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German Pages 698 Year 1992
JAN ZIEKOW
Freiheit und Bindung des Gewerbes
Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 54
Freiheit und Bindung des Gewerbes
Von
Jan Ziekow
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ziekow, Jan: Freiheit und Bindung des Gewerbes / von Jan Ziekow. Berlin : Duncker und Humblot, 1992 (Schriften zur Rechtsgeschichte; H. 54) Zug!.: Berlin, Freie Univ., Diss., 1989 ISBN 3-428-07367-3
NE:GT
D 188 Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 3-428-07367-3
Vorwort Die folgende Untersuchung ist vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin im Wintersemester 1990/91 als Dissertation angenommen worden. Nach Abschluß der Arbeit Ende 1988 erschienene oder mir zugegangene Literatur konnte nicht mehr berücksichtigt werden. Es ist mir ein Anliegen, meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dieter Wilke, Präsident des Oberverwaltungsgerichts Berlin, zu danken, der sich nicht allein der Mühe des Erstgutachtens unterzogen hat, sondern darüber hinaus meine wissenschaftlichen Hoffnungen jederzeit geduldig gefördert hat. Herrn Univ.Prof. Dr. Friedrich Ebel, Direktor des Instituts für Deutsche Rechtsgeschichte, schulde ich Dank für die Erstellung des Zweitgutachtens und für die verständnisvolle Einfübrung in die Methoden rechtshistorischen Arbeitens und Denkens, die mir während meiner Tätigkeit an seinem Lehrstuhl zuteil wurde. In einer unter der Trennung der wissenschaftlichen Disziplinen durchaus nicht selbstverständlichen Weise gestattete es mir Herr Univ.-Prof. Dr. Knut Schulz vom Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin, mich der Kritik des Historikers auszusetzen. Ohne ein Promotionsstipendium des Landes Berlin wäre mir die Behandlung des Themas in der vorliegenden Form nicht möglich gewesen.
Herrn Rechtsanwalt Prof. Norbert Simon danke ich nicht nur für die Aufnahme der Arbeit in sein Verlagsprogramm, sondern auch für das Verständnis, das er den Nöten des Autors in einer außerordentlich schwierigen Situation entgegengebracht hat Gefördert wurde der Druck durch großzügige Zuwendungen der Friedrich-Naumann-Stiftung, des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks, der Gesellschaft zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung über das Spar- und Girowesen e.V., des Bayerischen Handwerkstages, des Rheinisch-Westfälischen Handwerkerbundes e. V. und insbesondere der Rudolf Siedersleben'schen Otto Wolff-Stiftung. Allen Förderern und den dort verantwortlichen Personen bin ich für die gewährte Unterstützung und das bezeugte Interesse zutiefst verpflichtet. Welchen Anteil meine Familie an der Entstehung der Arbeit hatte, ist nicht in Worte zu fassen. Doch bietet der Abschluß des Promotionsverfahrens den
VI
Vorwort
Anlaß, meinen Eltern dafür zu danken, daß die lange Ausbildungszeit nicht zur Qual wurde. Auf die Anfertigung eines Sachregisters wurde bewußt verzichtet, da die Auswahl einzelner Leitbegriffe dem Sinnzusammenhang der Untersuchung nicht Rechnung getragen hätte. Es bleibt mir die Hoffnung, daß nicht alle Leser die Mühe scheuen, meinem Gedankengang durch die Arbeit zu folgen. Berlin, im Oktober 1991
JanZiekow
Inhaltsverzeichnis Einleitung
........•..
1
Kapitell Entwicklungsmöglichkeiten des Gewerbes im Frühmittelalter • . . • . .
6
im frühmittelalterlichen Handwerk . . . . . . • . . • . .
8 11
I. Die Frage der handwerklichen DitTerenzienmg
11. Das Verhältnis von rechtlicher und wirtschaftlicher Freiheit
111. Organisation des abhängigen Handwerks und Ausbildungswesen . Kapitel 2 Das Gewerbe der Zunftzeit I. Die Entstehung der Zunft 1. Die Hofrechtstheorie . . . . . . . 2. Zunft und frühmittelalterliche Gilde a) Die frühmittelalterlichen Gilden b) Die Herleitung der Zunft aus der Gilde 3. Die Lehre vom römisch-byzantinischen Ursprung der Zünfte 4. Ämter und Zünfte bei Keutgen 5. Die Zunft als Instanz der administrativen Dezentralisation . a) Die Mobilisierung des Rechts und die Entstehung der Stadtverfassung b) Die Verleihung der Gewerbegerechtigkeit an die Zunft
11. Struktur und Aufgaben der Zunft 1. 2. 3. 4. 5.
16 16 18 18 25 27
29 32 33 37 45
Die Regelung des Gewerberechts Die Zunftgeiichtsbarkeit . . . . Die Sorge für Menge, Qualität und Preis der Produkte Bürgerkämpfe und leiherechtliches System Die Abgrenzung der Produzenten . . • . . . . . .
45 48 54 65 75
IH. Voraussetzungen für die Ausübung eines zünftischen Gewerbes
79
1. Die Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anforderungen an die Herkunft des Bewerbers b) Die Begründung des Lehrverhältnisses
80 81 91
VIII
Inhaltsverzeichnis
c) Die Lehrzeit . • . . • • . 2. Die GeselIenzeit • • . . • . • a) Die Gesellenvereinigungen . b) Die Wanderschaft . • • • . aa) Die Stellung des Gesellen im zünftischen Gewerberecht bb) Der Wanderzwang in der Krise des 15./16. Jhs. • • • c) Die Mutzeit. . . • • . • . . • . . • . . • . • • • . d) Erleichterungen für die Angehörigen von Zunftgenossen 3. Die Aufnahme als Meister
102 129 130 137 140 154 166 176 186
Kapitel 3 Die Einflußnahme des territoriaIstaatlichen Gesetzgebungsanspruchs aur die Gewerberechtsentwicklung bis zum Ende des alten Reichs I. Der Keßlerschutz . . . . • . . . . . • . . . . . . . . . . . . . 11. Von den Anrängen der Landeshoheit bis zum Westrälischen Frieden
217 220
1. Territorialgewalt und Zunft bis zur Mitte des 16. Jhs. . . . . . . . 2. Das Eingreifen der Reichsgesetzgebung . . • • . . . . . . . . . 3. Die landesherrliche Gewerbepolitik nach den Reichspolizeiordnungen bis zur Mi tte des 17. Jhs. . . . . . a) Landeszünfte und Landhandwerk b) Der Nachweis der Befähigung .
226 235
111. Das Gewerberecht unter dem Absolutismus 1. Die Lage der Zünfte und Gesellenvereinigungen • 2. Das Verhältnis von Stadt und Land in der territorialen Gewerbepolitik a) Die Regelungen in Preußen und ÖSterreich. • . . • b) Einzünftung und Qualifikation der Landhandwerker 3. Der Erwerb der Qualifikation . • • • . • • • • • • • 4. Die Aktivierung gewerblicher Potentiale, insbesondere die Befreiung von Aufnahmevoraussetzungen 5. Das Manufakturwesen • •
244 248 253 265 268 277 279 283 285 304 315
Kapitel 4 Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund I. Die Einruhrung der Gewerberreiheit in Frankreich 11. Die preußischen Rerormen . . . . • • . . . • • . 1. Die Gewerbepolitik Steins 2. Die Durchsetzung der Gewerbefreiheit unter Hardenberg
323 327 329 336
Inhaltsverzeichnis
IX
a) Das Gewerbesteueredikt • . . b) Das Gewerbepolizeigesetz . . aal Die Gewerbeberechtigung bb) Voraussetzungen für den Betrieb eines Gewerbes
340 343
III. Die Diskussion um Zunft oder Gewerbefreiheit . . . .
359
1. Die unmittelbaren Folgen der Gewerbefreiheit in Preußen 2. Die Gewerbefrage als gesamtdeutsches Problem a) Der Stand der Erörterungen im Vormärz b) Die Handwerkerbewegung von 1848/49 aal Der Frankfurter Meisterkongreß bb) Der Frankfurter Arbeiterkongreß . ce) Die Gewerbefrage in der Nationalversammlung. c) Zwischen Revolution und Gewerbeordnung
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung • • . 1. Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . • . a) Die Allgemeine Gewerbeordnung von 1845 b) Die Einschränkung der Gewerbefreiheit im Jahre 1849 2. Österreich . . • • . • • 3. Bayern • . . • . . • . . • . . . . . • . . . . . • a) Die Reform von 1825 . . . . . . . . . . . . . • b) Von der Vollzugsinstruktion des Jahres 1853 bis zur Einführung der Gewerbefreiheit 4. Baden 5. Württemberg 6. Hannover . . 7. Sachsen und thüringische Staaten a) Königreich Sachsen . . • . . b) Thüringische Staaten aal Sachsen-Weimar-Eisenach bb) Sachsen-Meiningen ce) Gotha • . . . . . dd) Sachsen-A1tenburg ee) Coburg . . . . . . ft) Schwarzburg-Rudolstadt gg) Schwarzburg-Sondershausen hh) Reuß jüngere Linie ii) Reuß ältere Linie 8. Hessische Staaten . . . a) Kurfürstentum Hessen
344
349 359 365 368 377 380 386 389 393 396 396 402 415 421 431 435 445 453 459 466 472 472
478 478 482 483 486 488 490 491 493 494 495 495
x
Inhaltsverzeichnis
b) Großherzogtum Hessen • • • • • • • • c) Nassau . • • • • • • • • • • • • • • • d) Hessen-Homburg, Frankfurt und Waldeck 9. Norddeutsche Länder • • . • • • • • • • • a) Braunschweig • • . • • • • • . . • • b) Herzogtum Oldenburg und Fürstentum Lübeck • c) Anhaltische Staaten • • • • aa) Anhalt-Bemburg ••. bb) Anhalt-Dessau-Köthen d) Hansestädte aa) Bremen bb) Hamburg . ce) Lübeck •• e) Mecklenburgische Großherzogtümer t) Holstein und Lauenburg • . • . • • g) Lippische Staaten . • • • • • • . . 10. HohenzoIlern-Hechingen und HohenzoIlern-Sigmaringen
499
503 506
508
508 513 515 515 517 519 519 521 523 524 526 528 528
AbkürzungsverzeichnIs . . . . . • . . • . . •
532
Verzeichnis der zitierten Quellen und Literatur I. Quellen H. Literatur . . . • • . . . . . • • • • . • •
547 547 563
Einleitung Angeregt wurde die vorliegende Arbeit durch eine kurze Studie zur preußischen Gewerberechtsrefonn 1810/11. 1 Aus der Verblüffung über die Radikalität, mit der mit einer schon zu jener Zeit nahezu ein halbes Jahrtausend alten Tradition gebrochen wurde, entstand die Hoffnung, die Entstehung und weitere Entwicklung dieses Einschnitts beleuchten zu können. Daß sich dessen Bedeutung in der Betrachtung der Überlieferungsmasse bald relativierte, liegt in der Natur eines entwicklungsgeschichtlichen Ansatzes. Anders als Paralleluntersuchungen aus politikwissenschaftlicher Sicht 2 beschränkt sich die Darstellung auf die Zeit bis zur Gewerbeordnung von 1869. Die unter dem Eindruck der Stoffülle gebotene Begrenzung des Untersuchungszeitraums schien dort am sinnvollsten zu sein, wo die traditionelle rechtliche Vielfalt endgültig durch eine einheitliche Nonnierung ersetzt wurde, die noch die Grundlage des heutigen Gewerberechts bildet. Der plagiatorische Titel versteht sich insofern als bewußte Abgrenzung. 3 Im Mittelpunkt steht die Untersuchung desjenigen Instrumentariums, das den Kern der zünftischen Gewerbeverfassung bildete 4 und von deren Beseitigung an der Wende zum 19.Jh. besonders betroffen war, nämlich die Festlegung der von einem Bewerber vor der Ausübung eines Gewerbes zu erfüllenden Qualiftkationsvoraussetzungen. Eine exakte Definition dieses Begriffs erscheint zwar möglich als die Anforderungen, die an den Erwerb und die Demonstration des fachlichen Könnens des künftigen Gewerbetreibenden gestellt werden, jedoch wenig opportun, um nicht durch eine aprioristische Ausgrenzung vornehmlich im Mittelalter interessante Grenz- und Übergangsbereiche zu verschließen. So wird es zu einer den Gesamtzusammenhang erfassenden Kategorisierung unerläßlich sein, den weiteren vor der Aufnahme des Gewerbebetriebes Rechnung zu tragenden persönlichen und materiellen Bedingungen nachzugehen.
1
J. Ziekow, Staatseinnahmen, Liberalismus u. Polizei, S. 313 ff.
2
P. John, Hw. im Spannungsfelll.
3 Von der Zeitbestimmung E. Buris, Freiheit u. Bindung des Gew.s in unserer Zeit, S. 213 ff. 4
H. Lentze, Hw., Sp.1978.
2
Einleitung
Der Begriff des "Gewerbes" wird weitestgehend auf das Handwerk als seinen zentralen Bestandteil reduziert, ohne daß die zur Kennzeichnung der Rahmenbedingungen erforderliche Einbeziehung anderer Berufsgruppen, die den jeweiligen gewerberechtlichen Regelungen unterfielen, außer acht gelassen würde. Für den am modernen Recht Geschulten scheinbar die geringsten Schwierigkeiten bereitet die Reduzierung der Analyse auf den Aspekt des "Rechts". Problematisch allerdings wird die Übertragung des heute geläufigen Gedankens von der Verrechtlichung aller Beziehungsfelder auf die ganzheitliche Lebensordnung des Mitte1alters. s Hier reicht eine Beschränkung auf die normativen Sollensordnungen nicht aus. 6 Soweit möglich müssen weitergehend auch die Schlüsse auf die tatsächliche Lebensgestaltung zulassenden Quellen einbezogen werden, deren Aussagekraft wiederum genau zu prüfen ist. 7 Ein diesbezügliches Defizit der Rechtsgeschichte darf wohl festgestellt werden; nicht ohne Grund wird ihrer in neueren Ansätzen zur Gewerbegeschichte kaum mehr gedacht8• Nichtsdestoweniger kann von einer fachwissenschaftlichen Studie keine Interdisziplinarität erwartet werden; zu mehr als einer Rezeption der von der allgemeinen sowie der Wirtschafts- und Sozialgeschichte erbrachten Ergebnisse und deren Überprüfung mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln kann sie schlechterdings nicht in der Lage sein. 9 Im Vordergrund steht daher sehr pointiert die Durchdringung der rechtlichen Strukturen auf zwei Ebenen. Zum einen wird diachronisch versucht, die Entwicklung der untersuchten Institute über mehr als ein Jahrtausend nachzuzeichnen. Um den dabei auftretenden Unschärfen zu entgehen, sollen gl.;:ichzeitig die Vorzüge einer synchronistischen Betrachtung durch eine Gliederung in mehrere Zeitstufen genutzt werden. Auf jeder dieser Stufen werden zum anderen zur Bestimmung der strukturellen Funktion der Qualifikationsvoraussetzungen die allgemeinen rechtsund gewerberechtsgeschichtlichen Rahmenbedingungen einzubeziehen sein, ohne den Anspruch einer universalen Gewerberechtsgeschichte erheben zu wollen. Jede Stufe baut auf der vorangehenden auf und greift in erster Linie nur die gegenüber der letzteren eingetretenen Veränderungen auf. So wird etwa das bis in das 19. Jh. hinein tradierte Zunftsystem neben dem völlig gewandelten s Vgl. dazu H. Fuhrmann, Dt.Geschichte im hohen MA, S.188 Cf. 6
Vgl. K. Wesoly, Lehrlinge u. Hw.sgesellen, S. 10.
7
Zur Problematik E. Pitz, Entstehung u. UmCang statistischer Quellen, S. 1 Cf.
8
Vgl. R.S. Elkar, Fragen u. Probleme einer interdisziplinären Hw.sgeschichte, S. 5.
9 Zum Stand der Handwerksgeschichte W. Abel, Neue Wege der handwerksgeschichtlichen Forschung, S. 1 CC.; K.H. Kaufhold, Handwerksgeschichtliche Forschung, S. 20 Cf. Skeptisch zu den Möglichkeiten der Interdisziplinarität P. Fleischmann, Interdisziplinäre Hw.sgeschichte?, S. 356.
Einleitung
3
Instrumentarium der territorialen Gewerbepolitik nicht erneut detailliert behandelt. Kristallisationspunkt der ersten drei Kapitel und selbst noch des vierten Abschnitts ist das Zunftwesen als die ein dreiviertel Jahrtausend dominierende Basis des Handwerksrechts. Das erste Kapitel bietet die Wurzeln des Handwerks im FlÜhmittelalter dar, um die durchgreifende organisatorische Leistung der Zunft verständlich machen zu können. Im ersten Teil des zweiten Kapitels werden die Theorien zur Zunftentstehung kritisch beleuchtet und der leiherechtliche Ansatz W. Ebels 10 um den Gedanken der administrativen Dezentralisation erweitert Eine Strukturanalyse der Zunft schließt sich an; sie ist im Grunde seit Otto von Gierkes großartigem Werkl l überfällig. Neuere rechtshistorische Versuche verengen mit der Reduzierung der Zunft auf einen ihrer Aktionsparameter den Blickwinkel in unzulässiger Weise12• Der im Raume stehende Vorwurf, die mannigfachen lokalen Sonderbildungen des Mittelalters stünden einem derartigen nivellierenden Umriß entgegen, hat dazu geführt, sämtliche mit bibliothekarischen Mitteln überhaupt erschließbaren Quellen und Arbeiten zur Zunftgeschichte auszuwerten, was gleichzeitig den Verzicht auf die Heranziehung ungedruckten Archivmaterials entschuldigen mag. Der Gesamtquerschnitt will die EinzeIuntersuchung nicht ersetzen, sondern basiert auf ihr. Es darf vorweggenommen werden, daß sich ein einheitliches Grundmuster zünftischer Organisation durchaus gewinnen läßt Soweit sie ermittelt werden konnten, wurden abweichende Gestaltungen angegeben, wobei zu bemerken ist, daß die Gegensätzlichkeit zweier Aussagen nicht gegen deren Ableitung aus demselben Prinzip spricht. Nichtsdestoweniger soll ein gemeindeutsches Recht im Mittelalter hier nicht postuliert werden. 13 Auf der Grundlage des so gewonnenen Zunftverständnisses sind Gegenstand des dritten Teils des ersten Kapitels die für die Aufnahme in die Zunft zu erfüllenden Anforderungen, insbesondere also die Qualifikationsvoraussetzungen mit ihrer noch heute gültigen Dreiteilung in Lehr- und Gesellenzeit sowie Erwerb des Meisterrechts. Da sie jedoch nur einen Teil des zünftischen Katalogs von Zugangsbedingungen bilden, können sie allein in deren weitergezogenem Rahmen umfassend gedeutet werden. Entsprechendes gilt für die Einbeziehung der Lebens- und Arbeitssituation während der Qualifizierungsphase. Wesentliches Mittel zur Durchdringung des zünftischen Qualifikationsinstrumentariums ist die statistische Aufarbeitung des gesamten aufgefun10
W. Ebe~ Über den Leihegedanken in der dt. Rechtsgeschichte, S. 21 ff.
11
O. Gierke, Rechtsgeschichte der dt. Genossenschaft, S. 358 ff.
12
Etwa H. Hof, Wettbewerb im Zunftrecht.
Vgl. G. Gudian, Gemeindt. Recht im MA?, S. 42; a. A. für das Handwerksrecht H. Lentze, Hw., Sp.1978. 13
4
Einleitung
denen Materials, lassen sich doch mit ihrer Hilfe zahlreiche Behauptungen hinsichtlich der Entwicklung der Befähigungsanforderungen und deren Abhängigkeit vom jeweiligen Gewerbe exakt überprüfen. Es wird nicht verkannt, daß etwa die niedrige Zahl von 290 Belegstellen bezüglich der Wanderverpflichtung eine schmale Basis für eine empirische Auswertung darstellt. Deren Reliabilität ist allerdings wegen der Berücksichtigung aller publizierten Nachweise nicht zu steigern. Als zeitliche Obergrenze für die Berücksichtigung von Quellen im zweiten Kapitel wurde die Wende vom 17. zum 18. Jh. gewählt; im 18. Jh. intensiviert sich die territorial-staatliche Gewerbepolitik derart, daß sie die überkommene Struktur des Zunftwesens überlagert Das Gewerberecht des Territorialstaats steht im Mittelpunkt des dritten Kapitels, das mit der umstrittenen Frage anhebt, ob die Organisation der Keßler ein Bindeglied zwischen dem Typus der Zunft und einer Ableitung der Gewerbegerechtigkeit aus der Landesgewalt ergibt oder nicht. Es folgt eine Beschreibung der Stellung der Landesherrn zum zünftischen Gewerberecht bis zur Mitte des 16. Jhs., deren Ansätze zum Teil durch die Reichspolizeiordnungen vereinheitlicht wurden. Insbesondere das Tätigwerden der Reichsgesetzgebung läßt das Problem einer nivellierenden Analyse für das landesherrliche Gewerberecht nicht in derselben Schärfe wie für das Zunftwesen aufbrechen. Bis zum Westfälischen Frieden findet sich im Kontext der regen Beschäftigung mit dem Landhandwerk erstmals die Institutionalisierung von landeseinheitlich organisierten Zünften. Auf diesen württembergischen Landeshandwerksordnungen baut der Vergleich von zünftischer und territorialer Regelung der Qualifikationsvoraussetzungen auf. Der dritte Teil des dritten Kapitels verfolgt die Entwicklung vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Ende des Alten Reichs. Behandelt werden wiederum die veränderte Lage der Zünfte sowie die Kernfrage des Stadt-Land-Verhältnisses in der Gewerbepolitik. Hier wie im folgenden bedingt die überragende Bedeutung der bei den deutschen Großmächte eine gewisse Präponderanz des preußischen und österreichischen Anteils bezüglich des herangezogenen Materials. In dieser Epoche bietet die Quellenlage die Gelegenheit zu einer quantitativ durchaus reliablen Gegenüberstellung mit den für das Zunftwesen erarbeiteten Statistiken der Qualifikationsvoraussetzungen. Abgeschlossen wird dieser Abschnitt mit einer Untersuchung der über das Zunftwesen hinausführenden Aspekte der merkantilistischen Wirtschaftspolitik. Blieben Maßnahmen wie die Beseitigung zünftischer Produktionsbeschränkungen und der Dispens von Aufnahmevoraussetzungen gedanklich noch systemimmanent, so überwand die Privilegierung gewerblicher Großbetriebe die Grenzen zünftischer Gewerbesteuerung. Für diese Gruppe stellt sich das Problem der nachzuweisenden Befähigung in gänzlich gewandelter Weise.
Einleitung
5
Das letzte Kapitel behandelt die Epoche zwischen der Einführung der Gewerbefreiheit in Frankreich und der Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund. Am Beginn steht eine kurze Skizze der französischen Entwicklung bis zur Revolution bevor diskutiert wird, inwieweit die Einführung der Gewerbefreiheit in Preußen auf dieses Vorbild zurückgegriffen hat. Nach den vorsichtigen Reformansätzen Steins kam die Neugestaltung der Gewerbeverfassung erst unter Hardenberg in Bewegung. Die beiden preußischen Gesetze von 1810/11, deren Inhalt samt ausfuhrenden Bestimmungen ausführlich erörtert wird, entfachten in Deutschland eine über ein halbes Jahrhundert währende Diskussion über die Vor- und Nachteile der Gewerbefreiheit Der Gang der Darstellung führt von den unmittelbaren Reaktionen in Preußen zum Stand der Auffassungen in ganz Deutschland, vom Vormärz über die Revolution von 1848/49 bis hin zur nachrevolutionären Epoche. Die Einstellung dieses Prozesses in ökonomische Eckdaten macht die Reaktion des Gewerberechts auf die Wirtschaftsentwicklung sehr deutlich. 14 Im einzelnen verfolgt wird dieser Zusammenhang in der Beschreibung der Gewerbegesetzgebung aller deutschen Territorien, wobei Hinweise auf gegenseitige Abhängigkeiten versucht werden. Neben den eigentlichen Gesetzespublikationen liegt der Ausarbeitung auch die vorhandene amtlich oder offiziös veröffentlichte Administrationspraxis zugrunde, so daß die Hoffnung auf eine zumindest teilweise Miterfassung der Rechtswirklichkeit gestattet sei.
14 Vgl. zum Problem H. Coing, Rechtsentwicklung u. Wirtschartsentwicklung im 19. Jh., S. 101 Cf.
Kapitel 1
Entwicklungsmöglichkeiten des Gewerbes im Frühmittelalter Grundlage jeder formell zu elWerbenden Qualifikation ist das Erreichen eines Standes im Prozeß der Differenzierung gewerblicher Tätigkeiten, welcher eine den hauptelWerblichen Spezialisten fordernde Komplexität des Tätigkeitsbildes bedingt Die Unsicherheit der Quellenlage zieht es nach sich, daß Ausgangspunkt und Verlauf der Entwicklung im Frühmittelalter noch immer nicht abschließend diskutiert sind. So muß sich der folgende Überblick darauf beschränken, die verschiedenen Positionen in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit darzustellen und ausgehend vom neueren Forschungsstand die zu einem festgelegten gewerblichen Arbeitsbereich führenden Elemente zu betonen. I. Die Frage der handwerklichen Differenzierung Fast schon gewerbehistorisches Allgemeingut ist die These, im ländlichen Bereich habe bis in die karolingische Epoche hinein die Selbstversorgung mit gewerblichen Gebrauchsgütern in bäuerlicher Nebenproduktion dominiert; lediglich der Schmied sei arbeitsteilig zur Befriedigung der Bedürfnisse eines bestimmten. Gemeinschaftsbezirkes ausgegliedert gewesen.! Insbesondere aus den Volksrechten läßt sich eine besonders geartete Position eines Dorfschmiedes nicht erschließen. 2 Ebensowenig bieten die Volksrechte Anhaltspunkte für eine Spezialisierung in anderen handwerklichen Sektoren. Paradigmatisch sei ! J. Kulischer, Allg.Wirtschaftsgeschichte, S. 71 ff.; F. Lütge Dt. Sozial- u. Wirtschaftsgeschichte, S. 81 f.; G. Mantel, Die geschichtliche Entwicklung des dt. Hw.s, S.5; R. SprandeI, Gew. u. Handel, S. 124; ebenso aufgrund philologischer Studien R. Schmidt-Wiegand, Hw. u. Hw.stechnik, S.618 f. Im Gegensatz zu A. Flaig, Das ma.e SchmiedeHw., S. 12, für den der Schmied grundsätzlich ein Freier war, betont F.-L. Ganshof, Die Entwicklung v. Wirtschaft u. Gesellschaft, S. 185 f., daß der Schmied ebenso in gutsherrlicher Abhängigkeit beschäftigt sein konnte. Auch L. Kuchenbuch, Bäuerliche Gesellschaft u. Klosterherrschaft, S.292, geht von einer begrenzten Bedeutung des Schmiedes aus, der regelmäßig einen bäuerlichen Nebenbetrieb bewirtschaftet habe. Kritisch zum ganzen E. Marold, Der Schmied im germanischen Altertum, S. 24 Cf.
2 AA. K.M. Grüninger, Das ältere dt. SchmiedeHw., S. 15. H. Mottek, Wirtschaftsgeschichte Deutschlands, S.105 Anm.162, will eine solche Stellung aus tit.9 der Lex Baiwariorvm, MGH Legvm sect.l 5,2, ableiten. Jedoch hieße es den Wortsinn unzulässig zu verengen, die in tit. 9, 2 als eines der Häuser, die "casae publicae sunt et semper patentes", erwähnte "fabrica" als officina fabri liberi zu begreifen, vgl. G. Seeliger, Hw. und Hofrecht, S.483.
I. Die Frage der handwerklichen Differenzierung
7
die Argumentation H. Motteks vorgestellt, der die nichtlateinischen Termini "first/alli" in tit 10,3, "firstsul" in tit 10,7 und "winchilsul" in tit 10,8 der Lex Baiwariorum3 als Beleg dafür heranziehen will, daß "germanische Spezialzimmerleute" verwendet worden seien. 4 Der Ausdruck "first/alli" ist keiner des Holzbaus, sondern eine Kurzbezeichnung für eines der von tit. 10 ("De incendio domorum et eorum conpositione") erfaßten Delikte: "Si quis desertaverit aut culmen eicerit ... aut incendio tradiderit, uniuscuiusque quod, first/alli dicunt". Die Benennungen "ftrstsul" und "winchilsul" sind entgegen Mottek keine Fachausdrücke für die einzelnen Arbeiten beim Hausbau, sondern kennzeichnen wie die "spangas" in tit.10,13 lediglich statisch besonders bedeutsame Hausteile, deren Beschädigung eine erhöhte BußverpOichtung nach sich zieht. Vergleichbare andere exponierte Teile sind mit dem jeweiligen lateinischen Terminus dermiert (tit.1O,10: "columnam angularem") oder werden, wie die "superiorem ... virgam, quam etortcartea vocamus" des tit.10,17 in den bei der Textredaktion benutzten Vorlagen ohne Germanizismen beschrieben. S Man wird annehmen müssen, daß die einheimische BegrifOichkeit vornehmlich zur prägnanten Versinnbildlichung bedeutsamer Sachverhalte herangezogen wurde. 6 Zusammenfassend hat H. Roth zutreffend darauf hingewiesen, daß sich die entsprechenden Teile der Volksrechte allein auf die Rechtsstellung, nicht jedoch die Funktion und Arbeitsweise des Handwerks beziehen lassen. 7 Aussagekräftiger ist möglicherweise die Auswertung archäologischer Forschungen, die auf eine die bloß nebenerwerbliche Herstellung weit übersteigende Komplexität der Produkte und damit eine nicht unbedeutende Tätigkeit von handwerklichen Fachleuten hinweistS, die sich insbesondere in sozial- und aufgabendifferenzierten großmaßstäblichen Siedlungsstrukturen konzentrierten. 9 Ob und ill-
3
MGH Legvm sect.! 5,2.
4
H. Mottek, Wirtschaftsgeschichte Deutschlands, S. 105 Anm. 163.
Vgl. Lex Salica, MGH Legvm sect. I 4, 2, D tit.53, E tit.52: "De sepibus". Zum genealogischen Zusammenhang zwischen Lex Baiwariorum und Lex Salica vgl. H.-K.Claußen, Die Beziehungen der Lex Salica zu den Volksrechten, S. 349 Cf. Die These P. Roths, Zur Geschichte des Bayrischen Volksrechtes, S. 13, ihm folgend F. Beyerle, Die beiden süddt. Stamrnesrechte, S. 100 ff., von der schichtweisen Textentstehung der Lex Baiwariorum seit dem 6.Jh. wahrt diese Beziehung zumindest zeitlich eher als die KA. Eckhardts, Die Lex Baiuvariorum, S. 68, von einer zwischen 741 und 744 konzentrierten Redaktion. S
6
Vgl. G. Baesecke, Die dt. Worte der germanischen Gesetze, S.21.
7
H. Roth, Handel u. Gew., S330 f.
8 H. Aubin, Stufen u. Triebkräfte, S. 31 f.; H.Bechtel, Wirtschaftsgeschichte Deutschlands, S. 198 f.; H. Jankuhn, Das Freie Germanien, S.70 f. Dagegen hält H. Preidel, Handel und Hw., S. 11 ff., die Annahme eines in dieser Epoche arbeitsteilig arbeitenden Handwerks für nicht akzeptabel. 9
Walter Janssen, Gew.e Produktion des MAg, S. 389.
2 Ziekow
8
Kap. 1: Entwicklungsmöglichkeiten des Gewerbes im Frühmittelalter
wieweit dabei eine Bedarfsdeckung im Wege stationärer Versorgung oder durch Wanderhandwerker erfolgte, ist im einzelnen nicht festzustellen. 10 Jedenfalls aber darf ein Wanderhandwerk in einer hochspezialisierten Komplementärfunktion zu dem in den grundherrlichen Zentren abhängig beschäftigten Handwerkern angenommen werden, zumal das seit dem 6. Jh. im Rückgang begriffene städtische Gewerbe dieser Aufgabe nicht mehr vollständig Rechnung tragen konnte.!1
ll. Das Verhältnis von rechtlicher und wirtschaftlicher Freiheit im rrühmittelalterlichen Handwerk Die Tatsache, daß die großen herrschaftlichen Höfe bezüglich der organisatorischen Möglichkeiten die Voraussetzungen einer strukturellen Aufgabendifferenzierung erftillten, darf als gesichert gelten. 12 Der Verband einer von einem Fürstensitz in ihren Produktionsbedingungen gesteuerten Großburg bot als vorstädtische Siedlungsstruktur eine zur Ausbildung handwerklicher Spezialisierung hinreichend gegliederte Sozialform. 13 Die einschlägigen Quellen, etwa das "capitulare de villis imperialibus" c.45 14, der Bauplan ftir das Kloster St. GalleniS oder die Lex Alamannorum tit 74 (A) bzw. 79 (B)16, weisen eine Vielzahl verschiedener handwerklich Tätiger aus, auch wenn von der Realisierung die-
10 Aus tit.16,l1 der Lex Baiwariorvm, MGH Legvm sect. I 5,2, lä& sich entgegen der Ansicht H. Motteks, Wirtschaftsgeschichte Deutschlands, S. 109, nicht auf die Existenz von Wanderhandwerkern schließen, vgl. G. Seeliger, Hw. u. Hofrecht, S. 483 Anm.4. Zu den Formen des Wanderhandwerks J. Wemer, Femhandel u. Naturalwirtschaft, S. 313 ff.; kritisch dazu H. Preidel, Handel und Hw., S. 20 ff. 11 D. Claude, Die Hw.er der Merowingerzeit, S. 243 ff.; E. Ennen, Das Gew. auf dem europäischen zisalpinen Kontinent, S. 7.
12 W. Abel, Landwirtschaft, S. 105 ff.; D. C1aude, Die Hw.er der Merowingerzeit, S.204; F. Lütge, Dt. Sozial- u. Wirtschaftsgeschichte, S. 82; O.D. Pouhoff, Kulturgeschichte des dt. Hw.s, S. 34 f.; R. Sprandei, Handel u. Gew., S.21. 13
Walter Janssen, Die Bedeutung der ma.en Burg, S. 295 f.
MGH Legvm 1, S. 18 Hf. A. Dopsch, Das Capitulare de Villis, S. 373 ff., und Die Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit 1, S. 55 ff., hat die wirtschaftshistorische Aussagekraft des capitulare de villis insofern bezweifelt, als er es auf eine Wirtschaftsordnung Ludwig des Frommen für die königlichen Güter allein des südfranzösischen Aquitanien reduziert sehen will. In Auseinandersetzung damit hat K. Verhein, Studien zu den Quellen zum Reichsgut, S.376, die These aufgestellt, daß Karl der Große das capitulare für die Gesamtmonarchie erlassen habe. Th. Mayer, Das Capitulare de villis, S.26, nimmt zumindest eine spätere Geltungserstreckung auf das ganze Reich an. 14
lS
Bauriss des Klosters St. Gallen vom Jahr 820, Beilage.
16 MGH Legvm sect.I 5,1: Leges Alamannorvm. S. 35 ff.
11. Das Verhältnis von rechtlicher und wirtschaftlicher Freiheit
9
ser nonnativen Sollensordnungen Abstriche zu machen sein werden l7• Nach der älteren hofrechtlichen Theorie bildete dieses arbeitsteilige Arbeiten von Abhängigen die nahezu ausschließliche Grundlage fur die Entwicklung des späteren freien Handwerks in den Städten.1 8 Unter der Führung v.Belows ist dagegen das Modell eines nicht unbedeutenden ursprünglich freien Gewerbes außerhalb des Fronhofsverbandes gesetzt worden. 19 Kristallisationspunkt dieses Ansatzes ist es, daß "Freiheit" nur im wirtschaftlichen Sinne bei fortbestehender rechtlicher Unfreiheit verstanden wird. 20 Durch die apriorische Annahme einer so verstandenen Freiheit gerät die Quelleninterpretation nicht seIten zur petitio principii, wenn aus Nachrichten über den Mangel bestimmter handwerklicher Erzeugnisse in einzelnen Fronhofsverbänden auf die Existenz eines freien Gewerbes geschlossen wird. 21 Denn der Schluß, daß die Behebung dieses Mangels durch ein freies Handwerkertum erfolgte, ist in keiner Weise indiziert. Denkbar ist vielmehr auch eine Versorgung durch Überschüsse anderer Grundherrschaften. 22 Grundsätzlich ist gegen diesen Ansatz zu erinnern, daß eine persönliche Unfreiheit regelmäßig mit wirtschaftlichen Leistungspflichten verbunden 23, eine originäre wirtschaftliche Freiheit somit nicht möglich war. 24 Insofern vermag er die hofrechtliche Theorie nicht zu widerlegen, die dem Übergangsstadium eines wirtschaftlich freien Überschußverkaufs durch den unfreien Hand-
17
Vgl. R. Sprandel, Gew. u. Handel, S.122f.
18 K. W. Nitzsch, Ministerialität u. Bürgertum, S. 82 Cf., 188 Cf., vgl. auch F. Alwens, Beiträge zur Geschichte des Zunft- u. Gew.wesens, S.5. 19 G.v. Below, Die Entstehung des Hw.s, S.150 Cf.; ders., Zur Entstehung der dt. Stadtverfassung 1, S. 204 ff.; ihm folgend insbesondere A. Dopsch, Die Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit 2, S. 166 ff.; ders., Wirtschaftliche u. soziale Grundlagen, S. 409 ff.; vgl. auch F. Schneider, Zur sozialen Lage des freien Hw.s., S. 479 Cf. 20 G.v. Below, Zur Geschichte des Hw.s, S.272; A. Dopsch, Die Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit 2, S.176; K. Koehne, Die Gliederung der dt. Gew.geschichte, S.339; differenzierend T. Erb, Das BauHw. im frühen MA, S. 205 Cf.
21
So A. Dopsch, Die Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit 2, S. 168 ff.
22 Capitulare de villis c.33, MGH Legvm 1, S. 181 ff. "Post ista omnia segregata et semina ta atque peracta, quicquid reliquum fuerit exinde de omni conlaboratu usque ad verbum nostrum salvetur, quatenus secundum iussionem nostram, aut venundetur aut reservetur." Dieser vorgesehene Überschußverkauf zeigt, daß es sich bei der vorgesehenen Organisation auf den Krongütern um eine geschlossene Wirtschaft handelte, die keinen Raum für eine wirtschaftlich freie Produktion der auf den Gütern tätigen unfreien Handwerker auf eigene Rechnung ließ, vgl. B. Steinitz, Die Organisation u. Gruppierung der Krongüter, S. 361 ff.; zur fehlenden Möglichkeit der Produktion für einen Markt auch F. Klinker, Das Zunftwesen der ma.en Städte. AA. W. Müller, Zur Frage des Ursprungs der ma.en Zünfte, S. 23 f.; P. Sander, Für u.wider den hofrechtlichen Ursprung, S. 371. 23
K. Bosl, Gesellschaftsentwicklung, S. 160 f.
24
Vgl. E. Otto, Das dt.Hw., S.19 f.
10
Kap. 1: Entwicklungsmöglichkeiten des Gewerbes im Frühmillelalter
werker gerade entscheidende Bedeutung zumißt 2S Erst die Transformation der Naturalleistungen in Geldzinsen bot das Fundament der Freiheit, allein zur Erzielung eines eigenen Überschusses zu produzieren. 26 Zu konzedieren bleibt, daß der wirtschaftlichen Freiheit zur Überschußproduktion als Emanzipationsfaktor die Tendenz der persönlichen Befreiung innewohnte. 27 Resonanz fand die Kritik an den Thesen v. Belows in Forschungen, die wiederum freie Handwerker als die Ausnahme ansahen. 28 Neueste Untersuchungen heben unter Vermeidung von Generalisierungen hervor, daß sich Freie und Unfreie nebeneinander in sämtlichen Gewerben finden 29, und zwar auch in den gehobenen, die wie das Goldschmiedehandwerk als Domäne von freien (Wander-)Handwerkem angesehen wurden. 30 Jedenfalls fUr das 1O.Jh. deuten die Quellen auf eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Handwerks hin, wenn etwa die Bestätigung fUr Bischof Richgowo von Worms hinsichtlich des Bezugs des dort zu entrichtenden Zolls durch Duo I. von 947 31 die Handwerker mit den selbständigen Kaufleuten und den im Reich teilweise ein wirtschaftliches Eigenleben fUhrenden Friesen 32 gleichsetzte. Grundlegend allerdings bleibt v.Belows Erkenntnis von der Bedeutung des Markts und des in den fortbestehenden römischen civitates ansatzweise überkommenen spezialisierten Handwerks fUr die Entwicklung eines in urbanen Siedlungszusammenhängen zentrierten Handwerks. 33 Das aus römischer Tradition hervorgegangene Hand-
2S G. Seeliger, Hw. u. Hofrecht, S. 488 f. Vgl. etwa Liber constitutionum tit.21,2, MGH Legvm sect.l2,1: Leges Bvrgvndionvm, S. 29 ff.: "Quicumque vero servum suum aurijicem, argentarium, terrarium, tabrum aerarium, sartorem vel sutorem in publico adlributum arlijicium exercere permise,it ... " 26 Vgl. B. Malich, Vergleichende Betrachtungen zur Geschichte des Hw.s, S. 82; D. Werkmüller, Naturalleistungen, Sp. 928 f.
27
K. Bosl, Über soziale Mobilität, S. 329 f.
28 W. Bleiber, Grundherrschaft, Hw. u. Markt, S. 150; J. Driehaus, Zum Problem merowingerzeitlicher Goldschmiede, S. 400 ff.; H. Preidel, Handel u. Hw., S. 11; vgl. auch T. Erb, Beobachtungen zum Stand der hW.en Arbeitsteilung, S. 67. 29 D. C1aude, Die Hw.er der Merowingerzeit, S. 265; E. Ennen, Das Gew. auf dem europäischen zisalpinen Kontinent, S. 10; H. Nehlsen, Die rechtliche u. soziale Stellung der Hw.er, S. 283; H. Roth, Handel u. Gew., S345.
30 D. Claude, Die Hw.er der Merowingerzeit, S. 253, gegen A. Dopscb, Wirtscbaftliche u. soziale Grundlagen, S. 426, und R. Kareher, Das dt. GoldschmiedeHw., S. 21ff., 40 ff.
31
MGH Diplomatvm 1 : Die Urkunden Konrad 1., Heinrich I. und 0110 1., Diplomatvm 0110 Nr.
32
Vgl. B. Robwer, Der friesische Handel, S. 74; R. Sprandel, Gew. u. Handel, S. 128 f.
33
Vgl. nur G. v.Below, Zur Geschichte des Hw.s, S. 272 f.
84.
1II. Organisation des abhängigen Handwerks und Ausbildungswesen
11
werk bildet nach der neueren Forschung neben dem Land- und dem grundherrlichen Handwerk die dritte Wurzel des späteren städtischen Handwerks. 34 ill. Organisation des abhängigen Handwerks und Ausbildungswesen
Gerade die Produktion für den Markt und damit das Angewiesensein auf den Absatz sind es, die die berufliche Spezialisierung zur Herstellung qualitativ hochwertiger Produkte fordern. 3s Ein fest strukturiertes Ausbildungswesen konnte daher erst in einer Epoche entstehen, die vom rechtlich und wirtschaftlich freien städtischen Handwerk dominiert wurde. Die grundherrschaftIiche Organisationsstruktur bedurfte zur Heranführung an minderkomplexe gewerbliche Tätigkeitsfelder keines geformten Ausbildungswesens; die Möglichkeit eines variablen Einsatzes der Arbeitskräfte hatte Vorrang. 36 In diesem Sinne dürfte die Äußerung Gregors von Tours zu verstehen sein, daß ein Mann durchaus zwei Handwerken zuzuordnen sein könne.3' Für differenziertere Kenntnisse und Fähigkeiten voraussetzende Handwerke finden sich hingegen vereinzelte Nachweise von systematischen Lehrverhältnissen. 38 Keinesfal1s kann jedoch angenommen werden, daß die Ausübung eines Handwerks das Bestehen einer Prüfung voraussetzte. Der Schluß, daß die in der Lex A1amannorum erwähnten "faber, aurifex aut spatarius, qui publice probati sunt",39 eine öffentliche Meisterprüfung zu bestehen hatten 40, geht fehl. Seeliger hat nachgewiesen, daß 34 H. Aubin, Stufen u. Triebkräfte, S.32; F. Lütge, Dt. Sozial- u. Wirtschaftsgeschichte, S.83; F. Posch, Die Anfänge des gew.en Lebens, S. 35 f. Vgl. zur Entwicklung des römischen Handwerks H.v. Petrikovits, Die Spezialisierung des römischen Hw.s, S. 63 ff.; zur Herkunft dieser selbständigen Handwerker aus der manumissio von Handwerkssklaven O.Behrends, Die Rechtsformen des römischen Hw.s, S. 184 ff. 3S
E. Ennen, Das Gew. auf dem europäischen zisalpinen Kontinent, S. 12.
36 D. Claude, Die Hw.er der Merowingerzeit, S.264; zu den Möglichkeiten der Ausbildung auf den Grundherrschaften K. Koehne, Die Gliederung der dt. Gew.geschichte, S. 348.
37 Gregorii episcopi Tvronensis lib.7 c.14 (S. 336), MGH Scriptores rervm Merovingicarvm 1,1: "... ut unus homo utriusque artificii magisterio subderetur" . 38 Vita Eligii lib.1 c3, MGH Scriptores rervm Merovingicarvm 4, S. 634 ff. (671): "pater ... tradidit eum inbuendum honorabili viro Abbone vocabulo, labro aurifice probatissimo"; Baeda, Historia Abbatum, cS (S. 368): "Proximante autem ad perfeetum opere, misit legatarios Gal/iam, qui uitri lactores, artifiees uidelieet Brittanniis eatenus ineogtlitos, ad cancel/andas aecclesiae pertieumque et eaenaculorum eius lenestras addueerent. Faetumque est, uenerunt; nee solum opus postulatum eompleuerunt, sed et Anglorum ex eo genlem huiusmodi artificium nosse ae diseere lecerunt". 39 Lex Alamannorum tit.74,5 (A) bzw. 79,7 (B), MGH Legvm sect.15,1: Leges Alamannorvm, S.35 Cf. 40 So A.F. Gförer, Zur Geschichte dt. Volksrechte, S.l44; H.A. Mascher, Das Dt. Gew.wesen, S.34.
12
Kap. 1: Entwicklungsmöglichkeiten des Gewerbes im Frühminelalter
diese Handwerker nicht nur fUr den Grundherm, sondern auch für andere, mithin ein publicum arbeiteten. 41 In größeren grundherrlichen Verwaltungseinheiten dürfte allerdings der Erwerb der erforderlichen handwerklichen Fähigkeiten nicht in familiärer Tradition erfolgt sein. 42 Die Klosterwerkstätten etwa nahmen mittellose Kinder zu einer Ausbildung in der Wollverarbeitung und anderen Handwerken auf43, weIche zwar nicht als Ursprung des späteren zünftischen Lehrwesens 44, wohl aber als methodologisch und technologisch weitentwickelste der Zeit anzusehen ist. 4s Größere Grundherrschaften strukturierten die Handarbeiter in Magisterien 46, in dem jene von demjenigen angeleitet wurden, "qui reliquis artificibus preesse videbatur".47 Doehaerd meint hierin nicht nur eine hierarchische Abstufung unter den Handwerkern, sondern auch eine organisierende Zuordnung derselben zu einzelnen Magisterien unter der Verwaltung eines Vorstehers zu erkennen, die Voraussetzung fUr die Ausübung des Handwerks gewesen sei. 48 Demgegenüber hat Keutgen betont, daß sich eine eigentliche Organisation des Fronhofhandwerks in Ämter nicht konstatieren und eine Gruppierung allein aus der Unterweisungsbeziehung des lehrenden Magisters zu den AusfUhrenden herleiten lasse. 49 In der Tat entrückt etwa eine Quelle zum Aufbau der gewerblichen Produktion des Klosters Fulda das Verhältnis zwischen "docti" und "iuniores" gänzlich dem administrativen Bereich, den es dem "camerarius" vorbehält. so Die Leitungsfunktion der magistri bedeutete mithin keine Mediatisierung der nachgeordnet Tätigen, sondern beschränkte sich auf den edukativen
41 G. Seeliger , Hw. u. Hofrecht, S. 484. K. Koehne, Der "faber publice probatus", S. 188 ff., lehnt zwar die Annahme einer Prüfung ebenfalls ab, will aber unter den betreffenden Schmieden nur solche verstehen, die sich bereits bewährt hatten.
42
AA. W. Beyer, Die Entwicklung des Lehrverhältnisses, S. 4 f.
43
B. Hildebrand, Zur Geschichte der dt. Wollen industrie, S. 216.
So richtig W. Beyer, Die Entwicklung des Lehrverhältnisses, S. S; a.A. Die geschichtliche Entwicklung der Hw.slehre, S. 12. 44
4S HA. Mascher, Das Dt. Gew.wesen, S. 33 f.; zur Bedeutung des Klosterhandwerks R. Vollmann, Das dt. Hw. in alter Zeit S. 49; vgl. auch S.L. Thrupp, Das ma.e Gew., S. 147 f. 46
Vgl. o.Anm. 37.
47
Vita Aniani c.2, MGH Scriptores rervm Merovingicarvm 3, S. 104 ff. (109).
R. Doehaerd, Le haut moyen age occidental, S. 240; so auch P. Boissonnade, Life and Work in Medieval Europe, S. 103; W. Müller, Zur Frage des Ursprungs der ma.en Zünfte, S. SS ff. 48 49
F. Keutgen, Ämter u. Zünfte, S. 8 ff., 21 ff.
so Traditiones et antiquitates Fuldenses c32b (S. 63): "Ex his omnibus prouidebil camerarius abbatis. uJ de his artificibus qui iusliciam habenJ sue subieclionis uJ non sil uacua fabrica abbatis. sed semper docti opus facianJ el iuniores discanl.•
III. Organisation des abbängigen Handwerks und Ausbildungswesen
13
Bereich. SI Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Vita Gebehardi c. 19: "Post haec convocatis servis suis elegit ex eis optimos quosque, et constituit ex is coquos et pistores, caupones et {ullones, sutores et hortulanos, carpentarios et singularum artium magistros".S2 Bereits mehrfach ist darauf hingewiesen worden, daß unter den "singularum artium magistros" nicht notwendig die Vorsteher der vorher aufgeführten Gewerbe zu verstehen sind, sondern sie ebenso als die optimi weiterer, ungenannter Handwerke aufgefaßt werden können. S3 Syntaktisch ergibt sich dies bereits daraus, daß sich die" singularum artium magistros" nicht integrativ auf die vorher genannten Handwerke beziehen, sondern mit diesen auf gleicher Stufe durch ein "et" zusammengefaßt werden. Dopsch lehnt ebenfalls die Existenz von grundherrlich organisierten Handwerkerverbänden ab, sieht solche aber in der Kontinuität spätrömischer Handwerksorganisationen von freien Gewerbetreibenden zur Förderung wirtschaftlicher Interessen gebildet S4 Zwar läßt sich aus c.144 des Edictus RothariSS nicht auf das Vorhandensein von in römischer Tradition stehenden "zunftähnlichen Verbänden" schließens6, handelt es sich doch bei der Personenmehrheit von "magister comacinus cum collegantes suos" nicht um solche, sondern um die zur Verrichtung von Arbeiten an einem Gebäude notwendige Mehrzahl von Handwerkern. s7 Jedoch darf der partielle Fortbestand der römischen collegia opificum bis in die karolingische Epoche hinein als erwiesen angesehen werden. SB Dabei verkennt Dopsch allerdings, daß die Handwerksverbände im späten römischen Reich keinen Anknüpfungspunkt für frei gebildete HandwerkerSI G. Seeliger, Hw. u. Hofrecht, S. 511 f.; G.v. Below, Die Entstehung des Hw.s, S.145 f.; vgl. aber dens., Zur EnlStehung der dt. Stadtverfassung I, S. 214 , wo er die Existenz von hofrechtlichen Handwerkerverbänden anerkennt; zur Ausbildung durch die Magister auch W. Wemet, Kurzgefaßte Geschichte des Hw.s, S. 30. AA. K. Gareis, Die LandgüterO. Kaiser Karls des Grossen, S. 8 und 41 Anm. "magister"; W. Müller, Zur Frage des Ursprungs der ma.en Zünfte, S. 55 ff.; B. Steinitz, Die Organisation u. Gruppierung der Krongüter, S. 360 Cf.; Die geschichtliche Entwicklung der Hw.slehre, S.10. S2 MGH Scriptorvm 10, S. 582 ff. S3 G.v. Below, Die EnlStehung des Hw.s, S. 144; F. Keutgen, Ämter u. Zünfte, S.35 Anm. 86; G. Seeliger, Hw. u. Hofrecht, S. 511 f. AA. W. Müller, Zur Frage des Ursprungs der ma.en Zünfte, S. 58 f.
S4
A. Dopsch, Wirtschaftliche u. soziale Grundlagen, S. 431 Cf.
ss MGH Legvm 4, S3 ff.: "Si magister comacinus cum collegantes SUDS cuiuscumque domum ad restaurandam vel fabricandam super se placito finito de mercedes susciperet". S6 AA. A. Dopsch, Wirtschaftliche u. soziale Grundlagen, S. 432; M. Heyne, Das Altdt. Hw., S.71. S7
T. Erb, Das BauHw. im frühen MA, S. 207.
SB D. Claude, Die Hw.er der Merowingerzeit, S. 260 ff.; vgl. G. Mickwitz, Die Kartellfunktionen der Zünfte, S. 183 ff.; a.A. P. Boissonnade, Life and Work in Medieval Europe, S. 104.
14
Kap. 1: Entwicklungsmöglichkeiten des Gewerbes im Frühmiuelalter
organisationen bieten konnten. Denn spätestens im Dominat wandelten sich die noch im frühen Patriziat frei errichtbaren, wenn auch nur bei Gemeinnützigkeit zur Rechtsfähigkeit zugelassenen collegia zu Zwangsverbänden. 59
59 O. Behrends, Die RechtsCormen des römischen Hw.s, S. 174 Cf., der auch S. 155 Cf. gegen H. Schulz-Falkenthal, Zur Frage der Entstehung der römischen Hw.erkollegien, S.56, und J.P. Waltzing, Bude historique sur les corporations proCessionnelles, S. 77, nachweist, daß selbst die ältesten Handwerbkollegien nicht auf eine freie Körperschaftsbildung, sondern einen hoheitlichen Stiftungsakt zurückzuführen sind; G. Mickwitz, Die Kartellfunktionen der Zünfte, S. 174 ff. Zu den römischen collegia opificum vgl. noch R. Hagstedt, Collegium Organization, S. 14 ff.
Kapitel 2
Das Gewerbe der Zunftzeit Ihre über Jahrhunderte gültige Ausformung erfuhren die Qualifikationsvoraussetzungen unter der zünftischen Organisation des Gewerberechts. Dies rechtfertigt es, die Entstehung und Struktur der Zunft in einem Umfang näher zu beschreiben, der über die eigentliche Analyse der Qualifikationsvoraussetzungen hinausführt. Denn deren Einordnung hängt vornehmlich davon ab, weIcher Ansatz das Verständnis von der Zunft prägen SOIl.1 Begrifflich darf der zunfttypologische Versuch Lentzes, der den verschiedenen Bezeichnungen für die mittelalterlichen Handwerkerverbände unterschiedliche rechtliche Strukturinhalte zumessen wollte 2, als überwunden gelten. 3 Zwar sind diese Begriffe keine Synonyme, sondern Heteronyme, haben also durchaus keinen identischen Bedeutungsumfang. 4 Jedoch bezeichnen sie nur dieselbe Sache in verschiedenen Sprachgebieten 5, was es rechtfertigt, von einem einheitlichen Begriff der Zunft für die spätmittelalterlichen Handwerkerverbände auszugehen. 6
1 Zum älteren Forschungsstand P. Sander, Die geschichtliche Erforschung der stadtwirtschaftlichen Hw.sverfassung, S. 1 ff.
2 H. Lentze, Hw., Sp.1977; ders., Die rechtliche Struktur des ma.en Zunftwesens, S. 15; ders., Zunfttypen, S.236; ihm folgend W. Störmer, Vergesellschaftungsformen des Meliorats u. des Hw.s, S. 369; H. Zatschek, Einung u. Zeche, S. 414 f. Bereits Stock, Die Gewerksgilden, Innungen u. Hw.svereine, S.16 ff., und K.W. Nitzsch, Über die niederdt. Genossenschaften, S. 5 ff., gingen von differierenden Bedeutungen der Bezeichnungen aus. 3 Zur Problematik der Projizierung moderner semantischer Vorstellungen auf die mittelalterliche Begrifflichkeit vgl. S. Ullmann, Semantik, S. 180. 4 R. Schmidt-Wiegand, Die Bezeichnungen Zunft u. Gilde, S. 35; vgl. auch dies., Gilde u. Zunft, S. 363 f. R. Mezler, Untersuchungen zur Widerspiegelung sozial-ökonomischer Verhältnisse, S. 206, geht sogar von Synonymik aus.
5 F. Irsigler, Zur Problematik der Gilde- u. Zunftterminologie, S. 66; L. Ricker, Zur landschaftlichen Synonymik der dt. Hw.emamen, S. 2 lff.;R.Schmidt-Wiegand, Die Bezeichnungen Zunft u. Gilde, S. 35. A. A. K. Obst, Der Wandel in den Bezeichnungen, S. 296. Zur sprachgeographischen Verbreitung der verschiedenen Bezeichnungen vgl. die Karten bei E. Freiherr v.Künßberg, Rechtswortkarten, S. 242 CC., sowie neuerdings K. Obst, Probleme der Rechlssprachkartographie, S. 104 ff.; dies., Der Wandel in den Bezeichnungen, S. 233 Cf., 417 Cf. 6 R. Schmidt-Wiegand, Die Bezeichnungen Zunft u. Gilde, S.52,; R. WisselI, Des alten Hw.s Recht u. Gewohnheit 1, S. 97; a.A. K. Obst, Der Wandel in den Bezeichnungen, S.17.
16
Kap.2: Das Gewerbe der Zunftzeit
I. Die Entstehung der Zunft 1. Die Horrechtstheorie
Die sog. hofrechtliche Theorie nimmt die kontinuierliche Entwicklung des Typus der städtischen Zunft aus einer grundherrlichen Organisation der Handwerker an. 7 Der Stadtherr habe zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Handwerker im Interesse entweder der ihm gegenüber zu erfüllenden DienstpOichtenS oder des Konsumenten an einem gewährleisteten Standard 9 seine Gewerbegerechtigkeiten an die schon in der Grundherrschaft organisierte Handwerkerschaft verliehen. Als maßgeblich für diesen Umbildungsprozeß sieht Schmoller das Ziel einer handwerkseigenen Gewerbegerichtsbarkeit an. lO Eine spezifische Ausformung hat die Hofrechtstheorie durch Eberstadt erfahren, der als verbindendes Glied zwischen grundherrlichem Amt und der Zunft das Magisterium nennt. Dem einer inneren Gliederung entbehrenden, vielfach jedoch mit einem besonderen Gerichtsstand ausgestatteten Amt sei mit dem Ausscheiden des Handwerks aus der Hofwirtschaft mit der Ablösung der 7 W. Amold, Das Aufkommen des Hw.erstandes, S. 9; V.Böhmert, Beiträge zur Geschichte des Zunftwesens, S. 4 Cf.; K.F. Eichhorn, Ueber den Ursprung der städtischen Verfassung 1, S.243; ders., Dt. Staats- u. Rechtsgeschichte, S. 475 f., wo er allerdings als weitere Wurzeln der Zunft die römischen collegia opificum und die frühmittelalterlichen Gilden nennt; M. Flemming, Die Dresdner Innungen, S.1; J.A. Hoffmann, AlIg.Geschichte der schlesischen MetalIHw.er, S.10; G.L. v. Maurer, Geschichte der Fronhöfe, S.337; W. Müller, Zur Frage des Ursprungs der ma.en Zünfte, S. 66 f.; K.H. Rau, Ueber das Zunftwesen, S. 34; Rodbertus, Untersuchungen auf dem Gebiete der Nationalökonomie, S.423 Anm. 62; Ruppersberg, Die Zünfte in Saarbrücken, S. 121; E. Siebei, Das ma.e BäckerHw., S.52, für die Bäckerzünfte. Auch wenn ihre Vertreter personell überwiegend nicht mit denen der hofrechtlichen Theorie der Zunftentstehung identisch sind, dürfen doch zumindest die Parallelen zu der die Stadtverfassung aus den Siedlungsstrukturen des Landes herleitenden Lehre nicht übersehen werden. Hatte G.L v. Maurer, Geschichte der Städteverfassung, S. 161 f., 197f., die Stadtverfassung aus der Markverfassung des Dorfes hergeleitet, so prognostizierte G.v. Below, Zur Entstehung der dt. Stadtverfassung 2, S.203, definitiv die Nachweisbarkeit der monokausalen Genese der Stadt- aus der Landgemeinde; ebenso W. Varges, Zur Entstehung der dt. Stadtverfassung, S. 161 ff., 805 ff. Offensichtlich ist diese Ableitung jedoch mißlungen, denn G. v. Below, Die Entstehung der dt. Stadtgemeinde, S. 49, will bereits Köln und andere Städte ausnehmen, um dann (G.v. Below, Stadtgemeinde, Landgemeinde u. Gilde, S.411) fälschlicherweise zu behaupten, nie habe er die Landgemeinde als die bewegende Kraft des Städtewesens vorgestellt. Wohl in Konsequenz dessen erfaßt F. Steinbach, Stadtgemeinde u. Landgemeinde, S.44, die Landgemeinde nur noch als Vorbild der von den Kaufleuten initiierten bürgerlichen Gebietsgenossenschaft. In dieser Tradition hat K. Kroeschell, Rodungssiedlung u. Stadtgründung, S. 68 ff.; vgl. dens., Weichbild, S.1, das Verfassungsgebilde der Gründungsstadt aus der Hagenfreiheit der bäuerlichen Rodungssiedlung hergeleitet; vgl. für den Satz" Stadtluft macht frei" M. Mitterauer, Von der antiken zur ma.en Stadt, S. 65 ff. S
A. Heusler, Verfassungsgeschichte der Stadt Basel, S. 114 ff.
9
W. Stieda, Zur Entstehung des DI. Zunftwesens, S. 46 ff., 74 ff.
G. Schmoller, Strassburg zur Zeit der Zunftkämpfe, S.5 ff. Zu Schmoller K.H. Kaufhold, Gustav von Schmoller, S. 217 Cf. 10
I. Die Entstehung der Zunft
17
persönlichen Dienstpflichten durch fiskalische Leistungen eine besondere Gerichtsbarkeit zuteil geworden. Wegen deren sachlicher Identität mit der grundherrlichen Gerichtsbarkeit sei das Amt von dieser und der allgemeinen Verwaltung eximiert worden. Träger der Gerichtsbarkeit sei der Inhaber des Magisteriums geblieben, der aber entsprechend der überkommenen Gerichtsverfassung an den Spruch von ausgewählten Handwerksgenossen gebunden gewesen sei. Die gewerbliche Verwaltung sei von den Handwerkern in eigener Trägerschaft wahrgenommen worden; das Magisterium habe sich vom Amt übertragenen zu einem solchen eigenen Rechts umgebildet. Aus dem Kampf mit der öffentlichen Gewalt um die Zurückdrängung der magisterialen Gerichtsbarkeit seien dann die Zünfte hervorgegangen. 11 Ämter, bei denen diese Umbildung nicht gelang, seien durch die Fraternitas, den freien Zusammenschluß der Handwerker auf Betreiben der Kirche, beseitigt worden, welche sich durch die regelmäßige Identität der von den Mitgliedern ausgeübten Gewerbe zu einer gewerblichen Institution gewandelt habe. Gerichtsbarkeit und Selbstverwaltungsrecht seien der Bruderschaft obrigkeitlich verliehen worden. Den Angehörigen eines bestimmten Gewerbezweiges sei die Partizipation an den gemeinen Lasten auferlegt worden, wobei der als Beitrittszwang verstandene Zunftzwang als Rechtsform die Vollziehung des Verbandswillens sichergestellt habe. 12 Da sich Organisationen des grundherrlichen Handwerks nicht nachweisen ließen13, darf die hofrechtliche Theorie der Zunftentstehung als widerlegt betrachtet werden. Dies betrifft auch die von Nitzsch für die süddeutschen Städte entwickelte Modifikation, nach welcher sich die organisierten grundherrlichen Handwerker in Form von Gilden formierten, welche sich im Zuge der Autonomisierung der Stadtgewalt vom Fronhofsverband durch eine geschworene Einung lösten. 14 Sie bildet das Verbindungsglied zu der Auffassung, die die Zunft aus dem frühmittelalterlichen Gildewesen ableitet 11 R. Eberstadt, Magisterium u. Fratemitas, S. 9 ff., 202 ff.; ders., Der Ursprung des Zunftwesens, S. 220 Cf., 248 f. 12 R. Eberstadt, Magisterium u. Fraternitas, S. 171 ff., 190 ff.; ders., Der Urspung des Zunftwesens, S. 150 ff., 250 ff.; ihm folgend M. Graf-Fuchs, Das Gew. u. sein Recht, S. 47 ff.; A. Zesiger, Das bernische Zunftwesen, S.5 f. Zum Ursprung der Zünfte aus Handwerkerbruderschaften vgI. auch P. Bruger, Die ZechenO. der Tischler, S.19 f.; H. KühneI, Die ZechenO. der Linzer Kürschner, S. 512; T. Nyberg, Gilden, Kalande, Bruderschaften, S. 37 f.; A. Scherlen, Les corporations de Colmar, S.50; R. Wackernagel, Bruderschaften u. Zünfte zu Basel, S.16. A. Herling, Hw.er u. Zünfte, S .53, sieht die Genossenschaften der Klöster als Vorbild für den Zusammenschluß zu Zünften an. 13
Kap.11II.
K.W. Nitzsch, Ministerialität u. Bürgertum, S. 346 ff.; vgI. W. Amold, Verfassungsgeschichte der dt. Freistädte, S. 250 ff.; M. Heyne, Das A1tdt.Hw., S. 130. Mitnichten also vertritt Nitzsch eine autoritative Entstehung der Zunft, wie O.G. Oexle, Die ma.e Zunft, S. 8, meint. Sein Ansatz beruht auf seiner These von der Entstehung der süddeutschen Städte durch einen allmählichen Prozeß der 14
18
Kap. 2: Das Gew!:tbe der Zunftzeit
2. Zunft und rrühmlttelalterliche Gilde a) Die frühmittelalterlichen Gilden
Ausgangspunkt einer Charakterisierung der frühmittelalterlichen Gilden und ihres Ursprungs15 muß die zentrale Bedeutung des Eides für die Existenz der Gilden sein, wie sie aus den gegen die Gilden gerichteten Maßnahmen hervorgeht Bereits auf dem Konzil von Orleans des Jahres 538 wurden Zusammenschlüsse von Geistlichen verboten, die sich eidlich zur gegenseitigen Unterstützung verbunden hatten. 16 Ältestes weltliches Zeugnis ist Karls des Großen
Aussonderung der Stadtverwaltung aus den Hofrechten, in dessen Verlauf sich die Ausgesonderten genossenschaftlich verbanden, K. W. Nitzsch, l.c., S. 353 f.
15 Etymologisch werden aus dem germanischen Wort Gilde die Elemente der Bezahlung bzw. des Opfers sowie des gemeinsamen Essens und Trinkens abgeleitet, K. Obst, Der Wandel in den Bezeichnungen, S. 142 ff.; R. Schmidt-Wiegand, Gilde u. Zunft, S. 355 f.; vgl. K.R. Grinda, Altenglisch (ge)gilda, (ge)gildscipc, (ge)gild(e), S.398; aA. K. Düwel, Philologisches zu "Gilde:, S. 404 ff. Hieraus wurde der Schluß eines heidnisch-kultischen Ursprungs der Gilden gezogen, E. Coomaert, Les ghildes medievales, S. 31 ff.; H. Joachim, Ursprung u. Wesen der Gilde, S.43 f.; E. Pitz. Religiöse Bewegungen, S. 60. Sie stünden in der Kontinuität von Gilden der germanischen Stämme, G. Kraack, Das Gildewesen der Stadt Flensburg, S. 13; T. Reintges, Ursprung u. Wesen der spätma.en Schützengilden, S. 326, oder von dort vorhandenen sozialen Strukturen, etwa den kultischen Männerbünden, E. Ennen, Frühgeschichte der europäischen Stadt, S. 76 ff.; L. Hellmuth, Die germanische Blutsbrüderschaft, S. 207, der Blutsbrüderschaft, H. Conrad, Dt. Rechtsgeschichte I, S. 327; M. Pappenheim, Die altdänischen Schutzgilden, S. 45, oder den Opfergemeinschaften mit Trinkgelagen, K. Hegel, Städte u. Gilden, S. 5; ders., Städte u. Gilden der germanischen Völker im MA. Eine Antikritik, S. 446; K. Obst, Der Wandel in den Bezeichnungen, S.147; H.-F. Schütt, Gilde u. Stadt, S. 81 C.; S. Sieber, Nachbarschaften, Gilden, Zünfte, S.473; J. Sommer, Westfälisches Gildewesen, S. 400; dagegen A. Meister, Die Anfänge des Gildewesens, S. 40 f. Dagegen hat Oexle in neueren Forschungen nachgewiesen, daß Quellenbelege für die Existenz von Gilden erst der fränkischen Epoche entstammen, O.G. Oexle, Gilden als soziale Gruppen, S. 335 ff.; ebenso schon A. Doren, Untersuchungen zur Geschichte der Kaufmannsgilden, S. 7 vgl. aber O.G. Oexle, Conjuratio u. Gilde, S. 212, wo er auf Momente der Kontinuität der geschworenen Einung von der Antike bis zum Frühmittelalter aufmerksam macht. Für die geschilderten Ansätze wie für die Versuche, die Gilden aus christlicher Tradition, J. Duhr, La confrerie dans la vie d'eglise, S. 463 ff.; W.E. Wilda, Das Gildenwesen im MA, S. 25 ff., oder als Selbsthilfeorganisationen zur Durchführung der Spurfolge in der Nachfolge der germanischen "trustis" aufzufassen, F. Staab, Untersuchungen zur Gesellschaft am Mittelrhein, S. 373 ff., (zu den Ursprüngen des Spurfolgeverfaltrens vgl. K. Rauch, Spurfolge u. Dritthandverfaltren, S.72 ff.) gilt, daß sie jeweils nur ein Segment der sozialen Realität der Gilden erfassen, O.G. Oexle, Gilden als soziale Gruppen, S. 338 ff.
ce.;
16 MGH Legvm sect.IIl Bd. I, S. 72 Cf. (SO) c.24: "Si qui clericorum, uJ nuper multis locis diabolo instigante actum foisse perpatuit, reveIli auctoritate se in unum coniuratione intercedente collegerint et aut sacramenta inter se data aut chartu/am conscriptam foisse patuerit, nullis excusationibus haec praesumtio praevelitur, sed res detecta, cum in sinodo ventum foerit, in praesumturibus iuxta personarum et ordenum qualitatem a ponteficibus, qui tune in unum collicti fuerint, vindiceturj quia, sicut caritas ex praeceptis dominicis corde, non cartolae conscriptione est vel coniurationibus exibenda, ita, quod supra SQcras admittetur scripturas, auctoritate et districtione pontificali est repraemendo."; wiederholt auf dem Konzil von Clichy 626/627, l.c., S. 196 ff. (197) c.3.
I. Die Entstehung der Zunft
19
Kapitular von Herstal aus dem Jahre 779 17. Die Wiederholung des Verbots der geschworenen Gilden in c.26 des duplex legationis edictum von 78918 macht die Funktion des GiIdeeides deutlich, wurde doch in c.18 desselben Edikts mit nahezu der gleichen Formel der allgemeine Untertaneneid eingefiihrt 19. Er findet sich bereits im Herrschaftsbereich einiger Stämme und unter den Merovingern20, gewann aber im Rahmen der Reichsreform Karls des Großen besondere Bedeutung. Die tendenzielle Zentralisierung der Reichsorganisation beruhte auf der Unmittelbarkeit durch persönliche Treueverpflichtung, institutionalisiert insbesondere in den miss i domini ci. 21 Dem Untertaneneid fiel im Rahmen dessen die Funktion zu, über die Stufung der vassalitischen Treuebindung hinweg eine einheitliche Verpflichtung auf die Person des Königs herbeizufiihren. 22 Daß dem Eid bezüglich dieser besonderen Pflichtenbeziehung eine konstitutive23 und nicht die Wirkung der bloßen Bekräftigung einer Treuepflicht der Untertanen24 zugemessen wurde, zeigt die inscriptio des capitulare missorum von 792 oder 786, die eine uneidliche aIlgemeine Treuepflicht gerade nicht kennt. 2S Der Eid dient mithin der Begründung eines sozialen Herrschaftsraumes 26; er ist die Form, die kein bestärkendes Mittel ist 27, sondern als Norm 17 MGH Legvm sect.II Bd. I, S. 46 ff. (51) c.16: "De sacramentis per gildonia invicem coniurantibus, ut nemo facere praesumat. Alio vero modo de illorum elemosinis aut de incendio aut de naufragio, quamvis convenentias faciant, nemo in hoc iurare praesumat. " 18 MGH Legvm sect. II Bd. I, S. 62 ff. (64): "e( istos coniurationes quas faciunt per sanctum Stepho.num auf per nos aut per filios nostros prohibemus. " 19 MGH Legvm sect. II Bd.l, S. 62 ff. (63): "De sacramentis fidelitatis causa, quod nobis et filiis nostris iurare debent, quod his verbis contestari debet: ,Sic promitto ego ille partibus domini mei Caroli regis et filiorum eius, quia fidelis sum et ero diebus vitae meae sine fraude et malo ingenio'." 20
E. Friesenhahn, Der politische Eid, S. 53.
21 Vgl. WA. Eckhardt, Königsbote, Sp. 1025 f.; O. Kimminich, Dt. Verfassungsgeschichte,
S.57 f.; T. Mayer, Staatsauffassung in der Karolingerzeit, S.177 ff.; H.-W. Strätz, Karl der Große, Sp.642 ff.
22 G. Dilcher, Eid, Sp. 867; W. Kienast, Untertaneneid u. Treuvorbehalt, S.I25. Umgekehrt sieht R. Scheyhing, Eide, Amtsgewalt u. Bannleihe, S. 68 f., den Untertaneneid der Königsvasallen als bloße Wiederholung des Vasalleneides an, so daß für diese Großen des Reichs das Vasallen- als das engere dem allgemeinen Untertanenverhältnis vorgehe. 23 G. Dilcher, Eid, Sp. 867. So O. Gierke, Schuld u. Haftung, S. 136 f.; vgl. auch P. Puntschart, Treuklausel u. Handtreue, S. 172 f.; H. Siegel, Der Handschlag u. Eid, S. 63. 24
2S MGH Legvm sect.II Bd. I, S. 66: "Quam ob rem istam sacramenta sunt necessaria, per ordine ex antiqua consududine explicare faciant, et quia modo isti infideles homines magnum conturbium in regnum domni Karoli regi voluerint terminare et in eius vita consi/iati sunt et inquisiti dixerunt, quod fidelitatem ei non iurassd. " 26 G. Dilcher, Eid, Sp. 868; P. Michaud-Quantin, Universitas, S. 233; vgl. zur entsprechenden Funktion des Priestereides R. Schmidt-Wiegand, Eid u. Gelöbnis, S. 72 ff.
20
Kap. 2: Das Gewerbe der Zunftzeit
selbst die Rechtsbeziehungen konstituiert28• Geht man davon aus, daß die Verbote des Gildeeides die Existenz der Gilde selbst vernichten sollten, so ist die eidliche Begründung ein WesensmerkmaI der Gilde. 29 Als geschworener Bereich eigener Rechtsstrukturen und -verwirklichung mußte sie notwendig mit der herrschaftlichen Organisation der Ordnung in Konflikt geraten30, wie etwa c.14 des karlmannschen Kapitulars von Ver des Jahres 884 zum Ausdruck bringt.31 Aus dieser Parallelität der Wahrnehmung rechtlicher Ordnungsfunktionen erhellt, daß die Gilden aus Situationen der Unfähigkeit der tradierten Herrschaft zur Gewährleistung der Rechts- und Friedensordnung entstanden. 32 Sie ersetzten als "Selbsthilfeorganisationen"33 den Staat in dieser Funktion. Wie dieser erfaßten sie den Menschen in allen seinen Beziehungen zur Umwelt3 4 und waren auf Dauer angelegt.35 Die dynamische Perpetuierung vollzog sich durch das gemeinsame Gildemahl. Die praktizierte Tischgemeinschaft war der Ausdruck der sozialen Zusammengehörigkeit; sie war wie der Eid eine Form, die für die Existenz der Gilde eine zum Normativen führende essentielle Be-
27
AA. G.v. Below, Die Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, S. 154.
28
W. Ebe~ Recht u. Form, S. 11 Cf.; E. Kaufmann, Formstrenge, Sp. 1164.
29 Ein anderes ließe sich auch nicht daraus herleiten, daß c.10 des capitulare missorum in Theo-
donis villa datum secundum, generale, MGH Legvm sect.II Bd. 1, S. 122 ff. (124), geschworene und nichtgeschworene Vereinigungen verbietet: "Et ut de cadero in regno nostro nulla huiusmodi conspiratio fiat, Me per sacramentum nec sine sacramento.· Denn die gesamten vorherigen Ausführungen beziehen sich nur auf eidlich begründete Zusammenschlüsse: "Si vero per dextras aliqua conspiratio firmata fuerit, si liberi sunt, aut iurent cum idoneis iuratoribus hoc pro malo non fecisse, aut si facere non potuerint suam kgem conponant; si vero sem sunt, flagellentur .•
30 G. Dilcher, Conjuratio, Sp. 631 f.; A. Doren, Untersuchungen zur Geschichte der Kaufmannsgilden, S. 13; O.G. Oexle, Conjuratio u. Gilde, S. 156 ff.; ders., Gilden als soziale Gruppen, S. 297 ff. Eine konstitutive Bedeutung des Eides für die Entstehung der Gilde lehnen O.Gierke, Rechtsgeschichte der dt. Genossenschaft, S.233 Anm. 43; ders., Schuld u. Haftung, S.237, und H. Stradal, Gilde, Sp. 1688, ab. 31 MGH Legvm sect.II Bd. 2, S. 371 ff.(37S): "Volumus, ut presbyteri et ministri comitis villanis praecipiant, ne colkctam faciant, quam vulgo geldam vocant, contra il/os, qui aliquid rapuerint. Sed causam suam ad illum presbyterum referant, qui episcopi missus est, d ad il/os, qui in illis locis ministri comitis super hoc existunt, ut omnia prudenter d rationabiliter corrigantur.• 32 L. Brentano, Die Arbeitergiiden der Gegenwart, S. 12; G.G. Gervinus, Ueber Wildas's Gildenwesen im MA, S.477 Cf.; O. Hartwig, Untersuchungen über die ersten Anfänge des Gildewesens, S. 155; O.G. Oexle, Gilden als soziale Gruppen, S. 305, 343. Die Ergebnisse der neueren Forschung hinsichlich der mannigfaltigen Entwicldungslinien staatlicher Herrschaft lassen die dialektische Periodisierung bei O. Gierke, Rechtsgeschichte der dt. Genossenschaft, S. 8 ff., als überholt erscheinen, vgl. G. Dilcher, Genossenschaftstheorie u. Sozialrecht, S. 326 ff., 350 ff.
33 F. Staab, Untersuchungen zur Gesellschaft am Mittelrhein, S. 373.
34 E. Coomaert, Les ghildes medievales, S. 243; O. Gierke, Rechtsgeschichte der dt. Genossenschaft, S. 226 ff.; O.G. Oexle, Die ma.en Gilden, S206; H. Strada~ Gilde, Sp.1688.
35 W. Sickel, Die Privatherrschaften im fränkischen Reiche, S. 168.
I. Die Entstehung der Zunft
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deutung besaß.36 In Form der Totenmemoria mit dem Totenmahl wurde das Gemeinschaftsmitglied auch über seinen eigenen Tod hinaus in den dauerhaften Bestand der Gilde einbezogen. 31 Wegen dieser Bedeutung für das Fortleben der Gilden waren die gemeinsamen Mahlzeiten immer wieder Thema obrigkeitlicher Verbote. 38 Gleichzeitig manifestierte das in nivellierender Gemeinsamkeit eingenommene Mahl neben dem christlichen Postulat der Brüderlichkeit vor allem die Gleichheit der Mitglieder in der Gilde; jeder war für den anderen ''parem suum ")9 Die Form des Zusammenschlusses, die auf Konsens aller beruhende freie Einung40, ließ gruppenimmanente Abstufungen nicht zu. 41 Der fortbestehende soziale und rechtliche Status außerhalb der Gilde blieb außer acht, so daß sich als Verbundene gleichermaßen Kleriker wie Laien, Männer wie Frauen, Freie wie Unfreie finden. 42 Diese Universalität der Organisation mit gemeinsamen Gottesdiensten und karitativen Tätigkeiten 43 , ihre lokale Beschränkung und die umfassenden gegenseitigen BeistandspOichten weisen die Gilden als originär konsensuelle Gemeindebildungen im Strukturvakuum klerikaler und weltlicher Herrschaften aus. 44 Dies zeigt sich auch daran, daß sie zur Einberufung ihres paritätischen
36 G.v. Below, Zur Geschichte des Hw.s, S. 287; K. Hauck, Rituelle Speisegemeinschaft, S. 615; F. Kauffmann, Altdt. Genossenschaften, S. 20 ff.; K.-S. Kramer, Mahl u. Trunk, Sp.154, P. Michaud-Quantin, Universitas, S. 180. 37
O.G. Oexle, Die ma.en Gilden, S. 213 f.; ders., Memoria u. Memorialüberlieferung, S. 81.
38
Vgl. die Nachweise bei O.G. Oexle, Gilden als soziale Gruppen, S. 309 ff.
Il decreto di Hincmaro di Reims c.16,4, Ordo fratemitatis, S. 36 f.: ·Conventus autem talium confratrum fiat, si necesse fuerit ut simul conveniant, ut si forte aliquis contra parem suum discordiam habuerit, ...• 39
40
O. Gierke, Rechtsgeschichte der dt. Genossenschaft, S. 221; K. Kroeschell, Einung, Sp. 910.
41 O. Gierke, Rechtsgeschichte der dt. Genossenschaft, S.226; E. Kaufmann, Konsens, Sp.l091; O.G. Oexle, Die ma.en Gilden, S. 208; W. Sickel, Die Privatherrschaften im fränkischen Reiche, S. 168. AA. ti. Coornaert, Les ghildes medievales, S. 40; gegen ihn wiederum K.R. Grinda, Altenglisch (ge)gilda, (ge)gildscipe, (ge)gild(e), S. 393. 42 Il decreto di Hincmaro di Reims c.16,3, Ordo fratemitatis, S. 36: •... presbyter... vel clericus, ... laicus .•. aut femina"; Statuto della fratemita di Sant'Appiano in Valdelsa c.l0,24, l.c., S. 60 ff.: "item laici ac femine. .., qui in ipso consortio intrare voluerint"; Statut der Knudsgilde zu Flensburg c.34, M. Pappenheim, Die altdänischen Schutzgilden, S. 441 Cf.: "aUae brothaer og syster"; vgl. die "coniurationibus servorum" in capitula missorum von 821 c. 7, MGH Legvm sect.1I Bd.l, S. 300 f., die als Hörigengilden gedeutet werden, K. Hegel, Städte u. Gilden, S. 3; O.G. Oexle, Gilden als soziale Gruppen, S. 306, und die aus "liberi" und "servi" zusammengesetzte "conspiratio" in c. 10 des capitulare missorum Theodonis villa datum secundum, generale, o.Anm.29. 43 Les coutumes de la gilde marchande de Saint-Omer c.28: "Postea autem, omnes posteros in Christo monemus, ut pauperum ac leprosorum misereantur.• 44 O. G. Oexle, Gilden als soziale Gruppen, S. 329, 332 f. Daher können die von O.G. Oexle, l.c., S. 333, als Gilden erfaßten, jedoch schon in die Epoche der erstarkenden Territorialgewalt fallenden
22
Kap.2: Das Gewerbe der Zunftzeit
Basisorgans, der Vollversammlung der Gildemitglieder, häufig mit der Glocke ein Symbol der Herrschaft benutzten. 45 Wie ihre Konstituierung war die Gilde auch in ihrer inneren Verfassung konsensual verfaßt Die Versammlung bestimmte die Besetzung von Leitung und Gerichtsbarkeit der Gilde 46, wobei der Konsens zur Annahme der Wahl verpflichtete. 47 Auch die geschworene Rechts- und Friedensordnung als Funktion der Gilde wurde konsensual errichtet Die von der Mehrheit statuierten Willküren waren auch für diejenigen verbindlich, die sie nicht konsentiert hatten. 48 Der gemeinsam geleistete Eid war das personell verbindende Element, durch welches die später hinzukommenden Schwurgenossen ebenfalls auf die Willküren verpflichtet wurden. Diese Perpetuierung der Willkür im Wechsel der Mitglie-
Nachbarschaften trotz struktureller Ähnlichkeiten wohl nicht als Gilden eingeordnet werden, vgl. K.-S. Kramer, Nachbar, Nachbarschaft, Sp. 814. 45
O.G. Oexle, Die ma.en Gilden, S. 211; vgl. A. Erler, Glocke, Sp. 1707.
Vgl. Les coutumes de la gilde marchande de Saint-Omer c.15: "De omni stulticia que agitur infra duos dies potacionis in facta vt:1 verbis, coram decanis respondendum est, nec coram alio judice." Aus der Wahl von "alio judice" ergibt sich, daß entgegen der Auffassung H. Krauses, Die geschichtliche Entwicklung des Schiedsgerichtswesens, S. 21, nicht die Gesamtheit der Mitglieder als Urteiler des Gildegerichts fungierte. Materiell dürfte sich das "alio" auf die vorher erwähnten zu wählenden "decanis" beziehen, so daß diese zu den judices zu zählen sind. Ist aber das Gildegericht "ein genaues Abbild des öffentlichen Gerichts·, H. Krause, I.c. - wofür in Anbetracht der Entstehungsfunktion der Gilden einiges spricht - , so ergibt sich, daß dem frühmittelalterlichen Gebrauch des Terminus "judex" die umfassende Bedeutung von Gerichtsvorsitzendem und/oder Urteilern immanent ist, J. Weitzel, Dinggenossenschaft u. Recht 1, S. 203. Die unterschiedslose Kennzeichnung der Mitg1ieder des Gildegerichts als die Personenmehrheit von "decanis (et) ... alio judice" spricht für eine derartige Sinngebung. Aus ihr terminologisch herleiten zu wollen, daß auch der Richter noch zum Kreis der Urteiler zu zählen ist, dürfte wohl zu weit gehen. Denn bereits die nachweisbaren Anfänge des Gildewesens fallen in die Epoche, für die J. Weitzel, I.c.2, S. 902 ff., das Ausscheiden des Richters aus dem Urteil konstatiert hat. Die gleiche Zeit kennt jedoch die Ausbildung des besonderen Urteileramts des Schöffen, J. Weitze~ I.c.2, S. 859 ff., dessen Typus die zu wählenden "alio judice" zuzurechnen sind. Denn die Wahl weiterer Richter neben den "decanis" gäbe wenig Sinn, womit bereits in Übereinstimmung mit O. Gierke, Rechtsgeschichte der dt. Genossenschaft, S. 232, und H. Krause, I.c., festgestel1t ist, daß der Gildevorstand als Repräsentant der Rechtsordnung der Gilde deren äußeren Rechtszwang inkorporierte, ihm also die Stellung des Richters zufiel; vgl. zu dieser Funktion des Richters J. Weitzel, I.c.2, S. 910. 46
47 Charte de la Frairie de la halle basse de Valencicnnes § 14, H. Caffiaux, Memoire sur la charte de la Frairie de la halle basse de Valenciennes, S. 25 ff.: "Apres, ordenet est que se aucuns Freres a aucun ojJisce soit eslius par electiOll des autres Freres, il ne le contrediche mie, et s'il le contredist, ill'amendra de v $. " 48 Vgl. das Statuto di Store Hedinge c.17, Ordo fraternitatis, S. 44 ff.: "Et si aliqui congildae discordes fuerint a aliqua re, habeant eonventum et iudieium eongildarum et tentent eos eoncordare, si possintj si non potuerint, tune sit ille extra gildam, qui legem et iudieium omnium gildarum eontempserit. " Formel1 wurde der Konsens durch Unterwerfung der nicht zustimmenden Mitglieder unter den Mehrheitswillen gewahrt, W. Ebel, Die Willkür, S. 50, so daß diese Folgepflicht zu einem verdeckten Mehrheitsprinzip führte, H. Mitteis, Die dt. Königswahl, S. 169.
I. Die Entstehung der Zunft
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der und ihre dauerhafte Beachtung intendierten die Entwicklung zum Sondergewohnheitsrecht der Mitglieder. 49 Charakteristikum der geschworenen Rechts- und Friedensordnung ist die für jeden Eidleistenden obligatorische Wahrung der Ordnung nach innen und Verteidigung derselben nach außen. so Der Besuch von Gildeversammlungen mit Waffen oder selbst mit verletzungsgefährlichen KIeidungsgegenständen war verboten. 51 Verfehlungen gegen andere Gildemitglieder, sei es durch Körperverletzungen oder Beleidigungen, sei es durch das Unterlassen der gebotenen Hilfe etwa bei Lebensgefahr, wurden bestraft. 52 Neben der materiellen Hilfe für die in Not geratenen Schwurgenossen53 erstreckte sich die Beistandspflicht auch auf die Abwehr externer Störer des Gildefriedens in Form der Rachepflicht54 und der Unterstützung, insbesondere der Eideshilfe, vor der außergildlichen Gerichtsbarkeit. 55 Da die statutarische Willkür nur die Schwurgenossen band, konnte über ihren Bruch allein die Gildegerichtsbarkeit entscheiden. 56 Sie erstreckte sich 49 W. Ebel, Die Willkür, S. 64; vgl. das Statuto di Store Hedinge, inscriptio, Ordo fratemitatis, S. 44: "Haec est lex convivii ..., quam homines senes et tliscreti olim invenerunt et ad uti/itatem congildarum eiusdem cCHIvivii d ubicunque in prosperitate d necessitate observandam statuerunt." Diese originäre Antinomie von Willkür und Recht verkennt O. G. Oexle, Die rna.en Gilden, S. 209 f.; vgl. dazu W. Ebel, I.c, S. 59 ff.
50
Vgl. J. Deeters, Die Kälner coniuratio, S. 140.
