnlichen Schwierigkeiten ausgesetzt sind wie reine Zusammenschlüsse, könnten geeignet sein, die Zweifel an der Praktikabilität einer Effizienzanalyse im Fusionsrecht zu zerstreuen.907 905 Wortgleich heißt es in beiden Entscheidungen: „Generell betrachten die Staaten die Wiederaufarbeitung als eine kritische Phase des Brennstoffzyklus und sind daher bestrebt, allein oder zusammen mit anderen Staaten die Verfügbarkeit einer ausreichenden Wiederaufarbeitungskapazität sicherzustellen.“ A. a. O., (Fn. 904), S. 16 („Kewa“), S. 9 („United Reprocessors“). 906 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag (Fn. 574), Rdnr. 110. 907 Zampa, 4 E.B.O.R. (2003), 573, 611 ff., der u. a. auf die Entscheidung Komm. vom 20. 1. 1977, ABl.EG 1977 Nr. L 48, S. 32 „Vacuum Interrupters Ltd.“, Rdnrn. 19 ff. verweist: ein technisch hochwertiges Produkt wäre von den Parteien jeweils alleine nicht weiterentwickelt worden. Siehe auch Komm. vom 16. 12. 1996, ABl.EG 1996 Nr. L 354, S. 87 „Asahi / Saint-Gobain“ Rdnrn. 24 ff.
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Zwar lässt sich einwenden, dass unter Geltung des Anmeldeverfahrens stets auch die Möglichkeit eines Widerrufs bzw. eines Fristablaufs ohne Verlängerung der Freistellung bestand und insoweit von der Kommission keine letztgültigen Entscheidungen zu treffen waren;908 angesichts der komplizierten, auch Außenstehende berührenden Interessenlage, möglicherweise irreversiblen Folgen sowie dem Erfordernis einer erneuten, aufwendigen Überprüfung für den Fall einer Rückabwicklung kann aber bezweifelt werden, dass die Kommission die Berücksichtigung von Effizienzvorteilen gerade bei Gemeinschaftsunternehmen leichtfertig oder gar über Gebühr großzügig angenommen hat. Ein gewisses Gewicht lässt sich der bisherigen Kommissionserfahrung daher tatsächlich zumessen. Wenn dennoch einer allzu großen Aussagekraft der bisherigen Entscheidungspraxis an dieser Stelle mit Vorsicht begegnet wird, so erklärt sich dies in erster Linie mit dem dargelegten Verständnis der Neuausrichtung des Art. 81 EG und insbesondere der Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG, bei deren Zugrundelegung ein großer Teil der bisherigen Kommissionsentscheidungen die erhöhten Anforderungen an die Freistellungsvoraussetzungen gar nicht mehr erfüllten. Diese Beobachtung trifft insbesondere auf die beiden positiven Freistellungsvoraussetzungen zu, der Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung, bzw. Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts sowie der angemessenen Beteiligung der Verbraucher. Die Auswertung der vorhandenen Kommissionsentscheidungen hat gerade bezüglich des erstgenannten Kriteriums gezeigt, dass oftmals nur oberflächliche Behauptungen und selten – sieht man von einigen jüngeren Entscheidungen ab909 – mit konkreten Zahlen belegte Gewichtungen vorgenommen wurden. Darüber hinaus war die eigenständige Bedeutung der zu prüfenden Verbraucherbeteiligung gering und die Prüfung der geforderten Angemessenheit dieser Beteiligung wurde in einigen Entscheidungen gleich gänzlich unterschlagen. Ebenso wie die Horizontalleitlinien im Fusionsrecht sehen auch die Kommissionsleitlinien zu Art. 81 Abs. 3 EG in dieser Hinsicht – wie gezeigt – nunmehr höhere Anforderungen vor. Trotz dieser in Teilen engeren Auslegung der Freistellungsvoraussetzungen beruhen die abstrakten Leitlinien zu Art. 81 Abs. 3 EG gleichwohl im Wesentlichen auf den Erfahrungen der bisherigen Freistellungspraxis. Immerhin denkbar erscheint es, in dem Ausmaß, in welchem ein Gleichlauf der jeweiligen Leitlinien zur Effizienzanalyse zu beobachten ist, auch einen indirekten Einfluss der Entscheidungen zu Art. 81 Abs. 3 EG auf die Effizienzregelung im Fusionsrecht zu sehen. Zutreffen könnte dies vor allem auf die allgemeinen Wertungen der Kommission, die sie bei der Ausfüllung ihrer Beurteilungsspielräume zugrunde gelegt hat. Darunter fällt etwa der Ansatz der gleitenden Skala, der sich nunmehr in den 908 Art. 8 der VO Nr. 17 / 62. Typischerweise handelte es sich bei den Befristungen um eine Dauer von 5 – 12 Jahren, vgl. die Nachweise bei Heithecker / Schneider, in: FK, Bd. II EGKartellrecht, Art. 81 Abs. 1, 3 Fallgruppen II.9. GU, Rdnr. 45. 909 Vgl. die Nachweise in Fn. 609.
