Gestaltungsmöglichkeiten und Bindung des billigen Ermessens im Hausratsverfahren [1 ed.] 9783428474844, 9783428074846


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German Pages 401 Year 1992

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Gestaltungsmöglichkeiten und Bindung des billigen Ermessens im Hausratsverfahren [1 ed.]
 9783428474844, 9783428074846

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KERSTIN SCHARFSCHWERDT -OTTO

Gestaltungsmöglichkeiten und Bindung des billigen Ermessens im Hausratsverfahren

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 157

Gestaltungsmöglichkeiten und Bindung des billigen Ermessens im Hausratsverfahren Von

Kerstin Scharfschwerdt-Otto

DUßcker & Humblot . Berliß

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Scharfschwerdt-Otto, Kerstin:

Gestaltungsmöglichkeiten und Bindung des billigen Ennessens im Hausratsverfahren / von Kerstin Scharfschwerdt-Otto. Berlin : Duncker und Humblot, 1992 (Schriften zum bürgerlichen Recht; Bd. 157) Zug\.: Hannover, Univ., Diss., 1991 ISBN 3-428-07484-X NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin 65 Printed in Gennany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-07484-X

Meinen Eltern

Vorwort Mein Dank gilt meinen Eltern, die meinen Werdegang geprägt und gefördert haben. Weiter danke ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Hilmar Fenge, für die wertvollen Anregungen und die vorbildliche Betreuung der Arbeit, sowie meinem Ehemann für die unermüdliche Unterstützung bei der Aufarbeitung des Textes für die Drucklegung. Kerstin Scharfschwerdt-Otto

Bommelsen, im Dezember 1991

Inhalt

Einleitung ......................................... .........................................................

17

1. Teil "Grundlagen" des Hausratsverfahreos und AnwendUDgSbereich der HVO

18

1. Kapitel "Grundlagen" des Hausratsverfahreos ............................................

18

I. Entstehungsgeschichte ........................................................................

18

n.

Änderung der Nonnzwecke? .................... ............ ................................

22

m. Hausratsverfahren als FamiJiensache und "echtes Streitverfahren" der FG ........

29 29 31 32 33

1. Verfahrensvorschriftcn und Verfahrensgrundsätzc ..................................

2. Hausratsverfahren als "echtes" Streitverfahren ....................................... a) Gründe fiir die Zuweisung zur FG .............................. ........ ........... b) Verfahrensmaximen .................................................................... 3. Regelungsstreitigkeiten - privates Gestaltungsantragsrecht - Auseinandersctzungsanspruch ............................................................................... IV. Auskunftsanspruch ............................................................................ 2. Kapitel AnwendUDgSbereich der HVO

35 42

.....................................................

47

I. Gegenstände der Verteilung .................................................................

47

1. Begriffe "Hausrat" I "Haushaltsgegenstände" ........................................

2. Begriff "Ehewohnung" .................. ................. ........ ......................... 3. Schuldenregelung ...........................................................................

47 53 57

Ausschluß der vindikatorischen und possessorischen Ansprüche ....................

57

n.

m. Analoge Anwendung der HVO auf nichteheliche Lebensgemeinschaften?

60

2. Teil Der ErmesseosspielraUID des Hausratsrichters ........................................

62

1. Kopitel Das "billitce" Ermessen gemäß § 1 HVO ........................................

62

I. Ermessensvorschriften der HVO und die Bedeutung der Nonnzwecke ............

62

n. "Billiges" Ermessen gemäß § 2 Satz 1 HVO

............................................ 1. Wahlbefugnis oder "Beurteilungsermessen"? .........................................

65 65

10

Inhalt 2. Der Begriff der Billigkeit und "Stufen" der Billigkeit .............................. 3. Stellungnahme ............................................................................... 4. Kein Tatbestandsennessen ........................................ ...... .................. 5. Kein Ermessen in den nicht rechtagestaltenden Teilen der Entscheidung ....... 6. Ergebnis ......................................................................................

67 70 75 79 80

2. Kapitel Die Kriterien des § 2 Satz 2 HVO ........ ........................................

82

I. Die ausdrücklich genannten Kriterien ...... ............................................... 1. Wohl der Kinder .. ........................ .................................................

82 82

2. Erfordernisse des Gemeinschaftslebens - nationalsozialistisches Gedankengut?.............................................................................................

88

n. Die "sonstigen" Umstände ...................................................................

98

1. Zusammenfassung der in Literatur und Rechtsprechung genannten "sonstigen" Umstände in Gruppen ...................................................................... 98 a) Wirtschaftliche Gründe ........ .............................. ........ .......... ........ 99 b) Persönliche Lebensbedingungen ..................................................... 101 c) Ideelle Gesichtspunkte (" Affektionsinteresse ") ................................... d) Umstände mit einschränkender oder ausschließender Wirkung ............... 2. Entscheidungsrelevanzder "sonstigen" Umstände ................................... a) Wirtschaftliche Gründe ................................................................

102 102 104 108

aa) Einkommens- und Vermögensverhältnisse / Möglichkeiten der Ersatzbeschaffung .............. ..... ....................................................... 108 bb) Vorhandene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit .............................. 109 cc) Niedriger Mietzins ................................................................ 110 dd) Wirtschaftliche Zukunftsperspektiven - wirtschaftliche Leistungsfähig keit des neuen Partners .................. ......................................... 110 ee) Herkunft der Mittel und finanzielle Aufwendungen ........................ 112 11) Ergebnis ............................................................................. 113 b) Persönliche Lebensbedingungen der Ehegatten ................................... 114 aa) Alter / Gesundheitszustand ...................................................... 114 bb) Größere Wohnwürdigkeit der Ehefrau ........................................ 115 cc) Verwandtschaftliche und andere zwischenmenschliche Beziehungen .................................................................................... dd) Berufliche Erfordernisse ......................................................... ee) Neue Partnerschaften / Wiederheirat .......................................... 11) Ergebnis ...................................... ....................................... c) Ideelle Gesichtspunkte .................................................................

116 116 117 119 120

aa) Ausschließliche oder überwiegende Benutzung des Gegenstandes durch einen Ehegatten .......................... .......................................... bb) Eigen- und Ptlegeleistungen .....................................................

120 120

cc) Beziehung zu einem Haustier ................................................ dd) Recht auf Mitbesitz ............................................................... ee) Ergebnis .............................................................................

121 122 122

Inhalt

11

d) Umstände mit einschränkender oder ausschließender Wirkung (negative Kriterien) •........... ..................................................................... 122 aa) Eheliches Fehlvemalten .......................................................... 123 bb) Bewohnen der Ehewohnung mit einem neuen Partner ..................... 124 cc) Verspitete AntragsteIlung ........................................................ dd) Zurückbehaltungsrecht ............................................................ ee) Dauer der Ehe .. ................. ..... ..... ........... ....... ...................... fl) Verteilungswünsche I Vereinbarung der Ehegatten ......................... gg) Ergebnis .............................................................................

126 126 127 128 128

m. Rangfolge der Kriterien ...................................................................... 129 1. Historische Betrachtung .............. ..................... ........ ................ ........ 2. Vorrangige Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedürfnisse der Ehegatten und der Kinder im Hinblick auf die Nonnzwecke der HVO .......•...... ......... 3. Vorrangige Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedürfnisse der Ehegatten und der Kinder im Hinblick auf die Vinlrulierung der Hausratsgegenstände und der Ehewohnung ....................................................................... 4. Absoluter Vorrang des Kindeswohls ................................................... 5. RangsteIlung der persönlichen Lebensumslände ...................................... 6. Nachrangige Bedeutung der ideellen Gesichtspunkte ................................ 7. Auswirkungen der negativen Kriterien ................................................. 3. Teil "Grenzen" des billigen Ermessens im Hausratsverfahreo .......................... 1. Kapitel EiDschräDkWII des Ermesseosspielraums dun:h den Grundsatz der

129 134 136 140 143 145 146 148

ParteiautoDomie ............................................ '.......................................

148

I. Antrag gemiß § 1 HVO .....................................................................

148

ß. Einigung im Sinne von § 1 HVO .......... ............ ......... ...........................

152

1. Feststellung der Einigung als "Vorfrage" ............................................. 2. Voraussetzungen und Wirkungen ....................................................... a) Wirksamkeitsvoraussetzungen ............ ............ ......... ..... .......... ........ aa) Wirksames Zustandekomrnen der Einigung ........ ................ .......... bb) Bedingungslos und vornehaltslos ............................................... b) Umfang der Vereinbarung ............................................................ aa) "Erschöpfende Regelung" ....................................................... a) Einigung über einen Teil des Hausrats .. ................................. ß) Weitere unvollständige Abreden über den Hausrat ..................... T) Ehewohnung ................................................................... 6) Weitere unvollständige Abreden über die Wohnung .... ............... bb) Rechtsgestaltend und vollzugsfihig ............................................ a) Vemiltnis der Ehegatten ..................................................... ß) Vemiltnis zu Dritten ......................................................... 3. Entscheidung rur die Zeit des Getrenntlebens ........................................

153 154 155 155 157 158 158 158 161 165 165 166 166 168 169

12

Inhalt 4. Ergebnis

170

ID. Bindungswirkung der Sachanträge ......................................................... 171 1. Hausrat ..... ........... ............ ........ ..... ............. ................................. 171 a) Teilauseinandersetzungsantrag ........................ .......... ...................... 171 b) Nicht auf Hausratsteilung gerichteter Antrag ...................................... 174 c) Feststellungsanträge .................................................................... 175 d) Antrag im Verfahren nach §§ 1361a BOB, 18a HVO .......................... e) Bindungswirkung des Antrags in der 2. Instanz .................................. 2. Ehewohnung ........................ .............................. ........................... a) Bindungswirkung des Antrags aufTeilzuweisung? ..............................

176 177 179 179

b) Nicht auf die Zuweisung gerichtete Anträge ......................................

180

c) Verfahren nach §§ 1361b BGB, 18a HVO ........................................ 181 d) Bindende Wirkung des Antrags in der 2. Instanz ................................ 183 3. Ergebnis . . . ............................................... ............ .......... .............. 184 2. Kapitel Einschriin1rung des EnnessensspieJraums durch dea Grundsatz des Eigeatumsschutzes ............................... .............. .. .......... . ........ ...... ... .......

185

A. Ehewohnung ......................................................................................

185

I. Eigentumsverhältnisse .................. ............ ...... ........ . ...........................

185

1. Alleineigentum oder Miteigentum der Ehegatten? ...................................

185 186

a) Keine Anwendung des § 8 Abs. 2 HVO .......................................... b) Erwerb der Ehewohnung ..............................................................

187

2. Andere dingliche Rechte ..................................................................

188

ß. Alleineigentum eines Ehegatten .............................................................

190

1. Entscheidung für die Zeit nach der Scheidung .. ..... .......... . .....................

190

a) Verfassungsmäßigkeit des § 3 HVO ................................................

190

b) Zuweisungsvoraussetzungen - die gesteigerte Form der Billigkeit: "Unbillige Härte" .......................................................................

197

c) Gestaltungsmöglichkeiten ........................... ..................................

199

aa) Teilung der Wohnung (§ 6 HVO) ... ..... .....................................

200

bb) Begründung eines Mietverhältnisses ...........................................

204

a) Befristung .................................... ........... ............. ...........

204

ß) Beendigung des Mietverhältnisses .......................................... r) Festsetzung des Mietzinses .. ................ ............. ...................

205 209

ö) Mietzinsfestsetzung und Unterhalt ......................................... cc) Begründung eines Nutzungsverhältnisses .....................................

211 215

a) Befristung .......................................................................

215

ß) Beendigung des Nutzungsverhältnisses ...................................

215

T) Festsetzung einer Nutzungsentschädigung ................................

216 217

dd) Ausgleichszahlung analog §§ 8 Abs. 3 S. 2, 9 Abs. 2 S. 2 HVO? .....

Inhalt

13

ee) Grundsätze der Gestaltung - Stufen der Eingriffe 2. Entscheidung für die Zeit des Getrenntlebens ........................................ a) Zuweisungsvoraussetzungengemäß § 136tb BOB ............................... aa) Billigkeitsgrundsätze ....................................................•.......•. bb) "Schwere Härte" ..................................................................

225 228 228 228 232

ce) Herabsetzung der" Anforderungen"? .......................................... dd) "Besonders schwere Härte" bei Alleineigentum? ........................... b) Gestaltungsmöglichkeiten ...................................................•......... aa) Teilung der Wohnung ...... .•.. .... .... .......... ... ... ............... ........... bb) Begriindung eines Nutzungsverhältnisses ..................................... a) Befristung ....................•........•.......•................................. ß) Festsetzung einer Nutzungsentschädigung ................................ ce) Anwendungsbereich des § 136tb BGB - umfassende Zuständigkeit des Familiengerichts? ......................•............................................

235 236 239 240 241 242 242 245

m. Miteigentum der Ehegatten .................................................................. 246 1. Entscheidung für die Zeit nach der Scheidung ......................................• a) Zuweisung nach § 2 HVO ............................................................ b) Verfassungsmäßigkeit der Zuweisung der im Miteigentum stehenden Ehewohnung nach § 2 HVO ......................................................... c) Gestaltungsmöglichkeiten ............................................................. aa) Teilung der Wohnung ............ ..... ........... ........... ................. .... bb) Begriindung eines Mietverhältnisses ........................................... a) Befristung? ...................................................................... ß) Beendigung des Mietverhältnisses .......................................... r) Festsetzung des Mietzinses ..................................................

246 246

ce) Begriindung eines Nutzungsverhältnisses ..................................... a) Befristung ....................................................................... ß) Beendigung des Nutzungsverhältnisses .................................... r) Festsetzung einer Nutzungsentschädigung ................................ ß) Nutzungsentschädigungund Unterhalt ................................•... dd) Festsetzung einer Ausgleichszahlung? ....................................•...• ee) Grundsätze der Gestaltung - Stufen der Eingriffe ..........................

255

2. Entscheidung für die Zeit des Getrenntlebens ..........................•.....•..•.... a) Zuweisung nach § 1361b BOB ...................................................... b) Gestaltungsmöglichkeiten ..............................................•.•.........•.• aa) Teilung der Wohnung ............ ...... ....•.•••.. •.............................. bb) Begriindung eines Nutzungsverhältnisses .•...•............................... a) Befristung ......•.•.....................•.........•.....•....................... ß) Festsetzung einer Nutzungsentschädigung ................................ ce) Anwendungsbereich des § 136tb BGB - umfassende Zuständigkeit des Familiengerichts? ........•.............•............................................

264 264 265 265 265 266 266

247 248 249 250 250 252 253 256 257 257 259 260 261

267

14

Inhalt

B. Hausrat

274

I. Eigentumsverhältnisse ........•................................................................ 274 1. Zulässigkeit der Miteigentumsvermutung gemäß § 8 Abs. 2 HVO ............... 2. Voraussetzungen der Miteigentumsvermutung ........................................ a) "Angeschaffter" Hausrat ............................................................... b) Anschaffung "während der Ehe" ................•.................................... c) Anschaffung "für den gemeinsamen Haushalt" ................................... 3. Grenzen der Anwendbarkeit der Miteigentumsvermutung / Widerleg barkeit ....••.••••..............................................................................

D. Gegenstände im Alleineigentum eines Ehegatten I. Entscheidung für die Zeit nach der Scheidung a) Zuweisungsvoraussetzungen .......................................................... aa) Notwendige Gegenstände ......................................................... bb) Billigkeitsgrundsätze . .. . . .. . . . . . ...... . . . . .. . .. .... .. .. . ...... . ... .... ............ b) Gestaltungsmöglichkeiten .............................................................. aa) Verfassungsmäßigkeit der Eigentumsübertragung ........................... bb) Begründung eines Mietverhältnisses ........................................... cc) Begründung einer Forderung .................................................... a) Höhe des Entgelts ............................................................. ß) Höhe des Mietzinses .......................................................... r) Leistung nur in Geld? ............ ............................................. 2. Entscheidung für die Zeit des Getrenntlebens ..... .......... ... ........ .............. a) Herausgabeanordnungund Gebrauchsüberlassungsanspruch gemäß § 1361a Abs. I BGB .............................. ........ .... ........... ......... ..... ............ aa) Begriff der "benötigten Gegenstände" ......................................... bb) Billigkeitsabwägung ...............................................................

274 278 278 279 280 281 283 283 283 283 285 287 288 291 292 292 293 294 295 295 296 298

b) Gestaltungsmöglichkeiten ............................................................. 299 aa) Begründung eines Nutzungsverhältnisses ................ ..................... 300 bb) Festsetzung einer Vergütung .................................................... 302

m. Gegenstände im gemeinsamen Eigentum .................................................. 304 1. Entscheidung für die Zeit nach der Scheidung ....................................... 304

a) Verteilungsgrundsätze .................................................................. 304 b) Gestaltungsmöglichkeiten ............................................................. 305 aa) Begründung von Eigentum ...................................................... 305 bb) Begründung einer Forderung .................................................... 307 a) Festsetzung einer Ausgleichszahlung ...................................... 307

ß) Andere Ausgleichsleistungen ............................................•... 309 r) Isolierte Zahlungsanordnung? ............................................... 310

2. Entscheidung für die Zeit des Getrenntlebens ........................................ 310 a) Verteilungsgrundsätze ................................................................. 310 b) Gestaltungsgrundsätze . . . . . . . . . .. . .. .. . . . . . . .. . .. . . . . . . . ..... .. . . . ...... . . . . . . . .. . ... .. 311

IS

Inhalt

aa) Begründung eines Nutzungsverbältnisses .... ........... ..•. .......... ........ 311 bb) Festsetzung einer Vergütung .................................................... 312 IV. Abgrenzung zum Zugewinnausgleichsverfahren ......................................... 313 3. Kapitel EiDschräDkuDg des Ennesseasspielraums durch deo Grundsatz des

Schutzes der Rechte Dritter ....... ............................................................... 320 320

A. Ehewohouoa

I. Mietwohnung - Wer ist Vertragspartner? ................................................. 320

1. Ein Ehegatte ist Mieter .................................................................... 320

n.

a) MietersteIlung .......... ...... ........... ......................................... ....... b) Stellung des Nichtmieter-Ehegatten ................................................. 2. Beide Ehegatten sind Mieter ........ .................. ...... ...................... ....... a) ·Mitunterzeichnende Ehefrau· ....................................................... b) Stellung der Ehegatten .................................................................

321 322 324 324 32S

Entscheidung für die Zeit nach der Scheidung ........................................... 1. Stellung des Vermieters ................................................................... 2. Zuweisung nach § 2 HVO .............................................. .......... ........ 3. Zuweisung nach § 4 HVO ................................................................ a) Einschränkung des billigen Ermessens .... ........ .............. ................... b) Anwendungsbereich des § 4 HVO .................................................. 4. Gestaltungsmöglichkeiten ..... ............ ......... ...................... ................. a) Teilung der Wohnung ........................................ ................ .......... b) Änderung der Vertragspartei gemäß § S Abs. I S. 1 1. Alt. und 2. Alt. HVO ............................. .......... ................ ...... ................. aa) Verfassungsmäßigkeit des § S Abs. 1 HVO ................................. bb) Zustimmung des Vermieters ....................................................

326 326 327 329 329 333

ce) Inhaltliche Änderungen? ......................................................... c) Rückwirkende Begründung eines Mietverhältnisses analog § S Abs. 2 HVO ....................................................................... d) Anordnungen zur Sicherung des Vermieters .................. .................... aa) Sicherheitsleistung ................................................................. bb) Mithaftung des weichenden Ehegatten ........................................ ce) Sicherungsübereignung ........................................................... dd) Räumungspflicht ................................................................... e) Regelung im Innenverhältnis ...... ............ .................... ................... t) Anordnung einer Ausgleichszahlung analog §§ 8 Abs.3 S. 2, 9 Abs. 2 S. 2 HVO ....................................................................

m. Entscheidung für die Zeit des Getrenntlebens

33S 336 338 340 341

34S 346 348 349

3S0 3S1 3S 1 3S2 3S7

........................................... 3S9

I . Zuweisung nach § 136 I b 8GB .......................................................... 3S9 2. Beteiligung des Vermieters ............................................................... 3S9 3. Gestaltungsmöglichkeiten .... .. ........................................................... 362

16

Inhalt a) Teilung der Wohnung

36S

b) Benutzungsregelung bei Zuweisung der Ehewohnung an einen Ehegatten......... ......................................................................... aa) Befristung ........................................................................... bb) Mietzinszahlung .................................................................... a) Ein Ehegatte ist Mieter ....................................................... ß) Beide Ehegatten sind Mieter ................................................ cc) Schönheitsreparaturen ............................................................. a) Ein Ehegatte ist Mieter ....................................................... ß) Beide Ehegatten sind Mieter ................................................ dd) Nebenptlichten ............. ........... ............................................. a) Ein Ehegatte ist Mieter ....................................................... ß) Beide Ehegatten sind Mieter ................................................ ee) Kaution I Vermieterpfandrecht .................................................. fl) Vergütung gemäß § 1361b Abs. 2 BGB ......................................

36S 366 366 366 368 368 369 370 370 371 371 371 372

B. Hausrat ............................................................................................. 374 I. Rechte Dritter am Hausrat ................................................................... 374

n. Gestaltungsmöglichkeiten bei der Hausratsverteilung ..... .......... ................ .... 374 1. Keine Eigentumsübertragung ............................................................. 2. Aufschiebend bedingtes Eigentum (§ 10 Abs. 2 HVO) ............................. a) Kaufvertrag mit beiden Ehegatten ........ ............... ..................... ....... b) Kaufvertrag mit einem Ehegatten .................................................... 3. Analoge Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 HVO ...................................... 4. Schuldenregelung gemäß § 10 Abs. I HVO .......................................... S. Verfahren nach §§ 1361. BGB, 18a HVO ............................................

37S 376 377 378 379 380 383

Zusammenfassung der wichtigstea Ergebnisse ................................................... 38S Literatur ................................................................................................... 391

Einleitung Die Hausratsverordnung (HVO) räumt dem Richter weitreichende Befugnisse bei der Gestaltung der den Hausrat und die Ehewohnung betreffenden Rechtsverhältnisse ein. Der Richter kann zum Beispiel Eigentum übertragen (§§ 8 Abs. 3, 9 Abs. 2 S. 2 HVO), Mietverhältnisse (§§ 5 Abs. 2, 9 Abs. 2 S. 1 HVO) und Forderungen (Festsetzung einer Ausgleichszahlung nach § 8 Abs. 3 S. 2 HVO oder eines Entgelts nach § 9 Abs. 2 S. 2 HVO) begründen. Derart weitreichende Eingriffe in private Rechtsverhältnisse, die nach allgemeinen Vorschriften der Privatautonomie unterliegen, sind wohl kaum in einem anderen Verfahren möglich. Der Handlungsspielraum des Hausratsrichters ist jedoch nicht klar umrissen. Die Vielzahl der denkbaren Fallgestaltungen führte dazu, daß die Vorschriften der HVO oftmals eine weite Fassung erhielten, aus der die Handlungsbefugnisse des Richters nicht immer eindeutig hervorgehen. Auch in Literatur und Rechtsprechung herrscht hinsichtlich der sich daraus ergebenden Probleme häufig keine Übereinstimmung. Von besonderer Bedeutung ist § 2 HVO, der jeder Entscheidung des Hausratsrichters zugrunde liegt und bestimmt, daß der Richter die Rechtsverhältnisse nach "billigem Ermessen" gestaltet. Er hat dabei § 2 Satz 2 HVO zu beachten, der aber nur wenige Anhaltspunkte enthält, weIche Umstände und Grundsätze bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen sind. Es ist daher zu untersuchen, weIche Umstände der Richter in seine Billigkeitsabwägung gemäß § 2 HVO einzubeziehen hat und wie diese zu gewichten sind, d. h. ob eine und gegebenenfalls weIche Rangfolge besteht. Weiter ist zu prüfen, weIche Einschränkungen des billigen Ermessens gemäß § 2 HVO sich aus dem Grundsatz der Parteiautonomie (§ 1 HVO, privatrechtliches Streitverfahren) sowie aus den besonderen Verteilungsvorschriften der HVO und den darin zum Ausdruck kommenden Grundsätzen des besonderen Schutzes der Eigentumsrechte (§§ 3, 9 HVO, in deren Tatbestand eine gesteigerte Stufe der Billigkeit enthalten ist) und der Rechte Dritter (§§ 4, 5 Abs. 1 S. 2, 7, 10 Abs. 2, 12 HVO) ergeben.

2 Scharfschwerdt-Otto

1. Te i 1

"Grundlagen" des Hausratsverfahrens und Anwendungsbereich der HVO 1. Kapitel

"Grundlagen" des Hausratsverfahrens I. Entstehungsgeschichte Die Bestimmung des Handlungsspielraums des Hausratsrichters und die Konkretisierung des billigen Ermessens gemäß § 2 HVO erfordern die Auslegung der für die Verteilung von Hausrat und Ehewohnung anzuwendenden Verteilungsvorschriften. Die Kenntnis der Entstehungsgeschichte der HVO gibt Aufschluß über die Normzwecke und die Zielsetzung der Verordnung, die im Rahmen der Auslegung von maßgeblicher Bedeutung sind.) Die Entstehung der HVO ist im wesentlichen auf zwei Gründe, von denen der eine rechtlicher, der andere tatsächlicher Natur ist, zurückzuführen. Letzterer stellt den unmittelbaren Anlaß zur Verkündung der Verordnung im Jahre 19442 dar - die infolge des 2. Weltkrieges eintretende Verknappung von Wohnraum und Hausrat. 3 Diese Verknappung verschärfte die Situation, daß für die Auseinandersetzung geschiedener Ehegatten über Hausrat und Ehewohnung für keinen der damals bestehenden Güterstände4 eine besondere Regelung vorlag und die vor Erlaß der HVO angewandten allgemeinen Vorschriften über die Aufhebung der Gemeinschaft keine befriedigende Lösung boten. Nach damals h. M. bestand hinsichtlich der Rechte an der Mietwohnung, der im gemeinsamen Eigentum der Ehegatten stehenden Ehewohnung sowie des gemeinsamen Hausrats zwischen den Ehegatten eine Besitz- und Rechtsgemeinschaft, die grundsätzlich gemäß §§ 752 ff. BGB auseinanderzusetzen

) Vgl. zur Gesetzesauslegung, Larenz, BGB-AT, 7. Auflage, § 4 ß S. 76 ff.; Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Auflage, S. 313 ff. 2 Oie Verordnung wurde am 21.10.1944 verkündet und trat am 1.11.1944 in Kraft, RGBI. I 256 3 Amtl. Erl. OJ 1944,278; Fehmel, Vorb. 1; Soergell Heintzmann, Vorbem. § 1 HVO Rdn. 1; Schubert, JZ 1983,939,941; Klemm, OR 1944,882 ff. 4 Gesetzlicher Güterstand war vor dem 1.4.1953 die ehemännliche Verwaltung und Nutznießung (§§ 1363 ff. BGB a.F.) und in besonderen Fällen galt die Gütertrennung (§§ 1426 ff. BGB a.F.); Wahlgüterstände (§§ 1437 ff. BGB a.F.): die allg. Gütergemeinschaft, die Errungenschaftsgemeinschaft, die Fahrnisgemeinschaft und die Gütertrennung.