51 Les coutumes de la gilde marchande de Saint-Omer c.26: "Si quis cum armis portas intrare voluerit, a custotlibus arma detineantur", c.7: "Si quis scachas aut patinos in gildalla attulerit, dimidiam unciam argenti dabit". 52 Les coutumes de la gilde marchande de Saint-Omer c.lO: "Si quis aliquem pugno vel pane, vel lapidepercusserit, non enim intersunt alia arma, duas uneias dabit"; c.ll (S. 194): "Si quis a sede sua, iracondia contra alium surrexerit, unam unciam da bit. " Vgl. Statuto di Store Hedinge c3c , Ordo fratemitatis, S. 44 CC.: "Si autem aliquis congilda his supterfugerit d propter suam nequitiam et nimium timorem confratrem suum a mortis periculo non liberaverit ..•, omnibus fratribus lIf marcas persolvat". 53 Vgl. nur das Statut der Knutsgilde zu F1ensburg c.18, M. Pappenheim, Die altdänischen Schutzgilden, S. 441 ff.: "Finner, nogaer brothaer sin gildebrothaer langet i hiethaen mans langsei, Ipse hanym ut maeth sine egen penning thre mark"; Statut der Knutsgilde zu Odense c. 21, M. Pappenheim, I.c., S.454 ff.: "Hosom mister sinae pennynge, saa ath n,vae igen bliver en hall marle, ..• tha skai hver broder givae hanom efter sit eget s~n. " 54 Statut der Knutsgilde zu Flensburg c.1, M. Pappenheim, Die altdänischen Schutzgilden, S. 441: "al nogaer man, thaer ey aer brothaer i saentae Knuts gilde, draebaer nogaer brothaer al sante Knuts gilde, aer gildebrtHhaer huos, tha skulae the ham haefnae". 55 Statut der Knutsgilde zu F1ensburg c.7, M. Pappenheim, Die altdänischen Schutzgilden, S. 441 ff.: "Hver gildebrothaer skai vaere hielplig sin brothaer til allae sinae raete sagae. "; Statut der Knutsgilde zu Odense c.13, M. Pappenheim, I.c., S. 454 ff.: "Om gildbroder skai givae lov, tha skulae loder kastes och paa hvem loden laller, the skulae mannaelig standae meth hanom. " 56 W. Ebel, Die Willkür, S.56. F. Klinker, Das Zunftwesen der ma.en Städte, S.7, leugnet fälschlicherweise jede Gerichtsbarkeit der Gilde über ihre Genossen. 3 Ziekow
24
Kap. 2: Das Gewerbe der Zunftzeit
nicht auf Gildefremde, so daß diese das Instrumentarium zur Sicherung des Gildefriedens hätten stören können und deshalb nicht zu Versammlungen mitgebracht werden durften. 57 Die verwirkten Bußen, die auch aus Verstößen gegen die Folgepflicht gegenüber der Gilde und ihren Organen resultieren konnten,58 fielen an die vom Vorstand verwaltete Gildekasse; sie wurde entsprechend der Ableitung des Wortes "Gilde "darüber hinaus von den bei der Aufnahme zu erbringenden Leistungen und den Beiträgen der Mitglieder gespeist. 59 Aus ihr wurden die Ausgaben für die gemeinsamen Mahlzeiten und Gottesdienste, die karitativen Aufgaben und die Unterstützung der Mitglieder bestritten. 60 Ob sich die Gildegerichtsbarkeit weitergehend auf die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Geschäftsverkehr der Gildegenossen untereinander erstreckte, wird aus den Quellen nicht deutlich. 61 Entgegen der Ansicht Oexles 62 ergibt sich eine solche allgemeine Zuständigkeit nicht aus c.2 und 3 der coutumes de la gilde marchande de Saint-Omer63• Denn wie Oexle an anderer Stelle zutreffend bemerkt, handelt es sich an dieser Stelle allein um die Regelung eines Eintrittsrechts von Gildemitgliedern in den Kauf von Waren, weIches die innergildliche Friedensordnung zugunsten der ökonomisch schwächeren Mit57 Les coutumes de la gilde marchande de Saint-Omer c.5: "si quis aliquem ad potandum secum adduxerit, vel jilium, vel nepotem, vel famulum, de unoquoque XlI d. dabit. " 58 Les coulurnes de la gilde marchande de Saint-Omer c.8: ·Si quis stulte contra deeanos loeutus fuerit, duas uneias argenti dabit. ", vgl. auch c.12: "Si quis, audito tintinabulo, clamorem feeerit vel se errexerit, dimidiam unciam dabit."; Staluto di Store Hedinge c.18, Ordo fratemitatis, S. 44 ff.: "Et si quis non venerit ad eonventum ..., oram denarii reddat. •, c.20: ·Si autem eongilda in eonvivio sedendo dormierit, ... 11 oras reddat. " 59 Das Statut der Knutsgilde zu Flensburg c.49, M. Pappenheim, Die altdänischen Schutzgilden, S. 441 ff. "Hvilken en mans naven gau i samte Knuts gilde, han sklll givae til sin ingang en skilling aengaelislc.", c.50: "En jumfruae ae/der quinne sklll gialde to mark ~ax til ther ingang.· Vgl. Staluto della confratria di s. Pietro ad Abbotsbury c.3, Ordo fratemitatis, S.51: ·Earost, thrym nihton aer Petres maessan aet aelean gegyldan aenne peninge, oththe an peninge wurth weaxes, loe hwaeter mare neod sy into dham mynstre, and on maesse-aefen aet twam gegyldum aenne bradne hlafwel besewen and weil gesyfled to urum gemaenum aelmyssan.·
60
O. Gierke, Rechtsgeschichte der dt. Genossenschaft, S. 232.
61
P. Spieß, Kaufmannsgilde, Sp.689.
62 O.G. Oexle, Die ma.en Gilden, S. 210 Anm. 48; vgl. auch H. Krause, Die geschichtliche Entwicklung des Schiedsgerichtswesens, S. 20 f. 63 Les coutumes de la gilde marchande de Saint-Omer c.2: ·Si quis gildam non habens aliquam waram vel vestes vel eorrigia vel aliquid hujusmodi taxaverit, et aliquis gildam habens supervenerit, eo nolente, mereator quod ipse taxaverat emet.·, c3: ·Si quis veto gildam habens mercatum aliquod, non ad vietum pertinens, valens quinque s. vel supra, taxaverit, et alius gildam habens supervenerit, si voluerit, in mereato illo poreionem habebit: quod si forte taxator supervenienti poreionem eontradixe,;t, et eoram deeano, testimonio duorum de gilda eonvinei poterit quod poreionem ei eontradixerit, duos solidos emendabit.•
I. Die Entstehung der Zunft
25
glieder stabilisieren sollte. 64 Unter Berücksichtigung der ein Vakuum der Rechts- und Friedensordnung ausfüllenden Funktion der Gilden erscheint es allerdings denkbar, eine umfangreiche Schiedstätigkeit der Gildegerichtsbarkeit6S anzunehmen. b) Die Herleitung der Zunft aus der Gilde
Der Versuch, die Zunft aus dem frühmittelalterlichen Gildewesen herzuleiten, fmdet sich prononciert zuerst bei Wilda. 66 Er sieht die Gildebildung vornehmlich als Phänomen der mit Liegenschaften in den zum Handel bestimmten Siedlungen Begüterten an, wodurch deren Gilde und die Stadtgemeinde, das Gilderecht und das Stadtrecht gleichzusetzen seien. 67 Fortentwickelt wurde dieser Ansatz von Nitzsch, nach dessen Auffassung sich im norddeutschen Raum alle Gewerbetreibenden eines Marktortes in einer geschworenen Gilde verbanden, die damit identisch mit dieser Stadtgemeinde gewesen sei. 68 Die originäre Gesamtgilde habe sich bis zum 13. Jh. auf Betreiben der Kaufleute, die ihre Vormachtstellung sichern wollten, in die Gilden der Kaufleute und die der Handwerker differenziert. 69 Dagegen kann jedenfalls nicht der Einwand er64
O.G. Oexle, Die ma.en Gilden, S. 218.
6S
VgI. O. Gierke, Rechtsgeschichte der dt. Genossenschaft, S. 233.
66 W.E. Wilda, Das Gildenwescn im MA, S. 307 ff.; vgI. weiterhin L. Brentano, Die Arbeitergilden der Gegenwart, S. 36 Cf.; J.F. Danneil, Geschichte der Gcwandschneidergilden in Salzwedel, S. 22; E. Figl, Die rechtliche u. soziale Stellung, S. 103; O. Gierke, Rechtsgeschichte der dt. Genossenschaft, S. 359 C.; O.G.Oexle, Die ma.en Gilden, S.216; ders., Gilden als soziale Gruppen, S. 353; O. Schade, Vom dt. Hw.sleben, S. 253; S. Sieher, Zunftfeste, S. 347; W. Sombart, Der modeme Kapitalismus, S. 192; M. Weider, Das Recht der Kaufmannsgilden, S.ll Cf.; M. Zeiß, Die dt. Genossenschaften, S. 43; wohl auch E. Coornaert, Les ghildes medievales, S. 208 ff.; K. Nerger, Geschichte der Verdener Zünfte, S. 6. 67
W.E. Wilda, Das Gildenwesen im MA, S.145 f.
68
So auch für Köln L. Ennen, Geschichte der Stadt Köln, S. 531 ff.
69 K. W. Nitzsch, Über die niederdt. Genossenschaften, S. 21 ff.; ders., Die niederdt. Kaufgilde, S. 23; ders, Über niederdt. KauCgilden, S. 382 f.; ebenso H. Joachim, Die Gilde als Form, S. 86 ff.; J. Winzer, Die dt. Bruderschaften des MAs, S. 40 f.; vgI. G. Schmoller, Die älteren dt. Kaufgilden, S. 89, und für Italien W. Silberschmidt, Die Bedeutung der Gilde, S. 167 ff. K. W. Nitzsch, Ministerialität u. Bürgertum, S. 355, nimmt einen ·vollständigen Widerspruch zwischen der Entwicklung der norddeutschen und der der süddeutschen Stadtverfassung" an; zu letzterer vgI. o. Kap. 2 I 1 a. E. Daraus dürfte die Einordnung seiner Lehre in so antipodische Kategorien wie Gildetheorie einerseits, H. Stradal, Gilde, Sp.1689, und Hofrechtstheorie andererseits, A. Erler, Hofrcchtsthcorie, Sp.215, resultieren. Daß dennoch das Element der Einung für Nitzsch die gemeinsame Grundlage der deutschen Stadtverfassung war, wird von K. Hegel, Zur dt. Städtegeschichte, S. 448, bis zu A. ErIer, I.c., immer wieder übersehen. Die kritische Bemerkung G. Schmollers, Dt. Städtewescn in älterer Zeit, S. 16, in seiner auch im übrigen recht treffenden Würdigung der Nitzschen Lehre, diese sei von ihren Gegnern zwecks leichterer Wierlegbarkeit überpointiert worden, hat noch immer Gültigkeit. Worin etwa H. Joachim, Die Gilde als Form, S. 85,
26
Kap.2: Das Gewerbe der Zunftzeit
hoben werden, daß nach der Quellenüberlieferung die Zünfte gleichzeitig mit den Kaufmannsgilden im 12. Jh. entstanden seien, sich mithin nicht aus letzteren hätten entwickeln können. 70 Denn er beruht auf einem terminologischen Mißverständnis: Während die Gesamtgilde von ihren Verfechtern deshalb als Kaufmannsgilde gekennzeichnet wird, weil auch die ihr angehörenden Handwerker als Überschußproduzenten auf Kauf und Verkauf, also Handel, angewiesen waren,71 verstehen ihre Gegner unter dem Begriff der Kaufmannsgilde allein den Zusammenschluß von solchen Gewerbetreibenden, die sich mit dem Umsatz von Waren befaßten. 72 Fundamentale Kritik hingegen bedeutet der Nachweis Oexles, daß vor dem 11. Jh. berufsspezifische Gilden nicht nachweisbar sind. 73 Darüber hinaus weist das spätere städtische Zunftwesen Elemente auf, die der konsensual-personalen Rechtsordnung der frühmittelalterlichen Gilden wesensfremd sind und sie als unmittelbare Quelle der Zunftentstehung ausscheiden lassen. Zu nennen sind etwa die Notwendigkeit der obrigkeitlichen Bestätigung der Zunftordnungen und die Erstreckung der zünftischen Gerichtsbarkeit auf Nichtzünftige. 74 den Unterschied zwischen seiner und der von Nitzsch für die norddeutschen Städte erarbeiteten Theorie zu erkennen vermeint, bleibt unerfindlich. 70
So aber H. Stradal, Gilde, Sp. 1689 f.; M. Weider, Das Recht der dt. Kaufmannsgilden, S. 22 f.
71
H. Joachim, Die Gilde als Form, S. 87.
72
Vgl. M. Weider, Das Recht der dt. Kaufmannsgilden, S. 7 f.
O.G. Oexle, Gilden als soziale Gruppen, S. 348 ff.; bereits festgestellt von J.W.M. Heyer, Ursprung der Innungen, S. 434. Davon betroffen ist auch die Weiterführung des Nitzschen Ansatzes durch Planitz. Ausgehend von dem topographischen Dualismus, wie er von den sich ergänzenden Forschungen S. Rietschels, Markt u. Stadt, S.33 ff., und F. BeyerIes, Zur Typenfrage in der Stadtverfassung, S. 26 Cf., konstatiert worden ist, sieht Planitz den bei der Einbeziehung der an den Burgen gebildeten Wik als fernkaufmännischer Handelsniederlassung in die Befestigung der Burg, H. Planitz, Frühgeschichte der dt. Stadt, S. 19 Cf., entstandenen Konflikt zwischen den rechtlichen Ordnungen von Burg und Kaufmannssiedlung, in welcher sich das durch Gewohnheitsrecht und königliche Privilegierung der Gesamtheit der Kaufleute gebildete personale Kaufmannsrecht durch Bezug auC die Kaufmannsgilde als politischem Zusammenschluß der Gemeinde zum lokalen Recht wandelte, H. Planitz, Frühgeschichte der dt. Stadt, S. 37 ff., 58 ff., 81 ff.; ders., Die dt. Stadt im MA, S. 75 Cf., als durch die auf Initiative der Kaufmannsgilde gegen den Stadtherrn geschaffene coniuratio aller Einwohner des Siedlungszusammenhangs gelöst an, H. Planitz, Kaufmannsgilde u. städtische Eidgenossenschaft, S. 19 ff.; ders., Die dt. Stadt im MA, S. 102 Cf.; ders., Die dt. Stadtgemeinde, S. 18 Cf.; vgl. schon K. Frölich, Kaufmannsgilden u. StadtverCassung, S. 97 ff. Nach G. Dilcher, Personale u. lokale Strukturen kaufmännischen Rechts, S. 76, drangen zumindest genossenschaftliche Strukturen innerhalb der Stadt vor, die denen der älteren Kaufmannsgilde weitgehend entsprachen. E. HoCfmann, Gilde u. Rat, S.16, will der Fernhändlergilde insofern eine wichtige Rolle bei der Stadtgründung zuerkennen, als sie zwar nicht als solche das Stadtregiment übernahm, jedoch ihre führenden Mitglieder kraft ihrer überragenden Stellung Ratmänner wurden. Zum Problem der Kölner Kaufmannsgilde H.v. Loesch, Die Kölner Kaufmannsgilde, S. 35 ff. Gegen eine Verallgemeinerungsfähigkeit der These vom topographischen Dualismus neuerdings W. Bleiber, Der topographische Dualismus, S. 723. 73
74 Kölner DrechslerO. ca. 1179-1182, inscriptio, Kölner ZU 1 Nr. 13: "magistri civium ... ipsi ex communi consilio et consensu ojJicialium de richirzegcheide k4rpentariis ipsis quidem petentibus
1. Die Entstehung der Zunft
27
3. Die Lehre vom römisch-byzantinischen Ursprung der Zünfte
Der älteste Versuch zur Erklärung der Zunftentstehung ist die Ableitung aus den römischen collegia opificum. 7s Zur Begründung wird in erster Linie eine Konvergenz der Institutionen und Entstehungsbedingungen angeführt,76 wobei von einer Kontinuität zwischen der römischen und der mittelalterlichen Stadtverfassung ausgegangen wird. 77 Doch darf dieser insbesondere von Savigny fundierte Ansatz 78 als widerlegt betrachtet werden. E. Ennen hat deutlich gemacht, daß in Anbetracht der Diskontinuität der Administrativstrukturen der bloßen Siedlungskonstanz keine Bedeutung zugemessen werden kann. 79 ModifIZiert wurde diese These im Gefolge von Stöckle insbesondere durch Mickwitz mit dem Hinweis auf den Zusammenhang zwischen spätrömischen
ad honorem sJohannis ewangeliste et utilitatis causa fraternitatem concedere decreverunt, et hoc in domo burgensium in capitulo officialium de richirzegcheide constanter fuit approbatum."; o. der Bader zu Lüneburg aus dem Jahre 1361, ZU Stadt Lüneburg 11 1, S. 21: "Dit sint de stucke und settinge der batstovere to Luneborg, de alle vor siek und ere nakomelinge im badewerke hebbet gewilkoret, met eindrechtigheit to holdene, mit willen und vulbort des rades to Luneborg to ewigen tiden"; vor 1315 ergangenes Statut der alten hallischen Knochenhauer-Innung, UB Stadt Halle 2 Nr. 547 (S. 84): Die Knochenhauer "sollen ouch under on richten umbe scheltwort und umbe gelt ...; kommet aber eyn fromde man vor sie und wil or kompane eyn beschuldigen umbe gelt, bekennet her des, so sal sin meister und die schepfen ome helpfen bie virczen nachten, en gebe er des geldes nicht, so gewinnet om sin meister tag zcu Jirczen nacht czu dem nehsten dinge. So vordemme man om sin werg also lange, das er sich berichtet mit dem, yn des clage her stunde. Griffe her das werg an yn der clage, so sal om helffen unser schultheiß". Der gleichfalls auf frühmittelalterliche Strukturen zurückgreifende Ansatz F. Hüblers, Beiträge zur Geschichte des dt. Zunftwesens, S. 428, und F. Lerners, Geschichte des Frankfurter Metzger-Hw.s, S.37 f., welcher von einer Entstehung der Zünfte aus über Generationen berufsgebundenen Sippen ausgeht, darf in seiner Begründungslosigkeit getrost als exotisch bezeichnet werden. 7S G.H. Ayrer, De via facti collegiis opificvm, S.5; J. Beckmann, Anleitung zur Technologie, S.6; E.T. Gaupp, Über dt. Städtegründung, S. 373; A.F. Gfrörer, Zur Geschichte dt. Volksrechte, S. 144; S. Hahndorf, Zur Geschichte der d!. Zünfte, S. 4; J.G. Heineccius, De collegiis et corporibvs opificvm, Cap.2 § 1; ders., Opervm IX 2 § 1; FJ. Mone, Zunftorganisation 1, S.l; aus neuerer Zeit A. Burghardt, Lehrbuch der Alig. Sozialpolitik, S.81; L. Mumford, Die Stadt, S.316; tendenziell auch F. Windisch, Die Hw.sorganisation des MAs, S. 27.
76 L.M. Hartmann, Zur Geschichte der Zünfte, S.120f.; H. Schulz-Falkenthal, Zur Frage der organisatorischen Vorbilder für den korporativen Zusammenschluß, S. 45 ff. 77 Vgl. W. Müller, Zur Frage des Ursprungs der ma.en Zünfte, S.2. 78 F.C. v. Savigny, Geschichte des Römischen Rechts im MA, S. 290 ff.; so auch schon
K. T. Gemeiner, Ueber den Ursprung der Stadt Regensburg, S. 57 ff. K.F. Eichhorn, Ueber den Ursprung der städtischen Verfassung 2, S. 193 ff., nahm dies nur für Köln, Regensburg und Trier an.
79 E. Ennen, Frühgeschichte der europäischen Stadt, S. 85 ff.; dies., Das Gew. auf dem europäischen zisalpinen Kontinent, S. 6 f., widerlegt jede Berührung zwischen den mittelalterlichen Zünften und den römischen collegia. Laut G. Köbler, Zur Entstehung des ma.en Stadtrechtes, S.177, wird die Entwicklung der mittelalterlichen aus der römischen Stadtverfassung, wie sie zuletzt F. Vercauteren, Die spätantike Civitas im FrühMA, S. 54, vertreten hat, nicht mehr behauptet.
28
Kap. 2: Das Gewerbe der Zunftzeit
und byzantinischen Handwerkervereinigungen. 80 Letztere seien als obrigkeitlich konzessionierte Monopole, denen einerseits eine volkswirtschaftliche Marktordnungsfunktion oblegen habe, wofür ihnen andererseits ein konkurrenzausschließendes Kartellprivileg verliehen worden sei 81, Vorbild für Bestrebungen in Westeuropa geworden, durch Kartellisierung paralleler Interessen potentieller handwerklicher Konkurrenten die Wirtschaftsmacht der Zusammengeschlossenen zu stärken. 82 Die Zunftbildung sei mithin autonom durch die Handwerker ohne obrigkeitliche Beteiligung vollzogen worden. 83 Da Ausfluß dieser Kartellerrichtung eine Erhöhung der Preise gewesen sei, habe die Marktstruktur durch produktionsbeschränkende Maßnahmen stabilisiert werden müssen. Der gesonderte Gerichtsstand der zünftischen Gerichtsbarkeit habe die Position des Zunftmitgliedes durch die Übereinstimmung zwischen seinen und den Interessen der Urteilenden besser geschützt als der regelmäßige Rechtsgang. 84 Strukturell steht dieser Ansatz vor dem unauflöslichen Widerspruch, wie die byzantinischen Zwangsverbände8s Vorbild für eine freie Kartellerrichtung gewesen sein sollen. 86 Die Behauptung, die Errichtung der Zünfte habe eine Preiserhöhung nach sich gezogen, gehört in das Reich der ökonomischen Spekulation. Gerade für die Preisentwicklung handwerklicher Produkte im 12. und
80 G. Mickwitz, Die Kartellfunktionen der Zünfte, S. 232; A. Stöckle, Spätrömische u. byzantinische Zünfte, S. 135 ff.; so auch B.Töpfer, Zu einigen Grundfragen des Feudalismus, S.790; G. Weiß, Antike u. Byzanz, S. 541 ff. Kritisch H .Gehrig, Das Zunftwesen Konstantinopels, S. 590 f. 81 G. Mickwitz, Die Kartellfunktionen der Zünfte, S. 229 ff.; so schon E. Mayer, Rezension A. Stöckle, S. 534 f. 82 G. Mickwitz, Die Kartellfunktionen der Zünfte, S. 159 ff., 232 ff.; wohl auch O. Behrends, Die Rechtsformen des römischen Hw.s, S. 180.
83
G. Mickwitz, Die Kartellfunktionen der Zünfte, S. 156,233.
G. Mickwitz, Die Kartellfunktionen der Zünfte, S. 160 ff.; zum Kartellcharakter der Zünfte auch F. Hähnsen, Kartelle u. Zünfte, S. 109. Die Herleitung der Zünfte aus der konkurrenzbeschränkenden Kartellisierung zur Stabilisierung des Preisniveaus fmdet sich bereits bei A. Smith, An inquiry into the nature and causes of the wealth of nations I, 10,2 (S. 125 f.). Vergleichbar ist der ältere Ansatz K.D. Hüllmanns, Geschichte des Ursprungs der Stände, S. 542 ff., nach welchem - ausgehend von der den geschlossenen Verkaufsständen der Handwerker entspringenden Ansicht von der Ausschließlichkeit der Teilnahme - das Bestreben der Handwerker, ihre Zahl konkurrenzbeschränkend zu limitieren, Grund der Zunftentstehung gewesen sei; ähnlich A. Kolmayr, Das LedererHw. in der Steiermark, S. 66 ff. 84
8S
Kap.llII a.E.
Gegen eine solche Kontinuität auch O.G. Oexle, Gilden als soziale Gruppen, S. 334; B. Töpfer, Zu einigen Grundfragen des Feudalismus, S. 790. 86
I. Die Entstehung der Zunft
29
13.Jh. ist auswertbares Material kaum vorhanden. 87 Die unterstellte Schutzfunktion der zünftischen Gerichtsbarkeit setzt voraus, daß insbesondere Streitigkeiten mit Nichtzünftigen von der Zunftgerichtsbarkeit erfaßt wurden. Daß dies durchaus nicht grundsätzlich der Fall war, zeigt das Gegenbeispiel des Art. 8 der Kölner Gewandschneidersatzung von 1247. 88 Endlich ist es mit dem Kartellgedanken nur schwer zu vereinbaren, daß eine der ältesten urkundlich bezeugten Zünfte, die Kölner Drechsler, auch an den Kartellisierungsbestrebungen nicht interessierte Berufsfremde aufnahm. 89 Die von Mickwitz für sonstige kartell fremde Bestimmungen der Zunftordnungen gegebene Deutung als Ausgleich des Kartellprivilegs zum Nutzen der Stadt90 paßt hier nicht.
4. Ämter und Zünfte bei Keutgen
Keutgen entwickelte das obrigkeitliche Element zum entscheidenden Faktor der Zunftentstehung. Die obrigkeitliche Marktordnung habe die Handwerker aus Gründen der Warenkontrolle und der gruppenweise zu leistenden Abgaben in Ämter eingeteilt 91 Sie seien einem diesbezüglich nebenamtlich tätigen Beamten des Markthenn unterstellt worden, dem mit steigender Zahl der Gewerbetreibenden ein Handwerker als Amtsmeister nachgeordnet worden sei. Ihm habe die Wahrnehmung der Gewerbegerichtsbarkeit, -polizei und -kontrolle oblegen. 92 Fruchtbar für den Übergang dieser obrigkeitlichen Abteilungen zum selbständigen Verband sei die jeder mittelalterlichen Vereinigung eigene Religiosität gewesen, die die Akzeptanz für die geistliche Herrschaft erleichtert habe. 93 87 Vgl. A. Jacobs, Preis, S. 466 f.; zum Problem auch FJ. Mone, Preiscurrant der Gewerbsartikel, S. 314 ff. 88 Kölner ZU 1 Nr. 23: "ltem notandum, quod ex antiqua constitucione habemus, quod nullus fratrum pro aliquo facto ad placitum dominorum nostrorum aliquem extraneum adducet, nisi talem qui nobiscum steterit aut inter nos iam stet. " 89 O. der Kölner Drechsler ca. 1179-1182 Art. 3, Kölner ZU 1 Nr. 13: "Alii vero, qui de officio eorum fratrum non fuerint et predictam fraternitatem habere curaverint, 24 denarios pro eadem fraternitate dabunt. •
90
G. Mickwitz, Die Kartellfunktionen der Zünfte, S. 136.
F. Keutgen, Ämter u. Zünfte, S.133 ff.; so auch G. Seeliger, Hw. u. Hofrecht, S. 509 ff. Bestimmend für diesen Ansatz dürfte Keutgens Ableitung der Stadt- aus der Herrschaftsverfassung, die These von der Identität von Stadt- und Burgrecht sein, F. Keutgen, Untersuchungen über den Ursprung der dt. Stadtverfassung, S. 52 ff., 165 ff., 213f. 91
92
F. Keutgen, Ämter u. Zünfte, S. 151 ff.
F. Keutgen, Ämter u. Zünfte, S. 169 ff.; wie Keutgen L. Falck, Das Mainzer Zunftwesen, S. 272 ff.; P. Ostwald, Das Hw. unter dem Dt. Orden, S. 156 f.; S. Rietschel, Referat F. Keutgen, S. 330 ff.; mit Einschränkungen auch H. Lentze, Der Kaiser u. die Zunftverfassung, S. 19 ff. 93
30
Kap. 2: Das Gewerbe der Zunftzeit
Wesentliche Grundlagen der Lehre Keutgens sind die ältesten Stadtrechte von Straßburg und Trier. 94 In Straßburg sind die zu besonderen Leistungen an den Bischof verpflichteten Handwerker 95 von der für alle Bürger geltenden Fron befreit. 96 Der nach c.7 vom Bischof eingesetzte Burggraf bestimmt für jedes Amt der Handwerker einen Meister. 97 Zuerst also war das officium da und dann erst der obrigkeitlich gesetzte Meister. Es ist keineswegs zwingend, auch den Organisationsakt als solchen autoritativ aufzufassen. Bereits Philippi hat darauf hingewiesen, daß die ihnen auferlegten Leistungspflichten den Handwerkern den Zusammenschluß zur gemeinsamen Lastentragung nahelegten. 98 Ebensowenig ergibt sich aus c.44 notwendig, daß der Burggraf die Gerichtsbarkeit über alle Gewerbesachen innehatte. 99 Denn diejenigen, lide eisdem habet potestatem iudicandi'~ müssen nicht die gesamten vorgenannten Handwerke, sondern können ebensogut nur deren magistri sein. loo Dafür spricht insbesondere c.46, wonach sich die der burggräflichen Gerichtsbarkeit Unterworfenen, die dieser ungehorsam sind, vor dem Bischof zu verantworten haben. lOl Diese Regelung wird nur verständlich, wenn von ihr allein die magistri als bischöfliche Beamte, nicht aber die gesamten Handwerker der Ämter erfaßt werden. Denn keine der die Einwohner ohne Amtsträgereigenschaft betreffen-
94 Ein Beispiel dafür, wie sich die unreflektierte Übertragung der Keutgenschen Thesen auf die Entwicklung anderer Städte in Spekulationen verliert, bietet K. Militzer, Stadt entstehung u. Entwicklung des Bürgertums, S. 70 ff., 137 ff. 95
Jura et leges antiquissimae civitatis Argentinensis c.102 ff., Dt. Stadtrechte des MAs, S. 48 ff.
Jura et leges antiquissimae civitatis Argentinensis c.93, Dt.Stadtrechte des MAs, S. 48 ff.: "nebent etiam singuli burgenses in singulis annis quinquies operari numero dierum in dominico opere; ... exceptis duodecim inter pellifices, et exceptis sellariis omnibus, et quatuor inter cyrothecarios, et quatuor inter panifices, et octo inter sutores, et fabris omnibus, et carpentariis omnibus, et carnificibus, et cupariis vinariorum vasorum. • Es ist zwar offensichtlich, daß die in diesem Befreiungskatalog Genannten nicht alle zu besonderen Leistungen Verpflichteten umfassen. Warum aber F. Keutgen, Ämter u. Zünfte, S. 82, ihn als enumerativ anstatt bloß exemplarisch auffassen will, bleibt unverständlich, konzediert er doch, l.c., S. 83 f., der Aufzählung der Handwerker in c.44 wegen des "Mangels an geistiger Energie" des Aufzeichners des Stadtrechts die Unvollständigkeit. 96
97 Jura et leges antiquissimae civitatis Argentinensis c.44, Dt. Stadtrechte des MAs, S. 48 ff.: •Ad officium Burcgravii pertinent ponere magistros omnium officiorum fere in urbe, scilicet sellariorum, pellificum, cyrothecariorum, sutorum, fabrorum, molendinariorum et eorum qui faciunt vasa vinaria et picarios, et qui purgant gladios, et qui vendunt poma, et cauponum. Et de eisdem habet potestatem iudicandi, si quid deliquerint in officiis suis.• 98 F. Philippi, Die gew.en Gilden, S. 661 ff.; ders., Hw. u. Handel, S. 118 ff.; vgl. R. Sprandei, Gew. u. Handel, S. 217. Schon S. Hirsch, Das Hw. u. die Zünfte, S. 21 ff., sah in der autoritativen Zusammenfassung zur Lastentragung den Anlaß zum autonomen Zusammenschluß. 99 100
W. Dettmering, Beiträge zur älteren Zunftgeschichte der Stadt Strassburg, S. 14. H. Thimme, Das Kammeramt in Strassburg, Worms u. Trier, S. 11 Anm. 32.
Jura et leges antiquissimae civitatis Argentinensis c.46, Dt. Stadtrechte des MAs, S. 48 ff.: 'Si qui vero predictorum inobedientes facti fuerint Burcgravio, ipse causam defert ad Episcopum.• 101
I. Die Entstehung der Zunft
31
den Gerichtsbarkeiten der anderen vom Bischof eingesetzten Beamten lO2 kennt einen Rechtszug an den Bischof. Damit aber bietet sich in Konkordanz mit c.3 des Straßburger Vertrages von 1263 der Schluß an, daß die Ausübung der Gewerbegerichtsbarkeit bei den officia und ihren magistri selbst lag. 103 Allerdings scheint der Vergleich mit dem Trierer Liber annalium die Auslegung aufzudrängen, daß wie in Trier der Kämmerer in Straßburg der Burggraf für den Bischof die Gewerbegerichtsbarkeit ausübte.l 04 Ist jedoch in Trier der Kämmerer wie der Schultheiß ein bischöflicher Beamter, so erscheint es problematisch, wie Keutgen die von den Handwerkern an den Schultheissen zu leistende Abgabe als Leistung für die Befreiung von dessen Stadtgerichtsbarkeit aufzufassen. 10S Auszugehen ist davon, daß eine Scheidung von Gerichtsbarkeit und Verwaltung in der Hand des Stadtherrn und seines Stadtrichters zunächst nicht stattfand. l06 Im Trier des ausgehenden 12. Jhs. lag die Gewerbegerichtsbarkeit noch beim Stadtherrn und wurde vom Kämmerer wahrgenommen. Es ist auffallend, daß die dem Schultheissen abgabepflichtigen Schuster und Fleischer nicht wie etwa die Glaser und Pergamentmacher der einheitlichen Gerichtsbarkeit und Verwaltung des Kämmerers unterstellt, sondern weitgehend verselbständigt waren. 107 Sie handelten nicht wie Glaser und Pergamentmacher im Auftrag des Kämmerers,t08 sondern eigenständig. Es ist jedenfalls vertretbar anzuneh-
102
Nach c.7 Schultheiß, Zöllner und Münzmeister.
103 I.E. auch H. Mosbacher, KammerHw., Ministerialität u. Bürgertum in Straßburg, S.97. Vertrag des Bischofs und der Geistlichkeit mit der Stadt Straßburg von 1263 c.3, Dt. Stadtrechte des MAs, S. 89 ff.: "swer Bischoffist, einen Burgraven sol geben ... Der Burgrave sol in öch geben von jeclicheme antwercke, der er pfliget, einen Meister, der das antwerck kan, der en sol öch nit anders rihten, nüwen das das antwerck angat. " 104 Liber annalium iurium archiepiscopi et ecclesie Treuirensis von 1220, VB zur Geschichte der jetzt die Preussischen Regierungsbezirke Coblenz und Trier bildenden mittelrheinischen Territorien, S. 391 Cf. (400): "Camerarius est iude)( monetariorum. pellificum. sutorum. fabrorum. et carnificum in omni causa preter eam (causam) sci/icet uiolare pacem. " Zur Gerichtsbarkeit des Kämmerers W. Schäfer, Das Trierische Hw., S. 184. lOS F. Keutgen, Ämter u. Zünfte, S. 95 f.; so schon M. Bär, Zur Geschichte der dt. Hw.sämter, S. 245. VgJ. Jura et institutiones Treverice von 1190, Trier, S. 1 ff. (8): "Item magister sutorum dat sculteto 10 sol. pro quodam regimine in suos subditos ... Item magister textorum dat 4 sol., ... item carnifices ... dant sculteto 7 sol. " 106
J. Bärmann, Die Städtegründungen Heinrichs des Löwen, S. 246 f.
107 Zu den Glasern und Pergamentmachern vgJ. Liber annalium iurium archiepiscopi et ecclesie
Treuirensis von 1220, VB zur Geschichte der jetzt die Preussischen Regierungsbezirke Coblenz und Trier bildenden mittelrheinischen Territorien, S. 391 ff. (400): "Camerarius est magister ommium ... glashuuen. pereminthuuere. " Zur Abgrenzung vgJ. neben dem "magister sutorum" in den jura et institutiones Treverice von 1190, o.Anm.105, noch "magistrum camificum" im Liber annalium, J.c., der allerdings vom Schultheissen eingesetzt wird.
108 VgJ. Liber annalium iurium archiepiscopi et ecclesie Treuirensis von 1220, VB zur Geschichte der jetzt die Preussischen Regierungsbezirke Coblenz und Trier bildenden mittelrheinischen Terri-
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Kap. 2: Das Gewerbe der Zunftzeit
men, daß ihnen als Gesamtheit die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben zugewiesen wurde und für diese Privilegierung mit stadtherrlichen Rechten die Abgaben an den Schultheissen zu leisten waren. Die Erläuterung "pro quodam regimine in suos subditos" kann durchaus auf den "magister sutorum" bezogen werden.1 09
S. Die Zunft als Instanz der administrativen Dezentralisation
Die neuere Forschung zieht aus den Einwänden gegen die dargestellten Lehren den Schluß, daß das Problem der Zunftentstehung monokausal nicht zu bewältigen sei, weshalb die Lösung in einer multikausalen Zusammenschau aller Ansätze gesucht wird. 110 Richtig daran ist, daß die Entstehungsbedingungen der Zunft lokal und temporal durchaus verschieden waren. Nichtsdestoweniger bleibt es möglich, die rechtliche Struktur der Zunft auf ein einheitliches genetisches Deutungsmuster zurückzuführen. Ausgangspunkt ist die Erkenntnis W. Ebels, daß der Umstand, für den Betrieb eines Gewerbes in der Stadt als ständigem Markt einer stadtherrlichen Erlaubnis zu bedürfen, die Entstehung der Zunft bestimmt. ll1 Eine vorzünftische Gewerbefreiheit, die durch städtische Statuten gegen die Zünfte zu schützen war112 oder als Prinzip der Reichen gegen die Zunft als Schutz der Kleingewerbetreibenden stand 113, existierte nicht. ma Allerdings war eine grundlegende Wandlung im Verständnis des Rechts erforderlich, um die vom Inhaber des Marktregals verliehene individuelle Zulassung zum Markt zur korporativen Regelung des Gewerberechts durch die Zunft zu entwickeln.
torien, S. 391ff. (401): "Glashuuere ... a mandato camerarii ... Pereminthuuere ... a precepto camerarii". 109
Vgl. o. Kap. 2 Anm. 105.
110 W. Becht, Die Entwicklung der alten Zunft, S.19; S. Fröhlich, Die Soziale Sicherung bei Zünften u. Gesellenverbänden, S. 19; R. Luther, Gab es eine Zunftdemokratie?, S. 21; F. Klinker, Das Zunftwesen der ma.en Städte, S.17; H. Kninler, Soziale Organisationsformen im vorindustriellen Gew., S. 31; K. Obst, Der Wandel in den Bezeichnungen, S. 114; H. Uhl, Hw. u. Zünfte, S.127. 111 W. Ebel, Über den Leihegedanken in der dt. Rechtsgeschichte, S.21; ihm folgend K. Kroeschell, Amt, Sp. 152, vgl. schon R. Beck, Das GlaserGew. im MA., S. 21; J. Höhler, Die Anfange des Hw.s in Lübeck, S.155.
112 So G. Droege, Die Stellung der Städte, S. 181; vgl. auch E. Mummenhoff, Der Hw.er in der dt. Vergangenheit, S. 22. 113 113.
So L. Brentano, Die Gew.freiheit im MA, S. 267 f. A.A. R. Ehrenberg, Gew.freiheit u. Zunftzwang, S. 6.
1. Die Entstehung der Zunft
33
a) Die Mobilisierung des Rechts und die Entstehung der Stadtverfassung
Das zumindest in der karolingischen Epoche zu einem königlichen Hoheitsrecht institutionalisierte Marktregal wandelte sich im Hochmittelalter weitgehend zu einer Gerechtigkeit der lokalen Herrschaft114, welche sich idealiter im Lehenswege aus dem königlichen Regal ableitcte. llS Die statutarischen Willküren der am Markt lokalisierten Kaufmannssiedlung wurden durch die Ausgrenzung des Marktes aus dem Landrecht als besonderer Friedensbezirk kraft Königsbannes territorialisiert. 116 Eine Rechtswerdung der Willküren war damit allerdings nicht verbunden, so daß eine Heranziehung des Urteilfinderkollegiums der fränkischen Gerichtsverfassung für die Bildung der späteren Stadtgemeinde ausscheiden muß.ll7 Das frühmittelalterliche Recht ist rational-abstrakt nicht existent, sondern greifbar nur im Glauben an seine Wirklichkeit 118 Es ist - um mit Fritz Kern zu sprechen - gutes altes Recht, das sich einer autoritativen Änderung entzieht. 119 Konkret faßbar wird es nur im gerichtlichen Verfahren, im Konsens der Rechtsgenossen über das zu findende Urteil. 120 Die zweite judiziable Rechtsquelle, das herrscherliche Privileg l2l, setzt ebenfalls beim Einzelvorgang an; obschon es gleichzeitig das allgemeine Gebot enthält, den geschaffenen Zustand zu beachten, nimmt es selbst bei einer Verweisung in ParalleWillen nicht den Charakter einer abstrakten Planmäßigkeit an. 122 Da der Vergabe von Privilegien das für das Recht sonst konstitutive Merkmal des Alters abgeht, muß in einer vom Leihegedanken als allgemeinem Ausdruck des Phänomens
114
R. Sprandel, Markt, Sp.325.
l1S
W. Ebel, Über den Leihegedanken in der dt. Rechtsgeschichte, S. 23.
E. Ennen, Markt u. Stadt, Sp.333; O. Feger, Auf dem Weg vom Markt zur Stadt, S.9, 28 f.; O. Gönnenwein, Marktrecht .u. Städtewesen, S. 357 ff.; W. Schlesinger, Der Markt als Frühform der dt. Stadt, S. 277 ff. Als Vorläufer dieses Ansatzes darf M. Bär, Zur Entstehung der dt. Stadtgemeinde, S. 15 f., gewertet werden. Zum Ganzen G. Dilcher, Marktrecht u. Kaufmannsrecht, S. 406 ff. Vgl. auch K Friedland, Kaufmannschaft u. Bürgerkorporationen, S. 79. 116
117 G. Dilcher, Rechtshistorische Aspekte des Stadtbegriffs, S. 30. AA. E. Ennen, Frühgeschichte der europäischen Stadt, S. 20 ff.; M. Mitterauer, Von der antiken zur ma.en Stadt, S. 65 ff. 118 H. Hattenhauer, Zur Autorität des germanisch-ma.en Rechtes, S. 273; kritisch G. K Schmelzeisen, Zum frühen Gewohnheitsrecht, S. 314. 119 F. Kern, Recht u. Verfassung im MA, S.3 ff.; so auch G. Wolf, Kaiser Friedrich 11. u. das Recht, S. 328 f. 120 K KroescheU, Recht u. Rechtsbegriff, S.322 Anm.135; ders., "Rechtsfmdung" , S. 512; J. Weitzel, Über Oberhöfe, Recht u. Rechtszug, S. 23 f. 121
Vgl. J. Weitzel, Dinggenossenschaft u. Recht 2, S.1473.
122 H. Krause, Königtum u. RechtsO., S. 13 ff.; zur Motivierung der Schaffung neuen Rechts vgl. R. Sprandei, Über das Problem neuen Rechts, S. 121 ff.
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Kap. 2: Das Gewerbe der Zunftzeit
des Lehenswesens im engeren Sinne dominierten Ordnung 123 das verliehene Recht beim Tod des Privilegierenden von dessen Nachfolger bestätigt werden124; die Assoziationen zum lebnsrechtlichen Herrenfall sind evident1 25• Im Gegensatz dazu ist die Willkür der gewerblichen Siedlung kein Recht, sondern eidlich begründetes, auf den Fall des Willkürbruches bedingtes Selbsturteil. 126 Die topographische Osmose von der nach Recht lebenden Burg und der nach der Willkür lebenden Handelssiedlung zur Stadt mit einer territorialbezogenen Ordnung vermochte diese verfassungsimmanente Antinomie nicht ohne weiteres zu überwinden. 127 Dazu war es notwendig, das nur individuell konkretisierbare, statische Recht der sich in der abstrakt erfahrbaren Geltung für alle VerwiIlkürenden und der Veränderbarkeit manifestierenden Mobilität der Willkür128 anzunähern. Das 12. Jh. brachte den Umschwung. 129 Im Zuge des Investiturstreits geriet das Gewohnheitsrecht in eine Krise. 130 Gestützt auf die Renaissance der ratio in der im 12. Jh. einsetzenden Verwissenschaftlichung wurde das Modell der Teilung zwischen ius naturale und ius positivum entwickelt, kulminierend in Thomas von Aquins Mobilisierung jeder menschlichen Satzung. 131 Dem Papst und mit der Erneuerung des gelehrten Rechts dem König, wenig später auch weiteren Mächten, wurde die Kompetenz zur Setzung neuen
123 So w. Ebel, Über den Leihegedanken in der d!. Rechtsgeschichte, S. 35. Zum Lehenswesen im engeren Sinne vgl. die sich zeitlich ergänzenden Darstellungen von H. Mitteis, Lehnrecht u. Staatsgewalt, pass., und K. -F. Krieger, Die Lehnshoheit der dt. Könige, pass. 124
H. Krause, Königtum u. RechtsO., S. 76 ff.
125
H. Krause, Dauer u. Vergänglichkeit, S. 225 f.
126 W. Ebel, Geschichte der Gesetzgebung, S. 21; ders, Die Willkür, S.60; R Grawert, Historische Entwicklungslinien des neuzeitlichen Gesetzesrechts, S. 4. Vgl. in diesem Zusammenhang zur Problematik des Begriffs "Kaufmannsrecht" K. Kroeschell, Bemerkungen zum "Kaufmannsrecht", S. 418 ff. 127 W. Schlesinger, Über mitteleuropäische Städtelandschaften, S.36. Der von dems., Burg u. Stadt, S. 100, aus der Bemerkung Notkers des Deutschen lib.II c.13 (S.78): "Negotiale ist ter strit. ter umbe daz keuuoneheite geskihet. also ehoufllute stritent. ttiz ter eMu! sule uuesen state. der ze iar-mereate getan uulrdet. er s; reht. aide unreht. uuanda iz iro geuuoneheite ist. Iuriditiale kabet tannan namen. dannan ouh iuridiei heizent. Also die ze romo iuridiei hiezen. die daz purg-reht in dInge sage,ön. also heizet ter dannan uuorteno strit. iuriditialis.", abgeleitete Charakter des Burgals einer Frühform des Stadtrechts kann nach den - im Ergebnis allerdings voneinander abweichenden - Forschungen G. Köblers, Zur Entstehung des ma.en Stadtrechtes, S.197 f.; ders., Stadtrecht u. Bürgereinung, S. 67 ff., und R Laudas, Kaufmännische Gewohnheit u. Burgrecht, S. 158 Cf., 175 ff., wohl nicht mehr aufrechterhalten werden. 128
Vgl. W. Ebel, Über die rechtsschöpferische Leistung des ma.en dt. Bürgertums, S. 242 f.
129
Umfassend zu dieser Epoche K. Bosl, Europa im Aufbruch, S. 19 ff.
130
Re. v. Caenegem, Das Recht im MA, S. 622 f.; R Winterswyl, Das neue Recht, S. 66 f.
131
H.M. Klinkenberg, Die Theorie der Veränderbarkeit des Rechtes, S. 183 ff.
I. Die Entstehung der Zunft
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Rechts zuerkannt. 132 Erleichert wurde die Umsetzung der neuen Lehren dadurch, daß sich auch das tradierte Recht durch die Heraushebung eines besonderen Schöffenturns und die privaten Aufzeichnungen des Rechts in Regelform abstrahierte. 133 Ein unmittelbarer Einfluß des Investiturstreits auf die Entwicklung der Stadt und ihrer Verfassung ist zwar nicht festzustellen. 134 Jedoch dürfte es nicht zu weit gehen, aus einer Stärkung des bürgerlichen Selbstbewußtseins13s die zeitliche Konvergenz mit dem Abschluß der Entwicklung der Stadtverfassung in der bürgerlichen coniuratio 136 zu erklären. Denn die coniuratio ist nicht aus einem Kampf der Stadtbevölkerung gegen den Stadtherrn erwachsen137, sondern entspringt dem gewandelten Rechtsverständnis und ist Wurzel des neuen objektiven Rechts. 138 Als solche kann sie kein einmaliger Vorgang bleiben, der städtische Friede bedarf der ständigen Sicherung. Der zur Durchführung der in der coniuratio bestimmten Gemeinaufgaben gewählte Rat bindet sich zu ihrer treulichen Erfüllung eidlich gegenüber der Bürgerversammlung. 139 Das leiherechtliche Prinzip wird hier wechselseitig durchgeführt: In Korrelation zum Eid des mit der politischen Gewalt belehnten Rates hat die Bürgerschaft bei jedem Wechsel des Rates die personale Grundlage der Ratsund Stadtverfassung, die städtische Willkür, zu beschwören und sich eidlich der Satzungs- und - je nach Ausgestaltung der Stadtverfassung - auch der Gebotsgewalt des Rates zu unterwerfen.140 Es erscheint vertretbar, in der coniuratio reiterata in Analogie zum Einzelbürgereid eine ständig wiederholte
132 Vgl. F. Ebel, Über Legaldefinitonen, S. 27 ff.; S. Gagner, Studien zur Ideengeschichte der Ge.setzgebung, S. 288 ff.; A. Wolf, Gesetzgebung u. Kodiftkationen, S. 153 ff.,160 ff.; zum Papsttum H. Fuhrmann, Das Reformpapsttum, S. 175 ff.; zur ambivalenten Haltung Kaiser Friedrich H. vgl. G. Wolf, Kaiser Friedrich H. u. das Recht, S. 340. 133
J. Weitzel, Über Oberhöfe, Recht u. Rechtszug, S. 25 f.
134 H. Büttner, Die Bischofsstädte von Basel bis Mainz, S. 351 ff.; H.Keller, Pataria u. Stadtverfassung, S. 321 ff.; a.A. R. Sprandei, Verfassung u. Gesellschaft im MA, S.ll5. 13S U. Lewald, Köln im Investiturstreit, S. 389 ff.; H. Maurer, Die Konstanzer Bürgerschaft, S.371. 136 E. Ennen, Frühgeschichte der europäischen Stadt, S. 208 ff.; W. Schlesinger, Städtische Frühformen zwischen Rhein u. Eibe, S.348. Dagegen begreift G. Dilcher, Rechtshistorische Aspekte des Stadtbegriffs, S. 21, im Anschluß an Planitz, o. Anm.73, die coniuratio nicht als Abschluß, sondern als Anfang der Stadtgemeindebildung. 137 So aber G. Dilcher, Conjuratio, Sp.632, im Anschluß an Planitz, o. Anm.73; dagegen W. Ebel, Der Bürgereid, S. 11. 138
K. Kroeschell, Recht u. Rechtsbegriff, S. 333.
Auf die Entstehung der Ratsverfassung kann hier nicht eingegangen werden; vgl. zusammenfassend H. Rabe, Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, S.19 ff.; K.-P. Schroeder, Rat, Ratsgerichtsbarkeit, Sp.156 ff.; dens., Ratsherr, Sp.168ff.; dens., Ratsverfassung, Sp. 171 ff. 139
140
W. Ebel, Der Bürgereid, S. 15 ff.
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Kap. 2: Das Gewerbe der Zunftzeit
Verleihung des Bürgerrechts zu vennuten. 141 War das Bürgerrecht an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, etwa den Besitz städtischer Grundstücke, so wurden die jene nicht erfüllenden Einwohner der Stadt durch einen besonderen SeIdenereid der coniuratio angeschlossen, ohne der politischen Bürgerrechte teilhaftig zu werden. 142 Die Bindung durch Verwillkürung ist zwar keine Errungenschaft der Stadt, sondern f"mdet sich bereits bei den frühmittelalterlichen Gilden. 143 Jedoch machte es der im 12. Jh. gewandelte Rechtsbegriff möglich, die Willkür über ihre friedensstabilisierende Funktion hinaus zur bewußten Gestaltung zu instrumentalisieren. Der Stadtherr überwand die starr gefügte Ordnung und Gerichtsverfassung des tradierten Rechts. Durch die stadtherrliche Bestätigung werden die städtischen Willküren in die Masse des lokalen Rechts eingefügt. 144 Der Bürgerschaft wird das Privileg verliehen, daß ihre ursprünglich als Ausgrenzung aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit konzipierten Willküren14S auch im originär nach Landrecht urteilenden stadtherrlichen Gericht Berücksichtigung finden. 146 Nicht eine vom Stadtherm auf die Bürgerschaft delegierte Gesetzgebungsgewalt, sondern allein der Aspekt einer Erweiterung der Rechtsfmdungsgrundlage war mithin für die Bestätigung der Willküren entscheidend. 147 Verbunden war damit nahezu regelmäßig eine Änderung der Gerichtsverfassung; sofern nicht der Rat selbst die Stadtgerichtsbarkeit erwarb 148, 141 Zur Verleihung des Bürgerrechts vgl. W. Ebel, Der Bürgereid, S.61; Überlinger Stadtrecht zweite Hälfte 13.Jh. bis 15. Jh. § 53, Überlingen, S. 1 ff.: "wenn man burgrecht licht"; Das rote Buch der Stadt Ulm Art. 276: •... Ilber ain komm waren von da burgerrechtz wegen z~ verlihen". Aus diesem Verständnis des Bürgerrechts als Lehen erklärt sich die von A. Erler, Bürgerrecht u. Steuerpflicht, S.17, festgestellte Einheit von Rechten und Pflichten des Bürgers. Zu den Lehnspflichten vgl. K.-H. Spieß, Lehnspflichten, Sp. 1722 ff. 142
W. Ebel, Der Bürgereid, S. 77 ff.
143
Vgl. o. Kap. 2 I 2a.
W. Ebel, Geschichte der Gesetzgebung, S. 54; ders., Die Willkür, S. 64; H. Patze, Stadtgründung u. Stadtrecht, S. 193. 144 14S
W. Ebel, Die Willkür, S. 56 ff.
146
W. Ebel, Der Bürgereid, S. 71; ders., Geschichte der Gesetzgebung, S. 40.
W. Ebel, Die Willkür, S. 48 ff. Nur insoweit ist K. Hegel, Zur Geschichte der Städteverfassung, S.7, zuzustimmen, wenn er als das für die Ausbildung der Stadtverfassung wichtigste Verhältnis die Immunität von den öffentlichen Gerichten nennt. 147
148 K.-P. Schroeder, Rat, Ratsgerichtsbarkeit, Sp.159 f.; für Celle Figge, Altes Recht in Celle, S. 30; für Duderstadt und Einbeck M.C. Lockert, Die niedersächsischen Stadtrechte, S. 44, 50. Für Magdeburg G. Schubart-Fikentscher, Die Verbreitung der dt. Stadtrechte in Osteuropa, S.70; unrichtig R. Schranil, Stadtverfassung nach Magdeburger Recht, S.220, der den Rechtsbegriff der Magdeburger Schöppen in ihrer Oberhoftätigkeit falsch wertet, vgl. J. Weitzel, Zum Rechtsbegriff der Magdeburger Schöffen, S. 75, weiterhin E. Ebel, Statutum u. ius fori, S. 132 ff. In Breslau gelang es dem Rat trotz des Erwerbs der Erbvogtei nicht, dem gehegten Ding des Stadtgerichts das streitentscheidende Verfahren zu entziehen, T. Goerlitz, Verfassung, Verwaltung u. Recht der Stadt Breslau, S. 90.
I. Die Entstehung der Zunft
37
wurde sie häufig bei einem stadtherrlichen Beamten konzentriert. 149 Der Grundgedanke der Leihe machte zum einen eine Wiederholung der Privilegierung bei einem Wechsel in der Person des Stadtherrn notwendigl~, zum anderen verpflichtete er die Bürgerschaft zur Treue gegenüber dem Privilegierenden. 1S1 Ohne eine stadtherrliche Beleihung allein aus der Dynamik der eidlichen Willkür geschaffene Institutionen entsprachen nicht dem leiherechtlichen Verständnis der Zeit, wie das reichsgesetzliche Einschreiten zeigt 152
b) Die Verleihung der Gewerbegerechtigkeit an die Zunft
Das gewandelte Rechtsverständnis bot die Möglichkeit, im gleichen Interesse von Privilegierendem und Privilegiertem Verwaltungsaufgaben zu übertragen. 1S3 Die Entstehung der Zunft erweist sich als Modemisierungsstrategie der administrativen Dezentralisation, deren Stand im Rahmen der Entwicklung der Stadtverfassung gleichzeitig die Person des Privilegierenden bestimmt. Die genetisch älteste Form ist das Verbleiben der Gewerberechtsverleihung beim Stadtherrn. ls4 Mit der zunehmenden Autonomisierung der Stadtgemeinde 149
Vgl. H. Rabe, Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, S. 208 ff.
In Hildesheim bestätigte der neugewählte Bischof Siegfried H. am 6. Jan. 1281 das gewillkürte Stadtrecht von ca. 1249, UB Stadt Hildesheim Nr. 372. 150
151
W. Ebel, Der Bürgereid, S. 71.
Vgl. nur das Edikt Friedrichs H. von Dez. 1231 - Mai 1232, MGH Legvm sect. IV 2 Nr. 156 (S.193): "hac nostra edictali sancio_ revocamus in irritum d cassamus in omni civitate vel oppido Alamannie comunia, consilia, magistros civium seu rectores vel alios quoslibet officiales, qui ab universitate civium si_ archiepiscoporum vel episcoporum be_placito statuuntur, quocumque per diversitatem locorum nomine censeantur.· Ein markantes Beispiel, in dem sich die Bürgerschaft über die Grenzen des vom Stadtherrn verliehenen Rechts hinwegsetzte, bietet Breslau. Die 1261 ergangene Rechtsbelehrung der Magdeburger Schöppen, Urkundensammlung zur Geschichte des Ursprungs der Städte '" in Schlesien Nr. 56, wurde am 16. Dez. desselben Jahres von den Herzögen Heinrich III. und Wladislaus zum Gebrauch in Breslau bestätigt, I.c. Nr57. Nichtsdestoweniger fügten die Breslauer der Rechtsweisung eigene Zusätze hinzu, die erst 1283 von Herzog Heinrich IV. der Stadt bestätigt wurden, Das alte magdeburgische u. hallische Recht, S. 250 ff. 152
153 P. Badura, Das Verwaltungsmonopol, S.46; G.K. Schmeizeisen, Objektives u. subjektives Recht, S. 112; ders., Wirtschaftsrecht im 16. bis 18. Jh., S. 9 f.; H. Thieme, Die Funktion der Regalien, S. 66. In Augsburg etwa boten die Finanzerfordernisse des bischöflichen Stadtherrn das Motiv für die Übertragung von Aufgaben der Stadtverwaltung auf die Bürgerschaft, U. Lindgren, Stadtrecht als Ursache u. Wirkung der Verwaltung, S.152. 154 Vgl. nur das Privileg Landgraf Heinrichs H. vom 23. Juni 1347 für die Wollenweber zu Eschwege, Q.Rechtsgeschichte Stadt Eschwege Nr. 61 (S. 65): "Nos Heinricus Dei gratia lantgravius terre Hassiae ... in hiis scriptis manifeste recognoscimus ..., quod iidem lanifices seu textores pannos laneos facientes inter se fraternitatem seu unionem dictam ei_ innunge tenere et habere debebunt cum omnibus et singulis suis punctis d articulis, quemadmodum lanifices opidani nostri in Cassell eam hactenus habere consueverunt."j Zunftbrief Landgraf Ludwigs I. vom 12. Mai 1446 für die Schumacher und Lohgerber zu Eschwege, I.c. Nr. 191 (S. 186): "Wir Ludwig von Gois gna-
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Kap.2: Das Gewerbe der Zunftzeit
konnte die stadtherrlich privilegierte städtische Verwillkürung zu einer weitergehenden Übertragung des Gewerberechts auf die Bürgerschaft genutzt werden. 155 Dies konnte in sehr unterschiedlichem Umfang geschehen: In Magdeburg privilegierte der Erzbischof die bis 1330 als einzige Zünfte am Rat beteiligten fünf großen Innungen der Gewandschneider, der Schuster und entsprechend wohl auch der Krämer, Leinwandschneider, Kürschner und Gerber. 156 Gleiches galt für die gemeinen Innungen, die 1330 den Zugang zum Rat erkämpften.1 57 Für sie sind stadtherrliche Privilegierungen der Schildmacher, der Bäcker und Brauer sowie der Tuchmacher überliefert. 158 Die von H.K. Schulze als Beginn einer Gewerberechtskompetenz des Magdeburger Rates mißdeutete Bestätigung der Innung der Schwerdtfeger durch den Rat1 59 erweist sich als Sonderfall einer 1330 nicht einmal den gemeinen Innungen zugerechneten untergeordneten Zunft, die wegen ihrer mangelnden Bedeutung nicht der zentralen Privilegierung und damit Kontrolle durch den Stadtherrn bedurfte.I/iO Strukturell vergleichbar, wenn auch quantitativ umgekehrt stellen sich die Verhältnisse in Stendal dar. Wegen ihrer überragenden Bedeutung in der Stadt wurde die Gewandschneidergilde von den brandenburgischen Markgrafen pri-
den landgrave zu Heßen bekennen ..., das wir ... den schuchwarten und lobern gemeinlich zu Eschwege eine bruderschaft und inung gegeben han"j Privileg Bischof Konrads für die Krämerinnung in Halberstadt von 1206, Q.Gew.geschichte Halberstadt u. Quedlinburg 11 (S. 208); Privileg Bischof Friedrichs für die Bäckerinnung in Halberstadt von 1230, I.c. Nr. 4 (S. 209); Zunftbrief des Landgrafen für die Bäcker in Kassel vom 19. Dez. 1324, B. Jacob, Die Zünfte in Kassel, S. 33; die Bestätigung der Schuhmacherinnung zu Würzburg durch Bischof Embricho von 1128, Urkunden zur städtischen Verfassungsgeschichte Nr.254: "Embricho dei gratia Wirzenburgensis episcopus. Noverit omnes homines tam presentes quam post futuri Christi jidelis, qua liter nostre civitatis sutores ad nostram venerint presenciam jura quedam ab antecessoribus nostris sibi antiquitus tradita et collata exponentes et eadem quorundam judicum cupiditate immutata esse proclamantes. "j dagegen wurden die Würzburger Tuchscherer am 10. Juli 1157 von Kaiser Friedrich I. privilegiert, e.G. Scharold, Beitrag zur Geschichte des dt. Zunftwesens, S. 162 ff. In Fulda verblieb die Privilegierung beim Fürstabt, J. Hohmann, Das Zunftwesen der Stadt Fuida, S. 20. Die angeführten Quellen zeigen, daß die Zünfte nicht erst im 14. Jh. entstanden, wie P.v. Hedemann-Heespen, Ein Gang durch das Gew. unserer Vergangenheit, S. 20, annimmt. 155 G. Dilcher, Zum Bürgerbegriff im späteren MA, S. 87, spricht in diesem Zusammenhang von der Bürgerschaft als einem privilegierten, sich selbst Recht setzenden Wirtschaftsverband. 156
UB Stadt Magdeburg Nr. 55 (Gewandschneider) und Nr. 62 (Schuster).
157 Vgl. die Aufzählung dieser Innungen in der Willkür über die Einsetzung des neuen Rates der Stadt Magdeburg vom 8. Mai 1330, UB Stadt Magdeburg Nr. 334 (S. 200). 158 UB Stadt Magdeburg Nr.65 (Schildrnacher), Nr.335 (Bäcker und Brauer) und Nr.344 (Tuchmacher). 159
UB Stadt Magdeburg Nr.107; vgl. H.K. Schulze, Kaufmannsgilde u. Stadtentstehung, S. 406.
Vgl. zur Rechtsetzung des Erzbischofs in Gewerbesachen auch E. lIgenstein, Handels- und Gew.geschichte der Stadt Magdeburg 1, S. 60, und 2, S. 71. 160
1. Die Entstehung der Zunft
39
vilegiert. 161 Sämtlichen anderen Zünften wurden ihre Innungsartikel vom Rat verliehen.1 62 Für Halle ist die Beurteilung unsicherer. Noch 1276 vergab allein der Stadtherr die "licencia operandi" der Innungen. 163 Bis zum Jahre 1310 errichtete dann die Bürgerschaft offenbar Innungen, ohne daß ihr diese Kompetenz vom Stadtherrn verliehen worden wäre. 164 Möglicherweise wurden nach dem Vergleich von 1310 nur noch die sechs großen Innungen, deren Innungsmeister am Stadtregiment beteiligt waren 165, vom Stadtherrn selbst privilegiert. 166 Denn die zu dieser Zeit nicht zu den großen Innungen zählende Futtererinnung wurde wenig später vom Rat bestätigt167 Doch läßt sich diese These nicht verifizieren, denn für die Zeit nach dem Jahre 1327, in welchem die Futterer erstmals anstelle der Leineweber als eine der großen Innungen auftreten 168, sind keine Innungsprivilegien mehr überliefert Den Besonderheiten der braunschweigischen Verfassungsentwicklung entspringt die wechselnde Privilegierung der Zünfte durch Herzog und Rat. In der Altstadt lag die Verleihung des Gewerberechts bereits im Jahre 1231 beim Rat. 169 Wie das Privileg Herzog Alberts für die Lakenmacher im Hagen vom 16. Okt. 1268170 erweist, wurde dort jedenfalls vor dem Zusammenschluß des 161 C.d. Brandenburgensis I 15 Nr. 8; zur Bedeutung der Gewandschneidergilde E. Kurbach, Das Prenzlauer Hw., S.89; H.K. Schulze, Kaufmannsgilde u. Stadtentstehung, S.412; zur einflußreicheren Stellung der Gewandschneidergilden im Norden im Vergleich zum Süden Deutschlands M. Stoeven, Der Gewandschnitt in den dt. Städten, S. 34 ff. 162 C.d. Brandenburgensis I 15 Nr.9 (Tuchmacher), Nr.14 (Weber), Nr. 60 (Krämer). Nr.76 (Kürschner), Nr. 121 (Fleischer), Nr. 172 (Kürschner und Schneider). 163 Bestimmungen Erzbischofs Konrad I1. von Magdeburg für Halle vom 23. Jan. 1276, UB Stadt Halle 1 Nr. 353 (S. 325.): "item qui antea de corpore, innunghe dicto, eorum, qui in valle operantur et negociantur, non fuerit, si in hoc corpore seu consorcio comprehendi et connumerari voluerit, pro licencia operandi seu negociandi in valle comiti solidos duos dabit". 164 Vergleich zwischen Erzbischof Burkhard III. von Magdeburg und der Stadt Halle vom 24. Juni 1310, UB Stadt Halle 2 Nr. 515 (S. 48): "We Burchart von der gnade ghotes erczebischop ... schüldigeten unse lieben bürgere von Halle ... ümme inninghe, dy sy gegebin hetten; unde ümme ander unse recht, des sy sich underwunden hetten". 165 So wurden in dem Bundesvertrag zwischen Magdeburg und Halberstadt vom 16. Nov. 1315, UB Stadt Halle 2 Nr. 550 (S.88), die "radmanne unde meystern der ynnungen to Halle" zu Schiedsrichtern gekoren. 166 Statuten der sechs alten hallischen Innungen vor 1315, UB Stadt Halle 2 Nr. 547 (S. 80): "Der bischoffvonMagdeburg ..., do erloubitten wir den von Halle sechß innungen". Zu den sechs großen Innungen E. Schwetschke, Zur Gew.geschichte der Stadt Halle, S. 2 f. 167
Privileg vom 20. Dez. BIS, UB Stadt Halle 2 Nr. 551.
168
UB Stadt Halle 2 Nr. 621.
169
Innungsbrief der Goldschmiede, UB Stadt Braunschweig 1 Nr. 3.
170
UB Stadt Braunschweig 1 Nr. 7.
4 Ziekow
40
Kap.2: Das Gewerbe der Zunftzeit
Hagens mit Alt- und Neustadt zum Gemeinen Rat im Jahre 1269 171 die Gewerbegerechtigkeit vom Stadtherrn vergeben. Die unmittelbare Privilegierung der Lakenmacher und Schmiede durch Herzog Heinrich im Jahre 1293 sowie der Schuhmacher und Lohgerber 1309172 dürfte Folge des Bundes zwischen den Gilden und Herzog Heinrich gegen dessen Bruder Albrecht II. und den Rat der Stadt Braunschweig173 sein. Seit 1325 fmden sich dann nur noch Verleihungen durch den Rat174, dem die Zunfterrichtung in den Stadtrechtsaufzeichnungen ab 1340 regelmäßig vorbehalten wird. m Die Beispiele, in denen insbesondere die die Versorgung der Grundbedürfnisse leistenden sog. Viergewerke der Innungen der Fleischer, Bäcker, Schuster und Schneider wegen ihres Strebens nach Mitsprache im städtischen Rat vom Stadtherrn privilegiert wurden 176, ließen sich vermehren. Abschließend sei dafür noch Hildesheim erwähnt, wo die Schuster und Gerber, Knochenhauer, Bäcker und Leineweber dem Bischof, dagegen die Wollweber, Gewandschneider, Krämer, Schneider, Schmiede, Kürschner und Hutrnacher dem Rat unterstanden. 177 Die letzte Stufung des Dezentralisationsverhältnisses war es, wenn der Stadtherr die Gewerbegerechtigkeit und damit die Zunfterrichtung vollständig der Stadt übertragen hatte. 178 Dann ergab sich ein zweigliedriger Privilegie171 Einigung zwischen Altstadt, Hagen und Neustadt vom 18. Nov. 1269, UB Stadt Braunschweig 1 Nr. 8; dazu M.R.W. Garzmann, Stadtherr u. Gemeinde in Braunschweig, S. 105 Cf.
172 UB Stadt Braunschweig 1 Nr. 10 (Lakenmacher), Nr. 12 (Schmiede) und Nr.20 (Schuhmacher und Lohgerber). 173
Dazu M.R.W. Garzmann, Stadtherr u. Gemeinde in Braunschweig, S. 243.
174 Schneider am 3. Juli 1325, UB Stadt Braunschweig 3 Nr.141; Beckenwerker 1325, I.c3 Nr.144; Leineweber am 12. Jan. 1330, I.c.3 Nr. 2f?{/. Auch M. Stalmann, Beiträge zur Geschichte der Gew. in Braunschweig, S.342 Cf., geht von einer Privilegierung zunächst durch den Stadtherrn und später ausschließlich den Rat aus. 175 Rechtsbescheide Braunschweigs für Einbeck 1340 Art.155, UB Stadt Braunschweig 4, Anh.: Supplemente zum Stadtrechte Nr. 2: "Nene gilden mach man ... ane des rade willen ... setteIL "; Stadtrecht um 1350 Art. 25, I.c.4, dto. Nr. 3: "Men mach nene ghilde selten ... ane des rades willen."; Stadtrecht Anfang 15. Jh. Art. 199, I.c.1 Nr. 61: "Nement mach neyne gylde selten ... ane des rades willeIL • 176 Vgl. H. Helbig, Gesellschaft u. Wirtschaft der Mark Brandenburg, S. 25. Zur Beteiligung der Bäcker, Fleischer, Tuchmacher und Schuhmacher am Stadtregiment in Guben vgl. M. Krause, Aus der Geschichte des Gubener BäckerHw.s, S. 40, und in Prenzlau vgl. H. Tegge, Das Prenzlauer Zunftwesen, S. 153. 177
W. Tuckermann, Das Gew. der Stadt Hildesheim, S.I09 ff., 122 ff.
178 Privileg Herzog Wilhelms für Kindberg vom 22. Jan. 1398, Schriftdenkmäler des steirischen Gew.s Nr. 38: "Wir Wilhalm von Gotes Gnaden Herczog ze Österreich ... bt:kennen, daz wir unsern getrewn N. dem Richter, N. dem Rat und N. den Burgern gemainclich ze Chumberg die Gnad getan haben ... daz auch daselbs ze Chinberg nyemand ... kiJinerlay ... Geberb treyben noch arbaiten sol
I. Die Entstehung der Zunft
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rungszusammenhang, in weIchem der Rat wie in Berlin, Hamburg, Krakau oder Lübeck die Zünfte bestätigtel79 und selbst die Gewerbegerechtigkeit vom Stadtherrn empfangen hatte. l80 Das entscheidende Merkmal der Dezentralisation ist es, daß die Gewerbegerechtigkeit korporativ verliehen wird. 181 Die Rechtsfigur des Privilegs ermöglichte es, der Gesamtheit der jeweiligen Gewerbetreibenden die selbständige Regelung des Gewerbewesens zu überlassen. Die Zunft empfing die Gewerbegerechtigkeit als Lehenl82 und gab sie als Lehen an die einzelnen Gewerbetreiin dhainem Weg an iren Gunst und Willen'; Privileg für die Stadt Werden vom 25. Nov. 1371, G. Kranz, Die Gilden u. Aemter der Stadt Werden, Anl. Nr. 4 (S. 24 f.): 'Wy Engelbert, Graf van der Marclc, •.. hebben gegeven ••. unsen lieven Bürgern tho Werden, alsodaine Recht ind Vryheit als '" so moegen sy in der vurs. Stadt 3 Gilden macken". 179 Innungsbrief für die Schuhmacher zu Berlin vom 2. Juni 1284, Historisch-diplomatische Beiträge Geschichte Stadt Berlin 2 Nr. 3: •... quad consules super opus illud sint in plenitudine potestatis"; vgl. die Innungsbriefe der Schuhflicker von 1284, I.c.1 S. 66, der Kürschner vom 22. März 1280, I.c.2 Nr.2, der Schneider vom 10. Apr. 1288, I.c.2 Nr. 4, der Wollweber vom 28. Okt. 1295, I.c.2 Nr.7, und der Bäcker vom 18. Juni 1272, Das Berlinische Stadtbuch, S. 72 f. Alle O.en in Hamburgische ZR. Für Krakau vgl. die O.en der Krämer von 1432, Zunft- u. Verkehrs-O.en Stadt Krakau, S. 23, Kürschner von 1377, I.c. S. 29, Schneider von 1434, I.c. S. 35, Riemer von 1465, I.c. S.39, Goldschmiede, I.c. S. 43, Bogner, I.c. S. 48, Hutmacher, I.c. S52, und Radmacher von 1445, I.c. S. 55. Alle O.en in Lübeckische ZR. 180 Vgl. M. Moeder, Recherehes sur les Origines des Corporations, S. 42 f.; J.v. Zahn, Ueber Materialien zur inneren Geschichte der Zünfte, S. 84 f.; Eisenacher SchuhmacherO. vom 30. März 1432, Stadtrecht Eisenach Nr. 30: "Wir Friderich von gotis gnadin landgraf in Doringen ... habin wir demselben hantwerke der schumecher unser stad zu Isenach ... von nuwens eyne innunge vernuwet und bestetiget, '" (aber es soll) dasselbe handwerk der schumecher fürder yre handwerksmeister habin und bestetigen ... lassin von dem rate zu Isennach". 181 Vgl. G. Dilcher, Die genossenschaftliche Struktur von Gilden u. Zünften, S.101; K. Thieß, Die Blütezeit der Zünfte, S. 5. W. Linnemann, Ma.e Zunftwirtschaft, S .6, charakterisiert die Entstehung der Zunft durchaus zutreffend als "Fortsetzung eines Macht-Delegations-Prozesses", verkennt aber, daß diese Entwicklung nicht auf einer einseitigen Befugnisanmaßung seitens der Zünfte, sondern auf einer Privilegierung beruht. L. Remling, Formen u. Ausmaß gew.er Autonomie, S. 63, leugnet die Existenz eines Delegationsverhältnisses und sieht die ursprünglich unbeschränkte Autonomie der Zünfte durch obrigkeitliche Eingriffsakte überlagert. Die Hammereinigungen sind nicht deshalb keine Zünfte, weil ihre Mitglieder keine Handwerker sind, aA. F.M. Ress, Die Oberpfälzischen Hammereinigungen, S. 43. Auch die in Zünften zusammengeschlossenen, die niedere Chirurgie ausübenden Bader und Barbiere, vgl. Heffner, Ueber die Baderzunft im MA, S. 155 ff.; F. Heinemann, Die Zunft der Barbiere u. Schärer, S. 78 ff.; G. Wagner, Das Gew. der Bader u. Barbiere, pass., sind nach heutigem Verständnis keine Handwerker. Entscheidend dafür, daß die Hammereinigungen keine Zünfte sind, ist vielmehr das Fehlen eines Privilegierungsverhältnisses. Zu den Hammereinigungen vergl. noch D. Schwab, Kartelle im MA, S. 442 ff. 182 H. Hemmen, Die Zünfte der Stadt OIdenburg, S. 213; A. Matz, Die Zünfte der Stadt Elbing, S. 60; C.L. Stock, Die Gewerbsgilden, Innungen u. Hw.svereine, S. 105, 330. Zuerst wohl G. Schönberg, Zur wirthschaftlichen Bedeutung des dt. Zunftwesens, S.17 ff. Die Würdigung W. Müllers, Zur Frage des Ursprungs der ma.en Zünfte, S. 4, Schönberg habe die Zünfte als Reaktion gegen eine Gewerbefreiheit bezeichnet, geht fehl. Zwar spricht Schön berg, I.c., S. 8, im Kontext der Epoche der Zunftentstehung von "Gewerbefreiheit". Jedoch meint er damit die Ausführung der "gewerbliche(n) Arbeit unabhängig von dem Grund und Boden", nicht aber von jeder Gewerbeberechtigung.
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benden weiter 183• Die Gestaltung des Gewerberechts war ihr vom Stadtherrn oder Rat nur in Einheit mit der Pflicht zur geordneten Verwaltung im Interesse des gemeinen Nutzens übertragen l84, der sich insbesondere in der Wahrung der Lübecker Ratsurteil um den 29. März 1461, Lübecker Ratsurteile Nr. 58: 'Na deme der knokenhouwer breff inneholdet, dat de Rad tom Kyle erer stad knokenhouweren alle recht, des de lubesehen knokenhouwer brukende sint, vrig ghegeven hebben, unde nicht inneholdet, dat de lede ere erven wesen scholden, unte wente denne de Rad to Lubeke de knokenhouwer lede binnen erer stad hefft to vorlenende, so schal unde mtlch de Rad tom Kyle de knokenhouwer lede binnen erer stadt vorlenen dergeliken". In Lüneburg wurde der Gewerbetreibende mit dem Gewandschnitt als mit •einem rechten Mannlehn • beliehen, ZU Stadt Lüneburg, S. XXVI ff. 183 H. Wittstock, Aelteres Zunft- u. Gew.wesen in Bistritz, S.18; VerieihungsCormel der Kölner Goldschmiede 24. Juni 1456 -28. Juli 1463, Kölner ZU 2 Nr. 455: "Wir verlenen dir uns amptz geselschaf in alre formen, als wir sij untfangen hain van unsen herren"; O. der Kötner Gewandschneider von 1344 Art. 28, A. Fahne, Die DüsseldorCer Schützen, S. 44 Cf.: H••• so sal man eme de bruderschaf leenen'; Lübecker Ratsurteil vom 24. Apr. 1475, Lübecker Ratsurteile Nr. 169: 'Na dem male dat de ergenante Hartich Holste vorlenet were mid einem knechte to bindende und zin werk to ovende·. 184 J. Brügemann, Das Zunftwesen der Seestadt Wismar, S.175 f.; A. Fournier, Die historische Bedeutung des Zunftwesens, S. 335; O. Gierke, Rechtsgeschichte der dt. Genossenschaft, S. 360 Cf.; G. Hinderschiedt, Die Freiburger ZunftO.en, S. 62; P. John, Hw. im Spannungsfeld, S. 64; U. Kröper, Zunft u. Genossenschaft, S. 42 ff.; W. Merk, Der Gedanke des gemeinen Besten, S. 482 f.; A. Scherlen, Türkheim u. seine Zünfte, S. 234; G. Schönberg, Zur wirthschaftlichen Bedeutung des dt. Zunftwesens, S. 38 ff.; R. WisselI, Des alten Hw.s Recht u. Gewohnheit 1, S. 101. O. der Magdeburger Schildmacher von 1197, UB Stadt Magdeburg Nr.65: "Ex eo status et honor civitatis servatur illesus et in dies accipit incrementum, ut sit respublica ordinata certisque legibus dedita sint et pareant officia singulorum."; der Lübecker Goldschmiede vom 21. Sept. 1371, Lübeckische ZR Nr. 16 (S.221): "Wy radmanne der stadt tho Lubeke hebben dor mener nut vnde vromen willen ... ghesat desse stucke "nde artikeie'; der Frankfurter Metzger von 1355 Art. 3, Frankfurter ZU 1 S.348: •... wan wiszet libin herren und liben [runde, das wir es nicht endun umb unsem nutz, wan wir besorgen eynes gemeynen landes nod'; der Fleischhauer zu Rheine vom 3. Mai 1370, H. Kaiser, Hw. u. Kleinstadt, S. 391: "Wihr Schepenen vnd Rhadt von Rheine, Erkennet vnd betzeuget oppenbahre, dat wy '" hebben gegeven, vnd geven verner nuttig heid, vnd verner betteringe willen des status von Rheine, ... eine Gilde". Die nationalsozialistische Doktrin nutzte die Auseinandersetzung mit den Lehren insbesondere Gierkes, dessen genossenschaftliche Staatstheorie in ihrer dialektischen Logik im Staat des liberalen Konstitutionalismus kulminiert, der in seiner pluralisierenden und demokratisierenden Vergenossenschaftlichung staatsbürgerliche Freiheit und politische Rechtsgleichheit gewährleistet, O. Gierke, Rechtsgeschichte der dt. Genossenschaft, S.646; dazu E.W. Böckenförde, Die dt. verfassungsgeschichtliche Forschung, S. 154 ff.; A. Janssen, Olto von Gierkes Methode, S. 24, zur Fundamentierung der aus der Volksgemeinschaft als oberster konkreter Ordnung wesensnotwendig hervorgehenden kollektivistischen Rechtsungleichheit. Der Volksgenosse sei nicht durch übergeordnete Rechtsbegriffe von anderen Willenssphären abgrenzbar, sondern nur als Teil der selbst das Recht darstellenden konkreten Gemeinschaft "im Recht", R. Höhn, Otto von Gierkes Staatslehre, S. 151 ff. Die Zunft sei nicht durch wirtschaftliche Interessen in freier Einung konstituiert, sondern eine aus der germanischen Frühzeit stammende mythisch-überrationale Gemeinschaft, die sich in der Wahrnehmung des Totenkults auf Leben und Tod verschworen habe und aus der Opferbereitschaft ihrer Mitglieder ihre Dynamik schöpfe, O. Höfler, Das germanische Kontinuitätsproblem, S. 26 ff.; ders., Volkskunde u. politische Geschichte, S.5 ff.; W. Sellmann, Die Geschichte des Essener BäckereiGew.s, S.16; W. Wernet, Soziale Hw.sO., S.43 ff. Die durch den Schwur zur Erhaltung der arteigenen Gemeinschaftskultur Verbundenen seien zu gefügigen Gliedern der bald auch im Blut verbundenen Gemeinschaft geworden und ohne diese bedeutungslos gewesen, G. Fischer, Geschichte des dt. Volkstums, S. 91 ff.; W. Wemet, Soziale Hw.sO., S.39, 42; K. Zeleny, Innungen u. Zünfte, S.164 ff.; für die Gesellenverbände M. Rumpf, Dt. Hw.erleben,
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Rechtsordnung, gleichzeitig aber im materiellen Nutzen der Stadt ausdrückte. 185 Über die Einhaltung der Gemeinwohlverpflichtung wachte der Privilegierende. l86 Insofern läßt sich die Zunft durchaus als dezentralisiertes Organ der städtischen Wirtschaftsverwaltung kennzeichnen. 187 Eine Vereinigung von Städten zog entsprechend auch eine Vereinigung der Zünfte nach sich. l88 Immer aber war denknotwendiges Komplement der Verleihung an die Korporation deren Entstehung in freier Einung.189 Sie machte es möglich, die von den Handwerkern einer Stadt nicht zu leistende Wahrnehmung der Gewerbegerechtigkeit durch Einbeziehung mehrerer Städte zu organisieren. l90 Umgekehrt war der Privilegierende aus der lehnsrechtlichen Schutz- und Treuepflicht gehalten, der Zunft die Erfüllung ihrer Aufgaben zu ermöglichen und die Versorgung der Korporation als solcher sicherzustellen. 191 Der Beschluß des Rates mit S. 76. Die Zunft erweise sich als originär kultischer, organisch gewachsener und von den Maximen der Gemeinschaft und der Ehre dominierter Verband, R. Siemsen, Germanengut im Zunftbrauch, S. 90; vgl. auch A. Seibert, Die altseligenstädter Zünfte als Lebensgemeinschaften, S. 86; so noch heute K.- S. Kramer, Hw., Hw.sgesellen, Sp.1984. Dagegen folgten noch 1940 J. v. Leers, Die Geschichte des dt. Hw.s, S. 45, und E. Maurer, Zunft u. Hw.er der alten Zeit, S. 70, im Jahre 1942 sogar noch H. Breuer, Das Wesen der dt. Zünfte im MA, S.96, der Gierkeschen Tradition, wobei J.v. Leers, Das Lebensbild des dt. Hw.s, S. 214, die Konstruktion der Zunft als Blutsgemeinschaft ausdrücklich ablehnte. 185
A. Diehl, Gemeiner Nutzen im MA, S. 313.
Vgl. H. Plab, Vom Amberger Zunftrecht, S.21; O. Ruhmer, Die gew.e Entwicklung der Stadt Eilenburg, S. 12. Diese Überwachung beruhte auf dem leiherechtlichen Verhältnis, nicht auf dem wesentlich jüngeren Gedanken der Gewerbepolizei, wie G. Droege, Die Stellung der Städte, S. 185, meint; richtig dagegen W. Ebel, Über den Leihegedanken in der dt. Rechtsgeschichte, S. 24. 186
187 Vgl. R. Löbe, Zur Geschichte des dt. Zunftwesens, S.20; A. Lutz, Hw.sehre u. Hw.sgericht, S.38; R. StoII, Vom Geiste des ma.en Hw.s, S.47; O. Vogel, Zur Geschichte des Perleberger Schuhmacher- u. Lohgerbergewerks, S. 2. Will man Kategorien wie "privat" und ·öffentlich" überhaupt auf das Mittelalter projizieren, so ist die Zunft jedenfalls kein "privater" Verband, wie R. Walther, Die Stellung der Obrigkeit zu den Zünften, S. 169, behauptet. 188
Für Kassel W.A. Eckhardt, Kaufgilden u. Zünfte, S. 111.
189
G. Bischoff, Das Zunftwesen Neubrandenburgs, S. 216.
190 In Berlin, Frankfurt/O. und Stettin reichte jeweils die Zahl der Riemer nicht zur Gründung einer eigenen Zunft aus, so daß am 7. Apr. 1534 eine gemeinsame Zunft geschaffen wurde, W. Wewezer, Geschichte des SattlerGew.s, S.20: "Wissentlichen se:y allen Meistern und Gesellen, ... daß wir Meister und gesellen vonn Berlin, Franckfurth an der Oder, und Stettin in Pommern deß Riemer Handwercks diese Hanttwercks gewonheit wie die zu Leipzigk im Lantt zu meißen haben und halttenn, wir sie alß die Meistere und gesellen alhier zu Berlin, Franckfurth und Stettin also gehalten haben wollen". 191 D. Schäfer, Zur Geschichte des Zunftwesens, S. 90; O. der Schuster zu Zwickau von 1445, Zwickauer Hw.sO.en Nr. 42 (S. 116): Von "dem Burgirmeistir ... vnd synen kumpan ... ist geratslagit ... durch not vnd nutzis willen deß hantwergk der schustir alß hirllllch geschr(iben) stet"; Privileg der Wollenweber zu Eisenach vom 25. Juli 1424, Stadtrecht Eisenach Nr.29 (S. 60 f.): "Wir Friderich von gotis gnaden etc. bekennen etc., daz wir durch vlißiger bete willin der meistere und handwerke ... demse/bin handwergke zu erberkeit ... die gnade gethan habin". Zur lehnsrechtlichen Schutz- und Treuepflicht K.-H. Spieß, Lehnspflichten, Sp.1724.
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den Knochenhauern in Lüneburg von 1496 bringt die Wechselbezüglichkeit der Beziehungen zwischen Bürgerschaft und Zunft deutlich zum Ausdruck: ''De rad dusser stad deme gemenen besten allen borgeren inwonren unde enem ideren manne ... to gude unde to vormeringe der neringe des erlilcen amptes, erer lenware".192 Insofern verwirklichte sich in der Entstehung der Zunft als leiherechtlichem Dezentralisationsverhältnis eine Integration der Interessen von Privilegierendem und Gewerbetreibenden. 193 Sämtliche aus dem Privilegierungszusammenhang fließenden Rechtsbeziehungen nahmen an der Exklusivwirkung des Privilegs teil. Dieses enthielt das Gebot, jede Beeinträchtigung des verliehenen Rechts zu unterlassen, ohne daß dies ausdrücklich angeordnet werden mußte. 194 Bereits die Entstehung der Zunft als Organ zur Gestaltung des städtischen Gewerbewesens zeigt, daß die Abwehr von den sich dieser Überwachung nicht Unterwerfenden zur Lösung der der Zunft gestellten Aufgabe unabdingbar war. 195 Der nicht nur als Beitrittszwang, sondern als materielles Abwehrrecht gegen Außerzünftige verstandene Zunftzwang ist daher der Zunft wesensimmanent. 196
192 ZU Stadt Lüneburg 15 Nr. 3; vgl. O. Blümcke, Die Hw.szünfte im ma.en Stettin, S. 53. Zur Problematik einer solchen doppelseitigen Wirtschaftspolitik für den Rat einer Stadt C. Bresslau, Die Stellung des Kölner Rats zu den Zünften, S.19 ff. Zu einseitig F. Philippi, Der Markt der ma.en dt. Stadt, S.254, der den Hauptzweck des städtischen Marktes in der Schaffung von Absatzgelegenheiten für die Handwerker des Stadt sieht. 193 F. Klinker, Das Zunftwesen der ma.en Städte, S,43; B. Lehnert, Geschichte des Lübecker Hw.s, S. 24. 194
F. Ebel, Privileg, S.l; G.K. Schmelzeisen, Objektives u. subjektives Recht, S.l11 f.
Vgl. O. Gierke, Rechtsgeschichte der dl. Genossenschaft, S. 360 ff. Insofern ist es unzutreffend, wie H.W. Peuser, Zunftwesen u. Hw., S.165, vom Zunftzwang als einem autonomen Instrument der Zunft zu sprechen. 195
196 Die Bedeutung des Zunftzwangs wurde insbesondere betont von G. v. Below, Die Entstehung der dt. Stadtgemeinde, S. 71; dems., Zur Entstehung der dt. Stadtverfassung 1, S. 225 ff.; dems., Hw. u. Hofrecht, S. 8; dems., Die Motive der Zunftbildung, S. 24 ff.; dems., Über Theorien der wirthschaftlichen Entwicklung, S. 71. Ihm folgend H. Bock, Die Entwicklung des dt. SchumacherGew.s., S.20; G. Croon, Zur Entstehung des Zunftwesens, S. 88 f.; vgl. auch T. Neubauer, Wirtschaftsleben im ma.en Erfurt, S. 536 f.; F. Schulze, Die Hw.erorganisationen in Freiberg 1, S.38. Keineswegs hat sich ein Beitrittszwang erst im 15. Jb. herausgebildet, wie R. Ennen, Zünfte u. Wettbewerb, S. 108 f.; F. Göttmann, Hw. u. Bündnispolitik, S.77 f.; ähnlich E. Fromm, Frankfurts TextilGew., S.4O; P. John, Hw.skammern im Zwielicht, S.23, meinen. Im beschriebenen Sinne umreißt den Zunftzwang auch die Errichtung der Zunft der Gärtner, Obster und Händler zu Basel durch Bischof Heinrich März 1264 bis 24.Dez. 1269, UB Stadt Basel 1 Nr. 430 (S. 315 f.): "Wir irl~ben inen &h, swer sich mit ir antwerke begat, das si den (wingen mugent mit dem antwerk in ir zunft... Dise guten gesetzide an dir zunfte und an disim almflsen, swer daz iemer zirbrichit odir zirstörit, den kUndin wir in die unhulde da almehtigen gottis, ... unde kUnden in zi banne".