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Ausführungen beider Leitlinien findet und nach dem die Anforderungen an die Effizienzvorteile entsprechend höher sind, je schwerer die Wettbewerbsbedenken der jeweiligen Maßnahme wiegen.910 Diesbezüglich relevant sein könnte auch die Einbeziehung des Zeitfaktors für die relative Gewichtung von Effizienzvorteilen.911 Einschränkend anzumerken ist hierzu allerdings, dass die Bezugnahme auf den prognostizierten Eintrittszeitpunkt positiver Wirkungen – unter Berücksichtigung des von der Kommission verfolgten Grundsatzes, nach dem das wirtschaftliche Risiko der Parteien angemessen zu berücksichtigen ist – in der bisherigen Freistellungspraxis vor allem für die jeweilige Dauer bedeutsam war, die der Freistellungsentscheidung zuerkannt wurde.912 Eine Übertragung auf die von vornherein auf Dauer angelegten Zusammenschlüsse erscheint daher nur bedingt möglich. Gleichwohl kann die der aufgezeigten Freistellungspraxis zugrunde liegende Wertung in gewisser Weise auch für das Fusionskontrollrecht fruchtbar gemacht werden. Wenn – insbesondere im Hinblick auf die oft unsicher zu prognostizierenden und zudem einer Quantifizierung kaum zugänglichen dynamischen Effizienzvorteilen im Fusionsrecht – von den Zusammenschlussparteien dargelegt werden kann, dass sie trotz der gebündelten Aktivitäten zur Erreichung der Vorteile hohe, zumal verlorene Investitionen tätigen, so dürfte die konsequente Einbeziehung eines solcherart hohen Investitionsrisikos auch für fusionsbedingte Vorteile einen entsprechend milderen Maßstab bedeuten. Das zur Erreichung zukünftiger Effizienzvorteile eingegangene wirtschaftliche Risiko der Zusammenschlussparteien kann daher bei der Beurteilung, ob die Prognoseanforderungen realistischerweise erfüllt werden können, zur Orientierung herangezogen werden. Ähnlich verhält es sich mit einer weiteren Wertentscheidung. Soweit die Kommission im Falle vertikaler Vereinbarungen eine höhere Beratungskompetenz durch einen qualifizierteren Fachhandel als qualitativen Kooperationsvorteil anerkannt und die Vereinbarung gleichzeitig zu höheren Endverkaufspreisen geführt hat, sollte eine entsprechende Einschätzung auch für vertikale Zusammenschlüsse gelten. Neben solcherart übertragbaren Grundsätzen kommt gerade in jüngerer Zeit hinzu, dass die Kommission in Einzelfällen auch bezüglich der positiven Freistellungsvoraussetzungen detailliertere und auf Zahlen basierende Untersuchungen vorgenommen hat. So hat sie in der Entscheidung „CECED“ beispielsweise die auf Grundlage konkreter Zahlen ermittelten vorteilhaften Auswirkungen einer Vereinbarung – vermiedene Stickstoffoxidschäden – in ein Verhältnis zu den erwarteten Nachteilen – höhere Endverkaufspreise für bestimmte Waschmaschinen – ge910 EuG vom 28. 2. 2002, Rs. T-86 / 95, Slg. 2002, II-1011 „Compagnie générale maritime u. a. / Kommission“ Rdnr. 392. 911 Etwa EuG vom 15. 9. 1998, verb. Rs. T-374, 375, 384, 388 / 94, Slg. 1998, II-3141 „European Night Services u. a. / Kommission“ Rdnr. 230. 912 Siehe Nachweise unter Fn. 629 f.