1. Kap.: Grundlagen des Hausratsverfahrens

19

gewesen wäre. s Die Unzulänglichkeit der Vorschriften wurde schon kurze Zeit nach dem 1. Weltkrieg erkannt. Ihre Anwendung hatte zur Folge, daß die gemeinsamen, nicht in Natur teilbaren Gegenstände verwertet, d. h. verkauft werden mußten und der Erlös zwischen den Ehegatten verteilt wurde. Die Nachteile dieser Regelung waren zum einen, daß auf diese Weise keiner der Ehegatten die Hausratsgegenstände erhielt. Zum anderen boten die §§ 752 ff. BGB für die Auseinandersetzung von Mietrechten keine handhabbare Lösung. 6 Die Teilung in Natur kam in der Regel nicht in Betrache und es galt als unstatthaft, die Wohnung einem Dritten zu überlassen. 8 Es wurde jedoch auch nicht für zulässig gehalten, die Wohnung unter den Ehegatten zu versteigern (als Teilhaber der Gemeinschaft, § 753 Abs. 1 S. 1 BGB), da "die ethische, soziale und wirtschaftliche Bedeutung der Ehe" es verbiete, die Wohnung dem kapitalkräftigeren Ehegatten zu überlassen. 9 Nicht in Betracht kam im Gemeinschaftsrecht die Teilung durch den Richter, die im gemeinen Recht möglich war, aber von der 1. BGB-Kommission abgelehnt wurde. 1O Obwohl bis Anfang der 40er Jahre die in Literatur und Rechtsprechung h. M. sich dagegen wendete, familienrechtliche Grundsätze auf eine gemeinschaftlich gemietete Wohnung zu übertragen 11 , hatten schon seit 1925 einzelne Gerichte die Wohnungsgemeinschaft der Ehegatten nicht allein nach schuldrechtlichen Grundsätzen beurteilt, sondern als Rechts- und Besitzgemeinschaft angesehen, deren Grundlage die Ehe bildete und für deren Auflösung mangels Bestimmungen im BGB eine "echte Gesetzeslücke" bestand, die durch den

5 Nach a. A. bestand hinsichtlich des Mietrechts eine Gesellschaft, Roquette, JW 1939,392 u. DR 1941, 2262, 2266; Ablehnung der Anwendung von Gemeinschaftsrecht, AG Charlottenburg, bei Scholtz, DR 1941,691 f; rur eine Gemeinschaft LG Berlin n, JW 1925,392; LG Berlin I, JW 1929,2631 mit Anm. Mittelstein; LG Berlin m, JW 1930,3256, 3257; weitere Nachweise bei Henseler, Jher. Ib. Bd. 80, S. 374 Fn. 27 6 Vgl. Hoffrnannl Stephan, Vorb. Rdn. 3; Klemm, DR 1944, 882; Vogel, JR 1949,430; Siegelmann, Hausratsverordnung 1949, Vorwort 7 Sie galt als "unmöglich" und ·zweckwidrig", Schubert, JZ 1983, 939, 941; bejaht von Scholtz, DR 1941,691,692, als ·natürliche Lösung", soweit dies aufgrund der "räumlichen und persönlichen Verhältnisse" möglich ist. 8 Staudinger/Kiefersauer, 11. Auflage, § 535 Rdn. 9 9 Henseler, Jher. Jb. Bd. 80, S. 380; ähnlich Scholtz, DR 1941,691,694, der den Mietrechten aufgrund der Wohnungszwangswirtschaft die Verkehrsfähigkeit absprach; LG Berlin JW 1929, 2631,2633 und DR 1939,934,935 10 Zu den Einzelheiten Schubert, JZ 1983,939

11 So daß ggfs. nur die Kündigung der Wohnung blieb, vgl. Klemm, DR 1944, 882, 883; Anm. Stern zu LG Berlin m, JW 1930, 3256; OLG Königsberg, DWohnA. 1936, 226 (später a. A. DR 1944,69); LG Berlin, DR 1941,2567; Stutzer, DR 1939, 1361 und das KG, DWohnA. 1941, 94 hielten § 753 dann nicht rur anwendbar. Es sei die gemeinsame Kündigung erforderlich; OLG Königsberg, HRR 1942, 97; RGZ 138, 183, 186; weitere Nachweise bei Staudinger/Kiefersauer, BGB, 10. Auflage 1937, § 535 Rdn. 9; ggfs. sollte ein Ehegatte gegen den anderen Klage auf Zustimmung zur Kündigung erheben können, vgl. Roquene, DR 1941,2262

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1. Teil: Grundlagen des Hausratsverfahrens und Anwendungsbereich der HVO

Richter auszufüllen sei. 12 Eine Lösungsmöglichkeit wurde in der Anknüpfung an die im Rahmen der Ehescheidung wesentlichen Kriterien gesehen. Wie schon nach dem 1. Weltkrieg trat die Problematik der Verteilung der Ehewohnung und des Hausrats mit der erneuten Verknappung des Wohnraums und der Hausratsgegenstände zu Beginn des 2. Weltkriegs wieder in den Vordergrund. Es bestanden die unterschiedlichsten Meinungen, welcher Art die Rechtsverhältnisse an Hausrat und Wohnung seien und in welcher Weise die Auseinandersetzung stattzufmden habe. 13 Die Ansicht, die eine rechtsgestaltende Tätigkeit des Richters zur Ausfüllung der bestehenden Gesetzeslücke bejahte, verbreitete sich in Literatur und Rechtsprechung. I. Als Kriterium für die Wohnungszuweisung, deren Ausgestaltung im einzelnen umstritten war, wurde das "größere Wohnbedürfnis und die größere Würdigkeit" eines Ehegatten genannt. Dieses sollte sich wiederum danach richten, bei welchem Ehegatten die Kinder verbleiben und wen die geringere Schuld an der Scheidung treffen würde. 15 Weiter fanden auch beruflichel6 und wirtschaftliche l7 Interessen Berücksichtigung. Der Schuldausspruch im Scheidungsverfahren wurde in unterschiedlicher Weise gewertet. 18 Die Rechtsgestaltung erfolgte auf der Grundlage des § 242 BGB, teilweise wurden auch ausdrücklich die Grundsätze der unzulässigen Rechtsausübung l9 oder die Theorie vom Wegfall der Geschäftsgrundlage herangezogen. 20 Die Diskussion wurde durch die Entscheidung des RG vom 30.10.1943 vorläufig beendet, in der das RG feststellte, daß die Ehewohnung nach rechtskräftiger Scheidung demjenigen zuzuweisen sei, "der sich nach einer alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden Billigkeitserwägung als der näher berechtigte" erwies. 21 Als bei der "Billigkeitserwägung" zu beachtende Gesichtspunkte nannte das RG die, "die zur Lösung der Ehe geführt haben, also insbesondere die Schuldfrage, und andererseits die

12 Vgi. Schubert, JZ 1983,939,940; Zitat Hadamczik, Das Mietgericht 1927, 125, 127; siehe auch Klemm, DR 1944, 882; die von der Hamburger Mietberufungskammer begründete Rspr. wurde vom LG I Berlin übernommen, JW 1929,2631; siehe auch Scholtz, DR 1941,691,692 13 Ob schuld- oder familienrechtlicher Natur, Gemeinschaft oder Gesellschaft, automatische Auflösung mit Scheidung oder Aufhebung, Bedeutung der Mietereigenschaft oder Mitunterzeichnung des Mietvertrages; zum Meinungsstand vgi. die Darstellung von Klemm, DR 1944, 882 ff. 14 Nachweise bei Klemm, DR 1944,882,883 15 Schubert, JZ 1983,939,940; Klemm, DR 1944,882,883 16 Stutzer, DR 1939, 1358, 1362; LG Braunschweig, DR 1941,2568; vgi. auch Klemm, DR 1944,882, 886 f. 17 Stutzer, DR 1939, 1358, 1362; OLG Hamburg, DR 1943,348,349; LG Berlin, DR 1939, 934,935 18 Vgi. Klemm, DR 1944,882, 883; dazu unten S. 129 ff. 19 OLG Zweibrücken, DR 1944, 1891

20 Vgi. Weise, Die Wohnung der geschiedenen Ehegatten unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, DR 1943, 1061 21 RG, DJ 1943,591 (Gemeinschaft "familienrechtlicher Art", auf§§ 242, 1353 BGB gestützt, offen blieben: Belange des Vermieters, Ehewohnung im eigenen Haus, Verteilung des Hausrats)

1. Kap.: Grundlagen des Hausratsverfahrens

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Bedürfnislage der Ehegatten, namentlich desjenigen, in dessen Betreuung die der bisherigen Familiengemeinschaft angehörigen Kinder verbleiben". Nach Ausarbeitung zweier Entwürfe aufVeranIassung des Justizministeriums im Frühjahr 1944, lag am 17.7.1944 die endgültige Fassung der HVO vor. In § 2 wurden auch die "Ursachen der Eheauflösung" ausdrücklich als Umstände aufgeführt, die der Richter bei seiner Entscheidung zu beachten hatte. 22 Im Gegensatz zu der von der Rechtsprechung vorgenommenen Weiterentwicklung der allgemeinen Vorschriften, die sich auf die Zuweisung der Ehewohnung bezog, sind die durch die HVO eingeräumten Verteilungsmöglichkeiten weitaus umfangreicher. Die HVO ermöglicht eine Aufteilung des Hausrats unter den Ehegatten. Der Richter ist befugt, die Rechtsverhältnisse an Ehewohnung und Hausrat nach Billigkeitsgesichtspunkten auch unter Berücksichtigung des familienrechtlichen Bezugs der Verteilungsgegenstände vorzunehmen. Aufgrund des Einflusses der Oberlandesgerichte23 ist ferner die Eigentumsvermutung in § 8 Abs. 2 HVO aufgenommen worden. Die auch nach Erlaß der HVO häufig kritisierte Eigentumsvermutuni4 war in den Entwürfen noch nicht enthalten. Die HVO eröffnet die Möglichkeit, auch gegen den Willen des Vermieters 25 , Mietverhältnisse umzugestalten oder neu zu begründen - ungeachtet welcher der Ehegatten bisherige Vertragspartei war. Ein Eingriff in die Rechtsposition des Vermieters war zuvor nur von wenigen Autoren bejaht worden. 26 Die HVO läßt auch Eingriffe in die Rechte der Grundstückseigentümer, des Dienstherm und Personen, mit denen ein Ehegatte oder beide Ehegatten hinsichtlich der Ehewohnung in Rechtsgemeinschaft stehen, zu. Diese Personen sind aber an dem Verfahren zu beteiligen (§ 7 HVO) und nach Ablauf der Jahresfrist des § 12 HVO ist ihre Zustimmung erforderlich. Weiteren Schutz gewähren die besonderen Vorschriften über die Verteilung der Ehewohnung (§§ 3, 4, 5 Abs. 1 HVO).27 Entgegen der früheren Rechtsprechung, die den dinglichen Rechten eines Ehegatten regelmäßig vorrangige Bedeutung ZUmaß28, ist gemäß § 3 HVO zum Beispiel auch eine Zuweisung der Ehewohnung an den Nichteigentümer-Ehegatten möglich, wenn

22 Die HVO wurde als 6. Durchruhrungsverordnungzum Ehegesetz vom 6.7.1938 (RGBI. I, S. 807) erlassen im Rahmen der Ermächtigung des Reichsjustizministers gemäß § 131 Ehegesetz; zu den näheren Umständen siehe Schubert, JZ 1983,939,942 f.; Kuhnt, AcP 150, 130 f.; Johannsen/Henrich/Voelskow, Anh. § 1361b, Vorb. Rdn. 1 23 Vor allem aus verfahrensrechtlichen Gründen, um umfangreiche Beweisaufnahmen über die Eigentumsfrage entbehrlich zu machen, vgl. Schubert, JZ 1983,939,942 f. 24 Vgl. Müller-Freienfels, JZ 1957,685,693 f.; Gernhuber, Familienrecht, § 29 D 4. S. 381 25

Wenn auch zeitlich befristet, § 12 HVO

Vgl. z.B. Scholtz, DR 1943,833; einschränkend Weise, DR 1943, 1061, der von unzulässiger Rechtsausübung seitens des Vermieters ausgeht; a. A. Stutzer, DR 1939, 1358; Dahm, DR 1941, 1593; KG, DR 1944,371; OLG Stettin, DR 1943,615; LG Berlin, DR 1941,2567 27 Die näheren Einzelheiten werden im 3. Teil der Arbeit dargelegt; rur den Hausrat vgl. § 10 Abs. 2 HVO 28 Vgl. die Darstellung von Klemm, DR 1944,882, 885 26

22

I. Teil: Grundlagen des Hausratsverfahrens und Anwendungsbereich der HVO

auch nur unter besonderen Voraussetzungen. 29 Die Kritik der Oberlandesgerichte führte auch zu der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung des Hausratsverfahrens zu einem Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FG)30, da ein "außerstreitiges Verfahren geeigneter" als der "Prozeßweg" sei. 31 Die HVO ist mehrfach geändert worden, u. a. durch das Gleichberechtigungsgesetz vom 18.6.1957 32 , das 1. EheRG vom 14.6.197633 und zuletzt durch das Unterhaltsänderungsgesetz vom 20.2.1986 34. Neben der Einführung materiellrechtlicher Vorschriften für die Verteilung von Ehewohnung und Hausrat für die Zeit des Getrenntlebens (§§ 1361a, 1361b BGB) erforderte die Entwicklung des Familienrechts, insbesondere die Einführung des Scheidungsverbundverfahrens und die Aufgabe des Verschuldensprinzips zugunsten des ZerrüUungsprinzips, die Anpassung der Vorschriften der HVO. Die wichtigsten Änderungen werden in der Zusammenstellung der Verfahrensvorschriften35 beziehungsweise im Zusammenhang mit der jeweiligen Einzelproblematik erwähnt.

11. Änderung der Nonnzwecke? Die Entstehungsgeschichte der HV(Y6 läßt erkennen, daß der wesentliche Grund für den Erlaß der HVO die unbefriedigenden Lösungsmöglichkeiten der Auseinandersetzung der Ehegatten über Ehewohnung und Hausrat nach Gemeinschaftsrecht waren 31 Auch die in der Rechtsprechung erfolgte Weiterentwicklung der Auseinandersetzung über die Ehewohnung konnte den vielfaltigen Fallgestaltungen nicht gerecht werden und hot keine einheitliche Lösung. 38 Dies wird anband der oben genannten Neuerungen deutlich, die die

29 Oer Richter soll die Wohnung dem anderen Ehegatten gemäß § 3 HVO nur zuweisen, wenn dies notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. 30 Vgl. Schubert, JZ 1983,939, 942, das OLG Königsberg sprach sogar sein Bedauern aus, daß seinerzeit kein Familiengericht geschaffen werden konnte. 31 Amtl. Erläuterung, DJ 1944,278, siehe dazu unten S. 32 f. 32 BGBI. 1609 33

BGBI. I 1421

34

BGBI. I 301

Siehe unten, S. 29 ff.; zu den Änderungen im übrigen Hoffmannl Stephan, Vorb. Rdn. 4; MüKo/Müller-Gindullis, Vorb. Rdn. 5-12; Fehmel, Vorb. Rdn. 7 sowie die Bemerkungen bei den jeweiligen Vorschriften; Soergel/Heintzmann, Vor § I Rdn. 4-6; RGRK/Kalthoener, § I Rdn. I 36 Unter Einbeziehung der Vorgeschichte in der Weimarer Zeit 35

31 Vgl. Schubert, JZ 1983, 939, 943, " ... im wesentlichen die Grundsätze der starren Teilungsregelung des § 753 BGB korrigiert werden sollten." unter Hinweis auf die amtl. Erläuterung, OJ 1944,278; Klemm, OR 1944,882 38 Vgl. Klemm, OR 1944, 882, 884, der auf den uneinheitlichen Meinungsstand und die nicht zu erwartende "klare Linie" bei der Bewältigung der Probleme hinweist.

1. Kap.: Grundlagen des Hausratsverfahrens

23

Regelungen der HVO von der früheren Rechtsprechungspraxis unterscheidet. Der Erlaß der HVO war notwendig, um einerseits durch Vereinheitlichung der Rechtsprechung die erforderliche Rechtssicherheit zu gewährleisten, insbesondere aufgrund der weitreichenden Eingriffe des Richters in die Rechtsverhältnisse der Parteien. Letztere erforderten zum anderen vor allem in bezug auf die Auseinandersetzung über den Hausrat und die damit verbundenen Eingriffe in Besitz- und Eigentumsrechte, die nicht nur durch Ausfüllung einer Gesetzeslücke gerechtfertigt werden konnten, eine besondere rechtliche Grundlage. 39 Es herrscht Einigkeit darüber, daß das Problem der nur begrenzt möglichen Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschriften (§§ 741 ff. BGB) auf die Auseinandersetzung von Ehewohnung und Hausrat nach wie vor besteht. 4O Der Normzweck der HVO, eine Verteilung des Hausrats und der Ehewohnung zu ermöglichen, die das zwischen den Ehegatten aufgrund der ehelichen Gemeinschaft bestehende familienrechtliche Verhältnis sowie dessen "Nachwirkungen" berücksichtigt und nicht nach strengen schuldrechtlichen Vorschriften vorzunehmen ist, sondern Billigkeitserwägungen zuläßt41 , hat weiterhin Bestand. Das Hausratsverfahren dient "der Bewältigung ehelicher Vergangenheit""2 Der den Scheidungsfolgeregelungen des Versorgungs- und Zugewinnausgleichs zugrundeliegende Gedanke des Ausgleichs einer gemeinsamen Lebensleistung liegt auch in bezug auf die Auseinandersetzung des Hausrats und der Ehewohnung nahe. Der zur Zeit des Erlasses der HVO geltende gesetzliche Güterstand der Verwaltung und Nutmießung sah einen Ausgleich des während der Ehe erwirtschafteten Vermögens nicht vor. Die Zuteilung im Hausratsverfahren stellte sich für die den Haushalt führende und wirtschaftlich in der Regel schwächer gestellte Ehefrau gleichzeitig als Ausgleich für die geleisteten Beiträge zur ehelichen Gemeinschaft dar. Mag sich die Ausgleichsfunktion auch erstmals in der HVO konkretisiert haben, so ist diese jedoch bei Einführung des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft durch das GleichberG vom 18.6.19Sr3 in den Hintergrund getreten. Bei dem Hausratsverfahren handelt es sich auch nicht um eine rein vermögensrechtliche Auseinandersetzung. Die Regelungsgegenstände Hausrat und Ehewohnung haben nicht nur vermögensrechtliche Bedeutung. Die Ehe- und Familienwohnung gehört zum äußeren, dem grundgesetzlich geschützten räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe, der die materielle Grundlage für die gemeinsame Lebensführung darstellt und gleichzeitig einzelnen Familien-

39

Vgl. Klemm, DR 1944,882,884

Vgl. Johannsen/Henrich/Voelskow, Anh. § 1361b Vorb. Rdn. S; Soergel I Heintzmann, Vorb. Rdn. 2; Gernhuber, Familienrecht, § 29 U I S. 379 41 Vgl. MüKo/Müller-Gindullis, Vorb. Rdn. I und 2; Gernhuber, Familienrecht, § 29 U I S. 379; Vogel, JR 1949,430 42 RGRK/Kalthoener, § 2 Rdn. 6 43 BGBI. 1609 40

24

1. Teil: Grundlagen des Hausratsverfahrens und Anwendungsbereich der HVO

mitgliedern die Möglichkeit zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit geben soll.44 Dieser Umstand muß auch bei der Auseinandersetzung von Ehewohnung und Hausrat berücksichtigt werden . .. Die HVO wurde insbesondere in der Nachkriegszeit neben einigen kritischen Außerungen45 überwiegend gelobt und als "Fortschritt in der Rechtsentwicklung"46 bezeichnet. 47 Heute wird zum Teil die Auffassung vertreten, daß die Zwecksetzung der HVO, den Wohnraum und die Hausratsgegenstände aufgrund bestehender Wohnungsknappheit und Schwierigkeiten bei der Anschaffung von Hausratsgegenständen den Ehegatten auch nach der Scheidung zukommen zu lassen4S, sich wegen der geänderten äußeren Gegebenheiten gewandelt habe. 49 Die Ansicht Gernhubers, die "praktische Bedeutung" der HVO sei "von Jahr zu Jahr" geringer geworden5O, wurde aber durch empirische Untersuchungen bisher nicht nachgewiesen. 51 Auch wenn heute von einer Verknappung der Hausratsgegenstände nicht mehr gesprochen werden kann, ist doch nicht zu verkennen, daß nach wie vor häufig ein Bedürfnis der Ehegatten bestehen mag, im Wege dieses Verfahrens Hausratsgegenstände oder die Ehewohnung zugeteilt zu bekommen. Fehmel nennt als Gründe Arbeitslosigkeit, steigende Mieten und Preise. 52 Lynker sieht gerade bei den einkommensschwachen Bevölkerungsteilen eine oft erbitterte Auseinandersetzung über Ehewohnung und Hausrat. S3 Weiter ist auf die sich gerade in jüngster Zeit zuspitzende Lage auf dem Wohnungsmarkt hinzuweisen. Rabl kam bei seiner Auswertung von 148 Verfahren der Amtsgerichtsbezirke München, Straubing und Viechtach aus den Jahren 1980-1984 zu dem Ergebnis, daß die Zahl der Hausratsverfahren zunimmt und die der Zugewinnausgleichsverfahren übersteigt. 54 Die HVO sei häufig der außergerichtlichen Streitbeilegung förderlich 44

BGHZ 6, 360, 365

Müller, NJW 1947/48,41,43, nennt sie ein "arges Stückwerk"; Siegelmann, Hausratsverordnung, 1949, Vorwort S. 3 behauptet, die HVO sei bei Richtern und Anwälten unbeliebt. 46 Kuhnt, AcP ISO, 130, 132 45

47 Kirstein, NJW 1947/48,467 f. "brauchbares Instrument"; Vogel, IR 1949,430 "erhebliche Bedeutung"; vg\. Breetzke, DRiZ 1956, 170, 171 (Fn. 2) "besonders segensreich" 4S Amt\. Er\. DJ 1944,278; Klemm, DR 1944,882 49 So Johannsen/Henrich/Voelskow, Anh. § 1361b Vorb. Rdn. 5; Gemhuber, § 29 D 1 S.379 50 Gemhuber, Familienrecht, § 29 DIS. 379; vgl. auch Fehmel, Vorb. Rdn. 3; Vlassopoulos, S. 94 51 Vg\. Schubert, JZ 1983,939,944; vgl. auch Struck, ZRP 1983,215,219 52 Fehmel, Vorwort

53

Lynker, JurBüro 1979,955

Rabl, Die Ehewohnung, S. 245, 281; die HVO stelle ein "äußerst segensreiches Instrument zur Lösung schichtenspezifischer Wohnungsprobleme" ,insbesondere von einkomm!!nsschwachen, in Mietwohnungen lebenden Kleinfamilien (bis zu 2 Kindern) dar. Vg\. auch die Ubersicht über den Geschäftsanfall bei den Justizbehördendes Landes Niedersachsen, Bek. d. MJ v. 23.2.1990, Nds. Rpfl. 1990,78,79 (1989: Hausratssachen2070 (iso\. Verfahren 1556), Güterrechtssachen 1407 (695» 54

1. Kap.: Grundlagen des Hausratsverfahrcns

25

und zur Regelung der zum Teil mit Gewalttätigkeiten ausgetragenen Ehestreitigkeiten unerläßlich55 • Müller-Alten stellte in seiner im Jahre 1984 erschienenen juristischen und empirischen Untersuchung fest, daß in den untersuchten Scheidungsverfahren ein hoher Anteil an einverständlichen Regelungen über Hausrat und Ehewohnung vorlag, der aber von den Quoten der Folgesachen Ehegattenunterhalt und elterliche Sorge noch übertroffen wurde. 56 Es ist somit davon auszugehen, daß die HVO nach wie vor von praktischer Relevanz ist und der Nonnzweck, die Bedürftigkeit eines oder beider Ehegatten bei der Verteilung von Hausrat und Ehewohnung zu berücksichtigen, weiterhin Bestand hat, auch wenn die Bedürftigkeit heute auf andere Gründe als die kriegsbedingte Verknappung von Wohnraum und Hausratsgegenständen zurückzuführen ist. Die kriegsbedingte Verknappung von Hausrat und Wohnraum war zweifellos von ausschlaggebender Bedeutung für den Erlaß der Verordnung. Aber auch schon vorher hatte die Rechtsprechung die Bedürftigkeit eines Ehegatten für ein maßgebliches Zuweisungskriterium gehalten. 57 Neben dem Gedanken der Vergangenheitsbewältigung wird das Hausratsverfahren somit von dem zukunftsorientierten Aspekt der Bedarfsdeckung getragen, der auch die unterhaltsrechtliche Scheidungsfolgenregelung beherrscht. Im Hinblick auf die Verteilung kann hier ebenfalls das "Maß der geschuldeten Solidarität" durch die "ehebedingte Bedürftigkeit" bestimmt werden. 58 Die mit der HVO angestrebte Zielsetzung, eine schnelle, praktisch handhabbare und flexible Durchführung des Verfahrens zu ermöglichen59 , hat weiterhin Bestand. Soweit eine an den Bedürfnissen der Ehegatten orientierte Verteilung von Ehewohnung und Hausrat besteht, ist auch die Notwendigkeit einer schnellen und zweckmäßigen Verfahrensweise zu bejahen. Darüber hinaus sollen die zwischen den Ehegatten bestehenden vermögensrechtlichen Bindungen nach der Scheidung nur solange wie unbedingt nötig aufrechterhalten bleiben. Dieser Grundsatz ist insbesondere durch die Einbeziehung des Hausratsverfahrens in den Scheidungsverbund im Rahmen des 1. EheRG zum Ausdruck gekommen. 60