11. Struktur und Aufgaben der Zunft 1. Die Regelung des Gewerberechts
Auf die Bedeutung der autonomen Regelung des Gewerberechts durch die Zunft für deren Entstehung hat bereits v. Loesch hingewiesen. l97 Ohne eine eigene Normenkonzeption ist eine Dezentralisation nicht denkbar, weshalb es fehlgeht, die Zunft als ein der städtischen Planwirtschaft untergeordnetes Organ zu begreifen. 198 Da dem Mittelalter die Delegation von Gesetzgebungsbefugnissen fremd war l99 , mußte der gewerbliche Verband als Rechtserzeugungsgemeinschaft konstituiert werden. Möglich war insoweit allein die konjurative Genossenschaft nach dem Vorbild der älteren Gilde. Auch hier zeigt sich wieder die essentielle Ergänzung von freier Einung und Privilegierungsverhältnis. Letzteres überlagert wiederum die Form der Gilde, da deren originäre Funktion, die Ausfüllung eines Vakuums der friedensstabilisierenden Herrschaft, nunmehr von der Stadtgemeinde wahrgenommen wurde. 200 Daher bedurften die zünftischen Willküren der Bestätigung durch den Privilegierenden 2l11, zumal sie sonst im Stadtgericht keine Berücksichtigung gefunden hätten und somit zur Regelung des Gewerbewesens in dezentralisierter Administration untauglich gewesen wären. 202 Nichtsdestoweniger finden sich etwa in Hamburg auch Statuten, die zumindest ausweislich ihres Wortlauts von den Genossen einer Brüderschaft des 197 Vgl. H. v. Loesch, Rezension F. Keutgen, S.74; dens., Einleitung Kölner ZU, S. 49·ff. Ähnlich R. Peters, Die berufsständische Gliederung im MA, S. 34. 198
So aber E. Albers, Die Zunftwirtschaft als dezentralisierte Planwirtschaft, S. 19 ff.
199
W. Ehel, Die Willkür, S. 49 ff.; H. Krause, Gesetzgebung, Sp.1611.
G. Dilcher, Die genossenschaftliche Struktur von Gilden .u. Zünften, S. 109. Zur Strukturierung der Zunft als Gilde W. Reininghaus, Hw., Gilden u. Zünfte, S.l1; zu den frühmittelalterlichen Gilden als gewillkürten Rechts- und Friedensordnungen Kap. 2 I 2a. Das Privilegierungsverhältnis unterscheidet die Zunft von anderen Zusammenschlüssen der Zeit, a.A. A. Nitschke, Arbeit u. Fortschritt, S. 109. 200
201 Vgl. G. Hinderschiedt, Aus der Geschichte der Freiburger Zünfte, S. 30; Lilienthai, Die Zünfte in Braunsberg, S.220; W. Mehr, Hw.erzünfte in der Grafschaft Westerburg, S.154; O.Scheitlin, Das st.gallische Zunftwesen, S.25 ff.; V. Winiker, Hw. u. Gew. in Ruswils Vergangenheit, S. 65. A.A. für die Entstehungszeit der Zünfte LA Burckhardt, Die Zünfte u. der Rheinische StädteBund, S.l1; P. Harden-Rauch, Das Zunftwesen in Ettenheim, S. 51; K. Wolfart, Die Binderzunft in Lindau, S.89. 202
Zu dieser Funktion der Bestätigung von Willküren Kap. 2 ISa.
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Kap. 2: Das Gewerbe der Zunftzeit
Handwerks ohne Bestätigung durch den Rat gewillkürt wurden. 203 Daß die Brüderschaften möglicherweise personell, nicht aber organisatorisch mit dem jeweiligen privilegierten Amt identisch waren, zeigt die Auseinandersetzung zwischen Amt und Brüderschaft der Schmiede. 204 Sie verdeutlicht allerdings gleichzeitig die Einbindung auch der _Brüderschaft in den leiherechtlichen Zusammenhang, hatte doch die Brüderschaft dem Amt Rechenschaft zu geben. 205 Amt und Brüderschaft waren nur zwei Seiten der einheitlichen Organisation des Handwerks206, so daß auch die Brüderschaftsstatuten der jederzeitigen Abänderung durch den Rat unterworfen waren. 207 Die Bestätigung diente auch der Kontrolle darüber, daß die Rechte des Privilegierenden durch die Zunftwillküren nicht geschmälert wurden. 208 Die Verwillkürung durfte nicht heimlich geschehen209 und konnte vom Privilegierenden eingeschränkt210 aufgehoben211 oder gänzlich verboten 212 werden. Die Innungs203 Rollen der Bartscherer vom 14. Jan. 1452, Hamburgische ZR Nr. 4a, Drechsler 1438 bis 1466, l.c. Nr. llb, und Nätler vom 23. Sept. 1440, l.c. Nr. 38; vgl. auch F. Dieling, Zunftrecht, S. 10 ff. 204 Zwischen 1375 und 1485, Hamburgische ZR Nr. 48b; vgl. auch H. Engemann, Die Goslarer Gilden, S. 63; R. Sprandei, Die Bedeutung der Korporationen, S. 572. 205
Anm. 204 (S. 253): 'Unde will dat ampt von een reckenschop hebben, de schalen se en doetL •
206
F J. Mone, Ueber die Gew., S. 3.
Vgl. für Hamburg die Zusätze des Rats vom 12. März 1455 zu den Brüderschaftsstatuten der Bartscherer, Hamburgische ZR Nr. 4b, sowie die O. des Rats für die Bartscherer vom 6. Mai 1468, l.c. Nr.4c. Die O. der Nätler, l.c. Nr.38a, ist zwar entstanden als 'ene beleving ... under siek', wurde jedoch laut Art. 12 vom Rat unter dem Vorbehalt der Mehrung, Minderung und Änderung bestätigt. 207
208 Rezess auf dem Städtetag zu Marienburg vom 13. Dez. 1385, Akten Ständetage Preussen 1 Nr. 25: •... das man in syme huze keynirhande ... saczunge machet, dy da gen wider unser herren adir dis land adir wider dy stat'j Zunftbrief für die Schuhmacher und Lohgerber zu Eschwege vom 12. Mai 1446 Art. 11, Q.Rechtsgeschichte Stadt Eschwege Nr. 191: "Auch was sie guter gewonheit oder gebot undereinander setzten, die wider uns, unser stad Eschwege nicht sein, die sollen sie undereinander halten. 'j Innungsartikel der Messerschmiede zu Freiberg um 1390 § 7, Das Freiberger Stadtrecht Zusatz 5: 'Ouch sullen sie keynerley eynunge ader gesetcze machen, die unsem hern, der stat ader dem bergwercke scheJelichen weretL 'j Gründungs-Urkunde der Schuhmacher-Innung zu Bergen a.R. vom 31. Okt.1355, S. 42: "Vortmer se gheve wi em dat, effteselnsette maken under sich, dat günne wi em wal, su et uns nichten hindere." 209 Allg. Hw.erO. für Danzig vom 25. Nov.1417 Art. 3, Akten Ständetage Preussen 1 Nr.233: Das Werk darf "keyne andere satczunge nach nuwe vuntle machen ..., denne mit des rathis willen und wissen".j InnungsO. der Schmiede zu Arnstadt vom 26. Febr. 1352, UB Stadt Arnstadt Nr. 156 (S. 98 t): •... daz sye under sich ichkeyne einunge noch ichkeinerleige sunderliche gesezze sezzen sullen, wanne mit wizzen und mit rathe eynes rathis'j Göninger Sammlung von Stadtgesetzen vor 1340 Art. 48, Göninger Statuten Nr. 13: "Ouch en schalen de gm/den neyne nige 10llede under sik selten, se ne don it mit willen unde mit witscapft des rades.• 210 Überlinger Stadtrecht um 1400 § 62, Überlingen, S.52 ff.: 'Es sol auch kain zunft noch hantwerk ... kain nuw ordnung und gesetzt under inen nit setzen noch machen, das ander zunften und hantwerken ald ieman anders anrürte, denn sie selb, an der rät und zunftmaister urlob, wissen und willetL •
II. Struktur und Aufgaben der Zunft
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artikel der Freiberger Böttcher fassen die Eingriffsmöglichkeiten zusammen: "uber alles das recht das die bender gehaben mugen mit innunge ader ane ynunge, so haben die burgere yo die hochste gewalt, was sy seczczen zu nucze und rate der stat in allen dingen, das sy das halden sollen ane wederrede ader sy musten zu rechte dy pusse leiden, dy die burger darrut! seczin. Der radt hat ouch macht dy ynnunge zu hoen, zu nedern ader gencz(lich) abezuthun, wie sy das am besten irkennen, ane der bender wedersprechen. ''213 Aus der Parallelität der Autonomisierung von konjurativem Stadtrecht und zünftischer Willkür214 heraus wird deutlich, daß sich auch hinsichtlich der letzteren ein Einschreiten der Reichsgewalt nicht gegen die Schwurgenossenschaft als solche, sondern nur gegen das Verlassen der leiherechtlichen Bahnen richtete. 215 Wirkliche Aufhebungen des korporativen Gewerbeprivilegs waren mit 211 Braunschweiger Stadtrecht um 1350 Art. 23, UB Stadt Braunschweig 4, Anh.: Supplemente zum Stadtrechte Nr. 3: "De ghilden moghen wol köre under sek kesen, de on evene komeIL kesen se aver dat der stad eder deme lande unevene lannpt, d~ des deme rade unde vorb!;t id on de rad, dat scolen se laten. " 212 O. der Bäcker zu München von 1535 Art. 15, J. Schwarz, Das Hw. der Bäcker in München, S. 196 ff.: "Item es sollen all Einigung bei den ... ZunJten u. Handwerckhen allhie verboten sein. Also das sie aneinander ferner nit zu gebieten noch zu verbieten sonderlich aus der Zunft u. H andtwerch nit zu setzen haben, denn als will ihnen von einem Bürgermeister u. Rath erlaubt wird."j Innungsartikel der Sensenschmiede zu Freiberg um 1465 § 5, Das Freiberger Stadtrecht Zusatz 8: "Und kein gesetcze sullen sy haben an irem handwerge noch an nichts, denne was die burger setczen und gebieteIL " 213
Innungsartikel der Freiberger Böttcher um 1450 § 11, Das Freiberger Stadtrecht Zusatz 7.
214
W. Ebel, Über den Leihegedanken in der dt. Rechtsgeschichte, S. 22.
215 Vgl. H. Hoffmann, Würzburgs Handel u. Gew., S. 139; E. Kelter, Die Wirtschaftsgesinnung des ma.en ZünftIers. Erwiderung, S.315; zur Kritik an Kelter A.v. Vollenhoven, Die Wirtschaftsgesinnung des ma.en ZünftIers, S. 299 ff. Entsprechend richtete sich das Edikt Friedrichs 11. Dez. 1231-Mai 1232 nicht nur gegen die Städte, o. Anm. 152, sondern auch gegen die Zünfte: "I"itamus nichilominus et cassamus cuiuslibet artificii confraternitates seu societates". Zum Eingreifen gegen die Städte Kap.2 I 5a a.E. In Frankfurt a. M. bestätigte bis 1355 der Rat die Zunftordnungen. Die von B. Schmidt, Einleitung Frankfurter ZU 1, S. 43·f., geäußerte These von der gänzlich ratsunabhängigen zünftigen Willkürsetzung stützt sich allein auf die O. der Schneider und Tuchscherer vom 10. März 1352, Frankfurter ZU 1, S. 500 ff., und ist in Anbetracht der nur drei Jahre später sämtlich vom Rat gebilligten O.en der Bäcker, I.c.l, S. 19 f., Böttcher, I.c.l, S. 90 ff., Fischer, I.c.l, S. 180 f., Gärtner, I.c.l, S. 216 ff., Gewandmacher, I.c.l, S. 225 ff., Kürschner, I.c.l, S. 277 f., Lohgerber, I.c.l, S. 335 ff., Metzger, I.c.l, S. 348 f., Schneider, I.c.l, S.503 f., Schuhmacher, I.c.2, S. 29 ff., Steinmetzen, I.c.2, S.101 f., und Zimmerleute, I.c.2, S. 224 f., nicht haltbar. In den Jahren 1355 bis 1366 versuchten die Zünfte, sich aus den leiherechtlichen Bindungen an den Rat zu lösen, vgl. H. Meinert, Frankfurt a.M., S. 139 f. Um jene Bindungen zu sichern, betonte Kaiser Karl IV. am 24. Okt. 1368 in einem Schreiben an Schöffen und Rat der Stadt Frankfurt die lehnsrechtliche Stufung, C.d. Moenofrancofurtanus, S. 722 f.: "Wir Karl von gots genaden romischer keiser ... empfelhen wir euch schepffen und dem rate zu Frankenfurd und wollen, das ir die egenanten hantwerke besehen und bestellen sullet, das die in eyne sulche ordenunge geschikJcet und geseczet werden, das die redlich steen noch ewern gewissen czu nucze und czu eren der vorgenanten staL Und das zu tuen geben wir euch gancze und vollcomene macht bis an unser widerrufen. " Dieses Privileg nutzte der Rat auf der nächsten Stufe der dezentralisierenden Verleihungen in
48
Kap. 2: Das Gewerbe der Zunftzeit
Ausnahme des Nürnberger Sonderfalls meist von kurzlebigen gewerbepolitischen Ambitionen intendiert. 216
2. Die Zunftgerichtsbarkeit
Von vergleichbarer Bedeutung für die Entstehung der Zunft wie die normative Regelung des Gewerberechts ist die Gerichtsbarkeit in den die Gewerbetreibenden betreffenden Fragen. 217 Im Gegensatz zu den Rechtsetzungsbefugnissen war eine Delegation der Gerichtsgewalt im Zuge der Mobilisierung des Rechts seit dem 12. Jh. möglich geworden. 218 Die Gerichtsbarkeit der Zunft ist trotz deren formaler GiIdestruktur nicht mehr wie bei den frühmittelaIterlichen Gilden eine Schiedsgerichtsbarkeit219, die neben der Gerichtsbarkeit des Privilegierenden steht, sondern ist dieser im ordentlichen Rechtsgang nachgeordnel 220 Der Versuch, eine zünftische Gerichtsbarkeit durch Verwillkürung als
Art. 1 der BäckerO. vom 10. März 1377, Frankfurter ZU 1, S. 23 ff.: ·Zum ersten han alle die, die daz backehantwerg triben, in guden truwen globet ..., unserm herren keiser Kari ... getruwe und gewer zu sin und den scheffen und dem aiden rade zu Franckinford in desselben unsers herren keiser Karls ... wegen gehorsam und bij bestendijg zu sine, ... und daz auch alle globede, gebode und virbuntnisse, ... die widdir alle reddelich gesetze der stede zu Franckinford gesehen weren, abe sin sollen". 216 Vgl. zur Aufhebung der Wiener Zechen unter Rudolf IV. 1361 und 1364 F. Eulenburg, Das Wiener Zunftwesen, S. 285 ff. Zu Nürnberg als Stadt ohne Zünfte W. Lehnert, Nürnberg - Stadt ohne Zünfte, S.71 ff.; E. Mummenhoff, Entwicklung u. Blüte des Nürnberger Hw.s, S. 139 ff. Nur in Nürnberg fand sich als Vorstufe zum Handwerk die jedermann offenstehende freie Kunst, E. Mummenhoff, Hw. u. freie Kunst, S. 266. 217
Vgl. H.E. Thoms, Die Entstehung der Zünfte in Hildesheim, S. 67.
218
G. Buchda, Delegation, Sp.674.
219 AA. F. Effmger, Zur Geschichte des FleischerGew.s. der Stadt Lübeck, S.306; H. Krause, Die geschichtliche Entwicklung des Schiedsgerichtswesens, S. 21; W. Lauenstein, Das ma.e Böttcher- u. KüferHw., S. 29; H.v. Loesch, Einleitung Kölner ZU 1, S. 88°; A. Stenglewski, Geschichte der Bäckerinnung zu Cöpenick, S. 9. Zur Schiedsgerichtsbarkeit der frühmittelalterlichen Gilden Kap.2 I 2a.
220 Zur Charakterisierung des Zunftgerichts als Teil der ordentlichen Gerichtsbarkeit vgl. H. Drawetz, Das Zunftwesen im NahrungsmittelGew., S.49; G. Hinderschiedt, Die Freiburger ZunftO.en, S.48; H. K1ey, Geschichte u. Verfassung des Aachener Wollenambachts, S. 90 ff.; W.E. Wilda, Das Gildenwesen im MA, S.339; GoldschmiedeO. zu Lüneburg von 1554, ZU Stadt Lüneburg 25 Nr. 4 (S.204): ./d is ok nene geringe gnade ..., dat dit loflik ampt ... mid der morgensprake und morgensprakes rechte begnadet sein, wente de morgensprake, so desulve geborliker und na oltwaniger wyse geheget, so is se gelik und is ok werklik ein geheget undergerichte, ... van dem erbaren rad darto upgenamen bereydet bestetiget und gesettet.•j O. der Krämer zu Goslar von 1281, UB Stadt Goslar 2 Nr. 292 (S. 308): •... so schal use meister deme schuldigen gebieden unde spreken alsus: ik gebiede de van der gewalt, de ik hebbe van dem vogue"j vgl. das Echteding der Bäcker zu Einbeck 16. Jh., H. Schloemer, Zur Geschichte der Gilden in Einbeck, S.491: ·ein gildenbroder (soll) den anderen nergen anders bespreke den vor unser gilden, den unser gilden ge-
11. Struktur und Aufgaben der Zunft
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Schiedsgerichtsbarkeit ohne Verleihung zu errichten, wird unterbunden. 221 Zuweilen wird ein besonderer Richter mit der Ausübung der Gewerbegerichtsbarkeit beliehen. 222 Regelmäßig jedoch wird dieses Amt von den Zunftmeistem eingenommen. 223 Die Zunftmeister wurden entweder vom Privilegierenden gesetzt 224 oder - in der absolut überwiegenden Zahl der Fälle - von den Zunftgenossen aus ihrer Mitte gewählt. 225 Da der Zunftmeister in einer Zwischenstellung zwischen einem bloßen Zunftorgan einerseits und einem Teil der Stadtverwaltung andererseits dafür verantwortlich war, daß die korporativ verliehene Gewerbegerechtigkeit im Interesse des Privilegierenden ausgeübt wurde 226, wurde er bei der notwendigen Bestätigung durch den Privilegierenden eidlich an diesen gebunrechticheit is von der herschop von Brunswick berechtiget und von einem erbaren rade und den gantzen reden to Eymbeck". 221 Klage des Markgrafen Johann gegen die Stadt Frankfurt/O. im Jahre 1429 Art.13, e.d. Brandenburgensis I 23 Nr. 240: "Vorder schuldige wy ..., dat sy gekoren hebben in ören werken besundere Richter vnd hebben da vor geklaget vnd geandwordet; als em doch die belehende Richter Rechtes nicht gewegert hefft. Vnd hebben die Richter gekoren ..., vnsers Hern vnd Vaders Gerichte to schwechende, '" den wy achten vp dusend rinsche Gülden"; Beschwerden des Erzbischofs von Trier 1351, M. Bär, Zur Geschichte der dt. Hw.sämter, S. 268 f.: "Sie hindern unser geistliches und weltliches Gericht dadurch, daß jeder Amtmann vor seiner Meisterschaft klagt, während sie doch nur wenige Stücke mit einander zu schaffen haben, also daß sie vor unser Gericht nicht kommen; die Meister aber thun Unrecht, daß sie solche Klagen annehmen. " 222 Vertrag des Bischofs und der Geistlichkeit mit der Stadt Straßburg von 1263 c3, o. Anm. 103; Frankfurter BäckerO. von 1355 Art. 8, Frankfurter ZU I, S. 19 f.: "Umb dyse vorgeIL stucke und eynunge hat man uns bishere eynen richter geliehen. " 223 Rolle der Gerber zu Hamburg von 1375 Art.17, Hamburgischc ZR Nr. ISa: "Vortmehr were ene dem andern schuldig twe schillinge penninge, dat scholen de werckmeister richten. "; Aufrichtung der Schuhmacher- und Lohgerbergilde in der Altstadt Brandenburg vom 30. Apr. 1424 Art. 8, e. d. Brandenburgensis I 9, 18 Nr. 158: "Item effte ock einer im wercke brockfelligk vnd sich von vnsern werckmeistern wegen seines vngehorsambs nicht straffen lassen wollte... ". Zu den verschiedenen Bezeichnungen für die Zunftvorsteher O. Ludwig, Die Ämter der ma.en Zünfte, S. 174 ff. 224 König Heinrich VII. unterstellt am 22. Nov. 1226 die Hildesheimer Neustadt dem Domprobst und gibt diesem dabei das Recht, "in eadem civitate ordinare officia in mechanicis et aliis professionibus et magistros officiorum instituere, qui ad ipsum habeant respectum et ejus tantum observent judicium", VB Stadt Hildesheim Nr. 96 (S. 52). 225 Errichtung einer Zunft der Gärtner, Obster und Händler durch Bischof Heinrich zu Basel März 1264 bis 24. Dez. 1269, UB Stadt Basel 1 Nr. 430 (S. 315): "Und irlöben inen einen meyster zi neo mende mit der meren volge"; Erzbischof Ludolf von Magdeburg gestattet den Schildmachem 1197, "inter se magistrum de communi consi/io" zu wählen, VB Stadt Magdeburg Nr.65 (S.33); Überlinger Stadtrecht 2.Hälfte 13.- 15. Jh. § 85, Überlingen Nr. 1: "wir hant &h gesetzet, das ieglichU zunft soll ällu jar ainen zunftmaister sezzen". Kompliziert war das Wahlverfahrcn nach der GildeO. der Glaser, Krämer, Pelzer etc. zu Münster, T. Tophoff, Die Gilden binnen Münster i.W., S. 20: Die bisherigen Zunftmeister wählten zwei Zunftgenossen und diese vier weitere, von denen keiner zu den bisherigen Zunftmeistern gehören durfte; dieser Wahlkörper wählte dann die beiden Zunftmeister für das kommende Jahr.
226
E. Dragendorff, Rostocks älteste Gewerbtreibende, S. 70.
50
Kap. 2: Das Gewerbe der Zunftzeit
den. 227 Entsprechend dem Prinzip des Heimfalls des Lehens beim Mannfall 228 vollzog sich die Einsetzung des neuen Zunftmeisters in den Formen des Lehnrechts. 229 Die Zunftgerichtsbarkeit blieb als delegierte Gerichtsbarkeit unter der Kontrolle des Privilegierenden230, die sich nicht selten in dessen körperlicher Anwesenheit231 oder im Erfordernis der Genehmigung der Morgensprachen 232 manifestierte. Bei Mißbräuchen konnte die Zunftgerichtsbarkeit auch gänzlich 227 L.W. Böhm, Von den Zünften in Alt-Mannheim, S.57; M. Ljub~ Das alte Zunftleben, S.ll; Aufrichtung der Schuhmacher- und Lohgerbergilde in der Altstadt Brandenburg vom 30. Apr. 1424 Art. 20, C.d. Brandenburgensis 19, 18 Nr.158: "wan auch die Zeit vorhanden, das NeweAltmeister verordnet werden sollen, so soll die wahl bey dem gewercke, aber die confirmation ... bey vns dem Rathe stehen."j Rechtsbescheide Braunschweigs für Einbeck 1340 Art. 154, UB Stadt Braunschweig 4, Anh.: Supplemente zum Stadtrechte Nr. 2: "Jowelck gildemester schal alle jar, wan he gekoren ist, schweren vor dem rade siner gilde recht vorthostan und dem rade bitostande. "j O. des Wollenamts zu Dortmund von 1472 Art. SO, Statutarrecht u. Rechtsaltertümer Reichsstadt Dortmund Nr.162: "Item so wenne dat vorss. ampt Ialset to werckmesters ..• den eydt sullen sey doen dem Raedt." Bei einem Wechsel in der Person des Privilegierenden war dieser Bindung Rechnung zu tragen, O. für die Rheinfelder Zünfte von 1331, A. Senti, Der Stiftungsbrief der Rheinfelder Zünfte, S. 35 f.: "wenne daz ist, daz der ... rat vs gat, der des jares ist gesin, vnd der nVwe rat in gat, daz denne der alte ... rat vnd der nVwe rat zuo inen besenden s~/en die drie zvnftmeister ..•, vnd sol man vor dien gemeinlich ve"echnen gewerfvnd vngelt, vnzVhte vnd alle die nVzte, die der stat des jares gevallen sind".
228
K.-H. Spieß, Lehnserneuerung, Sp.1708.
Vgl. die Quelle bei T. Neubauer, Wirtschaftsleben im ma.en Erfurt, S. 531 Anm. 3: "Noch Jacobi so komen die handtwerck und brengen ire erwelte meyster, und der alt meyster saget, hie innen vor den Amptleuthen dem Schultheißen auff in gegenwertiglreit seiner compan die innung,sen, koln oder andern dyngen in aynicben weg verlegen soll"; zur Geltung als allgemeines Verlagsverbot über den Bereich des bloßen Gezeugsverlags hinaus vgl. H. Aubin, l.c. O. der Nürnberger Goldschläger vom 31. Aug. 1566, H. Voit, Die Nürnberger Gold- u. Silberschlägerei, S.24: "Kein Meister in dieser Statt Nürnbergs soll sich außerhalb Hanndtwercks verlegen lassen, sondern, da einer den Verlag für sich selbsten nit hat und vermag, einem Meister seines Hanndtwercks arbeiten", wobei es sich um die Produktion im Stückwerk gehandelt haben dürfte. 718
Vgl. H. Aubin, Formen u. Verbreitung des Verlagswesens, S. 636.
719
Zuweilen wurden die beschäftigten Stückwerker auf die Höchstzahl der einem Meister gestatteten Mitarbeiter angerechnet: HosenstrickerO. zu Straßburg von 1618 Art. I, Straßburger Tucheru. Weberzunft Nr. 128: "Nemlich fürs erste soll es allerdings bey dem articul, so dem meister vier stüehl zulässt ••. sein verpleibens haben, jedoch mit diser .•. erleüterung, das, da je ein meister ausserhalb seines hauses, einem oder zwen und bis in vier armen meistern und stuckwerkern arbeit geben und schaffen wolt, ihme dagegen sovil stüel zu haus in der arbeit stillstehn und ohnbesdzt pleiben sollen."; Amtsbrief der Nadelmacher zu Köln vom 14. Apr.1397 Art. 12, Kömer ZU 1 Nr. 53: "Were sache, tißt bei (der Meister) uszomachen 01 zo bereiden geve, somanichen minschen as hei buissen sime huise zo wirken gilt, somanich gesintz ind knechtz sal hei untbeiren zuzijt sins werks in sime hfüse. "; O. der Mainzer Bender von 1585, K. Wesoly, Lehrlinge u. Hw.sgesellen, S. 112. 720
G. Jahn, Der Verlag als Unternehmungsform, S. 170, 178,
K.O. Scherner, Hw.er u. Verleger, S.44. Grundlegend zum Zunftkauf G. Aubin, Aus der Frühzeit des dt. Kapitalismus, S. 438 ff., und bes. ders. / A Kunze, Leinenerzeugung u. Leinenabsatz, S. 54 ff. Vgl. weiterhin R. Holbach, Formen des Verlags im Hanseraum, S.51; D. Scheler, Zunftkaufu. Gew.entwicklung, S.107 ff. 721
722 F. Lütge, Das. 14./15. Jh., S. 213. Die folgende Darstellung stützt sich im wesentlichen auf die sog. Agrarkrisentheorie Wilhelm Abels und Friedrich Lütges. Dabei geht es nicht um die Entscheidung zwischen verschiedenen nationalökonom ischen Entwicklungsmodellen, sondern allein um die Verdeutlichung von Tendenzen, die Auswirkungen auf die zünftische Arbeitsmarktpolitik
111. Voraussetzungen für die Ausübung eines zünftischen Gewerbes
155
auftretenden Wüstungen und des Mangels an Arbeitskräften im agrarischen Sektor war ein Ansteigen der Getreidepreise. 123 Die durch diese Hochkonjunktur und günstige klimatische Verhältnisse veranlaßte Überproduktion führte zu einem Zusammenbruch der Getreidepreise seit dem letzten Viertel des 14. Jhs.rn Hatten die zahllosen Erbfiille im Zuge der Pest größere Vermögen akkumuliert und damit die Kaufkraft sowie die Leistungsfähigkeit des städtischen Gewerbes gestärkt, 12S so führten die wegen der fallenden Getreidepreise steigenden städtischen Reallöhne zu einer verstärkten Zuwanderung der Landbevölkerung in die Städte. 12fj Da bei steigenden Löhnen und sinkenden Getreidepreisen bis zur Mitte des 15. JhS.121 die Kaufkraft noch anstieg, besteht kein Anlaß, aus fiktiven sozialpsychologischen Gegebenheiten eine Krise des städtischen Gewerbes für die erste Hälfte des 15. Jhs. anzunehmen. 728 Mit der Zunahme der Bevölkerungszahl seit der zweiten Hälfte des 15. Jhs. begann die Revolution insbesondere des Getreidepreises aber auch der Preise für sonstige Rohstoffe. Da die Löhne langsamer als die Lebenshaltungskosten stiegen129, ging die Nachfrage nach hochwertigen Konsumgütern zurück. Bei wachsender Nachfrage im Bereich der Massenwaren verschlechterte sich die Kostensituation des einzelnen Handwerkers. 130 Gleichzeitig geriet er infolge der stark exgehabt haben können. Zur Problematik der Analyse M.M. Postan, Die wirtschaftlichen Grundlagen der ma.en Gesellschaft, S. 180 ff., und zu den Schwierigkeiten des Rechtshistorikers treffend R. Schröder, Zur Arbeitsverfassung des SpätMAs, S. 71 ff. E. Pitz, Die Wirtschaftskrise des SpätMAs, S. 358 f., etwa deutet die Entwicklung seit der Mitte des 14. Jhs. nicht als Folge der Pestkatastrophe, sondern als kontinuierlich fortschreitende Strukturkrise. Umgekehrt überzeichnet E. Kelter, Das dt. Wirtschaftsleben des 14. u.15. Jhs. im Schatten der Pestepidemien, S. 161 ff., den Einfluß der Seuche auf die sozio-ökonomische Entwicklung deutlich. Eingehend zum Forschungsstand W. Rösener, Krisen u. Konjunkturen der Wirtschaft, S. 24 ff. 123 W. Abel, Agrarkrisen u. Agrarkonjunktur, S. 53 f.; grundlegend zur Wüstungsforschung ders., Die Wüstungen des ausgehenden MAs, S. 8 ff. Zur Bevölkerungsentwicklung nach der Pest G. Grupe, Bevölkerungsentwicklung im MA, S. 111 ff. 124
W. Abel, Agrarkrisen u. Agrarkonjunktur, S. 57; F. Lütge, Das 14./15. Jh., S. 181 f.
12S F. Lütge, Das 14./15. Jh., S.183 ff. 126 W. Abel, Wüstungen und Preisfall, S. 421 f.; R. Schröder, Zur Arbeitsverfassung des SpätMAs, S.142. 121
Vgl. W. Abel, Agrarkrisen u. Agrarkonjunktur, S.6O ff.
728
AA. J.v. Klaveren, Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Schwarzen Todes, S. 198.
129 W. Abel, Agrarkrisen u. Agrarkonjunktur, S.122 ff.; U. DirImeier, Untersuchungen zu Einkommensverhältnissen, S.425; MJ. E1sas, Umriss einer Geschichte der Preise u. Löhne, S. 74; W. Herforth, Die Lage des Frankfurter Gew.s, S.67; D. Saalfeld, Die Wandlungen der Preis- u. Lohnstruktur, S. 16 ff. Zur Diskussion um die Ursachen der Preisrevolution W. Abel, l.c., S. 144 ff. 130 W. Abel, Massenarmut u. Hungerkrisen, S. 24; I. Bog, Wachstumsprobleme der oberdt. Wirtschaft, S. 496 ff., 527. Zur Wirtschaftskrise in Breslau Anfang des 16. Jhs. und den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die einzelnen Gewerbebereiche F. Eulenburg, Drei Jh.e städtischen Gew.wesens, S. 262 ff.
156
Kap. 2: Das Gewerbe der Zunftzeit
pandierenden Bevölkerungszahl unter einen erhöhten Konkurrenzdruck. 731 Da der Privilegierende aus seiner leiherechtlichen Schutzpflicht heraus für die Gewährleistung eines kollektiven Existenzminimums der Zunft Sorge zu tragen hatte, konnte er wegen der Verknüpfung von Zunftmitgliedschaft und Bürgerrecht versuchen, den zünftischen Nachwuchs durch die Beschränkung von Bürgerrechtsverleihungen zu regulieren. 732 Bedeutsamer war die sog. Schließung der Zünfte durch das Verbot von Neuaufnahmen und die Fixierung einer gleichbleibenden Zahl von Meisterstellen. 733 Dabei handelte es sich nicht um einseitig von der Zunft ergriffene und später vom Rat der Stadt "legalisierte" Maßnahmen. 734 Sofern der Privilegierende nicht selbst die Schließung be731 R. Schröder, Zur Arbeitsverfassung des SpätMAs, S. 152 f. Vgl. die Übersichten über die Meisterrechtsverleihungen in verschiedenen Nürnberger Gewerben bei I. Bog, Wachstumsprobleme der oberdt. Wirtschaft, S. 533 ff.; zur Zunahme der Meister bei den Nürnberger Schlossern bis zum letzten Drittel des 16. Jhs. A. Bartelmeß, Das Nürnberger SchlosserHw. 732 Beschluß des Augsburger Rats vom 21. Juni 1539, P. Dirr, Studien zur Geschichte der Augsburger Zunftverfassung, Anlagen Urk. Nr. 42: "Dweil diser zeit '"'in mIlngel allhie an volclc erscheint, das ... annemung der bürger sol gespert sein",. MarktO. zu Aussee von 1568, Steirische Taidinge, S. 9 ff. (21 f.): "dieweil sich befint, das die mIlister herurts handwerchs derzeit alhie überhauft und in grosser anzal sein, also das die selben nit alle gnuegsame arbait haben, solle auch durch ain verweser, richter und rat in aufnembung angezogner handwercher zu burgern albegen ain solche beschaidenhait gebraucht ... werde". Zur Gewährleistung des kollektiven Existenzminimums Kap. 2 II 3. 733 O.en der Lüneburger Böttcher um 1430, ZU Stadt Lüneburg 4 Nr.l (S. 34): 80 Meisterstellen, Hoken von 1454, I.c.12 Nr.4 (S.106): Fixierung des status qua, Hutmacher vom 7. Aug.1505, I.c.13 Nr. 1: Fixierung des status quo, Knochenhauer von 1496, I.c.15 Nr. 3 (S.122): 30, Schneider vom 30. Sept. 1458, l.c. 26 Nr. 4: Fixierung des status quo, Altschneider vom 30. Juli 1513, I.c. 26 Nr.10: 8 mit Bestandsgarantie für die bestehenden Betriebe, Seiler vom 18. Aug. 1517, I.c.27: 8, Tischler vom 24. Feb. 1524, l.c30 Nr. 2 (S.242 f.): 14 mit Bestandsgarantie; Rollen der Hamburger Barbiere vom 6. Mai 1468 Art. I, Hamburgische ZR Nr. 4c: 12, Böttcher vom 22. Mai 1437 Art. I, l.c. Nr. 7c: 200 mit Bestandsgarantie, vom 1. Dez. 1458 Art. I, I.c. Nr. 7d: 150 mit Bestandsgarantie, vom 25. Jan. 1506 Art. I, I.c. Nr.7e: 120, Goldschmiede von 1469 Art. 1, 1.c Nr.17a: 12, Altschuhmacher vom 15. Okt. 1434, I.c. Nr. 54b: 7; Rollen der Lübecker Armbruster vom 12. März 1425, Lübeckische ZR Nr.2 (S.161): 16, Pantoffelmacher von 1436, l.c. Nr.15 (S. 210): 10, Kerzengießer vom 1. Sept. 1508, I.c. Nr. 25 (S. 249): 20, Vertrag der Lübecker Schuhmacher und Altflicker vom 4. Mai 1532, I.c. Nr.4O (S.347): 12 mit Bestandsgarantie. Der von E. Heyrowsky, Die Entwicklung des Wiener Kaufmanns- u. Hw.erstandes, S. 31, vorgetragene Zusammenhang zwischen Pest und Schließung der Zünfte ist mithin nur ein recht mittelbarer. Spätestens mit der Schließung der Zünfte war die zuletzt von K. Adomeit, Über die Arbeit des Arbeitgebers, S. 266, beschworene sozial konstruktive Idee der gesicherten Entwicklung vom Lehrling zum Meister erschüttert. 734 Die Schließung teilte die Ambivalenz vieler Maßnahmen im leiherechtlichen System, vgl. Kap. 2 II 3: Sie diente einerseits dem Schutz der privilegierten Handwerker vor Existenznot, C.L. Stock, Die Gewerksgilden, Innungen u. Hw.svereine, S. 29, und andererseits dem Interesse des Privilegierenden an einem leistungsfähigen und abgabenkräftigen Handwerk, O. Bessenrodt, Burgdorfer Hw., S.9: Privileg für die Stettiner Goldschmiede Mitte 16. Jh., G. Stephani, Die Goldschmiedezunft in Stettin, S. 4: "Und daß sich dieses Ampts Gildebrüder in diesem weru desto /üglicher ernähren möchten und dieser Stadt bürden neben andern Bürgern und Einwohnern könnten tragen und ausrichten helfen, So wollen wir ein Erbarer Rath ..., daß ihrer hin/ort in ihrem Ampte in der Zahl nicht mehr denn Acht Meister alhier sein sollen. • Zur Schließung als gemeinwohlorien-
III. Voraussetzungen für die Ausübung eines zünftischen Gewerbes
157
schloß135, unterfiel sie der der Zunft dezentralisierend verliehenen Administrativkompetenz. Selbst in Nürnberg als Stadt ohne Zünfte findet sich die Schließung von Handwerken. 136 Sie beruht hier nicht auf der Ausschaltung zünftischer Gruppenegoismen durch den Rat, sondern auf denselben sozio-ökonomischen Verschiebungen wie in aUen anderen Städten. 131 AuffaUend ist der Umstand, daß in den geschlossenen Zünften die Ableistung einer festgelegten Wanderzeit für die GeseUen als Voraussetzung der Zulassung zur Meisterschaft nicht gefordert wird. 138 Daraus darf zumindest die Tendenz einer paraUelen Zielrichtung von Schließung und Wanderzwang entnommen werden. Die Ordnung der Münchner Buchbinder von 1599 faßt die Motivation zur Anordnung der Wanderpflicht zusammen: "Damit das Handwerck nit mit gar zu vilen Maistern übersetzt werde ..., So soll einer nach auslernung des Handwercks drey jar wandern ... und etwas künstlichs ergreifJen. ''739 Zwei Komponenten determinieren mithin den Wanderzwang: die Entlastung des heimischen Arbeitsmarkts und der der historischen Funktion der GeseUenwanderschaften entsprechende Gesichtspunkt der TechnikvervoUkommnung. 140 Er ist noch bestimmend, wenn zunächst eine Verpflichtung zum Wantierter Maßnahme H. Gutzwiller, Die Zünfte in Freiburg i.Ue., S. 22; J. Weiter, Studien zur Geschichte des hamburgischen Zunftwesens, S. 57; H. Zatschek, Aus der Vergangenheit des dt. Hw.s, S. 56. AA. H. Lentze, Hw., Sp. 1979. 135 Beschluß des Augsburger Rats vom 6.0kt. 1541, P. Dirr, Studien zur Geschichte der Augsburger Zunftverfassung, Anlagen Urk. Nr.44: Es "ist den erbern von kürschnern ... vergonnt, ir zunft ze sperren bis uf ains ersamen rats widerrufen, ausserhalb deren, die's ererben oder erheyraten, den ist sie nit gesperrt".
136 H. Lentze, Nürnbergs Gew.verfassung im MA, S. 243. 131 AA. H. Lentze, Nürnbergs Gew.verfassung des SpätMAs, S. 605, 614. 138 Die einzige Ausnahme scheinen die Lüneburger Hutmacher zu machen. Obwohl ihr Amt 1505
geschlossen worden war, Kap. 2 Anm. 733, wird im Hutmacherbundesbrief der Städte Lübeck, Hamburg, Lüneburg etc. vom 24. Feb. 1574, ZU Stadt Lüneburg 13 Nr. 3 (S. 116), eine zweijährige Wanderzeit gefordert: "woll sick ok in desser vaken genanten steden nedder to selten gedenket, schall vorerst twee jare wandern, so wol des meisters sone als de frombde". Allerdings ist zu berücksichtigen, daß der Bundesbrief auf die lokalen Lüneburger Besonderheiten gerade keine Rücksicht nimmt.
139 O. der Münchner Buchbinder von 1599 Art. 15 u.16, K. Rumpf, Vom "ehrsamen" Hw., S. 67. 140 R. Berleung, Entwicklungsgeschichte des Arbeitsvertrags, S. 14; R. Listl, Die Ingolstädter Hw.erverbände, S. 70; R. Rösler, Beitrag zur Geschichte des Zunftwesens, S. 67. Ausschließlich auf die Weiterqualiftkation stellen ab: R.S. Elkar, Umrisse einer Geschichte der Gesellenwanderungen, S. 91; C. Jensen, Von Hw.sämtem im Kreise Plön, S. 120; G. Juen, Die Kappier Zunft der Maurer, Steinmetzen, Steinhauer u. Zimmerleute, S. 79; L. Kurz, Das Hw., S. 14; L. Lauppe, Die Hanauer Hw.erzünfte, S. 243; H. Molitor, Handel u. Gew. in Recklinghausen, S. 58; H. Moser, Die Steinmetz- u. Maurerzunft in Innsbruck, S. 162; O. Pisot, Hw. u. Zünfte im alten Oberehnheim, S.82; C.G. Scharold, Zunft-Chronik aller Gew. u. Hw.e in Würzburg, S. X; F. Windisch, Die Hw.sorganisation des MAs, S. 80; K. Ziegler, Das Zunftrecht der Freien Reichsstadt Reutlingen, S. 100 f.
158
Kap. 2: Das Gewerbe der Zunftzeit
dem nur für den Fall des Nichtbestehens der Meisterprüfung angeordnet wird. 741 Der reine Wanderzwang findet sich erst mit dem Beginn der wirtschaftlichen Krise seit der zweiten Hälfte des 15. JhS.742 Frühester Beleg ist die Ordnung der Schuhmacher und Lohgerber der Altstadt Brandenburg vom 30. Apr. 1424, die allerdings nur in einer wesentlich jüngeren Kopie überliefert ist, so daß ihre Authentizität nicht ganz unzweifelhaft ist 743 Ihr folgt erst die Bruderschaftsordnung der Steinmetzen von 1459.744 Daneben lassen sich für das 15. Jh. nur drei weitere Nachweise anführen. 74S Im 16. und 17. Jh. hingegen läßt sich eine Wanderpflicht in insgesamt 52 Gewerben belegen. Im Durchschnitt von über 290 Belegen des 15. bis 17. Jhs. betrug die durchschnittliche Wanderverpflichtung 2,7 Jahre. Die von Huth für die Herbomer Wollenweberzunft getroffene Feststellung, eine Verlängerung der Wanderzeit über die Jahrhunderte sei nicht konstatierbar 746, läßt sich auf die allgemeine Entwicklung nicht übertragen:
Allein die Nachwuchsreduzierung für maßgebend halten E. Basner, Geschichte der dt. Schmiedebewegung, S.15; M. Breuer, Die Weiß- u. Sämischgerberei in Breslau, S.119; F. Gause, Die Geschichte der Stadt Königsberg in Preussen, S.103; K. Hoyer, Das Oldenburger BäckerGew., S.253; M. Jung, Wirtschaftsverfassung u. Verwaltung der Freien Reichsstadt Speyer, S.96; H. Lenzen, Lehrlinge u. Geselien, S.217; O. Schmolitzky, Hw. u. Zünfte im alten Jena, S.20; F. Steck, Das Münchner Loder- u. TuchmacherGew., S. 36. M. Fiemming, Die Dresdner Innungen, S.4, hat auf die Bedeutung des Wanderzwangs für eine reichsweite Angleichung des Zunftrechts hingewiesen.
741 O. der Schuster zu LÜDeburg von 1389, ZU Stadt Lüneburg 28 Nr.1 (S.229): wOk schal he maken 5 par scho ..., dar men by prolle sine kunst. Were he nicht nogehaftich in der kunst, so scholde he noch ein jar wanderen, dat he nogehaftich worde". 742 Vgl. H. Entholt, Vom altbremischen Hw., S.13. Er konnte daher keinen Einfluß auf die Entstehung der wesentlich älteren Geselienherbergen haben; aA. H. Lentze, Geselle, Sp. 1603. 743 C. d. Brandenburgensis I 9, S. 121 ff. (122): "Es soll auch ein frembder ... beweisen, das er ... vier Jahr gewandert habe. • Keinen Zweifel an der Ursprünglichkeit dieser Regelung hat C. Faulhaber, Über Handel u. Gew. der beiden Städte Brandenburg, S. 12. 744 O. Hüttenbund Steinmetzen von 1459 Art. 75: "kein meister noch werckmann sol auch keinen diener ... zu Ballierer nit machen er hab dann vor ein jhar gewandelt". Zur gebietsmäßig nicht begrenzten, Meister und Gesellen umfassenden Bruderschaft der Steinmetzen A. Luschin v. Ebengreuth, Das Admonter Hüttenbuch, S.168 ff., 227 ff.; V. Segers, Studien zur Geschichte der dt. Steinmetzenbruderschaft, S. 32 ff. 74S O. der Kammacher und Bürstenbinder zu Wien von 1472, H. Zatschek, Hw. u. Gew. in Wien, S.177; O. der Maler und Glaser zu Krakau von 1490, Zunft- u. Verkehrs-O.en Stadt Krakau, S.57 ff. (58); o. der Mainzer Goldschmiede 15. Jh., S. Bösken, Die Mainzer Goldschmiedezunft, S. 6. Keineswegs also war der Wanderzwang bereits im 15. Jh. üblich, wie W. Fresacher, Vom Hw. in Villach, S.314, und C. Lausberg, Beiträge zur Geschichte des KerzenmacherGew.s, S.78, annehmen.
746
E. Huth, Die Wollenweberzunft in Herbom, S. 48.
159
III. Voraussetzungen für die Ausübung eines zünftischen Gewerbes
Tabelle 7 Vergleich der WanderverpDichtungen über die Jahrhunderte wanderverpflichtung in Jahren
8
7
6
5
4
2,9
3
2
0 ••••••••••••••••••••••••••• 0 ••••••••••••••••••••••••••• 0
16.
(15. )
17.
Jahr-
hundert
+ - - - + MaxiIralwert ]I;
l(
0 ...••••• 0
Durchschnittswert
MiniIralwert
Der Verlauf der Graphen läßt deutlich werden, daß neben eine stetige Steigerung der durchschnittlichen Wanderverpßichtung eine ständige Erhöhung der Maximalwerte tritt; die Reaktionen auf die sich verschärfende Konkurrenzsituation werden optisch nachvollziehbar. Zur Unterstützung soll eine Darstel-
160
Kap. 2: Das Gewerbe der Zunftzeit
lung der relativen Häufigkeit der einzelnen Wanderzeiten über die Jahrhunderte herangezogen werden: TabelleB Relative Häufigkeit der einzelnen Wandeneiten über die Jahrhunderte llelative Häufigkeit in , 80
70
60
,0
50
41,8
_..Je
40
30
---
20
9,4
10
.......
.......5if.? .. .................. .
16.
(15. )
x
,.,
.....
····x
17.
Jahr-
hundert
x 1-2jährige wanderzeit
x-----x 3-4jährige Wanderzeit
x .•••••••• x wanderzeit
Uber 4 Jahre
Während der Anteil der kurzen Wanderverpflichtungen stark abnimmt, wird der der längeren und sehr langen kontinuierlich größer. Ein gewisser Trend zur
III. Voraussetzungen für die Ausübung eineszünftischen Gewerbes
161
Nivellierung wie bei den Lehrzeiten ist jedoch unverkennbar, wenn man den zunehmenden Anteil der um den Durchschnittswert gruppierten zwei- bis vierjährigen Wanderzeiten betrachtet: 747 Tabelle 9 Relative Häufigkeit der zwei- bis vierjährigen Wanderverpftichtungen über die Jahrhunderte Relative Häufigkeit in %
100
90
80
70
60
50
52,0
40
I
(15. )
I
16.
I
17.
Jahrhundert
Die Frage, ob sich die zweite historische Wurzel des Wanderzwanges, das von Gewerbe zu Gewerbe differierende weiterqualifizierende Gesellenwandem, in unterschiedlichen Wanderzeiten fortgesetzt hat, soll die folgende Tabelle beantworten helfen:
747
Zur Nivellierung bei den Lehrzeiten im 17. Jh. Kap. 2 III 1c.
2
3
4
5
6
7
8
\
~
\
,
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\
I
I
I
I
I
\
\
3,3
I
..0...... ·0.
3.4
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I
I
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111. Das Gewerberecht unter dem Absolutismus
291
stimmte die Ablegung einer Prüfung ohne inhaltliche SpeziflZierung.33s Der Steigerung der Motivation zur Qualifizierung diente es hingegen, wenn sich der Lehrling nach der Hälfte der Lehrzeit freiwillig einer Prüfung unterziehen konnte, deren Bestehen ihn von einem Teil der Wanderzeit befreite. 336 Die badischen Maurer- und Zimmerergesellen hatten nach der Lehre noch ein Jahr lang die Zeichenschule in Karlsruhe oder Durlach zu besuchen, sofern sie dies nicht schon während der Lehrzeit getan hatten. 337 Der von allen freigesprochenen Lehrlingen gebildete Gesellenstand sollte eine einheitliche Qualifikationsphase bleiben; in dieser Hinsicht vorgenommene eigenmächtige Differenzierungen wurden verhindert. 338 Das qualifIZierende Substrat der Gesellenausbildung, die Wanderschaft, wurde generell angeordnet, ''Weil durch das wohlanwendbare Wandern der Gesellen die Handwerker ihre wahre Kunstgeschicldichkeit erst vorzüglich erlangen"339. Als 335 ALR 11 8 § 323: "Nach geendigter Lehrzeit, muß der Meister den Lehrburschen der versammelten Zunft, zur Prüfung und Aufnahme als Geselle, vorstellen." 336 Badisches General-Reskript vom 24. Okt. 1764, Corpus Juris Opificiarii, S. 256 f.: "Würde auch hiernächst ein Lehrling in der Hälfte seiner Lehrzeit die Prüfung der in seinem Handwerk erlangten Wissenschaft verlangen, so soll ... derselbe zu Fertigung eines nach der Möglichkeit des von ihme zu vermuthenden Begriffes abzumessenden Probstückes ••• angewiesen ••• werden, wo sodann ein solcher währender Lehrzeit geprüfte und ... gut befundene Lehrjung künftig den ohnentgeldlichen Nachlaß eines halben Jahres an der sonst geordneten Wanderzeit zu gewarten haben solle. • 337 Badisches Generaldekret vom 29. Jan. 1768, Corpus Juris Opificiarii, S. 259 f.: "Es wird hiedurch verordnet, daß alle die, so das Maurer- und Zimmer-Handwerk lernen, wann dieses in Carlsruhe oder DurIach geschiehet, die daselbst errichtete Zeichnungs-Stunden ohnfehlbar frequentiren, und auch, wann sie an einem andern Orte im Lande lernen, gehalten seyn sollen, ehe sie aufs Wandern gehen, sich ein Jahr anhero oder nach DurIach in Arbeit zu begeben, um in solcher Zeit noch das erforderliche in der Zeichnungs- Kunst erlernen zu können. • 338 Österreichische VerO. vom 1. Sept. 1753, Supplementum Codicis Austriaci, S. 801 f.: ·Unter den •.. Handwerksmißbräuchen sey auch jener beobachtet worden, welchen die Sc~chte eigenmächtig ••• durch den zwischen ihnen und den sogenannten Lohnjungen machenden ungeziemenden Unterschied eingefohret, da nämlich ein ausgelernter Jung so lang für keinen Schuhknecht von den ältern Gesellen geachtet wird, bis derselbe sich in der Arbeit also hervorthut, daß er gleich den älteren damit fortkommen könne ••• Wie nun ... den Meistern •.• aufzuerlegen, daß, sobald ein Jung freygesprochen, sie zwischen einem solchen neuen und einem älteren Gesellen keinen Unterschied mehr machen, ... wohl aber befugt seyn sollen, sowohl dem jüngeren als dem älteren Gesellen einen hähern oder geringern Lohn in Vergleich dessen zu accodiren, wie dieser oder jener eine bessere oder mehrere, und respective eine geringere oder schlechtere Arbeit zu verfertigen fähig ist. " 339 Bayerische VerO. vom 20. März 1783 Art. 10, Sammlung Kurpfalz-Baierischen LandesVerO.en 4 T. 5 Nr. 129; vgl. braunschweig-lÜDeburgische VerO. vom 26. Sept. 1692 Art. 4, Privilegia der Heinrich-Stadt, S.14O ff.: ·So sol auch ein solcher Geselle dessen Kunst oder Handwerck eine mehrere Uebung und Experience erfordert ... zur Meisterschafft nicht zugelassen werden er habe dann auff solche seine Kunst oder Handwerck und zwar nach deren Beschaffenheit zwey drey oder mehr Jahr gewandert."j schleswig-holsteinische Verfügung vom 29. März 1745, Corpus Constitutionum Regio-Holsaticarum, S. 761 f. (762): ·Daß die Wander-Jahre auf dem, in den allergnädigst confirmirten Innungs-Articuln einer jeden Zunft, verordneten Fusse, hinkünftig aufs genaueste
292
Kap. 3: Die Einflußnahme des territorialstaatlichen Gesetzgebungsanspruchs
Wanderziele sollten vornehmlich Hochburgen der handwerklichen Arbeit gewählt werden, weIche eine tatsächliche Weiterqualifikation zu gewährleisten schienen. 340 Die Oetting-Oetting und Oetting-Spielbergische Wanderordnung vom 29. Mai 1785 etwa legte für jedes einzelne Gewerbe die zu erwandernden Orte genau fest3 41 Beherrschend ist der Gesichtspunkt des Technologietransfers noch bei der Anordnung, die Wanderschaft möglichst weit zu führen. 342 Er tritt beobachtet, und solche bey denjenigen Handwerks-Zünften, die enJweder keine bestätigte Amts-Articuln haben, oder in deren confirmirten Amts-Articuln desfalls nichts versehen seyn möchte, dergestalt introduciret werden sollen, daß die aus der Lehre tretende Gesellen, ehe sie sich als Meistere niederlassen können, ... wenigstens ein Jahr ... zu wandern haben"; Fürst. Sächß. Altenburgische Landes-O. von 1705 Tit.34 (S. 235 f.): "Der so seine Lehr-Jahre auf seinem Handwerck erfüllet und ledig gezehlet worden soll ehe nicht zur Meisterschafft gelangen können er habe denn zuvor ... in seiner Wanderschafft ... die Zeit erfüllet ... damit die Handwercker mit zu vielen und unkundigen unversuchten Meistern nicht übersetzet werden. "; Nassau-Catzenelnbogische Policey-O. von 1711 T.2 Cap. 2 Art. 1: Es soll keiner "zu Meister auf und angenommen werden ... er habe dann zuvorderst ... ein Jahr oder zwey nach Gelegenheit auf sein Handwerck gewandert". Die von W. Köhlmeier, Das Hw. u. seine Zünfte, S.422, für Vorarlberg konstatierte Tendenz gegen den Wanderzwang bestätigt sich mithin insgesamt nicht; schon gar nicht verboten die Landesherrn wenn möglich das Gesellenwandern, wie I. Holzhey, Die Zünfte im Kampf mit den Landesfürsten, S. 78, behauptet. 340 O. für die Gilden im Herzogtum Braunschweig und Fürstentum Blankenburg vom 4. März 1765 Tit. V § 20, Corpus Juris Opificiari~ S. 189 ff.: "Ein Geselle, welcher das Meiste"echt demnächst zu erlangen gedenket, soll geordnetermassen an berühmte Oerter wandern, um in der Erfindung und Verfertigung der Arbeit immer geschickter zu werden",' badisches Generalreskript vom 16. März 1765, Corpus Juris Opificiari~ S. 258 f.: "Als verordnen Wir hiemit gnädigst, daß fürterhin ... die geordnete Wander-Jahre nicht bei denen aufDörfern sich befindenden Meistern, sondern in Städten und vorzüglich entweder dahier in Carlsruhe, ... oder Strasburg, Stuttgard, Mannheim, Maynz, Würzburg, Dresden, Berlin zu erstehen"; GeneralzunftO. des Fürstentums Nassau-Oranien vom 10.0kt. 1779 Art. 14, A. Eckhardt Die staatliche Zunftpolitik in Nassau-Oranien, S. 106 ff.: "Hat nun ein Junge seine Lehrjahre ordentlich ausgehalten, so soll ... Unser Beamte und der Altmeister ... ihn zugleich anweisen, daß er ... wenigstens zwey Jahre an berühmte Orte außer Land (wovon ihm die vor sein Handwerk am besten seyende anzuweisen sind) wandern müsse." Nach Art. 13 der O. der "zinnernen" Knopfmacher zu Neumarkt und Glaucha von 1689 sollte der Ausgelernte zwei Jahre in Nürnberg oder Hamburg "auf der Kunst" arbeiten, "damit tüchtige Ware gemacht würde", W. Schmidt, Die Geschichte des Innungswesens der heiden Amtsstädte, S. 74. Zum tatsächlichen Wanderverhalten der Gesellen H. Bräuer, Wandernde Hw.sgesellen um die Mitte des 17. Jhs., S. 78 ff.; R.S. Elkar, Wandernde Gesellen in u. aus Oberdeutschland, S. 292 f.; H. Krüger, Die Gesellenwanderung des "französischen" Kupferstechers, S. 389 ff.; G. Masing, Riga u. die Ostwanderung, S.345 f.; M. Pieper-Lippe /0. Aschauer, Oherdt. BauHw.er in Westfalen, S. 119 ff.; H. Pönicke, Studien zur Wanderung sächsisch-thüringischer Hw.er, S. 9 Cf. 341 Corpus Juris Opificiarii, S. 419 Cf. Art.2-4: "In Ansehung der Wanderjahre und Orte hat jedes Handwerk sich genau nach denjenigen Vorschriften zu benehmen, welche in der am Ende angehängten Tabelle hierüber enthalten sind. Jedem, der sich nach seiner Zurükkunft ... legitimiren kann, daß er ausser Teutschland in grossen Städten bey berühmten Meistern gearbeitet, werden zwey solche Wanderjahre für seine ganze Wanderschaft angerechnet ... Imgleichen sollen jedem, der in großen Städten und bey berühmten Meistern innerhalb Teutschland gearbeitet, ... zwey in solchen Städten, und bey dergkichen Meistern erstandene Wanderjahre für drey gerechnet werden". 342 Csterreichische VerO. von 1783, Sammlung VerO.en u. Generalien Nr.47: "Auch ist jeder Gesell die Wanderungsjahre in entfernte Ortschaften außer seinem Geburtsorte zu verrichten schuldig".
III. Das Gewerberecht unter dem Absolutismus
293
jedoch zurück, wenn die aus den als Wanderziel angegebenen berühmten Handwerkszentren stammenden Gesellen von der Wanderpflicht befreit werden;343 hier steht das von neuen technischen Entwicklungen unabhängige tradierte Ansehen der Städte im Vordergrund 344. Insbesondere die zum Technol0gieimport finanziell fähigen größeren Territorien versuchten, dem Lande qualifizierte Arbeitskräfte und Fertigungstechniken durch ein Verbot des Wanderns außer Landes zu erhalten. 34s Umgekehrt mußte es für kleinere Territorien existentiell sein, Innovationen aus dem Ausland kostensparend zu erhalten. 34Sa Als Anreiz wird beispielsweise nach der Oettingschen Wanderordnung bei einer Wanderung in die technologischen Zentren bis zu 80 % der statuierten Wanderzeit nachgelassen. 346 In ÖSterreich ging von der Unterscheidung in die für eine exportorientierte Wirtschaftspolitik besonders wichtigen, für den auswärtigen Verkauf produzierenden Kommerzialgewerbe 341 und die den heimischen Bedarf deckenden Polizeigewerbe die Entwicklung aus, im Kommerzialbereich einen Technologieexport zumindest nicht zu fördem 348. Sie gipfelte in der Auf343 So die Gesellen aus Berlin, Potsdam, Frankfurt/O., Stenin, Magdeburg, Halberstadt und Königsberg, G.F.v. Lamprecht, Von der Kameralverfassung, § 117. 344 R.S. Elkar, Umrisse einer Geschichte der Gesellenwanderungen, S. 109. 34S Preußen: VerO. vom 9. Okt. 1738, CCM Continuatio prima 1738 Nr.43: 'Und da auch viele junge Leuthe, so ein Handwerck gelernd, unter dem Praetext der Wanderschafft ... in fremde Lande gehen, und wann sie alsdann etwas groß werden, niemahls wieder ins Land kommen, so soll dieses gleichfals verbothen werden',. preußisches Reskript vom 26. Nov. 1738, l.c. Nr. 49: .... daß denen Handwercks-Burschen gegen sichere Caution, sich nach 3. Jahren wieder eillZustellen, das Wandern in fremde Lande verstattet seyn soll",. ALR 1I 8 § 330: 'Die Wanderschaft soll in der Regel niemals außerhalbLandes gehn.' In Württemberg wurde das durch eine VerO. vom Apr. 1760 angeordnete Verbot des Wanderns außer Landes durch einen Vergleichsrezeß von 1770 wieder aufgehoben, L. Hoffmann, Das würnembergische Zunftwesen, S.51; zur Folge vgl. die O. der würnembergischen Flaschner vom 31. Ob. 1782, Sammlung württembergische Regierungs-Gesetze 3 Nr.I405 (S.974): 'Ein jeder der auf diesem Handwerlc Meister werden will, solle vordersamst nach überstandener Lehrzeit Drei Jahre ausser Lands ordentlich gewandert' sein. Nach § 12 der BergO. von 1669 durfte kein Schmied, Geselle oder Lehrling die Kunst des Breitschmiedens aus dem Gerichtsbezirk Olpe, Drolshagen und Wenden tragen, einen Ausländer darin unterweisen oder außerhalb dieses Teils des Herzogtums Westfalen schmieden, N. Scheele, "Gesperrte" Hw.e in Olpe, S. 5 f. 34Sa Zu dieser Unterscheidung E.J. Kulenkamp, Das Recht der Hw.er u. Zünfte, § 85. 346 Oening-Oening und Oening-Spielbergische WanderO. vom 29. Mai 1785, Kap. 3 Anm.341. Danach betrug die Wanderpflicht für Metzger 10 Jahre, welche sich bei der Wanderung ins nichtdeutsche Ausland auf zwei reduzieren konnte. Vgl. badisches Generalreskript vom 5. Nov. 1755, Corpus Juris Opificiarii, S. 267 ff.: Der Geselle hane nach bestimmten Städten zu wandern, wobei "ihme alsdenn ... eines vor zwey Wanderjahre gerechnet werden sollen". 341 Österreichisches Dekret vom 9. Apr./25. Sept. 1799, Sammlung VerO.en u. Generalien Nr.289: "CommerzialbeschiiJtigungen sind solche, welche für den auswärtigen Verkauf betrieben werden, und nicht für den Ortsbedarf bestimmt sind. "
348 Österreichisches Dekret von 1780, Sammlung VerO.en u. Generalien Nr.45: "Die Gesellen bei Kommerzialgewerben dürfen nicht zur Wanderung außer Landes verhalten ... werden".
294
Kap. 3: Die Einflußnahme des territorialstaatlichen Gesetzgebungsanspruchs
hebung der Wanderptlicht bei den Kommerzialgewerben, welche schließlich auf die Polizeigewerbe ausgedehnt wurde. 349 Dem nunmehr primären Qualifikationscharakter des Wanderzwangs entsprach es, die Begünstigung der Angehörigen von Handwerkern zu untersagen. 3SO Nichtsdestoweniger fanden sich weiterhin Erleichterungen für Meistersöhne.3S1 In Württemberg wurde sogar die im 17. Jh. noch die Regel bildende Erstreckung der Wanderptlicht auf die Meistersöhne zur Ausnahme. 3S2 Die Begründung, es werde "eines Meisters Sohn ... gemeiniglich mehr als einem fremden Jungen anvertrauet und gewiesen'~ dürfte in ihrer Allgemeinheit hinter den zünftischen Versorgungsgedanken, "um den Seinigen besser unter die Arm zu greiffen", zurücktreten. 353 Charakteristisch ist das Verhalten gegenüber dem 349 Zirkulare vom 5. Feb. und 12. März 1780, K. Pribram, Geschichte der österreich ischen Gew.politik, S. 331 f. Insoweit ist C. Böhle, Die Idee der Wirtschaftsverfassung, S. 121, zuzustimmen, wenn sie eine Tendenz zur Gewerbefreiheit von den KommerziaIgewerben ausgehen sieht. 350 Reichsschluß wegen der Handwerkermißbräuche vom 4. Sept. 1731 Art. 13 Nr.7, Sammlung Reichs-Abschiede 4 Nr. 137/138: "Befindet sich ..., daß hin und wieder auch folgende Unordnungen und Mißbräuche eingeschlichen, als ..• entgegen denen Meister-Söhnm des Orts, wie auch denen Jungen, so Meisters-Wittiben oder Töchter heyrathen, verschiedenes zum Vortheil in Verkürtzung der Wander-Jahre, .•• zu nicht geringen Schaden des hierdurch mit schlechten Handwerclcs-Leuten beladenen gemeinen Wesens, zugestanden und nachgesehen werden will; ... (dies soll) aller Orten abgestelid ... werden"; preußische GeneraIprivilegien Art. 5, hier nach dem Generalprivileg für die Garnweber in der Mark Brandenburg vom 14. Apr. 1734, CCM V 2, 10 Anhang Nr. 1: "Ubrigens verordnen Wir hiermit in Gnaden, daß, so viel ... wegen der Wander-Jahre festgesetzet worden, ••• unter einem Fremden, oder Einheimischen und Meisters-Sohne, oder der eines Meisters Tochter oder Witwe heirahtet, gar kein Unterscheid gemacht werden, sondern einer wie der ander zu Erlangung des Meister-Rechts sich geschickt machen solle."; badisches GeneraIreskript vom 1. Feb.1752, Corpus Juris Opificiari~ S. 262 f.: "Ob nun gleich hierbei die Ursache (der Befreiung der Meistersöhne vom Wanderzwang) diese seyn mag, daß dergleichen Personen, durch den tiiglichen Umgang mit ihren Eltern eine nähere Einsicht in die HanJwerks-Uebungen zu nehmen Gelegenheit haben; So lehret jedoch die tägliche Erfahrung, daß se/bige meistentheils die allerschlechtesten Handwerksleute abgeben; Und dieses beweget Uns, den Unterscheid des Wanderns zwischen Fremden und Meisters-Söhnen dergestahen hiermit gänzlich ... aufzuheben"; Zunftreform der Grafschaft KatzeneInbogen von 1780, T. Ernst, Wirtschaftliche Verhältni$C der Niedergrafschaft KatzeneInbogen, S. 99. 351 So in der Oetting-Oening und Oetting-Spielbergischen WanderO. vom 29. Mai 1785, Corpus Juris OpifiCiarii, S. 419 ff.(430 ff.). 352 Für das 17. Jh. Kap. 3 Anm. 205. Im 18. Jh. galt der Wanderzwang in vollem Umfang für Meistersöhne nach den O.cn der Färber vom 30. Mai 1706, Sammlung Hw.s-O.en Hertzogthum Würtemberg, S. 185 ff.( 207), Ipser u. Tüncher vom 20. März 1719, l.c., S. 357 ff. (370), SaIpetersieder vom 20. Juli 1747 Art. I, l.c., S.801 ff.; Erleichterungen sahen vor die O.en der Bortenwirker vom 9. März 1701 Art. 6 §§ 11,12, l.c., S. 75 ff., Buchbinder vom 10. März 1719, I.c., S.131 ff.(137), Kaminfeger vom 16. Juni 1720, I.c., S.151 ff. (160), Lichtermacher u. Seifensieder vom 14. Sept. 1750, I.c., S.551 ff.(555), Perückenmacher vom 26. Nov. 1717 Art. 11, l.c., S. 739 ff., Rotgerber vom 24. Apr. 1718, I.c., S. 757 ff. (760), Seiler vom 14. Mai 1753, I.c., S. 783 ff.(788), Sattler vom 24. März 1700, I.c., S. 829 ff. (832), Tuchscherer vom 13. Nov. 1721, I.c., S. 3015 ff. (3019 f.), Weber vom 10. Dez. 1720, I.c., S. 3031 ff. (3042). 353 Württembergische SattlerO. vom 24. März 1700, Sammlung Hw.s-O.en Hertzogthum Würtemberg, S. 829 ff.(832).
III. Das Gewerberecht unter dem Absolutismus
295
Bemühen anderer Territorien, mit dem Verbot der Mutzeit jedes Versorgungselement aus der Gesellenzeit auszuschließen. Der Reichsschluß von 1731 sah wie das Reichsgutachten von 1672 vor, daß "der Mißbrauch ..., daß kein junger Meister, ob er schon auf seinem Handwerck viele Jahre gewandert, gleichwohl das Handwerck nicht treiben darf, biß er gewisse Jahre an dem Ort gewohnet, und die so genannte Bruderschafft etliche Jahre besuchet, ... bey denen Herrschafften und Obrigkeiten ... aller Orten abgestellet ... werden" sollte. 354 Zahlreiche Territorien setzten diese Forderung legislatorisch um. 35S In Preußen und im Fürstentum Nassau-Oranien wurde die Mutzeit zwar abgeschafft, jedoch hatte derjenige, der keine Kundschaft vorweisen konnte, durch eine halbjährige Arbeit am Ort seine persönliche Zuverlässigkeit zu erweisen. 356 Ähnlich diente im Fürstentum Bayreuth das Mutjahr zum Nachweis der vollbrachten Wander-
354 Reichsschluß vom 4. Sept. 1731 Art. 13 Nr. 7, Sammlung Reichs-Abschiede 4 Nr. 137 / 138; Reichsgutachten vom 3. März 1672 Art. 13 Nr. 7, Das Teutsche Reichs-Archiv, S. 551 ff. 355 Kursächsische Generalinnungsartikel vom 8. Jan. 1780 Cap.3 Art. 5, Sammlung Landesgesetze Policey- u. Cameralwesen Nr.23: "Die Muthzeit ... wird hierdurch ... gänzlich aufgehoben, indem geschickten Arbeitern die Erlangung des Meiste"uhts ehender auf alle Weise zu erleichtern, als zu erschweren, mithin auch aller unnöthiger Zeitverlust dabey abzuschneiden ist. "; ZunftverO. des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken vom 13. Juli 1784 Art. 14, P. SchichteI, Das Recht des zünftigen Hw.s im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, S. 276 ff.: "Von den Muthjahren bleiben einheimische sowohl, als fremde gänzlich befreit."; O. für die Gilden im Herzogtum Braunschweig und Fürstentum Blankenburg vom 4. März 1765 Tit. 2 § 3, Corpus Juris OpiflCiarii, S. 189 ff.: "Das sogenannte Einmuthen ... wird hiemit gänzlich aufgehoben."; hessisches Zunftreglement vom 21. Nov.1730 Art. 1, Sammlung Fürstlich Hessischer Landes-O.en 4 Nr.l026: "So wird solches, insonderheit die Muth-Jahre verhotten"; Dekret des Wormser Rats vom 9. Dez. 17CJ7, H. Fischer, Das Wormser Zunftwesen, S.235: "Was Unordnung ... eine zeitlang dahero entstanden, daß die Zünftigen die jungen fremden Handwerksleute, so sich allhier bereits niederzulassen willens gewesen ..., so sehr an die hergebrachten Arbeitsjahre binden und deren keinen, er habe dann zuvor bei einem oder zwei Meistern seine drei Jahre ausgehalten, zum Zunftrecht gelangen lassen wollen ...dieses nun als höchst schädlich künftighin abzuwenden, hat ein ehrsamer Rath ... seinen Schluß dahin zu erteilen, daß künftighin obgemeldte Arbeitsjahre durchgehend bei den löblichen Zünften sollten abgethan ... sein".
356 Preußische Generalprivilegien Art. 2, hier nach dem Generalprivileg für die Garnweber in der Mark Brandenburg vom 14. Apr. 1734, CCM V 2, 10 Anhang Nr. 1: "Sol keiner, so Meister werden wil, und seines Wolverhaltens wegen gute Kundschaft oder Attestata aufzuweisen hat, schuldig seyn, vorhero noch aufs Jahr, wie sie es nennen, zu arbeiten; Derjenige aber, dem es an jetztgedachtem Zeugnüß seines Wolverhaltens fehlet, sol an dem Ort, wo er Meister werden will, vorhero noch als Geselle ein halbes Jahr arbeiten, damit trUln seiner ehrlichen Aufführung halber einiger trUlssen versichert seyn könne; Ausser diesem Fall aber werden die vorhin übliche ... Muht-Jahre hierdurch gäntzlich abgeschaffet und verboten. "; GeneralzunftO. des Fürstentums Nassau-Oranien vom 10. Okt. 1779 Art. 23, A. Eckhardl, Die staatliche Zunftpolitik in Nassau-Oranien, S. 106 ff.: "Es soll auch ein solcher Meister, welcher seines Wohlverhaltens wegen gute Kundschaften oder Zeugnisse aufzuweisen hat, annoch ... auf das Jahr zu arbeiten nicht schuldig seyn; wohergegen derjenige, welchem es an eben gedachten Zeugnissen fehlet, erst an dem Ort, wo er Meister werden will, ein halbes Jahr als Gesell zu stehen hat, um seiner ehrlichen Aufführung einigermaßen versichtert zu werden. " 20 Ziekow
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Kap. 3: Die Einflußnahme des territorialstaatlichen Gesetzgebungsanspruchs
zeit,3S7 die allerdings üblicherweise durch die Kundschaften zu belegen war 3.58. Reichsweit war das Mutverbot dennoch nicht durchsetzbar. 359 Insbesondere in Württemberg, aber auch in anderen Gebieten wurde bis ins letzte Drittel des 18. Jhs. hinein das System der Mutzeiten mit den überkommenen Befreiungen beibehalten. 360 Der Durchschnittswert aus über 140 territorialen Regelungen der Wanderpflicht im 18. Jh. beträgt 3,7 Jahre und liegt damit weit über den 2,9 Jahren der Zunft- und den 3,2 Jahren der württembergischen Landesordnungen des 17. Jhs. Auffällig ist dabei die Differenz zwischen den durchschnittlich 3,0 Jahren in Preußen bzw. 3,2 Jahren in Württemberg und den 4,6 Jahren in Baden bzw. 4,9 Jahren in Oettingen. Berücksichtigt man aber, daß die extrem langen Wanderzeiten in Baden und Oettingen nur dann Geltung erlangten, wenn nicht eines der aufgelisteten handwerklichen Zentren angewandert wurde, so ergibt 3S7 Fürstlich bayreuthisches Ausschreiben vom 30. Juli 1746 Art.3, Corpus Juris Opificiarii, S. 406 Cf.: "Niemand in das Hand-Werk einzunehmen, es habe dann derselbe ohne Unterscheide, er sey ein Fremder oder Meisters Sohn, oder der eine Meisters Wittwe und Tochter heurathet, die in der Ordnung determinirte Wander-Zeit ... vollbracht ..., dann zu dessen actualen Beweis das MuthJahr gearbeitet".
358 Fuldaische PolizeiverO. von 1784 Art. 7, Corpus Juris Opificiarii, S. 317 ff.: "Die Wanderjahre ... sollen ... nach den ... Kundschaften gerechnet ... werden, ob der Gesell wirklich drey Jahre lang auf seinem Handwerk gearbeitet habe". 3S9
VgI. L. Ziehner, Zur Geschichte des kurpfälzischen Woll-Gew.s, S. 94.
360 Württembergische O.en der Bortenwirker vom 9. März 1701 Art. 4 §§ 3, 5, Sammlung Hw.sO.en Hertzogthum Würtemberg, S. 75 Cf.: "Da er nun also in die Muth.Jahr eingeschrieben, muß er zw"'}' Jahr b"'}' einem Meister .n aneinander arbeiten ... Doch solle kein Meisters-Sohn, oder auch ein anderer Gesell, so eines Meisters Wittib oder Tochter heurathd, zu denen Muth.Jahren gehalten ... seyn."; Strumpfweber vom 25. Feb. 1750, I.c., S.2041 ff. (2051): "Ingleichem solle ein Fremder ZW"'}'- ein hiesig-gelernter aber nur ein Sitz-Jahr beständig hier arbeiten"; Weber vom 10. Dez. 1720, I.c., S. 3031 ff. (3056f.): "Wann ein Gesell ... in einerSltldt Meister ..• werden will, der solle b"'}' einem ehrlichen Meister darinnen ZW"'Y Jahr lang ehrlich und redlich arbeiten ... So aber ein fremder Gesell eine Wittib ... oder eine Meisters-Tocher heurathen sollte, •.. der solle ... der Sitz-Jahr ... befr"'}'t s"'}'n". Zur Rechtfertigung behaupten EJ. Kulenkamp, Das Recht der Hw.er u. Zünfte, § 96, und J.F.C. Weisser, Das Recht der Hw.er, S. 156f., unzutreffenderweise, der Reichsschluß von 1731 habe sich nicht gegen die Mutjahre an sich, sondern nur gegen überlange Fristen gerichtet. Schüz, Die alt-württembergische Gew.-Verfassung, S.269, erkennt nicht, daß die württembergischen Mutzeitregelungen der Reichsgesetzgebung zuwiderliefen. Badische allgemeine ZunftO. vom 25. Okt. 1760 Art. 37, Corpus Juris Opificiarii, S.225 ff.: "Ist es mit den Muth-Jahren also zu halten, daß bei denen Handwerlcern, wo die Muth-Jahre hergebracht sind, ror der Meister-Annahme ein Ausländischer ein Jahr, ein Lands-J(jnd, welches nicht aus dem nehmlichen Ort gebürtig ist, ein halb Jahr versitzen, ein auaer dem Ort, doch in dem Land gebürtiger aber, so eines Meisters-Wittib heurathet, eben so, als ein aus dem nehmlichen Ort gebürtiger Meisters-Burgers- oder Hintersassen Sohn, der Muth.Jahre gänzlich befreiet seyn solle. • Die O. der Herborner Schuster, Rotgerber und Sattler vom 5. März 1779 verlangte zwei Mutjahre, M.v. Domarus, Die Herborner Zünfte, S.75 Anm.l07. In Worms bestätigte der Rat entgegen seinem Dekret von 1707, Kap. 3 Anm.355, die O.en der Säckler von 1713, Metzger von 1741 und Seiler von 1752, in denen eine Mutzeit ausdrücklich festgeschrieben war, H. Fischer, Das Wormser Zunftwesen, S. 235.
Iß. Das Gewerberecht unter dem Absolutismus
297
die bei der Befolgung dieser Vorschriften eintretende Reduktion auf die Hälfte der Wanderzeit in Baden bzw. auf zwei Jahre beim Wandern ins Ausland oder zwei Drittel der Frist bei der Wanderung im Inland nach der Oetting-Oetting und Oetting-Spielbergischen Wanderordnung361 Durchschnittswerte von 2,3 Jahren in Baden, 2,0 bzw. 3,3 Jahren in Oettingen und 2,6 bzw. 3,1 Jahren insgesamt Die Gruppierung um den in den preußischen Generalprivüegien einheitlich festgesetzten Mittelwert von drei Jahren 362 zeigt sich ebenfalls an den Extremwerten, die zwischen einem Jahr als allgemeiner Festsetzung 363 bzw. zwei Jahren für ein bestimmtes Gewerbe 364 und vier Jahren bei Einbeziehung aller Begünstigungen schwanken36S; läßt man die in Oettingen bei der Auslandswanderung einheitlich geWährte Venninderung auf zwei Jahre außer acht, so erhöht sich der Maximalwert auf 6,7 Jahre 366. Der für einzelne Gewerbe durchgeführte Vergleich mit den Regelungen der Zunft- und der württembergisehen Landesordnungen des 17. Jhs. deutet in die gleiche Richtung:
361 Kap. 3 Anm. 346 bzw. 341. 362 Preußische Generalprivilegien für die Handwerke in der Mark Brandenburg Art. 1, CCM V 2,
10 Anhang, nur im Privileg für die Schornsteinfeger vom 24. Nov. 1734 Art. 18, l.c. Nr. 24.
363 PO für das Herzogtum Magdeburg vom 3. Jan.l688 § 11, M. Meyer, Die Hw.erpolitik des Grossen Kurfürsten u. König Friedrich's 1., S. 94. 364 Preußische Privilegien für die Brauer und Bäcker in der Grafschaft Ravensberg vom 20. Feb. 1781 Art. 41, NCC VII 1781 Nr.8, sowie Maurer etc. dortselbst vom 9. Mai 1781 Art.41, l.c. Nr.20. 36S Wiirttembergische O.en der Bortenwirker vom 9. März 1701 Art. 6 § 11, Sammlung Hw.sO.en Hertzogthum Würtemberg, S. 7S ff., Buchbinder vom 10. März 1719, l.c., S.131 ff.(137). 366
Oetting-Oetting und Oetting-Spielbergische WanderO. vom 29. Mai 1785, Corpus Juris OpifiS. 419 ff.(432): Metzger.
ciari~
298
Kap. 3: Die Einflußnahme des territorialstaatlichen Gesetzgebungsanspruchs
Tabelle 24
Vergleich der Wanderzeiten in zünftischen und territorialen Regelungen des 17. und 18. Jhs.
Wanderzeiten in Jahren in den territorialen Regelungen des 18. Jhs.
Gewerbe
Württ.O.en 17. Jh. 361
Durchschnitt
Maximum
Minimum
A
A
B
A
B
Goldschmiede
2,5 2,7 3
3
2
2-3
Hutmacher
2,5 2,8 3
3
2
Kürschner
2,5 3,5 3
4
2
Schuster
2,6 3,5 3
5,3 2
Tischler
2,6 3,0 3
3,3 2
Bäcker
2,4 2,8 3
4
Schmiede
2,7 2,9 3
Fleischer
2,1 3,3 3
Schneider
2,8 3,6 3
5,3 2
Buchbinder
3,0 3,2 4
4
2
Gerber
2,8 3,6 4
4
Zimmerer
2,4 2,9 3
4
Drechsler
2,3 2,6 3
3
B
Zunftordnungen368 Durch- Maxischnitt mum
Minimum
1
4-5
3,5
6
2,7
3
3,4
4
2
3
3
3,3
8
2
2,5
4
2,7
4
2
2-3
3
2,7
4
2
2
3
2,5
5
1
3,3 2
2-3
3
2,0
3
1
6,7 2
2
2-3
2,0
3
1
3
3,9
6
2
2,7
2,8
4
1
2
3
2,8
3
2
2
2
2,5
4
1
2
2
2,5
6
1
2
A =bei Berücksichtigung aller Erleichterungen B =ohne die in Oettingen für Auslandswanderung gewährte Herabsetzung Die Abweichung der Durchschnittswerte in den territorialen Regelungen des 18. Jhs. von denen der Zunftordnungen ist mit 0,0 - 1,1 (0,1 - 1,3) Jahren geringer als die der württembergischen von den zünftischen Festsetzungen. 369
361
Kap. 3 11 3b Tabelle 20.
368
Kap. 2 111 2b bb Tabelle 10.
In Klammem die Werte bei Außerachtiassung der in Oettingen bei Auslandswanderung eintretenden Nivellierung. 369
III. Das Gewerberecht unter dem Absolutismus
299
Die Korrektur gegenüber dem Zunftsystem erfolgt mit Ausnahme der Schmiede, Fleischer und Buchbinder als Verminderung (mit Ausnahme der Kürschner, Schuster und Gerber zum Mittelwert von drei Jahren hin). Die allgemeine Tendenz zur Eliminierung von Extremwerten tritt erneut hervor, wenn im 18. Jh. die Maximalwerte durchschnittlich nur 158 % (163 %) der Minimalwerte gegenüber 311 % nach den Zunftordnungen betragen; die höchsten Wanderverpflichtungen erreichen 69 % (90 %) der zünftischen Maxima. Im kaufmännischen Bereich bestand eine Wanderpflicht lediglich für die württembergischen Kauf- und Handelsleute.370 Ansonsten war eine der Gesellenzeit im Handwerk entsprechende Dienstzeit zwischen zwei und sechs Jahren zu absolvieren,371 die durchschnittlich 3,0 Jahre dauerte. Hinsichtlich der Aufnahme als Meister wurde der Kampf gegen die kostspieligen überalterten Meisterstücke fortgesetzt,372 die grundsätzlich im Eigen-
370 Württembergische o. der Kauf- u. Handelsleute vom 11. Nov. 1728, Sammlung Hw.s-O.en Hertzogthum Würtemberg, S. 383 ff. (395): 'Nach ausgestamlenor solchor Lehr-Jahror verordnen Wir ferner, daß .•• jeder Lehr-Jung zuvor worigst drey Jahr zu reisor ... gehalten seyn solle. • 371 Generalprivileg für die Materialisten in der Mark Brandenburg vom 9. Aug. 1735 Art. 1, CCM V 2, 10 Anhang Nr. 50: 'Daß derjenige, welcher zum Mitbruder bey der Gülde der Materialisten alhier angenommor werden wil, ... wenigstens ... zwey Jahr als Handels-Diener, entweder alhier oder anderswo, bey einem ehrlichen uml unbescholtenen Materialisten gedienet' haben muß; Reglement für die Kaufleute zu Königsberg vom 16. Juli 1755 Art.1I § 2, NCC I 1755 Nr.49: •... vielmehr ist er gehalten, worigstens Sechs Jahr, ehe er zum Bürger-Recht auf den erlernetor Handel admittiret wird, zu comlitiOltiror". 372 Reichsschluß vom 4. Sept. 1731 Art. 12, Sammlung Reichs-Abschiede 4 Nr. 137 /138 : "Gleichwie auch mit mancher Hamlwercks-Gesellen verspürten grossen Schador uml Ruin gorugsam bekannt ist, daß dieselbe zum Theil sowol wegor Macht unJ Verfertigung unterschiedlicher gantz ungebräuchlich-kostbarer und unnützlicher Meister-Stücke, als dabey excedirenJer unnöthi· ger Unkostor in Zehrung u. Mahlzeitor ... in mehr Wege beschweret werden; Als solle eines jeden Orts Obrigkeit die DispositiOlI überlassor werden, nach Dero Gutbejimlor selbige abzuschaffen, uml ins kiinfftige vor dergleichen unnützliche Meister-Stücke •.. andere mehr nützliche zu w:rordnor'; preußisches Patent vom 6. Sept. 1723, CCM V 2,10 Nr. 67: Es wird verordnet, "daß hinführo bey denen Handwerckern uml Künstlern keine amlere als solche Meister-Stücke gefertiget werden sollen, welche Kauffmanns-Gut siml, uml wozu sich Abnehmer finden; Uml ob zwar dieselben nicht kostbar seyn sollen, so müssor sie doch dergestalt gemacht werdor, daß man daraus urtheilen könne, ob der Verfertiger das Meister-Recht zu erhalten tüchtig sey oder nicht·; sächsischer Befehl vom 20. Mai 1679, Codex Augusteus, Sp. 1657 f.: 'Demnach Wir erinnert seyn, daß zum öjftern wegor Verfertigung der Meisterstücke Beschwerungor einkommen, daß es solche Stücken wäror, danu nicht allein grosse Unkosten erfordert werden, somlern auch meistentheils also beschaffen, daß selbige heutiges Tages wenig nutzen, uml dahero nicht wohl wieder zu gelosor noch zu gebrauchor seyn, dadurch die neuen Meister in mercklichor Schaden gesetzet werden; Als begehror Wir hiermit, Ihr wollet in Zukunjft ••. solche Stücken hierzu angeben unJ fertigor lassen, daran die angegebenor neuor Meister ihre Kunst erweisor, selhige aber auch ietziger Zeit hemach wieder an Mann bringen können.·; fürstlich ansbachische VerO. vom 22. Sept. 1718, Corpus Juris Opiflciarii, S.414: 'Ungewöhnliche, ganz unbrauchbare Meister-Stücke werden abgescha/t, uml dagegor befohlen, daß die Meister-Stücke, nach der jetksmaligen neuesten Mode, uml wie man solche wieder zum nüzlichen Verkauf bringor könne, gefertiget •.. werdor"; Binger Zunftrefonn von 1779, G.
300
Kap. 3: Die Einflußnahme des territorial staatlichen Gesetzgebungsanspruchs
tum des Bewerbers verbleiben und zur Egalisierung der Kosten dienen sollten373 • Keineswegs wurde das Meisterstück im 18. Jh. nur selten verlangt oder war durch eine Zahlung zu ersetzen. 374 Nicht allein die praktische Staatsphilosophie37S , auch die Zünfte selbst forderten eine Modernisierung der Meisterstücke376• Nachdem etwa im Herzogtum Pfalz- Zweibrücken eine Erhebung ergeben hatte, daß kaum ein Handwerker zünftig gelernt hatte, wurde das Erfordernis der Meisterprüfung deutlich eingeschärft. 377 Zumindest teilweise scheint eine Erneuerung der Meisterstücke stattgefunden zu haben. 378 Zwar übernahm noch die Ordnung der Seiler zu Wertheim von 1762 die Meisterstücke aus der Ordnung der Mainzer Seiler von 1664379 und waren längst überholte Handfertigkeiten zu beweisen38O; das Meisterstück der Tischler in Preußen, nämlich Brettspiel, Spind und Fensterrahmen, ist schon früher häufig überliefert 381• Jedoch finden sich im Tischlerhandwerk des 18. Jhs. daneben bislang unbekannte Varianten der Meisterprüfung 382, und die dem Wandel des Zeitgeschmacks be-
Blecher, Das Zunftwesen in Bingen, S.31; herzogliche VerO. über die Verwaltung der Stadt Einbeck vom 23. Aug. 1690, E. Plümer, Die gew.e Entwicklung der Stadt Einbeck, S. 92 f. 373 Kursächsische Generalinnungsartikel vom 8. Jan. 17SO Cap. III Art. 8, Sammlung Landesgesetze Policey- u. Cameralwesen Nr. 23: "Die verfertigten Meisterstücke verbleiben dem Verfertiger eigenthÜlnlich. " 374
So aber H. Fischer, Das Wormser Zunftwesen, S. 226.