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3. Abschn.: Annäherung von Konzentrations- und Kooperationskontrollrecht
setzt und ist sodann im Wege einer überschlägigen Schätzung zu dem Ergebnis gelangt, nach dem „vernünftigen Annahmen zufolge [ . . . ] der aus der CECEDVereinbarung resultierende Nutzen für die Gesellschaft die höheren Anschaffungskosten für energieeffizientere Waschmaschinen um mehr als das Siebenfache zu übersteigen [scheint]“.913 Aufschlussreich in diesem Kontext ist überdies die Kommissionsentscheidung zu dem Gemeinschaftsunternehmen einer österreichischen und einer deutschen Fluglinie „AuA / LH“.914 Auch hier quantifizierte die Kommission die voraussichtlich entstehenden Synergieeffekte der Verbindung und setzte sie einerseits in Relation zu der Situation einer anders strukturierten bisherigen Luftfahrtallianz der AuA, bzw. zu derjenigen Situation, in der die AuA ohne jeden Kooperationspartner operierte.915 Nach einem positiven Ergebnis gelangte die Kommission sodann zu dem Schluss, dass auch die Verbraucher von dem Gemeinschaftsunternehmen profitierten, wenngleich vorrangig aufgrund der Ausweitung des Streckennetzes, der Abstimmung der Flugpläne, der Frequenzerhöhung auf bestimmten Strecken und einer harmonisierten Service-Qualität an Bord. Ausdrücklich fügte die Kommission hinzu, dass sie nicht davon überzeugt sei, dass die Verbraucher durch das Kooperationsabkommen an den zu erwartenden Kostenersparnissen durch geringere Preise angemessen beteiligt würden. Um dies sicherzustellen, bedürfe es daher zusätzlicher Auflagen.916 Dies galt umso mehr, als die Kommission weitergehend feststellte, dass das Gemeinschaftsunternehmen für einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes – den deutsch-österreichischen Markt – aktuellen und potentiellen Wettbewerb ausschalten würde.917 Der im Anschluss an die Freistellungsentscheidung angeführte Auflagenkatalog der Kommission enthält sowohl verhaltensorientierte Elemente – etwa die Verpflichtung der Parteien zu entsprechenden Preissenkungen auf wettbewerbslosen Strecken, soweit diese auf wettbewerbsintensiven Strecken vorgenommen werden918 bzw. die Verpflichtung, bei Neueintritt eines Wettbewerbers auf der betreffenden Strecke für zwei Jahre keine Frequenzerhöhung vorzunehmen919 – als auch strukturbezogene Abhilfemaßnahmen – wie z. B. die von den Parteien bereitzustellenden Zeitslots für neue Wettbewerber.920 Auffällig ist insoweit, dass die Kom913 Komm. vom 24. 1. 1999, ABl.EG 2000 Nr. L 187, S. 47 „CECED“ Rdnr. 56. Im Anschluss heißt es sodann: „Derartige gesamtgesellschaftliche Ergebnisse für die Umwelt lassen den Verbrauchern eine angemessene Beteiligung am Gewinn zuteil werden, selbst sofern keine Vorteile für die einzelnen Käufer bestehen sollten.“ Die Verbraucherbeteiligung wird also sehr weit verstanden. 914 Komm. vom 5. 7. 2002, ABl.EG 2002 Nr. 242, S. 25 „AuA / LH“ Rdnrn. 84 ff. 915 A. a. O., Rdnr. 88. 916 A. a. O., Rdnr. 93. 917 A. a. O., Rdnr. 98. 918 Vgl. auch Rdnr. 110. 919 Vgl. auch Rdnr. 109. 920 Vgl. auch Rdnr. 108.