55 Letztere sind nicht auf einkommensschwache Bevölkerungsschichtcn beschränkt, vgl. Rabl, S.282 56 Müller-Alten, Ehescheidung und Scheidungsverträge, S. 232 ff., 239 f. 57 Vgl. KG, DR 1944,369 und 371; siehe weiter oben S. 19 f., vgl. auch Kuhnt, AcP 150, 130, 140, " ... die VO war lange vor dem Kriege Gegenstand gesctzgeberischer Erwägungen". 58 Gernhuber, Familienrecht, § 30 I. 2. S. 383 59 Amtl. Erl. DJ 1944,278; BGH FamRZ 1984, 144=NJW 1984, 484; Fehmel, Vorb. Rdn. 2; MüKo/Müller-Gindullis, Vorb. Rdn. 2 60 BT-Drucks. 7/650 S. 223; vgl. lohannscn/Henrich/Voelskow, Anh. § 136lb, Vorb. Rdn. 5, außerdem muß bei einverständlicher Scheidung der Nachweis einer Einigung der Ehegatten über diese Folgesache erbracht werden, § 630 Abs. 1 Nr. 3 ZPO

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I. Teil: Grundlagen des Hausratsverfahrens und Anwendungsbereich der HVO

Die Fassung der HVO zeigt, daß neben den familienrechtlichen Grundsätzen, die in das Auseinandersetzungsverfahren einflossen und eine von den allgemeinen Vorschriften abweichende Regelung bewirkten, zwei wesentliche allgemeine Rechtsprinzipien nur in begrenztem Umfang durchbrochen wurden. Dies ist auch in der Entstehungsgeschichte der HVO nachvollziehbar. Es handelt sich zum einen um den Grundsatz des Schutzes des Eigentums, der in den Verteilungsvorschriften der HVO (§§ 3 und 9 HVO) zum Ausdruck kommt. Eingriffe sollen nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen erfolgen. Die im Haus eines Ehegatten gelegene Ehewohnung soll dem anderen Ehegatten nur zugewiesen werden, wenn dies zur Vermeidung einer unbilligen Härte notwendig ist (§ 3 HVO). Die im Alleineigentum eines Ehegatten stehenden Hausratsgegenstände kann der Richter nach dem Wortlaut des § 9 HVO dem anderen Eht;gatten zuweisen, wenn es sich um notwendige Gegenstände handelt und die Uberlassung an den anderen dem Eigentümer zumutbar ist (§ 9 HVO). Nach der vor Erlaß der HVO herrschenden Auffassung war der Richter nicht zur Gestaltung berechtigt, wenn dingliche Rechte der Ehegatten entgegenstanden. 61 Die Entwürfe zur HVO sahen die Miteigentumsvermutung des § 8 Abs. 2 HVO noch nicht vor. 62 In der amtlichen Erläuterung wird ausgeführt, daß die Verordnung es vermeiden wolle, "in die Eigentumsverhältnisse mehr als unbedingt notwendig einzugreifen". 63 Bei dem anderen Grundsatz, der vor allem in den §§ 4, 5 Abs. 1 S. 2, 7, 10 Abs. 2 und 12 HVO zum Ausdruck kommt, handelt es sich um den besonderen Schutz der Rechte Dritter. Eingriffe in die Rechte Dritter sollen auf das unbedingt notwendige Maß begrenzt werden. 64 Eine Verteilung von im Eigentum Dritter stehenden Hausratsgegenständen ist grundsätzlich nicht möglich. 63 Bei der Zuweisung der Ehewohnung sind zwar Eingriffe in die Rechte des Vermieters zulässig, aber auch nur in einem bestimmten zeitlichen Rahmen (§ 12 HVO). Es können Anordnungen zur Sicherung der Anspruche des Vermieters getroffen werden (§ 5 Abs. 1 S. 2 HVO). Dienst- und Werkwohnungen sollen dem anderen Ehegatten nur mit Einverständnis des Dritten zugewiesen werden (§ 4 HVO). Vermieter und Dienstherr sind an dem Verfahren zu beteiligen (§ 7 HVO). Der Eingriff in die Rechte Dritter war in der Zeit vor

61

Vgl. Klemm, DR 1944,882,885; Dahm, DR 1941, 1593

Vgl. Schubert, JZ 1983,939,941,943, in den Entwürfen wurde außerdem hinsichtlich der im Alleineigentum eines Ehegatten stehenden Gegenstände zwischen "lebensnotwendigen Einrichtungsgegenständen" und "Gegenständen des täglichen Bedarfs" unterschieden, wobei hinsichtlich ersterer nur ein Benutzungsrecht eingeräumt werden konnte. 63 Amtl. Erl. DJ 1944,278,279 zu § 3; OLG Stuttgart, OLGZ 1968, 126, 127; vgl. auch BayObLG, FamRZ 1974, 17, 18 und FamRZ 1977,467,471 "möglichst nicht" 64 Vgl. BayObLGZ 1956,370,376 m.w.N. und 1957,33, 37 62

63 Vgl. Kuhnt, AcP ISO, 130, 151 f.; MüKo/Müller-Gindullis, § 8 Rdn. 14; Fehmel, § 8 Rdn. 3

1. Kap.: Grundlagen des Hausratsverfahrens

27

Erlaß der HVa von der übetwiegenden Meinung abgelehnt worden. 66 Im Rahmen der Diskussion der Entwürfe zur HVa wurde die Stärkung und Sicherung der Rechtsposition des Vermieters gefordert. 67 Die genannten Vorschriften der HVa, die die dinglichen Rechte der Ehegatten und die Rechtspositionen von Drittbeteiligten betreffen, gehören abgesehen von § 12 HVa, der dem Abschnitt der Verfahrensvorschriften unterstellt ist - zu den besonderen Verteilungsvorschriften für die Ehewohnung (§§ 3-7 HVa) und den Hausrat (§§ 8-10 HVO). Diese stellen die "Grenzen" für die gemäß § 2 HVa nach billigem Ermessen vorzunehmende Gestaltung des Hausratsrichters dar. 61 Zusammenfassend ist festzuhalten, daß sich die Normzwecke der HVa nicht entscheidend gewandelt haben, auch wenn der tatsächliche Hintergrund, der wesentlich zum Erlaß der Verordnung beitrug69, nicht mehr besteht. Mit dem Erlaß der Verordnung wurde "einem schon seit längerem bestehenden Bedürfnis Rechnung tragend, die auf die Eigentums- und Besitzverhältnisse abgestellte Regelung des Hausrats im BGB zugunsten einer die Bedürfnisse des Lebens und die wirtschaftlichen Verhältnisse sowie den Billigkeitsgedanken stärker berücksichtigenden Auffassung"70 ersetzt. Im Rahmen der Gesetzesauslegung kann anband "objektiv-teleologischer" Kriterien71 , wie allgemein geltenden Rechtsgrundsätzen, die ihrerseits durch die Rechtsprechung und die Gesetzgebung konkretisiert werden, auf die sich wandelnden Verhältnisse eingegangen werden. Schon jetzt wird deutlich, daß die Grundsätze des Schutzes des Eigentums und der Rechte Dritter den Normzwecken, die auf eine an der Bedürftigkeit und an mit der ehelichen Gemeinschaft zusammenhängenden Billigkeitsgesichtspunkten orientierte Verteilung gerichtet sind, entgegenstehen können. Da auch die besonderen Verteilungsvorschriften aufgrund einer weiten Fassung häufig einer Auslegung bedürfen und somit die Rechtspositionen des

66 Vgl. Stutzer, DR 1939, 1358 f.; einschränkend Dahm, DR 1941, 1593 f.; KG, DR 1944, 371; OLG Stettin, DR 1943,615; LG Berlin, OR 1941,2567; in der Entscheidung des RG v. 30.10.1943, OJ 1943,591, konnte diese Frage offengelassen werden, da das Einverständnis des Vermieters vorlag. 67 Vgl. Schubert, JZ 1983,939,942

61 Habscheid, FG, § 51 IA 4. S. 379 und MüKo/Müller-Gindullis, § 2 Rdn. I, dazu im einzelnen unten S. 65 ff., 71 69 Vgl. Schubert, JZ 1983,939,943; Fehmel, Vom. Rdn. 1; MüKo/Müller-Gindullis, Vom. Rdn. I 70 Kuhnt, AcP 150, 130 f. 71

Larenz, BGB-AT, 7. Auflage, § 4 11 S. 79

28

1. Teil: Grundlagen des Hausratsverfahrens und Anwendungsbereich der HVO

Eigentümers und des Dritten nicht eindeutig feststehen'n, sind die auftretenden Streitfragen unter Beachtung der unterschiedlichen Normzwecke und deren jeweiliger Gewichtung zu entscheiden. Neben den Verteilungs- und Gestaltungsproblemen ist auch die Handlungsbefugnis des Hausratsrichters hinsichtlich zahlreicher verfahrensrechtlicher Fragen umstritten - zum Beispiel die Bindungswirkung des Antrags13 der Ehegatten nach § 1 HVO. 74 Weiter ist bisher nicht eindeutig geklärt, welche Anforderungen an eine umfassende Einigung der Ehegatten im Sinne von § 1 HVO zu stellen sind. Diese ist von dem Richter als Vorfrage zu prüfen und schließt eine sachliche Entscheidung aus. 75 Fraglich ist somit, inwieweit der Grundsatz der Parteiautonomie die Ermessensausübung des Hausratsrichters einschränkt, d. h. wieweit die Parteien auf den Verfahrensgegenstand Einfluß nehmen können und dieser dem Ermessen des Richters entzogen ist. Zutreffend stellt Gernhuber76 fest, daß "ein Anlaß zu Vermögenskorrekturen gegen den Willen der Ehegatten" zu keiner Zeit vorhanden war. Gleichfalls ist aber zu bedenken, daß es sich bei dem Hausratsverfahren um eine Angelegenheit der FG handelt77 , bei der der Richter eine "freiere Stellung"7S als im Zivilprozeß hat. Zunächst sind daher das Verfahren, in dem die Auseinandersetzung vorzunehmen ist, und der von den Ehegatten geltend gemachte Auseinandersetzungsanspruch näher zu betrachten.

'n z. B. ist streitig, ob es sich bei § 4 HVO um eine zwingende Vorschrift handelt, vgl. die Nachweise bei Fehmel, § 4 Rdn. 6 und siehe unten S. 329 fT., oder ob nach § 9 HVO die Eigentumsübertragung oder die Begründung ein~.s Mietverhältnisses zu erfolgen hat, Soergell Heintzmann, § 9 Rdn. 6 m.w.N. Fn. 6; keine Ubereinstirnrnungbesteht darüber, inwieweit bei einer Regelung für die Dauer des Getrenntlebens die Interessen des Vermieters zu berücksichtigen sind, vgl. Brudermüller, FamRZ 1987, 109, 120 und siehe unten S. 359 fT. 13 Für eine Einschränkung des Entscheidungsspielraums aufgrund der Fassung des Antrags spricht sich Habscheid, FG, § 51 I D 4. S. 383, aus entgegen BGHZ 18,143; vgl. dazu die Ausführungen unten S. 148 fT. und 171 fT. 74 Aus verfahrensrechtlicher Sicht ist auch die Einbeziehung des Vermieters in das Verfahren über die Zuweisung der Ehewohnung für die Dauer des Getrenntlebens streitig, siehe dazu Brudermüller, FamRZ 1987, 109, 120 75 Vgl. BGH FarnRZ 1979, 789, 790; Habscheid, FG, § 51 IA 2. c. S. 378; Fehmel, § 1 Rdn. 15 f. 76 Gemhuber, Familienrecht, § 29 D 2. S. 379

77

§ 13 Abs. 1 HVO

7S Baur, FG, Vorb., S. 1; zu den Unterschieden zwischen Zivilprozeß und FG-Verfahren, siehe

Habscheid, FG, § 4 111 1. S. 22 fT.

1. Kap.: Grundlagen des Hausratsverfahrens

29

IH. Hausratsverfahren als Familiensache und "echtes Streitverfahren" der FG 1. Verfahrensvorschrüten und Verfahrensgrundsätze

Die Unübersichtlichkeit der im Hausratsverfahren anzuwendenden Verfahrensvorschriften aufgrund der nebeneinander bestehenden Verfahrensordnungen für Familiensachen der FG und der ZPO wurde häufig kritisiert.79 Das Hausratsverfahren ist eine Familiensache der FG (§§ 23b Abs. 1 Nr. 8 GVG, 13 Abs. 1 HVO).80 Gemäß § 621a Abs. 1 S. 2 ZPO in Verbindung mit § 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO ist die Anwendung bestimmter Vorschriften der ZPO vorgeschrieben, um die Verfahren aller Familiensachen zu vereinheitlichen. 11 § 1 Abs. 2 und § 13 Abs. 1 HVO, die im Zuge des 1. EheRG entsprechend geändert wurden, verweisen folglich auf die ZPO. 82 In § 621a ZPO wird klargestellt, daß das Hausratsverfahren der FG zugewiesen bleibt.83 Neben den vorrangigen Bestimmungen der HVO sind somit die allgemeinen Verfahrensgrundsätze des FGG anzuwenden. 84 Dabei ist zu beachten, daß gemäß § 621a Abs. 1 S. 2 ZPO an die Stelle bestimmter FGG-Vorschriften (§§ 2-6, 8-11, 13, 14, 16 Abs. 1, 3, 17 FGG) die für das zivilprozessuale Verfahren maßgebenden Vorschriften treten. 8S Die Anwendbarkeit weiterer Vorschriften der ZPO und des GVG ergibt sich aus § 621a Abs. 1 S. 1 ZPO.86 Da es sich bei dem FGG um ein Rahmengesetz handelt, das keine umfassenden Verfahrensregelungen enthält87 , sind im Hausratsverfahren weitere Vorschriften der ZPO analog anwendbar, soweit nicht ~zielle Regelungen oder die Verfahrensgrundsätze der FG entgegenstehen. Das Verfahren der Hausrats-

79 Vgl. Brüggemann, FamRZ 1977, 19; MüKo/Müller-Gindullis, § 13 Rdn. 1; Fehmel, Vom. zu § 11 Rdn. 3 80 § 23 b GVG eingefügt durch das 1. EheRG v. 14.6.1976, BGBI. I 1421

81

Habscheid, FG, § 50 V A S. 357; Fehmel, § 13 Rdn. 10

82 Dabei handelt es sich um "überflüssige Doppelverweisungen", Habscheid, FG, § 50 V A

S. 358; Fehmel, Vom. § 11 Rdn. 1 83 Wie bisher nach § 13 Abs. 1 HVO, vgl. Habscheid, FG, § 50 V A S. 357

Das FGG gill als Rahmengesetz nur soweit nichts anderes bestimmt ist, § 1 FGG. Diese betreffen insbesondere die örtliche Zuständigkeit, die Ausschließung und Ablehnung des Richters, die Gerichtsferien, die Beteiligung von Beiständen und Bevollmächtigten oder die Bekanntgabe gerichtlicher Verfügungen; vgl. MüKo/Müller-Gindullis, § 13 Rdn. 2 86 Die Vorschriften der HVO und des FGG gelten nur "soweit sich aus diesem Gesetz oder dem Gerichtsverfassungsgesetz nichts anderes ergibt" (§ 621 a Abs. 1 S. 1 ZPO); dabei handelt es sich vor allem um die für das isolierte Verfahren geltenden §§ 621-621 fZPO, die für das Verbundverfahrengeltenden §§ 622-630 ZPO und um § 119 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 GVG, der die Zuständigkeit des OLG als Rechtsmittelgericht bestimmt. 87 OLG Hamm, NJW 1957, 1816 L; Liermann, NJW 1982,2229, dies treffe insbesondere auf die "echten Streitverfahren" zu 88 Vgl. Habscheid, FG, § 7 m S. 39 ff; Keidell Kuntze I Winkler, FGG, Vom. vor § 8 Rdn. 3; für das Hausratsverfahren siehe Fehmel, § 13 Rdn. 11-28 84

8S

30

1. Teil: Grundlagen des Hausratsverfahrens und Anwendungsbereich der HVO

teilung kann als Folgesache in den Scheidungsverbund eingebracht (§§ 623 Abs. I, 629 Abs. 1 ZPOr oder als isoliertes Verfahren geführt werden. Es ist zwischen dem Auseinandersetzungsverfahren anläßlich der Scheidung (§ 1 HVO) und der Verteilung von Hausrat und Ehewohnung unter getrenntlebenden Ehegatten zu unterscheiden. Die Verfahrensvorschriften der HVO, die §§ 11-1890 , gelten für beide Verfahren (§ 18a HVO), die materielle Grundlage für die Streitigkeiten getrenntlebender Ehegatten ist jedoch im BGB (§§ 1361a und 1361b) zu finden. 91 Die §§ 1-10 HVO sind in den Verfahren, die nur die vorläufige Benutzung und nicht die endgültige Zuteilung zum Gegenstand haben, grundsätzlich nicht anzuwenden. Die dort enthaltenen Grundsätze können dennoch von dem Hausratsrichter insbesondere in Anbetracht der späteren Zuteilung berücksichtigt werden. 92 Nach h. M. sind neben den Verfahrensvorschriften auch § 8 Abs. 2 HVO (Eigentumsvermutung)93 und die Kostenvorschriften der §§ 20 ff. HVO anwendbar. 94 Mit der Einführung des § 136lb BGB95 ist eine gesetzliche Grundlage für die Zuweisung der Ehewohnung für die Zeit des Getrenntlebens geschaffen worden und die Bildung einer Analogie zu den Vorschriften der §§ 18a HVO, 1361a BGB nicht mehr erforderlich. 96 § 18a HVO sieht nun ausdrücklich vor, daß die Verfahrensvorschriften der HVO auf die Regelung über die Benutzung der Ehewohnung im Falle des § 1361b BGB anzuwenden sind. Die im Rahmen des § 620 S. 1 Nr. 7 ZPO möglichen Regelungen über die Benutzung der Ehewohnung und des Hausrats ergehen auf der Grundlage des § 1361 b BGB beziehungsweise des § 1361a BGB97 , so daß auch für diese Verfahren im wesentlichen auf die dort geltenden Grundsätze verwiesen werden kann. Auch

59 Seit dem 1. EheRG v. 14.6.1976 (BGBI. I 1421): die Worte "nach der Scheidung" wurden in der Überschrift und in § 1 HVO a.F. gestrichen, BT-Drucks. 7/650 s. 223; die nun in § 1 HVO enthaltene Formulierung "anläßlich der Scheidung" soll den erforderlichen Zussmrnenhang mit der Scheidung verdeutlichen, BT-Drucks. 7/4361 S. 79. 90 Vgl. Fehmel, § 18a Rdn. 2; RGRK/Kalthoener, § 18a Rdn. 2 91 § 18a HVO wurde durch das GleichberG v. 18.6.1957 (BGBI. 1609) eingefiigt entsprechend der Einfügung der materi\:llrechtlichen Vorschrift des § 13611 BGB; mit der Einfiihrung 4.es § 1361b BGB durch das UAndG v. 20.2.1986 (BGBI. I 301) erfolgte eine entsprechende Anderung des § 18a HVO. 92 Vgl. auch Fehmel, § 1 Rdn. 14

93 Dazu siehe im einzelnen unten S. 274 ff. 94

95

Vgl. Fehmel, § 181 Rdn. 2, 3 m.w.N. Siehe Fn. 91

96 Vgl. die Nachweise bei Fehmel, § 181 Rdn. 23; zur Problematik vgl. weiter Kalthoener, FamRZ 1984,436 ff.; Brudermüller, NJW 1984,2560 f. 97 Vgl. Johannsenl Henrichl Sedemund-Treiber, § 620 ZPO Rdn. 30

1. Kap.: Grundlagen des Hausratsverfahrens

31

im isolierten Verfahren 98 kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden (§ 13 Abs. 4 HVO).99 Allerdings ist zu bedenken, daß eine Regelung nach § 620 S. 1 Nr. 7 ZPO die Anhängigkeit des Scheidungsverfahrens voraussetzt und daher ein weniger strenger Maßstab an die Voraussetzung zur Zuweisung der Ehewohnung als im isolierten Verfahren nach §§ 1361b BGB, 18a HVO, in dem die Versöhnungschancen erhalten werden sollen loo , zu stellen ist. Für das Hausratsverfahren ist das Familiengericht sachlich und örtlich ausschließlich zuständig (§ 11 Abs. 1 und 2 HVO).IOI 2. Hausratsverfahren als "echtes" Streitverfahren Bei dem Verfahren nach der HVO handelt es sich um ein sogenanntes "echtes" Streitverfahren der FG .102 Im Unterschied zu den Angelegenheiten der FG, die der Rechtsfürsorge dienen, stehen sich im Hausratsverfahren als einer privatrechtlichen Streitsache Beteiligte mit entgegengesetzten Interessen gegenüber und begehren vom Richter die Entscheidung ihres Streits. 103 Das Verfahren wird auf Antrag eingeleitet, der an keine Form und Frist gebunden ist und sich darauf beschränken kann, daß die Regelung der Rechtsverhältnisse an Wohnung und Hausrat begehrt wird. 104 Systematisch gehört das Hausratsverfahren somit zu den Antragsverfahren der FG (im Gegensatz zu den Amtsverfahren) und innerhalb dieser zu den Streitverfahren, genauer zu den privatrechtlichen Streitverfahren. Als privatrechtliche Streitverfahren werden diejenigen Verfahren bezeichnet, in denen das Gericht der FG materiell rechtskräftig über subjektive private Rechte entscheidet, auch wenn die Beteiligten das Gericht einverständlich anrufen oder keine streitige Verhandlung stattfindet. 105 Es handelt sich um

98 Es ist streitig, ob eine Wahlmöglichkeit zwischen beiden Verfahren besteht, so Fehmel, § 13 Rdn. 30; Soergell Heintzmann, § 13 Rdn. 9; Johannsenl Henrichl Sedemund-Treiber, § 620 Rdn. 31; a. A. MüKo/Müller-Gindullis, § 13 Rdn. 6; RGRK/Kalthoener, § 13 Rdn. 25; Ermanl Ronke, § 13 Rdn. 9 99 Auch von Amts wegen, vgl. RGRK/Kalthoener, § 13 Rdn. 25 m.w.N. 100 BT-Drucks. 10/2888 S. 16 101 § 11 HVO neugefaßtdurch das 1. EheRG v. 14.6.1976, Art. 11 Nr. 3c, BT-Drucks. 7/650 S. 223; Gericht der Ehesache (Abs. 1), wenn keine Ehesache anhängig ist - Bezirk der Ehewohnung (Abs. 2); die Ausschließlichkeit der Zuständigkeit des Familiengerichts ergibt sich aus § 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO, vgl. Fehmel, § 11 Rdn. 2 102 BGH, FamRZ 1979, 230 f.; LG Hamburg, NJW 1959,2122 L.; Keidel 1 Kuntzel Winkler, FGG, § 12 Rdn. 196; Peters, MDR 1952, 137; Hoffmann/Stephan, Vorb. Rdn. 2; Firsching, Familienrecht, S. 294 103 Vgl. Bumiller 1 Winkler, FGG, § 1 Anm. 3 a.; BGH, FamRZ 1979, 230, rur das Hausratsverfahren BGHZ 18, 143; Habscheid, JZ 1954,689 104 Vgl. Fehmel, § 13 Rdn. 6; Rolland, § 13 Rdn. 2; Hoffmann/Stephan, § 13 Rdn. 3 105 Vgl. Bassengel Herbst, FGG Einl. I, Anm. 3

32

I. Teil: Grundlagen des Hausratsverfahrens und Anwendungsbereich der HVO

Angelegenheiten, die ohne gesetzliche Zuweisung im Zivil- oder Verwaltungsprozeß zu entscheiden wären. 106 Es muß nicht unbedingt Streit herrschen. 107 a) Gründe für die ZuweisUDg zur FG

Wie oben bereits ausgeführt, entstand die Hva aufgrund des Bedürfnisses, eine befriedigende Lösung der Hausratsverteilung und der Zuweisung der Ehewohnung nach Scheitern der Ehe zu finden, da diese nach allgemeinen Vorschriften nicht eintreten konnte!OI Wie viele andere Regelungsbereiche wurde auch das Hausratsverfahren der FG zulewiesen, die aufgrund dieser bereits seit 1900 einsetzenden Entwicklungl als "Experimentierfeld des Gesetzgebers" bezeichnet wird. IIO Neben der Gruppe "allgemeiner Krisenerscheinungen "111, erfolgte die Zuweisung zahlreicher Bereiche, die "individuelle Krisen" und die "Sanierung krank gewordener Gemeinschaften" zum Gegenstand hatten. 112 Nicht systematische, sondern Gründe der Zweckmäßigkeit bewegten den Gesetzgeber zur Zuweisung neuer Materien in die FG. 1I3 Die "freiere Stellung" des FG-Richtersll4 und die größere "Elastizität" des FG-Verfahrens erschienen insbesondere in den Bereichen, in denen als Grundlage für die richterliche Entscheidung nicht konkrete Tatbestände festgelegt werden konnten, sondern der Richter in der Gestaltung der Rechtsverhältnisse keinen exakt gefaßten gesetzlichen Bestimmungen unterlag, geeigneter als der Zivilprozeß, in dem die Parteien über den Streitgegenstand und das Verfahren disponieren können und das Gericht insbesondere an die Anträge und den Vortrag der Parteien gebunden isL IIS "Richterrecht" ist mit dem "Aktionenschema " des Zivilpro-

106

Vgl. Lindacher, luS 1978,577, 578

107

Vgl. Peters, MDR 1952, 137 Siehe oben S. 18 ff.