375 Vgl. J. Möser, Von dem Nutzen einer Geschichte der Ämter, S. 60; so schon D.W. Matthiae, De vitiis collegiorum artificum, § 27. 376 L. Hoffmann, Das württembergische Zunftwesen, S. 52. Vgl. die fürstliche O. für die Zimmerer in Bamberg vom 28. Jan. 1789, A. Schuster, Bilder aus dem Hw.er- u. Gew.leben, S.38: "Nachdem Se. Hochfürstliche Gnaden das zeither bey den Zunftrichterämtern eingej'uhrte Meisterstück der Zimmergesellen, nicht für zureichend angesehen haben, daß dadurch die Fähigkeit eine solchen Kandidaten genüglich erprobet werden könne; als ... (wird) folgende Meisterprobe" angeordnet. 377 A. Delges, Das Zunftwesen im Oberamte Schaumburg, S. 76 f., mit dem Schreiben des Geheimen Rats der zweibrückisch-pfälzischen Regierung vom 31. Jan. 1792: "Da die Erfahrung ... bewiesen hat, was ein Schaden ein ungeschulter Maurer anrichten kann, so wird ... (keinem), der nicht das in den Zunft-Artikeln vorgeschriebenen Meisterstücke vollständig zu machen im Stande ist den Eintritt in die Zunft gestottd werden". 378
Für Hessen C. Brauns, Kurhessische Gew.politik, S. 57.
379
O. Langguth, Aus der Geschichte der Seiler in Wertheim, S. SO.
380
H. Jungkunz, Das Recht der Hw.er in der Hofmark Fürth, S. 73 f.
381
Generalprivileg für die Tischler in der Mark Brandenburg vom 5. Mai 1734 Art. 3, CCM V 2,
ID Anhang Nr.6; Privileg für die Tischler in der Grafschaft Ravensberg vom 28. März 1774
Art. 21, NCC V 1774 Nr. 23. Vgl. Kap. 3 11 3b Tabelle 22.
382 Nach der fürstbischöflichen O. für die Laufener Schreiner aus dem 18. Jh. war ein Kreuzstock mit vier Flügeln anzufertigen, M. Krauer, Die ZunftO.en von Stadt u. Talschaft Laufen, S. 47. Vgl. für Itzehoe H. Berg, Etwas aus dem Hw.s- u. Zunftleben, S. 146.
111. Das Gewerberecht unter dem Absolutismus
301
sonders intensiv unterworfenen, im Zunftwesen am weitesten vereinheitlichten Meisterstücke der Goldschmiede wurden vollständig ersetzt383• Die Begünstigung der Angehörigen von Zunftmitgliedern bei der Meisterprüfung wurde verboten,384 ist allerdings vereinzelt noch in württembergischen Landesordnungen des beginnenden 18. Jhs. anzutreffen 385• Erleichterungen für jene Gruppe bezüglich der bei der Zunftaufnahme zu leistenden Abgaben sind dagegen weiter verbreitet. 386 Die Meisterstücke waren eigenhändig innerhalb 383 Die Goldschmiede in der Mark Brandenburg hatten nach Art. 3 des Generalprivilegs vom 21. Mai 1735, CCM V 2, 10 Anhang Nr.41, als Meisterstück einen silbernen Teekessel mit Lampe oder eine silberne Terrine herzustellen. 384 Reichsschluß vom 4. Sept. 1731 Art. 13 Nr. 7, Sammlung Reichs-Abschiede 4 Nr.137 /138: "Befindet sich ..., daß hin und wieder auch folgende Unordnungen und Mißbräuche eingeschlichen, als ... entgegen denen Meister-Söhnen des Orts, wie auch denen Jungen, so Meisters-Wittiben oder Töchter heyrathen, verschiedenes zum Vortheil ... bey dem Meister-Stück, zu nicht geringen Schaden des hierdurch mit schlechten Handwercks-Leuten beilldenen gemeinen Wesens, zugestanden und nachgesehen werden will; ... (dies soll) aller Orten abgestellet ... werden",· kursächsische Generalinnungsarikel vom 8. Jan. 1780 Cap. 3 Art. 6, Sammlung Landesgesetze Policey- u. Cameralwesen Nr. 23: "Vielmehr soll der ... Geselle ... zum Meisterstück geillssen, und ihm dabey ohne Unterschied, er sey ein Meisterssohn oder ein Fremder, solche Stücke ... aufgegeben werdeTL"; preußische Generalprivilegien für die Handwerke in der Mark Brandenburg, hier nach dem Garnweberprivileg vom 14. Apr. 1734 Art. 5, CCM V 2, 10 Anhang Nr.1: "Ubrigens verordnen Wir hiermit in Gnaden, daß, so viel die Verfertigung des Meister-Stücks ... anbetrift, unter einem Fremden, oder Einheimischen und Meisters-Sohne, oder der eines Meisters Tochter oder Witwe heirahtet, gar kein Unterscheid gemacht werden ... solle."; GeneraizunftO. des Fürstentums Nassau-Oranien vom 10.0kt. 1779 Art. 24, A. Eckhardt, Die staatliche Zunftpolitik in NassauOranien, S. 106 ff.: "Obrigens aber wird in Ansehung der Verfertigung des Meisterstücks kein Unterschied gemacht zwischen einem Fremden und Einheimischen, einem Meisters Sohne, oder der eines Meisters Witwe oder Tochter heyrathet, sondern einer muß wie der andere zu Erillngung des Meisterrechts sich geschickt machen. " 385 Württembergische O. der Buchbinder vom 10. März 1719, Sammlung Hw.s-O.en Hertzogthum Würtemberg, S. 131 Cf. (139 f.): "als Meisters Sohn, solle zu Meisterstuck machen eine Bibel in Folio in Schwein-Leder gebunden, ohne Eck, mit Clausuren, oder auch einen andern starcken Folianten, item einen saubern QUllrt-Band auf dem Schnitt, und auf der Decken verguldt, und dann ein Schreibbuch in iIlnglecht Quart, in weiß gelben Pergament eingebunden, diejenige aber, so Meistes Töchtern, oder Wittiben heyrathen, dörfen in Ansehung dessen, das Meisterstück, wie die Meisters Söhne machen, ein Fremder aber, ... der solle die Weinmarische Bibel in grün gefärbten Schnitt und Schwein-Leder mit Clausuren ohne Eck binden, ferner ein Buch in Groß-Quart, ... wie es die Meisters Söhne machen und binden, weiters ein Buch in Octav, glatt verguldt, auf dem Schnitt in CordoVVGn, eingebunden, mit dem Absatz verguldt, und dann auch ein Schreib-Buch in langlecht Quart und in weiß gelbe Pergament eingebunden. " 386 Gemeine Zunftartikel des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken von 1776 Art. 20, P. Schichtei, Das Recht des zünftigen Hw.s im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, S. 269 ff.: "Ein Meisterssohn aber, der seines Vaters Handwerk gelernet ... hat, soll bey allen Zünften des Herzogthums von nemlichen Handwerk um das halbe Meistergeld aufgenommen werden ... Gleichergestalt soll ein ieder lediger Gesell der eines Meisters Wittwe oder Tochter heurathet, ... bey der Helfte des Meistergelds beillssen werden."; für Württemberg vgl. nur die StrumpfweberO. vom 25. Feh. 1750, Sammlung Hw.sO.en Hertzogthum Würtemberg, S. 2041 ff.(2054): "Sollen die Meisters-Söhne ... vor seine Meisters-Kosten gegen einem Fremden nur die Helffte bezahlen". Ausdrückliches Verbot aber nach den kursächsischen Generalinnungsartikeln vom 8. Jan. 1780 Cap. 3 Art. 10, Sammlung Landesgesetze Policey- u. Cameralwesen Nr.23: Es "erleget der einwerbende Diener oder Geselle ... das ... bestimmte Quantum ... Es soll auch hierbey kein Unterschied zwischen Meisterssöhnen und Fremden,
302
Kap. 3: Die Einflußnahme des territorialstaatlichen Gesetzgebungsanspruchs
bestimmter Fristen anzufertigen 387 und vom gesamten Handwerk oder dessen Organen unvoreingenommen zu bewerten388• Sofern die Obrigkeit nicht schon bei dieser Beurteilung zugegen war, oblag ihr jedenfalls die abschließende Entscheidung, zu der sie an anderen Orten zünftige Handwerker oder sonstige Sachverständige zu Rate ziehen konnte. 389 Die eigentliche Qualifikation nicht oder solchot, die Meisters Wittben oder TOChter heyrathen, ... gemacht werden·. Zur Bevorzugung der Meistersöhne vgl. A. Beier, De domesticis opificum, Nr. 434 ff. Zur faktischen Vererbung des Berufs vgl. H. Walter, Berufstreue u. Gattenwahl im Einbecker Hw., S. 63, nach dem im Einbeck des 18. Jhs. über 80 % der Söhne denselben Berufwie der Vater ergriffen. 387 Kursächsische Generalinnuogsartikel vom 8. Jan. 1780 Cap.3 Art.7, Sammlung Landesgesetze Policey- und Cameralwesen Nr.23: ·Wer bey Fertigung des Meisterstücks dasjenige, so er entweder allein, oder mit Beyhülfe eines andern fertigen sollen, ganz oder zum Theil von eirn:m andern fertigen liißt, soll der Innung zu vierfacher Erlegung des Meistergeldes verfallen seyn". Württembergische O.en der Bortenwirker vom 9. März 1701 Art.4 § 8, Sammlung Hw.s-O.en Hertrogthum Würtemberg, S. 75 ff.: ·Worauf sodann der Stuck-Gesell das Meisterstuck gantz allein, ohne einige Hüljf eines Meisters oder Gesellens, innerhalb vier Wochen zu verfertigen"; Schlosser- und Büchsenmacher vom 10. Okt.1717, I.c., S. 945 ff. (957): Es "mögen diejenige, die das Meisterstück aufgenommen, dasselbige ... liingst in ein Viertel-Jahrs-Frist ... machot, doch daß sie zu Verfertigung desselben, sich keiner fremden Beyhüljf ... gebrauchot". Bayerische MühlO. von 1701, Sammlung Kurpfalz-Baierischen Landes-VerO.en 4 Nr.33 (S.571): "Und solche Meisterstück sollen in ... 4. Wochen gemacht ... werden." Die preußischen Generalprivilegien für die einzelnen Handwerke in der Mark Brandenburg, CCM V 2, 10 Anhang, enthielten keine Fristen für die Herstellung des Meisterstücks. 388 ALR 11 8 § 253: "Das Meisterstück ist den versammelten Zunftgenossen zur Prüfung vorzulegen."; kursächsische Generalinnungsartikel vom 8. Jan. 1780 Cap.3 Art. 8, Sammlung Landesgesetze Policey- u. Cameralwesen Nr. 23: "Die verfertigten Meisterstücke ... sind von versammieter Innung zu besichtigen und unpartheyisch zu beurtheilen."; württembergische TuchmacherO. vom 8. Mai 1724, Sammlung Hw.s-O.en Herwgthum Würtemberg, S. 2077 ff.(2083): "wann er solches zu Ende gebracht, und völlig verfertiget, (so soll er) solches denen Kertzen-Meistern wiederum anzeigen, und diese das verfertigte Stuck Tuch über eine Stangen ziehen, und ob solches ohne Fehler gearbeitet seye, visitiren "; O. für die Gilden im Herrogtum Braunschweig und Fürstentum Blankenburg vom 4. März 1765 Tit.2 § 5, Corpus Juns Opificiarii, S.189 ff.: "Wenn das Meisterstück verfertigt ist: so soll dasselbe in Gegenwart des obrigkeitlichot Deputirten, des Alt- und der in verordneter Anzahl geforderten übrigen ••• Meistern besichtigt, und, nach bester Handwerkserkenntniß und WISsenschaft, redlich und ohne einige Nebenabsichten, examinirt werden. " 389 Braunschweig-Lüneburgische VerO. vom 26. Sept. 1692 Art. 2, Privilegia der Heinrich-Stadt, S. 140 ff: "Also sol ... ain solches Meisterstücke ... in Praesenz einiger von der Obrigkeit dazu deputirenden Personen von denen Alt- und einigen andern der kündigsten Meister des Handwercks ... besichtiget und darüber ein unpartheyisches Bedencken gegeben werden."; Gemeine Zunftartikel des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken von 1776 Art. 17, P. SchichteI, Das Recht des zünftigen Hw.s im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, S. 269 ff: "Zu dem Ende soll solches (Meisterstück) in Beyseyn des Ober- oder Amts von Zunftmeister und Geschwornen beschauet und beurtheilet werden. "; PO für das Herrogtum Magdeburg vom 3. Jan. 1688, Q. Geschichte Bcrufserziehung Nr. 3 (S. 10): "bey Verfertigung des Meisterstücks aber sollen jedesmahl einige Persohnen aus dem Rath-Stuhle zugegen seyn". Reichsschluß vom 4. Sept. 1731 Art. 12, Sammlung Reichs-Abschiede 4 Nr.137 1138: "Da aber auch SOlISten zwischen denen Meistern und denenjenigen, welche ein Meister-Stück verfertiget, Streit und I"ung vorfiele, ob solches recht und gut gemacht seye, stehet zu der Obrigkeit Willkühr, dasselbe nach Gelegenheit der Sachen eines andern Orts ohnintereßirter Handwercks-Censur ••• zu untergeben, oder in andere kürtzere und bequemere Wege, mit Zuziehung dieser Handwercks-Arbeit, wovon die Frage, sattsam verstiindiger Personen zu entscheiden."; ALR II 8 §§ 258 f.: "Der Abgewiesene kann auf obrigkeitliche Untersuchung der Gründe seiner Abweisung antragen. Findet der Magistrat diese Gründe zweifelhaft: so muß er das Gutachten einer Zunft
111. Das Gewerberecht unter dem Absolutismus
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schmälernde unmaßgebliche Fehler sollten die Aufnahme des Bewerbers nicht hindern,390 größere Unzulänglichkeiten eine Zurückweisung und weitere Gesellenzeit nach sich ziehen 391. Zuweilen wurde die Zahl der Prüfungsversuche begrenzt. 392 eines andern benachbarten Orts ... einziehen."; ZunftverO. des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken vom 13. Juli 1784 Art.1S, P. Schichte~ l.c. , S. 276 ff. : Es "soll dem Ober- oder Amt, wenn es dergleichen Unordnung vermuthet, oder der neue Meister es begehrt, frei stehen, auch gewisser massen obliegen, nach Verschiedenheit der Umstände, nicht allein über die ordentliche geschworne Meister noch einige aus der nemlichen Zunft oder wohl gar aus einer antkrn OberamIszunft gegen die Gebühr dazu zuziehen, .•• sondern auch sonstige Kunstverständige, als Baumeistere, Fabrikanten und sonst erlahrne Handelsleute zu Besichtigung des Meisterstüks einzuladen, und bei Beurtheilung desselben mit auf deren Gutachten zu reflekiiren". In Bonn haUen die Zunftmeister ihr Urteil über die Meisterstücke vor einer seit 1782 mit zwei von der Regierung ernannten Hofräten besetzten Kommission zu begründen, die dann nach Anhörung der Sachverständigen über die Aufnahme entschied, A. Tille, Das Bonner Gew., S. 88 f. Zur Aufsicht der Obrigkeit über die Meisterprüfung J. Hagen, De protectoribvs opificvm, Cap. 2 § 1. 390 Braunschweig-Lüneburgische VerO. vom 26. Sept. 1692 Art. 2, Privilegia der Heinrich-Stadt, S. 140 ff.: Dem Bewerber soll "aber einiger von denen Ambts-Meistern offtmals mit Fleiß und aus Mißgunst hervor gesuchten Kleinigkeiten halber ... keine Hinderung gemachd •.. werden"; kursächsische Generalinnungsartikel vom 8. Jan. 1780 Cap. 3 Art. 8, Sammlung Landesgesetze Policey- u. Cameralwesen Nr. 23: "Kleine Fehler hingegen können vor geringe Geldbußen ... erlassen werden. "; Gemeine Zunftartikel des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken von 1776 Art. 19, P. SchichteI, Das Recht des zünftigen Hw.s im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, S. 269 ff.: "Würden aber an dem Meisterstück nur solche kleine Fehler befunden werden, doß selbiges um deswillen nicht verworfen werden, sondern bestehen könnte; So mögen solche ... gestraft ... werden." Dagegen war nach den preußischen Generalprivilegien die Erhebung von Strafgeldern bei kleineren Fehlern unzulässig, Generalprivileg für die Gamweber in der Mark Brandenburg vom 14. Apr. 1734 Art. 5, CCM V 2, 10 Anhang Nr.1: Dem Bewerber soll "geringer Fehler halber, als welche, weil sie zur HauptSache nichts bey/ragen können, zu übersehen sind, keine Hinderung gemacht, noch die ... geringe Fehler, mit Gelde abgekaufd, sondern es muß das Meister-Stück schlechter Dings angenommen, oder nach Befinden gantz verworfen werden"; ebenso die GeneralzunftO. des Fürstentums NassauOranien vom 10. Okt. 1779 Art. 24, A. Eckhardt, Die staatliche Zunftpolitik in Nassau-Oranien, S. 106 ff.: "Wir versehen Uns aber, daß von denen Meistern etwa mit Fleis und aus Mißgunst keine unerhebliche Tadel werden gemacht werden, maßen Kleinigkeiten und geringe Fehler, welche zur Hauptsache nichts beytragen, keine Hindernis machen noch die etwa angebene geringe Fehler mit Geld abgekauft werden sollen. Vielmehr muß das Meisterstück entweder ganz angenommen oder nach Befinden ganz verworfen werden." Damit sollte dem Mißbrauch der Meisterprüfung als Einnahmequelle entgegengetreten werden, vgl. Huldreich Müller, Der Auflösungsprozeß der Zünfte in Worms, S. 41. 391 Kursächsische Generalinnungsartikel vom 8. Jan. 1780 Cap.3 Art. 8, Sammlung Landesgesetze Policey- u. Cameralwesen Nr. 23: "Diese (Obrigkeit) hat große Fehler, so eine Unwissenheit des Arbeiters in dem, was er als Meister nothwendig wissen muß, verrathen, keineswegs zu übersehen, sondern denselben •.. dahin, daß er noch ein, zwey auch wohl drey Jahre wandern, mehrere Geschicklichkeit zu erlangen suchen, und sodann sich wieder melden soll, anzuweisen."; ZunftverO. des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken vom 13. Juli 1784 Art. 16, P. SchichteI, Das Recht des zünftigen Hw.s im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, S. 276 ff.: "Wird das Meisterstük verworfen, so soll der angehende Meister ..• auf die Wanderschaft zurük •.. gewiesen werden"; württembergische O. der Bortenwirker vom 9. März 1701 Art. IV § 13, Sammlung Hw.s-O.en Hertzogthum Würtemberg, S. 7S ff.: "Im Fall aber das Meisterstuck nicht vor gerecht erkennet werden möchte, solle der Gesell wieder auf 1/2. Jahr zu wandern, und sein Handwerck besser zu erlernen, angewiesen •.. werden. " 392 ALR II 8 § 2SS: "Wer zum drittenmale ein untaugliches Meisterstück liefert, muß für immer abgewiesen werden."; herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldische allgemeine Innungsgesetze vom
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Kap. 3: Die Einflußnahme des territorialstaatlichen Gesetzgebungsanspruchs
In Preußen hatten die Kaufleute vor der Aufnahme des Gewerbes in einer Prüfung die zur Führung eines Handelsbetriebs erforderlichen Kenntnisse nachzuweisen; die Ausnahme für Kleinsthandelstreibende zeigt, daß wie beim Lehrzwang das merkantilistische Handelsinteresse das Motiv des Konsumentenschutzes überwog. 393
4. Die AkUvierung gewerblicher Potentiale, insbesondere die Befreiung von Aufnahmevoraussetzungen
Erfüllte ein Bewerber die an ihn gestellten Anforderungen, so mußte er in die Zunft aufgenommen werden. 394 Nichtsdestoweniger gedieh übersetzten Gewerben weiterhin ein Schutz durch die Limitierung der Zahl der Meisterstellen an.3 95 Der erforderliche Ausgleich von Arbeitskraftpotentialen konnte nur terri25. Mai 1803 § 68, Corpus Juris Opificiarii, S. 593 ff.: "Es stehet aber fest, daß wer zum drittenmahl ein untaugliches Meisterstück angefertigt hat, für immer abgewiesen werden soll. ",. nach der O. für die Hw.er in der Grafschaft Wied-Runkel vom 1. Mai 1763 durfte eine Meisterprüfung nur zweimal wiederholt werden, A Henche, Die Zünfte des Runkeler Hw.s, S. 45. Anders die o. der Zimmerleute zu Stockach vom 18. Sept. 1717, Aus Stockachs Zunftwesen, S.34: "so einer in dißer obgesezten Prob nit bestandten, der solle .•. die obgesezte Prob nochmahlen Thuen, auch so offt versuchen, bis er entlieh bestehen mag". 393 Reglement für die Kaufleute zu Königsberg vom 16. Juli 1755 Art. 3 § 4, NCC I 1755 Nr. 49: Die Prüfenden haben "den Gesellen von ordentlicher Führung der Kaufmanns-Bücher, und ob er die gehörigen WISSensChaft von derjenigen Handlung verstehe, die er gelernet und nunmehro treiben will, genau zu examiniren"; Privileg für die Kaufleute zu Cleve vom 24. Mai 1791 Art. 3 Nr. 2, l.c. IX 1791 Nr.38: "Sodann muß ein solcher so viel einem Kaufmann nöthig ist, lesen schreiben und rechnen können, und sich deshalb ••• der Prüfung unterwerfen, es sey denn, daß er sich bloßerdings mit dem Verkauf geringer Höclcereywaaren abgeben wolle, in welchem Falle er von vorbesagter Prüfung dispensiret werden kann". 394 Herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldische allgemeine Innungsgesetze vom 25. Mai 1803 § 14, Corpus Juris OpiflCiarii, S. 593 ff.: "Die Zünfte sind nicht nur berechtiget sondern auch verpflichtet, ... alle diejenigen als Mitglieder aufzunehmen, die das leisten können, was die Innungsprivilegien bestimmen. " 395 Österreichisches Dekret vom 4. Sept. 1744, Supplementum Codicis Austriaci, S.152: "zumalen die Schneiderprofeßion noch kundbarlich überhäufet ist; Als haben Ihre königl. Majestät resolviret, daß ..•, als oft sechs Meisterstellen durch Todesfälle oder in andere Wege sich eröffnen, nur drey davon ersetzet, und hierzu zwey Tafelschneider, so Wittiben heirathen, oder in Ermangelung deren zwey Meisterssöhne, oder die Meisterstöchter eheligen, samt einem wohlmeritirten Gesellen aufgenommen werden solle"; fuldaische PolizeiverO. von 1784 Art. 21, Corpus Juris Opificiarii, S. 317 ff.: "Damit nun auch die Handwerke durch große Uebersetzung keinen Schaden an ihrem Nahrungsbetrieb leiden mägen, so sind die Handwerk wohl zu unterscheiden in jene, welche ohne Bestellung aufMärkte und Messen voraus Arbeit verfertigen können, und jene, welche nur auf Bestellungen und Kundschaft warten müssen. Der ErsternAnzahl kann nicht leicht zu groß werden, und wird daher auch deren Anwachs nicht gehemmd; so viel aber die andern Gattungen von Handwerkern betrifft: so verbleibt es bey der bereits bestimmten Zahl"; Ausschreiben der Markgrafschaft Bayreuth vom 30. Juli 1746, C. Arneth, Verfassung u. Recht der Hw.er, S. 23 f. Anders die preußische VerO. vom 7. Mai 1688, CCM V 2, 10 Nr.17: "wie daß unterschiedliche Handwercks-Innungen, Gülden und Zünffte (so man geschlossene Handwerclu: nennet, und auf eine gewisse Anzahl der Meister bestehen) •.. das Aufnehmen Unserer Städte hindern, ... (so wollen) Wir
III. Das Gewerberecht unter dem Absolutismus
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torial geleistet werden. Preußen und andere Territorien gingen dazu über, nach württembergischem Vorbild landesweite Ordnungen für die einzelnen Handwerke zu erlassen. 396 Es wurden Übersichten darüber erstellt, welche Städte welche Art von Handwerkern benötigten. 397 Idealiter sollte der Wirtschaftsraum soweit homogenisiert werden, daß jeder Meister in ihm frei tätig werden konnte oder zumindest überall ohne weitere Hinderungen zum Meister aufgenommen werden mußte. 398 Um eine übergreifende Verteilung zu ermöglichen, fand das alle geschlossene Handwercker abgeschaffet wissen. "j zur eingeschränkten Durchführung Wolfram Fischer, Hw.srecht u. Hw.swirtschaft, S. 34. Zur weniger religiös als ökonomisch motivierten Ausgrenzung von katholischen Meisterbewerbern in Frankfurt a.M. K. Wolf, Der Kampf der katholischen Hw.er um Bürger- u. Meisterrecht in Frankfurt a.M., S. 239 ff. 396 Preußen: Generalprivilegien für die Handwerke in der Mark Brandenburg vom 14. Apr. 1734 bis 15. März 1736, CCM V 2,10 Anhang Nr.l- 60; Generalprivileg für die Schlosser etc. im Herzogtum Vor- und Hinterpommem vom 21. März 1771, NCC V 1771 Nr. 15; Generalprivileg für die Perückenmacher im Herzogtum Vor- und Hinterpommern vom 11. Apr. 1771, I.c. V 1771 Nr.22; Privileg für die Strumpfwirker in der Grafschaft Mark vom 7. Apr.1773, I.c. V 1773 Nr.16; Privilegien für die Handwerke in der Grafschaft Ravensberg vom 28. März 1774, I.c. V 1774 Nr. 20 - 24; Privileg für die Glaser und Anstreicher in der Grafschaft Mark vom 31. März 1777, I.c. VI 1777 Nr. 9; Privileg für die Brauer und Bäcker in den Ravensbergischen Städten vom 20. Feb. 1781, I.c. VII 1781 Nr.8; Privileg für die Maurer etc. in der Grafschaft Ravensberg vom 9. Mai 1781, I.c. VII 1781 Nr.20; Privileg für die Böttcher im Fürstentum Minden vom 1. Dez. 1789, I.c. VIII 1789 Nr. 85; Generalprivileg für die Nagelschmiede in Vor- und Hinterpommern vom 29. Juli 1802, I.c. XI 1802 Nr.42; Generalprivileg für die Maler im Königreich Preußen vom 11. Nov. 1751, K.v. Rohrscheidt, Unter dem Zunftzwange in Preussen, S. 335 ff. Zur Führungsrolle Preußens W. Troeltsch, Das neuzeitliche territoriale Gew.wesen, S. 13. Die anhaltischen Generalprivilegien von 1744 /45 benutzten die brandenburgischen von 1734 ff. als Vorbild, P. Dalmer, Das Innungswesen der Stadt Zerbst, S. 22 ff., ebenso die Generalzunftartikel des Fürstentums NassauOranien vom 10. Okt. 1779, J. Ziekow, Nassau-Oranien u. das Preußische Zunftrecht, S. 115 ff. Für die Markgrafschaft Baden-Baden seit 1769 O. Ziegler, Das Zunftwesen der Markgrafschaft BadenBaden, S.33. Im Hochstift Würzburg wurden ähnliche Versuche unternommen, W. Leiser, Die Stadt im süddt. Kleinstaat, S. 123.
397 Vgl. für Preußen die Specification der fehlenden Hw.er in den Städten der Mark Brandenburg im Patent vom 29. Nov.I718, CCM V 2, 10 Nr.39; Specification der in der Neumark fehlenden Hw. er im Patent vom 15. Feb. 1753, NCC I 1753 Nr. 6. 398 VerO. des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken vom 1. Juli 1760, P. Schichtet, Das Recht des zünftigen Hw.s im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, S.267: "Serensissimi Hochfürstliche Durchlaucht ... haben ... zu verordnen gniidigst gut gefunden, daß überhaupt aller Zunftbann aufgehoben, und jedem Meister im Herzogthum, von welcher Profession er seye, erlaubt seyn solle, im ganzen Land ohne Ausnahm, seine Profession zu treiben und Arbeit zu verfertigen"j sie galt nur für inländische Zunftgenossen P. Schichtet, I.c., S. 136. Zur Erläuterung vgl. die pfalz-zweibrückensche Neue ZunftO. vom 13. Juli 1784 Art. 26, P. SchichteI, I.c. S. 276 ff.: "Obgleich von einerlei Handwerk fast in jedem Amt besondere Innungen ... errichtet worden, so sollen dennoch diese besondere Zünfte zusammen genommen, gestalten sie alle einerlei Vorschrift und Einrichtung haben, nur als eine grose Zunft ... angesehen werden. Dahero sollen diejenige, welche in einer besonderen Landeszunft ... aufgenommen worden, im ganzen Land ... auf ihrer Profession arbeiten können". Generalprivilegien für die Handwerke in der Mark Brandenburg, zitiert nach dem Generalprivileg für die Gamwebervom 14. Apr.1734Art. 5, CCM V2, 10 Anhang Nr.l: "Dafern aber Jemand; so bereits in einer andem Stadt, es sey in- oder ausserhalb Landes, Meister gewesen, sich alhier zu setzen, und die GüIJe zu gewinnen beschlösse, sol derselbe ohne Verfertigung eines abermaligen Meister-Stücks ... angenommen werden"j preußisches Circular vom 6. Feb.1758 NCC 11 1758 Nr. 6: Es wird angeordnet, "daß ... den Tischlern aus denen kleinen StiidJen in den großen sich nie-
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Kap. 3: Die Einflußnahme des territorialstaatlichen Gesetzgebungsanspruchs
Prinzip Eingang in die Reichsgesetzgebung;399 es galt jedoch nur bei einem einheitlichen Qualifikationsstandard 400• Verbunden damit war eine aktive Peuplierungspolitik401 und eine Reihe von fmanziellen Erleichterungen für die aus dem Ausland angeworbenen Handwerker, insbesondere die innovatorisch impulsgebenden hugenottischen Refugies 402• Gleichzeitig allerdings wurden die einheimischen vor den auswärtigen Produzenten bevorzugt 4020 der zu lassen unverwehret seyn, die privilegirte Tischler-Gewercke in den kleinen Städten aber darüber halten sollen, daß bey derselben keiner zum Meister-Recht angenommen werden solle, welcher nicht ein tüchtiges Meister-Stück gemacht"; ALR 11 8 §§ 260 f.: ·Wenn ein bereits aufgenommener Zunftgenosse seinen Wohnsitz verändert: so ... (darf) Ein neues Meisterstück ... von ihm in der Regel nicht gefordert werden. • GeneralzunftO. des Fürstentums Nassau-Oranien vom 10. Okt. 1779 Art. 25, A.Eckhardt, Die staatliche Zunftpolitik in Nassau-Oranien, S. 106 ff.: ·Wäre jemand schon in einer solchen Zunft sowohl in- als ausser Lands Meister gewesen und wollte sich unter dieses Handwerk setzen und die Zunft zu gewinnen beflissen seyn, so wird derselbe ohne Verfertigung eines Meisterstücks gegen Erlegung der festgesetzten Gebühren angenommen·.
399 Reichsgutachten vom 3.März 1672 Art. 12, Das Teutsche Reichs-Archiv, S. 551 ff.: Es ·solle derjenige welcher an einem Ort einmahl schon das Meisterstück gemacht und Meister worden auch darum aufzulegen hat wann er sich an einen Ort setzen will daselbsten ohne Machung eines neuen Meisterstücks •.. gleichfals passiret werden·. 400 ALR 11 8 § 262: ·Wenn jedoch ein Landhandwerker, der als solcher nur ein geringeres Meisterstück zu verfertigen angehalten worden, sich in einer Stadt, wo ein größeres und schwereres erfordert wird, niederlassen will, kann die Zunft annoch die Anfertigung des letztem von ihm fordem.· Das Kap. 3 Anm.399 zitierte Reichsgutachten enthielt die Einschränkung, ·es wäre dann daß des Orts Obrigkeit aus erheblichen Ursachen ein anders nothwendig befinde·. 401 Dazu E. Frohneberg, Bevölkerungslehre u. Bevölkerungspolitik des Merkantilismus, S. 82 ff.; B. Leuchtenmüller-Bolognese, Bevölkerungspolitik zwischen Humanität, Realismus u. Härte, S. 177 ff.; Waltraud Müller, ·Zur Wohlfahrt des Gemeinen Wesens", S. 45 ff. Zur Ansiedlung von Klingenschmieden in der Grafschaft Mark durch den Kurfürsten Friedrich Wilhelm im Jahre 1661, um das durch den Dreißigjährigen Krieg zerstörte Gebiet zu stärken, W.Kramer, Die Klingen- u. Messerindustrie in1 vormaligen Amte Wetter, S. 12 ff.
402 Preußisches Patent vom 15. Feb. 1753 NCC I 1753 Nr.6: Es wird bekanntgemacht, ·daß von denen allhier benannten Professionen diejenigen, so sich aus fremden Landen in Unsere hieneben nahmhaft gemachte Neumärcksche Städte niederlassen wollen, nachfolgende Beneficia und Freyheiten ... habeh sollen, als: 1) Die Transport- und Reise-Kosten vor einer jeden Meile 8 Gr. 2) Freye Wohnung, oder nach Befinden die Miethe von jährliche 15 Thlr. auf zwey Jahre. 3) Eine dreyjährige Accise-Freyheit von der Consumtion ... 4) FünJjährige Exemtion von Servis, Einquartierung und andern Bürgerlichen Oneribus und Lasten ... 5) Freyes Bürger- und Meister-Recht. 6) Soll ein dergleichen anziehender fremder Meister von aller Werbung und Enrollirung vor sich und seine Söhne, samt denen aus der Fremde mitgebrachten oder daher verschriebenen Gesellen völlig gesichert seyn, auch 7) Sonsten nicht nur alle mögliche Hülfe und Assistentz zu gewärtigen haben, sondern es soll ihm auch nach Beschaffenheit seiner Profession ein proportionirlicher Vorschuß an Gelde ohne Zinsen ... gereichd werden."; preußische VerO. vom 2. /12. März 1691, CCM V 2, 10 Nr. 20: •... weßgestalt einige Handwercks-Leute aus der Schweiz in Dero Landen sich nieder zulassen willens wären, ..• daß dieselbe gleich denen Frantzösischen Refugirten das Bürger- und Meister-Recht in denen Städten frey und ohnentgelt erlangen möchten"; preußisches Patent vom 25. Aug.1763 Art. 1, NCC III 1763 Nr.56: ·Daß ohne Unterscheid alle und jede Innungen und Gewercke, diejenigen Meisters, so würcklich ausserhalb Landes schon Meister gewesen, und sich in Unserm Lande dabliren wollen, ohne die geringste Kosten ... annehmen ..• sollen. " Nach einer landesherrlichen VerO. für die Stadt Einbeck von 1718 erhielten zuziehende Handwerker eine zehnjährige Abgabenfreiheit sowie Bürger- und Zunftrecht kostenlos, E. Plümer, Die gew.e Ent-
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Das merkantilistische Gebot der optimalen Nutzung der handwerklichen Ressourcen entzog den Zünften die Regulation der gewerblichen Produktion; 403 Begrenzungen des Produktionsquantums und Preisabreden wurden verboten 404• Der Kreis der die Zunftfahigkeit ausschließenden unehrlichen Berufe wurde immer weiter begrenzt 40S Die Reichsgesetzgebung erklärte die Limitierung der wicklung der Stadt Einbeck, S. 93. Für Daubhausen erteilte der Landesherr 1722 einen Freiheitsbrief, in dem den Hugenotten u. a. die Gründung einer Zunft zur Förderung der Gewerbe gestattet wurde, H. Neu, Die Zunft in Daubhausen, S. 90 f. Vgl. noch J. Weitzel, Landesherrliche Administrationsmaßnahmen zur Eingliederung hugenottischer Flüchtlinge, S. 121 ff. Zu den Versuchen von Auswanderungs-Agenten, erfahrene Meister der Kirchdorfer Sensen schmiede abzuwerben, E. Straßmayr, Aus dem Wirtschaftsleben der oberösterreichischen Sensenschmiede, S. 171. Zur wirtschaftlichen Bedeutung der Hugenotten E. Heinecke, Die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Halle, S. 22 ff.; S. Jersch-Wenzel, Der Einfluß zugewanderter Minoritäten als Wirtschaftsgruppen, S. 193 ff.; dies., Hugenotten in Berlin, S. 7 ff.; dies., Juden u. "Franzosen" in der Wirtschaft, S. 200 ff.; I. Mittenzwei, Die Hugenotten in der gew.en Wirtschaft, S.496 ff.; G. Scholze, Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Refuge, S. 384 ff.; M. ZumstrulI, Die Gründung von "Hugenottenstädten", S.156 ff.; zum exponierten Sozialstatus der Hugenotten im Vergleich mit anderen nach Berlin kommenden Handwerkern H. Schultz, Die Herkunft der Berliner Hw.er, S. 55 ff. 402a A. Schott, Merkantilpolitisches aus Württembergs Herzogszeit, S. 268 ff.; Allgemeine Zunftartikel für die Stadt Gammertingen vom 18.0kt. 1701 Art. 22, J. Wiest, Die Zünfte in der FreyReichs-Ritterschaftlichen Stadt Gammertingen, S. 4 ff.: ·Und wenn ein fremder Meister etwas herrein zu machen verdingte, so darf ein hiesiger Meister wohl (doch mit diesem Beding) darein stehen, daß die sach so gut und recht als der fremde machen solle. "; ZunftO. für die Zimmerleut u. Maurer vom Jahre 1705, erlaBen vom Grafen zu Fürstenberg, S. 208: "Eß sollen aber die Küntzgerthaalische Vndthanen, in deme Vnsere Herrschaften mit wohlerfahrenen Meistern Versehen, dahin gedenckhen, dem Innheimbischen die arbeith Vor frembden zukhommen Vnd gedeyen zu las-
sen". 403
G. Schmoller, Studien über die wirthschaftliche Politik, S. 803.
404 Hessische ZunftO. vom 26. Juli 1693 Art. 14, Sammlung Fürstlich Hessischer Landes-O.en 3 Nr.474: "Alle übrige sonst bey denen ... Gilden eingerissene ... eigenmächtige complots, als ... daß lceiner mehr als der ander machen ... darf!, •.. sollen ... hiermit auffgelwben und annulliret seyn"; LandesO. des Herzogtums Sachsen-Gotha vom 1. Sept. 1666, Q. Neuere Privatrechtsgeschichte 111 Nr.10 (S. 637): "Alle und jede Handwerksmeister sollen sich an billichem und unserer publicirten Ordnung gemäßen Tax deren Arbeit vergnügen lassen, sonderlich aber sich nicht miteinander vereinigen, daß einer seine Arbeit oder Werk nicht näher und in geringerm Wert verkaufen ... sol denn der andere"; bayerisches Mandat vom 21. Apr. 1749, Sammlung Kurpfalz-Baierische LandesVerO.en 2 T.5 Nr. 10 (S. 736): "Da hingegen aber auch hiermit sämmtlichen und jeglichen allhiesig verbürgerten Zünften ... aufgetragen wird, daß dieselbe ron ihrer Arbeit lceinen übermäßigen Lohn, und wucherischen Preiß erfordern, oder wohl gar verbothene Unterredungen ..• wegen der Preiß der Arbeit dergestalten zu machen beginnen, daß tliejenige, welche wohlfeiler die Arbeit verfertigen, von der Lade gestraft werden sollen". In Österreich bekämpfte Joseph 11. die Preistaxen in den Lebensmittelgewerben, da nur die freie Konkurrenz zur Hervorbringung angemessener Preise fähig sei, K. Pribram, Geschichte der österreichischen Gew.politik, S. 448 ff. Der physiokratische Einfluß reduzierte sich aber im wesentlichen auf ein Mittel des rationellen Verfassungsaufbaus der Gesamtmonarchie, K. Schünemann, Die Wirtschaftspolitik Josephs 11., S. 47; vgl. dazu auch A. Brusatti, Die Begründung des obrigkeitlichen Verwaltungsstaates, S. 30 ff.; H. Matis, Staatswerdungsprozeß u. Ausbildung der Volkswirtschaft, S. 18 ff. Zur österreichischen Binnenhandelspolitik M. Sauer, Aspekte der Handelspolitik, S. 235 ff. 405 Reichsgutachten vom 3. März 1672 Art. 4, Das Teutsche Reichs-Archiv, S. 551 ff.: "Demnach auch allberits in der Policey-Ordnung de Annis 1548. und 1577. tit. 38. wegen gewisser Personen
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Kap. 3: Die Einflußnahme des territorialstaatlichen Gesetzgebungsanspruchs
Mitarbeiterzahl für nachteilig, überließ die Regelung dieser Frage aber der jeweiligen Obrigkeit. 406 Die Reaktionen waren unterschiedlich: 407 Teilweise versehen daß deren Kinder ron den Gafteln Endtem Güldten und Handwerckern nicht ausgeschlossen werden sollen; Als hat es auch darbey sein Bewenden und sollen berührte C onstitutiones, nicht wenigers auch die Kinder der Land-Gerichts und Stadt-Knechte auch anderer welche an den Malefitz-Personen bey den strengen Fragen keine Hand anzulegen haben oder die Execution der peinlichen Urtheilen verrichten wie auch in specie deren Gerichts-Frohnen Thurnhüter Holtz- und Feldhüter Todten-Gräber und dergleichen verstanden werden." Während bereits ein Consilium der Tübinger Juristenfakultät vom 19. Jan. 1688, F. Ebel, Ehre, S. 238 ff., mittels gelehrter Methode die Unehrlichkeit eines Bäckers verneinte, der sich auf den Karren des Schinders gesetzt hatte, kam noch die O. der Zünfte zu Hohenschwangau von 1730, C.v. Tyszka, Hw. u. Hw.er in Bayern, S. 42, zum entgegengesetzten Ergebnis: "Wann ain Maister, Gesöll, oder Lehrjung mit ainem Abdecker, Blutschergen, oder anderen unehrlichen Leuten, essen, trinken, oder ainem die Hand! bieten, oder wohl gar auf dessen Pferd, Ka"en, oder Wagen seyn würdt, so ist er des Handtwerchs nit mehr fähig."; vgl. dazu auch A Höck, Darf ein zünftiger Meister mit dem Abdecker auf Vetterschaft trinken?, S. 12 ff. Reichsschluß vom 4. Sept. 1731 Art. 4, Sammlung Reichs-Abschiede 4 Nr. 137/138: "Demnach auch allbereits in der Policey-Ordnung de Anno 1548. Tit. 37. und 1577. Tit. 38. wegen gewisser Personen versehen, daß deren Kinder von denen Gaffeln, Aemtern, Gülten, Innungen, ZünJften und Handwerckern nicht ausgeschlossen werden sollen; Als hat es dabey sein festes Bewerden, und sollen berührte Constitutiones künfftig durchgängig genau befolget, nicht weniger auch die Kinder in summa keine(r) Profeßion und Handthierung, dann bloß die Schinder allein bis auf deren zweyte Generation, in so ferne allenfalls die erstere eine andere ehrliche Lebens-Art erwählet, und darinn mit denen Ihren wenigst dreyßig Jahr lang continuiret hätten, ausgenommen, verstanden, und bey denen Handwerckern ohne Weigerung zugelassen werden."; kaiserliches Dekret vom 30. Apr. 1772, H. Proesler, Das gesamtdt. Hw., Text Nr. 29 (S. 78·): "Die ..• Verordnung wegen Ausschließung verschiedener Personen von Zünften Handwerken allerdings dahin zu erstreken ... nüzlich sey, daß nebst den ... benannten und andern Personen ... die Kinder der sogenannten Wasenmeister und Abdeker ... gleich anderer redlicher Leute Kinder, unbedenklich in die Lehre zu nehmen und für Handwerks-, auch der Meisterschaft fähig anzusehen seyen". Preußisches Edikt vom 16. Juli 1659, CCM V 2, 10 Nr. 12: "Als setzen und ordnen Wir hiermit ..., daß alle und jede ZunJften und Gülden ... der Schäfter, Voygte, Stadtdiener und Wächter Söhne, wann dieselbe ..• sich sonsten ehrbar verhalten haben, ... nicht ausschliessen noch abweisen ... sollen"; ALR II 8 § 280: "Nur diejenigen, welche bisher die Geschäfte eines Schinders oder Abdeckers wirklich getrieben haben, ist eine Zunft oder Innung aufzunehmen nicht schuldig. "; sächsische PO vom 22. Juni 1661 Tit. 21 § 4, Codex Augusteus, Sp. 1561 ff.: "Was der Lein-Weber, Barbierer, Schäffer, Müller, Zöllner, Pfeiffer und Bader, wie auch derer Ambts-Frohnen, Stadt- und LandKnechte Kinder betriJft, dieselben sollen ... bey allen wul ieden Handwercken, wann sie ... sich sonsten ehrlich verhalten, unweigerlich auf- und angenommen, am allerwenigsten aber, die Richter und Gerichts-Personen, die, bey denen von Adel und Ritter-Gütern auf dem Lande, das Beystecken ve"ichten müssen, oder ihre Kinder ron ehrlichen Handwercks-ZünJften deswegen ausgeschlossen ... werden. " Vgl. weiterhin C.H. Hiller, De abusibus, pass.; CA. Klotz, De opificiorvm ignobilitate, S.6 ff. 406 Reichsschluß vom 4. Sept. 1731 Art. 13 Nr.7, Sammlung Reichs-Abschiede 4 Nr.137 / 138: "An manchen Orten der Mißbrauch ist, daß ... keinen obwohl vorzüglich fleißigen und geschickten, auch darum gar billig häuffigere Arbeit bekommenden Meister, mehrere Gesellen, denn seine MitMeister, zu halten gestattet werden will ...; so sollen auch selbige (Mißbräuche) ... bey denen Herrschafften und Obrigkeiten rorkommende aller Orten abgestellet •.. werden"; Reichsschluß vom 30. Apr. 1772 Art. 3, H. Proesler, Das gesamtdt. Hw., Texte Nr. 27 u. 29 (S. 74· f.): "Scheinet es für das gemeine Beste nicht zuträglich zu sein, daß ... einem jeden Handwerksmeister nicht mehr als einen Lehrbuben zu gleicher Zeit zu haben, auch nur eine eingeschränkte Zahl von Gesellen zu halten, erlaubet seyn solle, wodurch dann ein geschickter Meister oft mehrere Arbeit wegweisen und der, so die Arbeit fertigen lassen will, solche einem weniger geschickten und schlechtern Arbeiter übergeben muß, ... Diese Bestimmung aber doch, nach Bewandtniß der besonderen, nicht an
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wurde die Beschränkung vollständig aufgehoben,408 teilweise wurde nach einzelnen Gewerben differenziert 409• Im Bereich der preußischen Gesetzgebung wurde sogar innerhalb desselben Gewerbes noch regional unterschieden. 410 Die allen Orten gleich gearteten und bey verschiedenen Handwerks-Innungen sich ungleich zeigenden Umstände, jeder Landes- und Orts-Obrigkeit zu überlassen ... wäre." Unzutreffend zum Geltungsanspruch S. Lamme!, Die Gesetzgebung des Handelsrechts, S. 631. 407 Das Prinzip des Kleinbetriebs wurde keineswegs einheitlich fallengelassen, wie H. Proesler, Die Rechtsbeziehungen zwischen den Angehörigen der Zünfte, S. 17 f., annimmt. 408 Baden-Durlachisches Generaldekret vom 22. Sept. 1764, Q. Geschichte dt. Arbeitsrecht Nr. 64: Es "hat das Oberamt denen Meistern aller und jeder unter ihm stehenden Zünfte die gleichbaldige Eröffnung zu thun, wie ihnen von nun an frey stehen solle, ohne Unterschiede zu besserer Beförderung ihrer Professionen so viel Gesellen oder Knechte in Arbeit nehmen zu dörfen, als sie wollen und nöthig haben"; bayerisches Mandat vom 9. Jan. 1765, Sammlung Churbaierische Generalien, S. 431 f. (432): "Gebiethen demnach all Unseren untergebenen Obrigkeiten ..., daß sie ... keineswegs mehr gestatten sollen, daß den Künstlern, und Meistern die Zahl der Arbeiter, Gesellen, und Lehrjungen auf irgend eine Weis beschränkt ... werde"; österreichisches Dekret vom 24. Okt. 1738, Sammlung Oesterreichischer Gesetze u. O.en, S. 1032: "wegen Haltung mehrerer Werkstätte und Lehr-Jungen, (zumal die Erweiterung dieser Manufactur dem Publico, und ihnen, Meistem, selbsten zum gro.rsen Nutzen gereichet,) (soll) es bey den ... Resolutionen, Kraft welchen sämtlichen Meistem so viele Werkstätte und Jungen, als sie immer fördem können, zu halten bevorstehd, allerdings verbleiben"; herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldische allgemeine Innungsgesetze vom 25. Mai 1803 § 109, Corpus Juris Opificiarii, S. 593 ff.: "Die Meister können so viel Gesellen und Lehrburschen als sie nur immer wollen, annehmen."; Mecklenburg-Strelitzer allgemeines Privileg von 1736, W. Aul, Die Entwicklung des Zunftwesens in Mecklenburg-Strelitz, S. 11; Zunftreform der Grafschaft Katzenelnbogen von 1780, T. Ernst, Wirtschaftliche Verhältnisse der Niedergrafschaft Katzenelnbogen, S. 98. 409 L. van der Grinten, Beiträge zur Gew.politik des letzten Kurfürsten von Köln, S. 28 f. Gemeine Zunftartikel des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken von 1776 Art. 15, P. Schichte!, Das Recht des zünftigen Hw.s im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, S. 269 ff.: "Die Zünftige Meister im Herzogthum mögen so viel Lehrjungen annehmen, als sie ihrem Gewerb zuträglich finden. Die Becker, Bierbrauer ... (etc.) mögen zu allen Zeiten drey bis vier Gesellen nebst einem Jungen halten. Alle andere Handwerker ... aber mögen so viel Gesellen halten, als sie wollen. " Für Württemberg vgl. einerseits die O.en der Perückenmacher vom 26. Nov.1717 Art. 29, Sammlung Hw.s-O.en Hertzogthum Würtemberg, S. 739 ff.: "Ein Meister solle nicht weiter als einen Jungen und zween Gesellen zugleich ... halten", und der Buchbinder vom 10. März 1719, I.c., S.131 ff. (137): "So ein Meister einen Lehr-Jungen hat, solle er neben ihme nicht mehr dann zwey Gesellen halten"; andererseits die o. der Färber vom 30. Mai 1706, l.c., S. 185 ff.(210}: "Hingegen aber wird jedem Meister vergonnt sein, so viel Gesindes, als er nothwendig ist, zu halten". Die Auffassung L. Hoffmanns, Das württembergische Zunftwesen, S.53, die Beschränkung der Mitarbeiterzahl sei nicht aufgehoben worden, weil die Dispenstaxen eine lukrative Einnahmequelle darstellten, ist mithin nur bedingt richtig.
410 Generalprivileg für die Drechsler in der Mark Brandenburg vom 14. Apr. 1734 Art. 7, CCM V 2, 10 Anhang Nr. 2: "So wird doch nunmehro einem jeden Meister frey gelassen, so viel Gesellen anzunehmen, als er zu Bestreitung seiner Arbeit nöthig hat. ", gegenüber dem Privileg für die Maurer, Zimmerleute, Glaser, Knopfmacher, Drechsler etc. in der Grafschaft Ravensberg vom 9. Mai 1781 Art. 24, NCC VII 1781 Nr. 20: "Auch soll keinen Meister erlaubt seyn, mehr Gesinde als zwey Gesellen und einen Jungen zu setzen". Generalprivileg für die Bäcker in der Mark Brandenburg vom 25. Mai 1735 Art. 7, CCM V 2, 10 Anhang Nr.42: "Denen Meistem aber stehet frey, so viel Gesellen oder Becker-Knechte, auch Jungens zu halten, als sie zu Bestreitung ihrer Nahrung nöthig zu haben vermeinen.", und Generalprivileg für die Bäcker im Herzogtum Vor- u. Hinterpommern vom 2. Apr. 1749, nach welchem jeder Meister beliebig viele Gesellen halten durfte, Gronke, Aus dem Gildebriefe des Bäckergewerkes in Gollnow, S. 165, gegenüber dem Privileg für die Brauer
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Kap. 3: Die Einflußnahme des territorialstaatlichen Gesetzgebungsanspruchs
der neugewährten Freiheit durch das fortbestehende Zunftwesen gezogenen Grenzen zu verdeutlichen411 war nicht zwingend: Der erhoffte Erfolg, den Meistem eine gesteigerte konjunkturelle Beweglichkeit zu verschaffen,412 blieb aus. 413 Der absolut überwiegende Teil der Betriebe verharrte auf einer Zahl von höchstens zwei Gesellen. 414 Die häufig fortbestehende Begrenzung der Zahl der Lehrlinge und der Lehrlingsstillstand wurden sowohl mit der Notwendigkeit einer intensiven Kenntnisvermittlung als auch mit einer Regulierung des Nachwuchses begrundet 41S Die Forderung des Gesellenzölibats wurde beseitigt.416 und Bäcker in der Grafschaft Ravensberg vom 20. Feb.1781 Art.24, NCC VII 1781 Nr.8: "Hingegen soll auch keinem Meister frey stehen, mehr Gesinde als Zwey Gesellen und Einen Jungen zu halten'. Allerdings sahen die ravensbergischen Ordnungen als Ausnahme vor, "daß er nöthige Hochzeit- oder Trauer-Arbeit habe, als in welchen Fällen ihm zugelassen seym soll, so viel Gesellen anzunehmen, als er zur Bestreitung dergleichen außerordentlichen Arbeiten nöthig hat'. Entgegen der Annahme G. Jahns, Zur Gew.politik der dt. Landesfürsten, S. 143, lintitierte das ALR die Mitarbeiterzahl nicht allgemein auf drei, sondern bestimmte in 11 8 §§ 348 f.: 'In Haupt-Handlungs- und Seestädten soll uin Meister in der Zahl der von ihm zu haltenden Lehrburschen und Gesellen durch Gesetze eingeschränkt werden. An andern Orten bleibt diese Bestimmung der zur Aufsicht über die Landespolizey gesetzten Behörde vorbehalten. • Im Lichte dieser Einschränkung bleibt der Geltungsbereich der kategorischen Aufhebungsanordnung in Art.5 des Edikts vom 24. März 1783 unklar, NCC VII 1783 Nr. 14: •... so wollen Wir hiermit, daß diese Gewohnheit, wenn selbige in einigen Unserer Städte noch obwalten sollte, abgeschaffet, und den Meistern die Haltung von mehr als einem Lehrjungen, und einer uneingeschränkten Zahl von Gesellen verstattet und nachgelassen seyn soll.•
411 O. des Löber- und RotgerberHw.s zu Königsberg i. Bay. von 1755, H. Hendinger, Vom GerberHw. zur Lederindustrie, S. 35: 'Obwoln einem jeden Meister so viele Gesellen, als er will, ... zu halten ... vergönnet ist, so verstehet sich solches doch in gehöriger bescheidener Maße, damit nemlieh nicht ein oder anderer Meister die Handwerclcs-Nahrung alleine an sich ziehe, noch seinen Mitmeistern entfremde.• 412 G. Krauter, Die Manufakturen des Hef70gtums Wirtemberg, S. 265. 413
Vgl. K.H. Kaufhold, Das Hw. der Stadt Hildesheint, S. 243.
414 Vgl. A. Eckhardt, Die Gew.struktur der Landgrafschaft Hessen-Kassel, S.173; H.-U. Wehler,
Dt. Gesellschaftsgeschichte I, S.l90. In Frankfurt a. M. waren int Jahre 1762 321/4 % der Gesellen in Betrieben mit einem Gesellen, 323/4 % in Betrieben mit zwei Gesellen, 173/4 % in Betrieben mit drei Gesellen, 5 % in Betrieben mit vier Gesellen, 9 % in Betrieben mit fünf bis neun Gesellen und 31/4 % in Betrieben mit über 10 Gesellen beschäftigt, F. Lerner, Eine Statistik der Hw.sgesellen, S. 180. In Baden-Durlach arbeiteten 1767 int Schnitt 1,48 Personen pro Betrieb, E. Schremmer, Zünftige u. nicht-zünftige Gew.treibende in der Markgrafschaft Baden-Durlach, S. 50. Dabei beschäftigten die Meister in den rein zunftfreien Berufen doppelt so viele Gesellen wie die in den rein zünftigen; diese Differenz findet sich in Gewerben, in denen beide Gruppen nebeneinander auftraten, nicht, E. Schremmer, I.c., S. 53. 41S Kursächsische Generalinnungsartikel vom 8. Jan. 1780 Cap. 1 Art. 18, Sammlung Landesgesetze Policey- u. CameraIwesen Nr.23: 'Damit es jedoch an nöthigem Unterricht und Aufsicht nicht fehle, soll kein Lehrherr oder Meister auf einmill mehr Lehrlinge, als er nach Ermessen der Aeltesten, und da es nöthig, des Orts Obriguit, zu unterrichten im Stande ist, in die Lehre nehmen.·; O. der württembergischen Salpetersieder vom 20. Juli 1747 Art. 1, Sammlung Hw. s-O.en Hertwgthum Würtemberg, S. 801 ff.: 'Und weilen biß anhero durch An- und Aufnehmung allzuvieler Lehr-Jungen das Handwerck allzusehr übersetzt, ... Als ... solle ein Meister seine gantze Lebens-Zeit mehrers nicht dann einen Jungen zu lernen befugt seyn, er bringe dann nach vorwalten-
111. Das Gewerberecht unter dem Absolutismus
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Die Möglichkeit zur Überbrückung der der merkantilistischen Wirtschaftspolitik immanenten Spannung zwischen Qualifikation und Wachstum im Sinne einer aktiven InteIVention bot der Dispens von zünftischen Anforderungen. 417 Die Reichshandwerksordnung von 1731 sah wie schon das Reichsgutachten von 1672 die Dispensation von den Vorschriften der Handwerksordnungen durch die Reichsstände zur Vermehrung der Handwerkerzahl ausdrücklich vor. 418 Als Durchbrechung der gesetzlichen Regelung stand das Recht zur Erteilung des Dispenses dem Inhaber der potestas legislatoria, in der Regel also dem Landesherrn ZU. 419 Lediglich wenn dieser mit dem Polizeirecht die Komden besondern Umständen Hochfürstl. Special-Erlaubnuß unterthänigst aus"; fürstlich bayreuthisches Ausschreiben vom 30. Juli 1746 Art. 2, Corpus Juris Opificiari~ S. 406 ff.: "Daß den gesamten Zünften hiedurch ausdrücklich verboten seyn solle, nicht so viele Jungen ... in die Lehre aufzunehmen, ... und wann einer die Auslernung bekommen, der fernern Annahme wenigstens von drey Jahren zu drey Jahren mussig zu stehen, dann mit mehr als einem Jungen sich auf einmahl zu versehen"; dazu R. Trübsbach, Wirtschafts- u. Sozialgeschichte Bayreuths, S. 48; badische allgemeine ZunftO. vom 25. Okt. 1760 Art. 11, Corpus Juris Opificiarii, S. 225 ff.: Es "solle ... von keinem Meister mehr als Ein Lehr-Jung auf einmal angenommen und gelehret werden"; O. König Georg 111. von Hannover für die Hw.e in Wiedenbrück vom 19. Sept. 1777 Art. 4k, Schmitz, Die Regelung der Hw.erfrage in Wiedenbrück, S. 77 ff.: "Jeder Amtsmeister soll in regula nur einen Lehrjungen z. Z. anzulrehmen und zu halten befugt sein". Nach der O. für die Steinhauer, Maurer u. Zimmerleute zu Ettenheim vom 24. Aug. 1761 durfte ein Meister beliebig viele Gesellen, aber nur einen Lehrling beschäftigen, M.P. Kollofrath, Aus dem Ettenheimer Zunftleben, S. 47. 416 J.F.C. Weisser, Das Recht der Hw.er, S.141; Reichsschluß vom 4. Sept. 1731 Art. 13 Nr. 6, Sammlung Reichs-Abschiede 4 Nr.137 /138: "Befindet sich ... daß folgende Unordnungen und Mißbräuche eingeschlichen, als ... Man etlicher Orten keinen zur Meisterschafft kommen lassen will, wann er sich allbereits in verheyrathden Stande befindet, ... (dies soll) aller Orten abgestellet ... werden"; ALR 11 8 § 248: "Niemanden soll die Aufnahme in eine Zunft, als Meister, bloß aus dem Grunde, weil er bereits verheirathet ist, Vf!rsagt werden. "; Entschließung Maria Theresias vom 1. Feb. 1770, G. Otruba, Die Wirtschaftspolitik Maria Theresias, S. 103: "Der bisherige Unfug, daß den Gesellen bei den Zünften das Heurathen nicht verstattet worden ..., ist bei allen sowohl Commerzial- als anderen Professionen insgeheim per Patentes abzustellen". Anders noch die fürstlich Ansbachische VerO. vom 3. Nov. 1734, Corpus Juris Opificiarii, S. 416: Es "ist keinem Gesellen, ohne erstandene Wander-Jahre und ehe er sich um das Meister-Recht gemeldet, zu gestatten, sich in Eheversprechungen ein- oder copuliren zu lassen". Zur Entwicklung des Gesellenzölibats K. Schwarz, Die Lage der Hw.sgesellen in Bremen, S. 35 ff. 417 Zur Erlaubnis als Mittel der Gewerbelenkung K. Becker, Die behördliche Erlaubnis des absolutistischen Fürstenstaates, S.278. Umfassend zur Förderung des Wirtschaftswachstums F. Blaich, Die Wirtschaftspolitik des Reichstags, S. 183 ff. 418 Reichsschluß vom 4. Sept. 1731 Art. 13, Sammlung Reichs-Abschiede 4 Nr. 137/138: Es soll darauf geachtet werden, daß "die gute Künstler und Handwercker, wie auch die jüngere Meister insgemein, nicht ... mit denen Zunfft- oder Aufnahms-Kösten, Innungs-Geldern, und dergleichen übernommen, ... dadurch die Orte selbsten mit kunstreichen und geschickten Leuten sich zu versehen, deren Commercien zu mercklichem Schaden und Abbruch, gehindert werden, inmassen einem jeden Stand ohnedas ohnbenommen bleibt, mit einem oder andern guten Arbeiter und Künstler nach Gelegenheit der Sache zu dispensiren, und denselben auch wider der Zunfft Willen ... anzunehmen, und zur Meisterschafft kommen zu lassen"; Reichsgutachten vom 3. März 1672 Art. 13, Das Teutsche Reichs-Archiv, S. 551 ff. 419 K. Becker, Die behördliche Erlaubnis des absolutistischen Fürstenstaates, S. 114 ff.; C.G.T. Chladenius, Der vorsichtige Bürger, S. 200 f.; J.D. Merbach, Theorie des Zunftzwanges, S. 40; vgl.
21 Ziekow
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Kap.3: Die Einflußnahme des territorialstaatlichen Gesetzgebungsanspruchs
petenz zum Erlaß von Zunftordnungen dem Magistrat einer Stadt übertragen hatte, konnte letzterer ebenfalls die Erlaubnis erteilen. 420 Entscheidend war, daß anders als im zünftischen System Voraussetzung für die Dispensation nicht mehr ein Versorgungsmißstand sein mußte. 421 Hinsichtlich der Befreiung von einzelnen Aufnahmevoraussetzungen, der sog. Gnadenmeisterschaft, 422 scheint der Wanderzwang die von allen Qualifikationsvoraussetzungen am leichtesten entbehrliche gewesen zu sein 423• War hingegen der Wanderpflicht Genüge getan oder sonst die Befähigung des Betreffenden sichergestellt, so konnte von anderen Qualifikationsvoraussetzungen, vornehmlich dem Meisterstück, niemals aber von allen gleichzeitig, dis-
auch A.Fritsch, Traclatus nomico-politicus, de collegiis opificum, S. 33; F. Philippi, De collegiis opificum, thes. 7 420 C. Döhler, Kurtze Beschreibung der Handwercks-Rechte, Art. 35 § 15; ID.H. Musäus, Vom Rechte Frey-Meister zu ernennen, S.4S ff. NichlSdestoweniger mußte auch gegen das Veto des Magistrals ein Handwerker auf landesherrlichen Befehl in die Zunft aufgenommen werden, J.C. König, Von HW.smißbräuchen überhaupt, S.7S ff. Zu den Funktionen der preußischen Städte im Gewerbewesen D. Peitsch, Zunftgesetzgebung u. Zunftverwaltung Brandenburg-Preussens, S.134 ff. 421 J.D.H. Musäus, Vom Rechte Frey-Meister zu ernennen, S. 66 ff. A. Beier, De jure prohibend~ Nr.13, forderte nur einen triffiigen Grund. Die Wandlung wird nicht hinreichend deutlich bei K.O. Scherner, Legitimation u. Instrumenwium territorialer Gew.politik, S. 130 f. Zur Freimeisterschaft unter dem Zunftwesen Kap. 2 11 3. 422 Zum Begriff JD.H. Musäus, Vom Rechte Frey-Meister zu ernennen, S. 31 f.; J.F.C. Weisser, Das Recht der Hw.er, S. 185. 423 Kursächsische Generalinnungsartikel vom 8. Jan. 1780 Cap.3 Art.3, Sammlung Landesgesetze Policey- u. Cameralwesen Nr. 23: "Wie jedoch die zurückgelegten Wanderjahre keinen Beweiß von der Geschicklichkeit eines Gesellen abgeben, vielmehr das Meisterstück, ob er die behörige Geschicklichkeit erlangt habe, zeigen muß; also haben diejenigen so ... der Wanderjahre halber DispensatiOft verlangen, sich bey Unseret' LanJesregierung ... zu melden, allwo ihnen solche, zumillen wenn etwa an dem Orte, wo sie in der Lehre gestilnden, ihre et'1et'nte Kunst, Profession oder Handwet'k in besonderm Schwung ist, nicht versagt werden wird."; O. für die BauHw.er zu Eberbach vom 8. Apr. 1767 Art. 10, Eberbacher Zunftprivilegien, S. 4 ff.: Wenn "Ein oder anderer die 3 wandet' Jahr nicht vollbracht haben, gleich wohlen aber Meister zu werden, verlangen, mit dem kann, wann Er erhebliche Ursach hat, ... dergestalten dispensiret werden, dass ein solcher gesell, für ein Jedes abgehendes WanderJahr sechs Gulden erlegen ... solle". Einschränkend die bayerische Resolution vom 3. Aug. 1787, Sammlung Kurpfalz-Baierischen Landes-VerO.en 4 Nr. 206: "Der höchste Befehl wird ... erneuert, bey den Handwerksgesellen ... ohne höchstet' Noth von det' Wanderzeit nimmermehr zu dispensiren"; ähnlich eine nassauische VerO. von 1752, R.S. Elkar, Umrisse einer Hw.sgeschichte in Willgenstein u. Siegerland, S.18. A. KnolI, Hw.sgesellen u. Lehrlinge, S. 80 ff., führt die Häufigkeit des Dispenses insbesondere auf die Entstehung eines Landslraßenprolewials zurück, was erklären mag, weshalb sich die Landesherrn die Steuerung vorbehielten: Würzburgische VerO. vom 14. Feb. 1787 Art.5, Corpus Juris Opificiarii, S393ff.: "Ausser Unserer Fürstlichen Regierung soll keine Stelle ... einen Dispens hierunter (vom Wanderzwang) ertheilen können. "; ALR 11 8 § 329: "Nur die Landes-Polizey-Instanz kann ... die Zeit der Wanderschaft verkürzen, oder auch eine gänzliche Befreyung tUJVOft ertheilen."; sächsisches Reskript vom 12. Feb. 1800, G.E. Herold, Die Rechte der Hw.er, Beil.Nr. 29: Den "Unterobrigkeiten ... (wird hefohlen), sich der Dispensation VOft den Wanderjahren für das Künftige zu enthalten".
III. Das Gewerberecht unter dem Absolutismus
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pensiert werden. 424 Erleichtert wurde die Wanderverpflichtung auch dadurch, daß dem Gesellen eine vorübergehende handwerksfremde Tätigkeit nicht zum Nachteil gereichen sollte. 425 Sie war zwar grundsätzlich nicht auf die Wand erzeit anzurechnen,426 jedoch wurde mit Rücksicht auf die Heeresstärke zuweilen eine Ausnahme für die in Kriegsdiensten verbrachte Zeit gemacht 427• Aus Sorge um die Reintegration entlassener Soldaten wurden diese pauschal von der Ableistung der Wanderjahre und teilweise von der Anfertigung des Meisterstücks befreit, sofern sie ihr Handwerk nur ordnungsgemäß gelernt hatten. 428
424 Nach dem Ausschreiben der Markgrafschaft Bayreuth vom 30. Juli 1746 konnten von den Bedingungen der abgeleisteten Mut- und Wanderzeit sowie Meisterprüfung höchstens zwei erlassen werden, C. Ameth, Verfassung u. Recht der Hw.er, S. 30 f. Im Jahre 1784 erließ die Regierung einem Freiburger Schreinergesellen das Meisterstück mit der Begründung, er habe durch seine mehrjährige gute Arbeit seine Qualifikation hinreichend bewiesen, H. Sigrist, Grundzüge des Freiburger Zunftrechts, S.159. Der durch eine preußische VerO. vom 23. Mai 1713 für alle nach Königsberg kommenden Handwerker gewährte Erlaß des Meisterstücks wurde auf Intervention der Handwerke durch das Erfordernis der Tüchtigkeit wieder eingeschränkt, K.v. Rohrscheidt, Unter dem Zunftzwange in Preussen, S. 230 f. 425 Reichsschluß vom 4. Sept. 1731 Art. 9, Sammlung Reichs-Abschiede 4 Nr. 137/138: "Wann auch ein Gesell, welcher sein Handwerck einmal redlich erlernet, ausser demselben auf kurtze oder lange Zeit sein Brod und Fortkommen suchet, und zu dieser und jener Herrschafft ... in Dienste sich begiebet, nach der Hand aber seinem erlernten Handwerck entweder als Geselle wiederum nachgehen, oder aber Meister werden will, solle ihm daran, und wann er letzten Falles sonsten sein Handwerck redlich erlernet, das Meister-Stück verfertiget, und seines Wohlverhaltens wegen von der Herrschafft, wo er gedienet, einen beglaubtenAbschied aufzuweisen hat, ermeldtes Dienen ausser dem Handwerck im mindesten nicht nachtheilig oder hinderlich fallen".
426 ALR II 8 §§ 327 f.: "Ein Geselle konn zwar, ohne Nachtheil seines Standes, bey einer Herrschaft in Dienste treten; Die daselbst zugebrachte Zeit aber wird ihm auf seine Wanderjahre nicht abgerechnet."; zum Arbeitsrecht der Hw.er nach dem ALR G. Bernert, Arbeitsverhältnisse im 19. Jh., S.129 ff. 427 Kursächsische Generalinnungsartikel vom 8. Jan. 1780 Cap. 3 Art. 2, Sammlung Landesgesetze Policey- u. Cameralwesen Nr.23: "Vielmehr soll ihm, falls er nur sonst das Seinige tüchtig gelernt hat, die in Unseren Kriegsdiensten zugebrachte Zeit zu den Wanderjahren gerechnet werden."; fürstbischöflich-würzburgische VerO.en von 1734, 1738 und 1743, D. Weineck, Die Wirtschaftsgesetzgebung der "Würzburger Fürstbischöfe", S.127; weitere Beispiele bei P. Hupach, Aus der Geschichte der Zünfte der Stadt Orb, S. 103 f. 428 Kursächsischer Befehl vom 14. Feb. 1651, Codex Augusteus, Sp. 1521 ff.: "da zuförderst auf das Aufnehmen und populirung derer hin und wieder verwüsteten Städte und Flecken mehr, als die allzugenaue observanz derer Handwergs-Gewohnheiten, und bey guten ruhigen Zeiten aufgerichteten Innungs-Articul ... ein Auge zu schlagen, ... verfügen (Wir), daß die unter Unserer Armada bisher gewesene Soldate, woferne sie ihre untadeliche Geburts- und Lehr-Briefte {ürzuweisen haben, bey denen H andwerger-Zünfften und Innungen, als Meistere auf und angenommen, mit denen sonst gebräuchlichen Wander-Jahren, sowohl Kostbahren Meister-Stücken und andern spesen, ihres Unvermögens wegen, verschonet, und allein mit verferttigung des geringsten und die wenigsten Kosten erforderndes Meister-Stücks beleget werden sollen; Hierdurch wird Unser Landes bestes nebenst denen Steuern und andern Gefällen befördert". Zur Befreiung von den Aufnahmegebühren vgl. das preußische Reskript vom 13. Nov. 1726, CCM V 2, 10 Nr. 73: "Wir haben allergnädigst resolviret, daß die abgedanckte Unter-Officiers und Soldaten, wann sie in die Kauffmanns-Zünffte, oder Handwercks-Innungen aufgenommen zu werden verlangen, und zunfft-mäßig,
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Kap. 3: Die Einflußnahme des territorialstaatlichen Gesetzgebungsanspruchs
An den Gruppen der Soldaten und Refugies werden die gleitenden Grenzen zwischen Gnaden- und Freimeisterschaft deutlich. Der von den zünftischen Zwangs- und Bannrechten dispensierte Freimeister stand im Unterschied zum Gnadenmeister neben der Zunft. 429 Die Weigerung der deutschen Zünfte, die Refugies als Meister aufzunehmen, machte es erforderlich, die Zuwandernden als Freimeister zu privilegieren. 430 In Preußen hatten die ausgeschiedenen Soldaten in ihrem Handwerk eine Stellung zwischen Gnaden- und Freimeister. Sie konnten ihr Gewerbe ohne den Eintritt in die Zunft ausüben, der allein dann notwendig war, wenn sie Lehrlinge und Gesellen ausbilden wollten. 431 Den übrigen Freimeistern hingegen stand das Recht zur Ausbildung in vollem Umfang ZU. 432 Eine einheitliche Regelung bestand insoweit nicht. 433 In Bayern war den Freimeistern die Einstellung von Lehrlingen untersagt434 und in Württemberg mußte die Ausbildungsbefugnis in jedem Einzelfall aus dem Freiheitsbrief entschieden werden435 • In letzterem Fall war es der bei der Privilegierung von Freimeistern an keine Qualiflkationsvoraussetzungen gebundenen Obrigkeit436 möglich, die Befähigung zur Ausbildung nach Lage der Umstände abzuwägen. Jedenfalls faktisch blieb das Ausbildungswesen allerdings weiterhin unter der Kontrolle der Zunft, da eine Lehre bei einem Freimeister die Berufschancen erheblich schmäl erte. 437 auch mit guten glaubhafften Abschieden versehen seyn, umsonst, und ohne denen Innungen etwas zu entrichten, behörig aufgenommen werden sollen". 429 Zum Begriff des Freimeisters J.D.H. Musäus, Vom Rechte Frey-Meister zu ernennen, S. 34 f.; J.F.C. Weisser, Das Recht der Hw.er, S.197. 430
S. Jersch-Wenzel, Hugenotten in Berlin, S. 9.
ALR 11 8 §§ 271 f.: "Wer nach erlerntem Handwerke in den Soldatenstand getreten ist, mag nach erhaltenem ehrlichen Abschiede, sich mit seinem Handwerke ferner niihren, ohne daß er das Meisterrecht zu erlangen schuldig ist. Will er aber Lehrburschen annehmen, oder Gesellen halten: so muß er sich, gleich jedem Andern, als Meister gehörig aufnehmen lassen.' 431
432 ALR 11 8 §§ 268 f.: "Nur zünftige Meister haben das Recht, Lehrburschen anzunehmen und Gesellen zu halten. Doch kann diese Befugniß auch den vom Staate gesetzten Freymeistern nicht bestritten werden. " 433 AA. W. Wegener, Der Reichsschluss von 1731, S. 37, nach dem die Freimeister überall beliebig viele Lehrlinge und Gesellen halten konnten. 434
E. Schremmer, Die Wirtschaft Bayerns, S. 456.
435
J.F.C. Weisser, Das Recht der Hw.er, S. 198.
436 J.D.H. Musäus, Vom Rechte Frey-Meister zu ernennen, S. 94 f. Zu den Bemühungen des Barbiers Johann Dietz um den Erhalt einer Freimeisterstelle beim preußischen König vgl. seine Lebensbeschreibung, Q. Geschichte dt. Hw., S. 6S ff.(72 ff.). Ob tatsächlich die Fürsorge um das Wohl des einzelnen die fISkalischen Erwägungen dominierte, wie H. Möller, Hw. u. Industrie im Fürstentum Sachsen-Weimar, S.106 f., annimmt, mag dahinstehen. 437 Vgl. E. Plümer, Die gew.e Entwicklung der Stadt Einbeck, S. 132. Zum Ausbildungsverbot für Freimeister im zünftischen System Kap. 2 Anm. 254.
IlI. Das Gewerberecht unter dem Absolutismus
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Ebenfalls nicht dem Zunftzwang unterlagen die der Versorgung des landesherrlichen Hofstaats zuarbeitenden Hothandwerker. 438 Arbeiteten sie für den Verkauf, so war ihnen aus Konkurrenzgrunden die Beschäftigung von Lehrlingen und Gesellen nicht gestattet. 439 Bei der Arbeit für den Hof dagegen durften sie beliebig viele Gesellen halten 440 und hatten darüber hinaus die Vorwahl unter den anwandernden Gesellen441• Ob sie bei einer Aufnahme in die Zunft die für alle Meister geltenden QualifIkationsvoraussetzungen zu erfüllen hatten oder zumindest partiell von ihnen befreit waren, blieb umstritten. 442 Ähnliche Grundsätze galten für die in den Klöstern beschäftigten Handwerker. Auf Befehl des Kurfürsten teilte die Regierung am 10. März 1766 dem Vizedomamt mit, daß die im Mainzer Kapuzinerkloster in AIbeit stehenden Gesellen ungeachtet des Einspruchs der Schreinerzunft nicht zu behelligen seien, ihnen jedoch nicht erlaubt sein sollte, Arbeiten außerhalb des Klosters in der Stadt zu übernehmen. 442o
5. Das Manurakturwesen
Die Fruchtbarmachung des Instituts der Freimeisterschaft für die merkantilistische Wirtschaftspolitik hatte bereits ein Reichsgutachten von 1667 gefordert: "nicht weniger sollen sich Chur-Fürsten und Stände befleissen in ihren Landen solche Meister und Arbeiter zu halten welche die im Reich nothwendige Manufacturen auch Teutsche Wahren und Materialia ... selbsten verfertigen und verarbeiten denen sie dann gewisse Privilegia und Freyheiten in ihren Landen ertheilen könten auch solche Meister oder Arbeiter und ihre Gesellen und Jun-
438
E. Herold, Hofdienst u. Hofschutz, S. 54; vgl. auch M. Stürmer, Höfische Kultur in Alteuropa,
S.83 ff.
439 J.H. Fricke, Grundsätze des Rechts der Hw.er, § 88; J.D. Merbach, Theorie des Zunftzwanges, S.41 f.; JA. Ortloff, Das Recht der Hw.er, § 86; bayerischer Befehl vom 23. März 1741, Sammlung Kurpfalz-Baierischen Landes-VerO.en 4 T.5 Nr.69: •... daß sich niemond fürlershin unterstehen sollte, ausser seiner, eben auch nur aus Unsern sonderlichen Churfürstl. Gnaden, zugelas-
senen eigenen Handarbeit, mit Haltung auch nur eines einzigen Gesellens, weder heim- noch offentlich burgerliches Gewerb zu treiben". 440 WX.A. Freiherr v. Kreittmayr, Anmerkungen über den Codicem Maximilianeum Bavaricum Civilem, S. 1044; JA. Ortloff, Das Recht der Hw.er, § 85. 441
A. Beier, De artificibus palatinis, T. 2 Cap. 18 U 1 ff.
Für erstere J.H. Fricke, Grundsätze des Rechts der Hw.er, § 87; J. A. Ortloff, Das Recht der Hw.er, § 86. Für das letztere C. Döhler, Kurtze Beschreibung der Handwercks-Rechte, Art. 35 § 13. Zum Einsatz der HotHw.er als Steuerungsinstrument in der merkantilistischen Wirtschaftspolitik K. Gerteis, Die dt. Städte in der Frühen Neuzeit, S. 140. 442
4420
J. Kartels, Klöster u. Zünfte im alten Mainz, S. 76.
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Kap. 3: Die Einflußnahme des territorialstaatlichen Gesetzgebungsanspruchs
gen wieder andere Handwercker so diese ihnen einige Hinderung und Eintrag zufügen ... schirmen und schützen".443 Die Wirkung des Privilegs bestand in der Gewährung eines Rechts und dem Schutz der Ausübung desselben, dem die Verpflichtung aller anderen auf Unterlassung eines Eingriffs in den privilegierten Rechtsbestand korrelierte. 444 Das Verbot, das gleiche Privileg einem anderen zu erteilen, enthielt das Privileg allerdings nicht 445 Genutzt werden konnte das privative Privileg insbesondere für den außerhalb des zunftrechtlich geordneten Bereichs tätigen Unternehmer, dem ein auf die naturrechtliche Freiheit der Gewerbeausübung gegründeter ruinöser Konkurrenzkampf im Interesse einer ungestörten Wachstumspolitik erspart bleiben sollte. 446 Die zur Etablierung der Unternehmer eingeräumten Abgabenbefreiungen und anderen Begünstigungen,447 die zur Stabilisierung nicht selten ohnehin als Dauerrecht
443 Reichsgutachten über das Münzwesen vom 19. /29. Apr. 1667 Art. 3, Das Teutsche ReichsArchiv, s. 366 ff. Zur Deutung als Freimeisterschaft K.O. Scherner, Legitimation u. Instrumentarium territorialer Gew.politik, s. 133. 444 F. Ebel, Privileg, S.l; H. Mohnhaupt, Untersuchungen zum Verhältnis Privileg u. Kodifikation, S. 81. 445 H. Mohnhaupt, Untersuchungen zum Verhältnis Privileg u. Kodifikation, S. 88; J.D.H.Musäus, Vom Rechte Frey-Meister zu ernennen, S. 102 f. 446 K.O. Scherner, Legitimation u. Instrumentarium territorialer Gew.politik, S. 134 f. Zur naturrechtlichen Freiheit des Gewerbes H. Mohnhaupt, Untersuchungen zum Verhältnis Privileg u. Kodifikation, S. 88. Zu den privilegia exclusiva als Mittel der Wirtschaftslenkung F. Ebel, Privileg, S. 1; M. Kemter, Privilegia exclusiva, S. 29.
447 Preußisches Averlissement vom 26. Okt. 1770, NCC IV 1770 Nr.75: "Es wird also ein jeder aus der Fremde kommender Fabricante ... folgende Benejicia geniessen: 1) Die Werbungs- und Enrollirungs-Freyheit ... 2) Sind selbige nicht allein von allen bürgerlichen Lasten ... Drey Jahr frey, sondern sie haben auch 3) Eine Dreyjährige Accise-Consumtions-Freyheit ... 5) Derjenige, welcher eine wüste Stelle bebauet, erhalt ein Don gratuit von 150 Rthl .... auch sollen 10) diejenigen, welche Vermögen mit ins Land bringen und grosse Etablissements und Fabriquen, zu denen ein ansehnlicher Fond gehöret, ... anlegen wollen, nach Beschaffenlu:it der Umstände, und der deshalb zu machenden Sicherheit, mit Vorschüsse unterstützet werden."j sächsische General-VerO. vom 2. Nov. 1720, Codex Augusteus, Sp.1929 ff.: "Nach dem aber bißhero sich allerdings geäussert, daß von dergleichen frembden Personen und Fabricanten gar viele, weiln sie nicht sogleich vermögend gewesen, ein Hauslciiufflich an sich zu bringen, oder eine wüste Stelle zu erbauen, von ihrem Vorhaben, sich in Unsere Lande zu begeben, abgeschrecket, worden, ... So haben Wir ... für nöthig befunden: Daß nehmlich alle frembde Manufacturiers und Fabricanten, ... insonderheit diejenigen, weiche etwa neue Inventiones, und in Unserm Lande seither nicht bekJJnnte Fabriquen, hierunter anzugeben wissen, ob sie gleich nicht ... ein Hauß lciiufflich an sich bringen, oder wüste Stellen anbauen, iedennoch sich im Lande niederlassen, und ihr Bewerb und Nahrung anfangen, nichts destOM/eniger die, ... vor die Neu-anbauenden geordnete Befreyungen ... zu geniessen haben, wie auch mit Abforderung derer Qvatembersteuern ... verschonet, selbigen auch das Bürger-Recht ohne EntgeM ertheilet, und von denen Ober-Aeltesten derer Handwerckere, sie entweder gleichfalls ohne EntgeM, oder doch gegen Entrichtung eines leidlichen, in die Innungen, wenn dieselben auch schon ein Jus prohibendi für sich hätten, auf- und angenommen werden". Zu den Manufakturgründungen P.C. Hartmann, Merkantilistische Manufakturgründungsprojekte unter Kurfürst Max Emanuel von Bayern, S. 162 ff.; W.O. Henderson, Die Manufaktur in Deutschland, S. 589 ff., auch zur Gründung staatlicher Manufakturen; G. Hertzog, Gew.e Unternehmungen des bayrischen Staates, S. 210 f., zu den Staatsmanufakturen; J. Kermann, Die Manufakturen im Rheinland, S. 83 ff.; F. Oberlehner, Die
III. Das Gewerberecht unter dem Absolutismus
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gewährt werden mußten448, sollten der Staatskasse nicht verloren gehen. 449 Sofern nicht jede Konkurrenz ausgeschlossen werden sollte, konnte auch nur die exklusive Nutzung einer importierten neuen Technologie privativ privilegiert werden. 4S0 In Preußen wurde im Jahre 1703 der Konzessionszwang für alle neu gegründeten Manufakturen angeordnet 451 Die in den Produktionssektor einer privilegierten Zunft eingreifenden Manufakturen bedurften ohnedies eines dispensierenden Privilegs. 452 Nichtsdestoweniger wurden in der preußischen Verwaltungspraxis der folgenden Jahrzehnte unkonzessionierte Manufakturerrichtungen in größerem Umfange hingenommen. 453 Denkbar sind insoweit mehrere Ursachen: Zum einen mag die Steuerkraft der Fabrikanten4S4, zum anderen die Vermeidung der sich aus der Erteilung einander ausschließender gleichartiger Privilegien ergebenden schwierigen rechtlichen Probleme 4SS in Erwägung geAnfänge des Manufakturwesens in Niederösterreich, S. 70 ff.; G. Otruba, Anfänge u. Verbreitung der böhmischen Manufakturen, S. 230 ff.; G. Slawinger, Die Manufaktur in Kurbayern, S.14 ff. Zu den sich dabei ergebenden Beziehungen W. Treue, Das Verhältnis von Fürst, Staat u. Unternehmer, S. 26 ff. Zur Unterstützung des Fabrikwesens in Preußen R. Röseler, Handels- u. Gew.politik Preußens, S. 68 ff. 448 Preußische Deklaration vom 31. Ob. 1775, NCC V 1775 Nr. 47: "Se. Majestiit der König ... (hat) resolviret, allen F abriquen ... diejenige Freyheiten, unter deren Bedingungen die Anillgen geschehen, auch noch fernerhin geniessen zu iIlssen, ... sie ferner von allen Abgaben frey zu lassen, wie ihnen solches iIlut ihren Privilegiis verstattet worden". 449 VgI. dazu den preußischen Befehl vom 15. Apr. 1760, NCC II 1760 Nr.10: Es wird befohlen, "dahin zu sehen, damit nicht ... die in der Provintz mit vielen Kosten dablirte Manufaduriers und F abricanten, sich aus Unserm Lande wegzubegeben ... verleitet werden mögen". 450 B. Dölemeyer, Einführungsprivilegien u. Einführungspatente, S. 208; M. Silberstein, Erfindungsschutz u. merkantilistische Gew.privilegien, S.252 ff.; vgI. noch R.-J. Gleitsmann, Erfmderprivilegien u. technologischer Wandel, S. 239 ff. Zum möglichen Inhalt der Gewerbeprivilegien C. Wolf, Die Lehre von den Gewerbs-Privilegien, §§ 47ff. Zur technologischen Innovation H. Janetschek / G. Marcsch, Technik u. Technologie, S. 453 ff. Nicht selten verhinderte allerdings gerade die Berufung auf ein Privileg die Nahrungssicherung durch technologische Innovationen, U. Betzhold, Holzverknappung u. Umgang mit Technik, S. 194 ff. 451 Patent vom 12. Dez. 1703, CCM V 2,5 Nr.lO: Es soll nicht gestattet werden, "daß eine neue Manufacture ... zum Detriment der anJern allbereits wohleingerichteten unbedachtsahmerweise hinführo angefangen werden solle, sintemahl die Erfahrung bißhero ö/fters gezeiget, daß solchergestalt eine mit der andern in ruin und Armuth gerathen. Als verordnen ... Se. KönigL Majestät. daß hinführo alle und jede so wohl Manufacturiers als Entrepreneurs der Manufacturen, welche etwas dergleichen anfangen wollen, solches sonJer Dero allergniidigsten Consens und vorhero erhaltenen Concession, welche nach vorhero gegangener gehörigen Untersuchung unverweigert seyn soll, nicht zu thun befugt seyn sollen". 452 D. Willoweit, Gew.privileg u. "natürliche" Gew.freiheit S. 63. Zum Verhältnis von Zunft und Manufaktur G. Croon, Zunftzwang u. Industrie im Kreise Reichenbach, S. 107 ff.; R. Oberle, Les Corporations et les debuts de I'industrialisation aMulbouse, S. 369 ff. 453
D. Willoweit, Gew.privileg u. "natürliche" Gew.freiheit, S. 66 ff.
454
VgI. A. Bruder, Ueber den Verfall der Zünfte, S. 232 f.
45S Dazu G. K1einheyer, Privileg gegen Privileg, S. 245 ff.; D. Willoweit, Gew.privileg u. "natürliche" Gew.freiheit, S.107 f. Die fürstenfreundliche Doklrin betonte den Gnadencharakter
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Kap. 3: Die Einflußnahme des territorialstaatlichen Gesetzgebungsanspruchs
zogen worden sein. Überdies hatte sich unter physiokratischem Einfluß etwa bei Maria Theresia schon 1761 die Erkenntnis Bahn gebrochen, privative Privilegien nicht mehr zu gewähren, "da die exclusiva höchst schädlich sind und in Ansehung derer Fabricaturen auf die möglichste Vermehrung im ganzen Staat das Augenmerk gerichtet werden" muß4S6. Das Prinzip der monopolisierenden Privilegien sollte zugunsten einer dezentralisierenden Konkurrenz aufgegeben werden. 4S7 Vergleichbare Maßnahmen fmden sich in anderen Territorien; in Preußen wurde 1788 die Raffination von Zucker zum freien Gewerbe erklärt, nachdem die privilegierten Raffinerien eine marktgerechte Versorgung nicht zu leisten vermocht hatten: "Se. Königl. Majestät ... (hat) zu billiger Verminderung der hohen Zucker-Preise, die Zuckerbäckerey ... für ein freyes Gewerbe erkläret, und jedem, der solche auf eigene Kosten übernehmen win dieselbe ohne Conceßion verstattet, ... mit dem Bemerken wie dergleichen kleinen Zucker-Bäckern alles dasjenige zu statten kommen sol~ was denen grössern Zucker-Raffinadeurs bewilliget ist".458 Das hier zugrundeliegende Verhältnis von Groß- und Kleinbetrieb wurde festgeschrieben im ALR, wonach die tradiert zunftfreien (KIein-)Gewerbe weiterhin unbeschränkt zulässig sein sollten, die Fabriken als Großbetriebe hingegen grundsätzlich eine Erlaubnis zu erfordern hatten. 459 Letztere waren allerdings allgemein vom Zunftzwang exi-
der Privilegienerteilung und damit deren jederzeitige Widerrufbarkeit, H. Mohnhaupt, Vom Privileg zum Verwaltungsakt, S. 46 f. 456 Entschließung vom 25. Apr. 1761, A. Beer, Studien zur Geschichte der österreichischen Volkswirthschaft, S. 14. Der merkantilistischen Doktrin war die Eröffnung staatsfreier Wirtschaftsräume durchaus bekannt, E.Klein, Staatsdirigismus u. Handelsfreiheit, S.72 ff. Vgl. auch den Bericht der Mainzer Landesregierung vom 22. Juni 1792, H. Schol~ Kurmainzische Wirtschaftspolitik, S. 152: Das ·Privilegium exclusivum" wird nur noch in Ausnahmefällen erteilt, da ein solches Privilegium eine "Art Monopolium" darstelle, "wodurch ein Staat, Land oder Stadt in Gefahr gesetzt wird, indem meistenteils dadurch die Tätigkeit, der eifernde Fleiss und die fähigen Köpfe gehindert würden und die Ausführung der Waren hemmt und einschläfert". 457 Resolution Maria Theresias von 1771, Walter Fischer, Österreichs Wirtschaftspolitik unter Maria Theresia, S. 70 f.: "Oberhaupt kann ein jeder zur Unterstützung von Fabriken angewendeter Zwang nicht anders als schädlich angesehen werden. Es wird also künftighin ... darauf zu sehen seyn, daß anstalt der vereinigten Fabriquen ... einem in particulari zu arbeiten gestaltet werden möge, indem hierdurch allein die Wohlfeilheit und Concurrenz mit fremden dergleichen Waaren gehoffet und erhalten werden kIInn".