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mission den Allianzparteien damit im Wesentlichen dieselben Maßnahmen auferlegt hat, welche sie später in den von ihr genehmigten Zusammenschlüssen „Air France / KLM“921 und „Lufthansa / Swiss“922 von den betroffenen Unternehmen als Zusagen verlangte. Jene dauerhaften Unternehmensverbindungen wurden allein mit den Maßgaben genehmigt, dass die neue Einheit sich verpflichtete, Zeitslots für potentielle Konkurrenten – dauerhaft – aufzugeben und bei Zugang von neuen Wettbewerbern die eigenen Frequenzen für eine Dauer von sechs Jahren einzufrieren. Ebenfalls zugestanden wurde von den Parteien, die Preise auf konkurrenzlosen Strecken in dem gleichen Ausmaß zu senken wie dies gegebenenfalls auf umkämpften Strecken getan würde.923 Wenngleich diese fusionsbedingten Abhilfemaßnahmen keineswegs im Zusammenhang mit einer aussagekräftigen Effizienzanalyse erörtert wurden – eine solche fand auch in den genannten Entscheidungen nicht statt –, so zeigt doch deren parallele Anordnung im Fall des Gemeinschaftsunternehmens „AuA / LH“ offensichtlich, dass die genannten Maßnahmen der Kommission geeignet erscheinen, einen anderweitig fehlenden Wettbewerbsdruck zu erzeugen und insgesamt zur Weitergabe von Effizienzvorteilen an die Verbraucher beizutragen. Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass zwar die überwiegende Freistellungspraxis der Kommission nur mit Einschränkungen als Beleg für eine Prüfungserfahrung herhalten kann, die bestehende Zweifel an einer weitgehend fehlerlosen Effizienzanalyse im Fusionsrecht restlos zerstreuen würde. Dennoch lassen sich einige grundlegende Wertentscheidungen als Orientierungshilfe auch auf das Fusionsrecht übertragen. Einzelne Freistellungsentscheidungen der jüngeren Zeit haben zudem gezeigt, dass die Kommission die strengen Anforderungen an die einzelfallorientierte Einbeziehung von Effizienzvorteilen durchaus in die Praxis umzusetzen versteht.
Komm. vom 11. 2. 2004, Comp / M.3280 „Air France / KLM“. Komm. vom 4. 7. 2005, Comp / M.3770 „Lufthansa / Swiss“. 923 Komm. vom 11. 2. 2004, Comp / M.3280 „Air France / KLM“ Rdnrn. 158, 168; Komm. vom 4. 7. 2005, Comp / M.3770 „Lufthansa / Swiss“ Rdnrn. 190, 197 ff. 921 922
Zusammenfassung und Schlussbetrachtung Die Modernisierung des europäischen Wettbewerbsrechts hat mit Blick auf das Fusionskontrollrecht und das Kartellverbot aus Art. 81 EG zu einem Zuwachs an Konvergenz geführt. In besonderer Weise gilt dies für die Behandlung wirtschaftlicher Effizienzvorteile. Bestand die Möglichkeit einer Effizienzberücksichtigung und Abwägung der Vor- und Nachteile im Bereich des Art. 81 EG bereits seit Einführung des EWG-Vertrags, hat die Rolle wirtschaftlicher Effizienzvorteile in der Fusionskontrolle erst in jüngerer Zeit durch die Stärkung eines ökonomisch fundierten Ansatzes zumindest in theoretischer Hinsicht an Bedeutung gewonnen. Zwar haben Effizienzvorteile im Fusionsrecht auch unter der vormaligen Kontrollverordnung Nr. 4064 / 89 Beachtung gefunden, jedoch geschah dies im Wesentlichen auf abstrakt-pauschale Weise, indem allen Zusammenschlüssen, die eine beherrschende Marktstellung weder begründeten noch verstärkten, Vorteile von einem Gewicht und Ausmaß unterstellt wurden, welche die zusammenschlussbedingten Marktmachtverstärkungen jedenfalls kompensierten. Umgekehrt konnten Zusammenschlüsse, die zur Bildung ebensolcher beherrschender Stellungen führten, nicht mehr über die Darlegung überwiegender Vorteile im Einzelfall genehmigt werden. Die Einführung der Fusionskontrollverordnung Nr. 139 / 2004 zum 1. 