1011

109 Vgl. Bännann, AcP 154, 373, 385; vgl. auch Münzei, ZZP 66, 334 ff., besonders nach dem I. Weltkrieg angesichts der Notwendigkeit eines stärkeren staatlichen Eingriffs mit dem Ziel, die Notlage der Bürger zu verbessern. 110 Bännann, FG, § 1 IV 3. S. 7; Habscheid, FG, § 1 I S. 2 ("Verlegenheitslösung") und § 3 11 4. S. 17 111 Vgl. Bännann, FG, § 1 IV 3. a S. 7; Baur, FG, Vorbem. S. 2 112 Bärmann, FG, § 1 IV 3. b S. 7; Baur, FG, Vorbem. S. 2; Habscheid spricht von "inneren und äußeren Krisen", FG, § 3 11 4. S. 17 113 Bärmann, FG, § I IV 3. S. 6; Lindacher, luS 1978,577; Habscheid, § 4 n 4. S. 22 m.w.N. und § 7 I 1. S. 37 114 Bzgl. der Feststellung der Tatsachen und der Verfahrensgestaltung

115

Vgl. Bännann, FG, § 1 IV 3. S. 6 f.; Baur, FG, Vorbem. S. 1

1. Kap.: Grundlagen des Hausratsverfahrens

33

zesses nicht zu vereinbaren. 116 Auch die Ausgestaltung des Hausratsverfahrens als ein Verfahren der FG wird mit der Gestaltungstätigkeit des Hausratsrichters und der angestrebten schnellen Durchführung des Verfahrens begründet. 117 Darüber hinaus ermöglicht sie die Einbeziehung des Vermieters und die Anpassung der Entscheidung bei nachträglichen wesentlichen Veränderungen der Verhältnisse. 111 Zur Begründung der Zuweisung der "echten Streitsachen" zum Bereich der FG wird weiter angeführt, daß das staatliche Interesse mit der fortschreitenden "Daseinsvorsorge" auch in privatrechtlichen Angelegenheiten gerade die Zuständigkeit des Richters der FG, der den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln hat, erfordert. 1I9 Eine Anknüpfung an das Verfahren der FG erfolgte, "da Ermessensentscheidungen seit jeher im Bereich der fürsorgerischen Funktion der Gerichte der FG geläufig waren". 120 Insbesondere für Regelungsstreitigkeiten, bei denen der Richter einen Ermessensspielraum hatl21 , ist darüber hinaus die Zuweisung aus Gründen der "Verfahrenspsychologie" zu nennen, da der FG-Richter im Gegensatz zu dem Richter im Zivilprozeß vor allem eine schlichtende und gestaltende Tätigkeit ausübt, mit dem Ziel des Ausgleichs des gespannten Rechtsverhältnisses. 122 Dies gilt in besonderem Maße auch für das Hausratsverfahren, da zwischen den geschiedenen oder getrenntlebenden Ehegatten häufig erhebliche Spannungen bestehen werden. b) VerfabreDsmaximea

Mag die Zuweisung zur FG auch die aufgezeigten Vorteile aufweisen, so haben "solche Sünden gegen die Reinheit des Systems"ln oft Unklarheiten und Abgrenzungsprobleme zur Folge. Neben materiell-rechtlichen ergeben sich in der Praxis prozessuale Probleme. 124

116

Baur, FG, Vorbem. S. 2

Amtl. Erläuterung, DI1944, 278; Hoffmann/Stephan, Vorb. Rdn. 2; siehe oben S. 21 f. Siehe §§ 7, 17 HVO; in der amtl. Erl., 011944,278, wird ausgeführt: "Für die Gestaltung von Rechtsverhältnissen ist jedoch, zumal wenn, wie hier, dritte Personen zugezogen werden müssen, das außerstreitige Verfahren geeigneter". Vgl. auch Klemm, DR 1944,882,884 119 Vgl. Baur, FG, § 1 m 1. S. 15 (auch in Abgrenzung zur Verwaltung; die sachliche und persönliche Unabhängigkeit sollen den Bürger vor der Staatsgewalt und seinem Mitbürger schützen, vgl. Habscheid, FG, § 5 03. S. 29) 120 Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, 1966, S. 69 121 Siehe hielZu unten S. 35 fT. 117

118

122

Vgl. Lindacher, JuS 1978,577

In Baur, FG, § 1 1II. S. 12

124 Im Hausratsverfahren insbesondere die Frage der Bindung an die Anträge, vgl. auch Lynker, JurBüro 1979,955 3 Scharfschwerdt-Otto

34

I. Teil: Grundlagen des Hausratsverfahrens und Anwendungsbereich der HVO

Da die FG eine Vielzahl von Regelungsbereichen umfaßt und das FGG nur ein Rahmengesetz darstellt, sollen durch Systematisierung des gesamten Gebiets und die Heranziehung von Verfahrensmaximen die Vereinheitlichung gleichartiger Verfahren und die Schließung bestehender Lücken beziehungsweise die Konfliktlösung streitiger Probleme herbeigeführt werden. l25 Die privatrechtlichen Streitverfahren werden wie die übrigen Antragsverfahren der FG im Unterschied zu den Amtsverfahren, in denen die Offizialmaxime gilt, von der Dispositionsmaxime beherrscht, nach der die Einleitung des Verfahrens (die Bestimmung des "Ob" und "Worüber", also die Festlegung des Verfahrensgegenstandes) den Parteien obliegt. 126 Näherer Untersuchung bedarf bei den FG-Verfahren die Frage, ob und wieweit die "qualifizierte" Dispositionsmaxime gilt, die auch die Befugnis der Parteien umfaßt, durch Anerkenntnis, Verzicht und Vergleich über den Verfahrensgegenstand zu verfügen127 • Eine Verfügungsbefugnis wird weitgehend bejaht, soweit die Parteien auch materiellrechtlich verfügungsbefugt sind. l28 Die HVO enthält nicht nur die Möglichkeit, einen Vergleich zu schließen, sondern sie bestimmt ausdrücklich, daß der Richter auf eine gütliche Einigung der Parteien hinwirken soll (§ 13 Abs. 2 HVO). Im Hausratsverfahren sind jedoch die Festlegung des Verfahrensgegenstandes durch den Antrag der Parteien und die Bindung des Richters an einen Vergleich beziehungsweise die Einigung der Parteien streitig. Dies wird im nachfolgenden ausführlich zu untersuchen sein. 129 Das Spannungsverhältnis zwischen Einigung der Parteien einerseits und Ermessensentscheidung des Richters auf der anderen Seite dürfte in der Praxis zu einer Vielzahl von Abgrenzungsproblemen führen beziehungsweise häufig die Frage aufwerfen, über welchen Verfahrensgegenstand der Richter entscheiden darf und muß. In diesem Zusammenhang ist auch der im Verfahren der FG geltende Amtsermittlungsgrundsatz von Bedeutung (§ 12 FGG). Die Untersuchungsmaxime gilt in allen Verfahrensarten der FG, auch in den echten Streitsachen. 13O Im Gegensatz zur Verhandlungsmaxime, die im Zivilprozeß (eingeschränkt) gilt und bei deren Geltung nur das Vorbringen der Parteien Prozeßstoff wird, zugestandene und unbestrittene Behauptungen ungeprüft der Entscheidung zugrunde zu legen sind und nur von den Parteien angetretener Beweis erhoben werden darfl31 , kann der FG-Richter den Sachverhalt von

Vgl. Habscheid, FG, § 1 I S. 2 u. § 3 D 4. S. 17; Lindacher, JuS 1978,577 Vgl. Habscheid, FG, § 19 I 1. c. S. 129; Einschränkungen bestehen im Versorgungsausgleichsverfahren, das von Amts wegen einzuleiten ist. 127 Vgl. hierzu Lindacher, JuS 1978,577,578 128 Vgl. Lindacher, JuS 1978,577,579 125

126

129 130

131

Siehe unten 3. Teil, 1. Kapitel, S. 148 ff. H. M., siehe Habscheid, FG, § 19 D 1. S. 131 f.; Lindacher, JuS 1978,577,580 Ausnahmen sind Beweiserhebungennach §§ 144,448 ZPO

1. Kap.: Grundlagen des Hausratsverfahrens

35

Amts wegen aufklären, ohne grundsätzlich an Geständnisse der Parteien gebunden zu sein. Dabei besteht aber die Möglichkeit bei materieller Dispositionsmacht der Parteien, Geständnis oder Nichtbestreiten einer Tatsache frei zu würdigen. 132 Lindacher verdeutlicht mit einem Beispielsfall, daß auch unter Herrschaft der Untersuchungsmaxime das Nichtbestreiten einer ungünstigen Tatsache (nach erfolgter Belehrung) als "starkes Indiz für die Richtigkeit der entsprechenden Tatsachenbehauptung" anzusehen ist. Soweit ein Ehegatte eingesteht oder es zumindest nicht bestreitet, daß bestimmte Hausratsgegenstände von dem anderen Ehegatten in die Ehe gebracht worden sind, liege für den Richter kein Grund vor, an der Richtigkeit des entsprechenden Vortrags Zweifel zu hegen. 133 Die richterliche Aufklärungspflicht steht jedoch in einer Wechselbeziehung zu der Verfahrensförderungslast der Beteiligten, die die "Kehrseite" der Dispositionsmaxime darstellt. In den sogenannten echten Streitverfahren, also auch im Hausratsverfahren, besteht eine qualifizierte Verfahrensförderungslast der Parteien. l34 Die Parteien trifft die objektive Darlegungslast, sie sind verpflichtet, die entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen135 und Beweismittel beizubringen beziehungsweise substantiierte Beweisanträge zu stellen. 136 3. Regelungsstreitigkeiten - privates Gestaltungsantragsrecht Auseinandersetzungsanspruch

Das Hausratsverfahren gehört zu den "Regelungsstreitigkeiten" . Dieser Begriff wurde von Bötticher137 entwickelt und umfaßt die Verfahren der FG, die auf einen Interessenausgleich gerichtet sind und in denen der Richter einen Ermessensspielraum hat: 38 Schmidt weist darauf hin, daß "der Zweck der Regelungsstreitigkeiten in der Regelung eines ganzen umstrittenen Rechtsverhältnisses durch gestaltenden Richterspruch" besteht. 139

132 Vgl. Habscheid, FG, § 19111. S. 132; Bumiller/Winkler, FGG, 4. Aufl., § 12 Anm. 7. b; a. A. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 20 I S. 189 133 Lindacher, JuS 1978,577,580 134

Für die echten Streitverfahren, Lindacher, JuS 1978,577, 581

l3S

BGHZ 16,378,383 C.; OLG München, WPM 1951,477; BayObIG, FamRZ 1959,504

136 OLG Stuttgart, FamRZ 1980,467 f.; es gibt eine objektive Beweislast, z. B. wenn die Behauptung des Alleineigentums nicht nachweisbar ist, Fehmel, § 13 Rdn. 12; vgl. auch Bumiller I Winkler, FGG, § I Anm. 3. a 137 Bötticher, Festschrift für Lent, S. 89 ff. 138 Vg!. Schlosser, Gestaltungsklagenund Gestaltungsurteile, S. 69; BassengeIHerbst, FGG, Ein!. 1 Anm. 3 139 Schmidt, Privatrechtsgestaltung im Verfahren der FG, S. 60; vgl. auch Säemann, FG, § I IV 3. b S. 7; § 4 I 2. a S. 19 C.; Habscheid, FG, § 7 12. S. 38

36

I. Teil: Grundlagen des Hausratsverfahrens und Anwendungsbereich der HVO

Schlosser beschreibt die Regelungsstreitigkeiten dahingehend, "daß das Gesetz dem Richter zwar mehr oder weniger genau vorschreibt, wann er eingreifen darf; liegen die Eingriffsvoraussetzungen aber einmal vor, so hat der Richter freien Spielraum, in welchem Ausmaß er eingreifen soll, häufig auch, welche Eingriffsarten er wählen will. Nach der HVO kann der Richter sogar die Regelungsmaßnahmen selbst wählen, ohne an gesetzlich bereitliegende Alternativtypen gebunden zu sein. "140 Die Frage, ob der Spielraum des Hausratsrichters tatsächlich so umfassend ist, wird später im einzelnen zu untersuchen sein. 141 Richtig ist, daß dem Richter im Hausratsverfahren eine weitgehende Gestaltungsbefugnis eingeräumt wird. Das streitige Rechtsverhältnis kann insgesamt ersetzt beziehungsweise neu begründet werden (Eigentumsübertragung gegen Entgelt, § 9 Abs. 2 S. 2 HVO; Begründung eines Mietverhältnisses, §§ 5 Abs. 2, 6 Abs. 2, 9 Abs. 2 S. 1 HVO). Schmidtl42 stellt zutreffend fest, daß es sich um einen äußerst weitgehenden beziehungsweise den stärksten Eingriff in die Privatautonomie handelt. Richtig ist auch die Feststellung, die "Inhaltswirkung" dieser Gestaltungsakte komme dem Ersatz der Rechtshandlungen durch Hoheitsakt gleich. Dennoch ist die Auffassung, es handele sich um einen "Zwangsvergleich"143 und die Vertrags freiheit sei völlig ausgeschlossen, in dieser Ausschließlichkeit nicht zutreffend. Wie Schmidt selbst ausführt, wird der "radikalste Eingriff in das Vertragsrecht" im Hausratsverfahren nur zugelassen, wenn sich die Parteien nicht geeinigt haben. l44 Kennzeichnend für die Regelungsstreitigkeiten und inbesondere das Hausratsverfahren ist, daß der Richter rechtsgestaltend tätig ist. 145 Da die privatrechtlichen Streitigkeiten, zu denen das Hausratsverfahren zählt l46 , dem Zivilprozeß angenähert sind und die Stellung der Ehegatten derjenigen der Parteien im Zivilprozeß weitgehend entspricht l47 , liegt es nahe, davon aus-

140 Schlosser, S. 70 141 Siehe die Ausführungen unten S. 65 ff. zur Wahlbefugnis; die einzelnen Gestaltungsmög-

lichkeiten werden im 3. Teil untersucht. 142 Schmidt, S. 33,34

143 Vgl. Bötticher, Festschrift für unt, S. 89 ff., 95 f. 144 Schmidt, S. 34, Schmidt unterscheidet bei der Privatrechtsgestaltung nach dem Gestal-

tungsgegenstand, der Rechte und Fähigkeiten eines Privatrechtssubjektes oder ganze Privatrechtsverhältnisse umfassen kann. Bei letzteren differenziert er nach der Intensität des Eingriffs in die Vertragsfreiheit. 145 Habscheid, FG, § 7 I 2. S. 38, weist darauf hin, daß Regelungsstreitigkeiten nicht nur auf die PG beschränkt ~ir.d, z. B. Urteile auf der Grundlage der §§ 242, 343 BGB; siehe auch Schlosser, S. 75 146 Siehe oben S. 31

147 Vgl. Bassengel Herbst, FGG, Ein!. 13. a; Habscheid, FG,

§ 7 I 2. S. 37

I. Kap.: Grundlagen des Hausratsverfahrens

37

zugehen, daß den Ehegatten ein Gestaltungsklage- beziehungsweise -antragsrecht zusteht. 148 Für das zivilprozessuale Verfahren ist es streitig, ob den Gestaltungsklagerechten ein subjektives Privatrecht zugrunde liegt und somit der Berechtigte - wie der Träger eines Gestaltungsrechts - einen materiell-privatrechtlichen Gestaltungsanspruch hat, oder ob das Gestaltungsklagerecht nur ein öffentlich-rechtlicher Anspruch gegen den Staat ist. 149 Diese Frage ist im Rahmen der vorliegenden Arbeit auf das Hausratsverfahren beziehungsweise die Regelungsstreitigkeiten der FG zu begrenzen. In der Literatur bestehen unterschiedliche Auffassungen über die Existenz eines Gestaltungsantragsrechts beziehungsweise eines privaten Auseinandersetzungsanspruchs und dessen Inhalt. Schmidt, der die Privatrechtsgestaltung in dem FG-Verfahren untersucht hae 50 , ist der Ansicht, daß die Frage, ob den Parteien ein subjektiver Anspruch auf Rechtsgestaltung, der die materiellrechtliche Grundlage der Gestaltungsurteile in den Streitsachen bilde, zusteht, davon abhänge, wieweit der Richter in seiner Ermessensausübung gebunden ist. Nur soweit eine Bindung des Richters vorliege, könnten sich "die den Regelungsstreitigkeiten zugrunde liegenden Interessen" zu einem privaten Gestaltungsrecht "verdichten" .151 Die jeweilige Bindung des Richters entspreche der Rechtsposition der Parteien, private Interessen durch rechtsgestaltende richterliche Entscheidung durchsetzen zu können. Ein subjektives Recht auf Privatrechtsgestaltung könne nur dann vorliegen, wenn der Richter nur über ein Auswahlermessen verfügt, nicht aber über das "Ob" einer Entscheidung bestimmen kann. 152 Schmidt stellt daher seiner Untersuchung der einzelnen Regelungsstreitigkeiten eine allgemeine Betrachtung der Ermessensstruktur im FG-Verfahren voran und kommt zu dem Ergebnis, daß ein privates Gestaltungsrecht bestehen könne, wenn der FG-Richter ein Auswahlermessen habe, also nicht über das "Ob" der Gestaltung (Entschließungsermessen) entscheiden, sondern nur unter mehreren Rechtsfolgen wählen könne. 1S3 Die von Schmidt gestellte Ausgangsfrage ist auf den Umfang der Entscheidungsbefugnis des Richters im Rahmen des ihm gemäß § 2 HVO eingeräumten Ermessens gerichtet. 154 Aber nicht dieser Ausgangspunkt führt ihn dann zur Bejahung eines privaten Auseinandersetzungsanspruchs und somit eines privaten Gestal148 Wie im Zivilprozeß sind auch bei den privatrechtlichen Streitverfahren Leistungs-, Feststellungs- und Gestaltungsurteile möglich, vgl. Habscheid, FG, § 7 I I. S. 37 149 Privatrechtliche Theorie und öffentlit;h-rechtliche Theorie, dazu Lüke, JuS 1969, 301, 304; Jooss, Gestaltungshindemisse und Gestaltungsgegenrechte, Diss. 1967, S. 9 (m.w.N.) 150 Schmidt, Privatrechtsgestaltung im Verfahren der FG, insbesondere S. 54 ff., 60 ff. 151 Schmidt, S. 66. Der Spielraum reiche von der Entscheidungsfreiheit, überhaupt einzugreifen bis zur konkreten inhaltlichen Bindung, S. 60 152 Schmidt, S. 66 153 154

Schmidt, S. 60 ff., 66 Schmidt, S. 68

38

1. Teil: Grundlagen des Hausratsverfahrens und Anwendungsbereich der HVO

tungsantragsrechts, sondern eine historisch-teleologische Betrachtung des Hausratsverfahrens. Erst danach konkretisiert er das Ermessen des Hausratsrichters als Auswahlermessen. ISS Ob diese Ansicht im Ergebnis zutreffend ist, bleibt einer späteren Untersuchung des in § 2 HVO enthaltenen Ermessensbegriffs vorbehalten. 156 Bötticherls7 , der die Regelungsstreitigkeiten den arbeitsrechtlichen Schlichtungsverfahren gegenüberstellt, verneint das Vorliegen eines privaten Gestaltungsrechts, da im Unterschied zu den Gestaltungsurteilen im Zivilprozeß, deren negativer Inhalt von vornherein feststehe, der Inhalt der Entscheidungen in den Regelungsstreitigkeiten zu unbestimmt sei. Diese seien auf einen Interessenausgleich ausgerichtet und sähen - im Gegensatz zum Zivilprozeß die Mitwirkung des Gegners vor, wobei das gesuchte Ergebnis nicht im Gesetz zu finden, sondern die nicht vorhersehbare, vom Richter zu bildende "Synthese" der widerstreitenden Interessen der Parteien sei!SS Dies unterscheide die Regelungsstreitigkeiten vom Rechtsstreit. Ein "profilierter" Streitgegenstand nach Art eines privaten Gestaltungsrechts sei bei ersteren nicht gegeben, dieses sei dort zu unbestimmt. 1S9 Lene 60 begründet in ähnlicher Weise seine ablehnende Ansicht. Die Gestaltung erfolge nicht auf der Grundlage eines Privatrechts, denn der Umfang stehe im Ermessen des Gerichts. Es gäbe keine feststehende Rechtslage, aufgrund derer die Entscheidung ergeht. Lent führt an, daß der Richter im Hausratsverfahren nicht an eine materielle Rechtslage oder an Teilungsvorschläge der Ehegatten gebunden sei, da er seine Entscheidung gemäß § 2 HVO nach billigem Ermessen treffe. 161 Im Gegensatz zu Bötticher und Lent hält Schlosserl 62 es für die Qualifizierung einer Entscheidung als Gestaltungsurteil für ausreichend, daß die Rechtsposition der Parteien darauf gerichtet ist, daß der Richter gestaltet und eine der gesetzlich zulässigen Maßnahmen wählt. Es bestehe ein Recht auf Gestaltung in dem Sinne, daß der Richter im Rahmen der Ermächtigung gestaltet, wenn auch nicht in einer bestimmten Art und Weise. Der von Bötticher zugrunde gelegte Begriff des Streitgegenstandes der Gestaltungsklagen enthalte

ISS Schmidt, S. 77 ff., 81; Schmidt beschränkt sich auf die Feststellung, daß der Richter Auswahlermesscn hat. Er untersucht jedoch nicht die einzelnen Gestaltungsbefugnisse. 156 Siehe die Ausführungen unten S. 65 ff. IS7

Bötticher, Festschrift für Lent, S. 89 ff., 100

ISS

Bötticher, Festschrift für Lent, S. 100

Bötticher, Festschrift für Lent, S. 94, 99, 102; kritisch Schlosser, S. 70, 71; Schmidt, S. 54 ff., weitergehend auf S. 12 (Beklagter hat "Eingriff nicht schon deshalb zu dulden, weil er der Gerichtsbarkeit unterworfen ist"); ähnlich Janssen, FGG, § 31 Anm.9 160 Lent, ZZP 66,267,271,280 161 Lent, ZZP 66, 267, 280 159

162

Schlosser, S. 70, 71, 80

1. Kap.: Grundlagen des Hausratsverfahrens

39

nur ein gegen den Gegner gerichtetes privatrechtliches Gestaltungsrecht nicht aber einen gegen den Staat gerichteten öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Gestaltung. Eine Abgrenzung der Regelungsstreitentscheidungen von den Gestaltungsurteilen sei nicht zu treffen. Auch wenn Gestaltungs- und Ermessensakte zusammenträfen, handele es sich um Gestaltungsurteile "im materiellen Sinne" . Im Ergebnis bejaht auch Schmidt für den Bereich der Regelungsstreitigkeiten das Vorliegen eines subjektiven Privatrechts und damit eines privaten Gestaltungsrechts, da die Rechtsposition, gestaltend in konkrete Privatrechtsbeziehungen eingreifen zu können, bestehe und nur nachträglich inhaltlich im einzelnen durch die Entscheidung im FG-Verfahren festgelegt werde. 163 Zutreffend geht er dabei davon aus, daß es für die Bejahung eines subjektiven Rechtes ausreichend ist, daß die Rechtsposition hinreichend bestimmbar ist, ohne in allen Einzelheiten festzustehen, und von anderen Rechtspositionen unterschieden werden kann. IM Richtig ist seine Feststellung, daß das Vorhandensein von Regelungsstreitigkeiten im ZivilprozeßI65 noch nicht generell auf die Existenz eines Gestaltungsantragsrechtes schließen lasse, da es auch zivilprozessuale Verfahren gibt, in denen nicht private Anspruche geltend gemacht werden, wie zum Beispiel die Entmündigungs- und Aufgebotsverfahren" 66 Diese Verfahren stellen jedoch die Ausnahme dar. Grundsätzlich dient der Zivilprozeß der Durchsetzung privater Anspruche und dies gilt nach h. M. auch für die privatrechtlichen Streitverfahren der FG!67 Entscheidend ist, daß in der HVO eine Dispositionsbefugnis der Parteien über den Streitgegenstand vorgesehen ist (§§ 1, 13 Abs. 3, 16 Abs. 3 HVO). Die Einigung der Parteien soll sogar vom Richter angestrebt werden (§ 16 HVO). Da dies gleichzeitig eine materiellrechtliche Verfügungsbefugnis der Parteien voraussetze 68 , ist davon auszugehen, daß die Parteien einen grivatrechtlichen Anspruch geltend machen. Nach Auffassung Habscheids l steht den Ehegatten im Hausratsverfahren ein besonderer, von den §§ 749 ff. BGB abweichender Auseinandersetzungsanspruch zu. Ein gewisser Spielraum des Richters sei dabei nicht hinderlich, da ein solcher auch in Zivilstreitigkeiten

163

Schmidt, S. 67 f.

Schmidt, S. 67; Larenz, BGB-AT, 7. Auflage, § 13 I S. 210 ff., 213 Vgl. Habscheid, FG, § 7 I S. 38; ders., Streitgegenstand, 1956, S. 89, der u. a. auf die §§ 242, 343 Abs. 1 S. 1 BGB hinweist; vgl. auch Bärmann, AcP 154, 373, S. 383 166 Schmidt, S. 59 und S. 12 164

165

167 Vgl. Habscheid, FG, § 7 12. S. 38; Bassenge/Herost, FGG, Einl. 13. a; BuDÜller/Wintler, FGG, § I Anm. 3 a 168 Vgl. Bumiller/Wintler, FGG, § I Anm. 3. a; Lülce, JuS 1978,577,579 m.w.N. 169 Habscheid, ZZP 66, 188 (192); ders., FG, § 7 I 2 S. 38; vgl. auch Bärmann, FG, § 4 D 2. a S. 23

40

1. Teil: Grundlagen des Hausratsverfahrens und Anwendungsbereich der HVO

vorhanden sein könne. l70 Peters l71 , der ebenfalls einen privaten Anspruch auf Auseinandersetzung bejaht, führt aus, daß die HVO "einen neuartigen, von den §§ 749 ff. BGB abweichenden materiell-rechtlichen Auseinandersetzungsanspruch geschaffen (habe), der sich im wesentlichen auf Treu und Glauben gründet". Ein sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergebender Auseinandersetzungsanspruch wurde überwiegend auch von den Gerichten, die in der Zeit vor Erlaß der HVO eine Anwendung der allgemeinen Vorschriften, d.h. der §§ 752 ff. BGB für unbillig hielten, angenommen. 172 Der Entwicklung in der Rechtsprechung der Untergerichte folgte schließlich das RG, das für die gemeinsam gemietete Wohnung bei der Auseinandersetzung der familienrechtlichen Gemeinschaft eine Zuweisung der Ehewohnung nach Billigkeit vomahm. 173 Richtig stellt Schmide74 fest, daß dadurch nur die "Art und Weise" der Auseinandersetzung nicht aber der Rechtsgrund, die Auflösung der Gemeinschaft, von den §§ 752 ff. BGB abweichend bewertet wurde. Da wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit auch die Gründe für den Erlaß der HVO waren, durch die die Teilung des im gemeinsamen Eigentum stehenden Hausrats und die Zuweisung der dem anderen Ehegatten gehörigen Haushaltsgegenstände möglich wurden, sieht Schmidt darin nur eine "sozialgerechte Erweiterung der Teilungsarten" . Die Auflösung der Gemeinschaft familienrechtlicher Art stelle jedoch den Rechtsgrund der Teilung dar. Da die Auflösung einer Gemeinschaft regelmäßig Ansprüche auf Auseinandersetzung der gemeinschaftlichen Rechte begründe, die in Art und Umfang an das jeweilige Gemeinschaftsverhältnis angepaßt sein könnten, sei auch ein materiell-rechtlicher Auseinandersetzungsanspruch der Ehegatten gegeben. 175 Die Begründung ist überzeugend. Zweifellos bestehen private Rechte der Ehegatten an den in ihrem (Mit)Eigentum stehenden Hausratsgegenständen und der gemieteten beziehungsweise im Eigentum stehenden Ehewohnung. Diese Ansprüche erlöschen nicht dadurch, daß der Gesetzgeber durch den Erlaß der HVO eine andere Art der Auseinandersetzung ermöglicht beziehungsweise vorgeschrieben hat. 176 Letzteres geschah aufgrund des zunehmenden öffentlichen Interesses an den Privatangelegenheiten. Insbesondere muß dies im Bereich des Familienrechts gelten, denn die Hausratsgegenstände unterscheiden sich von den anderen Vermögensgegenständen durch ihre

170

Beispiele: WGG, § 242 BGB; Herabsetzung der Vertragsstrafe, § 343 Abs. 1 S. 1 BGB

171

Peters, MDR 1952, 137, 139

172

Siehe die Ausführungen oben S. 20

174

RG, DJ 1943, 591=DR 1944,69 Schmidt, S. 80 f.