458 Publikandum vom 14. Juli 1788, NCC VIII 1788 Nr. 44. 459 ALR II 8 § 179: "Wo bisher eine Art von Gewerbe in keine Zunft oder Innung eingeschlossen
gewesen ist, da soll auch ferner der Betrieb desselben einem jeden, welcher damit forzukommen sich getrauet, frey und unverschränkt seyn.", §§ 407, 410 f.: "Anstalten, in welchen die Verarbeitung oder Verfeinerung gewisser Naturerzeugnisse im Großen getrieben wird, werden Fabriken genannt. Die Erlaubniß zur Anlegung einer Fabrik zu ertheilen, kommt allein dem Staate zu. Dergleichen Erlaubniß ist als ein Privilegium anzusehen und zu deuten." Zum Aufblühen neuer Luxus- und Dienstleistungsgewerbe P.H. Seraphim, Die gew.e Wirtschaft in der vorindustriellen Wirtschaftswelt, S. 403 f.
III. Das Gewerberecht unter dem Absolutismus
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miert, 460 so daß der Konzessionszwang weniger als Schutz- als vielmehr als gewerbepolitisches Steuerungsinstrument zu verstehen ist 461. Ohne grundsätzliche Änderung der Stadt-Land-Abgrenzung konnte sich neben dem Zunftsystem das Fabrikwesen im ländlichen Raum entwickeln. 462 Während in den preußischen Stammlanden das friderizianische Wirtschaftsprinzip der Konzentration der Kräfte in der Mitte des Territoriums zu durchgreifenden Strukturproblemen führte,463 entstanden im westdeutschen Raum die Industrien ohne Lenkungsprogramm vorwiegend in kleinen zunftfreien Orten 464• Zur Bewältigung dieser komplexen Ordnungsaufgaben wurde insbesondere in den größeren Territorien die Kommerzial- aus der Zentralverwaltung als selbständiges Verwaltungsorgan ausgegliedert 46S Das Problem der Stellung von Qualifikationsanforderungen an den Betreiber einer Manufaktur oder Fabrik konnte sich nur dort stellen, wo der Befahigungsnachweis wie in Handwerk und Handel eine spezifische Aufgabe im 460 ALR 11 8 § 417: "Eigentliche Fabrikanten ... sind dem Zun{tzwangt! und dm Statutt!n dt!r Zünftt! nicht unterworft!n. "
461 462
Anders D. Willoweit, Gew.privileg u. "natürliche" Gew.freiheit, S. 99.
G. Croon, Zunftzwang u. Industrie im Kreise Reichenbach, S.100 Cf. Zur Stadt-Land-Verteilung der gewerblichen Produktion Hildegard Hoffmann, Hw. u. Manufaktur in Preußen, S.32 ff. Zu regionalen Gewerbegebieten K.H. Kauthold, Gew.landschaften, S.119 Cf. Zur Problematik auch H. Kellenbenz, Die unternehmerische Betätigung der verschiedenen Stände, S. 6 ff. Zur vom Manufakturwcscn geforderten Rücksichtnahme auf die Belange der Handwerker vgl. Anonymus, Erörterung der Frage: In wiefern bestehen Manufakturen, Fabriken u. einzelne Hw.er mit u. neben einander?, S. 725.
463 W. Mertineit, Ostpreußische Manufaktur- u. Merkantilpolitik, S. 481 ff.; Vgl. H. Fechner, Die Wirkungen des preußischen Merkantilismus, S. 321 f. Zu Friedrich dem Großen als Industriebegründer C. Matschoss, Friedrich der Große als Beförderer des Gewerbeflei8es, S. 37 ff. Zum ganzen H. Rachel, Der Merkantilismus in Brandenburg-Preußen, S. 221 ff. 464 M. Barkhausen, Staatliche Wirtschaftslenkung u. freies Unternehmertum, S. 235 f.; als Beispiel einer Fallstudie vgI. dens., Verwiers, S. 366 ff.
465 Zusammenfassend F. Blaich, Wirtschaftspolitik u. Wirtschaftsverwaltung, S. 441 ff.; F. Facius, Wirtschaft u. Staat, S. 19 ff., 190 Cf.; vgl. I. Bog, Der Merkantilismus in Deutschland, S. 136 ff. Zur Kommerzienkommission in Kurmainz R Schäfer, Förderung von "Handel u. Wandel" in Kurmainz, S. 2 Cf. Zur Kommerziendeputation in Württemberg W. Söll, Die staatliche Wirtschaftspolitik in Württembcrg, S.116 Cf. Zur unterschiedlichen Zuständigkeit für Kommerzial- und Polizeigewerbe in Österreich vgI. das Patent vom 8. Feb. 1755 Art. 1, Supplementum Codicis Austriaci, S. 929 f.: "Dit! in sotMnet' Spt!cification nichl oUhalt_ Profusionisten dert!r Gt!Wt!rbstrt!ibung ... mdJr das Publicum, als das COmmt!rcialt! purum angdJd, (werden) unmittt!llxlr an dit! von Wim, und als Obuinstanz an sit! N. Ot!. Rt!präsentation und Kammt!r verwium: dahingt!gm abt!r Rupt!Ctu allt!r andrt!r das Commt!rciak unmittt!lbar bt!tr4foukn, und in obigt!r Specification bt!griff_ Gt!Wt!rbschaftm in Hinkunft bt!)' obwaltendma pt!riculo in mora von dmm von Wit!n durch dit! ddt!girte Hoj1commission dit! nöthigt! Auskiinftt! allt!in mündlich anvt!rlangt!l (werden), und ... er Magistrat bey allm tkn dma Commt!rciali unterzogmt!n Gt!Wt!rbschaftt!n keint!m Anwerbt!r du Burgt!r- und Mt!istt!"«hIs solchu /Ur sich sdbst wdt!r t!rtht!ilt!n, noch abschlagm, sondt!Tn davon der tkkgirtt!n Hofkommission dit! gdJörigt! vorläufigt! Anzt!igt! macht!n, und sodmn von dt!rsdbm hit!rübt!r dit! GmdJmhaltung t!rwartt!n soll. "j zur Unterscheidung Kap. 3 III 3.
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Kap.3: Die Einflußnahme des territorialstaatlichen Gesetzgebungsanspruchs
Rahmen der merkantilistischen Wirtschaftspolitik zu erfüllen hatte. Vielfach wagten sich völlig Berufsfremde ohne jede Erfahrung an großmaßstäbliche Fertigungstechniken heran, was zu einer sehr kurzen Lebensdauer vieler Betriebe führte. 466 Daher prüfte etwa das hessische Commerz-Colleg in mündlicher Aussprache die Fähigkeiten und Mittel der Bewerber. 467 In ÖSterreich hatten unerfahrene Unternehmer ihren Betrieb von einem versierten Vorsteher leiten zu lassen. 468 Wirkliche Qualiftkationsvoraussetzungen für Manufakturiers bestanden jedoch kaum. 469 Bei den das Textilgewerbe betreffenden, anscheinend eine Meisterprüfung von allen Fabrikanten fordernden Quellen ist zu beachten, daß bei einem relativ hohen Handwerkeranteil an der Unternehmerschaft jene Einschränkung für die privilegierten Großhersteller gerade nicht galt. 470 Denn da die merkantilistische "Intention auf die Vermehrung und Con466 R. Forberger, Die Manufaktur in Sachsen, S.34. Zur sozialen und beruflichen Herkunft der Unternehmer J. Mentschl, Unternehmertypen des Merkantilzeitalters, S. 341 ff.j F. Redlich, Entrepreneurship in the Initial Stages of Industrialization, S. 65 ff.j ders., Frühindustrielle Unternehmer, S. 339 ff.j zu ihrem wirtschaftspsychologischen Profil L. Bauer, Zur Entwicklung des "homo occonomicus", S. 68 ff. Zum Niedergang der Manufakturen J. van Klaveren, Die Problematik der Manufaktur-Erscheinung, S. 317 ff.j O. Reuter, Die Manufaktur im Fränkischen Raum, S. 136 ff.j G. Slawinger, Die Manufaktur in Kurbayem, S. 46 ff. R. Forberger, Zur Auseinandersetzung über das Problem des Übergangs von der Manufaktur zur Fabrik, S.l71, bezeichnet die These, daß sich die Fabrik nur in seltenen Fällen aus Manufakturen entwickelt habe, als "bürgerliche Apologetik ... in wissenschaftlichem Gewande"; zum Problem auch H. Freudenberger, Die proto-industrielle Entwicklungsphase in Österreich, S.355 ff.j P. Kriedte / H. Medick / J. Schlumbohm, Industrialisierung vor der Industrialisierung, S. 36 ff.j A. Mosser, Proto-Industrialisierung, S. 383 ff. 467 H.-H. Brandt, Wirtschaftspolitik u. gew.e Mitbeteiligung im nordhessischen Raum, S. 28. 468 Dekret vom 22. Nov. 1793, Sammlung VerO.en u. Generalien Nr. 398: "Es müssen FabriksUnternehmer, wenn sie die erforderlichen Kenntnisse nicht besitzen, die Leitung derselben einem mit solchen Kenntnissen versehenen Vorsteher anvertrauen. " 469 A. Tausendpfund, Die Manufaktur im Fürstentum Neuburg, S. 209j aA. M. Kemter, Der Einfluß der landesherrlichen Konzessionen, S.lOS. 470 W. Ebel in: Q. Geschichte dt. Arbeitsrecht, S. 214j unzutreffend insoweit S. Lammei, Die Gesetzgebung des Handelsrechts, S. 660. Kursächsisches Mandat betreffend die Wollfabrikanten vom 21. Juli 1718, Codex Augusteus, Sp. 1881 ff. (1882 f.): "Hingegen wollen und versprechen Wir hierdurch, diejenigen Fabricanten, so sich in Unsere Lande wenden und anbauen wollen, ... nicht alleine bey der General-Accise die geordnete Bau-Ergötzlichkeiten an baarem Gelde ... geniessen, sondern sie auch sonsten I-\?n allen Steuem und Bürgerlichen Oneribus ... würclclich befreyen ..., und sie bey denen Innungen und Handwercken um ein leidliches aufnehmen zu lassen, ... (und) daß sie ... nur zu andem nutzbaren und üblichen dergleichen Meister-Stücken angehalten ... werden dürffen"; preußisches Reglement für die Seiden- und Samtfabriken vom 15. März 1766 Art. 5, NCC IV 1766 Nr.28: "Kein Meister darf selbst fabriciren, oder /Ur sich fabriciren lassen, wenn er nicht ... vom Gewerk, nach Vorschrift des Güldebriefes, als Meister aufgenommen worden". In HessenKassel waren 30 % der Manufakturbetreiber Handwerker, O. Dascher, Das TextiiGew. in HessenKassel, S. 85. Zum im Textilgewerbe besonders hohen innovatorischen Druck auf die überkommenen Betriebsstrukturen W. Endrei, Kampf der Textilzünfte gegen die Innovationen, S. 129 ff.j seine Auswirkungen werden unterschiedlich beurteilt: J. van Klaveren, Die Manufakturen des Ancien Regime, S. 188, geht von einem Unterliegen der Manufakturen, H. Koch, Geschichte des SeidenGew.s in Köln, S. 90 f., von dem der Betriebsformen des zünftischen Handwerks aus. Zum preußischen Seidenreglement von 1766 und dessen Fortentwicklung R. Straubel, Der Berliner Polizeidirektor, S. 213 ffj ders., Das Berliner Seidenwirkerreglement, S. 370 ff.
111. Das Gewerberecht unter dem Absolutismus
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servation der Manufacturen eintzig und allein gerichtet ist, so ... (ist es) ... rathsam ... sothane Manufacturiers so wenig durch Zwang einer Innung, als sonsten beunruhigen zu lassen, damit ein jeder, welcher vor sich selbst fabriciren zu lassen gesonnen, freye Hand behalte".471 Der notwendige Qualitätsstandard wurde durch eine Beschau der in den Manufakturen produzierten Waren gewährleistet. 472 Abhängig war die Produktionsgüte im wesentlichen von den Fähigkeiten der in den Manufakturen beschäftigten Handwerker, um die intensive Abwerbungskämpfe geführt wurden. 473 Insoweit bestimmte das Ausbildungswesen des zünftigen Handwerks die Entwicklung der industriellen Produktionsbedingungen. 474 Der Fabrikant durfte Lehrlinge und Gesellen zunächst nur dann ausbilden, wenn er selbst Meister war; ansonsten mußte das Ausbildungsverhältnis durch einen verlegten Meister mediatisiert werden. 475 Eine Befähigung im 471
Preußisches Woll-Reglement vom 12. Aug. 1724 Art. 34, CCM V 2, 4 Nr. 84.
472 Hessische Instruktion vom 10. Apr~ 1764 Art.7, H. H. Brandt, Wirtschaftspolitik u. gew.e Mitbeteiligung im nordhessischen Raum, Anhang Kopie B 2 "Und da Wir mißfällig vernehmen, daß von verschiedenen Fabricanten und Handwerkern, welche mit besonderen Privilegiis und Zunftbriefen ... begnadiget worden, schlechte und nichts taugende Waaren gemacht, ... So (ist) ... dahin zu sehen, daß diesem Uebel abgeholfen werde, ... durch die sogenannte Schau oder sonsten"; G. Chaloupek, Wirtschaftsentwicklung, merkantilistische Wirtschaftspolitik u. die Wiener Wirtschaft, S.29; Patje, Kurzer Abriß des Fabriken-, Gew.-, u. HandlungsZustandes, S. 145 ff.; H. Schneider, Die bernische Industrie- u. Wirtschaftspolitik, S. 137. 473 C. Hinrichs, Die Wollindustrie in Preußen, S. 171; H. Matis, Betriebsorganisation, Arbeitsmarkt u. Arbeitsverfassung, S. 434 ff.; R. Weinhold, Meister-Gesellen-Manufakturier, S. 188 ff. Im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken stand an der Spitze der Wollmanufaktur ein vom Landesherm ernannter Direktor; unter der Aufsicht eines technischen Leiters war für jede Art von Tuch ein Meister angestellt, der die Gesellen anleitete, A Reuter, Der Merkantilismus im Herzogtum PfalzZweibrücken, S.28, 34. Zur betrieblichen Organisation der Manufaktur F. Schulte, Die Entwicklung der gew.en Wirtschaft in Rheinland-Westfalen, S.91 ff. Zur Lage der Manufakturarbeiter H.Krüger, Zur Geschichte der Manufakturen u. der Manufakturarbeiter in Preussen, S. 260 ff.; H. Matis, Über die sozialen u. wirtschaftlichen Verhältnisse, S.433 ff.; O. Reuter, Die Manufaktur im Fränkischen Raum, S. 81 ff. Zur staatlich geförderten Kinderarbeit in Österreich L.v. Mises, Zur Geschichte der österreichischen Fabrikgesetzgebung, S. 209 ff. Zur Rechtsstellung der Arbeitskräfte H.H. Gellbach, Arbeitsvertragsrecht der Fabrikarbeiter, S. 10 ff.; H.-P. Zierholz, Arbeiterschaft u. Recht in Brandenburg-Preußen, S. 24 ff.; aus marxistischer Sicht R. Lorenz, Die RechtssteIlung der Manufaktur- u. Fabrikarbeiter in Brandenburg-Preußen, S. 184 ff.; vgl. weiterhin D. Willoweit, Die Entstehung der preußischen Fabrikengerichte, S.l ff. 474
H. Schultz, Hw., Verlag, Manufaktur, S. 208.
475 Antwort des Posamentiergewerks vom 11. Juli 1755, H. Krüger, Zur Geschichte der Manufakturen u. der Manufakturarbeiter in Preussen, S.465 ff., auf den Vorschlag von Bachmann u. Co. vom 25. Juni 1755 Nr. 6, I.c., S. 463 ff., "daß die Lehr Jungens auf unseren als derer Fabricanten Nahmen, bey dem Posamentier Gewercke ein und ausgeschrieben werden" sollen: "Der Fabricant ist ja kein Posamentirer Meister, wie Imnn dann auf defJen Nahmen, der Pursche eingeschrieben werden? Der Pursche ... muß ... auf des Meisters Nahmen, da er gelernet, eingeschrieben werden." Zur Mediatisiecung durch den verlegten Meister C. Lindow, Die Bedeutung der gew.en Sozialpolitik, S. 47 f. Zur Lehrlingsausbildung in den Fabriken K. Stratmann, Die Krise der Berufserziehung, S. 137 ff.; A. Tausendpfund, Die Manufaktur im Fürstentum Neuburg, S. 209 ff.
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Kap.3: Die Einflußnahme des territorialstaatlichen Gesetzgebungsanspruchs
Sinne des zünftischen Handwerks erlangte der gewerbliche Nachwuchs der Fabriken nach preußischem Recht nicht 476 In ÖSterreich mußten die Unternehmer die von ihnen angelernten Lehrlinge vor der Zunft freisprechen lassen. 477 Später konnte ihnen hier das Recht zur Aufdingung und Freisprechung von Lehrlingen ausdrücklich in ihrem Privileg zugestanden werden. 478 Schließlich gehörte seit einem Zirkular Maria Theresias vom 16. Juli 1770 diese Befugnis zum Inhalt jedes, die besonders wichtigen Unternehmen betreffenden Landesfabrikprivilegs. 419 Während in Sachsen-Coburg-Saalfeld für die Gesellen dasjenige galt, was in ÖSterreich auf der Entwicklungsstufe der Sonderprivilegierung für die Lehrlinge bestimmt worden war,4IIl wurde den zünftigen Fachkräften in Preußen die Fluktuation erleichtert481 • Dennoch verschärfte sich bis zum Ende des 18. Jhs. das Arbeitskräfteproblem für die preußischen Manufakturen, da das Interesse der qualifizierten Zunfthandwerker an einer Entlohnung als einfacher Manufakturarbeiter gering war. 482 In Altona wurden besondere Zünfte für die Fabrikanten auf deren eigenen Wunsch errichtet, weil die Schwierigkeiten für Unzünftige, Lehrlinge und Gesellen zu bekommen, zu groß waren. Dem Erfolg dieser Maßnahme stand jedoch das von den Zünften anderer Städte den Neugründungen entgegengebrachte Mißtrauen entgegen. 483
476 ALR 11 8 § 419: "Die von ihnen (den Fabrikanten) ausgelernJen Rechte der Zunftlehrlinge und Gesellen nicht zu erfreuen. "
Arbei~r
haben sich der
477
Harald Steindl in: Österreichische Fabriksprivilegien S. 106.
478
G. Otruba, ZunftO. u. Fabriksprivileg, S. 114 f.
479
G. Otruba, Von den "Fabriksprivilegien", S. 91; H. Rizzi, Das österreichische Gew., S. 99.
480 Herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldische allgemeine Innungsgesetze vom 25. Mai 1803 § 38,
Corpus Juris Opificiarii, S.593 ff.: "Es ist aber den Gesellen unbenommen, für Rechnung der Fabrikllnten, Haupt- oder Neben-Arbeiten ihres Handwerks zu w:rrichten, wann solche Fabrikllnten sich zünftiger Gesellen zu bedienen berechtiget sind. Ist das aber nicht der Fall, so darf ein zünftiger Gesell nur dJlnn für einen Fabrikllnten sein zünftig erlerntes Handwerk ausüben, wenn dieser selbst ein zünftiger Meister ist, oder einen zünftigen Werkmeister hiilt". 481 ALR 11 8 § 420: "Doch kIlnn ein Zunftgenosse, ohne Nachtheil seiner Zunftrec~, sich als Arbeiter in Fabriken brauchen lassen.· Zur Anrechnung der Wanderzeit F. Rüffer, Das gew.e Recht des ALR, S. 196. Inwiefern der Reichsschluß von 1731 den Kapitalismus durch Angleichung der Gesellen an die Lohnarbeiter in den Manufakturen gefördert haben soll, wie M. Kemter, Beiträge zur Geschichte des Hw.s, S. 177, behauptet, ist nicht ersichtlich. 482 J.V.H. Melton, Arbeitsprobleme des aufgeklärten Absolutismus in Preußen u. Österreich, S.49 ff.; W. Zorn, Probleme der dt. Gew.- u. Handelsgeschichte; S. 305. Zum Problem, inwieweit die zünftische Ausbildung den technologischen Anforderungen der Zeit geniigte, G. Otruba, Wiens Gew., Zünfte u. Manufakturen, S.125. 483
A. Wucher, Die gew.e Entwicklung der Stadt Altona, S. 46 f.
Kapitel 4
Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund I. Die Einführung der Gewerbefreiheit in Frankreich
In Frankreich, dessen Revolutionsgesetzgebung auf dem Gebiet des Gewerberechts im Deutschland des beginnenden 19. Jhs. bestimmend werden sollte, hatte sich das Zunftwesen in weiten Zügen entsprechend dem des deutschsprachigen Raums entwickelt. 1 Doch früher als dort setzte eine Gegenbewegung zum Merkantilismus ein, der unter Colbert die zünftische Organisation noch ausgeweitet hatte. 2 Noch für den Kopf der Physiokratie, Fran~is Quesnay, waren die Gewerbetreibenden die gegenüber der Landwirtschaft zu vernachlässigende cIasse sterile. 3 Bereits seine Nachfolger jedoch erkannten die nationalökonomische Bedeutung einer von der privilegialen Fessel befreiten gewerblichen Arbeit. 4 Praktische Relevanz gewann der physiokratische Ansatz insbesondere mit der Ernennung Turgots zum Generalkontrolleur der Finanzen im Jahre 1774. s Vorarbeiten waren seit der 1755 getroffenen Bestimmung der lan1 Zur älteren französischen Zunftgeschichte vgl. G. Ac\ocque, Les corporations I'industrie et le commerce a Chartres, S. 3 ff.; E. Coornaert, Les corporations en France, S. 37 ff.; R. Eberstadt, Die Entwicklung der Königsmeister im französischen Zunftwesen, S. 813 ff.; ders., Das französische Gew.recht, S. 23 Cf.; W. Gallion, Der Ursprung der Zünfte in Paris, S. 19 ff.; E. Martin Saint-Uon, Histoire des corporations, S. 52 ff.; F. Olivier-Martin, L'organisation corporative de la France, S. 81 ff. 2 E. Weis, Frankreich von 1661 bis 1789, S. 189. Zur Gewerbepolitik Colberts H.W. Farnam, Die innere französische Gew.politik, S. 5 ff. Zum fiskalischen Interesse H. See, Französische Wirtschaftsgeschichte 1, S. 237 ff. Zum Colbertismus C.W. Cole, Colbert and a century of French mercantilism, pass. Zur Organisation des Handwerks im Gefolge Colberts U. Hinkmann, Die Korporationen des Handels u.Hw.s in Frankreich, S. 22 Cf. 3 E. Kaufmann, Physiokraten, Sp.1751; F.K. Mann, Physiokratie. S. 298; W. Zorn, Die Physiokratie u. die Idee der individualistischen Gesellschaft, S. 499 Cf., auch zum Zusammenhang zwischen Physiokratie und cIespotisme 6claire; dazu insbesondere H. Holldack, Der Physiokratismus u. die absolute Monarchie, S. 517 ff. Umfassend zur physiokratischen Lehre E. Fox-Genovese, The Origins of Physiocracy, S. 43 ff. 4
E. Weis, Frankreich von 1661 bis 1789, S. 264.
s Zur Wirtschaftspolitik Turgots H.S6e, La doctrine politique el sociale de Turgot, S. 413 ff.;
G. Weulersse, La Physiocratie sous les ministeres de Turgot et de Necker, S.3 ff. Zur Beeinflussung Turgots durch die physiokratische Schule W. Treue, Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit, S.101 f.; aA. F. Blaich, Physiokratie, S. 85.
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
desweiten Gültigkeit von Lehr- und Gesellenzeiten geleistet worden. 6 Sie soUten nach dem 1774 registrierten Edikt vom Jahre 1772 die einzigen Qualifikationsvorausse1zungen bilden, ''parce que d'un c{)te la duree de I'apprentissage et du compagnonnage ayant ete reglee de la maniere la plus favorable a la securite publique, d'apres l'experience du temps necessaire atout homme pour se rendre suffisamment capable de remplir la profession qu'il a choisiej cette regle deviendrait incertaine s'il etait qu/un aspirant eut besoin de subir une epreuve nouvelle apres s/~tre soumis a ce que la loi a juge necessaire pour s/assurer de sa capacite. Que l'autre c{)te de cette epreuve pretendue est devenue illusoire au moyen de ce que le chef d'oeuvre ne s/execute plus que pour la forme et de ce qu'il ne sert que de pretexte pour exclure de la maftrise les aspirants qui ayant des talents ne se pr~tent pas aux vues interessees de leurs examinateurs''7; die Anfertigung eines Meisterstücks war laut Art. 10 nicht mehr erforderIich8• Das unter der Verantwortung Turgots ergangene "Edit portant suppression des jurandes et communautes de commerce, arts et metiers" vom Feb. 17769 hob in seinem Art. 1 die Zünfte auf und gestattete jedem Franzosen und Ausländer den Betrieb jedes Gewerbes, sofern er ihn entsprechend Art. 2 polizeilich angemeldet hatte10• Gewerbe, deren Ausübung beträchtliche Beeinträchtigungen anderer mit sich bringen konnte, waren gemäß Art. 9 der gefahrenabwehrenden polizeilichen Regelung untelWorfen. 11
6 E. Marlin Saint-Leon, Histoire des corporations, S. 530. Zur entsprechenden Regelung im Heiligen Römischen Reich Kap. 3 III 3. 7
Zitiert nach U. Hinkmann, Die Korporationen des Handels u.Hw.s in Frankreich, S. 70
8
U. Hinkmann, Die Korporationen des Handels u.Hw.s in Frankreich, S. 72.
9
Recueil general des anciennes lois fran~ises 23 Nr. 391.
Anm.36.
Art. 1: "11 sera libre afouJes personnes, de quelque qualite et condition qu'elles soient, mhne a tous etrangers, encore qu'ils n'eussent point obtenu de nous de 1ettrl!!S de naturalite, d'embrasser et d aercer dans fout notre royaume ... telk espece de commerce et telk profession d'arts et metiers que bon kur sembkra, mhne d'en reunir plusieurs; a I'effet de quoi nous avons eteint et supprime, &eignons et supprimons tous II!!S corps et C011tl1lUlUluJes de marclumJs et arhsans, ainsi que les maitrises cl juranJesj abrogeons tous privi1eges, statuts et reglements donnes auxJits corps et communautes, pour raison desquels nul de nos sujets ne pourra me trouble dans I'exercice de son commerce et de sa profession, pour quelque cause cl sous quelque pretexte que ce puisse etre. •, Art.2: "Et neanmoins seront tenus, ceux qui voudront aercer lesmtes professions ou commerces, d'en faire prealablement kur declaration devant le lieutenant general de police, Iaquelle sera inscrite sur un registre a ce dl!!Stine, et contiendra leurs noms, surnoms et demeures, k genre de commerce ou de metier qu'ils se proposent d'entreprendre, et en cas de changement de demeure, ou de profession, DU de cessation de commerce DU de travail". 10
11 "Ceux dl!!S arts et metiers dont /es traVGux peuvent occasioner des dangers ou des incommodites notab/es, soit tJU public, soit aux particuliers, continueront d'me assujettis aux reglements de police faits ou afaire, pour prevenir CI!!S dangers et CI!!S incommodites. "
I. Die Einführung der Gewerbefreiheit in Frankreich
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Hatte in Deutschland die Einsicht, daß die Zünfte ein integrierender Bestandteil der ständischen Staatsordnung waren, ihre Abschaffung verhindert, so mußte dieser Schritt auch in Frankreich zu unüberwindbaren Widerständen führen.1 2 Nach dem Sturz Turgots setzte sein Nachfolger schon im August 1776 zunächst in Paris, später im übrigen Land die Zünfte wieder in ihre leicht veränderten Positionen ein. 13 Für die zunftfreien Gewerbe blieb es bei der polizeilichen Meldepflicht (Art 2).1 4 Sie wurden durch die Deklaration vom 19. Dez. 1776 der den Aufgaben der Zunftmeister nachgebildeten Kontrolle zweier Aufsichtsbeamter unterstellt. l' Die revolutionären Prinzipien der Freiheit im umfassenden Sinne und der Gleichheit vor dem Gesetz mußten dem auf Privilegien gegründeten Zunftwesen ablehnend gegenüberstehen. 16 In der Nachtsitzung der Assemblee Nationale vom 4. August 1789 wurde beschlossen: "Tous les priviIeges particuliers des provinces, villes, corps et communautes sont abolis sans retour, et demeurent confondus dans le droit commun de tous les Fraru;ais. "17 Ob hiervon neben den Sonderrechten der Gebietskörperschaften die gewerblichen Korporationen betroffen sein sollten, bleibt umstritten. I8 1edenfalls blieben die Zünfte zunächst 12 Vgl. U. Hinkmann, Die Korporationen des Handels u.Hw.s in Frankreich, S.101; G. Martin, Les associations ouvrieres, S. 50 Cf.; W. Treue, Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit, S. 110. Zur Situation im deutschen Reich Kap. 3 11 1 u. III 1. 13 Edit porlant modification de 1'6dit de fevrier 1776, sur la suppression des jurandes vom Aug. 1776 Art. 1, Recueil general des anciennes Iois fran~ises 24 Nr. 517: wLes marchantls et artisans de notre bonne ville de Paris seront classes d rewus, suivant le genre de leur commerce, profession ou metier; a l'effet de qua nous avons retabli d retablissons, et, en tant que besoin est, creons d erigeons de nouveau six corps de marcilinuls ... et quarante-quatre communautes d'arls et metiers.• Insofern behielt J.G. Schlosser, Ueber das neue französische System der Polizeyfreyheit, S.6 ff., mit seiner unmittelbar nach der Beseitigung der Zünfte erhobenen Kritik aus deutscher Sicht recht. Generalkontrolleur der Finanzen war zu dieser Zeit entgegen der Auffassung U. Hinkmanns, Die Korporationen des Handels u.Hw.s in Frankreich, S.103, nicht Necker, sondern Clugny, vgl. H.W. Famam, Die innere französische Gew.politik, S. 59. Zur Soldidaritätsstruktur der Gilden in dieser Zeit, ihren Implikationen, Mechanismen und Durchbrechungen S.L. Kaplan, The Character and Implications of Strife, S. 631 Cf. 14 WEn ce qui conc:eme /es autres commerces, metiers d professions, ... il sera pennis a toutes personnes de les exerces, alscharge seulement d'en faire prealsblement leur tUclsration devant le sieur lieutenant geniral de police; lsdite declsration sera inscrite sur un registre a ce destine; elle contiendra les noms, sumoms, äge d demeure de celui qui se presenlera, d le genre de commerce ou travail qu'il se proposera d'exercer. W
l'
Declaration portant etablissement d'un syndic et d'un adjoint en chaque profession Iibre vom 19. Dez. 1776, Recueil general des anciennes Iois fran\'8ises 24 Nr.577; vgl. U. Hinkmann, Die Korporationen des Handels u.Hw.s in Frankreich, S. 107 f. 16
Vgl. A Soboul, Le choc revolutionnaire, S. 8.
17
Zitiert nach A. Soboul, Le choc revolutionnaire, S. 11.
Für einen Bezug nur auf die Gebietskörperschaften U. Hinkmann, Die Korporationen des Handels u.Hw.s in Frankreich, S. 110; J. Sandweg, Rationales Naturrecht als revolutionäre Praxis, S. 218. Für einen Einschluß der Zünfte A Mathiez, Les corporations ont-elles ete supprimees en 18
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
bestehen, was weniger auf eine Zweitrangigkeit ihrer Problematik 19 als vielmehr auf die Uneinigkeit des dritten Standes in dieser Frage zurückzuführen isVO. Erst die sog. loi d'Allarde vom 2. März 1791 beseitigte das Zunftwesen endgültig. 21 Der Betrieb eines jeden Gewerbes stand für jeden offen, sofern er gegen Entrichtung einer Taxe eine ''patente'' erwarb und die polizeilichen Regelungen einhielt (Art. 7).22 Gemäß dem "Decret relatif au remboursement des maftrises et des jurandes" vom 20. April 1791 23 waren die Inhaber von Meisterbriefen hinsichtlich der für deren Erlangung gezahlten Gebühren zu entschädigen. Für die Goldschmiede, Drogisten, Makler und Apotheker wurden durch Verordnungen vom 31. März, 14. und 21. April 1791 aus polizeilichen Rücksichten neue Zwangsverbände errlchtel 24 Mit der Eliminierung der kollektiven Marktrnacht der Meister erstarkte die Position der organisierten GeseIlenschaft in einem Maße, das die selbständigen Gewerbetreibenden zur Beschwerdeführung veranlaßte. 2S Die sog. loi Le Chapelier vom 14. Juni 1791 bezeichnete jede Koordinierung von Bürgern des gleichen Berufs als wider die Verfassung, die Freiheit und die Erklärung der Menschenrechte und daher verboten. 26 Diese Formalisierung der Freiheit lag in der Konsequenz eines egalitäprincipe dans la nuit du 4 aout 17891, S. 252 ff.; A. SoOOul, Die Große Französische Revolution, S.163. 19 So aber U. Hinkmann, Die Korporationen des Handels u.Hw.s in Frankreich, S. 111. 20 Vgl. A. Soboul, Die Große Französische Revolution, S. 23 f., 159. 21 Decret portant suppression de lOUS les droits d'aides, de toutes les maitrises et jurandes, et etablissement des patentes vom 2. März 1791 Art. 2, Les metiers et corportions de la ville de Paris, S. 188 ff.: "A compter du 1"' avril prochain, les offices de perruquiers barbiers-baigneurs-etuvistes, cera des agens de change d taus autres offices pour I'inspection d les travara des arts et du commerce, les brevets d les lettres de maitrises, les droits per'ius pour Ia reception des maitrises d jurandes, ceux du college de pharmacie d tous privileges de professions, sous quelque denomination que ce soit, SOllt egalement supprimes. "Dazu und zum folgenden L Benoist, Le compagnonnage et les metiers, S. 35 ff. 22 "A compter du 1et' avril prochain, il sera libre a toute personne de faire tel negoce ou d'exercer teile profession art ou metier qu'elle trouvera bon; mais elle sera tenue de se pourvoir auporavant d'une patente, d'en acquitter le prix suivant les taux ci-apres determines d de se conformer aux reglemens de police". 23 24
Les metiers et corporations de la ville de Paris, S. 191 f. H. See, Französische Wirtschaftsgeschichte 2, S. 66.
2S E. Soreau, La loi Le Chapelier, S. 295 f.; vgl. G. Martin, Les associations ouvrieres, S. 223 ff. Zur Geschichte der französischen Gesellenvereinigungen E. Coomaert, Les compagnonnages en France, S. 21 ff.; E. Martin Saint-Lean, Le compagnonnage, S. 31 ff. 26 Les metiers et corporations de la ville de Paris, S. 192 f., Art. 1: "L'aneantissement de toutes especes de corporations de citoyens, de meme etat d profession, etant I'une des bases fondamentales de la constitution fran'iaise, il est dijendu de les retablir de fmt, saus quelque pretexte et sous quelque forme que ce soit ", Art. 4: "Si contre les principes de Ia liberte d de Ia constitution, des citoyens attaches aux mhnes professions, arts et metiers, prenoient des deliberations, faisoient entre eux des conventions tendant a refuser de concert, ou a n'accorder qu'a un prix determine le secours de leur industrie ou de leurs travaux. lesdites Jeliberations •.• sont dedarees inconstitutionelles d attentatoires a Ia liberte et a la declaration des droits de I'homme, d de nul elfd".
H. Die preußischen Reformen
327
ren Freiheitsbegriffs und war insofern weder antisozial intendiert27 noch ein krasser Verstoß gegen die Vereinigungsfreiheit28• Nachdem etwa die Helvetische Republik nach französischem Vorbild die Gewerbefreiheit eingeführt hatte 29, setzten auch in Deutschland verstärkt Überlegungen zur Beseitigung des Zunftwesens ein. 11. Die preußischen Reformen Der erste deutsche Staat, der ohne eine Intervention Frankreichs zur Gewerbefreiheit überging, war Preußen. Im zweiten Drittel des 18. Jhs. und insbesondere im Anschluß an das Februaredikt Turgots war zwar die Aufhebung des Zunftzwanges im preußischen Staatsapparat diskutiert, jedoch unter Berücksichtigung der ordnungsstabilisierenden Funktion der Zünfte deren allmählicher Wandlung der Vorzug gegeben worden. 30 Aktualisiert wurde die Frage mit der endgültigen Durchsetzung der Gewerbefreiheit in Frankreich 1791. Obwohl schon gegen Ende des 18. Ihs. in der wissenschaftlichen Diskussion die eine Gewerbefreiheit fordernden Stimmen überwogen31 und sich etwa das Fabriken-Departement sowie die Kriegsund Domänenkammer zu Bromberg diesen anschlossen 32, war die Sorge vor einer revolutionären Initialzündung nach dem Beispiel Frankreichs, "welches durch überspannte Vorstellungen von Freiheit und Gleichheit, in die größte Unordnung und Sklaverey gesunken ist" zu groß: ''Durch Aufhebung der Gilden, Innungen und Zünfte, wird auch die Macht der Regierung geschwächt".33 Als Kompromiß wurde die Lösung des Problems bis zur Stabilisierung der po-
27
So aber U. Hinkmann, Die Korporationen des Handels u.Hw.s in Frankreich, S. 113.
28
So aber A. Soboul, Die Große Französische Revolution, S. 164.
VgJ. dazu, zum Protest der zünftigen Meister und zur späteren Restitution der Zunftverfassung in vielen Kantonen L. Gmür, Die Entwicklung der Gew.freiheit im Kanton Luzem, S.7 ff.; E. His, Wandlungen der Handels- u.Gew.freiheit in der Schweiz, S. 244 ff.; F. Jecklin, Der Kampf der Churer um die Gew.freiheit, S. 1 f. Eine spätere Zustandsbeschreibung fmdet sich bei J.C. Pestalutz, Bericht an die Schweizerische gemeinnützige Gesellschaft, S.7 ff. Zur Entwicklung des Schweizer Zunftwesens vor der Reform H.Gutzwiller, Die Freiburger Zünfte im 18. Jh., S. 3 ff. 29
30 I. Mittenzwei, Preußen nach dem Siebenjährigen Krieg, S. 135 ff.; vgJ. A. Simsch, Die Wirtschaftspolitik des preußischen Staates, S. 156 f.; Kap3 1111.
31 K.H. Kauthold, Gew.freiheit u. gew.e Entwicklung, S. 76 f.; H. Steindl, Entfesselung der Arbeitskraft, S. 55 f. 32 K.H. Kauthold, Das Gew. in Preußen, S. 438 f.; K.v. Rohrscheidt, Vom Zunftzwange zur Gew.freiheit, S.175. 33
J.G. Braumüller, Ueber Gilden, Innungen u. Zünfte, S. 19, 21.
22 Ziekow
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Kap.4: Vom Vorgang Frankrcichs bis zur Gewerbeordnung für dcn Norddtsch. Bund
litischen Lage vertagt 34 Die praktische Gewerbepolitik orientierte sich allerdings schon an einer schriUweisen Durchbrechung des Zunftsystems. 35 Die Krise des friderzianischen Staatsautbaus wurde nicht erst 1806 /07 evident 36 Der Brockhausener Kriegsrat Meyer bezeichnete 1798 den Zunftzwang als schädlich, da er die Industrie unterdrücke und die Konkurrenz vernichte. 37 In einer Verfügung vom 17. Sept. 1802 erklärte der damalige Direktor der Kammer in Marienwerder und spätere Minister Graf Dohna die Zunftverfassung für hinderlich und zugunsten einer Gewerbefreiheit zu beseitigen. 38 Ein anonymer Autor stufte im gleichen Iahr den Zunftzwang als eines der gefährlichsten Hindernisse der bürgerlichen Freiheit ein. 39 Gegen die etwa von Braumüller erhobenen Bedenken, das Publikum sei zur Abseniierung der sich unter der Gewerbefreiheit zahlreich niederlassenden unqualifIZierten Handwerker nicht in der Lage,40 bezog v. Hagens in einer 1804 publizierten Schrift Stellung: In den Fällen, in denen dem Konsumenten trotz seiner Selektionsfähigkeit Gefahr durch die mangelhafte Ausübung eines Gewerbes drohe, habe der Staat vor der Zulassung die Fähigkeiten des Bewerbers zu prüfen; sonst aber müsse die bloße Anzeige der Aufnahme des Gewerbebetriebs ausreichen. 41 Größeren Einfluß gewann zunächst der Ansatz Iohann Gottfried Hoffmans, zu dieser Zeit Assessor bei der ostpreußischen Kriegs- und Domänenkammer und schließlich bis zum wirklichen geheimen Oberregierungsrat und Mitglied des Staatsrats aufgestiegen42 : Die Zunftverfassung widerspreche dem Zeitgeist, ihr Ausbildungswesen sei zur Fundierung einer publikumsorientierten Befähigung untauglich. 43 Diese 34 35 36 37
K.H. KautlJold, Das Gew. in Prcußen, S. 440 f. K.H. KautlJold, Das Gcw. in Prcußen, S. 441. E.R. Huber, 01. Vcrfassungsgcschichtc 1, S. 99.
Mcycr, Etwas über dic Nützlichkcit oder Schädlichkeit des ZunftwcscDS, S. 62; gcgcn ihn dcr Trcuenbrietzcner Kammerasscssor Wicsigcr, Ucbcr dic Nlltzlichkcit u. Schidlichkeit der Ziinftc, S. 63 ff. 38 H. Roch~ Beiträgc zur Preussischcn Hw.erpolitik, S.47. Zu Dohna vgI. K.O. Frhr.v. Arctin, Friedrich Fcrdinand Alcxander, Burggraf u. Graf zu Dohna Schlobitten, S. 53.
39
Anonymus, Einigc Bemerkungcn übcr Zwaogrechtc überhaupt, S. 19.
40
J.G. Braumüller, Ueber Gilden, Innungcn u. ZÜDfte, S. 17 f.
41 C.v. Hagcns, Philosophische u. politische Untersuchung über dic Rechtmäßigkeit der Zünfte, S.136,139. 42 43
Zu Hoffmann vgI. H. Locning, Johann Gottfried Hoffmann, S. 1 ff.
J.G. Hoffmann, Das Interesse des Mcnschen u. Bürgers bei den bestehenden Zunftvcrfassungen, § 1 (S. 1): "Die späte Nachwelt wirtl es unbegreiflich /intim, tlaß ... Verbindungen sich erhielten, tlie ... ihre verjährten SIlItuten ... gegen tlie laut beJcannte Ueberzeugung tles gebiltlden Theiles tler Nation, gegen tlie ämtlich anerlcannten Maximen tler SlIIatswirlhschaft, wul selbst gegen tlie öffentliche Meinung mit sta"_ Trotz ... behaupteten.", § 23 (S. 88 f.): "Die Zünfte als Institute zu Erhaltung, Verbreitung wul Erweiterung tler meclumischen Künste betrachtet, sinti offenbar äu-
11. Die preußischen Reformen
329
Auffassung sei von der Regierung zu betonen, die aber das Zunftwesen als System wohlelWorbener Rechte nicht aufheben, sondern durch Reformierung einem eigendynamischen Auflösungsprozeß anheim geben solle. 44 Hinzu trat die 1806 vom Bocholter Magistrat formulierte Befürchtung, ohne den Rückhalt der zünftischen Organisation seien die Handwerker zur Tragung ihrer umfangreichen bürgerlichen Lasten nicht in der Lage und würden sich in andere Gebiete zurückziehen. 45 Weitgehend kongruent mit diesen Positionen waren die Reformvorstellungen des Freiherm vom Stein. 1. Die GewerbepoliUk Steins
Der Preußen nach seiner Katastrophe bei Jena und Auerstedt oktroyierte Frieden von Tilsit vom 9. Juli 1807 bedrohte es in seiner staatlichen Existenz. Mehr als die Hälfte des Territoriums und der Bevölkerung gingen verloren; die festgesetzten Tributsummen überstiegen die preußische Leistungskraft bei weitem. 46 Das erstarrte Verfassungssystem elWies sich als unfähig, abwehrende Eigenkräfte der Nation zu aktivieren. Die Nutzbarmachung der nationalen Dynamik des aufstrebenden Bürgertums war für die Reformer eine Notwendigkeit. 47 Unter diesem Blickwinkel wurde der erforderliche Reformansatz auch als moralisch-sittlicher Erziehungsprozeß verstanden. 48 Anders als seine an Kant und Adam Smith geschulten Königsberger Mitarbeiter sah Stein in seißerst mangelhafte Anslillten. Der Lehrling ... lernt nur die einfachsten Handgriffe, und wird nicht wegen seiner Kenntnisse, sotukrn wegen einer Reihe überslilndner Lehrjahre frei gesprochen.", § 24 (S. 97): "Es kmm nicht geläugnet werden, daß das Wandern einigen Nutzen gewähre. ... Demohngeachtet wird man zugeben müssen, daß die Ausbeute fremder Kenntnisse, welche die Hunderttausende wandernder Gesellen in ihre Heimath zurückbringen, äußerst kärglich sey.", § 27 (S. 115): "Das beste Meisterstück zeigt immer nur, daß der Arbeiter, wenn er besondern Fleiß anwendet, auch wohl etwas Auserlesnes zu verfertigen verstehe: aber es zeigt nicht, daß er leicht, schnell und mit Vortheil zu arbeiten wisse. 44 J.G. Hoffmann, Das Interesse des Menschen u. Bürgers bei den bestehenden Zunftverfassungen, § 42 (S. 198): Es "scheint doch immer die bestimmte und olner Erklärung vorausgehen zu müssen: daß die Regierung zwar ... die Zunftgenossen bei ihrem unter einem rechtmäßigen Titel erworbenen Eigenthume und Rechten schützen wolle und werde: daß sie aber den Geist und Zweck der Zunftverfassungen nicht mehr mit den Bedürfnissen des Zeilillters und der Wohlfahrt des Ganzen w:reinbar finde", § 45 (S. 216): "Außerdem dürfte man vielleicht mehr reformirende und vorbereitende als auflösende Maaßregein ergreifen, um die Vernichtung des Zunftsystems langsam, aber unfehlbar herbei zu führen. ", § 46 (S. 229): "Mächtiger intkß als jede Verfügung arbeitet der Geist der Zeit an der Vernichtung der Zünfte". 45 46
S. Reekers, Die Bocholter Gew., S. 173. E.R. Huber, Dt.Verf.gcschichte 1, S.110 ff.
47 Vgl. G. Ipsen, Staat aus dem Volk, S. 149; zur Bewußtseinslage nach der Niederlage 1806 /07 B.v. Münchow-Pohl, Zwischen Reform u. Krieg, S. 37 ff. 48
B.v. Münchow-Poh~ Zwischen Reform u. Krieg, S. 69 f.
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
nem altständischen Konzept eine durchgreifende ökonomische Liberalisierung nicht vor, sondern blieb in den merkantilistischen Bahnen staatlicher Gewerbelenkung unter Zurückdrängung des Zunftsysterns. 49 Die in einem gemeinsamen Immediatbericht mit dem Minister Voß vom 24. Okt. 1805 gemachte Bemerkung, daß "der Zunftzwang jederzeit zurückstehen muß"so, war nicht einmal ansatzweise einem Wirtschaftsliberalismus verpflichtet 51. Diskutiert wurde allein die von Stein verneinte Frage, ob bestimmten MetallhandwerkefZÜnften ein Widerspruchsrecht gegen die Erteilung eines Privilegs an einen mit einer technologischen Weiterentwicklung ausgestatteten Unternehmer zustand. Entsprechend enthielt das Manifest der Steinschen Reformvorstellungen, die Nassauer Denkschrift vom Juni 1807, keinerlei Hinweis auf das Problem der Gewerbefreiheit. Entscheidend war "die Belebung des Gemeingeistes und Bürgersinns, die Benutzung der schlafenden oder falsch geleiteten Kräfte und der zerstreut liegenden Kenntnisse, der Einklang zwischen dem Geist der Nation, ihren Ansichten und Bedürfnissen und denen der Staatsbehörden, die Wiederbelebung der Gefühle für Vaterland, Selbständigkeit und Nationalehre" durch Beteiligung der Eigentümer an der Verwaltung. 52 Im Mittelpunkt stand die Modernisierung der ländlichen Wirtschaftsstruktur;53 sie war, wie Barbara Vogel
49 G. Ritter, Stein, S. 133 f., 290; P. Sundhausen, Die Gew.befreiung in Preussen, S. 30 ff., 41 f.; B. Voge~ Reformpolitik in Preußen, S. 218. Zu Stein vgl. neben Ritter noch W. Hubatsch, Reichsfreiherr Karl vom Stein, S. 25 ff.; zu den Beziehungen zu den liberalen Königsberger Reformern ders., Stein u. die ostpreußischen Liberalen, S. 64 ff.; zum Verhältnis zu Kant ders., Stein u. Kant, S. 48 ff.
50
Freiherr vom Stein 11 1 Nr. 102 (S. 110).
51
So aber H. Bopp, Die Entwicklung des dt. Hw.sgesellentums, S.226; W. Gembruch, Gedanken v. Stein u. Marwitz, S. 202; H. Pein, Die Gew.politik der dt.Romantik, S. 25; C. Quante, Die geistesgeschichtlichen Grundlagen, S. 40 ff. Die Ableitungen sind dabei mannigfaltig: Während A. Nahrgang, Die Aufnahme der wirtschaftspolitischen Ideen von Adam Smith, S. 63 ff., Stein unter dem Einfluß von Adam Smith sieht, verweist G.-c.v. Unruh, Steins Staatsverständnis, S.236, ihn in das Gefolge der französischen Physiokraten; W.F. Bruck, Die liberale Gew.politik, S.281, erklärt ihn gar zum Staatssozialisten. S2 Denkschrift Steins "Über die zweckmäßige Bildung der obersten und der Provinzial- , Finanzund Polizei-Behörden in der preußischen Monarchie" vom Juni 1807, Freiherr vom Stein 11 1 Nr.354 (S. 394), vgl. S. 390: "Man tötet also, indem man den Eigentümer von aller TeiltuJhme an der Verwaltung entfernt, den Gemeingeist". Zum Eigentum als Voraussetzung politischer Mündigkeit bei Stein D. Schwab, Die "Selbstverwaltungsidee" des Freiherrn vom Stein, S. 132 ff. Zur Eigentumsdiskussion am Ende des 18. Jhs. G. Birtsch, Freiheit u. Eigentum, S. 179 ff.
53 Nassauer Denkschrift Steins vom Juni 1807, Freiherr vom Stein 11 1 Nr. 354 (S.397): "Dem Bauernstand muß das Gesetz persönliche Freiheit erteilen und bestimmen, daß ihm der unterhabende Hof nebst Inventarium gehöre gegen Erlegung der bisherigen gutshe"lichen Abgaben, bei deren Nichtbezahlung er aber des Hofes entsetzt wird. Die bäuerlichen Abgaben und Dienste dürfen nicht erhöht ... werden. So würde die Zahl der freien Menschen vermehrt, die gegenwärtig nur aus dem Adel, den Bürgern und den Hauländereien und Kolonien auf dem platten Lande besteht. "
11. Die preußischen Reformen
331
nachgewiesen hat, der Ansatz zur Steigerung des aus den in gegenseitiger Abhängigkeit verflochtenen Sektoren konstituierten Nationalreichtums. S4 Die ersten gegen den Zunftzwang in einzelnen Gewerben gerichteten Regelungen orientierten sich daher in erster Linie an einer Hebung des ländlichen Handwerks. Das Zirkular, die Zunftfreiheit im Behauen der Granit-Feldsteine betreffend, vom 22. Apr. 1806 ss bestimmte, "daß das Behauen der GraniJFeldsteine nicht durch zunftmäßigen Zwang gehemmt, sondern dadurch befördert werden möge, daß jeder es ohne allen Zwang und Einschränkung treiben könne". Unter dem Gesichtspunkt des "Nutzen(s), den die Erfindung ... auch für das platte Land haben muß, ... (würde dadurch), daß solche nicht anders als durch zünftige Gewerksleute betrieben werden dürfte ... (,) der gute Endzweck verfehlt ... Denn da, wo in entfernten Gegenden dergleichen GraniJ-Feldsteine herum verstreut sind, die den Guts- und AckerbesiJzern und Forstleuten zur Last liegen, sind nicht überall zumftmäßige Steinmezer zu haben, und man würde solche nicht anders, als miJ großen Kosten und BeschwerlichkeiJen dahin rufen können. ... Sehr übel würden Guts-Besitzer, Landleute undForstleute daran seyn".S6 In den gewerblich besonders rückständigen, vornehmlich agrarisch ausgerichteten Landesteilen Ost-, Neuost- und Westpreußen sowie Litauen wurden die Zünfte auf dem einer Nebentätigkeit der Landbevölkerung zugänglichen Gebiet der Lein- und Baumwollweberei aufgehoben. s7 Verwirklicht wurde die Agrarreform durch das Edikt, den erleichterten Besitz und den freien Gebrauch des Grundeigentums sowie die persönlichen Ver-
S4 B. Vogel, Allgemeine Gew.freiheit, S.135 CC.; ihr folgend H. Steindl, Entfesselung der Arbeitskraft, S. 88 C. Auf die zentrale Relevanz der Agrarreform auch für die Gewerbefreiheit hat bereits H. Preuß, Die wirtschaftliche u. soziale Bedeutung, S. 16 C., hingewiesen.
ss NCC XII 1806 Nr. 48. S6
Bericht des Oberhofbauamts vom 10. Apr. 1806, NCC XII 1806 ad Nr. 48, b.
VerO. wegen des freien Betriebes der Lein- und Baumwollen-Weberei vom 4. Mai 1806, PrGS 1806-1810, S. 85, Vorrede: "Seine Kängliche Majestät ... haben ... wahrgenommen, daß ein sehr grofkr Theil der Bewohner von West-, Ost- und Neu-Ostpreujkn die Flachsspinnerei, so wie die Leinweberei, in einem hohen Grade als Neben-Geschäfte treiben, so daß daraus ein bedeutender Theil des National-Einkommens entsteht. Allerlu'5chstdieselben haben deshalb ... gefunden, dIIß die bisherigen einzeln bestehenden Landes-Polizei-Gesetze, wodurch der Betrieb der Leinweberei mit Gesellen und Lehrlingen, so wie mit gekauftem Garn, nur einzelnen Personen, Zunft-Mitglieder genannt, zusteht, jetzt, wo dies Gewerbe bereits einen großen Umfang erlangt hat, also der zunftmäßige Betrieb ... statt förderlich zu seyn, offenbar nachtheilig ist, keine fernere Aufrerhthaltung bedürfen", § 1: "Vom Tage der Bekanntmachung dieser Verordnung an, hören alle Garn-Züchner, Leinweber-Zünfte, Gilden und Innungen, so wie die ... Baumwollen-Weberei-Zünfte, Gilden und Innungen, gänzlich aur. Zur Vorgeschichte K.v. Rohrscheidt, Vom Zunftzwange zur Gew.freiheit, S.205 ff. Zur Wirtschaftsstruktur der östlichen Provinzen Preußens K.H. Kauthold, Das Gew. in Preußen, S. 37 Cf. S7
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Kap. 4: Vom Vorgang FraDkreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
hältnisse der Landbewohner betreffend, vom 9. Okt. 180758• Keineswegs war es ein ''Edikt über die Bauernbefreiung'~ dessen zentrales Anliegen die Aufhebung der Gutsuntertänigkeit gewesen wäre. 59 Bereits die Stellung dieses Regelungskomplexes am Schluß des Edikts deutet die Zweitrangigkeit der Frage an. 6O Unzweifelhaft war die persönliche Freiheit ein in der Aufklärung naturrechtlich deduziertes Programm61, jedoch im Steinschen Sinne nicht als Attribut der Gleichheit62, sondern des Eigentums, insoweit dieses den Autbau der projektierten ständischen Verfassung bestimmte63. Entscheidend war, daß die auf persönliche Unfreiheit gegründete agrarische Arbeitsverfassung der zur Sanierung dringend erforderlichen Öffnung der Gutswirtschaft zum Kapitalmarkt entgegenstand. 64 Grundbesitz und Arbeit mußten mobilisiert werden;65 § 1 des Edikts verkündete daher: ''Jeder Einwohner Unsrer Staaten ist, ohne
alle Einschränkung in Beziehung auf den Staat, zum eigenthümlichen und Pfandbesitz unbeweglicher Grundstücke aller Art berechtigt; der Edelmann also zum Besitz nicht blos adelicher, sondern auch unadelicher, bürgerlicher und bäuerlicher Güter aller Art, und der Bürger und Bauer zum Besitz nicht blos bürgerlicher, bäuerlicher und anderer unadelicher, sondern auch adelicher Grundstücke".66 Die Agrarreform eIWeist sich als Strategie zur Stabilisierung des ländlichen, vOIWiegend adligen Grundbesitzes durch Zußuß bislang
58
PrOs 1806-1810, S. 170.
So aber B.R. Huber, Dt. Verf.geschichte 1, S.I86 ff.; J. Siegelt, Freiheit oder Bindung im Zeitalter der Reformeu, S. 30 ff.; G.-C.v. Unruh, Die Veränderungen der Preußischen Staatsverfassung, S. 411; A. Zycha, Die wirtschaftsliberalen Reformen, S. 377. 59
60 § 12: "Mit dem Martini-Tage Eintausend Achthundert und Zehn (1810.) hört alle Guts-Unterthiinigkeit in Unsern sämmtlichen Staaten auf. Nach dem Martini-Tage 1810. giebt es nur freie Leute".
61 Vgl. G. Ritter, Stein, S. 215. 62 So aber G.-c.v. Unruh, Die Veränderungen der Preußischen Staatsverfassung, S.411. 63 G. Ipsen, Staat aus dem Volk, S. 159; G. Ritter, Stein, S. 224. 64 G. Ipsen, Die preußische Bauembe&eiung, S. 392; G. Ritter, Stein, S. 218 ff.; H. Winterberg, Bauembe&eiung, Sp. 326 f.; Bericht der Immediatkommission an den König vom 17. Aug. 1807, Kv. Rohrscheidt, Vom Zunftzwange zur Gew.&eiheit, S. 223.
65 Vgl. die Vorrede des Oktober-Edikts: "Wir haben ... erwogen, daß die vorhandenen Beschränkungen theils in Besitz und Genuß des Grund-Eigenthums, theils in den persönlichen Verhältnissen des Land-Arbeiters ... der Wiederherstellung der Kultur eine große Kraft seiner Thätigkeit entziehen, jene, indem sie auf den Wmh des Grund-Eigenthums und den Kredit des Grundbesitzers einen höchst schiidlichen Einfluß haben, diese, indem sie den Werth der Arbeit verringern. • 66 Vgl. dagegen ALR 11 9 § 37: "Nur der Adel ist zum Besitze adlicher Güter berechtigt.", 11 9 § 73: "Nur unter ausdrüclcJicher Genehmigung der Landes-PolizeybeJaörde, können Personen von Adel Rustikalgründe als eigne für sich bestehende Güter erwerben.', 11 8 § 83: "Fremde, die nicht in der Stadt wohnen, können dergleichen Grundstücke in der Regel nicht erwerben, noch besitzen. "
ß. Die preußischen Reformen
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verschlossener Wirtschaftspotentiale. 67 Doch konnte diese Aufhebung ständischer Schranken keine einseitige sein; umgekehrt mußte der Adel nunmehr zur Ausübung bürgerlicher Gewerbe berechtigt werden. 68 Sinnvoll verbunden konnte damit nur die Aufhebung des Zunftzwangs sein, um nicht den Adligen dem gesamten Instrumentarium zünftischer Zugangskontrolle zu unterwerfen. Der dahingehende Vorschlag des Staatsministers Schrötter vom 17. Aug. 1807 fand die Zustimmung des Königs in einer Kabinettsorder vom 23. Aug. 1807 unter der Maßgabe, daß die Zünfte als Institution und der Zunftzwang in den der Befriedigung der Grundbedürfnisse dienenden, einer Taxe unterworfenen Gewerben nicht angetastet würden. 69 Das Mißverständnis in einem gemeinsamen Bericht des Staatsministers und des Kanzlers Schrötter vom 28. Aug. 1807, der König habe die vollständige Aufhebung der Zünfte der "Gewerbe mit den ersten Lebensbedürfnissen" anbefohlen,70 korrigierte eine Kabinettsorder vom 3. Sept., nach der "Gewerbe, die der Taxe unterworfen sind, ohne Zunftzwang eigentlich nicht bestehen können. Die Aufhebung der Zünfte ist eine sehr wichtige Sache, die aber eben darum eine viel sorgfältigere Prüfung erfordert und daher ganz besonders zum Gegenstande der Gesetzgebung gemacht zu werden verdient"; "die Zulassung (des Adels) zu anderen bürgerlichen Gewerben (ist), mit Vermeidung aller zu sehr in's d~tail gehenden Vorschriften in
67 R. Koselleck, Adel u. eximiertes Bürgertum, S.170 f.; ders., Preußen zwischen Reform u. Revolution, S.85, 487 Cf.; H. Schissler, Agrarreformen u. politischer Wandel, S. 91, 103 f.; vgl. E. Engelberg, Die historischen Dimensionen der preußischen Reformen, S. 47; J. Mooser, Ländliche Klassengesellschaft, S.94; G. Ritter, Stein, S. 221. In der marxistischen Forschung wurde von H. Harnisch, Der Freiherr vom Stein als Agrarreformer, S.98; ders., Vom Oktoberedikt des Jahres 1807 zur Deklaration von 1816, S.276, zutreCfend darauf hingewiesen, daß Stein eine allumfassende Kapitalisierung der Wirtschaft fern lag, die Reform vielmehr einen Kompromiß zwischen dem herrschenden Adel und der ständischen Konzeption Steins bildete, die gerade ein selbständiges Bauerntum benötigte, H. Bock, Karl Freiherr vom u. zum Stein, S. 25; vgl. H. Schissler, Preußische Agrargesellschaft im Wandel, S. 130 Cf.; dazu auch H. Scheel, Eine notwendige Polemik in Sachen Stein, S. 75 ff. Grundsätzlich kam die Reform den Intentionen besonders des ostelbischen Landadels entgegen, dessen Kapitalisierungsversuche im ausgehenden 18. Jh. an die Grenzen der feudalen Bindungen gestoßen waren, H. Bleiber, Staat u. bürgerliche Umwälzung in Preußen, S. 70. Jedenfalls war die Agrarumwälzung nicht primär fiskalisch determiniert, wie es A.v. Witzleben, Staatsfmanmot u. sozialer Wandel, S. 122 Cf., behauptet. Zur Entstehung des Oktoberedikts G. Winter, Zur Entstehungsgeschichte des Oktoberedikts, S. 1 Cf. Zu seiner wissenschaftlichen Vorbereitung M.-E. Vopelius, Die altliberalen Ökonomen, S. 16 Cf. 68 B. Vogel, Allgemeine Gew.freiheit, S. 168. Zuerst ist diese Bindung wohl im Aug. 1807 von dem Geheimen Finanzrat v. K1ewitz hergestellt worden, K.v. Rohrscheidt, Vom Zunftzwange zur Gew.freiheit, S. 222. Vgl. ALR 11 9 f 76: "Adliclu: sollen in der Regellceine bürgerliche Nahrung und Gewerbe treiben. ", § 81: "Wer mit Verschweigung oder Verliiugnung seines adlichen Standes, in eine Zunft oder Innung sich einschleicht, und bürgerliche Gewerbe treibt, der wird seiner adlichen Rechte verlustig. • Dazu noch B. Stollberg-Rilinger, Handelsgeist u. Adelsethos, S. 273 Cf.
69
K.v. Rohrscheidt, Vom Zunftzwange zur Gew.freiheit, S. 229 f.
70
K.v. Rohrscheidt, Vom Zunftzwange zur Gew.freiheit, S. 233.
334 Kap. 4:
Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
möglichst allgemeinen Ausdrücken ... zu fassen". 71 Den letzten Anstoß zur Verwerfung des die Aufhebung des Zunftzwangs in den taxfreien Gewerben anordnenden § 11 des Entwurfs der beiden Schrötter vom 9. Sept. gab die Erklärung Altensteins, die Beseitigung des Zunftzwangs ohne Auflösung der Zünfte entziehe diesen ungerechterweise alle Vorteile bei Fortbestand aller Lasten. Das Problem müsse gesondert gelöst werden, laut dem Bericht der Immediatkommission vom 30. Sept. vorzugsweise in einem Fabrikations-Gewerbegesetz. 72 In diesem Sinne klammerte § 2 des Oktober-Edikts den Komplex der Gewerbefreiheit vollständig aus und beschränkte sich auf die Abschaffung standesbedingter Gewerbebeschränkungen. 73 Der Widerstand des Adels gegen die Reform war denn auch keineswegs heftig,74 wenngleich er die aktive Beschäftigung in Handel, Gewerbe und Industrie zumindest als standesfremde Form der Existenzsicherung betrachtete7s. Die weiteren unter der Ägide Steins ergangenen Regelungen brachten kaum noch eine Annäherung an die zurückgestellte Einführung der Gewerbefreiheit. Die Aufhebung des Zunftzwangs bei den ost- und westpreußischen sowie litauischen Bäckern, Schlächtern und Hökern durch die Verordnung vom 24. Okt. 1808, weil der Zunftzwang "den sämmtlichen übrigen Einwohnern der Städte zum großen Nachtheil gereicht, und die zur Beschränkung willkührlicher Verkaufspreise der nothwendigsten Lebensmittel angeordneten monatlichen Viktualientaxen den Zweck nicht erfüllen'~ blieb in den tradierten Bahnen obrigkeitlicher Mißbrauchskontrolle. 76 Dies wird deutlich, wenn bei den gem. § 1 ohne Zwangsrecht fortbestehenden Bäcker- und Schlächterzünften laut § 10 die Versorgungspflicht als leiherechtliches Korrelat des exklusiven Zunftprivilegs entfiel. 77 Zur Gewerbeausübung erforderlich war allein eine obrigkeitliche 71
Zitiert nach K.v. Rohrscheidt, Vom Zunftzwange zur Gew .freiheit, S. 234.
72
K.v. Rohrscheidt, Vom Zunftzwange zur Gew.freiheit, S. 235 ff.
"Jeder Edelmann ist, ohne allen Nachtheil seina Standes, befugt, bürgerliche Gewerbe zu treiben; und jeder Bürger oder Bauer ist berechtigt, aus dem Bauer- in den Bürger- und aus dem Bürger- in den Bauerstand zu treten. " Daß hier die Zunftverfassung noch nicht angetastet wurde, verkennt W. Hubatsch, Beamtentum u. Staatsprobleme, S. 112. 73
74 H. Bleiber, Zu den inneren Voraussetzungen, S.157; K. Vetter, Kunnärkischer Adel u. preussische Reformen, S. 122 ff.; ders., Die Haltung des kurmärkischen Adels, S. 104 f. A.A. B. Vogel. Allgemeine Gew.freiheit, S. 168. 7S R. Braun, Zur Einwirkung sozio-kultureller Umweltbedingungen, S. 254. Zur Bedeutung der Agrarreform für die Industrialisierung U.P. Ritter, Die Rolle des Staates, S. 43 ff.
76 PrOs 1806-1810, S.315. Zur Charakterisierung als Mißbrauchskontrolle B. Vogel. Allgemeine Gew.freiheit, S. 169. 77 Ver.O. wegen Aufhebung des Zunftzwangs etc. vom 24. Okt. 1808, PrOs 1806-1810, S.315, § 1: "Gleich nach Belumnirnachung dieser Verordnung hören die Höurzünfte in den sämmtlichen Städten von Ost, Westpreußen und Litthauen gänzlich auf Die Bäcw- und Schlächterzünfte blei-
11. Die preußischen Reformen
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Konzession, die ohne Nachweis einer Qualifikation sogar zur Ausbildung von Lehrlingen und Gesellen berechtigte. 78 Wesentliches Verdienst der Städteordnung vom 19. Nov. 1808 war es, "das jetzt nach Klassen und Zünften sich theilende Interesse der Bürger" zugunsten einer unmittelbaren Partizipation der die ökonomischen Voraussetzungen Erfüllenden an der Stadtverwaltung beseitigt zu haben. 79 Die zünftische Gewerbeverfassung blieb bestehen, "in so weit und so lange, als der Staat die darnach bestehende Einrichtung nicht ändert" (§ 34). Daß eine Voraussetzung für den Betrieb eines Gewerbes die Erlangung des Bürgerrechts war, stellte keineswegs eine neue Schranke gegen die Gewerbefreiheit dar;80 zum einen war diese Verknüpfung schon seit dem Beginn des Zunftwesens üblich und zum anderen verschloß der Anspruch auf das Bürgerrecht bei Stadtansässigkeit und Unbescholtenheit (§ 17) dem Magistrat die Möglichkeit, die Gewerbedichte zu korrigieren. 81 Ganz im Gegenteil war es eine bedeutsame Durchbrechung des Zunftsystems, wenn § 34 der Städteordnung ein an dem betreffenden Ort nicht zunftgebundenes Gewerbe von der Eingliederung in auswärtige Korporationen
ben zwar als Gewerkschaften bestehen ... Es hängt jedoch von der freien Willkühr eines jeden Gewerksgenossen ab, ob er Mitglied des Gewerks bleiben, oder sein Gewerbe ohne Verbindung mit demselben ... betreiben will.", § 10: "Bei der verstattden Gewerbqreiheit hört die Verbindlichla!it der Bäcker- und Schlächtergewerke auf, täglich frisches Brod und Fleisch zum Verlamf zu stellen. " Vgl. dazu Kap. 2113. 78 VerO. wegen Aufhebung des Zunftzwangs etc. vom 24. Okt. 1808, PrGS 1806-1810, S.315, § 4: "Wer ein solches Gewerbe treiben will, muß sich beim Magistrat der Stadt melden und eine Konzession nachsuchen. Bei Ausfertigung dieser Konzessionen sollen nur allgemeine Polizeigesdze berücksichtigt und darf weder Gewerbsqualifikation noch VernlÖgenszustand nachgewiesen werden.", § 6: "Jeder Konzessionirte kann die nöthigen GelWlfen und Lehrlinge bei seinem Gewerbe ganz nach seinem Willen annehmen. " 79 O. für sämmtliche Städte der Preußischen Monarchie vom 19. Nov. 1808, Vorrede, PrGS 1806-1810, S. 324; vgl. § 73: "Die Wahl der Stadtverordneten nach Ordnungen, Zünften und Korporationen in den Bürgerschaften, wird ... völlig aufgehoben. Es nehmen an den Wahlen alle stimmfähige Bürger Antheil und es wirkt jeder lediglich als Mitglied der Stadtgemeine ohne alle Beziehung auf Zünfte, Stand, Korporation und Sekte. "Dazu G. Ipsen, Staat aus dem Volk, S. 158; im einzelnen J. Ziekow, 175 Jahre Steinsche StädteO., S. 449.
80 So aber B. Vogel, Allgemeine Gew.freiheit, S.167. StädteO. vom 19. Nov. 1808 § 23, PrGS 1806-1810, S. 324: "Wer bis jetzt zum Bürgerthum gehörige städtische Gewerbe betrieben ... haben sollte, ohne das Bürgerrecht besessen zu haben, muß ldzteres sogleich nach Publikation dieser Ordnung nachsuchen und erlangen". 81 J. Ziekow, Staatseinnahmen, Liberalismus u. Polizei, S.314. Zur Verknüpfung von Bürgerund Zunftrecht Kap. 2 III 1a und zuletzt ALR 11 8 § 18: "Jder, der ein bürgerliches Gewerbe in einer Stadt treiben will, ist schuldig, sich um Ertheilung des Bürgerrechts zu melden. " Zu den Voraussetzungen der Aufnahme in das Bürgerrecht vgl. § 17 der StädteO. vom 19. Nov. 1808, PrGS 1806-1810, S. 324: "Das Bürgerrecht dIlrfNiemanden versagt werden, wekher in der Stadt, worin er solches zu erlangen wünscht, sich häuslich nidergelassen hat und von unbescholtenem Wandel ist. "
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
befreite. 82 Das Recht zur Ausübung eines Gewerbes als Wirkung des Bürgerrechts wurde gerade als Schritt zur Gewerbefreiheit aufgefaßt. 83 Lediglich hinsichtlich jener nicht dem Zunftzwang unterliegenden Gewerbe konnte es überhaupt zu einem Konflikt zwischen Magistrat und staatlicher Polizeibehörde kommen. 84
2. Die Durchsetzung der Gewerbefreiheit unter Hardenberg
Nach der zweiten Entlassung Steins am 24. Nov. 1808 setzten sich die der Gewerbefreiheit geneigteren Kräfte im Ministerium durch. Ob die von Altenstein und Dohna unterzeichnete Geschäfts-Instruktion für die Regierungen in sämtlichen Provinzen vom 26. Dez. 180885 bereits in deren Geist und Verantwortung erstellt wurde oder noch von Stein inspiriert war, bleibt umstritten. 86 Die Vehemenz, mit der Altenstein in seiner Rigaer Denkschrift vom 11. Sept. 1807 das freie Spiel der Wirtschaftskräfte und insbesondere die Auflösung des Zunftsystems gefordert hatte,87 deutet im Vergleich mit den §§ 34 und 50 der
82 K.v. Rohrscheidt, Vom Zunftzwange zur Gew.freiheit, S.362 f. StädteO. vom 19. Nov. 1808 § 34, PrGS 1806-1810, S. 324: ·Sämmtliche Bürger einer Stadt, welche sich daselbst häuslich niedergelassen haben, sind berechtigt, mit Genehmigung des Magistrats, ein jedes erlaubte Gewerbe zu betreiben, wekhes nicht in eine gewisse Zunft oder Innung eingeschränkt ist.• 83 K.v. Rohrscheidt, Vom Zunftzwange zur Gew.freiheit, S. 359 f. Die StädteO. hob jedoch den Zunftzwang im Gegensatz zur Auffassung von D. Strauch, Untemehmensrecht im 19. Jh., S.212, nicht auf. 84 Diese eingeschränkte Bedeutung des § 178 lit.d der StädteO., der dem Magistrat die alleinige Kompetenz zur "Annahme der Bürger ... und Ertheilung der Gewerbs-Konzessionen· zuerkannte, ·Letztere ... aber da, wo der Magistrat nicht zugleich, vermöge Auftrags, die Polizeiverwaltung hat, nur nach geschehener Einwilligung der Polizeibehörde erfolgen· durfte, verkennt B. Vogel, Allgemeine Gew.freiheit, S.167. Zum Verhältnis von Staat und Stadt in der Polizeiverwaltung H. Schinkel, Polizei u. Stadtverfassung, S. 315 ff.; J. Ziekow, 175 Jahre Steinsche StädteO., S. 449 f. 85
PrGS 1806-1810, S. 481.
Für die Urheberschaft aus dem Gedankenkreis des Ministeriums Altenstein / Dohna E.v. Meier, Französische Einflüsse, S. 296; P. Rudolph, Zunftverfassung u. Gew.freiheit, S. 20. Für die Urheberschaft Steins C. Quante, Die geistesgeschichtlichen Grundlagen, S.42; H. Roehl, Beiträge zur Preussischen Hw.erpolitik, S. 89 f. Vermittelnd K.v. Rohrscheidt, Vom Zunftzwange zur Gew.freiheit, S. 365 f.; B. Vogel, Allgemeine Gew.freiheit, S.169. 86
87 Denkschrift Altensteins: ·Ober die Leitung des Preußischen Staats· vom 11. Sept. 1807, Die Reorganisation des Preussischen Staates Nr. 262 (S. 408 ff.): .... wichtiger ist aber, daß jedem der möglichst freie Gebrauch seiner persönlichen Kräfte, seines Kapitals, seiner Hände und seines Kopfs ... erlaubt werde. ... Es müßte festgesetzt werden, daß die ganze Zunftver{assung, als der Industrie und dem Staate nachteilig, aufgeläst werden solle. ... Es sind dieses nur einige Gründe gegen die Zünfte. Bei einer genauen Untersuchung spricht alles gegen sie und nichts for sie. • Zu Altenstein G. Roß, Das Leben des Freiherm von Altenstein, S. 91 ff. Zu den geistesgeschichtlichen Grundlagen seiner Denkschrift E. Spranger, Altensteins Denkschrift von 1807 u. ihre Beziehungen
II. Die preußischen Reformen
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Instruktion eher auf die Verwurzelung in seinen Maximen hin. § 34 erhob es zum Grundsatz jeder Regierungshandlung, "Niemanden in dem Genuß seines Eigenthums, seiner bürgerlichen Gerechtsame und Freiheit ... weiter einzuschränken, als es zur Beförderung des allgemeinen Wohls nöthig ist; einem jeden ... die möglichst freie Entwickelung und Anwendung seiner Anlagen, Fähigkeiten und Kräfte ... zu gestatten". Das daraus resultierende wirtschaftspolitische Programm formulierte § 50: ''Die Wirksamkeit der Regierungen ... muß ... auch auf die Mehrung und Beförderung der allgemeinen Wohlfahrt sich erstrecken. Dieses lamn nur durch eine feste Ausübung des §. 34. enthaltenen Grundsatzes, und durch die möglichste Gewerbefreiheit ... geschehen. Es ist dem Staate und seinen einzelnen Gliedern immer am zuträglichsten, die Gewerbe jedesmal ihrem natürlichen Gange zu überlassen ... Eben diese Freiheit im Gewerbe und Handel schafft zugleich die möglichste Konkurrenz in Absicht des produzirenden und feilbietenden Publikums, und schützt daher das konsumirende am sichersten gegen Theurung und übermäßige Preissteigerung. Es ist falsch, das Gewerbe an einem Ort auf eine bestimmte Anzahl von Subjelaen einschränken zu wollen. ... Man gestatte dßher einem jeden ... sein eigenes Interesse auf seinem eigenen Wege zu verfolgen, und sowohl seinen Fleiß, als sein Kapital in die freieste Konkurrenz mit dem Fleiße und Kapitale seiner Mitbürger zu bringen. " Das Interesse des Ministeriums Altenstein I Dohna an einer wirklichen Änderung der Gewerbeverfassung war allerdings gering. Die Auflösung der MülleIZÜnfte in Ostpreußen und Litauen durch das Edikt vom 29. März 1809 diente erneut nur der Unterbindung einzelner Mißbräuche. 88 Eine Neuerung bildete hingegen die vollberechtigte Zulassung der ländlichen Weberei; das ihr innewohnende wirtschaftliche Potential schien groß genug, um durch das auferlegte jährliche Nahrungsgeld zur Sanierung der Staatsfinanzen beizutragen. 89 zur Philosophie, S. 471 ff. Zur Stellung Dohnas zur Gew.freiheit K.v. Rohrscheidt, Die Aufnahme der Gew.freiheit in Preussen, S. 94 ff. 88 K.v. Rohrscheidt, Vom Zunftzwange zur Gew.freiheit, S. 272 ff. Edikt, die Auflösung des Zunftverbandes der Müller in Ostpreußen u. Litthauen etc. betreffend, vom 29. März 1809 Art. 1, PrGS 1806-1810, S. 555: "vom Tage der Bekanntmachung dieses Edikts ab, ist die ZunftverfassWig aller Müllergewerke in Ostpreußen und Litthlluen, sammt Ermeland und dem Manenwerderschen Kreise, gänzlich aufgehoben. " Wie bei der regionalen Aufhebung des Zunftzwangs bei den Bäckern und den Fleischern, o. Kap. 4 Anm.78, wurde das Ausbildungswesen völlig freigegeben, Art. 2: "Das Auslernen von Mühlenarbeitern beruht fortan auf freien Verträgen zwischen Mühlenbesitzern und Lehrlingen. Eine gesetzliche Lehrzeit, Ein- und Ausschreiben der Lehrlinge, findet nicht mehr statt. " 89 Edikt, die Niederlassung der Stuhlarbeiter auf dem platten Lande in Ost- und Westpreußen sammt Litthauen, beiden Marken und Pommern betreffend, vom 9. Apr. 1810, PrGS 1806-1810, S. 689, § 3: "Von nun an ist einem Jeden ... gestattet, sich mit Bewilligung der Ortsobrigkeit, überall ... auf dem platten LaNk niederzulassen und sich daselbst ... mit Stuhlarbeit zu ernähren. ", § 6: "Wer von nWI an ... ein Webereigewerbe auf dem Lande zu betreiben anfängt, ist damit durchaus an
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Im Vordergrund der Diskussion stand jedoch die in dieser Hinsicht wesentlich wirkungsmächtigere Reform des Fabriksystems. 90 Die Ernennung Hardenbergs zum Staatskanzler am 4. Juni 1810 stand von vornherein im Zeichen der Erwartung, er werde die Wiederaufnahme der unterbrochenen Kontnbutionszahlungen an Frankreich veranlassen, um die vertragsgemäße Beendigung der Besetzung herbeizuführen. 91 Das Programm hierzu zeichnete das Edikt über die Finanzen des Staats und die neuen Einrichtungen wegen der Abgaben vom 27. Okt. 1810.92 Ein Mittel, "um den durch den letzten Krieg gesunkenen Wohlstand Unsers Staats wieder herzustellen", insbesondere "die an Se. Majestät den Kaiser der Franzosen zu entrichtende Kriegeskontribution von 120 Millionen Franken" abzutragen, sollte eine ''Reform des Abgaben-Systems" sein, in dem "alle (die Lasten) nach gleichen Grundsätzen für Unsere ganze Monarchie ... tragen". Wie im Oktober-Edikt sollten die vornehmlich adligen Gutsbesitzer "sich damit beruhigen ..., daß freie Benutzung des Grundeigenthums, völlige Gewerbefreiheit und Befreiung von andern Lasten ... statt [uuJen sollen".93 Darüber hinaus ging die Ankündigung einer gänzlich gewandelten Wirtschaftsverfassung: ''Wir wollen nämlich eine völlige Gewerbefreiheit gegen Entrichtung einer mäßigen Patentsteuer und mit Aufhören der bisherigen Gewerbesteuern verstatten, das Zollwesen simpli[rziren lassen, die Bann- und Zwanggerechtigkeiten aufheben und zwar da, wo ein Verlust wirklich ... erwiesen wird, gegen eine Entschädigung abseiten des Staats". Denn anders als in den bisherigen Reformansätzen trat bei Hardenberg neben das Element der Freiheit das der Gleichheit: ''Man schrecke ja nicht zurück vor ... möglichste(r) Freiheit und Gleichheit ... nach (den) weisen Gesetzen eines monarchischen Staats, die die natürliche Freiheit und Gleichheit der Staatsbürger nicht mehr beschränken, als es die Stufe ihrer Kultur und ihr eigenes Wohl erfordern. "94 Freiheits- und gleichheitsbeschränkende Privilegien waren zu beseitigen: ''Die Ausübung persönlicher Kräfte zu keine Zunftverfassung gebunden·, § 9: ·Wer ... auf dem Lande Stuhlarbeit als Gewerbe treibt, zahlt ein jährliches Nahrungsge1d. • 90 B. Vogel, Allgemeine Gew.freiheit. S.170; dazu E. Bohse, Die Entstehung der industriellen Gew.freiheit in Preußen, S. S3 ff. 91
A. Radloff, Hardenbergs Stellung im Rahmen der preussischen Sozial- u. Wirtschaftsreform,
92
PrOs 1806-1810, S. 2S.
93
Zu diesem Zusammenhang B. Vogel, Allgemeine Gew.freiheit, S. 173, vgl. o. Kap. 4 11 1.
S. S6 ff.
94 Rigaer Denkschrift Hardenbergs ·Ober die Reorganisation des Preußischen Staats· vom 12. Sept. 1807, Die Reorganisation des Preussischen Staates Nr.261 (S.313). Zu Hardenberg H. Haussherr. Hardenberg 1 u. 3, pass.; P.G. Thielen, Karl August von Hardenberg, pass. Zu seiner Rigaer Denkschrift H. Haussherr, Hardenbergs Reformdenkschrift, S. 267 ff. Zur "natürlichen Freiheit" H. Steindl, Entfesselung der Arbeitskraft, S. 7S ff.
11. Die preußischen Reformen
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jedem Gewerbe oder Handwerk werde frei und die Abgabe darauf gleich in den Städten und auf dem Lande. Die Abschaffung der Zünfte und der Taxen ... würde festzusetzen sein sowie die möglichste Beseitigung aller älteren Monopole. ... Vorzüglich aber ist es nötig, sich auch mit der Abschaffung der Zwangsrechte ... zu beschäftigen. ''9~ Die ursprünglich bereits im Oktober-Edikt verankerte Gewerbefreiheit war dessen notwendige Ergänzung auf dem Weg zur Erwerbsgesellschaft,96 eine bürokratische Strategie zur Modemisierung des Wirtschaftssystems 97• Ansätze zur Durchbrechung des Zunftzwangs wurden bereits im ausgehenden 18. Jh. deutlich. 98 Nichtsdestoweniger war die forcierte Durchsetzung der Gewerbefreiheit in der Lage des Jahres 1810 eindeutig finanzpolitisch motiviert. 99 Dies zeigt schon ihre Verankerung in einem Steuergesetz, dem Edikt über die Einführung einer allgemeinen Gewerbe-Steuer vom 28.0kt 1810: "Unter den Mitteln zu diesem Zweck (der Vermehrung der Staatseinnahmen) hat Uns die Einführung einer allgemeinen Gewerbesteuer für Unsere getreuen Unterthanen weniger lästig geschienen, besonders da Wir damit die Befreiung der Gewerbe von ihren drückendsten Fesseln verbinden, Unseren Unterthanen die ihnen beim Anfange der Reorganisation des Staats zugesicherte vollkommene Gewerbe-Freiheit gewähren und das Gesammtwohl derselben auf eine wirksame Weise befördern können. "100 Das fiskalische Inter9~ Rigaer Denkschrift Hardenbergs vom 12. Sept. 1807, Die Reorganisation des Preussischen Staates Nr. 261 (S. 319).
96 B. Voge~ Allgemeine Gew.freiheit, S.135, 138 f.; dies., Staatliche Gew.reform u. Hw. in Preußen, S.193; vgl. o. Kap. 4 11 1. 97 R. Koselleck, Preußen zwischen Reform u. Revolution, S. 588 Anm. 89; B. Vogel, Allgemeine Gew.freiheit, S. 135 ff.; dies., Die "allgemeine Gew.freiheit" als bürokratische Modernisierungsstrategie, S. 59 ff. 98 Vgl. Kap. 3 III. Diese Kontinuität betonen G. Landwehr, Staatszweck u. Staatstätigkeit in Preußen, S. 264, W. Rüfner, Zu Preußens Wirtschaftsverfassung, S. 231 f., u. R. Vierhaus, Aufklärung u. Reformzeit, S. 2'17.
99 E. Fehrenbach, Verfassungs- und sozialpolitische Reformen, S. 313; A. Heinrichs, Die Entwicklung des Begriffs der Gew.freiheit, S. 42 ff.; K.H. Kauthold, Gew.freiheit u. gew.e Entwicklung in Deutschland, S. 86; R. Koselleck, Staat und Gesellschaft in Preußen, S. 93 f.; B. Losch, Gew.freiheit u. Gew.polizeirecht, S. 161; H. Obenaus, Finanzkrise u. Verfassungsgebung, S.248; H. Roehl, Beiträge zur Preussischen Hw.erpolitik, S. 106; H. Steind~ Entfesselung der Arbeitskraft, S. 82; A.v. Witzleben, Staatsfinanznot u. sozialer Wande~ S. 153; J. Ziekow, Staatseinnahmen, Liberalismus u. Polize~ S. 314. AA. B. Vogel, Allgemeine Gew.freiheit, S.I72 f.; vgl. zum Zusammenhang auch dies., Staatsfinanzen u. Gesellschaftsreform in Preußen, S. 37 ff. E. Klein, Von der Reform zur Restauration, S. 100 ff., übersieht die ordnungspolitischen Implikationen der Reform. Vergleichbar ist etwa die fiskalisch intendierte Säkularisation durch das Edikt über die Einziehung sämmtlicher geistlicher Güter in der Monarchie vom 30. 010. 1810, PrGS 1810, S. 32, auf dem Hintergrund der euro politisch gesteuerten Verschiebungen durch den Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Feb. 1803, J. Ziekow, Der Reichsdeputationshauptschluß u. die Säkularisation in Preußen, S. 817 ff. 100 Gew.steueredikt vom 28.0kt. 1810, Vorrede, PrGS 1810, S.79; K.v. Rohrscheidt, Vom Zunftzwange zur Gew.freiheit, S. 375.