5. 2004 hat hier insoweit eine Änderung gebracht, als dass nunmehr innerhalb eines bestimmten rechtlichen Rahmens die Möglichkeit einer einzelfallorientierten Effizienzanalyse eröffnet ist und die vormals starre Regelung damit durch einen wesentlich flexibleren Ansatz ersetzt wurde. Die Vorteile dieser Herangehensweise liegen in einer präziseren, ausgeglicheneren rechtlichen Würdigung einzelner Fusionen sowie dem Umstand, dass die Kommission als entscheidungsbefugte Behörde in gesteigertem Ausmaß Informationen über die Motivation der Zusammenschlussparteien erhält, welche die Bewertung ihres Fusionsvorhabens auf eine breitere Basis stellt. Durch die weniger pauschale Einbeziehung wirtschaftlicher Vorteile wird das Risiko von Fehlern der ersten und zweiten Kategorie reduziert; eine sorgfältige Effizienzanalyse ist damit ein wichtiger Bestandteil einer ökonomisch fundierten Fusionskontrolle. Schwierigkeiten bestehen indes in der praktischen Anwendung der Effizienzberücksichtigung bei Zusammenschlüssen. Die hierzu als Hilfestellung gedachten Kommissionsleitlinien – veröffentlicht bislang allein für horizontale Zusammenschlüsse – lassen erkennen, dass die Kommission hohe Anforderungen an berücksichtigungsfähige Vorteile stellt und daher insgesamt bei der Argumentation mit einem eher zurückhaltenden Einsatz von Effizienzgewinnen zu rechnen ist. Rein spekulative Vorteile
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sollen dabei ebenso ausgeschlossen werden wie auch ein teilweise befürchteter, stärkerer Einfluss industriepolitischer Motive. Die zunehmende Orientierung des europäischen Wettbewerbsrechts am ökonomischen Konzept der Verbraucherwohlfahrt darf keinesfalls zum Anlass genommen bzw. als Mittel dazu missbraucht werden, politisch für wünschenswert erachtete Industriestrukturen zu schaffen; schon aus diesem Grund ist der Prüfung der Verbraucherbeteiligung ein besonderes Gewicht einzuräumen. Betreffend den Anwendungsbereich des Art. 81 EG hat die VO Nr. 1 / 2003 und die mit ihr einhergehende Interpretation des Art. 81 Abs. 3 EG als Legalausnahme zu einem weitgehend vergleichbaren, wettbewerbsbezogenen Ansatz geführt. Schon um die Justiziabilität des nunmehr unmittelbar von den Behörden und Gerichten der Mitgliedstaaten anzuwendenden Art. 81 Abs. 3 EG zu gewährleisten, ist es den nationalen Anwendern der Freistellungsregelung verwehrt, auch nichtwettbewerbliche, politische Zielsetzungen bei der Freistellung vom Verbot wettbewerbsbeschränkender Kooperationen zu berücksichtigen. Fehlte es daher bei der Begründung fusionskontrollrechtlicher Entscheidungen seit jeher an einem offensichtlich industriepolitischen Einfluss, führt die unmittelbare Anwendung des Art. 81 Abs. 3 EG nach der hier vertretenen Ansicht nunmehr auch im Kooperationskontrollrecht zu einer Zurückdrängung