175

Schmidt, S. 80, 81

173

Klemm, DR 1944, 882, 884 führt aus, es handele sich "um die Abänderung des Inhalts bestehender Rechte" . 176

1. Kap.: Grundlagen des Hausratsverfahrens

41

familienrechtliche Bindung. Das öffentliche Interesse und die familienrechtliche Bindung können jedoch nur eine andere Teilungsart rechtfertigen und dies auch nur in bestimmten festgelegten Grenzen. Auch wenn der Richter eine Gestaltung der Rechtsverhältnisse vornimmt, muß er sich an die von der HVO vorgegebenen Grenzen halten, die insbesondere durch die Normzwecke bestimmt werden. Eine Vemeinung des Anspruchs kann sich auch nicht daraus ergeben, daß er in einer Regelungsstreitigkeit der FG geltend gemacht wird, denn die Zuweisung zur FG ist aus Zweckmäßigkeitsgründen erfolgt. Die HVO dient der "Verwirklichung der Sozialbindung der subjektiven Rechte"177 und das geeignete Verfahren ist das der FG. 178 Die Ehegatten haben somit einen Anspruch auf Auseinandersetzung des Hausrats und der Ehewohnung durch richterliche gestaltende Entscheidung in dem durch die HVO vorgesehenen gesetzlichen Rahmen. Die inhaltliche Fassung dieser Rechtsposition ist genügend konkretisiert, um sie als Anspruch bezeichnen zu können. Für die Bejahung eines subjektiven Rechts ist es ausreichend, daß die Rechtsposition erkennbar, d. h. hinreichend bestimmbar ist, ohne unbedingt in allen Einzelheiten festzustehen, und von anderen unterschieden werden kann. 179 Diese Voraussetzungen liegen vor. Aufgrund der vielfältigen Lebenssachverhalte im Hausratsverfahren kann bei einer generellen Betrachtung der Inhalt des privaten Anspruchs nur darauf gerichtet sein, daß ein Recht auf Gestaltung besteht. Dies kann im Einzelfall durchaus bedeuten, daß nur eine Rechtsfolge in Betracht kommt. Die Feststellung, es seien dem Richter zum Beispiel bei der Gestaltung der Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung "kaum Grenzen gesetzt" 180, kann nur bei einer allgemeinen Betrachtung der Befugnisse des Hausratsrichters Gültigkeit haben. Die HVO soll dem Richter die Möglichkeit geben, flexibel und zweckgerecht auf die jeweiligen Lebensverhältnisse der Parteien einzugehen. 111 Darum war es erforderlich, viele Möglichkeiten der Gestaltung zu schaffen. Gleichzeitig enthält die HVO jedoch auch Vorgaben, die der Richter zu beachten hat und die die Art und Weise der Gestaltung bestimmen. Welche Bindungen gemäß § 2 HVO und nach den besonderen Verteilungsvorschriften bestehen, wird im 2. und 3. Teil der Arbeit zu prüfen sein. Es besteht somit ein Auseinandersetzungsanspruch der Ehegatten. l12 Es

177 Gernhuber, Familienrecht, § 29 D 1. S. 379 im Zusammenhang mit der Verfassungsmäßigkeit der HVO; vgl. auch BayObLGZ 1955,56,59; BayObLGZ 1960,379,383 178 Siehe oben S. 32 f. 179

Siehe oben Fn. 164

180

Vgl. Gernhuber, Familienrecht, § 29 D 3. S. 380

181

Vgl. 8GH, FamRZ 1984, 144, 146; MüKo/Müller-Gindullis, Vorb. Rdn. 2

112

Vgl. auch KG OLGZ 1977,427,429; siehe schon LG Berlin, JR 1949,450

42

I. Teil: Grundlagen des Hausratsverfahrens und Anwendungsbereich der HVO

handelt sich um einen höchstpersönlichen Anspruch, der nicht abgetreten, veroder gepfändet und vererbt werden kann. 183 Die Frage, ob die Ehegatten nur eine "Befugnis"l84 zur Einleitung des Verfahrens haben, einen Verfahrensantrag 115 oder einen Sachantrag stellen können, ist für den Umfang des richterlichen Ermessens von Bedeutung. Die ersten beiden Alternativen schließen aber das Vorliegen eines materiellrechtlichen Anspruchs nicht aus. Auch bei einer verfahrensrechtlichen Befugnis kann der Richter nicht über das "Ob" der Entscheidung befinden. Er hat somit kein Entschließungsermessen, das einem privaten Gestaltungsrecht entgegenstehen würde. l86 Darüber hinaus messen die Autoren, die lediglich von einer verfahrensrechtlichen Befugnis ausgehen, dieser nicht nur eine verfahrenseinleitende Funktion bei, wenn sie zum Beispiel eine einschränkende Wirkung eines Teilauseinandersetzungsantrags bejahen und auf die "Verfügungsbefugnis über disponible Rechtsgüter" verweisen l87 oder eine Zuweisung der Ehewohnung nur für zulässig halten, soweit der betreffende Ehegatte einen entsprechenden Antrag gestellt hat. ISS Diese Problematik ist jedoch im Rahmen der Untersuchung der Bindung des Richters an die Anträge darzulegen. Sie betrifft die Frage, in welchem Umfang das billige Ermessen gemäß § 2 HVO Einschränkungen unterliegt. Entscheidend für die Bejahung eines materiellrechtlichen Gestaltungsrechts ist die Rechtsposition der Parteien, die darauf gerichtet ist, daß der Richter unter Beachtung der gesetzlich zulässigen Maßnahmen eine Gestaltung der Rechtsverhältnisse an Ehewohnung und Hausrat vornimmt. Welche inhaltlichen Bindungen bestehen und welche Maßnahmen somit als zulässig anzusehen sind, soll im Rahmen dieser Arbeit untersucht werden.

IV. Auskunftsanspruch Nachdem ein auf die Hausratsteilung gerichteter materieller Auseinandersetzungsanspruch der Ehegatten bejaht worden ist, stellt sich die Frage, ob ein Ehegatte von dem anderen Auskunft über den Bestand des zu verteilenden Hausrats verlangen kann. Im Unterschied zu anderen Scheidungsfolgesachen, wie den Unterhalts-, Zugewinnausgleichs- und Versorgungsausgleichsver183 Vgl. Soergell Heintzmann, § I Rdn. 2; Fehmel, § I Rdn. 9 ("Rechtsposition "); siehe auch lohannsenl Henrichl Voelskow, Anh. § 1361b, § I Rdn. 3; Rolland, § 1 Rdn. 3 und ErmannI Ronke, § I Rdn. 4, die von einer "Befugnis" ausgehen. 184 Vgl. Erman/Ronke, § I Rdn. 4; lohannsen/Henrich/Voelskow, Anh. § 1361b, § 1 Rdn. 3; Kuhnt, AcP 150, 130, 153, "Befugnis, eine Rechtsgestaltung (Zuteilung, Zuweisung) durch richterliche Anordnung herbeizuführen"; Rolland, § 1 Rdn. 3; RGRK/Kalthoener, § 1 Rdn. 9 185 Vgl. Hoffmann/Stephan, § 13 Rdn. I; Fehmel, § I Rdn. 27; Soergel I Heintzmann, § I Rdn. 20 186 Vgl. Schmidt, S. 66 187

RGRK/Kalthoener, § I Rdn. 10

188

lohannsen/Henrich/Voelskow, Anh. § 136Ib, § 5 Rdn. 6

1. Kap.: Grundlagen des Hausratsverfahrens

43

fahren, ist der Auskunftsanspruch hinsichtlich des Hausrats nicht gesetzlich geregelt. 189

In Literatur und Rechtsprechung ist streitig, ob eine Klage auf Auskunft über den Bestand des Hausrats als zulässig anzusehen ist. Der Anspruch auf Auskunftserteilung wird auch von der ablehnenden Auffassung nicht ausdrücklich verneint. l90 Ein Teil der Rechtsprechung 191 und Literatur l92 versagt jedoch das Rechtsschutzbedürfnis für eine Auskunftsklage mit der Begründung, daß es sich bei dem Hausratsverfahren um ein Verfahren der FG handele, in dem der Richter aufgrund des geltenden Untersuchungsgrundsatzes von Amts wegen die erforderlichen Ermittlungenl93 zur Feststellung der vorhandenen Hausratsgegenstände durchzuführen habe. Darüber hinaus handele es sich bei dem Antrag nach § 1 HVO um einen Verfahrensantrag, der eine genaue Aufstellung der geforderten und vorhandenen Hausratsgegenstände nicht erfordere, auch wenn ein Teilungsvorschlag "zweckmäßig" sei. Zur Vorbereitung des Hausratsverfahrens sei die Auskunft jedoch nicht notwendig oder kostensparend, da bei der Hausratsteilung "automatisch" sämtliche Hausratsgegenstände verteilt würden, soweit nicht eine Teileinigung vorliegt. l94 Das AG Stadthagen hingegen bejaht einen "Nebenanspruch" auf Auskunft im Rahmen des Verfahrens zur Regelun§ der Rechtsverhältnisse am Hausrat im Sinne des § 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO. 19 Eine Auskunftspflicht bestehe nach Treu und Glauben aufgrund der im Hinblick auf die eheliche Gemeinschaft bestehenden besonderen Rechtsbeziehungen der Parteien und der sich angesichts der mehJjährigen Trennung ergebenden unverschuldeten Unkenntnis des Auskunft begehrenden Ehegatten über den Umfang seines Anspruchs, während der auskunftspflichtige Ehegatte ohne Schwierigkeiten Abhilfe leisten könne. l96

189 Vgl. § 1379 BGB (Auskunftspflicht über den Bestand des Endvennögens), § 1587e BOB und § 1580 BGB (Auskunft über Einkünfte und Vennögen), siehe auch §§ 1361 Abs. 4, 1605 BGB 190 Das OLG Frankfurt läßt dies offen und bejaht einen Auskunftsanspruch bei ·unverschuldeter Unkenntnis·, FamRZ 1988,645; das OLG Celle trennt ebenfalls nicht klar zwischen materiellem Anspruch und Zulässigkeit der Auskunftsklage, FamRZ 1986,491 f. 191 Vgl. OLG Düsseldorf (5. FarnS), FamRZ 1985, 1152, 1153; OLG Celle, FamRZ 1986, 491 f. 192 Vgl. RGRK/Kalthoener, § I Rdn. 28; MüKo/Müller-Gindullis, § I Rdn. 14, das Rechtsschutzbedürfnis sei im Ausnahmefall zu bejahen, wenn der Antrag auf Zuteilung von Hausratsgegenständen aufgrund unzureichender Substantiierung zurückgewiesen worden sei. 193 Der Richter kann die gesetzlich festgelegten Beweismittel der ZPO wählen (§ 15 FOG) oder formlos ennitteln, indem er zum Beispiel die Parteien vor Ort befragt, vgl. OLG Celle, FamRZ 1986,491 f. 194 OLG Düsseldorf(5. FarnS), FamRZ 1985,1152,1153 195 AG Stadthagen, FamRZ 1986, 490, es seien die Verfahrensvorschriftendes FOG und der HVO unter Berücksichtigung des § 621a Abs. 1 ZPO anwendbar, so daß durch Beschluß zu entscheiden sei. 196 AG Stadthagen, FamRZ 1986,490,491

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1. Teil: Grundlagen des Hausratsverfahrens und Anwendungsbereich der HVO

Wie das AG Stadtha,en bejahen auch das Kammergericht l97 und der 4. FamS des OLG Düsseldorf bei entschuldbarer Unkenntnis einen Auskunftsanspruch unter Bezugnahme auf die vom BGH aufgestellten Grundsätze zur Auskunftspflicht im Rahmen des für jede Rechtsposition geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben. l99 Das OLG Frankfurt hält eine Auskunftsklage insbesondere auch dann für zulässig, wenn ein im Hausratsverfahren gestellter Antrag aufgrund nicht ausreichender Substantiierung zurückgewiesen worden ist. 200 Der Auffassung, die bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen die Zulässigkeit einer Auskunftsklage bejaht20l , ist der Vorzug zu geben, da die im Hausratsverfahren geltenden Verfahrensgrundsätze dem Rechtsschutzbedürfnis einer solchen Klage nicht entgegenstehen. Trotz des im FG-Verfahren herrschenden Amtsermittlungsgrundsatzes sind die Parteien verpflichtet, die entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen und die Beweismittel anzubieten. 202 Das Hausratsverfahren gehört zu den privatrechtlichen Streitverfahren der FG, die dem Zivilprozeß angenähert sind. 203 Die Aufklärungspflicht gilt daher nicht in gleichem Umfang wie in den übrigen Antragsverfahren, sondern ist im Zusammenhang mit der Verfahrensförderungslast der Parteien zu sehen, die die "Kehrseite" der Dispositionsmaxime darstellt. 204 Soweit der Vortrag eines Ehegatten nicht bestritten wird, kann der Richter von dessen Richtigkeit und dem vorgetragenen Bestand des Hausrats ausgehen. 203 Die Ablehnung des Rechtsschutzbedürfnisses für eine Auskunftsklage kann auch nicht darauf gestützt werden, daß es sich bei dem Antrag nach § 1 HVO um einen Verfahrensantrag handele mit der Folge, daß substantierte Anträge nur - durchaus zweckmäßige - Vorschläge darstellen würden, jedoch bei deren Fehlen eine Zurückweisung als unzulässig nicht in Betracht käme. 206 Es ist

197

KG, FamRZ 1982,68

198

OLG Düsseldorf(4. FarnS), FamRZ 1987, 81

199

BGH FamRZ 1978,335,336; BGH NJW 1981, 1733; BGH FamRZ 1982,677,678

OLG Frankfurt, FamRZ 1988, 645, es sei "ein Gebot der prozessualen FaimeS" die Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs im Wege eines "Stufenantrages" zuzulassen. 201 Vgl. in der Literatur Fehmel, Vorbem. zu §§ 8-10 Rdn. 7; Soergel/Heintzmann, § 1 Rdn. 18a, bejaht generell einen Auskunftsanspruch und das Rechtsschutzbedürfnis für eine Auskunftsklage, allerdings unter Bezugnahme auf die genannte Rechtsprechung. 202 Es besteht eine qualifIZierte Verfahrensförderungslast der Parteien, siehe oben S. 35, vgl. auch OLG Düsseldorf(4. FarnS), FamRZ 1987, 81; Fehmel, Vorbem. zu §§ 8-10 Rdn. 7; Hoffmannt Stephan, § 13 Rdn. 10 203 Siehe oben S. 31 f.; vgl. auch Bärmann, AcP 154,373,391 200

Siehe oben S. 35; Lindacher, JuS 1978,577, 581 BayObLG, FamRZ 1965,331,332; Fehmel, Vorbem. §§ 8-10 HVO Rdn. 7; Lindacher, JuS 1978,577,580; siehe oben S. 35; Im Zweifel darf jedoch nicht eine Verteilung "falls vorhanden" erfolgen, vgl. RGRKtKalthoener, § 8 Rdn. 4 (m.w.N.); Soergel/Heintzmann, § 8 Rdn. 11 206 Vgl. OLG Düsseldorf (5. FarnS), FamRZ 1985, 1152, 1153; OLG Celle, FamRZ 1986, 491 f. 204

lOS

1. Kap.: Grundlagen des Hausratsverfahrens

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streitig, ob ein WSachantrag Wdas gemäß § 2 HVO eingeräumte billige Ermessen des Hausratsrichters einschränken kann. '1I1T Aber auch wenn ein Ehegatte nicht befürchten muß, daß ein unsubstantiierter Antrag zurückgewiesen wird, rechtfertigt dies nicht die Versagung des Rechtsschutzbedürfnisses für eine Auskunftsklage. Es widerspricht prozeßökonomischen Grundsätzen, den Ehegatten, der sich über den Bestand des Hausrats im unklaren ist, auf einen Antrag zu verweisen, der darauf gerichtet ist, daß eine gerechte Verteilung vorzunehmen sei. Der Ehegatte wird nach Auskunftserteilung über den vorhandenen Hausrat regelmäßig nur die Zuteilung bestimmter Hausratsgegenstände begehren. Häufig werden im Hausratsverfahren weder er noch der andere Ehegatte das Vorhandensein sämtlicher Hausratsgegenstände vortragen, so daß der nicht aufgeführte Hausrat auch nicht Gegenstand des Verfahrens wird und auf diese Weise Zeit und Kosten erspart werden.:!CI Schließlich kann noch darauf hingewiesen werden, daß auch im Versorgungsausgleichsverfahren, bei dem es sich ebenfalls um ein Streitverfahren der FG209 handelt und in dem der Richter von Amts wegen ermittelt, stets das Rechtsschutzbedürfnis für die Geltendmachung des - dort allerdings gesetzlich geregelten Auskunftsanspruchs (§§ 1587e, 1580 BGB) - bejaht wird. 2lO Das Rechtsschutzbedürfnis wird bei entschuldbarer Unkenntnis angenommen. Letztere ist aber nicht nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, wie zum Beispiel bei Verbüßung einer Haftstrafe, sondern bereits dann zu bejahen, wenn der Ehegatte, der nicht den Haushalt führt, die Auskunftserteilung verlange 11 , da dieser regelmäßig nicht in der Lage sein wird, sich an die Hausratsgegenstände im einzelnen zu erinnern. Soweit die Haushaltsführung angesichts der heute häufig auftretenden Doppelverdienerehe von beiden Ehegatten gemeinsam übernommen wurde, ist zumindest nach längerem Getrenntleben davon auszugehen, daß ein Ehegatte in entschuldbarer Weise nicht sämtliche der im Besitz des anderen befindlichen Hausratsgegenstände aus der Erinnerung aufführen kann. 212 Die Auskunft muß in Form einer schriftlichen Aufstellung erteilt werden, in der Sachgesamtheiten und Inbegriffe von Sachen als solche ausgewiesen werden können, soweit es verkehrsüblich ist, auf eine genaue Aufzählung zu verzichten, und der Auskunftsberechtigte sich in ausreichendem Umfang

'1I1T Dies wird z. B. von Habscheid bejaht, vgl. Habscheid, FG, § 51, I D 4. S. 383; siehe auch unten S. 148 ff. :!CI Insbesondere durch nicht so umfangreiche Beweisaufnahmen und geringere Streitwerte. 209 Vgl. Habscheid, FG, § 51, D A 2. S. 385 210 Vgl. Soergel I Heintzrnann, § 1 Rdn. 18a 211 Vgl. OLG Düsseldorf (4. FamS), FamRZ 1987, 81; der antragstellende Ehegatte hatte weiter vorgetragen, daß er aufgrund seiner umfangreichen beruflichen Tätigkeiten über Einzelheiten des Hausratsbestands nicht ausreichend infonniert sei. 212 Vgl. AG Stadthagen, FamRZ 1986,490 f.; vor allem dann, wenn die Ehegatten über einen Hausrat von beträchtlichem Umfang verfügen.

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1. Teil: Grundlagen des Hausratsverfahrens und Anwendungsbereich der HVO

orientieren kann. 213 Wie bei der Auskunftspflicht nach § 1379 BGB ist als Stichtag der Tag der Zustellung des Scheidungsantrags maßgeblich. 214 Dabei ist zu beachten, daß die nach der Trennung angeschafften Hausratsgegenstände regelmäßig nicht im Hausratsverfahren zu verteilen, sondern nur im Rahmen des Zugewinnausgleichs zu berücksichtigen sind. 215 Soweit die im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit vorliegenden Hausratsgegenstände nicht mehr vorhanden sind, kann ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden. 216

213

Vgl. BGH FamRZ 1984, 144, 145 f.=NIW 1984,484 zu § 1379 BGB; MüKo/Gemhuber,

§ 1379 Rdn. 16; Soergell Lange, § 1379 Rdn. 9

214 Dies wurde in dem vom OLG Düsseldorf (5. FamS), FamRZ 1985, 1152, 1153, entschiedenen Fall beantragt. 215 Vgl. BGH FamRZ 1984, 144, 147=NIW 1984, 484; Soergel/Heintzmann, § 1 Rdn. 4; Hoffmannl Stephan, § 1 Rdn. 20 und RGRKI Kalthoener, § 1 Rdn. 5 halten eine Zuweisung nach § 9 HVO ffir möglich; laut Fehmel, § 1 Rdn. 53, könne diese "durch sachgerechte Anwendung des § 9 Abs. I HVO· vermieden werden; vgl. S. 52 216 Vgl. BGH FamRZ 1980, 45, 46 und 988; OLG Frankfurt, FamRZ 1981, 375, 376; OLG Düsseldorf, FamRZ 1986, 1134, 1136; ffir die Entscheidung über den Schadensersatzanspruch ist das Prozeßgericht zuständig.

2. Kapitel

Anwendungsbereich der HVO Bevor die Grenzen des Ermessensspielraums des Hausratsrichters und insbesondere die Bindungen des billigen Ermessens gemäß § 2 HVO untersucht werden, kann eine erste Abgrenzung getroffen werden, indem dargelegt wird, in welchen Fällen der Weg über das als privatrechtliches Streitverfahren der FG ausgestaltete Hausratsverfahren, das eine Entscheidung über grundsätzlich im Zivilprozeß durchzusetzende subjektive Rechte ermögliche, eröffnet ist, d. h. wann der Hausratsrichter "ausnahmsweise" zur Gestaltung nach Billigkeitsgrundsätzen berufen ist. Zunächst werden daher die Regelungsgegenstände des Hausratsverfahrens bestimmt und der Geltungsbereich der HVO im Verhältnis zu anderen Streitigkeiten über Hausrat und Ehewohnung aufgezeigt. 2 Schließlich ist die Möglichkeit einer analogen Anwendung auf eheähnliche Gemeinschaften zu prüfen.