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
esse bedingte, daß die Gewerbefreiheit nur eine positive sein konnte. Vertragliche Beschränkungen hätten das Ziel der Erhöhung der Staatseinnahmen durch Freigabe der Gewerbetätigkeit beeinträchtigt. Die Allerhöchste Kabinettsordre vom 19. Apr. 1813, betreffend die zwischen verschiedenen Kontrahenten bestehenden Verträge, weIche die gesetzlich gegebene Gewerbefreiheit beschränken, verfügte, daß nach der Publikation des Gewerbesteuer-Edikts geschlossene derartige Verträge "gegen die Bestimmung eines allgemeinen Landesgesetzes errichtet und also dergestalt nichtig" waren. 101
a) Das Gewerbesteueredikt
Die Zulassung zum Gewerbe beruhte auf dem durch die loi d'Allarde geschaffenen französischen Patentsystem. 102 Gern. f 1 war "ein jeder, welcher in Unsern Staaten, es sey in den Städten, oder auf dem platten Lande, sein bisheriges Gewerbe, es bestehe in Hande~ Fabriken, Handwerken, es gründe sich auf eine Wissenschaft oder Kunst, fortsetzen oder ein neues unternehmen will, ... verpflichtet, einen Gewerbeschein darüber zu lösen und die in dem beigefügten Tarif A. angesetzte Steuer zu zahlen". Der Tarif A gliederte die Gewerbetreibenden in sechs Klassen, innerhalb deren der Gewerbesteuersatz nochmals differenziert wurde; ein Enumerativeffekt kam ihm nicht ZUl03. Da der in § 1 niedergelegte Gewerbebegriff nahezu jede Tätigkeit zu Erwerbszwecken umfaßte, wurden der gerade zu fördernde Kapitalverkehr sowie subordinierte, in der Regel abhängige Verrichtungen ohne volkswirtschaftliche Relevanz von der Lösung eines Gewerbescheins befreit. 104 Bevor der Gewerbeschein von der 101 PrGS 1813, S. 69; vgI. W. Strauß, Gew.freiheit u. Verlragsfreiheil, S. 604 f.; J. Ziekow, Staalseinnahmen, Liberalismus u. Polizei, S. 314. 102 K.H. Kaufhold, Gew.freiheit u. gew.e Entwicklung in Deutschland, S.87; K.v. Rohrscheidt, Vom Zunftzwange zur Gew.freiheil, S. 375 f.; F. Weidemann, Das Hw. im Gew.recht, S.24; o. Kap. 4 I. VgI. allgemein R. Koser, Die preußische Reformgesetzgebung in ihrem Verhältnis zur französischen Revolution, S. 193 Cf. 103 Gew.steueredikt vom 28. Okt.1810 § 6, PrGS 1810, S. 79: "Die in dem beigefügten Tarifnicht aufgeführten oder angedeuteten Gewerbe sind deshalb nicht von der Lösung eines Gewerbescheins ausgenommen. " 104 Gew.steueredikt vom 28. Okt. 1810, § 5, PrGS 1810, S.79. Ausgenommen waren u.a. in der jeweiligen Eigenschaft Beamte (Nr.1), Grundstiicksbesitzer, sofern sie nicht gleichzeitig Neben· gewerbe betrieben (Nr. 2), Vermieter von Grundstücken, nicht aber von städtischen Wohnungen zu Gewerbezwecken (Nr.3), Kapitalbesitzer (Nr.4), Angestellte in Privatdiensten mit Ausnahme der höhergestellten wie Sekretäre, Haushofmeister, Erzieher etc. (Nr.5), Angestellte in Fabrik und Handel mit Ausnahme der leitungsbevollmächtigten Prokuristen (Nr. 6), Handels- und Fabrikunternehmungen auf Aktien mit dem "Rechte einer moralischen Person" über einen gemeinschaftlichen Gewerbeschein hinaus (Nr. 7), Tagelöhner (Nr. 8), manuelle Hilfsarbeiten im Textilbereich (Nr. 9), Weber mit nur einem Webstuhl (Nr.10) und Hebammen in Gebieten mit geringer Bevölkerungs-
11. Die preußischen Reformen
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Regierung (§ 23) auf ein Jahr (§ 12) ausgefertigt werden durfte, war zumindest ein Teilbetrag der Gewerbesteuer zu erlegen. lOS Bereits hieraus ergibt sich, daß die Gewerbesteuer keine partielle Einkommenssteuer, sondern eine gestaffelte Abgabe für die Erlaubnis zur Ausübung eines Gewerbes war. 106 Entsprechend wurden durch sie "alle bisherigen Abgaben von den Gewerben" nur vereinheitlicht, "in so fern sie die Berechtigung zum Betriebe derselben betreffen" (§ 30). Kernstück der Regelung war der in § 19 gewährte subjektive Anspruch jedes unbescholtenen und über seine Arbeitskraft uneingeschränkt verfügungsberechtigten Antragstellers auf Erteilung des Gewerbescheins. 107 Dessen Lösung berechtigte zum Betrieb des Gewerbes im gesamten Geltungsbereich des Edikts und zur Inanspruchnahme des dazu erforderlichen behördlichen Schutzes. lOB Die Ausübung verschiedener Gewerbe bedurfte des Besitzes der jeweiligen Zahl von Gewerbescheinen; allerdings entfiel die innovationsfeindliche Exklusivität von Produktions- und Verkaufsbereichen des Zunftsystems. 109 Dies war dichte (Nr.ll). Zur Befreiung des Kapitalverkehrs E. Klein, Von der Reform zur Restauration, S.103. 105 Gew.steueredikt vom 28. Okt. 1810, § 27 Abs. 2, PrGS 1810 S. 79: "Kein Gewerbeschein darf vor Erlegung des ein vierteljährlichen Betrags .ur Gewerbesteuer ausgehändigt werden". 106 D. Willoweit, Gew.privileg u. "natürliche" Gew.freiheit S.110; J. Ziekow, Staatseinnahmen, Liberalismus u. Polizei, S. 315 f. A.A. E. Klein, Von der Reform zur Restauration, S. 105. Zur zeitgenössischen Diskussion B. Voge~ Allgemeine Gew.freiheit, S.183. Vgl. das Reskript vom 14. Aug. 1839, Kamptz' Ann. 23 (1839), 3, S. 699: "Wer einen Gewerbeschein nachsucht, und die Steuer da/Ur deponirt, erUlngt dadurch nicht die Gewerbeberechtigung zum Gewerbebetriebe ..., unterliegt vielmehr, im Fall ein solcher Gewerbebetrieb stattgefunden hat, der ... vorgeschriebenen Strafe, indem er nicht im Stande ist, sich über seine Befugniß zu dem von ihm ausgeübten Gewerbe durch einen Gewerbeschein auszuweisen. " 107 Gew.steueredikt vom 28. Okt.1810 § 19, PrGS 1810, S. 79: "/mAllgemeinen darf niemandem der Gewerbeschein versagt werden, welcher ein Attest der Polizey-Behörde seines Orts über seinen rechtlichen Lebenswandel beibringt. Minderjährige müssen indessen die Einwilligung ihrer Aeltern oder Vormünder, Ehefrauen die ihrer Ehemänner; Staatsdiener die ihrer Dienstvorgesetzten; in Privatdiensten stehende Personen die ihrer Lohnhe"en beibringen. "; D. Willoweit, Gew.privileg u. "natürliche" Gew. freiheit, S.l11; J. Ziekow, Staatseinnahmen, Liberalismus u. Polize~ S. 315. lOB Gew.steueredikt vom 28. Okt. 1810 § 16, PrGS 1810, S. 79: "Ein Gewerbeschein giebt demjenigen, auf welchen er lautet, das Recht, in dem ganzen Umfange Unserer Staaten, sowohl in den Städten als auf tkm pUltten Lande, das in demselben benannte Gewerbe und auf die bestimmte Zeit zu treiben, und von den Behörden dahe}' geschützt zu werden.· D. Willoweit, Gew.privileg u. "natürliche" Gew.freiheit, S.110, hat zutreffend die Verwandtschaft dieses Schutzversprechens mit den Wirkungen des älteren Privilegiensystems betont; vgl. dagegen R. Koselleck, Preußen zwischen Reform u. Revolution, S. 589. Zur Privilegiencrteilung Kap. 3 III 5.
109 Gew.steueredikt vom 28. Okt. 1810 § 9, PrGS 1810, S. 79: "Treibt jemand mehrere Gewerbe verschiedener Art, so muß er /Ur jedes einen besondern Gewerbeschein lösen, jedoch kann ein Handwerker und Fabrikant, welcher nach seinem Gewerbeschein zur Verfertigung gewisser Waaren befugt ist, auch vermöge desselben Handel mit diesen von ihm verfertigten Waaren treiben. Wenn in einem Orte Gewerbe, die zu einer Gattung gehören, durch verschiedene Zünfte getrennt gewesen sind; so fällt dieses IciJnftig ganz weg. So lcönnen z. B . .ur Tischler, der Schuhmacher auf ihre Gewerbescheine resp. auch Stühle und Pantoffeln verfertigen und umgekehrt. " Zur Trennung der einzelnen Herstellungsprozesse voneinander und ihrer Scheidung vom Handel Kap. 2 II 5.
342 Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund nur die Folge davon, daß gem. § 17 alle aus Zunftprivilegien, Zwangs- und Bannrechten, Monopolen und ähnlichen Berechtigungen fließenden Widerspruchsrechte, insbesondere also der Zunftzwang, endeten. 110 Zu einer Auflösung der Zünfte mochte man sich im Vertrauen darauf, daß den Zünften mit der Aufhebung des Zunftzwangs ihr eigentlicher Zweck entzogen würde,111 nicht verstehen. Neben den hergebrachten Gesichtspunkten der sozialen Funktionen der Zünfte und der Verquickung von Zunft und Stadtll2 sprachen insbesondere die bei einer Beseitigung durch den Staat von diesem zu übernehmende Schuldenliquidation sowie der Geruch der Finanzspekulation gegen ein obrigkeitliches Vorgehen. ll3 Die beträchtliche Vermögenswerte darstellenden vererblichen und veräußerbaren Gewerbeberechtigungen konnten ihres Zwangscharakters nicht kompensationslos entkleidet werden, so daß für ihre Inhaber eine Entschädigung vorgesehen war. 114 Der Gewerbeschein war nicht nur gewerbe-, sondern auch personengebunden11S, da sein Inhaber neben tIden Polizey-Ver110 Gew.steueredikt vom 28. Okt. 1810 § 17, PrGS 1810, S. 79: "Keiner Corporation und keinem Einzelnen steht ein Widerspruchsrecht, welcher Grund dazu auch ange/uhrt werden mag, zu .• 111
Zum Zunftzwang als wesensnotwendigem Element der Zunft Kap. 2 I Sb.
112
Vgl. Kap. 3 III 1.
113 Motive zum Entwurf eines Gewerbepolizeiedikts der Geheimen Staatsräte Sack und v.Schuckmann vom 31. Dez. 1810, K.v. Rohrscheidt, Vom Zunftzwange zur Gew.freiheit, S. 417 f.: "Die Zünfte haben mit der ausschliesslichen Berechtigung den wesentlichen Reiz verloren, der sie bisher zusammenhielt ..., und es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass alle Zünfte in einem mässigen Zeitraume eingehen oder wenigstens aussterben werden. ... Aber eine allgemeine gleichzeitige Aufhebung aller Zü~ scheint uns bedenklich, da viele tief verschuldet sind und Zeit behalten müssen, sich mit ihren Gläubigern auseinander zu sdzenj andere milde Stiftungen, BegräbnissIcossen, gegenseitige Versicherungen des Mobiliars gegen Feuersgefahr und andere gemeinnützige Institute unter sich haben und viele in solchen Verhältnissen gegen die sonst ganz auf das Zunftsystem gebauten Stadtgemeinen stehen, die nur allmählich ohne Nachtheil aufgelöst werden können. Das gemeinsame Vermögen aufgehobener Zünfte würde nach "Allgemeines Landrecht" Th. II, Tit. 6, §§ 192 - 202 dem Staate anheim fallen, derselbe dagegen aber auch alle ihre Schulden und Verbindlichkeiten übernehmen, und allen Interessenten Entschädigungen leisten müssen . ... Der Staat (würde) sich in Liquidationen verwickeln, die für ihn sehr viel kostbarer werden dürften, als fUr die Zünfte, wenn ihnen selbst die Abwickelung ihrer Angelegenheiten überlassen wird. Finanzieller Vortheil möchte bei der starken Verschuldung sehr vieler Zünfte überhaupt nicht dabei sein, wohl aber dürften heilsame polizeiliche Vorkehrungen in der Meinung des Publikums dadurch das verhasste Ansehen einer Finanz-Speculation erhalten". 114 Gew.steueredikt vom 28. Okt. 1810 § 17, PrGS 1810, S. 79: "Nur soll in denjenigen Gertern, wo jetzt Gewerbe-Gerechtigkeiten Statt finden, welche nicht auf einem Grundstücke haften, und damit in keiner unzertrennlichen Verbindung stehn, die aber dennoch in den Hypothekenbüchern eingetragen sind, eine billige Entschädigung fUr den bisher Berechtigten von den Regierungen regulirt werden. Die Gewerbefreiheit darf jedoch durch die Existenz solcher Gerechtigkeiten nicht beschränkt ... werden." Vgl. dazu G. Lübbe-Wolff, Das wohlerworbene Recht als Grenze der Gesetzgebung, S.104 ff.
m Gew.steueredikt vom 28. Okt. 1810 § 7, PrGS 1810, S. 79: "Ein Gewerbeschein ... hat nur für denjenigen Gültigkeit, auf dessen Namen er ausgefertigt und fUr dasjenige Gewerbe, welches in demselben benannt ist. "
11. Die preußischen Reformen
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ordnungen eines jeden Orts, wo er sein Gewerbe treibt," (§ 18) je nach Gewerbe der Erfüllung bestimmter, an ihn gestellter Bedingungen unterworfen war. Ohne sie einer der beiden Gruppen zuzuordnen zählte § 21 insgesamt 34 Gewerbe auf, "bei deren ungeschicktem Betriebe gemeine Gefahr obwaltet, oder welche eine öffentliche Beglaubigung oder Unbescholtenheit erfordern"; zu ihnen konnten "nur dann Gewerbescheine ertheilt werden, wenn die Nachsuchenden zuvor den Besitz der erforderlichen Eigenschaften auf die vorgeschriebene WelSe" nachwiesen. Umrißweise strukturiert wurden erfaßt der hygienisch-medizinische Bereich (Abdecker, Nr. 1; Ärzte, Nr.2; Apotheker, Nr. 3; Hebammen, Nr. 10; Leichenreiniger, Nr. 22; Viehkastrierer, Nr. 27; Totengräber, Nr. 30; Tierärzte, Nr. 31; Hersteller chirurgischer Instrumente, Nr. 32; Vorsteher von Privatirrenhäusem, Nr. 33), bestimmte Sachverständige, deren Kenntnisse im Rechtsverkehr nicht überprüfbar waren (Berggeschworene, Nr.4; Dolmetscher und Übersetzer, Nr.5; Feldmesser, Nr. 6; Warenkontrolleure, Nr.18; Ökonomie-Kommissare, Nr.20; Schreib- und Rechenmeister, Nr. 26), Handwerker im Bausektor (Maurer, Nr. 17; Mühlenbaumeister, Nr. 19; Schornsteinfeger, Nr. 25; Schiffszimmerleute, Nr. 28; Zimmerleute, Nr. 34), Schausteller (Marionettenspieler, Nr.16; fahrende Schausteller, Nr. 21; Schauspieldirektoren, Nr. 23; Seiltänzer, Nr. 29), der Sektor des Wirtschaftsverkehrs (Gesindemäkler, Nr.8; Güterbestätiger, Nr.9; Juweliere, Nr. 12; Mäkler, Nr. 15), die Schiffahrt (Lotsen, Nr. 14; Schiffer und Steuerleute, Nr. 24), Gastwirte (Nr. 7), Justiz-Kommissare, Notare und Prokuratoren (Nr. 11) sowie Lohnlakaien (Nr. 13). b) Das Gewerbepolizeigesetz
Zur Vorbereitung der notwendigen Konkretisierung der Reform wurde seit dem 23. Feb. 1811 eine Versammlung von Deputierten der Stände gehört, deren Bedenken jedoch kaum berücksichtigt wurden. 116 Das Gesetz über die polizeilichen Verhältnisse der Gewerbe vom 7. Sept. 1811 117 fiillte lediglich den Rahmen des Gewerbesteueredikts aus. 118 § 1 harmonisierte die Gewerbefreiheit und die Verknüpfung von Bürgerrecht und Gewerbebetrieb in der Städteordnung, indem "die Lösung des Gewerbscheins ... nichts in der Verpflichtung (änderte~ Bürger zu werden ... und Communallasten zu übernehmen".119 Das Verbot der selbständigen Gewerbeausübung fiir Bescholtene ergab sich daher 116
117 118
119
K.v. Rohrscheidt, Die Aufnahme der Gew.freiheit in Preussen, S. 206 ff., 218 ff. PrGS 1811, S. 263. W. Rüfner, Die Verwaltungstätigkeit unter Restauration u. Konstitution, S. 476. Vgl. zu diesem Prinzip der Städteordnung Kap. 4 II 1.
23 Ziekow
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
schon aus § 17 der Städteordnung und war im übrigen bereits in § 19 des Gewerbesteueredikts ausgesprochen worden, so daß seine erneute Anordnung in § 2 des Gewerbepolizeigesetzes keineswegs notwendig war. l20 Um die Mobilität der Gewerbetreibenden nicht zu unterbinden, bestand für den Bürgerrechtserwerb an einem weiteren Ort nur eine Nachschußpflicht, sofern jener dort teurer als am Ort des Ersterwerbs war. l2l Die gleichzeitige Ausübung des Gewerbes an mehreren Orten auf nur einen Gewerbeschein aber war unzulässig, um die Errichtung von supralokalen Scheinfirmen zum Zwecke der Steuerersparnis zu verhindern.1 22 aa) Die Gewerbeberechtigung
Die §§ 57 ff. des Gewerbepolizeigesetzes beschrieben den Inhalt der Gewerbeberechtigung näher. Der Verkauf eigener Erzeugnisse war insoweit beliebig gestattet, wie nicht wegen Hausierens ein Gewerbeschein als herumziehender Krämer zu lösen war. l23 Werkzeuge zur Selbstbenutzung im betriebenen Gewerbe konnten frei hergestellt (§ 63) und "alle zur Vollendung dieser Werke erforderlichen Arbeiten" selbst besorgt werden, wobei "die Gewerbscheine auf Arbeiten gewisser Art ... möglichst allgemein ausgestellt, und alle kleinlichen Gewerbsunterschiede vermieden werden" sollten (§ 65); die §§ 66 ff. regelten im einzelnen, welche Tätigkeiten von einem Gewerbeschein umfaßt wurden. 124 120 So aber die Geheimen Staatsräte Sack und v. Schuckmann in den Motiven zu ihrem Gesetzentwurfvom 31. Dez. 1810, K.v. Rohrscheidt, Vom Zunftzwange zur Gew.freiheit, S. 416. Bedenkenswert hingegen ist die Anregung H. Roehls, Beiträge zur Preussischen Hw.erpolitik, S.114, wonach mit der Deklaration eines bürgerlichen Ehrbegriffs der Gewerbetreibenden der zünftische ersetzt werden so l1te. 121 Gew.polizeigesetz vom 7. Sept. 1811 § I, PrGS 1811, S.263: Wat itUlessetl j_tUl in einer Stadt das Bürgerrecht gewonnen utUl wird durch Verhältnisse bewogen, sich in einer atUlem anzusiedeln, so ändert dies zwar nichts in seiner Verpflichtung, auch d/JSelbst Bürger zu werden utUl zu den Communtlilasten beizutragen; es sollen itUlessen einem solchen keine doppelte Kosten zur Last fallen, sotUlern für das Bürgerrecht an dem neuen Wohnorte nur in so weit ein Nachschuß bezahlt werden, als solches theurer denn an dem Vorhergehenden isL" 122
Verfügung Hardenbergs vom 6. Apr. 1813, K.v. Rohrscheidt, Vor- u. Rückblicke, S. 18.
123 Gew.polizeigesetz vom 7. Sept. 1811, PrGS 1811, S. 263, § 60: "Er kann diese Eneugnisst< an seinem Wohnorte ... zu Verkauf feil halten", § 61: "Er kann ferner davon Versen4ungen mochen, auch außer seinem Wohnorte Jahrmärkte damit beziehen", § 62: "Dagegen darf er nur in so fern außer seinem Wohnorte in Städten utUl auf dem LatUle damit hausiren, als er einen besondern Gewerbschein als herumziehender Krämer ... gelöst haL " 124 VgJ. dazu die Motive zum Gesetzentwurf der Geheimen Staatsräte Sack und v. Schuckmann vom 31. Dez. 1810, K.v. Rohrscheidt, Vom Zunftzwange zur Gew.freiheit, S.423 f.: "Die K/JSsen verlieren nicht dadurch, wenn ein Gewerbe durch solche Kombinationen erweitert wird. Der HatUlwerlcer der bei einer strengeren Abtheilung zwei verschiedene Scheine aus der dritten Klasse mit 4-6 2/3 Thaler bezahlen würde, löst bei einer liberalem Abtheilung nur einen, aber aus der
11. Die preußischen Reformen
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Die Konsequenzen aus der Beseitigung des Zunftzwangs zogen die §§ 6 ff. Ein Beitrittszwang bestand nicht mehr11S; jedes Zunftmitglied konnte die Zunft jederzeit verlassen, haftete allerdings weiter für die am Tage seines Ausscheidens vorhandenen Verbindlichkeiten der Zunft, ohne daß diese sein Austrittsrecht schmälern konnten126• Das Vertrauen wurde weiterhin auf eine Selbstauflösung der Zünfte gesetzt, welche durch einen mit der Mehrheit der Stimmen der Meister gefaßten und vom Magistrat nach Prüfung der ordnungsgemäßen Regulierung der Schulden zu genehmigenden Beschluß erfolgte. 127 Organisatorische Maßnahmen, die den Fortbestand der Zünfte erleichterten, wurden abgelehnt Im Jahre 1817 versagte die Regierung in Königsberg die Zustimmung zu einer Abspaltung lokaler Handwerke von supralokalen Zünften, da ein solches Verfahren Zweifel an der Haltung des Staates gegenüber den Zünften aufkommen lassen würde. 128 In dieser Hinsicht war es zumindest mißverständlich, wenn noch 1823 der Tuchmacherzunft zu Grüneberg ein Statut gegeben wurde,129 Nichtsdestoweniger war "die Landes-Polizeibehörde ... befugt, jedes Gewerk zu jeder Zeit für aufgelöst zu erklären" (§ 29). Angewendet wurde dieses Verfahren zunächst nur gegenüber dem Schlächtergewerk zu Memel durch vierten Klasse mit 8-20 Thalem, weil niimüch tluf den Umftlllg seines ganzen Gewerbes gesehen wird.· 125 Gew.polizeigesetz vom 7. Sept. 1811 § 6, PrGS 1811, S. 263: "Wer bisher nicht zünftig war, kann ... auf den Grund seines Gewerbscheins jedes Gewerbe treiben, ohne deshalb genöthigt zu seyn, irgend einer Zunft beizutreten. "
126 AA. B. Vogel, Allgemeine Gew.freiheit, S.182. Gew.polizeigesetz vom 7. Sept. 1811, PrGS 1811, S. 263, § 14: "Wer bisher zünftig war, dtlrf dem ZunJtverbande zu jeder Zeit entsagen. •, § 16: Die Entsagung "entbindet auch nicht, /Ur tllle tim Tage des Austritt vorhandenen Verpflichtungen des Gewerb so zu haften, als ob der Austritt nicht geschehen wäre. " 127 Gew.polizeigesetzvom 7. Sept. 1811, PrGS 1811, S. 263, § 19: "Jedes Gewerkdarfsich durch gemeinstImen Beschluß selbst tluflösen. Die Stimmenmehrheit der Meister entscheidet darüber.·, § 20: "Der Vorsteher ... ist verpflichtet, diesen Beschluß unverzüglich dem Magistrate zur Genehmigung vorzulegen.", § 21: "Diese Genehmigung muß versagt werden, wenn das Gewerk nicht gleichzeitig genugthuend nachweist, wie seine Schulden bezahlt werden sollen.", § 22: "Außerdem darf der Magistrat in der Regel die Genehmigung nicht verweigern."
128 Publikandum der Regierung in Königsberg vom 22. Jan. 1817, Kamptz' Ann.1 (1817), 1, S. 78 f.: "Durch verschiedene Mtlgisträte sind der Regierung die Gesuche mehrere im Gewerksverbande ihr Gewerbe treibender Meister eingereicht worden, sich von den Gewerken, wohin sie bis jetzt gehören, und die ihren Sitz in tlndem Städten haben, trennen, und ein besonders Gewerk in dem Wohnort der Bittsteller errichten zu dürfen. Aus diesen Vorstellungen nimmt die Regierung Vertlnlassung ... zu eröffnen, dtlß es bei der jetzigen Stellung der Zünfte. die nach der Einführung, der Gewerbefreiheit nur tlis geduldete PrivatgeseIlschaften betrtlchtet werden müssen, unstatthaft ist, die Entstehung neuer ZunJtverbindungen von Seiten des Sttlates zu genehmigen, und denselben besondere Innungs-Artikel zu ertheilen, weil die Genehmigung neuer ZunJtverbindungen ein Anerkenntniß des Sttltlts, daß er die fernere Beibehaliung, oder gar die Erweiterung der Zunft/ormen wünsche, tlussprechen würde. " 129 Statut für die Tuchmacher-Korporation zu Grüneberg vom 21. Nov. 1823, Vorrede, PrGS 1824, S.17.
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Kabinettsordre vom 3. Juni 1812, die zugleich den Staatskanzler zu gleichem Vorgehen in ähnlichen Fällen autorisierte. 130 In Verbindung mit der Nutzung der den Landespolizeibehörden eröffneten Möglichkeit, zum gemeinen Wohl Zwangskorporationen für einzelne Gewerbe zu errichten,131 findet sich die obrigkeitliche Auflösung erst wieder seit 1820 hinsichtlich der Vereinigungen von Kaufleuten in mehreren Städten. Die Statuten für die Kaufmannschaft zu Berlin vom 2 März 1820132, Stettin vom 15. Nov. 1821 133, Danzig vom 25. Apr. 1822134, Memel vom 21. Mai 1822135, Tilse vom 22. Apr. 1823 136, Königsberg vom 25. Apr. 1823 137 , Elbing vom 30. Apr. 1824138 und Magdeburg vom 9. Apr. 1825139 lösten die kaufmännischen Zünfte auf und verpflichteten diejenigen Kaufleute, die bestimmter kaufmännischer Rechte teilhaftig werden wollten, neben der Lösung des Gewerbescheins zum Eintritt in die neu errichtete Korporation der Kaufleute. 140 Ein darüber hinausgehender Beitrittszwang
130 K.v. Rohrscheidt, Vor- u. Rückblicke, S.3. Sie wird übersehen von H. Roehl, Beiträge zur Preussischen Hw.erpolitik, S.131.
131 Gew.polizeigesetz vom 7. Sept. 1811 § 31, PrOS 1811, S.263: "Wird von LAndespolizei wegen in besondern Fällen zu einem gemeinnützigen Zwecke nöthig erachtet, Gewerbetreibende gewisser Art in eine Corporation zu vereinigen: so ist jeder verpflichtet, dieser Corporation beizutreten, so lange er dies Gewerbe treibt.• 132
PrOs 1820, S. 46.
133
PrGS 1821, S.194.
134
PrGS 1822, S. 130.
135
PrOs 1822, S. 153.
136
PrOs 1823, S. 77.
137
PrGS 1823, S. 92.
138
PrOs 1824, S. 85.
139
PrOs 1825, S. 25.
Statut rur die Kaufmannschaft von Steuin vom 15. Nov. 1821 § 1, PrOS 1821, S. 194: "Die in Stettin vorhandenen kaufmännischen Zünfte, Gilden und Innungen ... werden hiermit aufgehoben. "j Statut für die Kaufmannschaft zu Berlin vom 2. März 1820, PrOs 1820, S. 46, § 2: "Dagegen bildet sich aus allen Kaufleuten und HanJeltreibenden zu Berlin •.•, welche die durch das Landrecht Theil 2. Tit. 8. näher bestimmten kaufmännischen Rechte, namentlich in Bezug auf GlaubwürdigUit der Bücher, auf Wechselfohiglceit, auf Geschäftsfähigkeit der Handelsgehülfen, auf Zinsen und Provision u.s. w. jetzt behalten und für die Zukunft erlangen wollen, eine Gesellschaft unter der Benennung: "Korporation der Berliner Kaufmannschaft".", § 3: "Der Besitz der gesetzlichen kaufmännischen Rechte kann fortan nur durch die Aufnahme in die Korporation erlangt werden ... Die gesetzlich feststehende Verpflichtung der Handeltreibenden, einen Gewerbeschein zu lösen, wird hierdurch nicht verändert ..• Die solchergestalt mit einem Gewerbeschein versehenen Handeltreibenden erlangen nach der Publikation dieser Verordnung nicht durch den Gewerbeschein, sondern durch die Aufnahme in die Korporation, die im §. 2. angeführten kaufmännischen Rechte. " Die Statuten werden in der Bewertung von C. Quante, Die geistesgeschichtlichen Grundlagen, S. 53 Anm. 3, übersehen. 140
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bestand nicht. 141 Die innere Struktur der Korporation konnte Anklänge an die zünftische Organisation nicht ganz verrneiden. 142 Anforderungen an die Qualifikation des Bewerbers als eines der wichtigsten Merkmale des Zunftwesens wurden jedoch nicht gestellV43 Die Modalitäten der Ausbildung von Lehrlingen und Gehilfen waren grundsätzlich der Vereinbarung zwischen diesen und dem Kaufmann anheimgegeben, sollten allerdings den Ältesten der Korporation mitgeteilt werden, die auch die vom Ausbildenden ausgestellten Zeugnisse bestätigen konnten.1 44 Die Sorge für die Ausbildung des Kaufmannsnachwuchses blieb auch unter der Gewerbefreiheit ein zentrales Motiv der Vereinigung.1 4S Insoweit gingen die Statuten über die Regelung des Gewerbepolizeigesetzes hinaus, nach welchem die Bestätigung des Zeugnisses für einen unzünftig Ausgebildeten Sache allein der Polizeibehörde war. 146 Lehrlinge, die ihre Lehrzeit beim Mitglied einer Zunft absolviert hatten, wurden hingegen weiter141 Statut für die Kaufmannschaft zu Berlin vom 2. März 1820 § 2, PrGS 1820, S.46: "Handeltreibende jeder Art hingegen, welche den Besitz und Gebrauch der erwähnten kDufmännischen Rechte nicht zu bedürfen vermeinen, sind nicht verpflichtet, der Korporation beizutreten, sondern erlangen die Befugniß zum Betriebe ihres Handels schon durch die Lösung des Gewerbescheins, indem durch die gegenwärtige Anordnung in der best~nden Gewerbefreiheit nichts abgeändert werden soll. " 142 Statut für die Kaufmannschaft von Stenin vom 15. Nov. 1821, PrGS 1821, S. 194, § 17: "Die Vertretung der Korporation und die Verwaltung ihrer gemeinsamen Angelegenheiten ... wird dem aus ihrer Mitte gewählten Ausschusse, welcher den Namen: "Die Vorsteher der Kaufmannschaft zu Stettin" führen soll, mit derselben Gewalt, wekhe der Kaufmannschaft als Korporation zusteht, übertragen.·, vgl. Kap. 2 11 2; §§ 64 u. 65: "Der Ober- Vorst~r häh in den Versammlungen der Kaufmannschaft und der Vorsteher auf Ruhe, Anstand und Ordnung. Die Ruhestörer müssen auf sein Geheiß sogleich die Versammlung verlassen; außerdem können sie auf seinen Antrag von den Vorstehern mit einer Ordnungsstrafe bis zu 50 Rthlr. belegt werden, welche zur Armen-Kasse der Kaufmannschaft fließt. ", vgI. Kap. 2 11 2; § 82: "Jedes Mitglied ist verbunden, die ihm nach diesem Statut durch die Wahl oder besondern Auftrag übertragenen Aemter und Geschäfte anzunehmen", vgI. Kap. 211 4. Nach W. Fischer, Unternehmerschaft, Selbstverwaltung u. Staat, S. 21 f., waren die Kaufmannskorporationen nicht als rein private Vereine, sondern mit deutlicher öffentlich-rechtlicher Überlagerung konzipiert. 143 Statut für die Kaufmannschaft von Stenin vom 15. Nov.I821 § 13, PrGS 1821, S.194: "Es ist zur Aufnahme in die Korporation nicht unumgänglich erforderlich, daß der Aufzunehmende die Handlung bei einem Kaufmann gelernt, und gewisse Jahre als Handlungsdiener gedient habe". 144 Statut für die Kaufmannschaft zu Berlin vom 2. März 1820 § 74, PrGS 1820, S.46: "Die Verträge, welche Mitglieder der Korporation über die Annahme der Lehrlinge und Gehülfen schriftlich abzuschließen haben, sind zwar an und für sich selbst eine bloße Privat-Angelegenheit,· sie sollen jedoch einer Verlautbarung vor den Aehesten bedürfen, so wie diese auch die Zeugnisse nach beeidigter Lehr- oder Dienstzeit, falls sie kein Bedenken dabei finden, bestätigen ... sollen". 145
W. Fischer, Untemehmerschaft, Selbstverwaltung u. Staat, S. 20.
Gew.polizeigesetz vom 7. Sept. 1811 §§ 11 u. 12, PrGS 1811, S.263: "Abgehenden Lehrlingen und Gehülfen darf der Lehr- oder Lohnherr ein Zeugniß über ihr Betragen und ihre bewiesene Geschicklichkeit nicht versagen. Dies Zeugniß gilt statt Lehrbriefes oder Kundschaft, wenn die örtliche Polizeibehörde darauf bezeugt, daß ihr der Aussteller als ein unbescholtener Mann bekDnnt sey, der das darin benannte Gewerbe selbständig treibe, und daß er vor ihr die Richtigkeit des Inhalts anerkDnnt habe, auch ihr selbst das Gegentheil nicht bekannt sey. " 146
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
hin von dieser losgesprochen. 147 Doch konnte jeder selbständige Gewerbetreibende ohne Mitgliedschaft in einer Zunft oder einen Qualifdcationsnachweis beliebig Lehrlinge und Gesellen einstellen, deren Rechtsverhältnisse sich bei unzünftigen Meistem nach dem Vertrag und hilfsweise der örtlichen Gewohnheit bestimmten. 148 Die Gesindeordnung vom 8. Nov. 1810 fand keine Anwendung.1 49 In Anpassung an den § 13 des Gewerbepolizeigesetzes, der von den Lehrlingen und Gesellen nur die "Unverdächtigkeit" forderte, wurde das zünftische Verlangen nach Vorlage des Geburtsbriefs oder des Legitimationsscheins bei unehelicher Geburt durch Kabinettsordre vom 3. Feb. 1812 außer Kraft gesetzt.1 SO Zünftigen Gesellen sollte die Arbeit bei unzünftigen Meistem zwar nicht zum Nachteil gereichen (§ 18), jedoch wurde die Möglichkeit wegen der damit verbundenen Minderung der EIWerbschancen bei der nunmehr freiwilligen Wanderung insbesondere in außerpreußische Gebiete wenig genutztlSl• Umgekehrt wurde es den Unzünftigen untersagt, die Arbeitsvermittlung der Zunft in Anspruch zu nehmen, um einen vom Zunftwesen gänzlich absentierten, die Reform tragenden neuen Gewerbestand auszubilden. 1S2 Nichtsdestowe-
147 Reskript des Innenministeriums für Handel u. Gew. vom 18. Juni 1831, Kamptz' Ann. 15 (1831),2, S.379: "nach dem Geiste der Zunft-Verfassung ... (dürfen) nur sokheLehrlinge von einer Zunft losgesprochen werden ..., welche bei einem der Zunft II1Igehörigen Meister gelernt haben, die Befähigung eines unzünftigen Lehrlings, als Gehülle zu arbeiten, (muß) aber in der in dem Gesetze vom 7. Sept. 1811. §§. 11. 12. angegebenen Art erfolgen".
148 Gew.polizeigesetz vom 7. Sept. 1811 §§ 7 - 9, PrGS 1811, S. 263: "Er (i.e. der Unzünftige) ist dehmohnerachtet auch berechtigt, Lehrlinge und Gehiilfen anzunehmen. In diesem Falle wird die Lehrzeit oder die Dauer des Dienstes, das etwanige Lehrgeld, Lohn, Kost und Behandlung bloß durch freien Vertrag bestimmt. Was davon vertragsmiißig nicht bestimmt ist, wird nach der örtlichen Gewohnheit beurtheilt." Vgl. dazu die Motive zum Gesetzentwurf der Geheimen Staatsräte Sack und v. Schuckmann vom 31. Dez. 1810, K.v. Rohrscheidt, Vom Zunftzwange zur Gew.freiheit, S.417: "Diesen Unzünftigen wird auch das Recht nicht verweigert werden können, Lehrlinge und Gehilfen anzunehmen. Auf diese passen aber die Vorschriften der Innungsartikel nicht mehr". Zum Arbeitsvertragsrecht in der Reform von 1810/11 vgl. E. Freiherr v. VietinghoffSchee~ Gew.es Arbeitsvertragsrecht in Preussen, S. 32 Cf. 149 Gesinde-O. für sämmtliche Provinzen der Preußischen Monarchie vom 8. Nov. 1810, PrGS 1810, S. 101. Die Auffassung K.v. Rohrscheidts, Vor- u. Rückblicke, S.6, von deren Geltung für Hilfskräfte im gewerblichen Bereich wird widerlegt durch das Reskript des Gew.- u. Innenministeriums vom 24. Okt. 1820, Kamptz' Ann. 4 (1820), 4, S. 874: "Die unterzeichneten Ministerien sind ... einverstanden daß die Gesinde-Ordnung vom 8. November 1810. aul Gewerbegehülfen keine Anwendung findet, sondern doß dieselbe nur aul die §. 1. bezeichneten Personen, wekhe zu häuslichen oder wirthschaftlichen Diensten gedungen werden, Bezug hat."; ebenso das Reskript des Innenministeriums vom 15. März 1829, Kamptz' Ann. 13 (1829), I, S. 149f.
150
K.v. Rohrscheidt, Vor- u. Rückblicke, S. 6.
151
K.v. Rohrscheidt, Vor- u. Rückblicke, S. 26.
Erklärung des Geheimen Staatsrats v. Schucltmann Dez. 1811/ Jan. 1812, K.v. Rohrscheidt, Vor- u. Rückblicke, S. 4. 152
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niger blieben die von den Gesellen ausgehenden Probleme im wesentlichen die gleichen. 1S3 Sämtliche Lohn- und Preistaxen wurden aufgehoben (§§ 161 ff.). Das in den §§ 32 -50 geregelte Verfahren zur Ablösung der Realgewerbeberechtigungen sah die Abwicklung aus einem Fonds vor, der aus Abgaben aller das von der Gerechtigkeit betroffene Gewerbe Betreibenden gespeist werden sollte (§ 46). Damit war dieser Ansatz zur Ineffizienz verurteilt, bestanden doch die Gewerbeberechtigungen überwiegend gerade in den Bereichen, die wegen ihrer Bedarfssättigung kein Wachstum zuließen. 154
bb) Voraussetzungen für den Betrieb eines Gewerbes
Der Kreis der Gewerbe, bei welchen aus polizeilichen Rücksichten "die Erlaubniß zum Betriebe derselben von dem Erweise besonderer Eigensclwften abhängig seyn soll" (§ 82), wurde durch die §§ 83 ff. Gewerbepolizeigesetz gegenüber der Aufzählung in § 21 des Gewerbesteueredikts noch erweitert. 1SS Zusätzlich einbezogen wurden die Leiter von Privatkrankenhäusem (§ 91), Architekten sowie Rohr- und Brunnenmeister (§ 94), Schiffs-Abrechner (§ 110), Kommissionäre (§ 122), Buchhändler und -drucker sowie Bibliothekare (§ 126), Pfandleiher, Gebrauchtwarenhändler und Betreiber von öffentlichen Tanz- und Fechtböden (§ 131) sowie Wandergewerbetreibende (§ 135). Die erste Gruppe wurde von denjenigen Gewerbetreibenden gebildet, die sich unter dem Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung der Ordnung polizeilich ihre Unbedenklichkeit bescheinigen lassen mußten. l56 Zu ihr zählten die Schauspieldirektoren (§ 87), die Betreiber von Privatirren- und -krankenhäusern (§ 91), Kommissionäre (§ 122), Juweliere (§§ 123 f.), Buchhändler und -drucker sowie Bibliothekare (§§ 126 f.), Gastwirte, Pfandleiher, Gesindemäkler, Lohnlakaien, gewerbliche Leichenreiniger, Gebrauchtwarenhändler und Betreiber von öffentlichen Tanz- und Fechtböden (§ 131), Abdecker (§ 134) sowie Wanderge1S3 Publikandum der Regierung zu Königsberg vom 15. Nov. 1823, Kamptz' Ann.7 (1823), 4, S. 942: "Es ist zu unserer Kenntniß gekommen, daß die bei den Meistern stehenden Handwerksgesellen sich hin und wieder beikommen lassen, theils an Werktagen, namentlich am Montage, sich der Arbeit zu entziehen, theils dieselbe, ohne 14 Tage vorher aufgekündigt zu haben, ganz verlas· sen. Wir weisen die Magisträte an, auf die Absteltung dieser Mißbräuche mit aller Strenge zu halten"; ebenso das Publikandum der Regierung zu Oppeln vom 2. Juni 1824, I.c. 8 (1824), 2, S. 580. Vgl. Kap. 2 III 2a-b aa und Kap. 3 11 1-3, III 1.
154
B. Voge~ Allgemeine Gew.freiheit, S. 208 ff.
Zur Dominanz des polizeilichen Gesichtspuoltts E. Tuchtfeldt, Gew.freiheit als wirtschaftspolitisches Problem, S. 37. 1SS
156
Vgl. J. Ziekow, Staatseinnailmen, Liberalismus u. Polize~ S. 316.
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
werbetreibende (§ 135), insbesondere Viehkastrierer, Kesselflicker, Topfbinder, Scherenschleifer (§ 138) und fahrende Schausteller (§ 139). Für Juweliere (§ 123) und Buchhändler etc. (§§ 126 f.) war ein Bestandsschutz dergestalt vorgesehen, daß für die schon vor der Publikation des Gewerbesteueredikts am 2. Nov. 1810 etablierten Gewerbetreibenden kein Zeugnis der Regierung, sondern nur eines der örtlichen Polizeibehörde erforderlich war. Dem in § 131 beschriebenen Personenkreis (Gastwirte etc.) und Abdeckern, "welche ein solches Gewerbe bisher rechtlich betrieben und zu keinen gegründeten Beschwerden Veranlassung gegeben haben'~ sollte das Zeugnis nicht versagt werden, wohingegen die Genehmigung neuer Betriebe "gänzlich polizeilichem Ermessen anheim gestellt" war (§§ 132-134). Die Erteilung von Gewerbescheinen an Abdecker bereitete allerdings Schwierigkeiten, da jene wegen ihrer noch fortbestehenden Infamie nicht dem Kriterium der Unbescholtenheit des § 19 des Gewerbesteueredikts genügen konnten. 157 Ausweislieh des Reskripts des Innenministeriums vom 17. Juli 1815 mußten sie eine Prüfung ihrer veterinärhygienischen Kenntnisse vor dem Kreis- und Stadtphysikus bestehen. ISS Ein besonderes Verfahren war für die Ausgabe von Wandergewerbescheinen bestimmt, mußte doch die "Zuverlässigkeit und Rechtlichkeit des Suchenden" zur vollen Überzeugung der Behörde feststehen, die überdies selbst die Mittel der Überzeugungsbildung auswählte (§§ 146 f.). Bei der Erneuerung eines abgelaufenen Gewerbescheins allerdings war nur im Falle eines besonderen Anlasses in eine neuerliche Überprüfung einzutreten. l59 Der Handel auf Jahr- und Wochenmärkten unterlag keiner Gewerbescheinpflicht. l60
IS7 K.v. Rohrscheidt, Vor- u. Rückblicke, S. 15. Zur Unehrlichkeit der Abdecker Kap. 2 III la und Kap3 III 4. Der Makel wurde endgültig beseitigt durch die die Scharfrichtergehilfen zum Kriegsdienst zulassende Kabinettsorder vom 4. Dez. 1819 in Verbindung mit der Kabinettsorder vom 21. Okt. 1827 über die bürgerlichen Ehrenrechte der Scharfrichter, Das Medicinal-Wesen des Preußischen Staates, S. 763. IS8
Das Medicinal-Wesen des Preußischen Staates, S. 761 f.
Reskript des Innenministeriums vom 25. Feh. 1829, Kamptz' Ann. 13 (1829), 1, S. 148: "Wenn nun ... in der Regel Hinsichts derjenigen Individuen, _khe eillmlll Gewerbescheine erhlliten hilben, die Erneuerung derselben nicht von einem Nihem QUidifikations-Nach weise abhängig zu machen ist, so ... (darf die Ausübung der) Befugniß der Regierungen, ... nach Umständen die Beibringung von obrigkeitlichen Attesten zu erfortkm, ... immer nur ausnaJunsweise und in so weit, als es durch spezielle Gründe zu rechtfertigen sein möchte, geschehen. • IS9
160 Regulativ über den Gewerbsbetrieb im Umherziehen vom 28. Apr. 1824 § 5, PrGS 1824, S. 125: "Zum Gewerbbdriehe im Umherziehen ... gehört aber nicht ... das Bereisen der Messen und Jahrtniirkte"; Reskript des Innenministeriums vom 11. Okt. 1826, Kamptz' Ann. 10 (1826), 4, S. 1124 f.: "Es bedarf daher weder zum Verkauf noch zum Ankauf auf Wochentniirkten eines Gewerbscheins. • Vgl. auch das Edikt über den Vor- und Aufkauf in der ganzen Monarchie vom 20. Nov. 1810 § 4, PrGS 1810, S. 100: •... so daß ein vallig freies Marlctverkehr statt findet"; meine in Staatseinnahmen, Liberalismus u. Polizei, S.315, aufgestellte abweichende Behauptung beruht auf einer Mißdeutung des § 2 dieses Edikts.
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Charakteristikum der der anderen Gruppe zugehörenden Gewerbe war die Notwendigkeit des Nachweises der fachlichen QualifIkation. Für sie wurde im Jahre 1833 allgemein die Prüfung der Grundfertigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen angeordnet.1 61 Die privaten Unterricht Erteilenden bedurften keines Gewerbe- oder Erlaubnisscheins (§§ 83, 84 S. 1), obwohl § 72 des Gesetzentwurfs der Geheimen Staatsräte Sack und v.Schuckmann vom 31. Dez. 1810 dies vorgesehen hatte 162• Die in einer öffentlichen Schule Lehrenden hingegen hatten ihre QualifIkation vor der Provinzial-Schuldeputation zwecks Erlangung eines Erlaubnisscheins nachzuweisen (§ 84 S. 2), waren aber von der Gewerbeschein- und damit der Gewerbesteuerpflicht befreit (§ 85). Die Kabinettsorder betreffend die Aufsicht des Staats über Privatanstalten und Privatpersonen, die sich mit dem Unterrichte und der Erziehung der Jugend beschäftigen, vom 10. Juni 1834163 hob diese Regelung wieder auf, "da sie Erfahrung ... ergeben hat, daß hieraus Mißbräuche und wesentliche Nachtheile für das Erziehungs- und Unterrichtswesen entstehen'~ und rekurrierte auf ALR 11 11 §§ 3 und 8, wonach Privaterzieher "sich wegen ihrer Tüchtigkeit ... ausweisen" mußten. Gemäß den §§ 2 und 14 der ausführenden Instruktion des Staatsministeriums vom 31. Dez. 1839164 geschah dies dadurch, daß jene "sich den für die betreffenden öffentlichen Lehrer und Lehrerinnen gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen unterwerfen" mußten. Voraussetzung für die Erteilung eines Gewerbescheins an Ärzte, Apotheker, Laboranten und Tierärzte (§ 89) sowie die Verfertiger chirurgischer Instrumente (§ 92) war die Vorlage eines QualifIkationsattests der Provinzialregierung; Hebammen mußten um die Erlaubnis des Kreisphysikus nachsuchen (§ 90). Neue Apotheken konnten nach der Verordnung vom 24.0kt. 1811 165 nur angelegt werden, "wenn das Bedürfniß einer Vermehrung derselben erwiesen ist" (§ 2), also "eine bedeutende Vermehrung der Volksmenge, (oder eine) 161 Zirkularreskript des Innenministeriums für Handel u. Gew. vom 15. Nov. 1833, Kamptz' Ann. 17 (1833), 4, S. 1043: "Da IUIch dem jetzigen Zustande der allgemeinen Bi/Jung, Fertigkeit im Lesen und Schreiben, sowie Kenntniß der ersten Elemente der Rechenlcunst, bei jedem Individuo, welches ein Gewerbe selbstständig betreiben will, vorausgesetzt werden kann, so bestimmt das Ministerium ..., daß in allen Fällen, wo die Gesetze eine Prüfung als Bedingung der selbstständigen Ausübung eines Gewerbes anordnen, diese auf Fertigkeit im Lesen und Schreiben, sowie auf Kenntniß der ersten Elemente der Rechenlcunst gerichtet, und das Zeugniß verweigert werde, wenn der Kandidat diese nicht besitzt. " 162
K.v. Rohrscheidl, Vom Zunftzwange zur Gew.freiheil, S. 415.
163
PrGS 1834, S.135.
164
O. Simon, Die Fachbildung des Preussischen Gew.- u. Handelsstandes, S. 71 ff.
165 PrGS 1811, S.359. Zur Problematik W. Engels, Zur Geschichte des Verstaatlichungsgedankens im dt. Apothekenwesen, S. 42 f.; G.R. Frank, Über die Anwendung der allgemeinen Gew.freiheit auf das pharmaceutische Gew., S.13 ff.
352 Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund bedeutende Erhöhung ihres Wohlstandes" zu erwarten stand (§ 4). Hinsichtlich "der vorschriftsmäßigen Prüfung und Qualifrcation der Apotheker ... (behielt) es bei den schon bestehenden Gesetzen sein Bewenden" (§ 1), nämlich der revidierten Apotheker-Ordnung vom 11. Okt 1801 166, die durch das Reglement für die Staatsprüfungen der Medizinalpersonen vom 1. Dez. 1825 167 ersetzt wurde. & regelte gleichzeitig die QualifJkation des ärztlichen Personals und der Hebammen, ergänzt durch eine Reihe weiterer Bestimmungen. l68 Die approbierten Tierärzte wurden durch das Reglement vom 25. Mai 1839169 in zwei Klassen eingeteilt. Da § 2 des Gesetzes wegen Entrichtung der Gewerbesteuer vom 30. Mai 1820170 das medizinische Personal nicht mehr dem Kreis der Gewerbesteuer- und damit Gewerbescheinpflichtigen zurechnete, konnte die Tierheilkunde zur Vermehrung der Zahl ihrer Betreiber allerdings auch ohne Prüfung und polizeiliche Erlaubnis ausgeübt werden; 171 jedoch unterlag dieser Personenkreis gewissen Beschränkungen unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr, wie insbesondere an dem Verbot der Behandlung ansteckender Krankheiten deutlich wird. 172
Justizkommissare, Notare und Prokuratoren hatten zur Erlangung eines Gewerbescheins ihre Patente oder einen Erlaubnisschein des zuständigen Ober-
166 Das Medicinal-Wesen des Preußischen Staates S. 619 ff. Zum älteren Apothekenwesen in Preußen C. Thomasius, De ivre circa pharmacopolia civitatum, pass. 167
Das Medicinal-Wesen des Preußischen Staates, S. 371 ff.
Vgl. nur die Zirkular-Verfügung vom 6. Jan. 1841, die Ausbildung, Prüfung und Niederlassung der Hebammen betreffend, PrMinBII841 Nr. 36. 168 169
Das Medicinal-Wesen des Preußischen Staates, S. 610 f.
170
PrOs 1820, S.147.
Reskript des Innenministeriums vom 6.0kt. 1829, Das Medicinal-Wesen des Preußischen Staates, S. 608: "Wiewohl nach dem Ges. v. 7. Sept. 1811, _gen der polizeilichen Verhältnisse der Gewerbe, den Roß- und Viehiirzten G_bescheilU! nur auf ein Zeugniß der Provinzialregierung, daß sie zur Ausübung ihres Geschiifts geeignet sind, ertheilt _rden sollen, so beJtJrf es doch nach dem späteren Gesetze v. 30. Mai 1820 besonderer Gewerbescheine tur dieselben nicht mehr, und in landespolizeilicher Beziehung fehlt es, sowohl nach dem Stande der Kenntnisse in der Thierheilkunde und in Berücksichtigung der geringen Zahl gehiirig vorbereiteter Thierärzte, als in dem Betracht, daß durch die Beschränkung der Viehbesitzer in der Benutzung der Hilfe selbstgewählter Sachverständiger dem Interesse derselben und dem gemeinen Besten vielmehr geschadet, als Vortheil gestiftet werden würde, an zureichender Veranlassung, die Ausübung der Thierheilkunde ferner von besonderer polizeilicher Erlaubniß dazu abhängig zu machen. • 171
172 Reskript des Ministeriums der Geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten vom 6. Dez. 1840, Das Medicinal-Wesen des Preußischen Staates, S. 611 f.: Wegen der "Uebelstände, welche aus der Ausübung der Vetoinair-Praxis durch sokhe PersolU!n entstehen, die ihre QualifiIctttion dazu durch Ablegung der diesfalls vorgeschriebenen Staatsprüfungen nicht nachgewiesen haben, ... (wird bestimmt), daß diejenigen Personen, weichetur die Ausübung der Veterinairkunde nicht approbirt sind, sich überall der Behandlung sokher Krankheiten der Hausthiere enthalten, welche zur Kategorie der ansteckenden und der Seuchen gehiiren".
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landesgerichts vorzulegen (§ 93), die Ökonomie- und Auktionskommissare, Dolmetscher, Übersetzer, Schreib- und Rechenmeister von den sie anstellenden Regierungen ein Qualiflkationsattest einzuholen (§§ 119, 121); Feldmesser und Nivellierer mußten sich einer Prüfung vor der technischen Oberbau deputation unterziehen (§ 118). Etablierte Mäkler, Dispacheurs und Schiffs-Abrechner (§§ 110 f.) sowie alle mit der Warenprüfung Befaßten, "wider deren Rechtlichkeit nichts zu erinnern ist" (§§ 113 f.), genossen einen Bestandsschutz. Neu begonnen werden durfte ein solches Gewerbe nur, wenn der Antragsteller durch die Kaufmannschaft gewählt und die Regierung bzw. die örtliche Polizeibehörde bestätigt wurde (§§ 112, 115), wobei die Regierung oder in ihrem Auftrag die Handlungskommission die Qualiflkation der Mäkler etc. festzustellen hatte (§ 112). Den schon vor der Publikation des Gewerbesteueredikts tätigen Gold- und Silberprobierern kam ebenfalls ein Bestandsschutz zu (§ 123), wohingegen von den später Hinzukommenden eine Prüfung bei den Ajustierungsbehörden in Berlin, Königsberg oder Breslau zu absolvieren war (§ 124); für bloße Handwerker wie Goldschmiede und Silberarbeiter galt dieses Erfordernis ausdrücklich nicht (§ 125). Im handwerklichen Bereich verlangte das Gewerbepolizeigesetz den Nachweis einer Befähigung nur dann, wenn die Erstellung und die Sicherheit von Bauten betroffen waren. Jeder selbständige Handwerker war zur Führung des Meistertitels befugt; den zünftischen Meistem war allerdings ein auf diese Mitgliedschaft hinweisender Zusatz vorbehalten. 173 Versuche einzelner Gewerbe, bestehende Qualifikationsvoraussetzungen beizubehalten, scheiterten. So wurde zwar der Antrag der Berliner Destillateurinnung vom 3. Okt. 1811, es aus Gründen der Volksgesundheit bei der obligatorischen Prüfung der Destillateure zu belassen, von der wissenschaftlichen Medizinaldeputation und dem Chef des Polizeidepartements unterstützt, jedoch hielt der am 16. März 1812 ergangene Bescheid Hardenbergs den Hinweis des Geheimen Staatsrats v. Schuckmann auf die Parallele zu den anderen freigegebenen Genußmittelgewerben und das Ausreichen einer Überwachung des Herstellungsprozesses für zutreffend. 174 Ebensowenig wurde das Schlosserhandwerk als eines der Gewerbe angesehen, "welche zu ihrem Gewerbsbetriebe einer polizeilichen Ermächtigung bedür-
173
Publikandum der Regierung in Potsdam vom 13. Sept. 1817, Kamptz' Ann. 1 (1817), 3, S. 58:
174
K.v. Rohrscheidt, Vor- u. Rückblicke, S.16 f.
"Die Frage: "ob unzünftigen, auf Gewerbe-Sclu:in selbständjg arbeitenden Handwerkern das Prädilcot Meister gebühre?" muß unbedingt bejahet werden, da ..• kein Gesetz den zünftigen Arbeitern das Vorrecht eingeräumt (hat), sich ausschließungsweise Meister zu nenne1L Doch bleibt es den in der Innung befindlichen Meistern verstattet, sich zünftige Meister zu nennen. "
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
hätte eine solche doch "als Rückkehr zum Zunftgeiste erscheinen" müssen. 17S
fen'~
Neben den Architekten, die von der technischen Oberbaudeputation zu prüfen waren (§ 96), mußten noch "Mühlenbaumeister, Schiffszimmerleute, Hauszimmerleute, Maurer-, Rohr- und Brunnenmeister ... zu Erlangung des Gewerbscheins ein Zeugniß der Provinzialregierung beibringen, daß sie zum Betriebe ihres Gewerbes gesetzlich geeignet sind" (§ 94). Solche Gewerbetreibende, die ihr Gewerbe bis dahin bereits ausgeübt hatten, erfüllten dieses Kriterium a limine (§ 95) und erhielten einen Bestandsschutz selbst dann im vollen Umfang ihrer bisherigen Gewerbeberechtigung zugebilligt, wenn diese nunmehr in zwei Befähigungsnachweise zerfie1. 176 Die Zulassung der sich künftig niederlassenden Schiffs zimmermeister war laut § 97 bereits durch eine Verordnung vom 18. März 1811 geregelt worden. 177 Novelliert wurde sie durch die Instruktion vom 5. Aug. 1823, die durch die ansonsten inhaltsgleiche Instruktion vom 26. Feb. 1824 um die neueingeführte Minderberechtigung der Bootsbauer (§ 9) erweitert wurde. 178 Beide galten auch für die nach §§ 106 f. des Gewerbepolizeigesetzes erforderliche Prüfung der Seeschiffer, Steuerleute und Lotsen, sofern diese nicht schon vor Inkrafttreten des Gewerbesteueredikts tätig waren und "kein wesentliches Bedenken wider '" (ihre) Kenntnisse" obwaltete (§ 105). Die in § 108 angeordnete Errichtung der Prüfungskommissionen in Stettin, Colberg, Elbing, Königsberg und Memel wurde durch das Zirkularreskript des Handelsministeriums vom 26. Feb. 1824179 vollzogen, wobei an die Stelle Elbings Danzig und Stralsund traten. Die Beisitzer der unter der Leitung eines Dirigenten stehenden Prüfungskommission sollten laut § 1 der Instruktion vom 26. Feb. 1824 "theils Rheder und Seeschiffer, theils Schiffsbaumeister sein" und wurden von der Regierung ernannt; auf dem Gebiete der Mathematik oder Astronomie konnten zur Kon-
175
Reskript des Innenministeriums vom 10. Sept. 1832, Kamptz' Ann. 16 (1832), 3, S. 691.
Reskript des Innen- und Polizeiministeriums vom 8. Aug. 1827, Kamptz' Ann. 11 (1827), 3, S.750: "sämmtliche vor dem Jahre 1811. qUilli/izirte Zimmerleute •.• ( können) aus dem Grunde als im rechtlichen Besitze der Befugniß zum Mühlenbau sich befindend angesehen werden ..., weil das Gewerbe der Zimmerleute mit dem der Mühlenbaumeister damals vereinigt gewesen, und der Mühlenbau von den Zimmermeistern ausgeübt worden ist". 176
177 Das Zirkularreskript des Handelsministeriums vom 26. Feh. 1824, Kamptz' Ann. 15 (1831), S. 808, spricht dagegen von einer Instruktion vom 4. Aug. 1810. 178 Instruktion des Handelsministeriums betreffend die Prüfung der Seeschiffsbaumeister, Seeschiffer, Steuerleute und Lotsen vom 5. Aug. 1823, Kamptz' Ann. 8 (1824), 1, S. 257; Instruktion des Handelsministeriums betreffend die Prüfung der Seeschiffsbaumeister, Bootsbauer, Seeschiffer, Steuerleute und Lotsen vom 26. Feb. 1824, l.c. 15 (1831), 4, S. 808. 179
Kamptz' Ann. 15 (1831), S. 808.
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trolle der Prüfungsmethode Sachverständige zur Examinierung der Seeschiffer und Steuerleute hinzugezogen werden. Um jeden Anklang an ein zünftisch geordnetes Ausbildungswesen zu vermeiden, durfte von dem Kandidaten nicht die Darlegung verlangt werden, in welcher Weise er sich seine Kenntnisse angeeignet hatte (§ 2); allgemein war die Erforderung eines Nachweises über eine absolvierte Lehrzeit verooten l80• Der erste Teil der Prüfung der Seeschiffsbauer bestand in den von § 4 beschriebenen Arbeiten, nämlich einem "blos mit Zuziehung im Schiffsbau unkundiger Gehülfen" gebauten Ruderboot (Nr. 1) sowie der Planung eines Handelsschiffes (Nr.2) einschließlich der Berechnung von dessen Ladekapazität (Nr. 3) und Ausrüstung (Nr. 4). Über die Erfüllung der Anforderungen entschied die Kommission nach Stimmenmehrheit; im Falle des Nichtbestehens konnte die Prüfung frühestens nach einem Jahr wiederholt werden, wenn der Prüfling eine Steigerung seiner Fähigkeiten während dieser Zeit glaubhaft machen konnte (§ 5). Dokumentierten die angefertigten Stücke die Leistungsfähigkeit des Beweroers, so hatte er sich anschließend einer mündlichen Prüfung seiner mathematischen und physikalischen Kenntnisse zu unterziehen, auf welche der ''Endbeschluß über die Zulässigkeit des Geprüften zum Schiffsbau" erging (§ 6). Durch die Beschränkung der Prüfung auf die Herstellung des in § 4 Nr. 1 beschriebenen Ruderboots oder - nach dem Ermessen der Kommission - eines Segelboots konnte eine Minderberechtigung erworben werden, die nur Arbeiten an Wasserfahrzeugen umfaßte, "welche drei preußische Normallasten und weniger halten" (§ 9). Das Verfahren der Prüfung für die Seeschiffsführer, Steuerleute und Lotsen war dem geschilderten nachgebildet und wich lediglich in seinen Gegenständen von ihm ab (§§ 10, 14). Im Gegensatz zu den Schiffsbauern hatten die Steuerleute und Schiffer bereits vor der Ablegung der Prüfung einen Qualifikationsnachweis zu eroringen, nämlich die Absolvierung eines zweijährigen "Seemannsdienstes als Matrose" (§ 11). Neugeordnet wurde das Prüfungswesen der Steuerleute, Schiffsführer und Lotsen durch die Instruktion des Finanzministers vom 15. Okt 1840 181• Zur Prüfung der übrigen der in § 94 des Gewerbepolizeigesetzes genannten Handwerker sollten entsprechend in den gewerblichen Zentren Kommissionen errichtet werden (§ 98), deren Atteste die Grundlage für die Erteilung der erforderlichen Zeugnisse durch die Regierungen bildeten (§ 100). Nach dem § 1
180 Reskripl des Innen- und Polizeiministcriums vom 4. Juli 1829, KamplZ' Ann. 13 (1829), 3, S.610: "Da ... nicht einntal allgemein vorgeschrieben ist, daß derjenige, der ein Handwerk selbständig ausüben will, Lehrjahre bestanden haben, und einen Lehrbrief aufzeigen muß; so kann dies ... um so weniger von denjenigen Handwerkern verlangt werden, welche noch besonders eine Prüfung ihrer Geschicklichkeit ablegen müssen; vielmehr Icommt es leJiglich darauf an, ob sie bei dieser Prüfung sich hinliinglich theoretisch und praktisch geübt erweisen. • 181
O. Simon, Die Fachbildung des Preussischen Gew.- und Handelsstandes, S. 109 Cf.
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
der zur Ausführung ergangenen Prüfungsinstruktionen setzten sie sich zusammen aus dem Polizeidirigenten oder einem anderen erfahrenen Mitglied der lokalen Polizeibehörde, einem oder zwei Baubeamten und zwei oder drei Meistem des betreffenden Handwerks. 182 Vor dem Beginn des eigentlichen Examens hatten die Kandidaten in einem Tentamen ihre Grundfertigkeiten im Lesen, Schreiben, Rechnen und Zeichnen unter Beweis zu stellen, "damit sie, im Fall ihnen diese Vorkenntnisse mangeln, ihre Zeit bei den Probearbeiten nicht unnützer Weise verschwenden" (§ 1). Darüber hinaus war darauf zu achten, daß sie "auch merkwürdige Gebäude mit Aufmerksamkeit gesehen, und an Orten, wo vorzüglich gut gebaut wird, einige Zeit gearbeitet haben";183 im Falle des Nichtbestehens des Tentamens sollte ihnen "dies Bildungsmittel ... vorzüglich empfohlen werden" (§ 1). Da diese Vorschrift als Verpflichtung zum Wandern aufgefaßt wurde, was dem mit der Aufhebung des Wanderzwangs durch die Kabinettsordre vom 1. Aug. 1831 184 verfolgten Ziel zuwiderlief, die Forderungen reisender Handwerker auf eine Wanderunterstützung auszuschließen,18s wurde sie durch eine Zirkularverfügung vom 8. März 1842 aufgehoben l86• Die eigentliche Prüfung bestand in dem Entwurf bestimmter Arbeiten aus dem jeweiligen Gewerbe samt Kostenanschlag (§ 2), einer mündlichen Prüfung (§ 4) sowie der Leitung eines Probebaus (§ 5)187. Die Erschwerung oder Verweige182 Instruktionen betreffend die Prüfungen der Zimmergesellen, welche Meister zu werden verlangen, vom 28. Juni 1821, Kamptz' Ann. 5 (1821), 3, S.592, der Maurergesellen, welche Meister zu werden verlangen, vom 28. Juni 1821, I.c., S. 598, und der Mühlenwerkverfertiger vom 28. Juni 1821, I.c., S. 604. Gemäß § 1 der Instruktion betreffend die Prüfung der Brunnen- und Rohrmacher vom 28. Juni 1821, I.c., S. 615, waren die Prüfungskommissionen für die Maurer und Zimmerleute auch zuständig für die Prüfung der Brunnen- und Rohrmacher mit der Maßgabe, daß ein oder zwei der letzteren die Maurer oder Zimmerleute als Mitglieder der Kommission ersetzten. Sofern nichts anderes vermerkt ist, wird im folgenden nach der Instruktion für die Zimmerleute zitiert. 183 Die Mühlenwerkverfertiger mußten entsprechend ·merkwürdige Mühlenwerke und andere Maschinen mit Aufmerksamkeit gesehen· haben. In der Instruktion betreffend die Prüfung der Brunnen- und Rohrmacher fehlt ein vergleichbarer Passus. 184 Kamptz' Ann.16 (1832), 2, S. 472: •... will Ich überall, wo die Zunftverfassung mit mehr oder weniger Beschränkung in der Monarchie noch besteht, die in den Innungs-Artikeln zwangsweise vorgeschriebene WanJop/licht der zünftigen Handwerksgesellen von jdzt an gänzlich abgestellt
wissen. "
18S Zirkularreskript des Innenministeriums vom 12. Apr. 1832, Kamptz' Ann. 16 (1832), 2, S. 471: ·Auch in denjenigen Bezirken, in denen lu:ine Zünfte bestehen, ist die Bdcanntmochung (der Kabinettsordre vom 1. Aug. 1831) nicht für üboflüssig zu erachten. Es kann indessen ... dort dabei eröjfnd werden, daß die Publikation nur in der Absicht erfolge, um Ansprüche auf Unterstützung, wdche reisoule Handwerker bisher unter dem Vorwande der WanJerp/licht an ihre Gewerbsgenassen oder an Gemeinen gemacht haben, mit desto größerem Rechte von nun an zurückzuweisen.• 186 PrMinBI 1842 Nr. 127: ·Da diese Vorschrift nicht bloß schon häufig zu Mißverständnissen Veranlassung gegeben hat, sondern auch mit der Allerhöchsten Ordre vom 1. August 1831., Inhalts deren die Wantkrpflicht aufgehoben ist, im Widerspruche steht, so wird solche hierdurch aufgehoben.· 187 Dieser Teil fehlt in der Prüfung der MÜhlenwerkverfertiger.
11. Die preußischen Reformen
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rung der Prüfung unter dem zünftischen Gesichtspunkt der Nachwuchsreduzierung wurde ausdrücklich untersagll88 Möglicherweise zur Verhinderung von diesbezüglichen Mißbräuchen wurde die Entscheidung über Bestehen oder Nichtbestehen der Prüfung nicht von der Kommission, sondern von den Baudirektoren der Regierung nach dem Examinationsprotokoll getroffen (§ 10).189 Diejenigen Maurer, die ihr Gewerbe auf die in § 101 des Gewerbepolizeigesetzes aufgezählten Mauertlickarbeiten beschränken wollten, bedurften nach § 12 der Instruktion betreffend die Prüfung der Maurer des vorgeschriebenen Examens nicht, sondern hatten lediglich eine zweijährige Dienstzeit bei geprüften Maurermeistern nachzuweisen.1 90 Entsprechende Regelungen wurden durch das Publikandum vom 11. Sept. 1817191 für Zimmerflick- sowie durch die Reskripte des Handels- und Gewerbeministeriums vom 20. Mai 1824192 für Mühlenflick- und vom 10. Okt 1818193 für Dach- und Schieferdeckarbeiten eingeführt Allerdings war es diesen Flickarbeitern verwehrt, Hilfskräfte zu beschäftigen. 194 Eine Umgehung der Qualifikationsvoraussetzungen durch die Gestat-
188 § 7: "Den Prüfongs-Kommissionen liegt zwar hiernach ob, sich ganz gründlich von der Zulänglichkeit der Kenntnisse der Examinanden zu überzeugen; allein es wird ihnen auch zugleich zur Pflicht gemacht, der Zeit derselben zu schonen und durchaus nicht zu gestatten, daß die Prüfung ein Vorwand werde, die Gesellen ungebührlich lange mit ausgesucht schwierigen Aufgaben zu beschäftigen, indessen von allem Erwerb abzuhalten, und zur unnützen Verzehrung ihres ersparten Nothpfennigs, der vielmehr zur Grütulung ihres Etablissements dienen soll, zu nöthigen.", § 8: "Auch sind dieselben ausdrücldich verantwortlich dafür, daß bei den Prüfungen oder bei Besichtigung der Probearbeiten und des Probebaues, die sonst wohl höchst mißbräuchlich eingeschlichene Darreichung von Speisen, Getränken und anderen Erfrischungen gänzlich wegfalle", § 9: "Die Kommission kann unter dem Vorwande, daß schon ... genug (der jeweiligen Handwerker) in der Gegend vorhanden wären, Niemand die Prüfung verweigern oder erschweren. " In den Instruktionen für die Maurer sowie die Brunnen- und Rohrmacher §§ 6-8, in der Instruktion für die Mühlenwerkverfertiger §§ 5-7. 189 In den Instruktionen für die Maurer sowie die Brunnen- und Rohrmacher § 9, in der Instruktion für die Mühlenwerkverfertiger § 8.
190 Vgl. aber das Publikandum der Regierung zu Potsdam vom 22. Jan.1817, das ein mit der Instruktion betreffend die Prüfung der Maurer vom 28. Juni 1821 übereinstimmendes Examen regelte, Die Bau-Polizei des Preußischen Staates, S.367 Anm. 1: "Aus der Bestimmung des §. 12. der 1nstrukt. zur Prüfung der Maurer, daß Maurer-Flickarbeiter nicht geprüft werden sollen, ist irriger Weise gefolgert, daß die Maurer- und ... Zimmerflickarbeiter gar nicht geprüft werden dürften ... Dies ist aber unrichtig, weil die Instruktion bloß von den Prüfungen, die durch die Prüfungs-Kommission der Bauhandwerker geschehen sollen, redet, und die citirte Stelle ganz richtig sagt, daß die Maurer-Flickarbeiter (von dieser Prüfungs-Kommission) nicht geprüft werden sollen. " 191
KamplZ' Ann. 1 (1817), 3, S. 59.
192
KamplZ' Ann. 8 (1824), 2, S. 579.
193
Die Bau-Polizei des Preußischen Staates, S. 382.
194 Reskripte des Innen- und Polizeiministeriums vom 31. Jan. 1827, KamplZ' Ann. 11 (1827), 1, S. 210, und des Innenministeriums vom 2. Jan. 1828, Die Bau-Polizei des Preußischen Staates, S.389.
358 Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund tung an UnqualifIZierte, selbständig auf den Namen des Meisters ein Gewerbe zu betreiben, wurde untersagt195• Die Kabinettsorder vom 11. Juli 1833196 bezog in den Kreis der eine Prüfung voraussetzenden Bauhandwerke das GeweIbe der Steinhauer ein, "da ... (dieses) gleichfalls ein solches ist, bei dessen ungeschicktem Betriebe gemeine Gefahr obwaltet"; demgemäß betraf sie nur "die Tüchtigkeit zur selbständigen Ausführung von Bauwerken aus Werkstücken", nicht aber diejenigen, "die in Steinbrüchen oder Werkstätten die Steine nach gegebenen Modellen bearbeiten". Das Prüfungswesen wurde durch die Instruktion vom 14. Aug. 1833 197 parallel zu dem der übrigen Bauhandwerke organisiert mit der Abweichung, daß vor der Meldung zur Prüfung eine zweijährige Dienstzeit als Steinhauer zu absolvieren war (§ 2). Die von der Regierung zu Breslau zeitweise vorgenommene Gleichstellung der Verfertiger und Aufsteller von Blitzableitern mit den qualiflkationspflichtigen Bauhandwerkern wurde später wieder revidiert, weil eine Prüfung dieser Gewerbetreibenden im Vergleich mit einer polizeilichen Kontrolle der Anlage nichts zur Gefahrenabwehr beizusteuern vermochte. 198 Der Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr machte die Abforderung der preußischen Prüfung auch von ausländischen Bauhandwerkern erforderlich, die sich in Preußen niederlassen wollten. Die anfangliehe Befreiung unzweifelhaft qua-
195 Publikandum vom 6. Aug. 1817, Kamptz' Ann. 1 (1817), 3, S.58: ·Um dem Mißbrauch und der Umgehung des Gewerbsteuer-Gesetzes zuvorzukommen, daß Bau-Handwerker den Gesellen gegen eine wöchentliche Abgabe gestatten, sich auf ihren Namen Arbeit zu suchen, ... wird festgesetzt: daß jeder Zimmer- oder Maurermeister, welcher einen von ihm übernommenen Bau einem Gesellen überträgt, ein Zeugniß des Inhalts ertheile: «daß er den bei ihm angestellten Gesellen N.N. den von ihm übernommenen Bau (welcher zu bezeichnen ist) für seine, des Meisters, Rechnung übertragen habe»·,· ebenso das PubliIcandum vom 25. Aug. 1825 Nr.2b, Kamptz' Ann.9 (1825), 3, S. 743. 196
PrGS 1833, S. 86.
197
Kamptz' Ann. 17 (1833), 3, S. 780 CC.
Publikandum der Regierung zu Breslau vom 17. Nov. 1820, Die Bau-Polizei des Preußischen Staates, S.383: "Die Anlage der Blitz-Ableiter steht unter polizeilicher Leitung, und es darf daher Niemand gestattet werden, dergleichen zu fertigen und •.. anzubringen, ohne daß derselbe den Besitz der dazu erforderlichen Kenntnisse durch ein Qualifikations-Attest der ... Reg. nachweisen kann. "; Reskript des Finanzministeriums vom 31. März 1839, zitiert im Zirkularreskript der Regierung zu Breslau vom 24. Dez. 1843, I.c.: Es "dürfen übrigens Blitzableiter an Gebäuden nur nach vorgegangener Erlaubniß der Polizeiobrigkeit ... angelegt werden, und letztere hat es daher stets in der Hand, der aus der ungeschickten Anfertigung, besonders aber der fehlerhaften Aufstellung derselben, dem gemeinen Wesen drohenden Gefahr dadurch vorzubeugen, daß sie .•. sich \IOn der Unschädlichkeit und Zweckmiißigkeit der Anlage die erforderliche Ueberzeugung verschafft .•. Dies ist auch überhaupt um so angemessener, als es sich bei diesen Anlagen um Benutzung der Fortschritte in den Naturwissenschaften handelt, die Qualifikation des Handwerkers hier mithin nicht, wie bei den Bauhandwerkern durch eine Prüfung für seine Lebenszeit dahin festgestellt werden kann, daß gemeine Gefahr durch ihn nicht zu besorgen ist. " 198
ßI. Die Diskussion um Zunft oder Gewerbefreiheit
359
lifizierter ausländischer Handwerker von einzelnen Teilen der Prüfung l99 wurde später dahingehend erweitert, daß die Ablegung einer der preußischen vergleichbaren Staatsprüfung eine erneute Befähigungskontrolle überflüssig machte, sofern für diese Begünstigung die Gegenseitigkeit gewährleistet war. 200 Aus feuerpolizeilichen Gründen wurden die Zwangsbezirke der Schornsteinfeger beibehalten (§ 104 Gewerbepolizeigesetz).201 Letztere hatten sich künftig vor der Aufnahme ihres Gewerbes einer Prüfung zu unterziehen (§ 103), deren Inhalt durch die Instruktion zur Prüfung der Schornsteinfeger vom 11. Juni 1812 geregelt wurde; vorausgesetzt wurde danach unter anderem die nicht näher umrissene Ableistung einer Lehre. 2m III. Die Diskussion um Zunft oder Gewerbefreiheit 1. Die unmittelbaren Folgen der Gewerbefreiheit in Preußen
Die unmittelbaren Reaktionen auf die neueingeführte Gewerbefreiheit in Preußen waren ganz überwiegend negativ. Es wirkte sich nun aus, daß die Gewerbefreiheit nicht um ihrer selbst willen, sondern als finanzpolitisch motivierte Ergänzung der Mobilisierung der ländlichen Wirtschaftsverfassung pro-
199 Reskript der Polizeideputation der Regierung zu Liegnitz vom 7. Nov. 1815, Die Bau-Polizei des Preußischen Staates, S.384: ·ausländische Maurer und Zimmerleule (haben sich) zum selbstständigen Gewerbs-Betrieb in den preuß. Staaten ... der Tüchtigkeits-Prüfung zu unterwerfen ... Doch ist nachzugeben beliebet worden, daß ... diejenigen Maurer und Zimmerleute des Auslandes, deren Geschiclclichkeit öffentlich anerkannt und durch völlig glaubhafte Atteste über die zweckmäßige Ausführung VOll Bauwerken größerer Art nachgewiesen ist, von der Ausführung der sogenannten Meisterbauten befreit werden dürfen .• 200 Reskript der Ministerien für Gew. und der Finanzen vom 12. Aug. 1837, Die Bau-Polizei des Preußischen Staates, S.385: ·Ueberhaupt ist auch aus der Bemerkung in dem R.v. 16. Sept. 1822, daß ausländische Bauhandwerku nur dann ohne Prüfung zugelassen werden können, wenn in dem Staate, aus welchem sie herüberziehen, eine ähnliche Prüfung besteht, wie diesseits, und sie darüber, solche bestanden zu haben, vortheilhafte Zeugnisse beibringen, nicht herzuleiten, daß auswärtige Bauhandwerku ... grundsätzlich von einer weiteren Prüfung zu dispensiren seien, sobald sie im Auslande bereits eine Staatsprüfung bestanden haben, indem es immer auf die Art des letzteren, sowie besonders darauf an/commt, ob diesseitigen Unterthanen in dem betreffenden auswärtigen Staate eine gleiche Erleichterung zu Theil werde. • 201 Insbesondere die Schornsteinfeger von Friesac1c bei Fehrbellin hatten in einer Eingabe vom 21. Juli 1811 darauf hingewiesen, daß eine Freigabe des Schomsteinfegerhandwerks zu einem Hilfskräftemangel führen müsse, der den einzelnen Schornsteinfeger an einer feuerpolizeilich ausreicl1enden Reinigung verhindern könne, K.v. Rohrscheidt, Vom Zunftzwange zur Gew.freiheit, S.474 f. 202 Instruktion zur Prüfung der Schornsteinfeger vom 11. Juni 1812 ad ßI Nr. I, Kamptz' Ann. 11 (1827), 3, S. 753. 24 Zi.kow
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
klamiert worden war. 203 Das Kemproblem blieb das Verhältnis von Stadt- und Landhandwerk. 204 Im Zuge der unbeschränkten Standortwahl orientierten sich zahlreiche Handwerker zum ländlichen Bereich mit seinen kostengünstigeren Produktionsmöglicbkeiten. 2°S Eine Konkurrenz dieser Gewerbetreibenden mit den städtischen Anbietern zu deren Lasten läßt sich allerdings nur regional in wenigen Lebensmittelgewerben feststellen. 206 Dagegen wiesen die meisten Berichte im günstigsten Fall auf eine Stagnation, häufiger jedoch auf eine Erhöhung der Preise hin. 207 Ein leistungsfähiges städtisches Handwerk, das zur Durchbrechung der zünftischen Marktbeherrschungsmechanismen in der Lage gewesen wäre, konnte sich gegen die Zunfthandwerker kaum durchsetzen. Die Einsicht, daß der Verzicht auf die vollständige Aufhebung der Zünfte die Realisierbarkeit der Gewerbefreiheit in den Städten stark beschränkte, griff Platz; die Einstufung der Zünfte als bloße Privatgesellschaften entzog dem Staat insbesondere jede Möglichkeit zur Einflußnahme auf die Aufnahmemodalitäten. 208 Erlaubte es das Institut der Gnadenmeisterschaft noch dem absolutistischen Landesherrn, die Zunft zur Aufnahme eines Bewerbers zu zwingen,209 so widersprach nunmehr Hardenberg der Auffassung des Finanzministers Bülow, daß die vom Gewerbepolizeigesetz geforderten Befähigungsnachweise das zünftische Meisterstück ersetzten210• Die Prüfungsinstruktionen für die Bauhandwerker stellten klar, daß zum obligatorischen oder fakultativen Eintritt in eine Zunft neben der staatlichen auch die zünftische Prüfung zu bestehen 203 Vgl. E. Klein, Von der Reform zur Restauration, S.U5; H. SteindI, Entfesselung der Arbeitskraft, S. 97, 101; Kap.4 11 1 u.2.
204
Vgl. W. Rust, Das F1ensburger BauHw., S.l80.
K.H. Kaufhold, Gew.freiheit u. gew.e Entwicklung. S.U3; K.v. Rohrscheidt, Vor- u. Rückblicke, S. 32; B. Vogel, Allgemeine Gew.freiheit, S. 200 f. 20S
206 Vgl. den Bericht des Berliner Polizeipräsidenten vom 10. Mai 1815 hinsichtlich der Bäcker und den Bericht des Breslauer Polizeipräsidenten vom 30. Nov. 1812 hinsichtlich der Fleischer, E. Klein, Von der Reform zur Restauration, S. 124 f. 207 Berichte des Stettiner Polizeidirektors vom 24. Aug. 1812 und 28. Feb. 1816, E. Klein, Von der Reform zur Restauration, S. 120; Berichte des Polizeidirektors von Brieg vom 4. Sept. 1812, 29. Mai 1814 und 12. Jan. 1815, I.c., S. 113; Berichte des Potsdamer Polizeidirektors, des Polizeidirektors von FrankfurtlO. vom 20. Nov. 1812, des Berliner Polizeipräsidenten vom 12.0kt. 1812 und des Breslauer Polizeipräsidenten vom 30. Nov. 1812, I.c., S.l23 ff. Vgl. aber die Berichte des Königsberger Polizeipräsidenten vom 14. Juni 1814, 27. Dez. 1814 und 27. Dez. 1815, I.c., S.120f.
208 Gutachten des Staatsrats Kunth vom 22. Nov. 1819, E. Klein, Von der Reform zur Restauration, S.112. F. Müller, Korporation u. Assoziation, S.234, spricht in diesem Zusammenhang vom Übergang von korporativen zu assoziativen Verbänden. Die Innung der Huf- und Waffenschmiede zu Brüssow etwa wirtschaftete noch bis 18S5 auf der Grundlage des Generalprivilegs von 1735, E. Ziemendorf, Das Huf- u. Waffen- Schmiede-Gewerk in Brüssow, S. 53.
209 Kap. 3 III 4. 210
H. Roehl, Beiträge zur Preussischen Hw.erpolitik, S. 165 ff.
III. Die Diskussion um Zunft oder Gewerbefreiheit
361
war. 2U Entsprechend der für ihre Einführung gegebenen Begründung wurde die Gewerbefreiheit nur als Mittel zur Bewältigung einer vorübergehenden Krise verstanden, nach deren Ende der frühere Zustand der Zünfte restituiert werden konnte. 212 Die zünftische Ausübung eines Handwerks blieb das Leitbild selbst für diejenigen selbständigen Handwerker, die die dazu erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllen konnten. 2u Außerhalb der Zünfte etablierten sich nur wenige Gewerbe1reibende;214 der Bericht des Berliner Polizeipräsidenten vom 10. Mai 1815 deutet an, in welchen Kreislauf etwa die mittellosen Patentschlächter gerieten, die wegen der Notwendigkeit niedriger Rohstoffpreise qualitativ nicht mit den zünftischen Meistem konkurrieren konnten 215. Eine Zunahme der Zahl der unzünftigen Gewerbe1reibenden findet sich neben den, die geringsten Qualifikationen erfordernden Bereichen des Kleinhandels, Schankund Unterhaltungsgewerbes insbesondere in solchen Handwerken, deren technische Anforderungen vergleichsweise schnell zu bewältigen waren. 216 Die 211 Instruktion betreffend die Prüfung der Zimmerer vom 28. Juni 1821 § 11, Kamptz' Ann.5 (1821), 3, S.592: "IeIler, welcher Meister werden wil~ hat sich vorher bei der Prüfungs-Kommission zu melden. Wo nach der besondem Provinzial-Verfassung die Gewinnung des zünftigen Meisterrechts zum selbständigen Betrieb des Zimmerhandwerks noch unbedingt erforderlich ist, verweist ihn die Kommission nach erfolgter Anmeldung an die Zunft, um bei dieser zuförderst zu kisten, was die Innungsartikel fordern. Auch ds, wo nach den geltenden Gesetzen zwar noch Zimmergewerke, jelloch nicht mehr mit ausschließlichen Berechtigungen bestehen, werden diejenigen zu gleichen Zwecken an die Zunft gewiesen, welche aus freier Wahl dss zünftige Meiste"echt erlongen wollen, worüber sich zu erlcliiren, ihnen bei der Anmeldung obliegt. In beiden Fällen wird der Prüfung, welche sodann die Zunft mit dem Aufzunehmenden vornimmt, ein Baubeamter als Sachverständiger, Seitens der Prüfungs-Kommission zugeordnet. "j ebenso die Instruktionen betreffend die Prüfungen der Maurer vom 28. Juni 1821 § 10, I.c., S.598, der Mühlenwerkverfertiger vom 28. Juni 1821 § 9, I.c., S. 604, und der Brunnen- und Rohrmacher vom 28. Juni 1821 § 10, I.c., S.615.
212 Eingabe des kombinierten Bäckcrgewerks zu Berlin vom 29. Juli 1814, K.v. Rohrscheidt, Voru. Rückblicke, S. 38 f.; Großmann, Ueber Gewerbfreiheit, S.75. Zur Motivierung der Reform Kap. 4112.
213 Gew.berichte des Potsdamer Polizeipräsidiums für 1812 und 1817, J. Bergmann, Das Zunftwesen nach der Einführung der Gew.freiheit, S. 152. 214 Berichte des Berliner Polizeipräsidiums von 1812, 1814 und 1817 sowie des Potsdamer Polizeipräsidiums von 1814, J. Bergmann, Das Zunftwescn nach der Einführung der Gew.freiheit, S.152; M. Botzenhart, Wandlungen der ständischen Gesellschaft, S. 65. 215 E. Klein, Von der Reform zur Restauration, S. 116: "Da ... (die Patentschlächter) unvermögend sind, so betreiben sie ihr Gewerbe nicht regelmäßig und können folglich mit den zünftigen Schliichtern nicht wetteifern, nllmentlich nur wohlfeiles Vieh kaufen, mithin kein ausgezeichnetes, gutes Fleisch feil bieten. In dieser Rücksicht kauft das Publikum lieber von den zünftigen Schläch-
tern."
216 Bericht des Potsdamer Polizeidirektors vom 6. Sept. 1812, E. Klein, Von der Reform zur Restauration, S.114: "Die Gewerbefreiheit außen ihre wohltätigen Folgen bis jetzt nicht so in die Augen springend ... Von einer Seite steht ihr der Zunftgeist mlJchtig wirkend entgegen: denn alle zünf tigen Meister bilden sozusagen eine Korporation, die sich fiir besser halt, in steter Entfernung von den unzünftigen, dss Gewerbe auf Gewerbescheine treibenden Personen lebt. ... Andererseits gibt
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
vom Berliner Magistrat im Jahre 1827 durchgeführte Erhebung über die Verhältnisse in den Berliner Zünften zeigt, daß dies gleichzeitig diejenigen Handwerke waren, in denen die Zahl der Gesellen im Verhältnis zu der der Meister relativ hoch war. 217 Die Klage des Polizeidirektors von Brieg, daß viele Gesellen sich ohne sichere Existenzgrundlage selbständig machten,218 war offenbar nicht gänzlich unberechtigt In den Regionen, in denen 1810 die Gewerbefreiheit eingeführt worden war, sank der Anteil der Gesellen an der Gesamtbevölkerung zwischen 1816 und 1822, obwohl gleichzeitig der Anteil der selbständigen Handwerker wie in den Gebieten, in denen bereits vor 1810 die Gewerbefreiheit oder noch nach 1810 die Zunftverfassung bestand, konstant blieb. 219 Bereits Schmoller hat darauf hingewiesen, daß der Handwerkeranteil von 1795/1803 bis 1831 nur um weniger als 0,4 % stieg. 220 Damit ist es zwar richtig, daß insgesamt die Gewerbefreiheit auf die zahlenmäßige Entwicklung des Handwerks kaum einen Einfluß hatte,221 jedoch erschwerten die geringen Betriebsgrößen eine Prosperität222• Jedenfalls in den genannten expandierenden Gewerben verschlechterte sich die Situation für den einzelnen Gewerbetreibenden;223 der Klagen über eine Verarmung der Handwerker waren nicht wenige 224•
es IWr wenige bargerlic~ Gewerbe, zu deren Betreibung ... ein Gewerbeschein tulChgesuclrJ worden, ohne zugleich das Meiste"eclrJ erlangt zu hoben. Unter tÜesen sind Tischler, Schuster, Schneider vornehmlich zu rechnen, wenngleich die Anzahl der Bierschänlcer, Hö~r, Trödler, Händler aller Art, Musici u.d.g. sich bedeutend vermehrt hat.•
217 I. Mieck, Preussische Gew.politik in Berlin, s. 55. In der Tabelle bei J. Bergmann, Das Zunftwesen nach der Einführung der Gew.freiheit, S.155 f., die dritte Gruppe. Das gleiche Bild ergibt für Breslau der von J.J.H. Ebers, Ueber Gew ..u. Gew.freiheit in Breslau, S.65 f., zwischen den Handwerkerzahlen von 1812 und denen von 1822 durchgeführte Vergleich.
218 Berichte vom 4. Sept. 1812, 29. Mai 1814 und 12. Jan. 1815, E. Klein, Von der Reform llIr Restauration, S. 113 f. 219 K..H. Kauthold, Gew.freiheit u. gew.e Entwicklung, S.105. 220 G. Schmoller, Zur Geschichte der dt. KleinGew., S. 52 ff.; llIr Entwicklung vgl. noch Büsch, Das Gew. in der Wirtschaft des Raumes Berlin / Brandenburg, S. 14 ff.
o.