außerwettbewerblicher Aspekte. Besonderes Gewicht kommt hier gleichfalls der Interpretation und der Prüfung der Verbraucherbeteiligung zu. Eine Folge der Arbeitsüberlastung der Kommission ist hingegen die faktische Anhebung der ungeschriebenen Spürbarkeitsgrenze des Art. 81 EG durch die Einführung von GVO, welche solche Vereinbarungen gruppenweise erfassen, denen erfahrungsgemäß mehr vor- als nachteilige Auswirkungen zukommen. Derartige Vereinbarungen sind bis zu bestimmten Marktanteilsoberschwellen – je nach Art der Kooperation 20 – 30 % – bereits per Verordnung freigestellt und Effizienzvorteile folglich bis zu dieser Grenze im Rahmen eines „general presumptions approach“ abstrakt abgegolten. Eine detaillierte Einzelfallanalyse, welche auch auf Gesichtspunkte der Marktkonzentration sowie Marktzugangsschranken eingeht, ist erst wieder ab Überschreiten der Marktanteilsschwellen der GVO möglich. Zur Orientierung bei der schwierigen Anwendung des Art. 81 Abs. 3 EG im Einzelfall hat die Kommission – rechtlich unverbindliche – Leitlinien erlassen, welche den schwerpunktartig ökonomischen Ansatz ebenso erkennen lassen, wie bereits zuvor die Leitlinien über horizontale sowie vertikale Vereinbarungen. Auffallend an den Leitlinien zur Anwendung des Art. 81 Abs. 3 EG ist vor allem, dass sie zwar in vielerlei Hinsicht die bisherige Entscheidungspraxis der Kommission nachzeichnen, hingegen an einigen Punkten hinsichtlich der Höhe ihrer Anforderungen über den bisher zugrunde gelegten Maßstab hinausgehen und damit eine insgesamt strengere Anwendung des Art. 81 Abs. 3 EG nahe legen als bisher. Somit führt die Erfassung vieler Vereinbarungen durch die GVO zu einer Ausdehnung einer pauschalen Abgeltung wirtschaftlicher Kooperationsvorteile einerseits, gleichzeitig ist der Anwendungsbereich des Art. 81 Abs. 3 EG im Einzelfall zu-
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Zusammenfassung und Schlussbetrachtung
sätzlich auch durch die vorgegebenen, teilweise strengeren Anforderungen schmaler geworden als unter dem ehemaligen Freistellungsmonopol der Kommission. Eine grundlegende Annäherung von Konzentrations- und Kooperationskontrollrecht kann nun bereits darin gesehen werden, dass die Bedeutung einer einzelfallorientierten Effizienzanalyse im ersteren zu- und im letzteren abnimmt. In der vorliegenden Arbeit wird ein Vergleich der näheren Ausgestaltungen beider Regelungsregime vorgenommen und es werden weitergehende Parallelen aufgezeigt. Dies gilt zunächst für den rechtlichen Rahmen, innerhalb dessen die einzelfallorientierte Effizienzanalyse bei der Beurteilung der unterschiedlich strukturierten Wettbewerbsbeschränkungen möglich ist. Betrachtet man die jeweiligen Regelungen einschließlich der dazugehörenden GVO und Leitlinien als Ganzes, so verfügen beide über eine an ähnlich hohen Marktanteilen orientierte Untergrenze, unterhalb derer die Wettbewerbskonformität der betreffenden Maßnahme aufgrund pauschal unterstellter Effizienzvorteile in aller Regel vermutet wird – so im Fusionsrecht – bzw. zunächst gilt, allerdings im Ausnahmefall von der Kommission wieder entzogen werden kann – so im Falle der GVO und Art. 81 Abs. 3 EG gem. Art. 29 der VO Nr. 1 / 