J. Gegenstände der Verteilung l. Begriffe "Hausrat" I "Haushaltsgegenstände"

Die Regelungsgegenstände des Hausratsverfahrens sind "die Wohnungseinrichtung und der sonstige Hausrat" (§ 1 HVO) beziehungsweise "Haushaltsgegenstände" (§ 1361a BGB). Eine Unterscheidung der Begriffe "Hausrat" und "Haushaltsgegenstände" ist nach ganz herrschender Meinung nicht zu treffen. 3 Aus den Gesetzesmaterialien zu § 1361a BGB ergibt sich, daß auch der Gesetzgeber die Ausdrücke für austauschbar hält. 4 Ähnliche Formulierungen enthalten die § 1369 BGB ("Gegenstände des ehelichen Haushalts") und

I

Vgl. Habscheid, Streitgegenstand, S. 229

Da die Entscheidung des Hausratsrichters auch eine vermögensrechtliche Komponente birgt, muß eine Abgrenzung zum Zugewinnausgleichsverfahrenerfolgen. Im Rahmen der Abgrenzung ist auf die im Hausratsverfahren geltenden Grundsätze der Verteilung einzugehen, so daß diese Frage nach der Untersuchung der hinsichtlich des Hausrats geltenden Verteilungsgrundsätze im 3. Teil, S. 313 ff. behandelt wird. 3 Vgl. 8GHZ 73,253,255; OLG Karlsruhe, FamRZ 1979,609; MüKo/Wacke, § 1361a Rdn. 5; Hoffrnann/Stephan, § 18a Rdn. 3; RGRK/Wenz, § 1361a Rdn. 8; RGRK/Kalthoener, § 18a Rdn. 9; Fehmel, § 18a Rdn. 4; zum Teil wird auch der Begriff "Hausratsgegenstände" verwendet, vgl. Erman/Ronke, § 18a Rdn. 2; die Wohnungseinrichtungwird in § 1 HVO als Teil des Hausrats besonders hervorgehoben, vgl. Michaelis, JR 1949,435 2

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1. Teil: Grundlagen des Hausratsverfahrens und Anwendungsbereich der HVO

§ 1932 BGB ("die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände")s, auf die häufig verwiesen wird. 6 Zum Hausrat gehören die "beweglichen Sachen, die nach den Vermögens- und Lebensverhältnissen der Eheleute für die Wohnung, Hauswirtschaft und ihr Zusammenleben bestimmt sind".' Der Begriff umfaßt somit nicht Immobilien".·

Maßgeblich für die Feststellung der Hausratseigenschaft ist neben der grundsätzlichen Eignung als Hausratsgegenstand die tatsächliche (überwiegende) oder zumindest beabsichtigte Nutzung, nicht aber der" Anlaß der Anschaffung".9 Der Nutzungszweck muß die gemeinsame private Lebensführung der Eheleute beziehungsweise der Familie betreffen, wie dies zum Beispiel bei Möbeln, Haushalts- sowie Rundfunk- und Fernsehgeräten regelmäßig der Fall sein wird. Von den Hausratsgegenständen sind die Gegenstände abzugrenzen, die einer anderen Zweckbestimmung unterliegen. Kein Hausrat sind die persönlichen Gegenstände eines Ehegatten. 10 Allerdings können auch Musikinstrumente und Bücher, die nicht nur dem persönlichen Gebrauch eines Ehe-

4 In der Stellungnahme zur Anregung des Bundesrates, zum Zwecke "einer einheitlichen Terminologie" den in der HVO verwendeten Ausdruck zu wählen, stellte die Bundesregierung ausdriicklich fest, daß "kein sachlicher Unterschied zwischen Haushaltsgegenständen und Hausrat (besteht)". Vgl. BT-Drucks. 2/224 Anl. 2 S. 85 und Anl. 3 S. 96; dies ergibt sich auch aus der Formulierung des gleichzeitig eingefiigten § 18a HVO ("Verteilung des Hausrats im Falle des § 1361a BGB"). In der amtl. Erl., DJ 1944, 278 zu § 1, wird ausgefiihrt, der Begriff des "Hausrats" umfasse "alle Gegenstände, die zum Haushalt gehören". 5 In §§ 1370 und 1969 BOB wird der Ausdruck "Haushaltsgegenstände" verwendet. 6 Vgl. BayObLG, FamRZ 1965,331,332; Kuhnt, AcP 150, 130, 132; Hoffmann/Stephan, § 1 Rdn. 28; Erman I Ronke, § 1 Rdn. 14; MüKo I Müller-Gindullis, § 1 Rdn. 8; Soergell Heintzmann, § 1 Rdn. 13; MüKo/Wacke, § 1361a Rdn. 5 7 Kuhnt, AcP 150, 130, 132; im Anschluß daran BGH, FamRZ 1984, 144, 146 und 575; MüKo/Müller-Gindullis, § 1 Rdn. 8; Soergel/Heintzmann, § 1 Rdn. 13; Fehmel, § 1 Rdn. 40; OLG Düsseldorf, FamRZ 1986, 1132, 1133; auf die Einbeziehung der Kinder weisen RGRK I Kalthoener, § 1 Rdn. 20 und Erman/Ronke, § 1 Rdn. 14 ausdriicklich hin. 8 Auch nicht Gebäudebestandteile wie z. B. Öfen, Heizungs- und Sanitäranlagen, vgl. MüKo I Müller-Gindullis, § I Rdn. 9; hinsichtlich einer Einbauküche bejahte das OLG Frankfurt, FamRZ 1982, 938, 939 die Eigenschaft als wesentlicher Bestandteil, soweit die Küche schon bei der Erstellung des Gebäudes eingefiigt wurde; das OLG Karlsruhe, NJW-RR 1986, 19 sieht eine Einbauküche grds. weder als einfachen noch wesentlichen Bestandteil (§ 94 Abs. 2 BGB) oder als Zubehör eines Gebäudes (§ 97 BGB) an. Für diese Auffassung spricht neben der selbständigen Verwendbarkeit der Küche die Bedeutung der Kücheneinrichtung fiir den Haushalt. Diese könnte andernfalls nicht im Hausratsverfahren beriicksichtigt werden, sondern würde nur dem Zugewinnausgleich unterliegen. 9 0LG Düsseldorf, FamRZ 1986, 1132, 1133; MüKo/Müller-Gindullis, § I Rdn. 8; Soergell Heintzmann, § 1 Rdn. 13; ähnlich RGRK/Kalthoener, § 1 Rdn. 20 ("tatsächliche Zweckbestimmung und tatsächlicher Gebrauch" und nicht nur - wie von Hoffmannl Stephan, § 1 Rdn. 28 ausgefiihrt - "die Verkehrsanschauung in Verbindung mit den Vermögens- und Lebensverbältnissen") 10 Beispielsweise Kleidung, Schmuck, überwiegend persönlichen Interessen dienende Sportoder Fotoausriistung, vgl. OLG Zweibriicken, FamRZ 1982,942; OLG Düsseldorf, FamRZ 1986, 1134,1135 (Werkzeug, Münzsammlung); Soergel/Heintzmann, § 1 Rdn. 14; Erman/Ronke, § 1 Rdn. 14; RGRK I Kalthoener, § 1 Rdn. 22

2. Kap.: Anwendungsbereich der HVO

49

gatten dienen 11 , Hausrat darstellen. Dies muß in gleicher Weise für Computer gelten, die mittlerweile in vielen Haushalten vorhanden sind und häufig von den Kindern genutzt werden. Weiter sind von den Hausratsgegenständen die Sachen zu unterscheiden, die überwiegend für berufliche Zwecke genutzt werden. Diese Unterscheidung ist insbesondere bei der Einordnung eines PKW als Hausratsgegenstand entscheidend. 12 Der Regelungszweck des Hausratsverfahrens erfordert eine weite Auslegung des Hausratsbegriffs, der gegebenenfalls auch das Kraftfahrzeug umfaßt. 13 Schließlich stellen Gegenstände, die nur als Kapitalanlage dienen, keinen Hausrat dar, wie zum Beispiel Sammlungen, bei denen der "Charakter als Objektsammlung" vorherrschend ist. 14 Allerdings können auch wertvolle Gegenstände, insbesondere Kunstgegenstände im Hausratsverfahren verteilt werden. Soweit in der amtlichen Erläuterung festgestellt wird, daß "in aller Regel Kunstwerke, wie kostbare echte Gemälde und wertvolle Plastiken, Sammlungen, ferner ausgesprochene Luxusgegenstände" keinen Hausrat darstellen l5 , schließt dies Ausnahmen nicht aus und mag auf die allgemeine Mangelsituation bei Erlaß der HVO zurückzuführen sein. Die Anwendbarkeit der HVO ist aber nicht auf Mangelfälle beschränkt. 16 Außerdem wird in der amtlichen Erläuterung gleichzeitig ausgeführt, daß Hausratsgegenstände "nicht ausschließlich solche Sachen, die zur Befriedigung rein materieller Bedürfnisse dienen", sind. Im Gegensatz zu den "reinen" Gebrauchsgegenständen werden die Einrichtungsgegenstände häufig nicht nur der materiellen Bedürfnisbefriedigung des täglichen Lebens dienen, sondern auch immaterielle Bedürfnisse befriedigen. 17 Bei der Bestimmung der Hausrats-

11 z. B. gehört Fachliteratur rur berufliche Zwecke nicht zum Hausrat; vgl. mit weiteren Beispielen Fehmel, § 1 Rdn. 42-49; Soergell Heintzmann, § I Rdn. 13; Hoffmann! Stephan, § I Rdn. 29-33; Michaelis, JR 1949,435 f.; Kuhnt, AcP 150, 130, 133 f. 12 Nach ganz h. M. kann dieser "ausnahmsweise" als Hausratsgegenstand angesehen werden, wenn er überwiegend rur familiäre Zwecke, wie z. B. Einkaufs- und Urlaubsfahrten sowie zur Beförderung der Kinder, genutzt wird, vgl. BGH FamRZ 1983,794; KG, FamRZ 1975, 164, 165; OLG Karlsruhe, FamRZ 1976, 93; OLG Köln, FamRZ 1980, 249 (Zweitwagen); BayObLG, FamRZ 1982,399 f. und NJW-RR 1986,6, 7; OLG Hamm, FamRZ 1983,72 L; OLG Zweibrücken, FamRZ 1983,615,616; Stanicki, FamRZ 1977,683,685 f.; unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung siehe u. a. Fehmel, § I Rdn. 43; RGRK! Kalthoener, § I Rdn. 23; Soergell Heintzmann, § I Rdn. 43; ein PKW, der überwiegend dem persönlichen Gebrauch oder beruflichen Zwecken dient, gehört nicht zum Hausrat. 13 Auch soweit der Begriff "einen den täglichen Sprachgebrauch sprengenden Radius" zeigt, vgl. Gernhuber, FamRZ 1959,465,468 14 Vgl. BGH FamRZ 1984, 575=NJW 1984,1758; Hoffmann!Stephan, § I Rdn. 33; MüKo! Müller-Gindullis, § 1 Rdn. 8 15 Amt!. Erl., DJ 1944,278 zu § 1 16

Vgl. BGH FamRZ 1984,575

Indem ein bestimmter Lebensstil verwirklicht wird und Freude und Wohlgefiihl beim Wohnen in dem eigenen Geschmack entsprechend eingerichteten Räumen bestehen; im übrigen können auch bei der Wahl der Gebrauchsgegenstände in bezug auf Form und Gestaltung ästhetische Gesichtspunkte ein Rolle spielen. Zu Recht wird auf die Doppelfunktion des Bereichs der Ehewohnung verwiesen, der nicht nur der "Unterhaltung" der Ehe und als "Reproduktionsort" dient, son17

4 Scharfschwecdt·Otto

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1. Teil: Grundlagen des Hausratsverfahrens und Anwendungsbereich der HVO

eigenschaft ist nicht nur der Gebrauchswert, sondern auch der ideelle Wert des Gegenstandes von Bedeutung. Gegenstände, die nach dem Lebenszuschnitt der Ehegatten der" Ausschmückung" oder" Ausstattung" der Wohnung dienen, stellen Hausrat dar, auch wenn es sich um Gegenstände von hohem Wert handelt. 1I Der ideelle Wert tritt aber bei Gegenständen zurück, die ausschließlich der Kapitalanlage dienen. Der materielle Wert oder die Qualität der Hausratsgegenstände eignen sich somit nicht als Abgrenzungskriterien. 19 Bei der Verteilung der Gegenstände von hohem Wert sind auch nicht unbillige Eingriffe in die Eigentumsrechte der Ehegatten zu befürchten, da bei Wertgegenständen, soweit sie im Alleineigentum eines Ehegatten stehen, regelmäßig nicht die Zuweisungsvoraussetzungen gemäß § 9 HVO gegeben sein werden und im übrigen die Miteigentumsvermutung des § 8 Abs. 2 HVO Beweiserhebungen nicht verhindert. 2O Gegenstand des Hausratsverfahrens sind auch gegenüber Dritten bestehende Rechte im Zusammenhang mit Verlust oder Beschädigungen von Hausratsgegenständen. 21 Obwohl diese nicht unmittelbar von den Begriffen "Hausrat" oder "Haushaltsgegenstände" umfaßt werden22 , stehen sie doch in einem so engen Zusammenhang mit dem Haushalt, daß eine entsprechende Anwendung der HVa geboten ist. Die Feststellung von Vlassopoulos, Rechte seien "weniger geeignet, der Haushaltsführung zu dienen "23 , steht einer analogen Anwendung nicht entgegen. Der Regelungszweck des Hausratsverfahrens ist auf eine den familienrechtlichen Beziehungen angemessene, insbesondere bedürfnisorientierte Auseinandersetzung gerichtet. Maßgeblich muß somit sein, daß der berechtigte Ehegatte in die Lage versetzt wird, sich einen vergleichbaren Gegenstand zu verschaffen. Dies wiederum hat der Richter bei der Verteilung des vorhandenen Hausrats zu berücksichtigen. Die zeitliche Beschränkung der

dem auch eine" Ansammlung von Vermögenswerten" darstellt, vgl. Smid, NJW 1985, 173, 175 18 80H FamRZ 1984, 575=NJW 1984, 1758 Vgl. BGH FamRZ 1984, 575=NJW 1984,1758 Sie soll in erster Linie aufwendige Beweisaufnahmen entbehrlich machen, zu denen der Wert der streitigen Gegenstände in keinem Verhältnis steht; dazu siehe unten S. 274 ff. und 281 f. 21 Z. B. Anspruche aus Versicherungsverträgen, Schadensersatzforderungengegen Dritte wegen Beschädigungen, Anspruche auf Herausgabe aus §§ 1369, 1368 BGB oder § 985 BGB, vgl. 80H FamRZ 1980,45,46 und 988; FamRZ 1983,794; BayObLG FamRZ 1965,331 f.; siehe weiter MüKo/Müller-Gindullis, § 1 Rdn. 11; Fehmel, § 1 Rdn. 50; Rolland, § 1 Rdn. 15 22 Dies lehnt Vlassopoulos, S. 80 (17 f.) ab; so auch hinsichtlich §§ 1369 und 1932 BGB, S. 47 f., 71; A. A. Johannsen/Henrich/Voelskow, § 1361a BGB, Rdn. 4, 5, unter Hinweis auf § 90 BGB; vgl. auch Kuhnt, AcP 150, 130, 132, der auch auf § 10 Abs. 2 HVO Bezug nimmt; das BayObLG, FamRZ 1965,331 f. sieht Rechte als "Teil des Hausrats" an. Der Begriff "Gegenstand" umfaßt zwar grds. Rechte und Sachen (=körperliche Gegenstände), vgl. MüKol Holch, § 90 Rdn. 5; Larenz, 8OB-AT, § 16 I S. 281; die Schlußfolgerung, daß in § 1361a 80B nicht der Begriff "Hausrat" sondern "Haushaltsgegenstände" verwendet wurde, da dieser Rechte umfaßt (vgl. Voelskow a.a.O.), erscheint jedoch zu weitgehend; nach dem Sprachgebrauch werden Rechte nicht unminelbar von diesen Begriffen erfaßt. 23 Vgl. Vlassopoulos, S. 80; so bereits Rinner, FamRZ 1961, 185, 187 19

20

2. Kap.: Anwendungsbereich der HVO

51

obligatorischen Anspruche aus Dauerschuldverhältnissen24 widerspricht einer Regelung im Hausratsverfahren ebensowenig wie der Alterszustand eines Hausratsgegenstandes, der ebenfalls nur noch eine begrenzte Nutzung zuläßt. Der Hausratsrichter ist jedoch nicht zur Entscheidung über Schadensersatzanspruche oder sonstige Anspruche eines Ehegatten gegen den anderen aus unrechtmäßigen Verfügungen über HaushaItsgegenstände berufen. Die im Hausratsverfahren nach Billigkeitsgrundsätzen zu treffende Entscheidung betrifft lediglich die Verteilung des Hausrats und gegebenenfalls - als "Surrogat" - die damit aufgrund von Verlust oder Beschädigungen zusammenhängenden Forderungen gegen Dritte2S , nicht aber die Feststellung von Grund und Höhe eventuell bestehender Schadensersatzanspruche, für die das Prozeßgericht zuständig ist. 26 Eine analoge Anwendung der Vorschriften der HVO ist auch in bezug auf Haushaltsvorräte und Haustiere zu bejahen. TI Eine Anwendung der HVO, die eine Verteilung nach Billigkeitsgesichtspunkten ermöglicht, ist insbesondere hinsichtlich der Haustiere geboten, denen eine rein vermögensrechtliche Auseinandersetzung nicht gerecht wird. Das am 25.8.1990 verkündete Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht stellt nunmehr klar, daß Tiere keine Sachen sind. 2B In der Begründung werden die Tiere als "Mitgeschöpfe" und "schmerzempfindliche Lebewesen" anerkannt. Es ist daher "eine Aufgabe der Rechtsordnung, den Schutz des Lebens und des Wohlbefindens der Tiere zu gewährleisten". 29 Das Vorhandensein eines gemeinsamen Haushalts ist regelmäßig als eine notwendige Voraussetzung für die Hausratseigenschaft im Sinne des § 1 HVO

24

Vg\. Vlassopoulos, S. 80

Auch soweit der Richter Forderungen gegen Dritte "verteilt", entfaltet die Entscheidung keine Bindungswirkung hinsichtlich Grund und Höhe des Anspruchs; im Hinblick auf eine ausgewogene Entscheidung hat der Richter aber zu prüfen, ob ein Anspruch besteht, vg\. Rolland, § 1 Rdn. 15; MüKo I Müller-Gindullis, § 1 Rdn. 11 (prüfung, ob im Hinblick auf § 1369 BGB wirksam veräußert wurde); KG, FamRZ 1974, 195, 196 26 So auch die ganz h. M., vg\. BGH FamRZ 1980,45,46 und 988 und FamRZ 1988, 155; OLG Hamm, FamRZ 1980, 66; OLG Frankfurt, FamRZ 1981, 375, 376; OLG Düsseldorf, FamRZ 1985,406,407 und FamRZ 1986, 1134, 1136; MüKo/Müller-Gindullis, § 1 Rdn. 11, 12; Fehmel, § 1 Rdn. 50, 51; SoergellHeintzmann, § 1 Rdn. 15; Erman/Ronke, § 1 Rdn. 20; RGRK/Kalthoener, § 1 Rdn. 26; kritisch Walter, JZ 1983, 54, 55, der aber auch feststellt, daß Ode lege lata" keine andere Lösung möglich ist, da die Familiengerichte aufgrund der Fassung des § 23b GVG nicht für "die übrigen vermögensrechtlichen Ansprüche zwischen den Ehegatten" zuständig sind. TI Vg\. Kuhnt, AcP 150, 130, 133; Soergell Heintzmann, § 1 Rdn. 13; auszunehmen sind Tiere, die zum "landwirtschaftlichen Inventar" gehören oder die allein von einem Ehegatten gehalten werden, vg\. Fehmel, § 1 Rdn. 47; Hoffrnannl Stephan, § 1 Rdn. 31 2B Gesetz vom 20.8.1990, in Kraft getreten am 1.9.1990; geändert wurde u. a. der 2. Abschnitt des 1. Buches des BGB (Einfügung § 90 a BGB), BGB\. I 1762 29 BT-Drucks. 1115463 S. 5; siehe auch Lorz, MDR 1989,201 ff. 2S

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1. Teil: Grundlagen des Hausratsverfahrens und Anwendungsbereich der HVO

anzusehen 3O , auch wenn die eheliche Lebensgemeinschaft nicht unbedingt eine häusliche Gemeinschaft erfordert. 31 Das Hausratsverfabren dient der Bewältigung der ehelichen Vergangenheit in bezug auf die Hausratsgegenstände. Die weitreichenden Befugnisse des Hausratsrichters, die über einen rein verDlÖgensrechtlichen Ausgleich hinausgehen, können damit gerechtfertigt werden, daß den Ehegatten die Lebensführung in der gewohnten Lebenssphäre erhalten bleiben soll. Haben die Ehegatten keine häusliche Gemeinschaft begründet und steht durch die Scheidung somit keine Veränderung der Wohnverhältnisse bevor, ist eine Verteilung im Hausratsverfahren nicht erforderlich. 32 Der nach der Trennung angeschaffte Hausrat dient regelmäßig nicht dem gemeinsamen ehelichen Haushalf3 und ist somit nicht im Hausratsverfabren zu berücksichtigen. 34 Von dem Anschaffungszeitpunkt, der für die Qualifizierung als Hausrat von Bedeutung sein kann, ist der für die Verteilung maßgebliche Zeitpunkt zu unterscheiden. Entgegen der h. M. ist davon auszugehen, daß nicht der Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils'5 beziehungsweise im Scheidungsverbundverfahren der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung36 maßgeblich ist, sondern daß die bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags vorhandenen Hausratsgegenstände erfaßt werden - soweit sie zum "ehelichen" Hausrat gehören. 37 Soweit die Berücksichtigung der zwar im Stichzeitpunkt, aber zur Zeit der Entscheidung nicht mehr vorhandenen

30 A. A. MüKo/Müller-Gindullis, § 1 Rdn. 8; Kuhnt, AcP 150,130,135; Hoffmann/Stephan, § 1 Rdn. 20, die EIWähnung des ·sonstigen Hausrats· dürfte aber erfolgt sein, um auch die Gegenstände, die nicht als ·Einrichtung· anzusehen sind, zu erfassen. 31 Vgl. RG 95, 330, 332 32 Ein Ausnahmefall mag z. B. vorliegen, wenn ein Ehegatte dem anderen und den Kindern eine Wohnung eingerichtet hatte, in der diese jahrelang allein wohnten. 33 Vgl. Fehmel, § 1 Rdn. 53; Vlassopoulos, S. 82; dies gilt nicht, wenn es sich um einen SurrogationselWerb gemäß § 1370 BGB handelt, vgl. Kuhnt, AcP 150, 130, 135, der grundsätzlich anderer Auffassung ist. 34 Vgl. BGH FamRZ 1984, 144, 146; Schwab, D., Hdb. des Scheidungsrechts, Rdn. 130; Palandt I Diederichsen, § 1 Anm. 2. d., der grds. auf den Umfang des Hausrats im Trennungszeitpunkt abstellt; MüKo I Müller-Gindullis, § 1 Rdn. 9; RGRK I Kalthoener, § 1 Rdn. 5; im Rahmen der Billigkeitsabwägung kann der nach der Trennung angeschaffte Hausrat jedoch bei der Beurteilung des Bedarfs des Ehegatten von Bedeutung sein. Der eheliche Hausrat ist sowohl im Hausrats- als auch im Zugewinnausg1eichsverfahrenzu berücksichtigen, siehe unten S. 313 ff., 316 35 Vgl. KG FamRZ 1974, 195, 196; OLG Zweibrücken, FamRZ 1985,819; OLG Düsseldorf, FamRZ 1986, 1132, 1133 und 1134, 1135 m.w.N.; OLG Karlsruhe, FamRZ 1987,848, 849; Fehmel, § 1 Rdn. 52; Hoffmannl Stephan, § 1 Rdn. 19; RGRK I Kalthoener, § 1 Rdn. 5 36 OLG Karlsruhe FamRZ 1987, 848, 849; MüKo/Müller-Gindullis, § 1 Rdn. 12; Rolland, § 1 Rdn. 12; Fehmel, § 1 Rdn. 52 unter Bezugnahme auf BGH FamRZ 1985,357, 359 und FamRZ 1982, 892 37 Gegenstände, di.. vor diesem Zeitpunkt wirksam veräußert oder zerstört wurden, werden bei der Verteilung nicht berücksichtigt; evtl. Schadensersatzansprüche sind vor dem Prozeßgericht geltend zu machen; vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 1981, 375, 376; KG, FamRZ 1974, 195; RGRK I Kalthoener, § 1 Rdn. 7; für beiseite geschafften oder versteckten Hausrat kann nur dann etwas anderes gelten, wenn dieser nachweisbar noch vorhanden ist.

2. Kap.: Anwendungsbereich der HVO

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Gegenstände als gerechtfertigt anzusehen ist, da die Zuteilunt an denjenigen Ehegatten erfolgen kann, der die Sache zuletzt in Besitz hatte , oder der berechtigte Ehegatte aufgrund der Zuweisung einen Schadensersatzanspruch geltend machen kann39 , kann dies in gleicher Weise für die nach Rechtshängigkeit nicht mehr vorhandenen Gegenstände gelten. Auch wenn die "Wirkungen der Scheidung" erst mit rechtskräftigem Scheidungsurteil eintreten40 , muß der Gedanke, daß aufgrund des durch die Trennung angespannten Verhältnisses der Ehegatten beabsichtigte Übervorteilungen zu befürchten sind41 , für das Hausratsverfahren ebenfalls Gültigkeit haben. In Übereinstimmung mit den für die Folgesachen Zugewinn- und Versorgungsausgleich geltenden Grundsätzen42 ist somit der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags maßgeblich. Der Richter hat den Bestand des Hausrats in diesem Zeitpunkt zu ermitteln. Veränderungen, die danach eintreten, dürfen grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. 43 Soweit sich nach Abschluß des Verfahrens herausstellt, daß weitere Gegenstände vorhanden waren, ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 17 HVO eine Änderung der Entscheidung möglich.44 2. Begriff "Ehewohnung"

Eine gesetzliche Definition des Begriffs der Ehewohnung ist weder in den Vorschriften der HVO noch im BGB enthalten!S In Rechtsprechung und Literatur wird der Begriff weit ausgelegt. Die h. M. faßt darunter auch Behelfsheime46 , Wohnbaracken und -lauben47 , Ferienwohnungen, Wochenendhäuser48

3S Vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 1987,848,849; die Zuteilung dürfte allerdings voraussetzen, daß diese Frage unstreitig ist. Soweit beide Ehegatten Zugriff auf den Hausrat hatten, sind bei der Verteilung nur die vorhandenen Gegenstände zu berücksichtigen, vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 1986, 1134, 1136; andernfalls wäre eine gerechte und zweckmäßige Verteilung (§ 8 Abs. 1 HVO) nicht möglich. 39 Vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 1981,375,376; OLG Düsseldorf, FamRZ 1986, 1132, 1134; eine Herausgabeanordnung hat dann zu unterbleiben. Diese setzt die Feststellung der Besitzverhältnisse voraus, vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 1986, 1134, 1136; a. A. KG FamRZ 1974,195, 196 40 Vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 1986, 1134, 1136 unter Hinweis auf Kuhnt, AcP 150, 130, 134; "bis dahin bestehen die durch die Ehe begründeten Rechte und Pflichten" 41 Vgl. Gernhuber, Familienrecht, § 36 IV 1. S. 505; Palandt/Diederichsen, § 1384 Arun. 1 42 Vgl. §§ 1384, 1587 (Ende des Monats, der der Rechtshängigkeit vorausgeht), 1587a 8GB; ein noch früherer Zeitpunkt ist gemäß § 1387 BGB bei der Klage auf vorzeitigen Zugewinnausgleich vorgesehen. 43 Siehe aber Fn. 39 zur Herausgabeanordnung 44

Vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 1986, 1134, 1136

Vgl. zu der Verwendung ähnlicher Begriffe wie "Wohnräume" oder "Familienwohnung", die Zusammenstellung bei Rabl, Die Ehewohnung, S. 5 46 OLG Schleswig, FamRZ 1955, 139 L; weitere Nachweise bei Gräber, JZ 1951, 685; Fehmel, § 1 Rdn. 37; Erman/Ronke, § 1 Rdn. 13; SoergellHeintzmann, § 1 Rdn. 12 4S

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1. Teil: Grundlagen des Hausratsverfahrens und Anwendungsbereich der HVO

und gegebenenfalls sogar Wohnwagen. 49 Als Ehewohnung seien die Räume anzusehen, "die von den Ehegatten gemeinsam bewohnt wurden oder dafür nach den gesamten Umständen bestimmt waren".50 Einer weiten Fassung des Begriffs der Ehewohnung ist grundsätzlich zuzustimmen. Angesichts der heute stark zunnehmenden Wohnungsverknappung gewinnt der Regelungszweck der HVO, eine an der Bedürftigkeit orientierte Zuweisung zu ermöglichen, wieder an Bedeutung. Soweit die Ehegatten die Räumlichkeiten tatsächlich nutzten oder deren Nutzung vorgesehen hatten, sind diese als Ehewohnung anzusehen und im Hausratsverfahren zu verteilen mit der Wirkung, daß der Wohnungsbedarf des nach Billigkeitsgrundsätzen bedürftigeren Ehegatten gedeckt werden kann. Eine Entscheidung nach Billigkeitsgrundsätzen ist im Hinblick auf die rechtliche Sonderstellung der Ehewohnung, die als "räumlich gegenständlicher Bereich der Ehe" gegenüber Störungen durch Dritte geschützt wirdsl und die Beschränkungen der Verfügungsbefugnis unterliegr2 , gerechtfertigt. Andererseits ergibt sich aus dem dargelegten Regelungszweck der HVO und bereits aus dem Wortlaut des § 1 HVO, daß diese Auslegung dahingehend zu begrenzen ist, daß nur die Ehewohnung verteilt, d. h., bei mehreren vorhandenen Wohnungen grundsätzlich nur eine als Ehewohnung qualifiziert werden kann. Dies muß insbesondere auch für Wohnlauben oder Ferienhäuser und -wohnungen gelten, die die Ehegatten zusätzlich zu der Ehewohnung unterhalten, vor allem, wenn sie als Kapitalanlage dienen. Auch soweit zum Beispiel ein Wochenendhaus lediglich zur Steigerung der Lebensqualitär3 und "der Befriedigung

47 BGH LM Nr. 1 zu § 3 HVO; OLG Hamburg, MDR 1948,477; siehe weiter Hoffmannl Stephan, § 3 Rdn. 3; RGRK/Kallhoener, § 1 Rdn. 19; Johannsen/Henrich/Voelskow, § 136\b Rdn. 7; Lynker, JurBüro 1979,955,956 48 KG (3. ZS), FamRZ 1974, 198, 199; OLG Frankfurt, FamRZ 1982,398; Fehmel, § 1 Rdn. 38; RGRK/Kallhoener, § 1 Rdn. 19; Gernhuber, FamRZ 1959,465,468; a. A. OLG Zweibrücken, FamRZ 1981,259 f.; Rolland, § I Rdn. 13; einschränkend KG (18. ZS-FamS), FamRZ 1986, 1010, 1011 49 OLG Zweibrücken, FamRZ 1980,569 (fest installiertes, 9 m langes "Wohnmobil"); MüKol Müller-Gindullis, § I Rdn. 5; nach Ansicht von AKI Derleder, § I Rdn. 2, sowie Fehmel, § 1 Rdn. 37, muß es sich um den Lebensmittelpunktgehandelthaben; das LG Stuttgart, FamRZ 1978, 703 sah einen Wohnwagen in dem von ihm zu entscheidenden Fall als Hausrat an; vgl. auch Johannsenl Henrich/Voelskow, § 1361b Rdn. 7 (überwiegende Nutzung als Wohnung, nicht zu "Erholungszwecken") 50 Vgl. BayObLG, FamRZ 1974,22; OLG München, FamRZ 1986, 1019, \020; daher handelt es sich auch bei der ersatzweise angemieteten, aber noch nicht bezogenen Wohnung um eine Ehewohnung; die Absicht, die neue Wohnung allein zu benutzen, ist unbeachtlich, wenn die Aufgabe der Ehewohnung erfolgte, um eine Auseinandersetzung im Hausratsverfahren zu verhindern, vgl. Hoffmannl Stephan, § 1 Rdn. 24; Rabl, S. 15 f. SI 8GHZ 6, 360 S2

Zur Vinkulierung der Ehewohnung siehe unten S. 138 f.