221 Wolfram Fischer, Das dt. Hw., S. 698 ff.; F.-W. Henning, Die Einführung der Gew.freiheit, S.176; K..H. Kauthold, Das preußische Hw., S. 175 ff. Jedenfalls kann von einem Zurückweichen des Handwerks vor der Gewerbefreiheit, wie es L. Beutin, Das Bürgertum als Gesellschaftsstand, S. 146, annimmt, keine Rede sein. 222 J. Bergmann, Das Zunftwesen nach der Einführung der Gew.freiheit, S. 151; K..v. Rohrscheidt, Vor- u. Rückblicke, S. 26. 223 J. Bergmann, Das Zunftwesen nach der Einführung der Gew.freiheit, S. 151; vgl. R. Sonnemann / H.-R. Meißner, Einige rechtshistorische Aspekte, S. 87. 224 Vgl. nur den Bericht des Berliner Magistrats vom 26. Nov. 1816, E. Klein, Von der Reform zur Restauration, S. 118. Allerdings stieg etwa zwischen 1830 und 1831 die Gesamtsumme der Gewerbesteuerzahlungen, C.W. Ferber, Neue Beiträge llIr Kenntniß, S. 147 ff.; vgl. noch dens., Beiträge llIr Kenntniß, pass.
III. Die Diskussion um Zunft oder Gewerbefreiheit
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Für die Unzünftigen war es besonders schwierig, Lehrlinge und Gesellen zu finden. Wegen der Bedeutung der zünftischen Ausbildung für das weitere Fortkommen der Ausgebildeten gab selbst das staatliche Militärwaisenhaus seine Zöglinge wenn möglich bei einem Zunftmeister in die Lehre. 22S Obwohl sich die Zahl der in Berlin unzünftig ausgelernten und mit einem polizeilich beglaubigten Lehrzeugnis versehenen Lehrlinge von 13 im Jahre 1819 über 16 1820 bis auf 28 im Jahre 1821 mehr als verdoppelt hatte, bemängelte noch 1825 J.G. Hoffmann die Unterversorgung der Patentmeister mit Lehrlingen. 226 Während der eigentliche handwerkliche Ausbildungsweg weitgehend intakt blieb 227 und das Handwerk sogar im Rahmen des Industrialisierungsprozesses die Ausbildung eines beträchtlichen Teils des industriellen Nachwuchses leistete 228, mutete umgekehrt die Lehrlingsausbildung in der Fabrik als unmöglich an 229• Die Gefahr, daß sich außerhalb des tradierten Ausbildungsgangs un- oder angelernte Hilfskräfte selbständig machten, erschien groß.230 Weit über den Kreis der Zunfthandwerker hinaus wurde in der Öffentlichkeit eine Schädigung der Konsumenten durch unqualifizierte Handwerker befürchtet 231 Die Vertreter der Bürgerschaft zu Prenzlau forderten am 11. Dez. 1819, "daß die Ertheilung der Gewerbescheine mehr als bisher beschränkt und keinem ein solcher ertheilt werden möchte, der ein Gewerbe nicht gehörig erlernt und über seine Geschicklichkeit dazu sich ausgewiesen OOt".232
22S Anfrage des Potsdamschen Großen Militair-Waisenhauses an Finanzminister Bülow zwischen 1818 -1837, J. Bergmann, Das Berliner Hw., S. 334 f.: ·Obgleich ... der Zweck, die Zöglinge der Anstalt nach beendigten Lehrjahren zu ihrem lcünftigen Fortkommen ein Handwerk lernen zu lassen, auch dann e"eicht wird, wenn se/bige bei PatenJmeistern in die Lehre gegeben werden, so scheint es doch mit einigem Nachtheil für sie verknüpft, wenn sie nicht förmlich zum Gesellen losgesprochen worden sind, indem die Meister den zünftigen Gesellen höchstwahrscheinlich den Vorzug geben dürften, wie auch auf Wanderungen besonders im Auslande nicht diejenigen Benefizien genießen möchten, die herkömmlich bei den Zünften eingeführt sind. Die Militair-Waisenhaus-Administration zu Potsdam wurde daher unterm 21ten November 1818 angewiesen, die WaisenhausZöglinge, soweit es sich nur irgend thun Iiißt, bei Zunftmeistem unterzubringen.• 226 J. Bergmann, Das Zunftwesen nach der Einführung der Gew.freiheit, S.152 f. Zu J.G. Hoffmann Kap. 4 11. 227
H. Kaiser, Hw. u. Kleinstadt, S. 299.
228
E. Biedermann, Strukturelle Änderungen des Hw.s., S. 95.
229
K. Abraham, Wie hat das beginnende 19. Jh. die gew.e Berufserziehung gesehen?, S. 339.
230 K. Abraham, Der Strukturwandel im Hw., S.66 f.; vgI. Die geschichtliche Entwicklung der Hw.slehre, S. 60 f. 231 VgI. nur die Berichte des Brieger Polizeidirektors vom 4. Sept. 1812, 29. Mai 1814 und 12. Jan. 1815 sowie des Polizeidirektors von Brandenburg vom 16. Ob. 1812, E. Klein, Von der Reform zur Restauration, S. 113 ff. 232
E. Schwartz, Der HandeIsstand in Prenzlau, S. 94.
364 Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund Zentrales Anliegen der Gegner der Gewerbefreiheit blieb die Restitution einer zeitgemäß reformierten Zunftverfassung, "denn daß Mancher oft treibt, was er nicht versteht, ist für ihn und andere schädlich, daher die Zunftverfassung, wenn sie gereinigt von so manchen schädlichen Mißbräuchen, und dem jetzigen Zeitgeist anpaßlich gemacht wird, ... immer sehr wünschenswert" erschien 233• Besonderes Aufsehen erregte die dem König eingereichte Denkschrift des Berliner Stadtrats Chrlstoph Karl Dracke vom 13. Apr. 1818, der auf die Verbindung von Gewerbe- und Staatsverfassung hinwies 234• Auch er betonte die erzieherische Funktion der Zunft und ihres Ausbildungswesens, unter welcher "die Existenz eines Jeden, der Erwerb und die Erhaltung der Familien sicherer begründet war, mehr innerer Wohlstand überall he"schte, bessere, strengere Sitten und Betragen zwischen Brotherrn und Diener, zwischen Lehrherrn und Lernenden walteten, unbedingter die Befehle der vollziehenden Gewalt befolgt und allgemeiner und größer die Achtung gegen- und untereinander war"23S; die nachteiligen Folgen der Gewerbefreiheit sah er durch das Ansteigen der in der Stadtvogtei Inhaftierten und der Armenunterstützung zwischen 1805 und 1817 belegt236• Die Quintessenz der Vorschläge war die Wiedereinführung von Pflichtinnungen mit Lehr- und PlÜfungszwang. 237 Nochmals faßte der Berliner Polizeiassessor Johann Friedrich Ziegler in einer 1819 erschienenen Schrift die Vorbehalte gegen die Gewerbefreiheit zusammen: Da sie keine der ihr zugeschriebenen Vorteile habe verwirklichen können, überwögen ihre Nachteile bei weitem. So sei die Existenzgewährleistung aufgehoben und die Qualität der Produkte schlechter geworden, hätten doch auch die gut ausgebildeten Handwerker zur Erhaltung ihrer Konkurrenzfähigkeit die Produktionskosten senken müssen; real seien die Waren daher teurer geworden. Der Mangel in der Ausbildung qualifizierter Handwerker
233 Bericht des Brandenburger Polizeidirektors vom 1. Juli 1814, E. Klein, Von der Reform zur Restauration, S. 116. 234 Denkschrift des Berliner Stadtraths Dracke, S.176: "Können mchl alle Bürger ein Grundeigenthum besitzen, so betrachlet doch der Lehrling, der Gesel~ der Meister sein IUlch geregelter Form erlerntes und eingerichtetes Gewerbe als ein Eigenthum und mmmt, da nur er, und Keiner, welcher meht gleich ihm, solches in geregelter Form erlernt hat, zu betreiben berechtigt ist, Theil an den öffentlichen Angelegenheiten, fürchtet Gefahr des Krieges, vertheidigt mit Gut und Leben Thron und Vaterland, fürchtend, Verfassung und Siclaerlaeit des erworbenen Eigenthums (Sicherheit des Gewerbes und seines Erwerbes) zu verlieren."j die Denkschrift ist auch gedruckt bei K.v. Rohrscheidt, Vor- u. Rückblicke, S. 40 ff.
23S
Denkschrift des Berliner Stadtraths Dracke, S. 172.
236
Denkschrift des Berliner Stadtraths Dracke, S. 177.
237
Denkschrift des Berliner Stadtraths Dracke, S. 180.
111. Die Diskussion um Zunft oder Gewerbefreiheit
365
liege auf der Hand. Abhilfe könne nur ein an die Erfordernisse der Zeit angepaßtes Zunftwesen schaffen. 238 Das Gesetz wegen Entrichtung der Gewerbesteuer vom 30. Mai 1820239 ließ die Entscheidung über die künftige Gewerbeverfassung offen und wies sie einer zu unternehmenden Gesetzesrevision zu (§ 37lita). Mit der den Klagen des Handwerks über seine wirtschaftliche Situation Rechnung tragenden Steuerreform 240 verbunden war eine Änderung des Zulassungsverfahrens. An die Stelle der jährlich zu lösenden Gewerbescheine, die allein noch für den Gewerbebetrieb im Umherziehen gefordert wurden (§ 20), trat die Anzeige vor Beginn oder Beendigung der Gewerbeausübung an die zuständige Kommunalbehörde (§ 19). Entsprechend war die Gewerbesteuer nicht mehr die grundsätzlich von jedem Gewerbetreibenden zu entrichtende Abgabe für die Erteilung der Gewerbeerlaubnis, sondern eine ausnahmsweise bestimmten Betrieben auferlegte Belastung. 241 Der Gewerbesteuerptlicht unterfielen lediglich der Handel, das Gaststättengewerbe, die Warenproduktion für den Markt, der Betrieb von Handwerken mit mehreren Gehilfen und von Mühlenwerken sowie die Gewerbe der Schiffer, Fracht- und Lohnfuhrleute, Pferdeverleiher und im Umherziehen (§ 2). Handwerker, die neben weiblichen Hausgenossen und eigenen Kindern unter 15 Jahren höchstens einen Gesellen und einen Lehrling beschäftigten und kein ständiges Warenlager unterhielten, blieben gewerbesteuerfrei (§ 12). 2. Die Gewerbefrage als gesamtdeutsches Problem
Die Reaktionen auf die Gewerbefreiheit in Preußen waren bald eingebettet in eine sich über den gesamten deutschsprachigen Raum erstreckende Diskussion. Deren Kristallisationspunkt blieb die Entwicklung der sozialen Lage des Handwerks. Wie sich die sozio-ökonomische Lage der im Handwerk Tätigen in den ersten beiden Dritteln des 19. Jhs. darstellte läßt sich im Gesamtüberblick nur skizzenhaft erfassen. Zwar liegen umfassende Studien zur Lohnentwicklung im handwerklichen Bereich vor 242, jedoch hat Gerhard deutlich gemacht, daß ihre Aussagekraft selbst in der lebenshaltungsbezogenen Form des Korn238
J.F. Ziegler, Ueber Gew.freiheit u. deren Folgen, bes. S. 9 CC., 4S Cf., 60 Cf., 88 Cf.
239
PrGS 1820, S.147.
240
Vgl. dazu B. Voge~ Allgemeine Gew.freiheit, S.183.
H. Roeh~ Beiträge 2lI den Folgen der absoluten Gew.freiheit, S.77. Zur entgegengesetzten Bewertung durch das Gew.steueredikt von 1810 Kap. 411 2a. 241
242
Vgl. nur H.-J. Gerhard, Löhne im vor- u. frühindustriellen Deutschland, pass.
366
Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
lohnes sehr gering ist243. Die von ihm konzipierte Erfassung der Lebensumstände und Lebensqualität in festgelegten Indikatoren U4 ist allerdings noch nicht durchgefiihrt worden. Legt man in Ermangelung anderer Maßstäbe das gängige Komäquivalent zugrunde, so ergeben sich weitgehende Übereinstimmungen zwischen verschiedenen Städten. Sowohl in Lüneburg, Celle und Göttingen als auch in Chemnitz , Warmbrunn, Leipzig und Emden stiegen die Realeinkommen gegenüber dem Tiefststand zu Beginn des 19. Jhs. bis in die Mitte von dessen dreissiger Jahren sprunghaft an, um dann bis über die Mitte des Jahrhunderts hinaus wieder zu fallen. 24S Die von U. Ludwig fiir Göttingen anband der Steuerleistung festgestellte Konstanz der wirtschaftlichen Verhältnisse der Handwerker zwischen 1829 und 1861 246 widerspricht dem nicht, da sich die Einkommenssituation der Kleingewerbetreibenden nach der Jahrhundertmitte allmählich wieder besserte 247. Die Absatzkrise der Landwirtschaft in den zwanziger Jahren beschleunigte möglicherweise den Prozeß des Eindringens des Landhandwerks in den städtischen Markt. 248 Hatte schon die extreme Expansionsperiode seit dem Ende der dreissiger Jahre zur Notlage zahlreicher Handwerker geführt,249 so schwächte die Agrarkrise seit 1845 die Kaufkraft weiter und führte zu einem katastrophalen Rückschlag 2So• Am Ende der vierziger Jahre befand sich das Handwerk in einer tiefen Krise. 2S1 Während das sog. industrialisierte Handwerk als mittelständische Elite von technischem Fortschritt sowie staatlicher Gewerbefcirderung profitierte und sich im Zuge der 243 244 245
H.-J. Gerhard, Quantitative u. qualitative Aspekte von Hw.ereinkommen, S. 69 Cf. H.-J. Gerhard, Quantitative u. qualitative Aspekte von Hw.ereinkommen, S. 74 Cf.
K. Aßmann, Zustand u. Entwicklung des städtischen Hw.s, S. 53; W. Conze, Sozialgeschichte 1800 -1850, S. 441 f.; K.H. Kauthold, Hw. u. Industrie 1800 -1850, S.346 f.; D. Saalfeld, Hw.seinkommen in Deutschland, S. 91. Zu den Gründen des Einkommensverlusts um die Wende vom 18. zum 19. Jh. K.H. Kaufhold, Umfang u. Gliederung des dt. Hw.s um 1800, S. 60 Cf.; zu seinen sozialen Folgen vgI. J. Schildhauer, Gesellen- u. Tagelöhnererhebungen, S. 1256 Cf.; zum Verhältnis zwischen Handwerker- und Volkszalll am Ende des 18. Jhs. vgI. Materialien für das Hw.srecht u. die Hw.spolizey 4, S.l ff. Zur gleichartigen Preis- und Lohnentwicklung verschiedener Regionen im langfristigen Vergleich der beginnenden Industrialisierung D. Saalfeld, Methodische Darlegungen zur Einkommensentwicklung, S. 234. 246
U. Ludwig, Die soziale Lage u. soziale Organisation des K1einGew.s in Gättingen, S. 273 ff.
247 248
VgI. W. Conze, Sozialgeschichte 1850-1918, S. 616 f.
249
H.-U. Wehler, 01. Gesel\schaftsgeschichte 2, S. 57 f.
VgI. W. Abe\, Der Pauperismus in Deutschland, S.43 f.; K.H. Kaufhold, Wandlungen in den Stadt-Land-Beziehungen des Hw.s, S. 178 ff. H.-U. Wehler, Dt. Gesel\schaftsgeschichte 2, S. 641 Cf. Eingehend zu den Ursachen der vorindustriellen Handwerksarmut K. Aßmann I G. Stavenhagen, Hw.ereinkommen am Vorabend der industriellen Revolution, S. 73 Cf. 2S0
2S1 E. Gros, Der Lebensraum des dt. Hw.s, S.17; K.H. Kaufhold, Zur wirtschaftlichen Situation des preußischen Gew.s, S. 275 ff.
ßI. Die Diskussion um Zunft oder Gewerbefreiheit
367
Beseitigung von Handelshemmnissen durch die Errichtung des Deutschen Zollvereins neue Absatzmärkte erschließen konnte,252 fielen am anderen Ende der Mittelstandsskala zahlreiche Kleinbetriebe der von Marquardt formulierten Polarisierungsdynamik zum Opfer253. Insbesondere unter den Angehörigen der Massenhandwerke der Schneider, Tuchmacher, Schuhmacher und Tischler schritt die Pauperisierung und Proletarisierung fort,254 worauf auch die Entwicklung der Handwerkerbünde und Arbeitervereine hinweist25s. Für viele Handwerker stand der Möglichkeit, eine besserbezahlte, aber unselbständige Arbeit anzunehmen, das tradierte Selbstverständnis entgegen. 256 Neuere For252 Vgl. etwa A. J. MacLachlan, Der Übergang vom Hw.er zum Unternehmer, S. 146 ff. Zur Bedeutung der Zolleinigung für das technisch fortgeschrittene Handwerk J.C. Glaser, Der Gewerbfleiß u. der Handel des dt. Zollvereins, pass; H.-W. Hahn, Wirtschaftliche Integration, S. 163; S. Widmer, Kirchheim unter Teck zwischen Hw. u. Industrie, S.48; zur IneffIZienz des Zollvereins auf dem Gebiet des Gewerberechts E. Wadle, Der Zollverein u. die dt. Rechtseinheit, S. 122 ff. Zur Gewerbeförderung I. Mieck, Preussische Gew.politilt in Berlin, S. 29 ff. Zum Strukturwandel im Handwerk P. Ay~berry, Der Strukturwandel im Kölner Mittelstand, S. 78 ff.; J. Ehmer, Entwicklungsbedingungen des Hw.s, S. 168 ff.; ders., Ökonomischer u. sozialer Strukturwandel im Wiener Hw., S. 78 ff.; W. Fischer, Das dt. Hw. in den Frühphasen der Industrialisierung, S. 697 ff.; R.H. Paulus, Strukturwandlungen der gew.en Wirtschaft Erlangens, S. 207 ff. Zum Erfmdungs- und Unternehmensgeist der industrialisierten Handwerker R. Stadelmann ,W. Fischer, Die Bildungswelt des dt. Hw.ers, S. 235 ff. Zu den Gründen des Unternehmenswachstums im Handwerk K.-H. Schmidt, Bestimmungsgründe u. Formen des Unternehmenswachstums im Hw., S. 263 ff. Nach H. Kaelble, Sozialer Aufstieg in Deutschland, S. 52, rekrutierten sich in den ersten beiden Dritteln des 19. Jhs 23 % der Unternehmer aus Handwerkern, Kleinhändlern und Gastwirten. Zur beginnenden Industrialisierung M. Scale, Zur Entwicklung von Hw. u. Industrie, S. 203 ff. Zur Rolle der Unternehmer beim Unternehmensaufbau K. Aßmann, Verlag-Manufaktur-Fabrilt, S. 235 f. Zur Bildung von Großunternehmen H. Poh~ Zur Entwicklung der Formen der Betriebs- u. Unternehmensorganisation, S.104 ff. Zur Entwicklung der einzelnen Großgewerbe H. Milz, Das Kölner GrossGew., S. 26 ff. Zur gewandelten Wirtschaftsstruktur einzelner Gebiete O. Büsch, Industrialisierung u. Gew. im Raum Berlin 'Brandenburg, S. 56 ff.; F.-W. Henning, Die Wirtschaftsstruktur mitteleuropäischer Gebiete, S. 101 ff.; W. Zorn, Die wirtschaftliche Struktur der Rheinprovinz, S. 289 ff.; ders., Eine Wirtschaftskarte Deutschlands, S. 344 ff. Zur Rolle des Landhandwerks K.H. Kaufhold, Gew. u. ländliche Nebentätigkeiten im Gebiet des heutigen Niedersachsen, S. 174 ff.; L. Nipp, Landwirtschaftlicher Nebenerwerb, S. 153 ff. 253 F.D. Marquardt, Sozialer Aufstieg, S. 69 ff.; vgl. auch R. Reith' R. Wirtz, Familienkonflikte in historischer Perspektive, S. 149; A. Steinkamp, Die wirtschaftliche Lage des Hw.s in Bückeburg u. Stadthagen, S. 145 f. 254 D. Bergmann, Die Berliner Arbeiterschaft, S.461 ff.; D. Saalfeld, Hw.seinkommen in Deutschland, S. 119; W. Sachse, Lebensverhältnisse u. Lebensgestaltung der Unterschicht in Göttingen, S. 32. Vgl. noch J. Brockstedt, Familiengröße u. Wohnsituation von Hw.ern u. Arbeitern in Kiel, S. 138 ff G. Liebchen, Zu den Lebensbedingungen der unteren Schichten im Berlin des Vormärz, S. 270 ff. 25S Grundlegend E. Schraepler, Hw.erbünde u. Arbeitervereine, pass. Vgl. weiterhin L. Heid, Von der Zunft zur Arbeiterparte~ S. 17 ff.; W. Koeppen, Die Anfänge der Arbeiter- u. Gesellenbewegung in Franken, S.18 ff.; F. Lenger, Städtische Hw.er u. frühe Arbeiterbewegung, S. 36 ff.; ders., Die hw.e Phase der Arbeiterbewegung, S. 232 ff.; D.H. Müller, Binnenstruktur u. Selbstverständnis der "Gesellenschaft", S. 627 ff.; C.-D. Storm, Verfolgt u. geächtet, S.17 ff.; H.- U. Thamer, Arbeit u. Solidarität, S. 469 ff.
256
G. Schildt, Tagelöhner, Gesellen, Arbeiter, S. 183.
368
Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
schungen haben erwiesen, daß der Sockel der verannten oder in eine verlegerische Abhängigkeit geratenen Handwerker beträchtlich war. 2S7 Noch schwieriger war die Lage der Gesellen, die wegen der geringen Aussicht auf wirtschaftliche Selbständigkeit unter starkem Konkurrenzdruck standen, wobei ihnen ein Ausweichen in die Fabrikarbeit durch das konkurrenzlos niedrige Lohnniveau der ungelernten Atbeiter meist verschlossen war. 2S8 Die gesamtwirtschaftlichen Schwankungen änderten das Verhältnis zwischen dem selbständigen Handwerker und seinen Beschäftigten; die Auflösung der Hausgemeinschaft als Mikrokosmos war nur Ausdruck der Dekorporierung der Gesellschaft als Ganzes in den Jahrzehnten des Vonnärzes. 2S9 Die Beschränkung des Anstaltsstaats auf Belange der Sicherheitskontrolle unter Verzicht auf den Einsatz des Normsetzungsinstrumentariums für die Steuerung gesellschaftlicher Prozesse führte im Auseinandertreten von Staat und Gesellschaft zur Eigendynamik der freien WirtschaftsgeseIlschaft, 260 ohne daß die bürgerliche Gesellschaft etwa von einer Präponderanz des Wirtschaftsliberalismus ausgegangen wäre261 • a) DerStaruJ der Erörterungen im Vormärz
Die Diskussion um Zunftverfassung und Gewetbefreiheit sowie insbesondere die Unabhängigkeit dieser Etikettierung für die jeweils zugrundeliegende 2S7 K Aßmann, Zustand u. Entwicklung des städtischen Hw.s, S. 247 ff.; J. Bergmann, Das Berliner Hw., S. 257 ff.; F. Lenger, Zwischen Kleinbürgertum u. Proletariat, S. 36 ff.; ders., Polarisierung u. Verlag, S. 127 ff.; W. Sachse, Vom Hw.er zum Arbeiter, S. 181. So bereits J. Böhm, Vermochte das Zunftwesen den Hw.ern während der Umwälzung der Wirtschaftsverhältnisse Deutschlands im 19. Jh. eine auskömmliche Existenz zu gewährleisten?, S. 15 ff. 2S8 G. Schwarz, "Nahrungsstand" u. "erzwungener Gesellenstand" S.I40 ff.; M. Stürmer, Der Untergang des Alten Hw.s, S. 57 ff. Zur Lage der WandergeseIlen C.T. Perthes, Das Herbergswesen der Hw.sgesellen, S. 18 ff. Zur sozialen Sicherung der Gesellen W. Reininghaus, Die Unterstützungskassen der Hw.sgesellen u. Fabrikarbeiter, S. 134 ff. 2S9 Zur Konjunkturbedingtheit sozialer Umschichtungen im Handwerk P. Ay~berry, Probleme der Sozialschichtung in Köln, S. 521 ff.; zur Auflösung der Hausgemeinschaft K Abraham, Der Strukturwandel im Hw., S. 66 f.; zur Dekorporierung vor 1848 W. Conze, Das Spannungsfeld von Staat u. Gesellschaft, S. 248. 260 Vgl. W. Conze, Das Spannungsfeld von Staat u. Gesellschaft, S. 218; R. Koselleck, Staat u. Gesellschaft in Preußen, S. 101; W.R. Lee, Economic development and the state, S. 346 ff.; B. Losch, Gew.freiheit u. Gew.polizeirecht, S.l72. Zur Entwicklung der Normsetzungslehre E.-W. Böckenförde, Gesetz u. gesetzgebende Gewalt, S. 65 ff.
261 R. Koch, "Industriesystem" oder "bürgerliche Gesellschaft", S.619; vgl. dazu noch L Gall, Liberalismus u. "bürgerliche Gesellschaft", S. 324 ff.; H. Sleindl, Überlegungen zum Verhältnis von Privatrecht, Gew.freiheit u. Industrialisierung, S. 76 ff. Für die katholische Soziallehre war das wirtschaftsliberale Prinzip nichtsdestoweniger ein Auslöser der sozialen Krise des Kleingewerbes, KH. Grenner, Wirtschaftsliberalismus u. katholisches Denken, S. 112 ff.; A. Schwarz, Die Hw.erfrage in den katholischen Zeitschriften, S. 29 ff.
III. Die Diskussion um Zunft oder Gewerbefreiheit
369
Argumentationsstruktur in der ersten Hälfte des 19. Jhs. ist bereits von Franck gewürdigt worden. 262 Im folgenden wird daher auf eine Chronologie der Erörterungen verzichtet und nur eine Analyse der tragenden Gesichtspunkte unter Ergänzung der von Franck nicht berücksichtigten Literatur versucht. Die Gegner der Gewerbefreiheit hielten ganz überwiegend an dem überkommenen Konzept fest, die Gewerbeverfassung auf ein von seinen Mißbräuchen befreites Zunftwesen zu gründen;261 teilweise wurde sogar die Existenz von Mißbräuchen überhaupt geleugnet264• Bereits die früheste Stimme dieser Ausrichtung wies auf den engen Zusammenhang von Staats- und Zunftentstehung hin. 26S Allein die Zunftverfassung entspreche dem Wesen des deutschen Geistes, während in der Gewerbefreiheit der ''Lügengeist der Welschen" inkarniert sei. 266 Die Förderung des Bürger- und Gemeinsinns durch die Zünfte sei eine Stütze der monarchischen Legitimität, wohingegen die Gewerbefreiheit in der Konfrontation der Egoismen jede Lebensform zerstöre und der moralischen Verrohung zuarbeite. 267 Die Beseitigung der Zünfte stelle daher den Anfang der Umwälzung des Staatswesens dar. 268 Insbesondere habe die Zunftverfassung 262 H.-P. Franck, Zunftwesen u. Gew.freiheit, bes. S. 57 Cf. zur Unsicherheit des Begriffsapparates. 263 Anonymus, Ueber unbeschränkte Gew.freiheit, S.42 Cf.; Anonymus, Innungswesen, Sp. 733 ff.; Anonymus, Reorganisazion des Zunftwesens durch die Geset7gebung, S. 146; Anonymus, Das Wesen der Zünfte in Deutschland, S. 611 f.; A.v. Chappuis, Die unbedingte Gew.freiheit, S. 20; J. Eckell, Bringt das Innungs- oder Zunftwesen Nutzen oder Nachtheil?, Sp. 748; g, Einige Ansichten des dt. Innungswesens, Sp. 1491; h, Zunftwesen u. Gewerbfreyheit, Sp.1377f.; Kremmer, Auch Etwas über die Organisation der Zunftverfassung, S.234; J.D. Merbach, Theorie des Zunftzwangs, S. 244 ff.; A. Müller, Die Gew.-Polizey in Beziehung auf den Landbau, S. 5 Cf.; d.R., Ueber Gew.freyheit, Sp. 1209 f.; F.W. Schubert, Historische Ansichten von dem Einfluß des Zunftwesens, S. 540 f.; E.F. Voge~ Historisch-juristisches Gutachten, S. 85 f.; J.A. Weiß, Ueber das Zunftwesen, S.307 Cf. Zur Haltung Adam Müllers vgl. P. Sundhausen, Die Gew.befreiung in Preussen, S. 67 ff. 264
J. Eckell, Ueber die Verhältnisse der Gewerbtreibenden, Sp. 464.
W.L. Medicus, Einige Vorschläge zur neuen Einrichtung des Zunftwesens, S.392 Anm. A. Das Alter der Zünfte als Argument für ihr Fortbestehen führt auch F.G. Wieck, Ueber die Opposizion gegen die Zünfte, S. 145, an. 26S
266 Anonymus, Ueber Zünfte u. Innungen, S. 65; W.v. Schütz, Die verschiedenartigen Wirkungen der freien Concurrenz, S. 464 ff. 267 Anonymus, Ueber den Einfluß der Korporazionen, S.409; L Blesson, Ueber Gewerks-O.en, S. 6; g, Einige Ansichten des dt. Innungswesens, Sp.1496 f.; Justus, Die Innungen oder freie Concurrenz, Sp. 4650 f.; C.T. Kleinschrod, Beiträge zu einer dt. Gew.O., S. 114; P.L. Mare'chaux, Betrachtungen über das iltere u. neuere Handels- u. Gew.wesen, Sp. 378 ff.; F. Oesterley, Ist es rathsam die Zunftverfassung aufzuheben?, S. 88 ff., 113 ff.; PJ.v. Rehfues, Ueber das Zunft-Wesen, S.l ff.; K.v. Rotteck, Schutzrede für die Zunftverfassung, S. 370 f.; H. Schultz, Nazionalwirthschaftliche Fragmente, S. 43; ders., Und noch etwas über Gew.freiheit, S. 82.
268 Anonymus, Ueber die Gefahr einer socialen Revolution, S. 759; J. Eckell, Ueber das Zunftwesen, Sp.2054; M. May, Zunftwesen u. Gewerbfreiheit, Sp.1712; H. Schulz, Die Folgen der Ge-
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
jedem Handwerker seinen Lebensunterhalt gesichert;269 selbst wenn das Prinzip der freien Konkurrenz national ökonomisch sinnvoll sein sollte, dürfe der Staat die Familien der Erfolglosen nicht der Verarmung preisgeben 27o• Eine Folge der Gewerbefreiheit sei dagegen die Übersetzung und Verarmung des Handwerkerstandes;271 Bedeutung erlangte diese Behauptung vornehmlich durch ihre Wiederholung in einer vom Berliner Magistrat herausgegebenen amtlichen Statistik272• Zur Abhilfe wurde zuweilen empfohlen, die Zahl der selbständigen Handwerker zu limitieren. 273 Den den Handwerkern aus der Gewerbefreiheit erwachsenden Nachteilen korrespondiere nicht einmal ein Vorteil für den Konsumenten, da die Armut innovationsfeindlich sei 274, die Qualität der Produkte sinke27S und mit den Qualitätsverlusten zumindest verdeckte Preissteigerungen verbunden seien276• Teilweise wurde eine obrigkeitliche Gewerbeleitung zur Durchsetzung der Zwecke des Zunftwesens empfohlen. 277 werbfreyheit, Sp.ll92; W.P.P., Prüfende Bemerkungen über Zunftzwang u. Freyheit der Gew., Sp. 4565; vgJ. dazu H.·P. Franck, Zunftwesen u. Gew.freiheit, S.ll8 ff. 269 F.v. Köpken, Vertheidigung des Zunftwesens, Sp.342; PL Mare'chaux, Betrachtungen über das ältere u. neuere Handels- u. Gew.wesen, Sp. 392 ff.; F. Oesterley, Ist es ratbsam die Zunftverfassung aufzuheben?, S. 4 ff.; J.N. Freiherr v. Pelkhoven, Ueber die Gew. in Baiem, S. 129. 270 g, Einige Ansichten des dt. Innungswesens, Sp.1492; W.P.P., Prüfende Bemerkungen über Zunftzwang u. Freyheit der Gew., Sp. 4563 ff. 271 H. Albrecht, Unsere ehemalige Zunft- u. Innungs-Verfassung, S. 57 Cf.; Anonymus, Bemerkungen über die Ursachen der Verarmung, Sp.3589; C. Bürchner, Haben Ansiedlungen u. Gewerbsfreiheit wohlthätigen oder nachtheiligen Einfluß auf des Landes Wohl?, S.8; J. Eckell, Abweisung eines Angriffs auf das Zunftwesen, Sp. 1848 f.; H. Gysi-Schinz, Das Zunft- u. Innungwesen, S. 73; Justus, Die Innungen oder freie Concurrenz, Sp. 4651 f.; m, Auch etwas über Zunftwesen u. Gewerbfreyheit, Sp.1785 ff.; M. May, Ueber das Innungswesen, S.12 ff.; F. Oesterley, Ist es ratbsam die Zunftverfassung aufzuheben?, S. 93 ff., 101 ff.; J.AP., Die Kehrseite der Gewerbsfreiheit, S.19 ff.; vgJ. dazu H.P. Franck, Zunftwesen u. Gew.freiheit, S. 233 ff.
272 Statistische Uebersicht von der gestiegenen Bevölkerung der Haupt- und Residenz-Stadt Berlin, S. 32 f., 43; dagegen Anonymus, Die Gew.freiheit ist keine der Ursachen, S. 1 ff.; Anonymus, Ueber die vom Magistrat angegebenen Ursachen, S. 81, 90 ff.; F.A Benedict, Etwas über Gewerbfreyheit, Sp. 3077; D.R., Noch einige Bemerkungen über die Gewerblichkeit, S.409; F. Schmidt, Berlin's Armenwesen ist kein Argument, S. 284 ff. VgJ. dazu H.P. Franck, Zunftwesen u. Gew.freiheit, S. 241 ff.
273 Anonymus, Bemerkungen über die Ursachen der Verarmung, Sp. 3757; Anonymus, Geschlossene Güter u. Zunftwesen, S. 419; FJ.B. Tenzel, Wie kann in Deutschland die Zunftverfassung am zweckmässigsten modificirt werden ...?, S. 153 ff. Zur Schließung der Zünfte Kap. 2 III 2b bb. 274
F.W., Gew.zwang oder. Gew.freiheit?, S. 627.
Anonymus, Ueber Gew.freyheit u. Zunftzwang, Sp. 1526 f.; Anonymus, Herzlicher Wunsch, Sp.1097; Av. Chappuis, Die unbedingte Gew.freiheit, S.10; H. Gysi-Schinz, Das Zunft- u. Innungswesen, S. 85; Kremmer, Auch Etwas über die Organisation der Zunftverfassung, S. 233; P.L. Mare'chaux, Betrachtungen über das ältere u. neuere Handels- u. Gew.wesen, Sp.427; JA.P., Die Kehrseite der Gewerbsfreiheit, S. 12 f. 27S
276 H. Albrecht, Unsere ehemalige Zunft- u. Innungs-Verfassung, S. 93 ff.; Anonymus, Ueber Gew.wesen, Gewerbsfreiheit u. Ansäßigmachung, S. 4; Anonymus, Einige Sätze in Beziehung auf Gewerbfreyheit, Sp. 2262; L. Blesson, Ueber Gewerks-O.en u. Gew.-Freiheit, S. 20 f.; G.A. Dätzl,
III. Die Diskussion um Zunft oder Gewerbefreiheit
371
Die Gegner der Zunftverfassung befürworteten einen schrittweisen Übergang zur Gewerbefreiheil 278 Auch eine Restitution der Zünfte könne die Krise als eine alle Stände erfassende allgemeine Zeiterscheinung nicht beheben. 279 Allein schon die über Jahrhunderte geübten Mißbräuche des Zunftwesens ließen dessen Abschaffung ratsam erscheinen. 280 Da das Gesamtwohl nur aus dem Wohl der Individuen resultieren könne, verletze das Zunftwesen nicht nur das natürliche Recht des Menschen auf den freien Gebrauch seiner Kräfte 251, sondern hemme gleichzeitig die Entfaltung der nationalwirtschaftlichen Dynamik zur Hebung des Volkswohlstandes. 2S2 Produzenten minderwertiger Waren würden durch den Verlust ihrer Kunden vom Markt verdrängl 253 Im übrigen sei die Herstellung unzureichender Fabrikate weniger die Schuld der Handwerker als vielmehr des Publikums, das diese Produkte kaufe. 284 Dem Konsumenten komme die Verbilligung der Waren gegenüber dem hohen Preisniveau unter Ueber das Zunftwesen, S.348; g, Ansichten über die Zünfte, Sp. 935; W.L. Medicus, Für die Erhaltung u. neue Einrichtung des Zunftwesens, S.l; ders., Einige Vorschläge zur neuen Einrichtung des Zunftwesens, S. 393 Anm.C; P.J.v. Rehfues, Ueber das Zunft-Wesen, S. 1 Cf.; Streich, Gewerbfreyheit, Sp. 257; F.W., Gew.zwang oder Gew.freiheit?, S. 634; J.A. Weiß, Ueber das Zunftwesen, S.152. 277 GA. Dätz~ Ueber das Zunftwesen, S. 357 f., 362 ff., 369 ff., 377 ff.; Desberger, Die Gew., ihr Einfluß, Schwung u. Betrieb, S.66; F.W. Keite~ Ueber Zunft-, Gilde- oder Innungs-Gebräuche, Sp. 659 ff. 278 Anonymus, Ueber die Nachtheile der Zünfte, Sp. 995; G.Graf v. Buquoy, Zunft- u. InnungsWesen, Sp.1069; 3.2.4., Zunftwesen u. Gew.freyheit, Sp. 1593 Cf., 1615 ff.; Fr.E., Ueber Gewerbswesen, Sp. 1575; O.E.H.D. Hansemann, Gedanken über Belebung der inländischen Gew., S.262 f.; J.C. Leuchs, Gewerb- u. Handelsfreiheit, S. 420 Cf.; M. Seeburg, Ein Blick auf Deutschlands Nothstand, S. 29. 279
JJ.H. Ebers, Ueber Gew. u. Gew.freiheit in Breslau, S. 60.
280 Emmermann, Bemerkungen über die von dem Herrn Geheimen-Rathe Medicus zu Weilburg gemachten Vorschläge, S.142 f.; F. Schmidt, Betrachtungen über das Innungswesen, S. 98 ff.; FJ. Freiherr v. Stein, Beitrag zu den Bemerkungen, S.301 Cf.; C. Wangemann, Das Zunftwesen, Sp. 3194; vgl. dazu H.-P. Franck, Zunftwesen u. Gew.freiheit, S. 74 ff. Gegen Wangemann, Emmermann und v. Stein W.L. Medicus, Für die Erhaltung u. neue Einrichtung des Zunftwesens, S. 51 ff., 56 ff., 65 ff. Zu den Zunftmißbräuchen vgl. Anonymus, Einige Mißbräuche beym Maurergewerke, S.146 ff.; F. Bock, Ueber Mißbräuche u. UnO.en, S. 18 Cf. 251 Anonymus, Freyheit der Gew. u. des Handels, Sp. 4053, 4055; C.B., Die Zünfte u. die ZunftArmuth, S.15 f.; FA. Benedict, Der Zunftzwang u. die Bannrechte, S. 96 Cf.; H. vom Rheine, Ueber Kosmopolitismus, Nazionalität u. Gew.freiheit, S. 150 f.; C. Wangemann, Das Zunftwesen, Sp. 3179 f.; Y., Gew.freyheit betr., Sp. 3916. Vgl. dazu H.-P. Franck, Zunftwesen u. Gew.freiheit, S. 127 Cf. 252 FA. Benedict, Der Zunftzwang u. die Bannrechte, S.167 Cf.; J.v. Horn, Zur Geschichte der Zunft-Einrichtungen, Sp. 164. 253 R.z.E., Ueber Gew.freiheit, S.229; F.W. Emmermann, Betrachtungen über Gewerbsfreiheit durch Gestaltung der Concurrenz, S. 394 f.; ders., Ueber den Einfluß der Aufhebung der Zünfte, S. 433 f.; O.E.HD. Hansemann, Gedanken über Belebung der inländischen Gew., S. 264. 284
Anonymus, Ueber Gew.-Freyheit, S. 182; C.C.H., Der Nothstand der Hw.er, Sp. 575 f.
372
Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
dem Zunftwesen zugute. 285 Die gefährdete Lage der Kleingewerbetreibenden beruhe nicht auf ihrer Konkurrenz untereinander, sondern auf der Konkurrenz durch die Fabriken. 286 Im Gegensatz zum Zunftsystem sei der Gewerbetreibende jedoch unter der Gewerbefreiheit vor der Verarmung geschützt, da er seinen Gewerbezweig wechseln könne. 287 Ein Mittel zur Prävention sozialer Notlagen sei das Verbot des blauen Montags, da der Geselle sein dann gesteigertes Einkommen als Rücklage für die mit dem Übergang zur Selbständigkeit verbundenen Belastungen verwenden werde. 288 Durch die gleichmäßigere Verteilung der Gewinne unter der Gewerbefreiheit werde die Anziehungskraft des Handwerks vermindert und so der Landflucht entgegengewirkt. 289 Nicht selten wurde versucht, mit verschiedenen Nuancierungen einen dritten Weg zwischen Zunftverfassung und Gewerbefreiheit zu gehen. Der "Gedanke einer Vereinigung der Freiheit mit der Ordnung"290 sollte seinen Niederschlag in einer Gewerbeordnung finden, die sowohl die Interessen der Konsumenten als auch die der Handwerker berücksichtigen sollte. 291 Die Zunftverteidiger hielten dem entgegen, eine allgemeine Gewerbeordnung zu schaffen sei wegen der mannigfaltigen lokalen Differenzierungen nicht möglich. 292 Vorgeschlagen wurde die Auflösung der Zünfte und die Schaffung neuer Korporationen, wobei die Ortsgemeinden über die Zulässigkeit neuer Ansiedlungen unter dem Gesichtspunkt der Sättigung des Markts entscheiden sollten. 293 Insbesondere Assoziationen und private Vereine sollten Mittel zur Hebung der Gewerbe darstellen;294 allerdings wurde der Assoziationsgedanke unterschiedlich ausge-
28S O.T. Risch, Zünfte, Gew.Creiheit, gew.e Vereine, S.18 C.; F. Schmidt, Betrachtungen über das Innungswesen, S. 49 Cf. 286
F. Schmidt, Ueber die Lage der Gew. in Deutschland, S. 360.
281
O.T. Risch, Zünfte, Gew.freiheit, gew.e Vereine, S. 27 C.
288
12., Ein Paar Worte über den Gewerbszwang, Sp. 523.
289
Anonymus, Ueber Gewerbfreyheit ele., Sp.808; Rullmann, Bemerkungen, S. 132.
290
B-r, Die dt. Gew.O., Sp.1668.
Anonymus, Zunftzwang, Gew.freiheit u. Ideen zu einer neuen Gew.O., S. 22 C.; e, Einige Worte über Gew.freyheit, Sp. 518; H. Graichen, Ueber die Dringlichkeit einer allgemeinen Gew.O., S. 382; J.C. Huwald, Ueber Gew.-Freiheit u. Gew.-O., S.48; P.L. Mare'chaux, Läßt sich von der unumschränkten Gewerbfreyheit ...1, S. 254; J.B. v. Veque~ Die Gew.freyheit innerhalb ihrer natürlichen Gränzen, S. 84; vgJ. auch Anonymus, Gewerbfreiheit, S. 93 C. 291
292 E.F. Voge~ Ist eine brauchbare "allgemeine Gew.-O. für Deutschland" möglich oder nicht?, S.412.
293
J.G. Hoffmann, Die Befugniss zum Gewerbbetriebe, S. 153 ff., 286 Cf.
K. Karmarsch, Die dt. Gewerbvereine, S. 285 Cf.; C. Rieck, Über Arbeit, Capital u. Association, S. 1 Cf. 294
III. Die Diskussion um Zunft oder Gewerbefreiheit
373
deutet und zuweilen nur als Schritt zu einer neuen korporativen Organisation des Gewerbestandes aufgefaßt 29S Kristallisationspunkt für die jeweils konzipierte Gewerbeverfassung war regelmäßig die Frage der Qualifikation. Ihre SichersteIlung wurde von den Befürwortern des Zunftwesens als wichtigste Leistung der Zünfte angesehen, welche die Gewerbefreiheit nicht zu erbringen vermöge. 296 In einem Bericht an das Ministerium des Innem und für Handel vom 27. Juli 1832 forderte der Berliner Magistrat, im Rahmen einer Errichtung von Zwangsverbänden der Gewerbetreibenden die Aufnahme jedes selbständigen Gewerbebetriebs von einer Prüfung abhängig zu machen, um die Qualität der Lehre zu heben; darüber hinaus sollte jeder Lehrling zum Abschluß seiner Lehre eine Prüfung zu absolvieren haben. 297 Der Freiherr vom Stein betonte in seiner Denkschrift "Über EntwerJung eines zweckmäßigen Gewerbepolizei-Gesetzes" vom 2 Jan. 1826, daß sich eine längere Lehrzeit aus der über die Vermittlung reinen Wissens hinausgehende Notwendigkeit der Aneignung handwerklichen Könnens rechtfertige. 298 Eine normierte Lehrzeit mit anschließender Prüfung wurde allgemein für notwendig erachtet 299 Die Aufgabe des Staates sollte es sein, die Schulbildung der künftigen Lehrlinge zu verbessern, was vor deren Annahme zu kontrollieren war.300 Zur technologischen Ausbildung auf dem modernsten Stand sollten besondere Handwerksschulen eingerichtet werden, die vom Lehrling neben der
295 Anonymus, Zunftzwang u. Gew.freiheit, S.110; zum Assoziationsgedanken im Vormärz H. Stein, Pauperismus u. Assoziation, S. 71 Cf.
296 B., Ueber GewerbO.en u. Gewerbfreyheit, Sp. 4343; C.F.W. Bollbrügge, Ueber die Mittel zur Abhilfe der zunehmenden Verarmung, S.415; J.S. EckeIl, Ueber Zunftverfassung u. Gewerbsfreyheit, Sp. 519 f.; H.C. Hensoldt, Das Zunftwcscn wie es war, S.41; v.K., Ueber die Mittel zur Erhebung der städtischen Gew., S. 62 f.; J.W. LangsdorCf, Beantwortung der Frage: Wie kann in Deutschland die ZunftverCassung am zweckmäsigsten modiCizirt werden ... ?, §§ 5 Cf.; F. Oesterley, Ist es rathsam die Zunftverfassung aufzuheben?, S. 29 Cf., 109 ff.; P J.v. Rehfues, Ueber das ZunftWesen, S. 43. 297
K.v. Rohrscheidt, Vor- u. Rückblicke, S. 53 f.
298
Freiherr vom Stein VI Nr. 941 (S. 927).
K.J.A., Auszug aus dem Wandcrbuche, Sp.187Of.; Anonymus Bemerkungen über die Ursachen der Verarmung, Sp.3758; Desberger, Die Gcw., ihr Einfluß, Schwung u. Betrieb S.67; g, Einige Ansichten des dt. Innungswesens, Sp. 1492; H. Gysi-Schinz, Das Zunft- u. Innungswesen, S. 54; h, Zunftwcscn u. Gewerbfreyheit, Sp. 1381; H.C. Hensoldt, Das Zunftwesen wie es war, S. 60 Cf.; C.T. Kleinschrod, Beiträge zu einer dt. Gew.O., S.117; M. May, Ueber das Innungswesen, S. 65 f.; ders., Zunftwcscn u. Gewerbfreiheit, Sp.1776; J.N. Freiherr v. Pelkhoven, Ueber die Gew. in Baiem, S. 121; E. Schick, Das Innungswcscn nach seinem Zwecke u. Nu~n, S.29; E.F. Vogel, Historisch-juristisches Gutachten, S.75 Cf.; A.W., Gedanken zur Begründung, S.9,22. 299
300 R. Hanhart, Veredlung des Hw.sstandes, S.19 Cf.; BA. Krämer, Ideen zur Verbesserung der bürgerlichen Gew., S. 60 f.; JA. WeiB, Ueber das Zunftwesen, S. 309.
374
Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Ausbildung durch den Meister zu besuchen waren und deren Mängel ausgleichen sollten. 30! Die Gegner der Zunftverfassung erwiderten, das Zunftwesen könne eine sachgerechte Ausbildung der künftigen Handwerker nicht gewährleisten. 302 Einigkeit bestand im wesentlichen darüber, daß die von den Zünften unflexibel festgesetzten langen Lehrjahre zur Erlernung der praktischen Fertigkeiten nicht erforderlich waren. 303 Sie seien sinnloserweise für Talentierte und Untalentierte gleichermaßen festgesetzt und überdies sei der Lehrling wegen der nicht erfolgenden Anrechnung der absolvierten Lehrzeit auch an den unfähigsten Meister gebunden. 304 Im übrigen konnte ein Konsens über die Gestaltung eines unzünftigen Lehrwesens nicht gewonnen werden. Einerseits wurde aus der Schädlichkeit jeder Beschränkung der Gewerbe und der Unmöglichkeit, für ein Gewerbe die notwendige Lehrzeit zu ermitteln, die Unzuträglichkeit jeder Lehrzeitfestsetzung gefolgert; jeder Gewerbetreibende werde sich eigenverantwortlich um seine Vervollkommnung bemühen. lOS Andere wollten schon früh die Lehrzeit individuell nach den Fähigkeiten des Lehrlings festgesetzt wissen306, wobei die Ermittlung der Länge eventuell durch jährliche Prüfungen der Lehrlinge erfolgen sollte307• Wegen der postulierten Eigenverantwortlichkeit der Ausbildung fanden derartige Prüfungen keinen ungeteilten Beifall. lOB Vorgeschlagen wurde auch, die Strukturierung der Ausbildung den fakultativen Zunftorganisationen vorzubehalten. 309 Ein anderer Teil wollte die Aufsicht der Zunft durch die des Staates ersetzen und die Ableistung einer gesetzlich fixierten Lehrzeit nur bei einem staatlich geprüften Meister zulassen. 310
301 Anonymus, Die jetzige Lage der Hw.er, Sp.117 ff.; R. Hanhart, Veredlung des Hw.sstandes, S.43 ff.; JA. Ortloff, Staatswissenschaftliehe Abhandlung über die Frage: Durch welche Mittel könnten unsere Hw.er ...1, S.31 ff.; Staffelt, Ueber Verfeinerung u. Kultur des Geschmacks, S. 51 ff.; F.J.B. Tenzel, Wie kann in Deutschland die Zunftverfassung am zweckmässigsten modificirtwerden ... 1, S. 241 ff.; JA. Weiß, Ueber das Zunftwesen, S. 309 f., 321 ff. Zu den Zuständen int Lehrwesen J.G.A. Probst, Hw.sbarbarei, S. 9 ff. 302 O.E.H.D. Hansemann, Gedanken über Belebung der inländischen Gew., S.271; J.B. Nibler, Ueber das Zunftwesen, S. SO. 303 C. Bemoulli, Ueber den nachtheiligen Einfluß der Zunftverfassung, S. 63.
Anonymus, Gew.freiheit u. Gew.zwang, S. 206; C. Wangemann, Das Zunftwesen, Sp. 3192. Anonymus, Ueber Gew.-Freyheit, S. 182; M. Mayer, Versuch einer Entwicklung der relativen Ansichten des Zunftwesens, S. 56 ff.; F. Schmidt, Betrachtungen über das Innungswesen, S. 75. 304
lOS
306
Anonymus, Gedancken von Verkürtzung u. besserer Einrichtung der Lehr-Jahre, S. 338.
307
K.H.L. Pölitz, Vorbedingungen zur neuen Gestaltung des Gewerbswesens, S. 350.
308
Dagegen etwa F.W. Emmermann, Ueber den Einfluß der Aufhebung der Zünfte, S. 437.
309
J.W. Neumann, Ueber Gew.-Freiheit u. deren Gränzen int Staate, S. 31.
Bericht, betreffend die Proposition wegen Einflihrung einer allgemeinen Gew.freiheit, S. 635; B, Ueber das Zunftwesen, Sp. 1312 f.; K.H. Rau, Ueber das Zunftwesen, S. 157 ff. 310
111. Die Diskussion um Zunft oder Gewerbefreiheit
375
Deutlicher war die Grenzziehung in der Frage der Gesellenwanderschaft. Die zum Abschluß einer am Ende des 18. Jhs. geführten Diskussion um Vorund Nachteile der Wanderungen, die im wesentlichen die Forderung nach einer besseren Vorbereitung der Gesellen auf die Wanderschaft erbracht hatte,311 gestellte Preisfrage der königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen,
''Wie können die Vortheile, welche durch das Wandern der Handwerksgesellen möglich sind, befördert, und die dabey vorkommenden Nachtheile verhütet werden?'~ erbrachte vornehmlich Vorschläge zur besseren Schulbildung 312, zur Vorschreibung einer Gesellenprüfung und der Wanderziele 313, zur Erstellung eines Buchs für die Wandergesellen314 sowie zur Verhinderung des zu frühen Wanderns und zur Schaffung eines zünftischen Kontrollorgans 31S• Lediglich ein nicht zu den Preisträgern zählender Teilnehmer stellte den allgemeinen zünftischen Wanderzwang in Frage, den er durch die obrigkeitliche Beurteilung der Opportunität einer Wanderpflicht in jedem Einzelfalle ersetzt wissen wollte. 316 Aufgegriffen wurde diese Anregung von den Gegnern der Zunftverfassung, die zwar die bildungsbezogenen Vorteile der Wanderschaft durchaus anerkannten, deren zwangsweise Durchsetzung jedoch ablehnten. 317 Die umherziehenden Gesellen wurden als Gefahrdung der Sicherheit angesehen. 318 Teilweise wurde sogar die Gestattung des Wanderns nur für besonders fortbildungsfahige Gesellen vertreten. 319
311 Bundschuh, Ueber die zu verbessernde Erziehung unserer Künstler u. Hw.er, S. 28 ff.; J.F.A. Kinderling, Ueber die Wanderungen der Hw.sbursche, S. 123 f.; E.L.L. Steffeck, Versuch eines Beweises, S. 132 ff. 312 J.L.G. Leopold, Wie können die Vortheile ... 1, S. 270 ff.; KF. Mohl, Über die Frage: Wie können die Vortheile ... 1, S. 65 ff.; J.A. Ortloff, Beantwortung der Preisfrage: Wie können die Vortheile ... 1, S. 23 ff. 313 J.L.G. Leopold, Wie können die Vortheile ... 1, S. 272 f., 275; K.F. Mohl, Über die Frage :Wie können die Vortheile ...1, S. 76 ff.
314
JA Ortloff, Beantwortung der Preisfrage: Wie können die Vortheile ... 1, S. 51 ff.
31S
KF. Mohl, Über die Frage: Wie können die Vortheile ... 1 S. 71 ff., 74 ff.
J.L.G. Leopold, Wie können die Vortheile ...1, S. 274. Für grundsätzlich überflüssig hielt den Wanderzwang zur gleichen Zeit auch B.A. Krämer, Ideen zur Verbesserung der bürgerlichen Gew., 316
S.64.
317 F.A. Benedict, Der Zunftzwang u. die Bannrechte, S. 71 ff; C. Bemoulli, Ueber den nachtheiligen Einfluß der Zunftverfassung, S. 79 ff.; M. Mayer, Versuch einer Entwicklung der relativen Ansichten des Zunftwesens, S. 68 ff.; F. Schmidt, Betrachtungen über das Innungswesen, S. 78 f.; vgl. D.R., Bevorwortung der Abstellung des Wanderns, S. 350. 318
F.W. Emmermann, Noch Etwas über das Wandern der Hw.sgesellen, S. 330 ff.
319 KH.L. Pölitz, Vorbedingungen zur neuen Gestaltung des Gewerbswesens, S.354; ähnlich Anonymus, Ueber das Wandetn der Hw.sgesellen, S. 322.
25 Zi.kow
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Den Anhängern der Zunftverfassung erschien hingegen die Wanderschaft als obligatorisches Element der Ausbildung unverzichtbar;320 es fanden sich aber auch unter ihnen Stimmen, die eine obligatorische Wanderschaft für unzweckmäßig hielten321• Selbst die Wiedereinführung der Mutzeit wurde gefordert 322 Die Verteidiger der Zünfte bestanden auf der Beibehaltung der Meisterstücke in modernisierter Form. 323 Um dem Einwand des Mißbrauchs der Prüfungskompetenz durch die Zunft zuvorzukommen, wurde allerdings teilweise die Übertragung der Zuständigkeit zur Abnahme der Prüfung auf eine staatliche Stelle erwogen,324 oder es sollte die Meisterprobe zwar vor der Zunft geleistet werden, die Zulassung zum Gewerbe jedoch durch die Obrigkeit erfolgen32S. Eine Reduzierung der Meisterprüfungen nur auf solche Gewerbe, bei denen der Kunde durch mangelhafte Waren geschädigt werden konnte, wurde für akzep-
320 Anonymus, Beobachtungen, Wünsche, Vorschläge, Sp. 1787 f.; H. Gysi.Schinz, Das Zunft- u. Innungswesen, S. 51 Cf.; R Hanhart, Veredlung des Hw.standes, S. 50 Cf.; H.C. Hensoldt, Das Zunftwesen wie es war, S.43 Cf.; Justus, Die Innungen oder freie Concurrenz, Sp. 4652; J.W. Langsdorff, Beantwortung der Frage: Wie kann in Deutschland die Zunftverfassung am zweckmäsigsten modifizirt werden ...1, §§ 14 Cf.; M. May, Ueber das Innungswesen, S. 66 ff.; J.D. Merbach, Theorie des Zunftzwanges, S.303 Cf.; H.G. Mumhard, Welche Folgen wird es haben, wenn Zünfte u. Innungen aufhören? Sp.619f.; B.L. Neußmann, Ueber das Wandern der Hw.sburschen, Sp.3435 f.; F. Oesterley, Ist es rathsam die Zunftverfassung aufzuheben?, S.35 Cf.; J.A. Ortlofr, Staatswissenschaftliehe Abhandlung über die Frage: Durch welche Mittel könnten unsere Hw.er ... ?, S. 56 ff.; J.N. Freiherr v. Pelkhoven, Ueber die Gew. in Baiern, S. 122; Denkschrift Steins, "Über Entwerfung eines zweckmäßigen Gew.polizei-Gesetzes" vom 2. Jan. 1826, Freiherr vom Stein VI Nr.941 (S.927); FJ.B. Tenze~ Wie kann in Deutschland die Zunftverfassung am zweckmässigsten modificirt werden ...?, S.188 Cf.; E.F. Voge~ Historisch-juristisches Gutachten S. 80 Cf.; JA. Weiß, Ueber das Zunftwesen, S. 333 Cf. 321 C.F.W. Bollbrügge, Ueber die Mittel zur Abhilfe der 2lInehmenden Verarmung, S. 405; C.T. K1einschrod, Beiträge zu einer dt. Gew.O., S.123; E. Schick, Das Innungswesen nach seinem Zwecke u. Nutzen, S. 38 Cf. 322 Anonymus, Die Innungen u. die Gew.freiheit in ihren Beziehungen, S. 57 f.; M. May, Ueber das Innungswesen, S. 68 f. Zum Verbot der Mutzeit Kap. 3 III 3. 323 Anonymus, Bemerkungen über die Ursachen der Verarmung, Sp.3758; L. Blesson, Ueber Gewerks-O.en u. Gew.-Freiheit, S. 27; g. Einige Ansichten des dt. Innungswesens, Sp. 1492; H. Gysi-Schinz, Das Zunft- u. Innungswesen, S. 61 Cf.; Herzoglich sachsen-altenburgische Landesregierung. Verbesserung der Innungsverhältoisse, Sp.2357; M. May, Ueber das Innungswesen, S.70 ff.; J.D. Merbach, Theorie des Zunftzwanges, S. 254; J.N. Freiherr v. Pelkhoven, Ueber die Gew. in Baiern, S. 123; F.J.B. Tenzel, Wie kann in Deutschland die Zunftverfassung am zweckmässigsten modificirt werden ...1, S. 234 Cf.; J.A. Weiß, Ueber das Zunftwesen, S. 343 ff. Zur mangelnden Modernität einiger Meisterstücke Schmidt, Ueber die Unzweckmäßigkeit der Meisterstücke, S. 41 Cf. 324 J.B. Reingruber, Ueber die Natur der Gew., S.16 f.; F.C. Rellig, Grundzüge einer Gew.O., S.6S f. 32S C.T. Kleinschrod, Beiträge 211 einer dt. Gew.O., S.131 f.
III. Die Diskussion um Zunft oder Gewerbefreiheit
377
tabel erachtet. 326 Zuweilen forderte man eine zusätzliche Befähigungsprüfung für die Qualifikation als Lehrherr. 327 Die Haltung der die Beseitigung der Zunftverfassung Erstrebenden war uneinheitlich. Die Bandbreite reichte von einer völligen Abschaffung der hinsichtlich der praktischen Handwerkstauglichkeit kaum aussagekräftigen Meisterstücke328 über ihre Ersetzung durch eine Probezeit329 bis hin zur Anordnung einer staatlichen anstelle der zünftischen prüfung 330• Motiviert wurde eine derartige Prüfung entweder mit der Abwehr von Gefahren in schadensgeneigten Gewerben331 oder dem Schutz der Gewerbetreibenden vor Verarmung 332• In der Handwerkerbewegung der Revolutionsjahre 1848 / 49 kulminierte die Auseinandersetzung.
b) Die Handwerkerbewegung von 1848/49
Jürgen Bergmann hat darauf hingewiesen, daß die wirtschaftlichen Folgen der Agrarkrise von 1846 / 47 das Handwerk bis in das Jahr 1848 hinein belasteten und durch die Revolution eher noch verschärft wurden. 333 Keineswegs soll hier einem ökonomistischen Ansatz das Wort geredet und das Verhalten der Handwerker in der Revolution von 1848 / 49 als sozio-ökonomisch deter-
326
H.C. Hensoldt, Das Zunftwesen wie es war, S. rn f.
Anonymus, Gedancken von Verkürtzung u. besserer Einrichtung der Lehr-Jahre, S. 338 f.; Desberger, Die Gew., ihr Einfluß, Schwung u. Betrieb, S. 67; A.W., Gedanken zur Begründung, S.32. 327
328 A.F. Bergsöe, Erörterung derjenigen Gründe, S. 180 f.; C. Bemoulli, Ueber den nachtheiligen Einfluß der Zunftverfassung, S. 87. 329 Anonymus, Zunftzwang, Gew.freiheit u. Ideen zu einer neuen Gew.O., S. 24; M. Mayer, Versuch einer Entwicklung der relativen Ansichten des Zunftwesens, S. 84. 330 Anonymus, Ueber Zunftwesen u. Gew.freiheit, S. 308; B, Ueber das Zunftwesen, Sp. 1312 f.; Bericht, betreffend die Proposition wegen Einführung einer allgemeinen Gew.freiheit, S. 637 C.; F.W. Emmermann, Bemerkungen über die von dem Herrn Geheinlen-Rathe Medicus zu Weilburg gemachten Vorschläge, S.145; O.E.H.D. Hansemann, Gedanken über Belebung der inländischen Gew., S. 274 f.; C.H. Rau, Versuch einer Beantwortung der Preisfrage: Wie können die Nachtheile ... 1, Sp. 102 ff. 331 J.G. Hoffrnann, Die Befugniss zum Gewerbbetriebe, S. 11; J.F.C. Merker, Noch einige Erörterungen über Gew.freiheit, S.201 f.; F. Schmidt, Betrachtungen über das Innungswesen, S. 122; C. Wangemann, Das Zunftwesen, Sp. 3203. 332 Anonymus, Zunftwesen u. Gew.freiheit, S. 53 ff.; O.T. Risch, Zünfte, Gew.freiheit, gew.e Vereine, S. 34 f. 333
J. Bergmann, Das Hw. in der Revolution von 1848, S. 325 ff. Anders für München K.-J. München in der Revolution, S. 451 ff.
Humme~
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
miniert charakterisiert werden;334 auf die differenzierten Ursachenzusammenhänge der Revolution hat Bergmann selbst hingewiesen. 33S Jedoch hatten sich die das Handwerk im Industrialisierungsprozeß belastenden strukturellen Wandlungen gegen Ende der 40er Jahre des 19. Jahrhunderts zu einer nahezu chronischen Krise verdichtet,336 der jedenfalls ein Mobilisierungseffekt innewohnte337• Selbst unter Berücksichtigung starker örtlicher Verschiebungen dürfen die Handwerker als in die Revolution überdurchschnittlich involviert ge1ten. 338 Der Umstand, daß sich Mitglieder aus dem handwerklichen Bereich in sämtlichen politischen Gruppierungen nachweisen lassen,339 hat zu der Frage geführt, inwieweit Kongruenzen zwischen politischer Haltung und sozio-ökomomischer Lage bzw. Zielsetzung bestanden. Als Konsens darf festgehalten werden, daß eine traditionelle zünftische Interessenpolitik sowohl von den wirtschaftlich besonders gefährdeten und häufig demokratisch orientierten als auch von den bessergestellten Handwerkern verfolgt wurde. 340 Ob sich für die 334 Dies tut allerdings K.H. Kaufhold, Grundzüge des hw.en Lebensstandards, S. 160. Gegen den Schluß von einer besonderen Verelendung auf eine exponierte revolutionäre Haltung J. Bergmann, Ökonomische Voraussetzungen der Revolution von 1848, S. 49. 33S J. Bergmann, Die Revolution von 1848 als Modemisierungskrise, S. 13 ff. Zur Revolution von 1848 /49 insgesamt vgl. W. Siemann, Die dt. Revolution von 1848/49, S. 58 ff.
336 J. Bergmann, Das Hw. in der Revolution von 1848, S. 330 f.; F. Lenger, Zwischen Kleinbürgertum u. Proletariat, S.153. Vgl. den Bericht des Vereins für das Wohl des Arbeiterstandes in Frankfurt a.d.O., mitgeteilt in der Sitzung des Central-Vereins in Preußen für das Wohl der arbeitenden Klassen vom 2. Juni 1848, General-Versammiung des Central-Vereins vom 2. Juni 1848, S.23: "Dagegen befindet sich die zahlreiche Klasse der hiesigen kleinen Handwerker in der hülflosesten Lage. Ungellchtet mannigfacher Gelegenheit zum Absatz ihrer Arbeiten finden sie sich durch die Zeitverhältnisse von allen Geldmitteln häufig so entblößt, daß sie gänzlich außer Stande sind, die zur Arbeit erforderlichen Materialien sich zu verschaffen. Zum Ankauf derselben aufBorg mangelt ihnen der Kredit und so ist es gekommen, daß ein großer Theil unserer kleinen Handwerker mit seinen Familien sich in der jammervollstenLage befindet."j J. Bergmann, I.c., S. 331, rubriziert den Bericht irrtümlich als Artikel aus Berlin vom Oktober 1848. 337 338
F. Lenger, Zwischen Kleinbürgertum u. Proletariat, S.l85.
J. Bergmann, Das Hw. in der Revolution von 1848, S. 335 f.; F. Lenger, Zwischen Kleinbürgertum u. Proletariat, S. 184; H.-J. Rupieper, Die Sozialstruktur, S. 105 f.; W. Siemann, Soziale Protestbewegungen, S. 311; vgl. auch H. Best, Interessenpolitik, S.162 ff.
339 J. Bergmann, Das Hw. in der Revolution von 1848, S. 339 f.; F. Lenger, Zwischen Kleinbürgertum u. Proletariat, S.169. Anders für die Mitgliedschaft in den demokratischen Vereinen M. Botzenhart, Dt. Parlamentarismus in der Revolutionszeit, S. 375, und den republikanischen Organisationen T. Nipperdey, Dt. Geschichte, S. 619. 340 J. Bergmann, Das Hw. in der Revolution von 1848, S.341 f.; F. Lenger, Zwischen Kleinbürgertum u. Proletariat, S.185. Dagegen sieht C. Lipp, Württembergische Hw.er, S. 377 ff., offenbar die Handwerker entlang der politischen Trennlinie auch in der Frage der Gewerbeverfassung gespalten; ihre Darstellung verliert jedoch durch die stark ideologisierte Darstellung, die die konservativen Handwerker als "borniert" (S. 371), "paranoid" und "psycho-pathologisch" (S. 378) sowie "ängstlich" (S. 379) tituliert, eminent an Wert. Unzutreffend auch T.S. Hamerow, The German Artisan Movement, S. 144, der aus einem konservativen Antikapitalismus der Handwerker auf eine antiliberale politsche Ausrichtung schließt.
III. Die Diskussion um Zunft oder Gewerbefreiheit
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letzteren eine allgemeine Tendenz zur Verbindung von politischem und ökonomischem Konservativismus konstatieren läßt, ist dagegen umstritten. Jürgen Bergmann hat seine dahingehende und von Friedrich Lenger bestrittene These allerdings selbst so stark relativiert, daß sie als vorsichtiger Bestimmungsansatz akzeptabel erscheinen mag. 341 Verlauf und Ziele der Handwerkerbewegung 1848/49 sind schon mehrfach und zuletzt eingehend von Manfred Simon dargestellt worden. 342 Im folgenden muß daher eine kurze Zusammenfassung der handwerkspolitisch relevanten Inhalte genügen, zumal sich die Argumentation nur wenig von der der Zunftverteidiger im Vormärz unterschied 343• Grundelement der mit der Forderung nach handwerklicher Standessolidarität344 avisierten Gewerbeverfassung war die Überführung der alten Zünfte in neugebildete Innungen mit obligatorischer Mitgliedschaft und dem Recht auf Selbstverwaltung in Handwerksangelegenheiten. 345 Mit Ausnahme der pfälzischen Gewerbetreibenden votierten die Handwerker mehrheitlich gegen die Gewerbefreiheit, die als Ursache der Verarmung der Handwerker und des Niedergangs der handwerklichen Bildung eingestuft wurde.3 46 Übersetzte Innungen sollten geschlossen, das Landhandwerk zurückgedrängt werden. 341 Das erzieherische Element der Lehre sollte betont werden; neben Probezeit und vor dem Innungsvorstand abzuschließendem schriftlichen Lehrvertrag wurde die Festsetzung einheitlicher Lehrzeiten für jedes Gewerbe gefordert. Der Lehrling sollte sich in geeigneten Bildungsin341 Vgl. J. Bergmann, Das Hw. in der Revolution von 1848, S.341; F. Lenger, Zwischen Kleinbürgertum u. Proletariat, S. 185 f. Zur Haltung der Großgewerbetreibenden H.-P. Helbach, Berliner Unternehmer in Vormärz u. Revolution, S. 416 ff. 342 M. Simon, Hw. in Krise u. Umbruch, S. 57 ff. Weiterhin E.F. Goldschmidt, Die dt. Hw.erbewegung, S. 24 ff.; W. Wernet in: H. Reiners/W. Wernet, Die Hw.erbewegung, S. 33 ff. Allgemein zum Petitionswesen J.H. Kumpf, Petitionsrecht u. öffentliche Meinung, S. 81 ff. 343
Dazu Kap. 4 III 2a.
344
D. Grote, Ueber einige Ursachen des Verfalls unserer Hw.er, Sp. 167.
345 S. Becher, Ein Beitrag zur Organisation des Gew.wesens, S. 12 f.; E. Degenkolb, Ueber die Mittel zur Hebung der dt. Gew., S. 234; dazu M. Simon, Hw. in Krise u. Umbruch, S. 212 ff. 346 K.-G. Schirrmeister, Menschenrechte in den Petitionen S. 131 f.; M. Simon, Hw. in Krise u. Umbruch, S.I90 ff., 350 ff . Aus den zeitgenössischen Stimmen vgl. die Wiener Flugschrift vom 8. Aug. 1848, Wiener Flugschriften zur Sozialen Frage, S.30; G. KinkeI, Hw., errette Dich!, S. 12 ff.; E.F. Vogel, Das Zunft- u. Innungswesen beym dt. Hw.sstande, S. 12 ff, 45 ff.; C.F. WesenfeId Beschränkte oder unbeschränkte Gew.freiheit, S.3. Zur Befürwortung der Gew.freiheit durch die pfalzischen Petitionen C. Haußer, Die badische Hw.erbewegung, S. 12 f.;A. Höfle, Die Gew.O. der Pfalz, S. 545 f. Für Gew.freiheit votierten auch H. Bodemer Zehn Artikel zu Gunsten der Gew., S. 12 ff.; D. Born, Schutzzoll oder Freihandel?, S.3 ff.; C.G. Kopisch, Petition an die National-Versammlungen, S.3 ff.; E. Pickford, Beleuchtung des von Abgeordneten ... , S. 21 ff.; Roth, Ideen zur Wiederherstellung, S. 7. 347 C. Göring, Anträge an die hohe National-Versammlung, S.6; E.F. Vogel, Das Zunft- u. Innungswesen beym dt Hw.sstande, S. 27 ff., 68.
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
stitutionen fortbilden und zum Ende der Lehrzeit eine Gesellenprüfung absolvieren. Zur Gewährleistung einer sachgerechten Ausbildung und zur Nachwuchsreduzierung war die Zahl der gleichzeitig in der Lehre befindlichen Auszubildenden zu begrenzen; ungeeigneten Meistem sollte das Recht zur Lehrlingsannahme entzogen werden. 348 Der Wanderzwang oder zumindest eine staatlicherseits unbeschränkte Wanderfreiheit wurde für ebenso unabdingbar erachtet wie eine Meisterprüfung.349
aa) Der Frankfurter Meisterkongreß
Das Ergebnis der um die geschilderten Forderungen geführten Diskussion bildete der vom deutschen Handwerker- und GeweJbekongreß, der vom 14. Juli bis 18. Aug. 1848 in Frankfurt a. M. tagte,350 erarbeitete ''Entwurf einer allgemeinen Handwerker- und Gewerbe-Ordnung für Deutschland'~ der unter dem 15. Aug. 1848 an die Nationalversammlung gerichtet wurde. Die zur Wahrung der "gewerblichen Interessen im weitesten Sinne des Wortes", insbesondere zur Verhütung "der Massen-Verarmung'~ aus mindestens 12 Meistem eines Orts oder Bezirks zu bildenden Zwangsinnungen der dasselbe Handwerk selbständig Betreibenden sollten die alten Zünfte ersetzen (§§ 1 - 4). Die in der Regelung ihrer inneren Angelegenheiten selbständige Innung (§ 7) bestimmte ihren Vorstand (§ 8),3S1 alle Innungen einer Stadt oder eines Bezirks wählten den Gewerberat (§ 9), der sich in ein Gewerbegericht und einen Verwaltungsausschuß gliederte (§ 11). Letzterer war die Interessenvertretung aller Gewerbetreibenden eines Bezirks, in welchem er etwa die Meisterprüfungen zu leiten hatte (§ 14). Die mit mindestens vier Gewerbetreibenden und einem staatlich besol348 Vgl. S. Becher, Ein Beitrag zur Organisation des Gew.wesens, S.3 Cf.; E. Degenkolb, Ueber die Minel zur Hebung der dt. Gew., S. 234; G. Kinkel, Hw., errette Dich! S. 27 ff.; Spiller, Ueber die Minel zur Aufhülfe, S. 201; A. SuBmann, Einige Vorschläge zur Abhülfe der Noth, S. 250; E.F. Vogel, Das Zunft- u. Innungswesen beym dt. Hw.sstande, S. 36 Cf.; H. Windwart, Die Rettung des Gew.standes, S. 16 f.; vgl. dazu M. Simon, Hw. in Krise u. Umbruch, S. 229 Cf. 349 E. Degenkolb, Ueber die Mittel zur Hebung der dt. Gew., S.234; C. GÖring. Anträge an die hohe National-Versammlung, S. 5,7; G. Kinkel, Hw., errette Dich!, S. 32 ff.; FA. Oldenburg, Der Hw.erstand, S.16; Spiller, Ueber die Minel zur Aufhülfe, S. 201; A. SuBmann, Einige Vorschläge zur Abhülfe der Noth, S. 251; Trebsdorf, Ueber die Korporationen, S. 366; E.F. Vogel, Das Zunftu. Innungswesen beym dt. Hw.sstande, S. 2S Cf., 39 ff.; H. Windwart, Die Rettung des Gew.standes, S. 17, 19. Dazu M. Simon, Hw. in Krise u. Umbruch, S. 242 f., 252. 3S0 Dazu Der dt. Hw.er- u. Gew.-Congreß zu Frankfurt a.M., S. 121 ff.; H. Buwert, Die wirthschaftlichen Fragen, S. 29 Cf. 3Sl Späterer Zusatzantrag zu § 8, Der dt. Hw.er-Congreß u. die von demselben entworfene Hw.eru. Gew.-O. für Deutschland, S. 178: "In Betreff der Vertrdung, Verwaltung und Rechtspflege wird das Prinzip der Gleichberechtigung und Vertretung durch Meister und Gesellen in gleicher Zahl allen bezüglichen Paragraphen zu Grunde gelegt. "
III. Die Diskussion um Zunft oder Gewerbefreiheit
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deten Richter besetzten Gewerbegerichte (§ 12) "sollte(n) dem Gewerbestand das sein, was die Handelsgerichte dem Kaufmanne wären. Schnellere und billigere Justiz solle durch sie erzweckt werden".3S2 Ihre Zuständigkeit sollte sich wegen der Privilegienfeindlichkeit der Zeit auf innergewerbliche Angelegenheiten, nämlich auf Streitigkeiten zwischen Meistem, Gesellen und Lehrlingen, auf die aus dem Gewerbebetrieb entspringenden Ansprüche der Gewerbetreibenden untereinander sowie auf die Abgrenzung der einzelnen Gewerbe gegeneinander, beschränken (§ 13).353 Während die den gesetzgebenden Ständekammern beratend zur Seite stehenden Spezialgewerbekammern von den Gewerberäten gewählt wurden (§ 16), sollten die Mitglieder der allgemeinen deutschen Gewerbekammer in direkter Wahl von sämtlichen deutschen Innungsmeistern bestimmt werden (§ 17). Aufgabe der am Sitz des deutschen Parlaments versammelten allgemeinen Gewerbekammer sollte die rechtsverbindliche Erstellung der Innungsstatuten und die Beantragung der im Interesse der Gewerbetreibenden liegenden Maßnahmen sein (§ 17), "damit dem Handwerker eine directere Betheiligung bei der Gesetzgebung als dasjenige wichtige Recht eingeräumt werde, von welchem er Gebrauch machen müsse, um aus der Abhängigkeit von andern, namentlich den gelehrten Ständen herauszukommen".354 Vor Eintritt in die Lehre hatte der Lehrling eine vierwöchige Probezeit bei seinem künftigen Lehrherrn sowie eine vom Innungsvorstand vorgenommene Prüfung seiner Kenntnisse im Schreiben, Lesen und Rechnen zu bestehen (§ 18). Der Lehrvertrag war schriftlich vor dem Innungsvorstand zu schließen, "wodurch die Rechte beider Theile gesichert und eine Menge Streitigkeiten und kostspieliger Prozesse vermieden werden" (§ 19). Um die Dauer der Lehrzeit von der ökonomischen Potenz des Lehrlings unabhängig zu machen und sie 352 Schützendorf in der 23. Sitzung des Frankfurter Hw.er- u. Gew.kongresses vom 9. Aug. 1848, Verhandlungen des ersten dt. Hw.er- u. Gew.-Congresses, S. 172. Allerdings sprach sich Schützendorf entgegen der Auffassung M. Simons, Hw. in Krise u. Umbruch, S. 226, gerade gegen die schließlich durchgesetzte Stimmbefugnis der gewerbetreibenden Beisitzer aus, l.c., S. 173: "Es sei gleichgültig wieviel Personen dem Richter als Mitglieder beigesellt würden, eine andere Eigenschaft als eine berathende, könne 1fIIIII ihnen nicht beilegen. Einen neuen aimirten Gerichtsstand könne man unmöglich ins Leben rufen ..., der Richter müsse entscheiden und unabhängig dastehen." Ähnlich Winkelblech, l.c., S. 174: "Das sei das System des Mittelalters und entspreche ganz der hlstenartigen Absonderung der verschiedenen Stände jener Zeit". 353 Vgl. Winkelblech in der 23. Sitzung des Frankfurter Hw.er- u. Gew.kongresses vom 9. Aug. 1848, Verhandlungen des ersten dt. Hw.er- u. Gew.-Congresses, S.176: "Gewerbegerichte könnten wie alle Specialgerichte nur über Streitigkeiten der Stllndesgenossen urtheln, aber nie über deren Beziehungen zu andern Ständen. " 354 Günther in der 21. Sitzung des Frankfurter Hw.er- u. Gew .kongresses vom 7. Aug. 1848, Verhandlungen des ersten dt. Hw.er- u. Gew.-Congresses, S.148. Übersicht über die Organisation des Hw.s nach den Vorstellungen des Frankfurter Meisterkongresses bei P. John, Hw. im Spannungsfeld, S. 210.
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
reichsweit ZU vereinheitlichen, wurde für sie ein Minimum von drei und ein Maximum von fünf Jahren festgesetzt (§ 20), wobei die Aufnahme eines Minimalwertes stark umstritten war 3SS• Für jedes Halbjahr hatte der Meister dem Lehrling ein Zeugnis über "sittliches Betragen und gemachte Fortschritte" zu erteilen, das der Auszubildende dem Innungsvorstand einzureichen hatte; "sie sind ein Sporn für den Lehrling und eine Controlle für den Meister: ob er seinen Verpflichtungen gegen den Lehrling nachgekommen ist, und ob ihn keine Schuld treffe, wenn der Lehrling nach Ablauf der Lehrzeit in der gesetzlich vorgeschriebenen Prüfung nicht zu bestehen vermag" (§ 21). Denn nach Ablauf der Lehrzeit mußte sich der Lehrling vor einer Prüfungskommission einer Kontrolle seiner Kenntnisse und Fertigkeiten unterziehen. Bestand er die Prüfung, so wurde dies in das ihm auszuhändigende Arbeitsbuch eingetragen, in welchem auch seine künftigen Dienstzeiten verzeichnet werden sollten (§ 22). Es sollte "sich praktischer erzeigen, als die Ertheüung vieler einzelner Zeugnisse" (§ 22), aber "keine polizeiliche Conduitenliste" sein 356• Wegen der persönlichkeitsformenden Wirkung der Wanderschaft wurde diese obligatorisch vorgeschrieben; eine Verkürzung der Frist von drei Jahren konnte nur im Einzelfall vom Gewerberat gestattet werden (§ 23). Im beiderseitigen Interesse trat nach dem 14tägigen Bestehen des Arbeitsverhältnisses eine allerdings dispositive Kündigungsfrist von acht Tagen ein (§ 25). Obwohl die Gesellenkommission des Frankfurter Handwerker- und Gewerbekongresses der Auffassung war, "daß bei Bauhandwerkern 11 Stunden, bei den Nahrungsbereitenden in demselben Verhältniß nach Geschäftsbedürfniß, bei allen Uebrigen 12 Stunden festgesetzt, und die Mehrarbeit vergütet werden möge",3S7 konnte sich die Mehrheit nur zur Überweisung der Arbeitszeitfrage an die Gewerberäte verstehen (§ 26). Die zunächst vorgesehene "Feststellung eines Lohnminimums durch die Innungen "358 kam später wieder in Fortfall. Eine Kontroverse entstand über die Mitgliedschaft der Gesellen in den Innungen. Die Verfechter reiner Meisterverbände wußten "nicht, welches Interesse die Gesellen an den Innungen haben könnten,. hohen Lohn und kurze Arbeitszeit
355 Dagegen etwa Winter, Hollender und Hipp in der 22. Sitzung des Frankfurter Hw.er- u. Gew.kongresses vom 8.Aug. 1848, Verhandlungen des ersten dt. Hw.er- u. Gew.-Congresses, S.164. 356 Schützendorf in der 22. Sitzung des Frankfurter Hw.er- u. Gew.kongresses vom 8. Aug. 1848, Verhandlungen des ersten dt. Hw.er- u. Gew.-Congresses, S. 166. 357 Behrens in der 20. Sitzung des Frankfurter Hw.er- u. Gew .kongresses vom 4. Aug. 1848, Verhandlungen des ersten dt. Hw.er- u. Gew.-Congresses, S. 144. 358 In der 20. Sitzung des Frankfurter Hw.er- u. Gew.kongresses vom 4. Aug. 1848, Verhandlungen des ersten dt. Hw. er- u. Gew.-Congresses, S. 141.
111. Die Diskussion um Zunft oder Gewerbefreiheit
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vielleicht!".359 ''Es sollte ein patriarchalisches Verhältniß zwischen Meistern und Gesellen herrschen, aber keine Gleichheit. "3«J Dem wurde entgegengehalten, "man habe Deputirte der Gesellen weggeschickt mit dem Trost, für die Gesellen solle gesorgt werden ... ; und darum müßten auch die Gesellen unter Vorsorge der Meister und Altgesellen Innungen bilden. ... Das sei das Mittel sie von den Arbeitern loszureißen, und so kämen sie den Meistern selbst wieder näher. "361 Man entschied sich, "die Gesellen, als Theil des großen Innungs-Verbandes, " aufzunehmen und in besonderen Gesellenschaften als eigenen Selbstverwaltungsorganisationen zu vereinigen; die alten Gesellenvereinigungen mit ihren Kampfmitteln des Verrufs und der Schmähung sollten verboten werden (§ 27). Die Mitwirkungsrechte der Gesellenschaften bestanden in der Entsendung eines stimmberechtigten Vertrauensmanns aus ihrer Mitte in den Innungsvorstand und das Gewerbegericht zur Vertretung in den die Gesellen betreffenden Fragen (§ 28). Die darüber hinaus teilweise geforderte Teilnahme der Gesellen in der allgemeinen Gewerbekammer wurde nicht verwirklicht. 362 § 29 sah die Errichtung einer Gesellenkrankenkasse und einer Gesellenwanderkasse vor, für deren Speisung durch die vom Lohn abgezogenen Beiträge des Gesellen der Meister verantwortlich war; um das vorgeschriebene Wandern zu erleichtern, hatten auch die Meister in die Wanderkasse einzuzahlen. Der Beitritt zu der Innung und dem Kassenverband der Gesellenschaft war Voraussetzung für die Erlangung einer Arbeitsstelle (§ 30). Zur Sicherstellung der zwischen den einzelnen Handwerken gezogenen Grenzen war es den Gesellen verwehrt, bei anderen als Meistem ihrer Fachrichtung in Arbeit zu treten. Dafür wurde die obligatorische Arbeitsvermittlung abgeschafft und den Gesellen die 359 N. Schmidt in der 7. Sitzung des Frankfurter Hw.er- u. Gew.kongresses vom 21. Juli 1848, Verhandlungen des ersten dt. Hw.er· u. Gew.-Congresses, S. 40. 3«J Henß in der 7. Sitzung des Frankfurter Hw.er· u. Gew.kongresses vom 21. Juli 1848, Verhandlungen des ersten dt. Hw.er- u. Gew.-Congresses, S. 38. 361 Hees in der 7. Sitzung des Frankfurter Hw.er- u. Gew.kongresses vom 21. Juli 1848, Verhandlungen des ersten dt. Hw.er- u. Gew.-Congresses, S. 39 f. In der 5. Sitzung vom 19. Juli 1848 hatte sich die Mehrheit gegen ein Stimmrecht der Gesellen auf dem Kongreß und dafür entschieden, "daß Gesellen durch Meister aus dem Congresse vertreten werden sollen", I.c., S. 24. 362 Dafür Schützendorf in der 24. Sitzung des Frankfurter Hw.er- u. Gew.kongresses vom 10. Aug. 1848, Verhandlungen des ersten dt. Hw.er- u. Gew.-Congresses, S.I84: "Die Gesellen würden sagen, es sei ihnen nicht damit gedient, daß man ohne sie in der Gewerbekammer Gesetze mache"j Nix, I.c., S.188: Es sei denkbar, "daß ein Geselle sogar in die National-Versammlung gewählt werde, während der Congreß ihn nicht in die industrielle Kammer zulassen wollte". Dagegen Henß, I.c., S. 185: "er begreife aber nicht, was die Gesellen in den Kammern sollteIL Bei der Wahl für diese komme auch das Alter in Betracht und es gäbe viel Gesellen, die nicht majoren wärt:fL "j Hering, I.c., S. 189: "In die Kammer könnten sie .•• nicht kommen, weil, wenn sie im Verhältniß zu ihrer Zahl gewählt werden sollten, eine unverhältnißmäßig große Anzahl von Gesellen zur Kammer zugelassen werden müßte. "j Winter, I.c., S. 189: "soweit die Gesellenschaft reiche, müsse die Vertretung der Gesellen auch reichen, aber über diese Gränze nicht hinaus. Der Meister habe schwere Pflichten, die der Geselle gar nicht kenne".
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freie Wahl des AIbeitsplatzes gewährt (§ 31). Ein späterer Zusatzantrag wollte die sich daraus auf dem Arbeitsmarkt ergebenden sozialen Verschiebungen neutralisieren, indem "bei der Arbeitsertheüung ältere, ansäßige Gesellen vorzugsweise berücksichtigt werden" mußten. 363 Der selbständige Betrieb eines Handwerks setzte die Mitgliedschaft in einer Innung voraus (§ 39), zu welcher der Erwerb des Meister- und des Bürgerrechts erforderlich war (§ 40). Die möglichst reichseinheitlich zu gestaltende Meisterprüfung (§ 32) gliederte sich in einen theoretischen Teil und die Anfertigung des Meisterstücks, das leicht verkäuflich und nicht zu kostspielig sein sollte (§ 33). Eine bestandene Prüfung galt in ganz Deutschland, wohingegen die bisher ohne eine solche niedergelassenen Handwerker sie bei einer Veränderung ihres Wohnsitzes nachzuholen hatten (§ 33). Allerdings war diese Nachprüfung stark umstritten. Ihre Gegner sahen das "deutsche Einheitsgefühl" beeinträchtigt und den "Partikularismus in seiner ganzen Nacktheit hervor(treten) ... Die, welche kein Meisterstück zu machen brauchten, seien nicht Schuld daran. "364 "Man wollte Gewerbe-Ordnung ... nicht bloß für die Nachkommen, sondern auch für die Lebenden. Das Uebersiedlungsrecht solle auch den Letzteren zu gut kommen. Durch Ausübung des Geschäfts sei schon die Prüfung erfolgt und eines neuen Beweises bedürfe es nicht."365 Die nach Preußen ausgewanderten unqualifizierten Handwerker müßten nun gerechterweise von ihren Herkunftsländern wieder aufgenommen werden. 366 Dem wurde von den Befürwortern einer Nachprüfung entgegengehalten, "man verweigere nicht den Zuzug, man stelle nur eine Bedingung". "Das Elend, welches Preußen so lange ertragen, würde auch auf andere Länder übergeschleppt werden. ''367 Bestand der Geselle die praktische Meisterprüfung nicht, so wurde er auf eine Zeit von höchstens einem Jahr zurückgewiesen (§ 34). Dabei handelte es sich nicht um eine Frist
363 Der dt.Hw.er-Congreß u. die von demselben entworfene Hw.er- u. Gew.O. für Deutschland, S.183. 364 Todt in der 25. Sitzung des Frankfurter Hw.er- u. Gew.kongresses vom 11. Aug. 1848, Verhandlungen des ersten dt. Hw.er- u. Gew.-Congresses, S.198 f.