2003. Hinsichtlich der Obergrenze einer individuellen Effizienzeinbeziehung hat sich gezeigt, dass diese nunmehr unabhängig von der Organisationsform jedenfalls auch dann noch möglich ist, wenn durch die unternehmerische Verbindung eine beherrschende Stellung begründet oder verstärkt wird. Überdies zeigt die vorliegende Arbeit auf, dass die Anforderungen sowohl an die Art der Effizienzvorteile als auch an die Umsetzung der Analyse vergleichbar streng sind, wenngleich Art. 81 EG von einer zweistufigen und die Fusionskontrolle von einer einstufigen Prüfung ausgeht. Der dargelegte Ansatz einer gleitenden Skala ermöglicht es im Einzelfall, die Anforderungen an die Berücksichtigungsfähigkeit von Effizienzvorteilen den organisationsbedingten Unterschieden von Kooperationen und Fusionen anzupassen. In praktischer Hinsicht dürfte hier zum einen der Bewertungszeitpunkt der Wettbewerbsbeschränkung eine Rolle spielen: Während aufgrund des Präventionscharakters des Fusionskontrollverfahrens die Effizienzanalyse von Zusammenschlüssen zwingend auf Prognosen basiert, hat sich die Überprüfung für den Bereich des Art. 81 EG von einer vormaligen ex-ante Kontrolle durch die Kommission zu einer ex-post Kontrolle der Selbsteinschätzung der Unternehmen durch die nationalen Behörden und Gerichte gewandelt. Zumindest kurzfristige positive Auswirkungen einer Vereinbarung sind zum Zeitpunkt ihres Einschreitens daher regelmäßig erkennbar und einer realistischen Gewichtung mithin zugänglich. Ein weiterer praxisrelevanter Unterschied könnte in dem Verweis auf den verbleibenden Innenwettbewerb der Kooperationsparteien liegen, welcher im Falle von Fusionen denknotwendig entfällt. Schließlich hat die Entscheidungspraxis der Kommission unter ihrem ehemaligen Freistellungsmonopol gezeigt, dass die bisherige Prüfungserfahrung im Umgang mit wirtschaftlichen Vorteilen, wenn auch mit einigen Einschränkungen, so doch immerhin grundsätzlich dazu geeignet ist, allzu großen Bedenken in puncto
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mangelnder Praktikabilität der Einzelfallanalyse entgegenzuwirken. Gerade auch für das Bestreben nach Rechtssicherheit ist dies ein besonders wichtiger Aspekt. Soweit mit der aufgezeigten Annäherung eine Schwächung des Konzentrationsprivilegs im Sinne einer pauschalen Besserbehandlung konzentrativer Sachverhalte einhergeht und bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung verstärkt auf die Wirkung einer Maßnahme anstatt auf ihre strukturelle Organisation abgestellt wird, ist dies zu begrüßen; mit einer derartigen Entwicklung wird nicht nur das Setzen falscher Anreize vermieden, es kann überdies auch auf aufwendige Doppelprüfungen verzichtet werden.924 Vor dem Hintergrund auffällig ähnlicher Entwicklungen im Bereich des Art. 82 EG – jüngste Modernisierungsvorschläge deuten auch im Rahmen der Missbrauchsaufsicht auf die Zulassung eines Effizienzeinwands in Anlehnung an Art. 81 Abs. 3 EG925 – wird somit insgesamt die Kohärenz bei der Anwendung europäischen Wettbewerbsrechts erheblich erhöht.
924 So wohl auch Schroeder, WuW 2004, 893, 905 f., der folgerichtig für die Aufgabe von Art. 2 Abs. 4 und 5 FKVO eintritt. 925 Siehe Albers, WuW 2006, 3.