S3 Vgl. Fehmel, § 1 Rdn. 38, der u. a. auf Verkürzungen der Arbeitszeit und "die zunehmende Neigung, die Freizeit außerhalb der Städte zu verbringen", hinweist und die Anwendbarkeit der HVO bejaht.

2. Kap.: Anwendungsbereich der HVO

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eines Luxusbedarfs" dienf' , sind die Ehegatten auf eine Auseinandersetzung nach allgemeinen Vorschriften zu verweisen. Sind eine zweite Wohnung oder andere zu dauerndem Wohnen geeignete Räume vorhanden, erscheint zwar eine Regelung im Hausratsverfahren angesichts der auf dem Wohnungsmarkt herrschenden Situation angebracht. Dieses wünschenswerte Ergebnis würde jedoch eine Überschreitung der Regelungsbefugnisse des Hausratsrichters, der nur eine Regelung der Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung treffen darf, bedeuten. 55 Weder die gelegentliche oder auch ständige bisherige Nutzung eines Ferienhauses noch die beabsichtigte Dauernutzun~ durch einen Ehegatten können eine Qualifikation als Ehewohnung rechtfertigen. Der Begriff der Ehewohnung kann zwar grundsätzlich weit gefaßt werden. Auch eine Ferienwohnung oder s0f,ar transportable Räumlichkeiten können daher eine Ehewohnung darstellen. 7 Der Begriff ist aber in "zahlenmäßiger Hinsicht" zu begrenzen SI , so daß es sich nur dann um eine im Hausratsverfahren zuzuweisende Ehewohnung handelt, wenn ausschließlich diese Räumlichkeiten den Ehegatten für Wohnzwecke zur Verfügung stehen. 59 Die Eigentumsverhältnisse und die Rechtslage in bezug auf Dritte sind für die Begriffsbestimmung nicht von Bedeutung. Die Anwendbarkeit der HVO auf den nicht ausdrücklich geregelten Fall der im Miteigentum stehenden Ehewohnung ergibt sich somit schon aus begrifflichen Gründen. Gemäß § 1 HVO regelt der Hausratsrichter auf Antrag "die Rechtsverhältnisse an der Wohnung". Bei der Bestimmung des Begriffs der Wohnung ist nach dem Sinn und Zweck der HVO von den tatsächlichen Gegebenheiten auszugehen. 60 Eine Unterscheidung, ob es sich um eine Mietwohnung handelt, weitere Belange Dritter61 betroffen oder welche Eigentumsrechte seitens der Ehegatten gegeben sind, ist nicht

Ablehnend KG, FamRZ 1986, 1010, 1011 A. A. Gemhuber, FamRZ 1959,465,468 (Wochenendhaus)und Johannsen/Henrich/Voelskow, § 1361b Rdn. 7, 12, der die Zuweisung einer Ferienwohnung für möglich hält, "wenn der andere Ehegatte auf die alleinige Benutzung der Hauptwohnung dringend angewiesen ist". 56 Die Wohnung, die ein Ehegatte nach der Trennung bezieht, ist keine Ehewohnung. Sie dient nicht der Verwirklichung der ehelichen Gemeinschaft, vgl. BayObLG, FarnRZ 1971,34,36 57 Der Begriff der Ehewohnung umfaßt somit auch bewegliche Sachen und setzt nicht eine feste Verbindung der Wohnung mit Grund und Boden voraus (§§ 94, 95, 946 BGB); vgl. MüKo I Müller-Gindullis, § 1 Rdn. 5; Johannsen/Henrlch/Voelskow, § 1361b Rdn. 7; BayObLGZ 1953, 45, 48; Rabl, S. 6; es kann sich z. B. um zerlegbare Wohnbaracken, ein Wohnschiff oder einen Wohnwagen handeln. SI Rabl, S. 6 ff., 10 SI

55

59

Vgl. auch KG, FamRZ 1986, 1010, 1011

60

BayObLGZ 1960,379,384; BayObLG, FarnRZ 1971,34,36

Z. B. eines Vereins oder einer Genossenschaft, BGH LM Nr. 1 zu § 3 HVO; von der Begriffsbestimmung ist die Frage zu unterscheiden, welche Einschränkungender Regelungsbefugnissc sich aufgrund der Rechte Dritter ergeben können; dies wird im 3. Teil der Arbeit (3. Kap.) untersucht. 61

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1. Teil: Grundlagen des Hausratsverfahrens und Anwendungsbereich der HVO

gerechtfertigt. 62 Zugunsten eines oder beider Ehegatten können der Nießbrauch, das Erbbaurecht63 oder ein dingliches Wohnrecht64 an dem Grundstück, auf dem sich die Ehewohnung befindet, vorliegen. Der Anwendungsbereich der HVO umfaßt auch das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (§ 31 WEG), obwohl diese Rechtsinstitute zum Zeitpunkt des Erlasses der HVO noch nicht bestanden, sondern erst mit dem Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht vom 15.3.1951 geschaffen worden sind. 63 Es bestehen jedoch keine Zweifel über die Anwendbarkeit der HVO, da § 60 WEG ausdrücklich regelt, daß die Vorschriften der HVO entsprechend gelten, wenn die Ehewohnung im Wohnungseigentum eines oder beider Ehegatten steht oder wenn einem oder beiden Ehegatten das Dauerwohnrecht an der Ehewohnung zusteht. 66 Wie der Umfang des Hausrats wird regelmäßig auch die Größe und Wohnqualität der Ehewohnung von dem Zuschnitt der Lebensverhältnisse der Parteien abhängig sein. Hinsichtlich der Ehewohnung muß ebenfalls der Grundsatz gelten, daß die HVO fiir alle während des Getrenntlebens oder anläßlich der Scheidung über die Ehewohnung gefiihrten Streitigkeiten der Ehegatten gilt und nicht der Regelung einer Mangel- oder Notlage eines Ehegatten dient. 67 Die Ehewohnung umfaßt somit sämtliche Nebenräume, die von den Ehegatten bewohnt und benutzt wurden oder überwiegend dieser Zweckbestimmung unterlagen. 61 Auch der Hausgarten, der mit der Wohnung verbunden ist und keine "selbständige wirtschaftliche Bedeutung hat", gehört zur Ehewohnung. 69

62 Dafür spricht auch der Umstand, daß die HVO für den Fall des Alleineigentums eine besondere Regelung enthält (§ 3 HVO), vgl. BayObLG, FamRZ 1974, 22; Hoffmannl Stephan, § 3 Rdn. 11; vgl. auch BayObLGZ 1953,45, 48; BayObLG, NJW 1957,62, 63 und FamRZ 1971,34,36; Lynker, JurBüro 1979,955,956 63 Auch das Wohnungserbbaurecht, vgl. Fehmel, § 3 Rdn. 3; Soergell Heintzmann, § 3 Rdn. 10 64 Nach §§ 1093, 1090 8GB, vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 1980, 171; Fehmel, § 3 Rdn. 3; Rolland, § 3 Rdn. 2 65 BGBI. I 175

66

Siehe dazu Bärmann/Pick/Merle, § 60 Rdn. 1 ff.; Weitnauer, § 60 Rdn. I

Vgl. Rabl, S. 8 f. unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH zum Hausrat, FamRZ 1984,575 6S Zur Ehewohnung gehören z. B. Keller- und Abstellräume, Schuppen, Boden und Garage, vgl. Hoffmann/Stephan, § 1 Rdn. 26; OLG Celle, IR 1949,451; BayObLG FamRZ 1971, 34, 36; Gernhuber, Familienrecht, § 29 ß 3. S. 380; hingegen nicht ausschließlich zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken genutzte Räume, wie Arzt- oder Rechtsanwaltspraxen, vgl. MüKo I Müller-Gindullis, § I Rdn. 5 69 Vgl. OLG Hamburg, MDR 1948,477,478 (dort handelte es sich um eine Wohnlaube und den dazugehörigen Kleingarten) mit krit. Anm. Paehler; Gräber, JZ 1951,685; OLG Celle, IR 1949,451; Hoffmann/Stephan, § I Rdn. 25 m.w.N. 67

2. Kap.: Anwendungsbereich der HVO

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Das Vorhandensein einer Ehewohnung wird zum Teil abgelehnt, wenn ein Ehegatte aus der gemeinsamen Wohnung freiwillig und endgültig auszieht und sie nicht nur unter dem Druck des angespannten Verhältnisses der Ehepartner verläßt. 70 Allerdings umfaßt der Begriff der Ehewohnung im Sinne des § 1 HVa grundsätzlich auch die frühere Ehewohnung. Allein die Willensrichtung eines Ehegatten beim Auszug kann nicht zur Aufhebung der Eigenschaft der Ehewohnung im Sinne des § 1 HVa führen mit der Folge, daß die Vorschriften der Hva nicht mehr anwendbar sind, wenn ansonsten bei der Begriffsbestimmung auf die - regelmäßig in der Vergangenheit liegende - tatsächliche Nutzung der Wohnung beziehungsweise die Zweckbestimmung abgestellt wird. Die Durchführung des Hausratsverfahrens kann jedoch ausgeschlossen sein, weil eine Einigung der Ehegatten im Sinne des § 1 HVa vorliegt.' • 3. Schuldenregelung

Im Hausratsverfahren kann auch eine Regelung der mit dem Hausrat und der Ehewohnung zusammenhängenden Schulden erfolgen. Für den Hausrat ist dies in § 10 Abs. 1 Hva ausdrücklich geregelt. Es können Abzahlungsschulden für die unter Eigentumsvorbehalt gekauften Haushaltsgegenstände, aber auch weitere Verbindlichkeiten, wie Reparaturkosten, Versicherungsbeiträge oder Rückzahlungsverpflichtungen eines Anschaffungsdarlehns verteilt werden. n Hinsichtlich der Ehewohnung ist in der HVa eine Schuldenregelung nicht ausdrücklich vorgesehen. Im Rahmen der Gestaltung der Rechtsverhältnisse können jedoch die Zahlungsverpflichtungen berücksichtigt werden, zum Beispiel bei der Berechnung des festzusetzenden Mietzinses oder indem angeordnet wird, daß der Ehegatte anstelle der an den anderen Ehegatten zu zahlenden Nutzungsentschädigun§ die Abträge der zur Finanzierung des Hauses aufgenommenen Darlehen trägt.

11. Ausschluß der vindikatorischen und possessorischen Ansprüche Die ausschließliche Geltung der Vorschriften der Hva für die nach rechtskräftiger Scheidung auftretenden Streitigkeiten über Hausrat und Ehewohnung

70 Vgl. BayObLG, FamRZ 1974,22,23; Lynker, JurBüro, 1979,955,956 f.; Rabl, s. 17 ,. So z. B., wenn ein Ehegatte aus der im Miteigentum stehenden Ehewohnung auszieht, vgl. BGH FamRZ 1982,355= NJW 1982, 1753; ebenso BayObLG, FamRZ 1974,22,23; hinsichtlich der Entscheidung für die Zeit deI Getrenntlebens ist jedoch eine umfassende Zuständigkeit des Familienrichters zu bejahen, siehe unten S. 267 fT., 272 f.; bei einer Mietwohnung muß auch eine Regelung mit dem Vermieter erfolgt sein, dazu siehe unten S. 168 f. n Dazu siehe unten S. 380 fT.

13 Dazu im einzelnen unten S. 253 fT. und S. 259; die Grundsätze gelten für das Wohnungseigentum entsprechend, siehe oben S. 56 und S. 188 f.

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1. Teil: Grundlagen des Hausratsverfahrens und Anwendungsbereich der HVO

ergibt sich aus § 1 Abs. 2 HVO. 74 Die "Zuständigkeit eines anderen Gerichts (ist) ebenso ausgeschlossen wie die Anwendung anderer Rechtsvorschriften ".75 Zur KlarsteIlung ist jedoch darauf hinzuweisen, daß dies hinsichtlich der Ehewohnung76 nur gilt, soweit die Benutzung streitig ist. Sind sich die Ehegatten über die Frage der Benutzung einig und streiten sie nur noch um eine Nutzungsentschädigung, ist das Prozeßgericht zuständig. 77 Für die Zeit des Getrenntlebens und des Scheidungsverfahrens besteht weitgehende Einigkeit darüber, daß der auf § 985 BGB gestützte Anspruch auf Herausgabe durch die Spezialvorschriften über die Verteilung von Ehewohnung und Hausrat verdrängt wird. 7S Für diese Ansicht kann die "aus dem Gesamtzusammenhang der einschlägigen Vorschriften für Hausrat und Ehewohnung folgende(n) Grundentscheidung des Gesetzgebers" angeführt werden, nach der nur der Familienrichter zur Entscheidung über den Bestand des aus dem Wesen der Ehe herzuleitenden Besitzrechts19 , das bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils andauert10 , berufen sein sollte. Die Ausschließlichkeit der Verteilungsvorschriften für Ehewohnung und Hausrat ist aus Gründen der Verfahrenskonzentration, der Praktikabilität und Prozeßwirtschaftlichkeit zu befürworten." Gegen die Zuständigkeit des Prozeßgerichts spricht, daß weitgehend familienrechtliche Fragen, insbesondere im Hinblick auf ein Recht zum Besitz nach § 986 i. V. m. § 1353 BGB, betroffen sind, mit denen das Familiengericht

74 Das Prozeßgericht hat die Sache an das nach § 11 HVO zuständige Familiengericht abzugeben, § 18 Abs. 1 HVO 75 BGHZ 67, 217, 219; siehe auch Soergel I Heintzmann, § 1 Rdn. 17

76 Hinsichtlich des Hausrats ist im Verfahren nach der HVO nicht nur eine Benutzungsregelung, sondern eine endgültige Auseinandersctzungvorgesehen (vgl. §§ 8 Abs. 3, 9 Abs. 2 S. 2 HVO). Die allgemeinen Vorschriften werden daher in vollem Umfang verdrängt. Dies gilt auch fiir die Mietwohnung, siehe unten S. 180 77 Bei Alleineigentumgemäß §§ 987 ff. BGB, vgl. BGHZ 71,216,221,224 f.; Brudermüller, FamRZ 1989,7,9; bei Miteigentumgemäß § 745 Abs. 2 HVO, vgl. BGH FamRZ 1982,355: NIW 1982, 1753; OLG Hamburg, FamRZ 1982,941; hinsichtlich der Entscheidung für die Zeit des Getrenntlebens besteht jedoch eine umfassende Zuständigkeit des Familiengerichts, siehe unten S. 267 ff., 272 f. 7S Vgl. Soergel I Heintzmann, § 18a Rdn. 7; RGRK/Kaltboener, § 18a Rdn. 6; MüKo/Wacke, § 1361a Rdn. 4 und § 1361b Rdn. 3; einschränkend zu § 1361b BGB Soergel/Lange, § 1361b Rdn. 8; z. T. wird angenommen, daß es sich bei § 1361a BGB um einen Anspruch nach § 985 BGB handelt, vgl. Soergell Lange, § 1361a Rdn. 7; Gembuber, Familienrecht, § 19 m 4. S. 192; Iohannsenl Henrich I Voelskow, § 1361a Rdn. 7; auf diese Frage dürfte es nichtankommen; Fehmel weist zu Recht daraufhin, daß die Ansprüche nicht "deckungsgleich" seien, vgl. Fehmel, § 18a Rdn. 7 19 Zum Beispiel durch eine einstweilige Anordnung gemäß § 620 Nr. 7 ZPO oder durch eine Regelung gemäß §§ 1361b BOB, 18a HVO, vgl. auch Graba, NIW 1987, 1721, 1722 10 Der Alleineigentümer-Ehegatte ist aufgrund des sich aus § 1353 Abs. 1 BOB ergebenden Gebots zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet, dem anderen Ehegatten die Wohnung zum Gebrauch zu überlassen. Der Schutz des "räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe" wird auch während des Getrenntlebens nicht auf den "Restbestand des § 1361a BGB" reduziert, vgl. BOHZ 71, 216, 222 ff. entgegen Gembuber, FamRZ 1959,465, 471; diese Auffassung wurde durch die Einfiihrung des § 1361b BGB ausdrücklich bestätigt. I. Vgl. BGHZ 67,217,219 ff.

2. Kap.: Anwendungsbereich der HVO

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bereits in den besonderen Verfahren über die Benutzungsregelungen über Hausrat und Ehewohnung befaßt ist. 82 Da aufgrund der darin getroffenen Entscheidungen ein Recht zum Alleinbesitz begründet werden kano83 , könnte der Herausgaberechtsstreit unter Umständen "unterlaufen" werden. Äußerst umstritten ist die Frage des Verhältnisses der besonderen Verteilungssvorschriften über Ehewohnung und Hausrat zu den possessorischen Ansprüchen. Der Streit hat sich insbesondere an dem Fall der Rückschaffung des von einem Ehegatten eigenmächtig entfernten Hausrats entzündet. Im Anschluß an den Beschluß des BGH vom 22.9.1982'"' wird zwar übereinstimmend von der Zuständigkeit des Familiengerichts und der Anwendbarkeit der Verfahrensvorschriften der HVO ausgegangen. 8S Jedoch besteht keine Einigkeit darüber, ob § 1361a BGB eine Anwendung der §§ 858 ff. BGB JenereIl ausschließt. 86 Der gleiche Streit besteht in bezug auf § 1361b BGB. Neben dem Grundgedanken der einheitlichen Zuständigkeit des Familiengerichts88 können für eine ausschließliche Geltung der Hausratsvorschriften gegenüber den possessorischen Ansprüchen ähnliche Erwägungen wie hinsichtlich der Konkurrenz zu § 985 BGB angeführt werden. 89 Die Entscheidung über die Rückschaffung der Hausratsgegenstände würde gegenstandslos, wenn der Familienrichter daran anschliessend oder sogar gleichzeitig über einen Antrag auf Verteilung des Hausrats gemäß § 1361a BGB entscheiden und dem antragstellenden Ehegatten einen Teil des Hausrats wieder zuweisen müßte. 9O Auch hier sprechen

82 Dies gilt rur einstweilige Anordnungen gemäß § 620 S. 1 Nr. 7 ZPO sowie rur die Verfahren nach §§ 1361a und 1361b BGB, 18a HVO. 83 Vgl. BGHZ 67,217,220

M

BGH FamRZ 1982, 1200

Ein auf Rückschaffung der Hausratsgegenstände gerichteter Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verffigung ist somit nicht zulässig. Eine Umdeutung des Antrags ist jedoch möglich. Es kann im Rahmen des Hauptverfahrens eine einstweilige Anordnung gemäß § 13 Abs. 4 HVO oder bei Anhängigkeit des Scheidungsverfahrens eine einstweilige Anordnung gemäß § 620 S. 1 Nr. 7 ZPO ergehen, vgl. Vogel, FamRZ 1981,939,940 86 Für § 1361a BGB als lex specialis, vgl. OLG Koblenz, FamRZ 1985,931; OLG Düsseldorf (1. FarnS), FamRZ 1986, 276, 277 und (5. FarnS) FamRZ 1987,483; OLG Hamm, FamRZ 1987,483 f.; OLG Köln, FamRZ 1987,77,78; OLG Zweibrücken, FamRZ 1987, 1146; Vogel, FamRZ 1981,839,940; OLG Frankfurt, FamRZ 1988,399; Walter, JZ 1983,54; Fehrnel, § 18a Rdn. 6; RGRK/Kalthoener, § 18a Rdn. 6; Soergel/Heintzmann, § 18a Rdn. 7; a. A. OLG Düsseldorf (6. FarnS), FamRZ 1983, 164 f.; (9. FarnS) FamRZ 1984, 1095 und FamRZ 1987, 484 mit zust. Anm. Müller; KG, FamRZ 1987, 1147; SoergelfLange, § 1361a Rdn. 13; MüKol Wacke, § 1361a Rdn. 17 87 Für eine ausschließliche Geltung des § 1361b BGB, SoergelfHeintzmann, § 18a Rdn. 10; RGRK/Kalthoener, § 18a Rdn. 6; OLG Köln, FamRZ 1987,77,78; a. A. SoergelfLange, § 1361b Rdn. 8; MüKo/Wacke, § 1361b Rdn. 3 88 Vgl. dazu Bergerfurth, Der Ehescheidungsprozeßund die anderen Eheverfahren, 7. Aufl., Rdn. 134 89 Vgl. BOH FamRZ 1982, 1200 8S

90 Der Geltendmachungwürde auch der Grundsatz "dolo facit, qui petit, quod statirn redditurus est" entgegenstehen.

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1. Teil: Grundlagen des Hausratsverfahrens und Anwendungsbereich der HVO

erhebliche Gründe der Prozeßwirtschaftlichkeit und Praktikabilität sowie der Regelungszweck der besonderen Hausratsvorschriften91 für deren ausschließliche Anwendung. 92 Es ist somit davon auszugehen, daß sich der Anwendungsbereich der HVO in verfahrensrechtlicher und sachlicher Hinsicht auf "alle Besitz-, Benutzungs- und Herausgabestreitigkeiten zwischen in Scheidung lebenden oder geschiedenen Ehegatten über den Hausrat" und die Ehewohnung erstreckt. 93

ID. Analoge Anwendung der HVO auf nichteheliche Lebensgemeinschaften? Nach überwiegender Auffassung ist eine analoge Anwendung der HVO auf nichteheliche Lebensgemeinschaften ausgeschlossen. 94 Eine andere Auffassung vertritt Struck, der aufgrund von gesellschafts- und sozialpolitischen Kriterien eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der HVO aus rechtspolitischer Sicht für wünschenswert hält. 9S Die Anzahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften ist seit den siebziger Jahren stark angestiegen. 96 Bei dieser Form des Zusammenlebens, die überwiegend junge Partner wählen, werden zwar die Eignung der "Institution Ehe" zur Festigung der Beziehung, meistens aber nicht der Wert einer dauerhaften Partnerschaft in Frage gestellt.97 Wie die eheliche Familie, die ihrer Versorgungsfunktion für mehrere Generationen weitgehend enthoben ist und sich zur

91 D. h. insbesondere die Möglichkeit einer flexiblen und sachgerechten Entscheidung im Verfahren der FG unter Berücksichtigung des familienrechtlichen Verhältnisses im Rahmen der Billigkeitsabwägung, siehe oben S. 22 ff., 25; vg!. auch OLG Hamm, FamRZ 1987,483 f. 92 Vg!. OLG Zweibrücken, FamRZ 1987, 1146 f.; OLG Düsseldorf, FamRZ 1987,483

93 Vg!. BGH FamRZ 1984, 144, 146 und 575; den Ausfiihrungen in der Entscheidung vom 22.9.1982, FamRZ 1982, 1200, kann entnommen werden, daß der BGH nicht nur eine ausschließliche Anwendbarkeit der HVO, sondern auch des § 1361a BGB annimmt (dies muß somit auch für § 1361b BGB gelten). 94 Siehe schon LG Berlin, JR 1952,243; vg!. weiter MüKo/Müller-Gindullis, § I Rdn.2; Hoffmann/Stephan, § I Rdn. 16; Erman/Ronke, § I Rdn. I; Soergel/Heintzmann, § I Rdn. 2; Rolland, § I Rdn. 2; Fehmel, § I Rdn. 8; RGRK/Kalthoener, § I Rdn. 3; Palandt/Diederichscn, Ein!. zu Anh. U zum EheG, Anm 3. d.; siehe auch BGH FamRZ 1981,530 f. (die eheähn!iche Lebensgemeinschaft sei "keine nach einheitlichen Rechtsgrundsätzen abzuwickelnde Rechtsgemeinschaft"); OLG Frankfurt, FamRZ 1982,265 95 Struck, ZRP 1983, 215, 216, 218 f.; zu den von ihm angefiihrten Argumenten siehe unten S. 319, Fn. 276; vg!. auch AK/Derleder, § 1 Rdn. 1, der entsprechende Vorschriften für rechtspolitisch erforderlich hält. 96 Vg!. die Zusammenstellung in: Schriftenreihe des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit, Nichteheliche Lebensgemeinschaften, 1985, S. 147 ff.; Witt / Huffmann, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 2. Aufl., Rdn. 10 ff. 97 Vg!. Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, a.a.O., S. 38 ff., 40; zu den Motiven auch ausführlich Witt/Huffmann, Rdn. 13 ff. m.w.N.

2. Kap.: Anwendungsbereich der HVO

61

Kleinfamilie gewandelt hat98 , charakterisiert die nichteheliche Lebensgemeinschaft eine gemeinsame Haushaltsführung, die auf einer gefühlsorientierten Partnerschaftswahl beruht. 99 Die Abwicklungsprobleme, die sich beim Scheitern der ehelichen und eheähnlichen Lebensgemeinschaften ergeben, sind von gleicher Struktur. 100 Aufgrund der bestehenden Ähnlichkeiro l der ehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften erscheint eine privatrechtliche Gleichbehandlung naheliegend. Aber auch wenn bei der Interpretation der Gesetzesnormen der Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen istlO2 , kann ein "Wandel der Normsituation" nur dann eine analoge Anwendbarkeit begründenlO3 , wenn dieser eine "planwidrige Unvollständigkeit" der betreffenden Vorschrift zur Folge hat. 104 Bei den Vorschriften des Ehe- und Familienrechts, die "als Ausfluß gerade der Institution "Ehe" zu werten sind", kommt jedoch eine Analogiebildung nicht in Betracht. 105 Der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG umfaßt nicht eheähnliche Lebensgemeinschaften. 106 Verfassungsrechtlich steht einer Gleichstellung, die über eine punktuelle Gleichbehandlung hinausgeht und die nichteheliche Lebensgemeinschaft auch im Ehe- und Familienrecht als weitere "Eheform" anerkennt, Art. 6 Abs. 1 GG entgegen, der die eheliche Lebensgemeinschaft besonders schützt. 107 Eine analoge Anwendung der HVa anläßlich des Scheiterns einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist daher abzulehnen.

98 Vgl. Neidhardt, Die Familie in Deutschland, 4. Aufl., S. 11 f., 27 ff., 31; insbesondere die Bedeutung fiir die Altersversorgung ist angesichts staatlicher Versorgungseinrichtungen entfallen. Mitterauer I Sieder, Vom Patriarchat zur Gegenwart, S. 179 ff.; König, Die Familie der Gegenwart, S. 69 f. 99 Vgl. Knoche, MDR 1988,743,745

100 Vgl. Struck, ZRP 1983, 215 f.; zur Abwicklung der aufgelösten nichtehelichen lebensgemeinschaft siehe Simon, JuS 1980,252 ff.; Schlüter, FamRZ 1986,405 ff.; Witt I Huffmann, Rdn. 318 ff. 101 Zur Analogiebildung vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 365 ff. 102 BVerfGE 7, 342,351; 34, 269, 288 f. 103 104

Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 334 ff. Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 358

105 Vgl. Knoche, MDR 1988, 743, 744, 745; im Gegensatz zu anderen privatrechtlichen Vorschriften wie §§ 530 Abs. I, 569a Abs. 2, 1093 Abs. 2 BGB, vgl. zu letzterem insbesondere BGHZ 84,36 ff.=FamRZ 1982,774 f.; siehe weiter BGH FamRZ 1980, 40, 41; Diederichsen, FamRZ 1988,889,891, befürwortet die analoge Anwendung der §§ 1359, 1362 BGB (aber abI. hinsichtlich § 569a BGB); vgl. auch OLG Hamm, FamRZ 1983, 273 f., das die analoge Anwendung des § 1361 8GB ablehnte. 106 Vgl. Knoche, Die Partner einer nichtehelichen lebensgemeinschaft als "Familienangehörige"?, S. 50 ff. m.w.N. 107 Vgl. Zuck, MDR 1988,746; Knoche, MDR 1988,743,744; siehe auch Maus, Scheidung ohne Trauschein, S. 87 ff., der auf die Gleichsetzung mit einer gegen die Institutsgarantie verstoßenden Formlosigkeit der Eheschließung hinweist.

2. Te i I

Der Ermessensspielraum des Hausratsrichters 1. Kapitel

Das "billige" Ermessen gemäß § 2 HVO I. Ennessensvorschriften der HVO und die Bedeutung der Nonnzwecke Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei dem Hausratsverfaltren um eine Regelungsstreitigkeit, bei der der Richter die Aufgabe hat, die Rechtsverhältnisse der Parteien nach seinem Ermessen zu gestalten. Wegen der aufgrund der komplexen Lebenssachverhalte bestehenden Schwierigkeiten einer bis ins Einzelne gehenden Regelung l , enthalten die Verteilungsvorschriften der HVO weitgehend keine bestimmte Rechtsfolge, die an einen klar umrissenen Tatbestand anknüpft. Vielmehr lassen sowohl die Rechtsfolge als auch der Tatbestand aufgrund einer weiten Fassung häufig einen Spielraum, in dessen Rahmen die richterliche Entscheidung zu treffen ist. Die besonderen Verteilungsvorschriften sind als "Kann-"2 oder "Sollvorschriften"' gefaßt worden. § 8 HVO ordnet schlicht an, daß der Richter Hausrat, der beiden Ehegatten gemeinsam gehört, gerecht und zweckmäßig verteilt. Die Grundlage der von dem Hausratsrichter zu treffenden Entscheidung stellt § 2 HVO dar, der als zentrale Vorschrift im allgemeinen Teil der HVO bei jeder Entscheidung des Hausratsrichters zu beachten ist4 und der bestimmt, daß der Richter bei der Gestaltung der Rechtsverhältnisse nach "billigem Ermessen" entscheidet. Die Frage, welche der Gestaltungsmöglichkeiten der Hausratsrichter wählt, wie er die Rechtsverhältnisse im einzelnen gestaltet, welche Zielsetzung und Funktion die rechtsgestaltende Entscheidung erfüllen soll, ist

I Siehe oben S. 17; vgl. Schuhmann, Das Ennessen des Richters im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit, S. 1 f. und Fn. 1 aufS. 1, daneben sei eine" Aufwertung" der Stellung des Richters erfolgt 2 §§ 5, 6, 9, 10 Abs. 1 HVO 3

§§ 3, 4, 8 Abs. 3 S. 2, 10 Abs. 2 HVO

Vgl. RGRKI Kalthoener, § 2 Rdn. 1, der das in § 2 statuierte "billige Ennessen" als "Fundament der richterlichen Entscheidung" bezeichnet, und Kuhnt, AcP 150, 130, 139 f.: "Das billige Ennessen ist als leitender Grundsatz an die Spitze der VO gestellt (§ 2) und muß gerade auch ffir § 9 in seinem vollem Umfang gelten ..... ". 4

1. Kap.: Das "billige" Ermessen gemäß § 2 HVO

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somit von der Interpretation des "billigen Ermessens" gemäß § 2 HVO abhängig. Sowohl der Begriff des Ermessens als auch der der Billigkeit werden nicht klar defIniert und bieten weite Auslegungsmöglichkeiten. Der Begriff des "Ermessens" und die sich daraus ergebenden Befugnisse sind hochumstritten. Die Terminologie ist nicht einheitlich. Die unterschiedlichen Begriffsfassungen reichen von der Entscheidungsfreiheit überhaupt einzugreifens bis zur konkreten inhaltlichen Bindung. 6 Von der Problematik der rechtlichen Struktur des Ermessens ist zu unterscheiden, auf welcher Ebene des Rechtsprechungsaktes der Richter Ermessen ausüben darf. Einerseits ist streitig, ob bereits auf der Tatbestandsseite bei der Subsumtion des Sachverhalts oder der Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe Ermessen ausgeübt werden darf', andererseits besteht auch keine Einigkeit darüber, ob die Ermessensausübung bei der Bestimmung der Rechtsfolge dem Richter stets einen Entscheidungsspielraum einräumt. Zutreffend stellt Schuhmann' fest, daß umfassende und systematische Betrachtungen zu diesem Problemkreis in der FG-Literatur nicht zu fInden sind, sondern meistens im Rahmen der Darstellung der Rechtsmittel zu dieser Frage Stellung genommen wird. 9 In der vorliegenden Arbeit wird die Untersuchung der Ermessensproblematik auf das in § 2 HVO eingeräumte "billige" Ermessen des Hausratsrichters beschränkt. Aber auch insoweit ist streitig, ob das dem Richter eingeräumte Ermessen eine Wahl befugnis umfaßt oder ob - da es sich um "billiges" Ermessen handelt - grundsätzlich nur eine Entscheidung als richtig anzusehen ist. IO Eine brauchbare DefInition der Billigkeit ist jedoch nicht in § 2 Satz 2 HVO zu sehen, der bestimmt, daß der Richter bei der Entscheidung nach billigem Ermessen alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere das Wohl der Kinder und die Erfordernisse des Gemeinschaftslebens zu berücksichtigen hat. Da die Berücksichtigung "aller Umstände des Einzelfalls" bereits im Begriff der Billigkeit enthalten sei, handelt es sich nach Auffassung Gernhubers ll bei deren besonderer Etwähnung nur um eine "pleonastische" Formulierung und zwar auch insoweit als einzelne Umstände besonders betont werden. Die Hervor-

Nach Schmidt als "Entschließungsermessen" zu bezeichnen, vgl. Schmidt, S. 66 "Beurteilungsennessen ", das nur eine "richtige" Entscheidung zuläßt, vgl. Keidell Kuntze I Winlder, FGG, § 27 Rdn. 26 d; lansen, FGG, § 27 Rdn. 24; Habscheid, FG, § 35 I 2. b S. 253 , Siehe unten S. 75 ff. S

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I

Schuhmann, S. 8 und S. 32

Vgl. Habscheid, FG, § 35 12. b; Bassengel Herbst, FGG, § 27 ß 3. c; Bärmann, FG, § 33 IV 5. a; Baur, FG, § 31 C ß 2. b; lansen, FGG, § 27 Rdn. 23 ff.; Keidel/Kuntze/Winlder, FGG, § 27 Rdn. 26 ff. 10 Dazu im einzelnen unten S. 65 ff. 9

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Gemhuber, Die integrierte Billigkeit, S. 193 ff., 206, 210, 215

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2. Teil: Der Ennessensspielraum des Hausratsrichters

hebung würde keine Schwerpunkte setzen, die nicht ohnehin erkennbar wären. Nun ist der Gedanke überzeugend, niemand werde ernsthaft daran zweifeln, daß die "Umstände des Falles" für die Billigkeitsentscheidung von Belang seien. Es leuchtet jedoch auch ein, daß nicht schlechthin "alle" Umstände berücksichtigt werden können, denn dies dürfte sowohl aus prozeßökonomischen Gründen als auch aus Praktikabilitätsgründen unmöglich sein. Gernhuber ist aber auch darin zuzustimmen, daß die Billigkeit Schranken unterliegt, die sich aus grundlegenden Wertentscheidungen des "normativen Bezugssystems", in dem die Billigkeit korrigierend eingesetzt wird, und aus den Normzwecken des Regelungskomplexes ergeben. 12 Eine Bestimmung der relevanten Umstände ist jedoch in § 2 Satz 2 HVO nicht erfolgt. Auch die Feststellung des BGHI3 , daß der Richter alle Umstände zu berücksichtigen habe, "die das Verhältnis der Ehegatten zueinander, ihre gegenwärtigen Lebensbedingungen und ihre Beziehungen zu den einzelnen Gegenständen betreffen, soweit diese irgendwie bedeutsam für die Beurteilung sein können, was in dem Einzelfall billig, gerecht und zweckmäßig ist", enthält keine klare Aussage, wie die in § 2 HVO genannten Umstände zu defmieren, welche "sonstigen" Umstände zu berücksichtigen sind und ob eine sowie gegebenenfalls welche Rangfolge besteht. Bei der Lösung des Problems, wie das in § 2 HVO eingeräumte billige Ermessen auszuüben ist, kann nicht allein auf den Gesetzestext zurückgegriffen werden. Darüber hinaus können Wortwahl und Formulierungen willkürlich, zufällig oder ohne Kenntnis der sich in der Praxis ergebenden Schwierigkeiten erfolgt sein. 14 Sinn und Bedeutung der Begriffe können sich auch im Laufe der Zeit ändern. Letzteres könnte insbesondere auf den Begriff "Erfordernisse des Gemeinschaftslebens" zutreffen, der in unserem heutigem Sprachgebrauch nicht mehr üblich ist. Die Frage, ob und in welcher Weise der Richter zur Ermessensausübung berechtigt ist, kann nur durch Auslegung des Gesetzes unter Berücksichtigung der Normzwecke, der durch das Gesetz geschützten Interessen und die durch die Entscheidung wahrzunehmenden Aufgaben, beantwortet werden. U Im folgenden ist zu prüfen, welcher Ermessensbegriff zugrunde zu legen ist. Im Rahmen dieser Untersuchung, die auf den Begriff des "billigen Ermessens" zu beschränken ist, ist der Begriff der Billigkeit im Sinne von § 2 HVO näher zu betrachten.

12

. y"gl. Gemhuber, a.a.O., S. 206, 208 und S. 210 f. ("Grenzenlose Billigkeit ist eine Utopie .... ) 13 BGHZ 18, 143, 148 14 Vgl. Schuhmann, S. 17 (m.w.N.); auch Gemhuber weist darauf hin, daß die sprachliche Form zu Mißverständnissen führen kann, a.a.O., S. 200 15 Vgl. Schuhmann, S. 17 und 75 (Fn.2); dies ist ein "Erkenntnisproblem" und folgt schon aus der Bindung des Richters an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG).

1. Kap.: Das "billige" Ennessen gemäß § 2 HVO

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D. "Billiges" Ennessen gemäß § 2 Satz 1 HVO 1. Wablbefugois oder

"Beurteiluogserm~seo"?

Nach weit verbreiteter Meinung in der FG-Literaturl6 handelt es sich bei dem in § 2 HVa eingeräumten billigem Ermessen um ein sogenanntes Beurteilungsermessen, das dahingehend definiert wird, daß nur eine einzige Entscheidung als die "richtige" anzusehen sei, die in das "wertende" Ermessen des Gerichts gestellt werde. Zur Begründung wird angeführt, daß "billig, angemessen, gerecht" nachvollziehbare Rechtsbegriffe seien und daß nur eine Entscheidung die Voraussetzung der Billigkeit erfüllen könne. Im Gegensatz dazu könne dem Richter ein Ermessen eingeräumt sein, das ihn befugt, unter mehreren Entscheidungsmöglichkeiten zu wählen und den ihm gewährten Entscheidungsspielraum nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten auszufüllen. 17 Dieses Ermessen wird als "Handlungsermessen " bezeichnet. Teilweise wird trotz der Unterschiede in funktioneller und verfahrensrechtlicher Hinsicht (Richter - Verwaltungsbeamter) auf die Begriffsfassung des Ermessens im Verwaltungsrecht zurückgegriffen. 1I Auch wenn erhebliche Unterschiede in Zweck und Voraussetzungen der Entscheidung des Richters und der vom Verwaltungsbeamten zu treffenden Maßnahme bestehen, kann dies gebilligt werden, da die Entscheidungsakte, die unter Einbeziehung der künftigen Entwicklung häufig gestaltende Tätigkeit erfordern, vergleichbar sind. 19 Schuhmann vertritt die Auffassung, daß von "Ermessen" nur dann die Rede sein sollte, wenn der Richter die Befugnis hat, unter mehreren "gleich richtigen" Entscheidungen zu wählen. 20 Seiner Ansicht, daß die Frage, ob eine Wahlbefugnis besteht, nur durch eine Untersuchung der Normzwecke beantwortet werden könne, kann zwar grundsätzlich gefolgt werden. 21 Die Feststellung, daß ein Ermessensspielraum stets eine Wahlbefugnis des Richters voraussetze, bedarf jedoch noch weiterer Überprüfung.

16 Keidel I KuntzeIWinkler, FGG, § 27 Rdn. 26 d; Jansen, FGG, § 27 Rdn. 24; Baur, FG § 31 C 112. b bb 17 Die Frage der Zweckmäßigkeit soll jedoch nicht der Rechtskontrolle unterliegen, es sei nur zu priifen, ob von dem Ennessen kein fehlerhafter, d. h. dem Gesetzeszweck widersprechender Gebrauch gemacht worden sei, vgl. Keidel I Kuntzel Winkler, FGG, § 27 Rdn. 26; Jansen, FGG, § 27 Rdn. 23; Baur, FG, § 31 C 112. b bb 18 Vgl. Bännann, FG, § 33 IV 5. S. 216

19 Vgl. Schmidt, S. 61. Der Hinweis Schuhmanns, S. 107 f., daß der Richter der FG nicht vordringlich die Interessen des Staates vertrete, sondern vor allem die privaten Interessen der Beteiligten zu wahren und deren Lebensverhältnisse zu regeln habe, ist weniger hinsichtlich der Frage der Struktur des Ennessens im allg. als vielmehr bei der Festlegung des Entscheidungsspielraums der Einzelnonnen von Bedeutung. 20 Schuh mann, S. 147

21

Vgl. Schuhmann, S. 17 und S. 74 ff., siehe auch oben S. 64

S Scharfschwerdt-Otto

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2. Teil: Der Ennessensspielraum des Hausratsrichters

Gegen die Auffassung, das Billigkeitserfordernis sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nur eine richtige Entscheidung zulasse, wird eingewandt, daß die Entscheidung nach Billigkeit eine gerechte Entscheidung des Einzelfalls22 ermöglichen solle und eine Konkretisierung der Einzelfallgerechtigkeit durch die Rechtsprechung zumindest für den Bereich der Regelungsstreitigkeiten nicht erfolgen könne, da diese Verfahren auf einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen gerichtet und eine Vorausbestimmung des Ergebnisses aufgrund der "Situationsgebundenheit" nicht möglich sei. 21 Der Richter müsse auf "differenzierte", sich dauernd wandelnde menschliche Beziehungen eingehen, so daß eine Bildung gleich gelagerter Tatbestände nicht möglich sei. 24 Schuhmann behauptet, in der FG stünde nicht genügend "vergleichbares Fallmaterial" zur Verfügung, aus dessen Verarbeitung eine auf Erkenntnis beruhende als maßgebliches Präjudiz anzusehende Konkretisierung des Gerechtigkeitsprinzips gewonnen werden könne. 2S Er bezeichnet die "Gerechtigkeit" nur als "Ideenbegriff" oder "Leitstern und anzustrebendes Ziel", der jedoch nicht eine "eindeutige Bestimmtheit" der zu treffenden Entscheidung vorgebe. 26 Auch der Normzweck der Zweckmäßigkeit der Entscheidung führe nicht zu einer eindeutigen Bindung, da regelmäßig mehrere Mittel zur Zweckerreichung bestünden, ein "Unsicherheitsfaktor" aufgrund der einzubeziehenden künftigen Entwicklung vorhanden sei und allgemeine Erfahrungssätze keine klare Entscheidung im Einzelfall ermöglichten. TI Schuhmann kommt daher zu dem Ergebnis, daß dem Hausratsrichter nach § 2 HVO eine Wahlbefugnis zustehe und es sich um eine "echte Ermessensnorm " handele. 2S Schmidt prüft, ob das dem Hausratsrichter eingeräumte "Handlungsermessen" auf ein" Auswahlermessen" beschränkt sei, das nur das "Wie" nicht aber das "Ob" der Entscheidun~ umfasse und den Richter zur Wahl unter mehreren Rechtsfolgen berechtige30 , und bejaht dies. Ein Entschließungsermessen, das das "Ob" der Entscheidung betreffe, sei nicht gegeben, da die Parteien über einen privaten Auseinandersetzungsanspruch und somit über ein privates Gestaltungsrecht verfügen würden. 31 Mit den Einzelheiten des Hausratsver-

22 Billigkeit und Gerechtigkeit seien wertgleich. "Billigkeit" sei die "konkrete Verwirklichung des Gerechten im Einzelfall", vgl. Schuhmann, S. 90 21 Vgl. Schmidt, S. 70; Bötticher, Festschrift fiir Lent, S. 89 ff., S. 100 24 Schuhmann, S. 97, ihm folgend Schmidt, S. 70 2S Schuhmann,S. 95 26 Schuhmann, S. 94 und 99 TI Schuhmann, S. 82 ff. 2S Schuhmann, S. 87, 116, 117 29 "Entschließungsennessen" 30 Schmidt, S. 66 31 Schmidt, S. 77 ff., S. 81

1. Kap.: Das "billige" Ennessen gemäß § 2 HVO

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fahrens, der Frage, unter welchen Rechtsfolgen der Hausratsrichter wählen kann, beschäftigt sich Schmidt jedoch nicht. Keiner der dargelegten Meinungen, nach denen dem Hausratsrichter ein "echtes Ermessen", ein Handlungsermessen in Gestalt eines" Auswahlermessens" oder im Gegensatz dazu ein Beurteilungsermessen eingeräumt sein soll, kann in vollem Umfang gefolgt werden. Schuhmann, der das Ermessen des Richters im gesamten Bereich der FG untersucht, beschränkt die Prüfung auf die Normzwecke der "Billigkeit" und "Zweckmäßigkeit" .32 Zutreffend ist, daß jede Entscheidung des Hausratsrichters auch nach Zweckmäßigkeitserwägungen zu treffen ist. 33 Die Untersuchung und Abgrenzung des Entscheidungsspielraums des Hausratsrichters und die Prüfung, welche Befugnisse und Eingriffsmöglichkeiten das ihm eingeräumte billige Ermessen beinhaltet, erfordert jedoch eine genaue Betrachtung der sich aus der HVO weiter ergebenden Normzwecke und eine Konkretisierung des in § 2 HVO enthaltenen Tatbestandsmerkmals der Billigkeit. Bevor dazu Stellung genommen werden kann, ob die Aufassung Schuhmanns zutreffend ist, ist daher der Begriff der Billigkeit näher zu untersuchen. Dies gilt auch für die übrigen Ansichten, da diese ebenfalls entweder von der Bestimmbarkeit oder der weiten Fassung des Begriffs der Billigkeit ausgehen.

2. Der Begriff der Billigkeit und "Stufen" der Billigkeit Eine einheitliche Definition des Begriffs der Billigkeit besteht nicht. Sie wird häufig als "Einzelfallgerechtigkeit" bezeichnet. 34 In der FG-Literatur wird die Ansichf5 vertreten, daß die Begriffe "billig, angemessen, gerecht" nachvollziehbar seien. Da nach dieser Auffassung nur eine Entscheidung als die "richtige" in Betracht kommt, setzt dies voraus, daß es sich bei der nach Billigkeit zu treffenden Entscheidung um einen nachvollziehbaren Erkenntnisakt handelt. Gemhuber36 defmiert sie als "Konkordanz von Wertbewußtsein und Wertverwirklichung im Recht: in den Normen, wenn Recht als billig bezeichnet werden will, in der Rechtsanwendung, wenn der Einzelfall sein Recht verlangt". Er stellt fest, daß Billigkeit in den Normen als Tatbestandsmerkmal in

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Vgl. Schuhmann, S. 76 ff.

Vgl. Schuhmann, S. 78; ganz h. M., vgl. Hoffmannl Stephan, § 2 Rdn. 2; Fehmel, § 2 Rdn. 6; Ennan/Ronke, § 2 Rdn. I; RGRK/Kalthoener, § 2 Rdn. 1 34 Vgl. Radbruch, Rechtsphilosophie, 8. Auflage, S. 123; Esser, Wandlungen von Billigkeit und Billigkeitsrechtsprechung im modemen Privatrecht, in: summum ius, summa iniuria, 1963, S. 22, 30 f.; Enneccerus-Nipperdey, BGB-AT, 1. Hb., § 50 I. 3S Vgl. Bettennann, Verwaltungsakt und Richterspruch, FS für lellinek, S. 361, 366 ff.; Keidel/Kuntze/WinkIer, FGG, § 27 Rdn. 26 d; lansen, FGG, § 27 Rdn. 24 36 Gernhuber, Die integrierte Billigkeit, S. 193 ff., 195 und Die Billigkeit und ihr Preis, S. 205, 206 33

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2. Tcil: Der Ermcssensspiclraum des Hausratsrichters

verschiedenen Formen auftreten kann, als "Billigkeit im konturierten Rechtssatz" (z. B. in §§ 1374 Abs. 1 und 1378 Abs. 2 BGB) oder als "offene Billigkeit". Letztere muß nicht ausdrücklich als Billigkeit bezeichnet sein, sondern kann auch in synonymen Begriffen oder in gesteigerten oder attributiven Formen zum Ausdruck kommen." Schon aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist Gernhuber darin zu folgen, daß eine sprachliche Differenzierung nur dann angebracht ist, wenn auch ein Unterschied in der Sache besteht. Im Gegensatz zur schlichten Billigkeit, die einen Ausgleich zwischen Beteiligten, die auf gleicher Ebene stehen, schaffen soll, sind die gesteigerten Formen der Billigkeit wie "unbillige Härte" oder "Zumutbarkeit", nur dort am Platze, wo tatsächlich ein Teil des Zweiparteienverhältnisses in den Vordergrund gerückt oder die Bevorzugung einer bestimmten Situation erreicht werden soll.38 Soweit jedoch für keine der Parteien eine Präferenz bestehen soll, kann diese Form des sprachlichen Ausdrucks für die Gesetzesinterpretation irreführend sein. Gernhuber legt anband des § 1611 BGB dar, daß die Billigkeit nicht vom" Alles oder Nichts"-Prinzip beherrscht wird, sondern als Tatbestandselement in verschiedenen Stufen auftreten kann, denen entsprechend gestufte Rechtsfolgen gegenüberstehen. 39 Fraglich ist, ob die Billigkeit auch in den Vorschriften der HVO in verschiedener Gestalt auftritt. Wie bereits dargelegt, gilt § 2 HVO und die darin enthaltene Anordnung, daß der Richter die Rechtsverhältnisse nach billigem Ermessen gestaltet, für jede der von dem Hausratsrichter zu treffenden Entscheidungen. § 2 Satz 2 HVO enthält zwar nähere Ausführungen, welche Umstände berücksichtigt werden sollen, eine Präferenz für einen der Ehegatten ist § 2 HVO jedoch nicht zu entnehmen. Letzteres gilt auch für § 8 Abs. 1 HVO, der wie die übrigen besonderen Verteilungsvorschriften für Hausrat und Ehewohnung das billige Ermessen in § 2 HVO begrenzt.