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Stichwortverzeichnis Außerwettbewerbliche Ziele 132, 159 Beweislast 113, 212 Chicago-Schule 34, 88, 126 Continental Can-Entscheidung 180 Doppelkontrolle 186, 188, 189, 197 Efficiency Offence 74, 84 Effizienz – Allokative 26 – Begriff 25 – Dynamische 27, 39 – Produktive 27 – Statische 39 Effizienzvorteile 48, 108, 167, 206, 209 Einzelfallberücksichtigung 56, 119, 201 Einzelfreistellung 136, 164 Entflechtung 119 Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts 66 Erheblichkeit einer Wettbewerbsbehinderung 71, 103 Europäische Wettbewerbspolitik 89 Externe Effekte 138 Fehler erster und zweiter Kategorie 55, 115, 118, 175 Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts 142 Fortschrittsklausel 65, 94 Freistellungsmonopol 133, 142 Fusion – Horizontal 21 – Konglomerat 23 – Vertikal 23 Gemeinsamer Binnenmarkt 89 Gemeinschaftsunternehmen 189 General Electric / Honeywell 76, 85
General presumptions approach 55, 119 Gesamtabwägung 57, 94 Globalkompromiss 64 Größenvorteile 49 Gruppenfreistellung 136, 175 Gruppenfreistellungsverordnungen 154 Harvard-Schule 33 Herfindahl-Hirschman-Index 84, 93, 141, 200, 204 Horizontalvereinbarungen 139 Industriepolitik 62, 97, 107, 159 Innenwettbewerb 215 Innovationsanreize 52 Konsumentenrente 28 Konzentrationsprivileg 64, 181, 191, 196 Legalausnahme 157, 159, 175 Leitlinien 162, 173, 209 – Bindungswirkung 162 Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse 106 Leitlinien zur Bewertung nicht-horizontaler Zusammenschlüsse 115 Markt für Unternehmensbeteiligungen 184 Markt für Unternehmenskontrolle 195 Marktabschottungseffekte 86, 117, 130 Marktbeherrschungstest 81, 102 Marktmacht 20 Marktzutrittsschranken 127, 200 Mindestoptimale Betriebsgröße 50 More economic approach 137, 177, 199 Nachweisbarkeit von Effizienzvorteilen 113 Nebenabreden 125 Neo-Schumpeter-Hypothesen 31 Nicht koordinierte Effekte 22, 141
Stichwortverzeichnis
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Ökonomisierung des Wettbewerbsrechts 80, 137, 177, 199
US-amerikanische Wettbewerbspolitik 87 US-Merger Guidelines 88, 92
Post-Chicago-Entwicklung 88 Preiselastizität 24 Prinzipal-Agenten-Relation 194 Produktbündelung 86 Produzentenrente 28
Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung 142 Verbraucherbeteiligung 68, 110, 146, 169, 207, 210 Verbundvorteile 50 Verordnung Nr. 1 / 2003 122, 157 Vertikale Vertriebsbindungen 127 Vertikalvereinbarungen 137 Vollkommener Wettbewerb 21
Querschnittsklauseln 161 Rationalisierungsgewinne 48 Restwettbewerb 150, 172 Rule of reason 124, 128 Sanierungsfusion 93 SIEC-Test 82, 84, 92, 102 SLC-Test 93, 98 Synergetische Effekte 50
Weitergabe von Know-how 53 Wettbewerbsfunktionen 89 Wettbewerbsverbote 130 Williamson’s Tradeoff-Modell 36, 132, 200 Wohlfahrtsstandard 41 – Gesamtwohlfahrt 42 – Verbraucherwohlfahrt 43
Technischer Fortschritt 52 X-Ineffizienzen 30, 53, 193 Unerlässlichkeit der Wettbewerbsbeschränkung 148, 168, 208 Unilaterale Effekte 22 Untersagungsschwelle 54 US-amerikanische Fusionskontrolle 85
Zeitfaktor 112, 211 Zigaretten-Urteil 181, 186 Zusagen 120 Zusammenschlussspezifität 110