36S Schmidt in der 25. Sitzung des Frankfurter Hw.er- u. Gew.kongresses vom 11. Aug. 1848, Verhandlungen des ersten dt. Hw.er- u. Gew.-Congresses, S. 200 f. 366 Schützendorf in der 25. Sitzung des Frankfurter Hw.er- u. Gew.kongresses vom 11. Aug. 1848, Verhandlungen des ersten dt. Hw.er- u. Gew.-Congresses, S.199: 'wenn es wahr sei, daß dit: übrigt:n dt:Utscht:n Ländt:r auf Kostt:n PrtIUßms sich seit Jahr und Tag einer Mt:ngt: Mt:nScht:n t:ntlt:tligt hättm, so sei es 1UU' billig, diesdbt:n wit:tlt:r aufzunt:hmm, Wt:IIII es vt:rlangt würtk. • 367 Schlichting in der 25. Sitzung des Frankfurter Hw.er- u. Gew.kongresses vom 11. Aug. 1848, Verhandlungen des ersten dt. Hw.er- u. Gew.-Congresses, S. 200. VgI. auch Hering, I.c., S.201: "Kommt: ht:Utt: das Gt:rdz, daß Jt:dt:r hingt:ht:n könnt:, wo t:r wolle, so möchtt: "Uln bt:dt:nken, daß das plattt: Land in Prt:Ußt:n auch vid untaugliche ElemDJtt: zählte, denen könnt: n:cht Thor und Thür gt:iilfnd wt:rdtm, denn dit: Folgt: wt:rdt: dt:r Ruin dt:r Familit:n sein. •
III. Die Diskussion um Zunft oder Gewerbefreiheit
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zur Nachbesserung des Meisterstücks,368 sondern um die schon in den Zunftordnungen auffindbare Spanne zur Verbesserung der Kenntnisse 369• Gegen das Urteil des Nichtbestehens konnte sich der Geselle an den Gewerberat wenden (§ 36) oder das Meisterstück andernorts kontrollieren lassen (§ 34). Ein Bruch mit der zünftischen Tradition wurde in der Frage der Ehrlichkeit eines Bewerbers vollzogen, deren Bewertung als polizeiliche Angelegenheit eingestuft wurde. 37o Keine Meisterprüfung abzulegen brauchten die zur Fortführung des Betriebes berechtigten Meisterwitwen; ihnen war allerdings die Ausbildung von Lehrlingen nur dann gestattet, wenn diese ihr vom Innungsvorstand in Fällen besonderen Bedürfnisses zugewiesen worden waren (§ 56). Ein Konkurrenzverbot galt für Gesellen, die den Betrieb einer Witwe geleitet hatten: Sie durften sich frühestens sechs Monate nach dem Verlassen dieses Arbeitsplatzes um das Meisterrecht bewerben (§ 37).371 Nicht von dem Nachweis der Befähigung, wohl aber von der ordnungsgemäßen Absolvierung einer Lehrzeit wurden diejenigen Meister befreit, deren Handwerk wegen einer Störung "durch die Zeitverhältnisse" ihnen "den ferneren Unterhalt nicht zu bieten" vermochte und die deshalb zum Wechsel in einen anderen Gewerbezweig befugt waren (§ 41). Entgegen der Auffassung M.Simons 372 ergibt sich aus den Verhandlungen deutlich, daß jener Befähigungsnachweis durch das Bestehen einer Prüfung geführt werden sollte. 373 Grundsätzlich aber durfte jeder nur ein Handwerk ausüben (§ 43); lediglich wenn die entsprechenden Fachkräfte lokal fehlten, konnte der Betrieb eines Nebengewerbes erlaubt werden, "da die Gewerbe zunächst der Bedürfnisse des Publikums wegen da sind" (§ 44). Den Fabrikherrn sollte die Beschäftigung von Gesellen und die Ausführung handwerksmäßiger Arbeiten, die nicht der Fabrikation dienten, untersagt werden (§ 46). Sofern ihre Fabrikate mit Handwerksartikeln konkurrierten, sollte der Fabrikbetrieb beschränkt werden (§ 65). Die Tendenz zu einer fabrikmäßigen Fertigung durch Expansion wurde gleichfalls als Begründung dafür angeführt, durch die allgemeine Gewerbekammer die Gesellenzahl gesetzlich limitieren zu las368 So aber M. Simon, Hw. in Krise u. Umbruch, S. 255. 369
Vgl. Kap. 2 III 3.
Hering in der 25. Sitzung des Frankfurter Hw.er- u. Gew.kongresses vom 11. Aug. 1848, Verhandlungen des ersten dt. Hw.er- u. Gew.-Congrcsses, S.195. Zur Forderung der Ehrlichkeit nach den Zunftordnungen Kap. 2 III 1a. 370
371 Ein späterer Zusatzantrag verlangte, daß der den Witwen von den Innungen gewährte Schutz nicht zu Lasten der Gesel1en gehen dürfe, Der dt.Hw.er-Congreß u. die von demselben entworfene Hw.er- u. Gcw.-O. für Deutschland, S.l85. 372
M. Simon, Hw. in Krise u. Umbruch, S. 260.
373 In der 25. Sitzung des Frankfurter Hw.er- u. Gcw.kongresses vom 11. Aug. 1848 wurde der Antrag Trommlitz' auf Nichlaufnahme einer Fähigkeitsprüfung gerade nicht unterstützt, Verhandlungen des ersten dt. Hw.er- u. Gew.-Congrcsses, S. 208.
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sen (§ 42). Diese Maßnahme war Teil des Versuchs, den Katalog zünftischer Solidarnormen zur Existenzsicherung zu tradieren. Die staatlicherseits festzusetzende Begrenzung der Meisterzahl bei Übersetzung eines Handwerks fmdet sich ebenso (§ 42)374 wie die Beschränkung der Zahl der gleichzeitig auszubildenden Lehrlinge (§ 54). Letztere wurde jedoch im Gegensatz zum Zunftwesen, in weIchem sie neben einer NiveIIierung der Ausgangsbedingungen auch eine intensive Ausbildung zu sichern hatte,m nicht allein damit begründet, daß die Lehrlinge "während der Lehre arg vernachlässigt ... werden'~ sondern das Motiv der Nachwuchsreduzierung wurde ausdrücklich hervorgehoben: "Die große Zahl der Lehrlinge ... bilden den Gegenstand der gerechtesten Klagen, weil dadurch ... eine Menge Gesellen über den Bedarf entstehen" (§ 54). Sogar die Restriktion des Landhandwerks sollte eine Renaissance erfahren (§ 51). Keinen Niederschlag im Gewetbeordnungsentwurf des Frankfurter Handwerkerkongresses, der wegen seiner einseitigen Berücksichtigung der Interessen der selbständigen Handwerker auf Kritik stieß,376 fand der Versuch einer "Verbindungslinie zwischen Handwerk und Liberalismus", das in mannigfachen Ausrichtungen konzipierte Assoziationsmodell 377• Die Assoziation als Organisationsmuster der vormärzlichen Liberalen 378 sollte zwar den Zwangscharakter der Zunft verlieren, gleichzeitig aber deren solidarische existenzsichernde Struktur auf das zeitgemäße Niveau integrativer Verbände der gewerblich Tätigen transformieren. 379
bb) Der Frankfurter Arbeiterkongreß
Anklänge an den Assoziationsgedanken finden sich in der vom gleichfalls in Frankfurt a.M. tagenden Allgemeinen deutschen Arbeiterkongreß unter dem 374 Bereits im mittelalterlichen Zunftwesen fmden sich von der Obrigkeit verfügte Schließungen, Kap. 2 III 2b bb. 375 Kap. 2 III 2b aa.
376 D. Born, Die modemen Gew.ordner, S.3 Cf.; H.A. Meißner, Eine Gew.O. für Deutschland, S. 9 Cf.; A. Rosengarten, Mängel u. Vortheile des Entwurfs, S.3 Cf. Zur Wirkung des Frankfurter Kongresses auf die öffentliche Meinung in Nümberg J. Klings, Der KampC um die Gew.freiheit in Nürnberg, S. 75 ff. 377 H.-U. Thamer, Emanzipation u. Tradition, S.70. Verschiedene Konzepte bei F. Dael, Über Associationen im Gew.wesen, S. 145 Cf.; B. Harres, Beitrag zur Besprechung der gew.en Zeitfrage, S.5 Cf.; G. Kinke~ Hw., errette Dich!, S.146 ff.; O.R. Kreutzberger, Das Zunftwesen u. die Gew.freiheit, S.30; Roth, Ideen zur Wiederherstellung, S. 17 fC.; H. Semmig, Hw. hat keinen goldenen Boden, S.14 f. 378 Vgi. W. Schieder, Probleme einer Sozialgeschichte des frühen Liberalismus, S.13. 379 J. Bergmann, Wirtschaftskrise u. Revolution, S.243; D. Langewiesche, Liberalismus u. Demokratie in Würtlemberg, S. 212 f.; C. Lipp, Württembergische Hw.er, S. 369.
III. Die Diskussion um Zunft oder Gewerbe&eiheit
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30. Sept. 1848 vorgelegten ''Denkschrift über den Entwurf einer allgemeinen deutschen Gewerbe-Ordnung des Handwerker- und Gewerbe-Congresses". Die dem Frankfurter Meisterkongreß ferngebliebenen Gesellen konstituierten sich zunächst als eigener Gesellenkongreß, der trotz der Heterogenität der gewerblichen Unterschicht um die Fabrikarbeiter zu einem allgemeinen Arbeiterkongreß erweitert wurde. 380 Nichtsdestoweniger darf aus diesem dualen Kongreßablauf nicht auf einen ökonomischen oder gewerbepolitischen Bruch zwischen Meistem und Gesellen geschlossen werden. 381 So wenig der traditionelle handwerkliche Kleinbetrieb von den Arbeitskämpfen der Gesellen betroffen war 382 so wenig unterschied sich das Angriffsobjekt der gewerbepolitischen Intentionen. Der Protest gegen die Gewerbefreiheit stand auch im Mittelpunkt der Vorstellungen der Gesellen. 383 Die Konzeption der Gewerbeverfassung differierte hingegen recht deutlich von der der Meister. Unter Innungen wurden reichsweite Verbände "aller ein besonderes Berufsgeschäft treibenden Producenten" verstanden, die "nicht blos ... die Handwerke und gewisse Fabriken ..., sondern vielmehr '" alle Industriezweige sowohl des Handels und Ackerbaues, als sämmtlicher Gewerbe'~ erfassen sollten. Da diese Innungen gerade keine Interessenvertretungen der selbständigen Gewerbetreibenden sein sollten, sondern Organisationen, "welchen Jedermann (auch der Unselbständige), je nach der Natur seines Berufsgeschäftes ohne Weiteres gesetzlich angehört'~ konnte der Erlaß der Statuten keine berufsständische Selbstverwaltungsangelegenheit sein, sondern mußte "durch Reichsgesetze" erfolgen. Tritt hier bereits der horizontale korporative Gedanke zugunsten einer vertikalen Berufsgliederung nach Sachgesichtspunkten zurück, so wird der Anklang an das assoziative Prinzip noch deutlicher in den projektierten freiwilligen Vereinen der Innungsmitglieder, welche - und nicht die Innungen! - in der ''Förderung sämmtlicher Standesinteressen ... ihren Wirkungskreis (haben sollten), welcher sich auf Besprechung aller socialen Verhältnisse, Berathung von Gesetzvorschlägen, Beschaffung von Hülfsmitteln zur geistigen Ausbildung, Leitung des geselligen Ver-
380 Beschlüsse des allgemeinen dt. Arbeiterkongresses, S.3 f.; vgl. W. Wemet in: H. Reiners / W. Wemet, Die Hw.erbewegung, S.55. Zur differenzierten Struktur der protestierenden Unterschichten und zur exponierten Stellung der Gesellen W. Kaschuba, Vom Gesellenkampf zum sozialen Protest, S. 394 f. Zum weiteren Übergang in die Arbeiterbewegung T. Offermann, Die regionale Ausbreitung der frühen dt. Arbeiterbewegung, S. 419 Cf.; W. Schieder, Die Rolle der dt. Arbeiter in der Revolution, S. 43 Cf.
381 F. Lenger, Zwischen Kleinbürgertum u. Proletariat, S.186 f. Von einem Vorgehen "Gesellen gegen Meister-Kaste", wie es K.-G. Schirrmeister, Menschenrechte in den Petitionen, S. 139, formuliert, kann keine Rede sein. 382
J. Bergmann, Wirtschaftskrise u. Revolution, S. 101 ff.
383 W. Wemet in: H. Reiners /W. Wernet, Die Hw.erbewegung, S. 56. Für Gew.&eiheit plädierte etwa der Schlossergeselle H. Fischer, Der Verfall der Gew. in Deutschland, S. 242.
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
kehrs, Errichtung von Hülfslwssen u.s.w. erstrecken Iwnn".384 Entsprechend erschienen den Gesellen "Behörden, welche, wie die in Vorschlag gebrachten Gewerberäthe, zugleich gesetzgebende, richterliche und administrative Funktionen auszuüben haben, höchst gefährlich und nicht im Entferntesten zeitgemäß zu seyn".385 Wegen der Vollmitgliedschaft der Gesellen in den Innungen entfielen besondere Gesellenschaften. 386 Obwohl dies nicht ausdrücklich ausgesprochen wurde, konnte die von den Gesellen unter Akzentuierung des theoretischen Teils befürwortete Meisterprüfung387 nicht Voraussetzung für die Innungsmitgliedschaft, sondern nur für die selbständige Ausübung eines Gewerbes sein. Eine bei der Veränderung des Wohnorts von Ungeprüften abzulegende Nachprüfung lehnten die Gesellen ab, "da kein Gesetz rückwirkende Kraft haben Iwnn "388. Für unzulässig erachtet wurde gleichfalls die Beschränkung des freien Niederlassungsrechts bei der Übersetzung eines Gewerbes, "weil dadurch gewissen Innungsgenossen Vorrechte eingeräumt würden".389 Als Fundament der gesamten Innungsverfassung sollte die Existenzsicherung vielmehr dadurch erfolgen, daß "allen Producenten, sowohl Fabrilwnten als Handwerkern, ihre Erwerbssphäre, also auch die Zahl der von ihnen zu beschäftigenden Personen vorgeschrieben wird, ... ein Obergriff des Einen in den Wirkungskreis des Andern (also) schon dadurch abgewendet" war 39O• Die auf die Kenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen beschränkte Prüfung vor Antritt der Lehre schien den Gesellen "ganz überflüssig zu seyn'~ wohingegen sie eine Ausdehnung der Probezeit auf zwei Monate befürworteten, allerdings unter Anrechnung auf die spätere Lehrzeit 391 Diese wollten sie auf mindestens zwei und höchstens drei Jahre beschränkt wissen, da der Lehrling auch als Geselle weiter lerne und Minderbefiihigte schon wegen der für opportun erachteten Gesellenprüfung eine längere Zeit in Anspruch nehmen müß-
384
Denkschrift über den Entwurf einer allgemeinen dl. Gew.-O. zu §§ 1-5.
38S
Denkschrift über den Entwurf einer allgemeinen dt. Gew.-O. zu Tit.11. Zur Organisation des Hw.s nach den Vorstellungen des Frankfurter Gesellenkongresses P. John, Hw. im Spannungsfeld, S.203. 386 Denkschrift über den Entwurf einer allgemeinen dt. Gew.-O. zu §§ 27, 28. Dazu W.E. Biermann, Karl Georg Winkelblech, S.283; P.H. Noyes, Organization and revolution, S.207. Der Breslauer Gürtlergeselle W. Weiß, Beleuchtung der Ursachen des Verfalls, S.225, schlug eine paritätische Mitwirkung der Gesellenschaft an der Innungsverwaltung vor.
387 Denkschrift über den Entwurf einer allgemeinen dt. Gew.-O. zu § 33. 388
Denkschrift über den Entwurf einer allgemeinen dl. Gew.-O. zu § 33.
389 Denkschrift über den Entwurf einer allgemeinen dl. Gew.-O. zu §§ 42,43. 390
Denkschrift über den Entwurf einer allgemeinen dl. Gew.-O. zu § 31, vgl. auch zu §§ 42,43.
391
Denkschrift über den Entwurf einer allgemeinen dl. Gew.-O. zu § 18.
III. Die Diskussion um Zunft oder Gewerbefreiheit
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ten. 392 Die vorgeschlagenen halbjährlichen Zwischenzeugnisse seien zur Kontrolle der Meister denkbar ungeeignet, "da es im Interesse des Meisters liegt, zur Verminderung seiner Verantwortlichkeit bei der Gesellenprüfung möglichst schlechte Zeugnisse zu ertheilen".393 Ein Zwang zum Wandern wurde ausdrücklich zurückgewiesen, womit die Einführung der Arbeitsbücher eine "lästige Polizeimaßregel" wurde. 394
ce) Die Gewerbefrage in der Nationalversammlung
In der Nationalversammlung wurde die Frage der Gewerbeverfassung im wesentlichen bei der Diskussion um die Grundrechte des deutschen Volkes erörtert. 393 Gegenüber Forderungen auf Herstellung der vollen Gewerbefreibeit396 ließ der Grundrechtsentwurf des Verfassungsausschusses 397 das Problem unentschieden und wollte lediglich jedem Deutschen überall den Gewerbebetrieb zu denselben Bedingungen wie den Angehörigen des jeweiligen Staates gestatten, bis die Verhältnisse reichsrechtIich vereinheitlicht würden (Art. I § 2).398 Der Ausschuß für Volkswirtschaft hingegen erkannte zwar in seinem Vorschlag 399 jedem ''Reichsbürger ... das Recht (zu), an jedem Orte des Reichsgebiets ... jeden Nahrungszweig zu betreiben'~ jedoch nur unter den "Bedingungen (, die) ... für den Gewerbbetrieb durch eine Gewerbeordnung für ganz Deutschland von der Reichsgewalt festgesetzt" werden sollten (§ 1). Damit war zwar eine Ab-
392
Denkschrift über den Entwurf einer allgemeinen dt. Gew.-o. zu §§ 20, 22.
393 Denkschrift über den Entwurf einer allgemeinen
dt. Gew.-O. zu § 21.
§§ 22, 23. Für den Wanderzwang dagegen Art. III § 2 des Entwurfs zu den Vorlagen für den volkswirtschaftlichen Ausschuß der Nationalversammlung vom 3. Aug. 1848, Vorschläge des Frankfurter Gesellen-Kongresses, S. 211 Cf. 394 Denkschrift über den Entwurf einer allgemeinen dt. Gew.-O. zu
395 Im einzelnen M. Simon, Hw. in Krise u. Umbruch, S. 127 Cf. Zur Rolle der Berufsstände in den Verfassungsberatungen O. Suhr, Die berufsständische Verfassungsbewegung, S.73 Cf.; zu den sozialen Trägem der Verfassungskampagne C. K1essmann, Zur Sozialgeschichte der Reichsverfassungskampagne, S.283 Cf. Zur Diskussion um die soziale Gestaltung des Arbeitsmarkts W. Siemann, Wirtschaftsliberalismus 1848 /49 zwischen Sozialverpflichtung u. Konkurrenzprinzip,
S.407 Cf.
396 Kolb in der 37. Sitzung vom 13. Juli 1848, Stc:oographischer Bericht über die Verhandlungen der dt. constituirenden Nationalversammlung 2, S. 856.
397 Vorgelegt in der 30. Sitzung vom 3. Juli 1848, Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der dt. constituirenden Nationalversammlung I, S. 681 Cf. 398 Vgl.
dazu H. Scholler, Die sozialen Grundrechte in der Paulskirche, S. 58 f.
399 Vorgelegt in der 30. Sitzung vom 3. Juli 1848, Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der dt. constituirenden Nationalversammlung I, S. 689 Cf.
390
Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
sage an die Zunftverfassung, ebenso aber an die unbedingte Gewerbefreiheit formuliert worden. 400 Da dieser Passus wörtlich in § 3 des Gesetzes, betreffend die Grundrechte des deutschen Volks, vom 27. Dez. 1848401 und von dort aus in § 133 der Verfassung des deutschen Reiches vom 28. März 1849402 einging, ist die Behauptung, das Verfassungswerk der Nationalversammlung habe die Gewerbefreiheit garantiert, 403 nicht haltbar. 404 Die Diskussion in dem mit den Vorarbeiten zu einer Gewerbeordnung betrauten volkswirtschaftlichen Ausschuß mündete ein in die Vorlage eines von der Ausschußmehrheit getragenen Hauptentwurfs nebst zwei Minoritätserachten sowie eines Gegenentwurfs. 40S Der Hauptentwurf einer Gewerbeordnung für das deutsche Reich 406 klammerte aus seinem Geltungsbereich jede wissenschaftliche bzw. einer wissenschaftlichen Ausbildung bedürfende oder künstlerische Tätigkeit, das gesamte Medizinal- und Apothekenwesen sowie den Sektor der Land- und Forstwirtschaft und des Bergbaus aus (§ 17). Alle Befugnisse zur Erteilung von Gewerbekonzessionen sollten aufgehoben sein (§ 1)407, wobei als höchste von den einzelnen Staaten zu fordernde Bedingungen für die selbständige Ausübung eines Gewerbes ein Mindestalter von 25 Jahren und der Befähigungsnachweis genannt wurden (§ 3). Zulässig waren allerdings landes400 Motive zum Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses, Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der dt. constituirenden Nationalversammlung 1, S. 693: "Denn dadurch, daß Jedem das Recht eingeräumt wird, überall in Deutschland Gewerbe zu treiben, sobald er die im ganzen Reiche gültigen Bedingungen für den Gewerbebetrieb erfüllt, sind alle dieses Recht verletzenden Zunftprivilegien und Regierungsbefognisse zur Ertheilung von gewerblichen Concessionen in den einzelnen Staaten aufgehoben, und indem bestimmt wird, daß eine deutsche Gewerbeordnung die Bedingungen festsetzen soll, welche jeder Gewerbdreibende zu erfüllen hat, ist erklärt, daß in Deutschland unbedingte Gewerbefreiheit nicht stattfinden soll. " 401
Reichs-Gesetz-Blatt 1848, S. 49.
402
Reichs-Gesetz-Blatt 1849, S. 101.
So E.R. Huber, Dt. Verfassungsgeschichte 2, S. 778; W. Schneider, Wirtschafts- u. Sozialpolitik im Frankfurter Parlament, S. 41; HA. Strauss, Staat, Bürger, Mensch, S.63; V. Valentin, Geschichte der dt. Revolution, S. 316; W. Wede~ Die volkswirtschaftlichen Ansichten des Liberalismus, S. 72. 403
404 Zutreffend J.-D. Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche, S. 227 ff. Der die Freiheit der Berufswahl und -ausbildung proklamierende § 158 der Frankfurter Reichsverfassung stand in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Gewerbeverfassung, sondern richtete sich gegen die im Vormärz ausgesprochenen Universitätsverbote, J.-D. Kühne, l.c., S. 504. 40S Ausführlich zu Einsetzung, Zusammensetzung und Arbeit des volkswirtschaftlichen Ausschusses K. Klaßen, Mitverwaltung u. Mitverantwortung, S. 66 ff. Vgl. noch P. Albrecht, Die volkswirtschaftlichen u. sozialen Fragen, S. 8 ff.; L. Oelsner, Die wirthschafts- u. sozialpolitischen Verhandlungen, S. 81 ff.; H. Scholler, Die sozialen Grundrechte in der Paulskirche, S. 57 f.
406
Verhandlungen der dt. verfassunggebenden Reichsversammlung, S. 891 ff.
Zur über die bloße Abwehr staatlicher Eingriffe hinausgehenden Drittgerichtetheit dieser Maßnahme J.-D. Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche, S. 231. 407
Ill. Die Diskussion um Zunft oder Gewerbefreiheit
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rechtliche Beschränkungen für die Errichtung oder Veränderung gefahrlicher gewerblicher Anlagen, für die Benutzung von Gewässern zum Gewerbebetrieb und "in Bezug auf solche Gewerbe, bei welchen durch ungeschickten Betrieb oder durch Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden das Gemeinwohl gefährdet werden kann" (§ 18). Der Nachweis der Befahigung war durch die Ablegung einer reichsweit geltenden Prüfung (§ 4) oder das Zeugnis einer technischen Bildungsanstalt (§ 5) zu führen. Die dadurch erlangte Gewerbebefugnis erstreckte sich ohne weiteres auf alle der Produktvollendung dienenden Hilfsgewerbe (§ 6). Das Ausbildungswesen blieb zweigeteilt mit einem Befahigungsnachweis als Voraussetzung des Übergangs vom Lehrlings- in den Gesellenstand. Hinsichtlich der umstrittenen Frage des Wanderzwangs wurde eine Festlegung vennieden und nur die Erschwerung des Wanderns untersagt (§ 8). Zur Vertretung der gewerblichen Interessen waren in den landesgesetzlich zu bestimmenden Gewerbebezirken von den Gewerbetreibenden unter Beteiligung der Gesellen und Gehilfen gewählte Gewerberäte vorgesehen (§§ 12, 13); die Begutachtung von Gesetzesvorhaben mit Bezug auf die Gewerbeverhältnisse sollten die überbezirklich zu organisierenden Gewerbekammern leisten, aus denen eine allgemeine deutsche Gewerbekammer zu errichten war (§§ 14,16). Entsprechend dem Assoziationsgedanken konnten sich Gewerbetreibende gleicher Fachrichtung zu Innungen vereinigen, an denen den Gesellen und Gehilfen die Teilnahme einzuräumen war, ohne daß den Innungen irgendwie geartete Zwangsrechte beigelegt werden durften (§§ 10,11). Insoweit wich der Entwurf nicht unerheblich von den Vorstellungen des Frankfurter Meisterkongresses ab. 408 Das Minoritätserachten der Ausschußmitglieder M. Mohl, Schirmeister und Merck409 akzentuierte dagegen deutlich das gewerbefreiheitliche Element. Der Befahigungsnachweis sollte vollständig entfallen und ein Beleg der technischen Tüchtigkeit nur von denjenigen Gewerbetreibenden unter 21 Jahren verlangt werden, deren Existenz nicht durch ein ausreichendes Vennögen gesichert erschien; Bank-, Großhandels- und Fabrikgeschäfte waren immer erlaubnisfrei (§§ 3-3b). Zwar sollten keinerlei Beschränkungen in der Beschäftigung von Hilfskräften bestehen, jedoch korrespondierte dem ein umfangreicher Katalog von Regelungen zum Schutz der abhängig Beschäftigten (§§ 3d-3g). Die Strukturierung in eine vorgeschriebene Lehrlings- und Gesellenzeit wurde gänzlich aufgegeben (§ 8) und gleichzeitig den auf freiwilliger Basis gebildeten Innungen verboten, diesbezüglich oder hinsichtlich der Bedingungen des Ge408 H. Stuke, Materielle Volksinteressen u. liberale Ideale, S. 40 ff. Zum Frankfurter Meisterkongreß Kap. 4 III 2b aa. 409
Verhandlungen der dt. verfassunggebenden Reichsversammlung, S. 891 ff.
26 Zi.kow
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
werbebetriebs Regelungen zu treffen (§ 11). Die Einrichtung von Gewerberäten wurde abgelehnt (zu § 13) und lediglich die Institutionalisierung von Gewerbekammern für den Gewerbestand und Handelskammern für den Handelsstand vorgesehen (§ 14). Weit den Vorstellungen des Frankfurter Handwerkerkongresses entgegen kam der Gegenentwurf der Ausschußmitglieder Degenkolb, Veit, Becker und Lette. 41o Das ähnlich wie im Hauptentwurf definierte Gewerbe (§ 1) wurde in Handwerke und Fabriken unterteilt (§ 8). Voraussetzung für den Betrieb eines Handwerks war die Mitgliedschaft in einer Innung, der Meister, Gesellen und Lehrlinge angehörten (§ 10). Die durch gewählte Innungsvorstände vertretenen Innungen waren Selbstverwaltungskörperschaften, die insbesondere eigene Innungsordnungen aufzustellen hatten (§§ 12, 13). Durch die Wahl in sämtlichen Innungen eines Bezirks wurde ein Handwerksrat gebildet, dem auch die Gesellenschaften als Vertretung der Gesellen in den Innungen (§ 16) angehören mußten (§ 29). Daneben wurde ein Handwerksschiedsgericht gewählt, das unter Vorsitz eines Rechtskundigen über innerhandwerkliche Streitigkeiten zu befinden hatte (§ 31). Zum Erwerb der Innungsmitgliedschaft war die Ablegung einer Meisterprüfung erforderlich, die im ganzen Reich galt und die notwendigen Hilfsarbeiten umfaßte (§§ 18, 20, 21). Beim Übergang zu einem anderen Handwerk war nur die Befahigung dazu, nicht aber die Absolvierung einer Lehrzeit nachzuweisen (§ 21). Die vor der Zulassung zur Meisterprüfung verlangte dreijährige Arbeit als Geselle (§ 18) setzte das Bestehen der Gesellenprüfung voraus (§ 15). Ob diese Dienstzeit auf der Wanderschaft verbracht werden mußte, ließ der Entwurf offen. Das Wandern sollte jedenfalls nicht erschwert (§ 11), vielmehr durch neben den Kranken- und Invalidenkassen einzurichtende Wanderkassen unterstützt werden (§ 16). Im Gegensatz zur Zahl der Lehrlinge durfte die der bei einem Meister beschäftigten Gesellen keinen Beschränkungen unterworfen werden (§ 23). Der Betrieb einer Fabrik erforderte gleichfalls den durch eine Prüfung oder andere Belege zu führenden Nachweis der Befahigung (§ 32). Im übrigen war das in einer besonderen Fabrikordnung mit zahlreichen Vorschriften zum Schutz der Beschäftigten (§§ 35-41) geregelte Fabrikwesen organisatorisch ähnlich gegliedert wie das Handwerk (§§ 4446). Eine Besonderheit bestand allerdings in dem zur Mitbestimmung in betrieblichen Fragen (§ 43) berufenen Fabrikausschuß, der sich "a) aus einem Mitgliede jeder selbstständigen Gruppe der Fabrilazrbeiter, und b) einem Werkmeister jeder Gruppe, beide durch die Arbeiter gewählt: c) aus dem Inhaber der Fabrik oder dem von ihm bestimmten Stellvertreter" zusammensetzte
410 Verhandlungen der dt. verfassunggebenden Reichsversammlung, S. 921 ff. Zur Unterstützung dieses Entwurfs durch die Handwerker M. SimOD, Hw. in Krise u. Umbruch, S. 163.
III. Die Diskussion um Zunft oder Gewerbefreiheit
393
(§ 42). Als gemeinsame Dachorganisationen von Handwerk und Fabrik waren Kreis- und Zentralgewerbekammern bis hin zu einer allgemeinen deutschen Gewerbekammer vorgesehen (§§ 47-51). Die Entwürfe des Volkswirtschaftlichen Ausschusses wurden am 26. Feb. 1849 der Nationalversammlung in deren 177. Sitzung übergeben. 411 Die Beratungen der Reichsverfassung und das baldige Ende der Nationalversammlung führten jedoch dazu, daß in ein konkretes Legislationsstadium nicht mehr eingetreten werden konnte. 412
c) Zwischen Revolution und Gewerbeordnung
Mit der Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse dominierten in den beiden Dezennien zwischen der Revolution und der (nord-)deutschen Gewerbeordnung eindeutig die die Gewerbefreiheit fordernden Stimmen. 413 Mit dem als nur noch nachteilig beurteilten Zunftwesen414 wurde dessen Ausbildungsorganisation verworfen. Der Lehrzwang wurde ebenso abgelehnt wie das obligatorische Wandern,41S dem man wegen der verbesserten Kommunikationswege keinerlei FortbildungsefIekt mehr zuerkannte 416• Das vom Rechtsstaat garantierte Urrecht des Menschen auf ungehinderten Gebrauch seiner geistigen und körperlichen Kräfte könne auch durch die Anordnung von Prüfungen nicht beschränkt werden,417 so daß ein Befähigungsnachweis nicht verlangt werden
411 Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der dt. constituirenden Nationalversammlung 7, S. 5422 f. 412 W. Wemet in: H. Reiners/W. Wemet, Die Hw.erbewegung, S. 66. Zum Scheitern der Revolution von 1848/49 K.-D. Dobat, Zwischen Preußen und Reich, S.191 ff.
413 E.F. Goldschmidt, Die dt. Hw.erbewegung, S. 89 ff. Zur Wirtschaftsentwicklung Kap. 4 III 2. Zum Umschwung seit der Mitte der 50er Jahre T.S. Hamerow, Restoration, Revolution, Reaction, S. 238 ff. Vgl. noch J. Wietog, Der Wohnungsstandard der Unterschichten in Berlin, S. 114 ff. 414 Vgl. Anonymus, Das Concessionswesen, S.218; B. Friedmann, Die Gew.freiheit, S. 51; J.C. Leuchs, Realrechte u. Gewerbs-Privilegien, S.25 ff.; H. Müller, Wie ist dem Nothstande des Hw.ers abzuhelfen?, S.19 ff.; M. Wirth, Ueber die vermeintlichen Gefahren der Gew.freiheit, S.1511 ff.
41S V. Böhmert, Freiheit der Arbeit!, S.22 {f.; F.H., Wie wirkt das Zunftwesen auf das Einkommen des Hw.ers?, S. 23 ff.; C.v. Orsbach, Zünfte u. Innungen (nach dem Gew.gesetze vom 9. Feb. 1849) oder vollständige Gew.freiheit?, S. 46 ff.; E. Pickford, Zunftwesen, Gew.O. oder Gew.freiheit?, S.19 ff.; H. Rentzsch, Zünfte oder Gew.freiheit?, S. 48 {f., 55 {f.; H. Schröder, Elf Briefe über die Bürgerliche Freiheit, S. 10 ff. 416
C. Baurmeister, Zunft oder Gew.freiheit?, S. 54 f.
417 C. Baurmeister, Zunft oder Gew.freiheit?, S. 18 Cf.; J. Prince-Smith, Für volle Gew.freiheit!, S. 4; F.W. Ziegler, Wie ist dem HW.erstande zu helfen?, S. 14.
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
dürfe418. Das Prinzip der Konkurrenz beherrsche nicht nur den Gewerbestand, sondern alle Teile des Lebens. 419 Die Kennzeichnung, nicht mehr das Prinzip der Gewerbefreiheit habe zur Diskussion gestanden, sondern nur noch die Bewältigung der sich aus ihm ergebenden sozialen Probleme,420 ist durchaus treffend. Selbst der von dem späteren österreichischen Minister für Handel und Ackerbau Albert Schäme im Jahre 1855 formulierte ''Abbruch und Neubau der Zunft" beinhaltete kein Plädoyer für eine Restauration des Zunftwesens; 421 er war vielmehr das Konzept einer genossenschaftlichen Gliederung der Gewerbetreibenden, wobei diese '''Zunft' das hauptsächliche Organ der Armenpflege für den industriellen Theil der städtischen Bevölkerung werden" sollte. 422 Hier wie in dem Entwurf von Victor Aime Huber war die Genossenschaft als gemeinsame Organisation von handwerksmäßiger und abhängiger industrieller Arbeit skizziert. Von der Gewerbefreiheit ausgehend beschrieb Huber die gewerbliche Genossenschaft als Selbsthilfestrategie, die zwar "eine Beschränkung der Selbstständigkeit des einzelnen" fordere, dabei aber "bei dem Genuß aller Vortheile des Großbetriebs und der Großwirthschaft" mit großgewerblichen Fertigungsformen konkurrieren könne, ''für dßs eigene Gemeingeschäft mit gleichem Vortheil Aller".423 Praxisnah pronociert wurde der genossenschaftliche Ansatz von Hermann Schulze-Delitzsch, der neben großmaßstäbliche lokale Genossenschaften mit primär sozialer Orientierung gewerkschaftliche Genossenschaften einzelner Branchen zur Erringung von Marktchancen durch Kapitalkonzentration setzte; Kristallisationspunkt war die Organisation des handwerklichen Kredits in den durch alle Handarbeiter eines Orts gebildeten Kreditverbänden. 424 Schulze-Delitzsch war auch einer der maßgebenden Initiatoren des Kongresses deutscher Volkswirte, der sich auf seiner vom 20. bis 418 Anonymus, Die Meisterprüfungen der Hw.er, S. 324 ff.; V. Böhmert, Freiheit der Arbeit!, S. 41 ff.; F.H., Wie wirkt das Zunftwesen auf das Einkommen des Hw.ers?, S. 27 ff.; C.v. Orsbach, Zünfte u. Innungen (nach dem Gew.gesetze vom 9. Feb. 1849) oder volls1ändige Gew.freiheit?, S. 46 ff.; E. Pickford, Zunftwesen, Gew.O. oder Gew.freiheit?, S. 22 ff.; H. Rentzsch, Zünfte oder Gew.freiheit?, S. 69 ff.; H. Schröder, Elf Briefe über die Bürgerliche Freiheit, S. 10 ff. 419 420 421 422
K. Knies, Ueber einige Maßregeln, S. 2.
C. Quante, Die geistesgeschichtlichen Grundlagen u. die Entwicklung der Gew.freiheit, S. 95. So aber E.F. Goldschmidt, Die dt. Hw.erbewegung, S. 90 f.
A.E.F. Schäme, Abbruch u. Neubau der Zunft, S. 42 ff., Zitat auf S. 44. Letzte Zweifel an seinem Plädoyer für die Gewerbefreiheit beseitigte Schäme in seinem späteren Beitrag "Vorschläge zu einer gemeinsamen O. der Gew.befugnisse", S. 230 ff. Zu Schäffle vgI. RJ. Gentry, Organic Sodal Thougt and Mitteleuropa, S. 57 ff.
423 VA. Huber, Hw.erbund u. Hw.emoth S. 27. Zu Huber I. Paulsen, Viktor Aim6 Huber als Sozialpolitiker, S. 17 ff. 424 H. Schulze-Delit7SCh, Associationsbuch für dt. Hw.er u. Arbeiter, S. 113 ff. Dazu R. AIdenhoff, Schulze-Delitzsch, S.77 ff.; dies., Das Selbsthilfemodell als liberale Antwort, S. 57 ff.; E. Boettcher, Hermann Schulze-Delitzsch u. der privatwirtschaftliche Förderungsauftrag, S. 94 ff.
III. Die Diskussion um Zunft oder Gewerbefreiheit
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23. Sept. 1858 in Gotha abgehaltenen ersten Tagung entschieden gegen Zunft-, Lehr- und Wanderzwang sowie den Befähigungsnachweis aussprach und diesen Beschluß bis zum fünften, vom 8. bis 11. Sept. 1862 in Weimar tagenden Kongreß kontinuierlich wiederholte; die genossenschaftliche Selbstverwaltung wurde "als vorzügliche(s) Mittel zur Selbsthebung der unbemittelten Gewerbetreibenden und der arbeitenden Klasse /I angesehen. 425 Der Assoziationsgedanke griff immer weiteren Raum,426 um unter dem Primat der Gewerbefreiheit eine gesellschaftliche Atomisierung zu verhindern 421. Er wurde gleichzeitig von den Gegnern der Gewerbefreiheit in Anspruch genommen, die einen Schutz des Handwerks gegen das Großgewerbe durch dessen Bindung in zunftähnlichen Korporationen erstrebten. 428 Eine Reform des Zunftwesens selbst sollte in erster Linie durch eine Aufhebung der Scheidung der Arbeitsgebiete erreicht werden. 429 Andere Stimmen wollten wie diese Abgrenzung die gesamte Zunftorganisation einschließlich des tradierten Ausbildungsgangs beibehalten. 430 Angesichts der mit der Revolution gescheiterten Hoffnung auf eine Renaissance des Zunftwesens verharrten die Handwerker in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts allerdings überwie425 Bericht über die Verhandlungen der ersten Versammlung des volkswirthschaftlichen Congresses zu Gotha, S. 7 f. Vgl. weiterhin die Zweite Versammlung des Congresses deutscher Volkswirthe zu Frankfurt a.M., S.2 ff.; Die dritte Versammlung des Congresses deutscher Volkswirthe zu Köln, S. 1651 f.; Congreß deutscher Volkswirthe: Vierte Jahresversammlung zu Stuttgart, S. 2037 ff. Zu den Kongressen insgesamt M. Erdmann, Die verfassungspolitische Funktion der Wirtschaftsverbände, S. 235 ff.; G. Stalmann, Der Kongreß dt. Volkswirte, S. 5 ff.
426 Vgl. nur Anonymus, Die o. des Hw.sbetriebes, S. 106 ff.; A. Bulmerincq, Baltische Schragen, S.35 ff.; A. Döll, Zeitgemässe Vorschläge zur Hebung des Gew.standes, S.21 ff.; Escherich, Vorschläge zur Milderung der materiellen Noth, S. 40 f.; W. Lincke, Gew.e u. sociale Fragen, S. 16 ff.; F. Schrader, Die Associationen, S.l ff.; J.J. Vogt, Die Hebung des Hw.erstandes, S.122 ff.; F.W. Ziegler, Wie ist dem Hw.erstande zu helfen?, S. 39 ff. Ein fiktiver Briefwechsel zwischen einem Verteidiger der Zunft und einem Anhänger des Assoziationsgedankens fmdet sich bei C.V. Boehmert, Briefe zweier Hw.er, pass. Zur Fortbildung unter dem Assoziationsgedanken F.W. K1umpp, Die gew.e Bildung, S. 109 ff. 427 W. Fischer, Das Verhältnis von Staat u. Wirtschaft, S. 337 ff. 428 Spondäus, Patriotische Phantasien, S. 126 ff.; vgl. auch Anonymus, Schutz der kleinen Gew.,
S. 50 f.; S. Becher, Die Organisation des Gew.wesens, S.9 ff.; A. Kotelmann, Die Ursachen des Pauperismus, S. 166 f. Zum Verhältnis des Genossenschafts- zum Zunftwesen VA. Huber, Über die allgemeine volkswirthschaftliche u. sociale Bedeutung, S. 44 ff.
429 Vgl. FA. Berg, Wird der goldene Boden des Gew.betriebes ... ?, S.9; v. Gessler, Zur Gew.organisation, S.443 ff.; E. Schübler, Gew.freiheit u. Gew.O., S. 14 f.; ders., Die Noth der Hw.er, S.14 f. 430 Vgl. im einzelnen Anonymus, Die Lehrlinge u. Gesellen des Hw.s, S. 314 ff.; Anonymus, Offener Protest aus dem Volke, S.4 ff.; Anonymus, Der Zünfte Ehre u. Vortheil, S. 14 ff.; W.E. Backhaus, Schutz der Arbeit, S. 57 ff.; Bitzer, Die Zünftigkeit des Hw.s, S. 249 ff.; F.J. Crusius, Ueber die Entwickelung der gegenwärtigen Verhältnisse, S. 11 ff.; Falk, Die Forderungen der Hw.er, S.20; H. Grote, Gew.freiheit im allgemeinen, Sp. 139 f.; C. Moufang, Die Hw.erfrage, S. 30 f.
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
gend in Resignation gegenüber der überwältigenden Zahl von Stimmen, die öffentlich die Gewerbefreiheit propagierten. 431 Doch fonnierte sich gegen deren gesetzliche Einführung die handwerkliche Opposition in Gestalt des Deutschen Handwerkerbundes,432 auf dessen erstem Handwerkertag vom 5. bis 8. Sept 1862 in Weimar "aufs Allerentschiedenste ... (die) Pest freigewerblicher Zustände" angeprangert wurde433• Der vom 25. bis 28. Sept 1863 in Frankfurt a. M. versammelte zweite deutsche Handwerkertag forderte die allgemeine Einführung von Gesellen- und Meisterprüfung als Voraussetzung zur Erlangung der Mitgliedschaft in der Zwangsinnung. 434 Die Arbeit des Deutschen Handwerkerbundes wie die seiner Nachfolgeorganisation, des Norddeutschen Handwerkertages, blieb allerdings bis zur Reichsgründung ohne Erfolg. 435 IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung 1. Preußen
Die Lage der Gewerbeverfassung des preußischen Staates war nach dessen Arrondierung 1815 höchst differenziert Neben den Gebieten, in denen das Gewerbesteueredikt von 1810 und das Gewerbepolizeigesetz von 1811 galten,436 stand das ehemalige französische hanseatische und Lippe Departement, wo die Gewerbefreiheit auf den Regelungen des Revolutionsjahrs 1791 beruhte437. In den zum früheren Königreich Westfalen gehörenden Landesteilen war durch Gesetz vom 5. Aug. 1808 die Ausübung eines Gewerbes nur noch von der Lösung eines Gewerbescheins abhängig gemacht und durch Dekret vom 22. Jan 1809 die Autbebung des Zunftwesens verdeutlicht worden. 438 Ent431 T. Offermann, Mittelständisch-kleingew.e Leitbilder, S. 542 f.; H. Sedatis, Liberalismus u. Hw., S.I04.
432 M. Erdnlann, Die verfassungspolitische Funktion der Wirtschaftsverbände, S. 92 ff.; T. Offermann, Mittelständisch-Ideingew.e Leitbilder, S. 530 ff. Zur Gründungsgcschichte N. Schüren, Geschichte des dt. Hw.erbundes, S. 19 ff. 433 434 435 436 437
Die stenographischen Verhandlungen des dt. Hw.ertags zu Weimar, S.198. Der zweite dt. Hw.ertag zu Frankfurt am Main, S. 26 f., 73, 112. M. Erdmann, Die verfassungspolitische Funktion der Wirtschaftsverbände, S. 97 ff. Dazu Kap. 4 Il 2.
H. Roehl, Beiträge zur Preussischen Hw.erpolitik, S.176; dazu Kap. 41. In Aachen waren die Zünfte durch ein französisches Dekret vom 26. März 1798 aufgehoben worden, J. Koch, Geschichte der Aachener Nähnadelzunft, S. 121 f.
438 Gesetz vom 5. Aug. 1808, die Einführung einer Patent-Steuer betreffend, Art. 2, Gesetz-Bülletin des Königreichs Westphalen 1808, 2, S. 275: Es ·sollen diejenigen, wt!lcM innerhalb Unseres Königreiches Handel, InJüstrie, Gewt!rbe oder Handwerk treiben, ... gehalten seyn, sich mit einem Patente zu versehen·; Dekret vom 22. Jan. 1809, welches verordnet, daß die Forderungen und Re-
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
397
sprechendes vollzog im Großherzogtum Berg das Gesetz vom 31. März 1809 mit einem anschließenden Ministerialreskript 439 Die Zunftverfassung bestand fort im ehemaligen Herzogtum Sachsen, in Neuvorpommem, in den von Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen und Sachsen-Weimar abgetretenen Distrikten, dem früheren Stift Erfurt, den rechtselbischen Teilen der Altmark und des alten Herzogtums Magdeburg und bis 1833 in Posen. 440 Da sich die vom Gewerbesteuergesetz von 1820 verhießene UnifIZierung der Gewerbeverfassung441 verzögerte, wurde eine Reform des Zunftwesens an den drängendsten Punkten unumgänglich. Sie beschränkte sich zunächst auf die tradierten Bereiche des Verbots der Differenzierung und der Erschwerung bei der Erfüllung der Qualifikationsvoraussetzungen, der Untersagung der Mutzeit und der Freigabe des Arbeitsmarkts, auch durch die Mobilisierung bereits etablierter Meister. 442 Von den Prinzipien der neuen Wirtschaftsverfassung beeinvenüen von dem Vermögen der aufgehobenen Zünfte zur Amortisationskasse abgeliefert und ihre Schulden bezahlt werden sollen, l.c. 1809, 1, S. 107: Die Regelung wird "nach Ansicht des Gesetzes
vom 5tenAugust 1808 ... in Erwägung. daß die Aufhebung der Zünfte, Gewerke und Juranden eine Folge dieses Gesetzes ist", getroffen. Zur Problematik der Mannigfaltigkeit der im westfälischen Raum geltenden Rechte G. Deter, Hw.sgerichtsbarkeit zwischen Absolutismus u. Liberalismus, S. 117 ff. Zum Königreich Westfalen als napoleonischem Modell- und Satellitenstaat H. Berding, Napoleonische Herrschafts- u. Gesellschaftspolitik, S. 19 ff.
439 Decrel, wodurch eine allgemeine Patentsteuer eingeführt wird, vom 31. März 1809 Art. 8, Gesetz-Bulletin des Großherzogtums Berg 1. Abt. IX, 1810, S. 342: "Jeder, der die Patentgebühr ...
bezahlt ..., kann seinen Handel sein Handwerk oder Gewerbe in dem ganzen Umfange des Großherzogthums Berg ungehindert treiben. "; vgl. das Reskript vom 5. Feh. 1810, Sammlung der Präfectur-Verhandluogeo des Ruhr-Departemeots 1810, S. 15: "Da die Einfohrung des neuen Patentsystems es jedermann freistellet, ein Handwerk, eine Kunst, Handlung und Gewerbe jeder Art auszuüben; da hiedurch und vermöge einem Ministerial-Rescript alle Zünfte, Gilden, Innungen ... auf hören ... ". Dazu A.P. Vollmer, Hw. u. Gew., Handel u. Verkehr in den ehemaligen Stiftsgebieteo
Essen u. Werden, S. 7 ff.
440 H. Roehl, Beiträge zur Preussischen Hw.erpolitik, S. 174 ff. Zur differiereoden Rechtslage der Mühlengerechtigkeiteo vgl. Die Gew.-Polizei des Preußischeo Staates, S. 54 ff. Vgl. ooch W. Treue, Wirtschaftszustäode u. Wirtschaftspolitik in Preußen, S. 6 ff. Die Verhältoisse in Poseo wurden durch die Gesetze wegen Aufhebung der ausschließlicheo Gewerbsberechtiguogen in den Städteo der Provioz Posen, wegeo Aufhebung der gew.en u. persöolichen Abgaben u. Leistuogen in den Mediatstädten der Provinz Posen u. wegeo Aufhebuog der Zwangs- u. Bannrechte in der Provinz Posen vom 13. Mai 1833, PrOs 1833, S. 52, 55, 59, gesoodert geregelt. Im 1815 zu Preußen gekommeoen Wetzlar bestand die Zuoftverfassuog fort; der Eotwurf der Regieruog zu Kobleoz vom 22. Juni 1833, daß alle Züofte im rechtsrheioischen Teil des Regierungsbezirks Kobleoz zum 1.1.1835 aufgelöst werden sollten, wurde nicht realisiert, M. Eggert, Der Uehergang der Wetzlarer Zueofte zur Gew.freiheil, S.42 ff., 51 f.; H.-W. Haho, Zuoftproteste gegen deo modernen Steuerstaat, S. 178. 441 442
Kap. 4 III 1. Publikandum der Stralsuoder Regieruog vom 28. Juli 1822, Kamptz' Aoo. 6 (1822), 3, S. 640,
Art. 1: "Es findet sich, daß in den Rollen die Zeit zum Wandern für die Gesellen, ehe sie zum Meisterrecht gelangen können, nicht allenthalben fest bestimmt ist, und daß zuweilen zwischen Meistersöhnen und solchen, die eines Meisters Tochter oder Wittwe heirathen, hierin ein Unterschied gemacht wird. Letzteres muß ganz aufhören, die Wanderzeit nie über 3 Jahre ausgedehnt werden", Art. 2: "Dürfen zu Meisterstücken ... nur solche Arbeiten aufgegeben werden, die nach dem herr-
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
flußt war es hingegen, wenn die Stratbewehrung eine der wichtigsten zÜDftisehen Solidamormen, des Konkurrenzverbots, beseitigt wurde. 443 Offenbar unter dem Eindruck der gegen die Wanderpflicht erhobenen Vorstellungen 444 erfolgte die Autbebung des Wanderzwangs durch die Kabinettsorder vom 1. Aug. 1831 445, womit "der Zunftverband ... von einer lästigen Bedingung des Eintritts befreit (wurde), die manchen abhalten konnte, demselben beizutreten"446. Die privilegiengeschützen Interessen der Zünfte sollten dadurch gewahrt werden, daß an die Stelle der Wander- eine beliebige Dienstzeit als Geselle trat. 447 Die Abrogation der Wanderpflicht war nur eine Maßnahme zur Erleichterung der sicherheitspolizeilichen Kontrolle des Wandergesellenwesens. Laut § 17 des Allgemeinen Paßreglements vom 2. März 1813 448 galt die Paßpflicht ausdrücklich für die Auslandswanderung von Gesellen; die Beschäftigung eingewanderter Gesellen bedurfte der Genehmigung der örtlichen Polizeibehörde sehenden Geschmack leicht verkäuflich sind ... In Ansehung der Pflicht zur Verfertigung eines Meisterstücks aber soll aller Unterschied unter Meister-Kindern und Fremden .•. wegfallen", Art. 3: "Kömmt in einigen Rollen die Vorschrift vor, daß der Geselle, wenn er das Meisterrecht erlangen will, zuvor einige Zeit, die bisweilen auf Jahre ausgedehnt wird, an dem Orte, wo er das Meisterrecht zu erlangen wünscht, gearbeitet haben muß. Da ein Gesell, wenn er sein Meisterstück gut gemacht, und gute Kundschaften von seiner Wanderung mitgebracht, auf die Erlangung des Meisterrechts gerechte Ansprüche hat, so darf ihm solche nicht erschwert werden und daher die erwähnte Forderung nicht weiter statt finden.·, Art. 4: Es "wird ... jedem Meister in der Zahl der Haltung von Gesellen und Lehrburschen völlig freie Hand gelassen. Ebenmäßig soll der Gebrauch, daß die Meister keine beweibte Gesellen halten dürfen, hiermit abgeschafft seyn. "Publikandum der Regierung zu Stralsund vom 3. Apr. 1824, I.c. 8 (1824), 2, S. 579: "in den Fällen, wo Jemand, der an einem Orte ein Handwerk als Meister bereits betrieben hat, sich in einer andern Stadt niederlassen will, (dar!) dagegen von der betreffenden Zunft dieser Stadt kein Widerspruch erhoben, und auch nicht die Anfertigung eines neuen Meisterstücks gefordert werden ••. (Es ist) dagegen im Allgemeinen nicht zulässig ..., daß ein Handwerker an einem andern Orte, als wo er sich etabliren will, das Meisterrecht" gewinnt. VgI. Kap. 3 III 3,4. 443 Publikandum der Stralsunder Regierung vom 28. Juli 1822, Art. 21, KampIz' Ann. 6 (1822), 3, S. 640: "So kann ... wenn gleich es eine nicht lobenswürdige Handlung ist, daß ein Meister dem andern die Arbeit zu entziehen sucht, doch die Bestimmung, daß dafür eine Strafe an die Amtslade erlegt werden und der neue Meister dem alten die Arbeitskosten bezahlen muß, die der abgegangene Kunde schuldig geblieben ist, nicht weiter von Kräften SeylL" Zu den zünftischen Solidarnormen vgl. Kap. 2 III 2 b aa. 444
Kap. 4 III 2a.
445
Kap. 4 Anm. 184.
446
Reskript des Innenministeriums vom 1. Sept. 1832, KampIz' Ann. 16 (1832), 3, S. 690.
Kabinettsorder vom 1. Aug. 1831, KampIz' Ann.16 (1832), 2, S.472: "Da jedoch mit der Bestimmung gewisser Wanderjahre beabsichtigt .•• ist, daß die Lehrlinge eines zünftigen Handwerks, nach ihrer Lossprechung, noch eine festgesetzte Zeit hindurch die erlernte Profession als Gesellen treiben, so soll kein zünftiger Handwerksgeselle, vor Ablauf der durch die einzelnen Innungs-Artikel zum Wandern bestimmten Zeit ..• zur Erlangung des zunftmäßigen Meisterrechts zugelassen werdelL • 447
448
PrGS 1813, S. 47.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
399
(§ 28). Art. I der Deklaration des Paßreglements vom 20. Feb. 1814449 verschärfte die Kontrolle der auswärtigen Wandergesellen noch. Das Allgemeine Paßedikt vom 22. Juni 1817450 befreite die mit einem Wanderbuch ausgestatteten Handwerker von der Ein- und Ausgangspaßpflicht (§§ 2 Nr. 4, 8), statuierte dafür aber die Paßpflicht für Inlandswanderungen der Gesellen (§ 14 Nr. 1). Ausführlich geregelt wurde das Wanderwesen durch das Regulativ in Betreff des Wanderns der Gewerbsgehülfen vom 24. Apr. 1833 451 , dessen Erlaß explizit mit einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit motiviert wurde 4S2• Zur Arbeitssuche im Umherziehen berechtigende Wanderpässe oder Wanderbücher durften nur einem angemessen ausgestatteten, unbescholtenen und gesunden Gesellen eines solchen Handwerks erteilt werden, "bei welchem dßs Wandern allgemein üblich und Behufs der Vervollkommnung dßrin angemessen ist" (§ 1 lit a, b, d). Der Geselle durfte nicht älter als 30 Jahre und nicht schon länger als fünf Jahre gewandert sein (§ 1 lit. c), "weil der eigentliche Zweck des Wanderns, die Vervollkommnung des Wandernden in seinem Gewerbe, nur bei jüngeren Handwerksgesellen vorauszusetzen und erreichbar sein dürfte, während bei den älteren ... das fortgesetzte Wandern eben so oft die Ursach als die Wirkung einer vorherrschenden Neigung zum müßigen Umhertreiben ist"453. Ausländische Gesellen mußten mit einem, von ihrem Heimatstaat ausgestellten Wanderbuch oder Wanderpaß versehen sein (§ 2). Vor der Fortsetzung der Wanderschaft war der Polizeibehörde der nächste Zielort anzugeben, der in Buch oder Paß zu vermerken war (§ 5); diese Route war verbindlich (§ 6). Im Rahmen des Deutschen Bundes einheitlich vorgegangen wurde gegen die dem "Bund der Geächteten" in Frankreich oder dem "Jungen Deutschland" in der Schweiz angeschlossenen Handwerksgesellen mit dem Bundesbeschluß, das Wandern, die Versammlungen und Verbindungen der deutschen Handwerksgesellen betr., vom 15. Jan. 1835 454 • Dementsprechend wurde keineswegs die
449
PrOs 1814, S. 10.
450
PrOs 1817, S. 152.
451 Kamptz' Ann. 17 (1833), I, S. 185. Zur 1831 einsetzenden Phase der politischen Überwachung der Gesellen R. Specht, Die Beaufsichtigung der wandernden Hw.sgesellen durch preußische Staatsorgane, S. 87 f. 452 Vorrede: "Da ••• noch immer eine große Anzahl von wandernden Handwerksgesellen zwecklos im Lande umherschweift, die Gewerksgenossen und das ganze Publikum belästigt, und die öffentliche Sicherheit gefährdet, so sind ... nachstehende Bestimmungen /Ur nöthig erachtet". 453
Reskript des Innenministeriums vom 27. Mai 1834, Kamptz'Ann. 18 (1834), 2, S. 519.
Protokolle der 01. Bundesversammlung 1835, 3. Sitzung § 36. Zum europäischen Radikalismus nach 1830 E.R. Huber Dt. Verfassungsgeschichte 2, S.126 ff.; zum Einfluß der Handwerksgesellen H. Bopp, Die Entwicklung des dt. Hw.sgesellentums, S. 63 Cf.; o. Brugger, Geschichte der dt. Hw.ervereine in der Schweiz, S. 13 ff.; W. Kowalski, Die wandernden Hw.sgesellen, S.53 ff. Zur Unterdrückung der Gesellenbewegungen MJ. Neufeld, German Artisans and Political Repres454
400
Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Auslandswanderung generell verboten,455 sondern nur "nach denjenigen Län-
dern und Orten, in welchen offenlatndig dergleichen Associationen und Versammlungen geduldet werden, so lange diese Duldung notorisch besteht" (Art. 1). Die WandergeseIlen und ihre Vereinigungen sollten einer intensiven polizeilichen Kontrolle unterworfen werden,456 die näher durch den Bundesbeschluß vom 3. Dez. 1840457 ausgestaltet wurde. An unerlaubten Gesellenverbindungen oder -gerichten oder Verrufserklärungen beteiligte Gesellen sollten am Ort der Tat bestraft und nach Abschiebung in ihren Heimatstaat mit einem, nur in Ausnahmefällen authebbaren, Wanderverbot belegt werden. 458 Nichtsdestoweniger bestimmte das immer wieder formulierte Selbstverständnis des Handwerks im Wanderpostulat die Wirklichkeit der ausgelernten Gesellen im europäischen Kontext noch in weiten Epochen des 19. Jhs. 459 Obwohl die ökonomische Krise des Handwerks den Gesellenvereinigungen einen Teil ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber obrigkeitlichen Maßnahmen nahm, konnten sie ihre Wirksamkeit über die Zeit der Bundesbeschlüsse hinaus bewahren. 460 Der erste Entwurf eines die gesamten preußischen Länder umfassenden Gewerbegesetzes in 42 Paragraphen wurde am 1. Juli 1834 von Johann Gottfried
sion, S. 491 ff.; G.S. Werner, Traveling Journeymen, S. 210 ff.; R. WisselI, Des alten Hw.s Recht u. Gewohnheit 3, S. 211 ff.
455 So aber H. Bopp, Die Entwicklung des dt. Hw.sgesellentums, S. 59. 456 Art.3: 'Ueber die in Deutschland wandernden Handwerksgesellen wird strenge polizeiliche
Aufsicht, insbesondere rücksichtlich der Verbindungen, in welche sie sich einlassen könnten, geruhrt werden.•
457 Protokolle der Dt. Bundesversammlung 1840, 27. Sitzung § 310. Zur Entstehung W. Ritscher, Koalitionen u. Koalitionsrecht, S. 161 ff. 458 Beschluß wegen Abstellung der unter den dt. Hw.sgesellen stattfindenden Verbindungen u. Mißbräuche vom 3. Dez. 1840, Protokolle der Dt. Bundesversammlung 1840, 27. Sitzung § 310: Es 'sollen 1) den Handwerksgesellen, welche sich in einem Bundesstaate, dem sie nicht durch Heimath angehören, derlei Vergehen zu Schulden kommen lassen, nach deren Untersuchung und Bestrafung, ihre Wanderbücher oder Reisepässe abgenommen, in denselben die begangene ... Uebertrdung ... bemerkt, und diese Wanderbücher oder Reisepässe an die Behörde der Heimath des betreffenden Gesellen gesendet werden. 2) Solche Handwerksgesellen sollen nach überstandener Strafe mit gebundener Reiseroute in den Staat, woselbst sie ihre Heimath haben, gewiesen und dort unter geeigneter Aufsicht gehalten, sonach in keinem anderen Bundesstaate zur Arbeit zugelassen werden. Ausnahmen von dieser Bestimmung werden nur dann statt finden, wenn die Regierung der Heimath eines solchen Handwerksgesellen sich durch dauerndes Wohlverhalten desselben zur Ertheilung eines neuen Wanderbuchs ... veranlaßt finden sollte.• 459 Vgl. R.S. Elkar, Die Mühsal der Walz, S. 293 ff. Zur Einwanderung von Gesellen aus Südosteuropa im zweiten Drittel des 19. Jhs. H. Bräuer, Gesellenmigration in der Zeit der industriellen Revolution, S. 43 Cf. Zum Wandern als Essential der Handwerkerforderungen Kap. 4 III 2a. 460 A. Herzig, Organisationsformen u. Bewußtseinsprozesse Hamburger Hw.er, S.105; M. Quarck, Von der Zunft zur Arbeiterbewegung, S. 87 ff.; G. Schildt, Tagelöhner, Gesellen, Arbeiter, S. 257. Zum Gesellenleben G.S. Werner, Traveling Journeymen, S. 194 ff.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegeset:rgebung
401
Hoffmann461 vorgelegt. Er beruhte im wesentlichen auf der Beseitigung ausschließlicher Gewerbeberechtigungen und der Bildung freiwilliger gewerblicher Vereine. Da jedoch im Staatsministerium die bloße Umwandlung der bestehenden Korporationen beschlossen wurde, stellte Hoffmann bis zum 21. Jan. 1835 einen 90 Paragraphen umfassenden Neuentwurf eines Gewerbepolizeigesetzes und das Konzept eines Entschädigungsgesetzes fertig. Die Errichtung von Korporationen der Gewerbetreibenden eines Orts sollte eine Mindestmitgliederzahl von 24 erfordern, wobei der freiwillige Beitritt vom Nachweis der Unbescholtenheit und der QualifIkation abhängig gemacht werden konnte. Die Ausbildung von Lehrlingen war auch solchen Gewerbetreibenden zu gestatten, die die Mitgliedschaft in einer Korporation nicht erworben hatten; in diesem Falle erfolgte die Entlassung aus der Lehre nicht vor der Korporation, sondern vor dem Gemeindevorstand. Die Integration des Lehrlings in den Haushalt des Meisters war nicht obligatorisch, um den Söhnen höherer Stände eine Lehre zu ermöglichen. Eine Begrenzung der Lehrlings- und Gesellenzahl durfte nicht erfolgen; Vereinigungen von Lehrlingen und Gesellen waren selbst dann verboten, wenn sie ausschließlich sozialen Zwecken dienten. Die Beseitigung des Wanderzwangs wurde ausdrücklich bestätigt 462 Die vom Innenminister Brenn initiierte vollständige Umarbeitung zu einem Vorschlag in 185 Paragraphen war im Okt. 1836 abgeschlossen. Nur bei einer Beeinträchtigung des allgemeinen Wohls durch die Lage der Betriebsstätte, ungeschickten Betrieb oder sittliche Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden sollten Beschränkungen von Gewerbebetrieben zugelassen und diese Fälle enumerativ aufgeführt werden. Die Innungen sollten im Rechte von Korporationen mit freiwilliger Mitgliedschaft aufrechterhalten und lediglich ihre Auflösung zur Ermöglichung von zweckmäßigeren Neugründungen erleichtert werden. Neben dem Besitz des Bürgerrechtes wurde der Nachweis der Befähigung zum Erfordernis vor der Aufnahme in die Innung erklärt, von dessen Ablegung allerdings das Bestehen einer behördlichen Prüfung befreien sollte. Auch die Abnahme der Gesellenprüfung von solchen Lehrlingen, die bei einem Nichtmitglied ausgelernt hatten, wurde den Innungen überwiesen. Das Verbot der Gesellenverbindungen wurde unter der Planung von besonderen Krankenhäusern für Gewerbetreibende aufrechterhalten. 463 Nach der Beratung der Entwürfe im Plenum des Staatsministeriums wurden sie den Provinzialständen zur Begutachtung zugewiesen. Die vorgebrachte Kritik464 kulminierte in einer Denkschrift der Berliner Stadtver461
Über ihn Kap. 4 11.
462
H. Roehl, Beiträge zur Preussiscben Hw.erpolitik, S. 199 CC.
463
H. Roehl, Beiträge zur Preussiscben Hw.erpolitik, S. 205 CC.
464
Vgl. etwa P J.M., Das bevorstehende Gewerbspolizei-Gesetz, S. 213 ff.
402
Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
ordneten, die den Eintritt in eine Korporation und den Befähigungsnachweis als Voraussetzungen für den selbständigen Betrieb eines Gewerbes verlangten; zumindest sollte für die Ausbildung von Lehrlingen der Beleg der Qualifikation erforderlich sein. Entsprechend einer Kabinettsordre vom 7. Dez. 1840 wurden diese Wünsche weitgehend berücksichtigt. Einstimmig zurückgewiesen wurde hingegen bei den Beratungen im Staatsrat das Ansinnen, die Lehrlingsausbildung den Innungsmitgliedem vorzubehalten; zu groß erschien die Gefahr, die der handwerklichen Erziehung durch ein Monopol in zünftischer Tradition drohte. 46S Als Ergebnis des Legislationsprozesses erging die Allgemeine Gewerbeordnung vom 17. Jan. 1845 nebst Entschädigungsgesetz vom gleichen Tag. 466
a) DieAllgemeine Gewerbeordnung von 1845
Das mit der Allgemeinen Gewerbeordnung verfolgte Konzept war ein Kompromiß zwischen der Gewerbefreiheit und den im Vormärz erhobenen Stimmen für die Zunftverfassung. 467 Alle ausschließlichen Gewerbeberechtigungen und Befugnisse zur Erteilung von Konzessionen wurden ebenso aufgehoben (§§ 1,2) wie die Beschränkung von Gewerben auf die Städte (§ 12) und des gleichzeitigen Betriebs mehrerer Gewerbe (§ 13). Maßgebend für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Gewerbebetriebs sollte allein die Gewerbeordnung sein, die allerdings bereits tätigen Gewerbetreibenden Bestandsschutz geWährte (§ 15). Allgemeine Bedingungen waren die Dispositionsfähigkeit und ein fester Wohnsitz in den preußischen Staaten (§ 16), nicht aber der Besitz des Bürgerrechts (§ 20). Die bevorstehende Aufnahme des Gewerbebetriebs war der lokalen Kommunalbehörde anzuzeigen, die die Anzeige zur Prüfung von Untersagungsgründen an die Polizeiobrigkeit weiterzuleiten hatte (§§ 22, 23). Im Unterschied zur Anmeldung war der darauf ergehende Bescheid keine Voraussetzung der Gewerbeausübung (vgl. § 176). Anderes galt für die Gewerbe, für die eine besondere polizeiliche Genehmigung erforderlich war (vgl. § 177). Neben den bereits in § 21 des Gewerbesteueredikts von 1810 erwähnten Gewerben, die "durch ungeschickten Betrieb, oder durch Unzuverlässigkeit des 46S
H. Roehl, Beiträge zur Preussischen Hw.erpolitik, S. 226 ff., 241.
PrGS 1845, S. 41, 79. Text mit allen späteren Ergänzungen und Änderungen in: Die Preußische Gew.-Gesetzgebung, S. 6 ff. 466
467 P. Rudolph, Zunftverfassung u. Gew.freiheit S. 35; H. Waentig, Die gew.politischen Anschauungen, S.17. Zur Diskussion über Gewerbefreiheit und Zunftverfassung im Vormärz Kap. 4 III 2a. Obwohl der Hauptentwurf des volkswirtschaftlichen Ausschusses der Nationalversammlung von 1849 eine ähnliche Linie verfolgte, Kap. 4 III 2b oe, dürfte er doch nicht auf der Allgemeinen Gewerbeordnung beruhen; aA. J. Wilden, Grundriß der Geschichte des dt. Hw.s, S. 32.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
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Gewerbtreibenden in sittlicher Hinsicht" gefährlich werden konnten, mußte im Zuge der industriellen Entwicklung die Genehmigungspflicht auf die in § 27 aufgelisteten gewerblichen Anlagen ausgedehnt werden, "welchedurch die örtliche Lage oder die Beschaffenheit der Betriebsstätte ... Gefahren oder Belästigungen herbeiführen können" (§ 26). Sofern derartige Beeinträchtigungen nicht evident waren, mußte das beantragte Unternehmen öffentlich und zusätzlich im örtlichen Amtsblatt bekanntgemacht werden, um Gelegenheit zur Erhebung von Einwendungen binnen vier Wochen zu geben (§ 29). Erst nach Ablauf dieser Frist hatte die Regierung in die Prüfung des Gesuchs samt Gegengründen einzutreten und die Genehmigung - notfalls unter Auflagen - zu erteilen oder zu versagen (§ 32). Wie schon nach dem Gewerbepolizeigesetz von 1811 468 hatten Schauspielunternehmer (§ 47), Buchhändler und -drucker, Bibliothekare etc. (§ 48), Schlosser, Pfandleiher, Gebrauchtwarenhändler, Vermieter von Wohnraum, Lohnlakaien und zusätzlich Kammerjäger, Gift- oder Schießpulverhändler sowie Transporteure (§ 49) und die Betreiber von Tanz- oder Fechtschulen sowie weitergehend von Bade- oder Turnanstalten (§ 50) ihre sittliche Zuverlässigkeit nachzuweisen. Auch an den Rechtverhältnissen der Unternehmer von Erziehungs- und Unterrichtsanstalten und der Privatlehrer (§ 43), der Baukondukteure, Feldmesser, Nivellierer, Markscheider, Auktionatoren, Lotsen, Mäkler, Dispacheurs und Gesindevermieter sowie der mit der Warenprüfung Befaßten (§§ 51-53) änderte sich nichts. 469 Ärzte, Zahnärzte, Geburtshelfer, die Betreiber von Privatkranken- und -irrenanstalten sowie Apotheker bedurften der staatlichen Approbation (§ 42), die Apotheker daneben noch eines Realprivilegs oder einer besonderen Konzession (§ 54). Der Kreis derjenigen Gewerbetreibenden, die "sich über den Besitz der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten durch ein Befähigungszeugniß der Regierung ausweisen" mußten, wurde nur unwesentlich erweitert (§ 45). Der Priifungspflicht der Seeschiffer und -steuerleute, Maurer, Steinhauer, Hausund Schiffszimmerleute, Mühlen- und Brunnenbaumeister, Schornsteinfeger, Abdecker, Hebammen und der Verfertiger chirurgischer Instrumente wurde be468
Kap. 4 11 2b bb.
469 Die Rechtsverhältnisse der Markscheider wurden neu geregelt durch das Allgemeine Markscheider-Reglement vom 25. Feh. 1856, PrMinBI1856, Nr. 63, nach dessen § I die Markscheider eine Prüfung abzulegen hatten; vgI. dazu die Vorschriften für die Prüfung der Markscheider vom 25. Feb. 1856, I.c. 1856 Nr. 79. Auch die Feldmesser hatten laut § 1 des Allgemeinen FeldmesserReglements vom 1. Dez. 1857, I.c. 1858 Nr. SO, eine Prüfung zu absolvieren. Dies führte offenbar zu einem Mangel an Feldmessern, denn durch den Zirkularerlaß vom 19. Sept. 1861, I.c. 1861 Nr.255, wurde der Erwerb der Qualifikation als Feldmesser für Baumeister und Bauführer erleichtert, "um dem Bedürfnisse an Feldmessern ... theilweise abzuhelfen". Gemäß dem Bescheid vom 23. Mai 1862, I.c. 1862 Nr. 158, galt dies auch für entsprechend vorgebildete Privatbaumeister.
404 Kap. 4:
Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
reits gedacht. 410 Die Vorsteher öffentlicher Fähren waren schon 1822 verpflichtet worden, ihre Befahigung nachzuweisen;41l gleiches galt für die Bandagisten412• Lediglich die Aufsteller von Blitzableitern, die gewerblichen Feuerwerker und die Kastrierer waren neu hinzugekommen. Die Abforderung des Befahigungsnachweises von den Schiefer- und Ziegeldeckern nahm deren Arbeit zwar nicht den Charakter als bloße Teilberechtigung, erlaubte ihnen jedoch nunmehr die Beschäftigung von Hilfskräften. 413 Soweit Prüfungsvorschriften bestanden, sollten sie auch weiterhin in Kraft bleiben. 414 Nichtsdestoweniger ergingen in der Folgezeit für die meisten Gewerbe neue Prüfungsordnungen. Die Abdecker und Kastrierer wurden laut § 2 ihrer Prüfungsreglements vom 29. Sept. 1846415 von einer aus dem Departements- oder Kreistierarzt und dem Landrat oder einem von diesem ernannten Stellvertreter bestehenden Kommission geprüft. Neben den fachspezifischen Kenntnissen mußten die Abdecker anders als die Kastrierer im theoretischen Prüfungsteil zusätzlich ihre Fähig-
410
Kap. 4 11 2 b bb.
411 Zirkularreskript des Handels- u. Gew.ministeriums vom 28. Aug. 1822 § 2, Kamptz' Ann. 6 (1822), 3, S. 752: "Der unmittelbare Vorsteher einer Fähranstalt, ... als auch dessen Leute, müssen der Stromfahrt kundige Leute seyn, und darf Niemand dazu angenommen werden, der seine Qualifikation vorher nicht genügend nachgewiesen hat. " 412 Verfügung der Ministerien für geistliche, Unterrichts- u. Medizinalangelegenheiten sowie für Handel vom 28. Nov. 1822, Das Medicinal-Wesen des Preußischen Staates, S. 755: Bezüglich der "Anfertigung der Bruchbänder und Bandagen ... (sind die) Gewerbetreibenden gehalten ..., wenn sie dergleichen Gegenstände nicht blos auf Bestellung nach besonderer AnweisunK> sondern zum Feilbieten anzufertigen beabsichtigen, sich zuvor einer mit Zuziehung des Polizei·Phys. und eines gerichtlichen Wundarztes anzustellenden Prüfung über ihre Kenntnisse von der zweckmäßigen Einrichtung solcher chirurgischen Geräthe auszuweisen". 413 Zirkularverfügung vom 4. Okt. 1850, PrMinBI 1850 Nr. 440: "Nach den Bestimmungen des §. 4. zu e. a.a.O. (i.e. die Instruktion zur Prüfung der Maurer vom 28. Juni 1821) ist die Prüfung der Maurer mit auf die Arbeiten der Ziegeldecker zu richten; diese Arbeiten gehören daher zu den, uno ter dem Maurergewerbe begriffenen Verrichtungen und wenn neben den Maurern denjenigen, welche sich nur mit dem Ziegeldec~n befassen wollen, gestattet ist, die Befugniß hierzu durch die Ablegung einer auf das Ziegeldec~n beschränkten Prüfung zu erlangen, so darf diese Begünstigung der Ziegeldec~r nicht zu einer Beschränkung der, durch die Ablegung der Maurerprüfung erlangten Befugnisse führen . ... Sofern aber ... die geprüften Maurermeister zugleich als Ziegeldeckermeister anzusehen sind, gehören zu den Gesellen ihres Handwerkes auch die Ziegeldeckergesellen". Zum früheren Verbot der Gesellenhaltung für Dach- und Schieferdecker Kap. 411 2b bb. 414 Verfügung der Ministerien für geistliche, Unterrichts- u. MedizinaIangelegenheiten, für Finanzen u. für das Innere vom 24. Okt. 1845, PrMinBI 1845 Nr. 409: "Rücksichtlich der ... Bestimmungen, nach welchen die Prüfungen der im §.45. der Gewerbe-Ordnung vom 17. Januar dJ. erwähnten Gewerbetreibenden vorzunehmen sind, wird ... auf die für den größten Theil dieser Gewerbetreibenden bereits bestehenden Prüfungsvorschriften vt:rwiesen". 415
PrMinBII846 Nr. 301a und b.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
405
keiten im Lesen und Schreiben unter Beweis stellen. 416 Als praktischer Fähigkeitsnachweis war von den Abdeckern eine Obduktion (f 7) und von den Kastrierern eine Kastration (f 6) durchzuführen. Entsprechend gliederte sich die vom Kreisphysikus, einem gerichtlichen Wundarzt und einem Approbierten des betreffenden Gewerbes abzunehmende Prüfung der Bandagisten und Hersteller chirurgischer Instrumente in einen mündlichen und einen praktischen Teil. 411 Getreu dem in § 26 der Allgemeinen Gewerbeordnung postulierten Prinzip der Gefahrenabwehr sollte "durch die Prüfung (der gewerblichen Feuerwerker) lediglich ermittelt werden, ob der Examinand dasjenige Maß von Kenntnissen und Erfahrungen besitzt, welches im Interesse der allgemeinen Sicherheit zur Abwendung von Unglücksfällen von jedem Luftfeuerwerker verlangt werden muß"; weitergehende wissenschaftliche oder technische Kenntnisse durften nur insoweit erfragt werden, als sie hinsichtlich dieses polizeilichen Gesichtspunkts relevant waren. 418 Zuständig für die Examination, von der ehemalige Oberfeuerwerker und Feuerwerker der ArtiIIerie befreit waren, war eine Kommission aus zwei bis drei ArtiIIerieofftzieren oder befähigten Oberfeuerwerkern; in letzterem Falle wurde die Prüfung allerdings von einem OffIZier geleitet. 419 Das Prüfungswesen der Schornsteinfeger, deren Kehrbezirke nach § 56 der Allgemeinen Gewerbeordnung hinsichtlich Einführung, Änderung und Aufhebung zur Disposition der Regierungen standen, wurde neu geregelt durch die Anweisung, betreffend die Prüfung der Schornsteinfeger, vom 13. Nov. 1849480• Zu Beginn des mündlichen Teils der vor einem höheren Polizeibeamten, dem Bezirksbauinspektor und zwei oder drei Schornsteinfegermeistern (§ 3) abzulegenden Prüfung hatte der Kandidat seine Kenntnisse im Lesen, Schreiben und insbesondere Rechnen darzulegen, bevor er nach Abschluß des theoretischen Abschnitts mehrere Schornsteine zu reinigen hatte (§ 7). Für die Zimmerleute, Maurer, Steinhauer, Schiefer- und Ziegeldecker, Mühlenbauer sowie Brunnenbauer wurde der Befähigungsnachweis in der Verordnung des Ministers für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten betref416 Vgl. § 6 des Reglements für die Abdecker im Gegensatz zu § 5 des Reglements für die Viehkastrierer. 411 Reglement für die Prüfung der Bandagisten und chirurgischen Instrumentenmacher vom 20. Feb. 1847 I §§ 2,3 und II §§ 2,3, PrMinBII847 Nr. 78a. 418 Instruktion für die Konzessionierung von Privatpersonen zum Betriebe des Gew.s der Luftfeuerwerkerei vom 19. Apr.I847 § 4, PrMinBII847 Nr.130a. 419 Instruktion für die Konzessionierung von Privatpersonen zum Betriebe des Gew.s der Luftfeuerwerkerei vom 19. Apr.I847 §§ 2,3, PrMinBII847 Nr.130a. 480
PrMinBII849 Nr. 4OOa.
406
Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
fend die Prüfungen und gewerblichen Verrichtungen der Bauhandwerker vom 24. Juni 1856481 zusammengefaßt. Die Prüfungskommission bestand aus dem Vorsitzenden und einem Staats- oder Kommunal-Baubeamten, die von der Regierung ernannt wurden, sowie einem Meister - bei Zimmerleuten und Maurern zwei Meistern - des betreffenden Handwerks, die vom Vorsitzenden aus einer Vorschlagsliste der Regierung ausgewählt wurden (§ 3). Das Examinationsverfahren war dreigeteilt in eine mündliche Prüfung, eine schriftliche Probearbeit mit Zeichnung und Kostenvoranschlag, von der allerdings die Schiefer- und Ziegeldecker entbunden waren, und einer praktischen Ausführung (§ 8). Die Inhalte waren für jedes Gewerbe gesondert festgelegt (§§ 15 ff.). Die für auswärtige Bewerber kostenintensive Bestimmung des § 13, daß die schriftlichen Probearbeiten unter der Kontrolle von Mitgliedern der Kommission, mithin am Ort der Prüfung ausgeführt werden mußten, wurde später dahingehend abgeändert, daß aus dem unter Aufsicht angefertigten Entwurf "die Durchschnitte und die Konstruktionen des proje/airten Baues (nur soweit) zu ersehen (sein sollten), (daß) nachträgliche Aenderungen dieser Grundlagen des Projekts ... ohne Gefahr der Entdeckung nicht mehr möglich" waren und die Fertigstellung andernorts erfolgen konnte 482• Die Minderberechtigungen für Zimmer-, Maurerund Mühlenflickarbeiten wurden aufgehoben. Bloße Reparaturarbeiten durften von jedem auch ohne Befähigungsnachweis ausgeführt werden (§§ 44, 46, 49, 54). Die bestandene Prüfung als Maurer, Zimmermann oder Steinmetz war neben einer anschließenden mindestens dreijährigen Studienzeit die Voraussetzung für die Zulassung zur Prüfung als Privatbaumeister, der berechtigt war, "die Anfertigung von Bauplänen und die Leitung von Bauunternehmungen ... selbstständig zu betreiben".483 Er trat damit in § 44 der Allgemeinen Gewerbeordnung an die Stelle des in § 96 des Gewerbepolizeigesetzes von 1811 genannten Architekten, bedurfte aber wie dieser eines Prüfungszeugnisses der Oberbau deputation. Die Qualiftkationskontrolle der Seeschiffsbauer beruhte weiterhin auf der Instruktion vom 26. Feb. 1824484, wohingegen die Konstrukteure von Kähnen und Flußschiffen entsprechend der bestehenden Praxis auch formell von der Erbringung des Befähigungsnachweises befreit wurden, da letzterer zur Ab-
481 PrMinB11856 Nr. 179. 482 Zirkularerlaß des Ministers für Handel, Gew. u. öffentliche Arbeiten vom 20. Okt. 1866,
PrMinBI1866 Nr. 221.
483 Vorschrift für die Ausbildung und Prüfung derjenigen, welche sich dem Baufache widmen, vom 1. Aug. 1849 §§ 4 11, 10, PrMinBl 1849 Nr. 284a; ebenso noch die §§ 21, 36 der gleichnamigen Vorschriften vom 18. März 1855, I.c.1855 Nr. 6OA. 484
Kap. 4 11 2.
IV. Die einzclstaatliche Gcwerbegcsct~ebung
407
wehr von Gefahren auf diesem Gebiet nicht erforderlich zu sein schien 485• Die Neuregelung der Prüfung der Steuerleute, Seeschiffer und Seelotsen durch die Instruktion vom 1. Feb. 1862486 erfolgte im wesentlichen ähnlich dem vorhergehenden Rechtszustand. Die Praxis hinsichtlich der Einbeziehung weiterer, in der Allgemeinen Gewerbeordnung nicht ausdrücklich genannter Gewerbe in den Befahigungsnachweis ging von dem in § 26 festgeschriebenen Grundsatz der Gefahrenabwehr aus. Unter diesem Gesichtspunkt hatten die Hühneraugen-Operateure ihre einschlägigen Kenntnisse unter Beweis zu stellen,481 während eine Unterstellung der Ofenhersteller unter die Prüfungspflicht abgelehnt wurde 488• ''Personen, deren Befähigung unzweifellulJt ist, " konnten durch die Ministerien von der Ablegung der Prüfung befreit werden (§ 46). Dargetan werden konnten 485 Erlaß des Ministeriums für Handel, Gcw. u. öffentliche Arbeiten vom 22. Feb. 1860, PrMinBI 1860 Nr.56: "Wie dantlch die fernere Freilassung der Flußschiffbauer von der Prüfung mit der Fassung des Gesetzes im Einldange steht, so führen die eingegangenen Berichte über die bisherige Gestaltung ihres Gewerbebetriebes zu der Ueberzeugung, daß die ... Anordnung einer Prüfung für diesen Betrieb auch durch polizeiliche Interessen nicht geboten ist Einerseits sind die durch die Erfahrung festgestellten Regeln, nach denen die Kähne und Flußschiffe Iwnstruirt zu werden pflegen, ... so einfach, daß es im öffentlichen Interesse nicht erforderlich erscheint, die Kenntniß derselben durch eine Prüfung zu konstatiren, andererseits wird eine genügende Gewähr gegen die Benutzung schlecht gebauter Fahrzeuge auf anderem Wege geleistet Fahrzeuge, mit welchen die Schifffahrt auf dem Rhein, der Lahn, der Weser oder der Eibe betrieben werden soll, müssen einer vorgängigen sachVO'stiintligen Untersuchung ihrer Tauglichkeit unterworfen ... werden. Auf den anderen größeren Wasserstraßen der Montlrchie nehmen die Asselcuranz-Gesellschaften nur für solche Fahrzeuge Versicherungen, VOll deren Tauglichkeit sie sich vorher überzeugt haben. So ist denn auch ... VOll keiner Seite dargdhan, daß durch ungeschickten Betrieb des FlußschiffbauerGewerbes Nachtheile oder Gefahren für das Publikum überhaupt entstanden seien. "
486
PrMinBII862 Nr. 34a.
481 Zirkularverfügung des Mcdizinal- und des Innenminsteriums betreffend die Prüfung der Hühneraugen-Operateure vom 25. Aug. 1845, PrMinBII845 Nr. 326: "wegen der Prüfung der Hühneraugen-Operateure ... (wird) eröffnet, daß zwllr diese Gewerbtreibenden in der Gewerbeordnung vom 17. Januar d. J. §. 45. unter denjenigen nicht aufgeführt sind, welche sich über den Besitz der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten durch ein Bejahigungszeugniß der Regierung ausweisen müssen. Da jedoch die Erfahrung festgestellt hat, daß durch ungeschickte Verrichtung VOll Hühneraugen-Operationen bedeutender ... Schaden zugefügt werden kann, so ist ntlch §. 26. der Gewerbeordnung zum Betriebe dieses Gewerbes eine besondere polizeiliche Genehmigung erforderlich, und diese nur dann zu erthei Ien, wenn die KönigL Regierung Sich \IOn der GeschicklichUit desjenigen, welcher die Erlaubniß zum Operiren der Hühneraugen ntlchsucht, die nöthige O'berzeugung verschafft". 488 Verfügung des Finanz- und des Innenministers vom 31. Juli 1847, PrMinBII847 Nr. 267: "Da die Ofenfabrilwnten und die Töpfer, welche sich mit Ofensetzen beschäftigen, in der allgemeinen Gewerbe-Ordnung unter denjenigen Gewerbetreibenden nicht aufgeführt sind, wekhe sich über den Besitz der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten durch ein Bqahigungs-Zeugniß ausweisen müssen, so ist es ... (nicht) zulii.ssig, die Ausübung dieses Gewerbes VOll einer besontlem Prüfung abhiingig zu machen. O'berdies ist auf die Verhütung VOll Feuersgefahr nicht sowohl die Geschicklichkeit der Ofensetzer, als die Befolgung der bau- und f_polizeilichen Vorschriften ... VOll Einfluß und es wird daher nur darauf ankommen, daß hierüber eine möglichst strenge Kontrolle geführt wird. "
21 Ziekow
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
diese Fähigkeiten durch eine "höhere Ausbildung" oder die "bisherigen gewerblichen Leistungen". 489 Selbst die ordnungsgemäß nachgewiesene Qualifikation schützte nicht vor einer Untersagung des Gewerbebetriebs wegen überwiegender Nachteile und Gefahren für das Gemeinwohl; da jedoch nach dem Gedanken des § 26 derartige Risiken gerade vor Erteilung der Genehmigung abgewogen werden sollten, stand dem Gewerbetreibenden ein Anspruch auf Schadensersatz zu (§ 69). Die Befugnis zum Gewerbebetrieb, die insbesondere auch die Verfertigung der für die Ausübung benötigten Materialien und Werkzeuge umfaßte (§ 59), konnte laut § 61 durch einen Stellvertreter ausgeübt werden, sofern dieser den konkreten Anforderungen für das betreffende Gewerbe genügte. Entgegen dem Wortlaut des § 62 490 mußten sich die Witwen von Gewerbetreibenden nicht immer, sondern nur dann eines qualifIZierten Stellvertreters zur Weiterführung des Gewerbes bedienen, wenn sie selbst nicht die gestellten Bedingungen erfüllen konnten 491 • Entsprechendes galt hinsichtlich der Ausbildung von Lehrlingen: Genügte die Witwe nicht selbst den dafür bestimmten spezifischen Voraussetzungen, so mußte sie einen Stellvertreter mit dieser Qualifikation beschäftigen; das Lehrzeugnis wurde in diesem Fall von Witwe und Stellvertreter gemeinsam ausgestellt. 492 Zwar stand die Befugnis zur Lehrlingshaltung grundsätzlich jedem selbständigen Gewerbetreibenden zu (§ 126), jedoch waren neben denjenigen, die wegen bestimmter Verbrechen verurteilt worden waren, sich in Kriminaluntersuchung oder Konkurs befanden oder denen die Befugnis zum Gewerbebetrieb vorübergehend entzogen worden war (§ 127), auch diejenigen von jenem Recht ausgeschlossen, denen es wegen eines Verstoßes gegen ihre Pflichten als Lehrherrn von der Regierung entzogen worden war (§ 129). Für eine Reihe von Gewerben wurde darüber hinaus das Recht zur Ausbildung von Lehrlingen von der Aufnahme in eine Innung nach vorgängigem Befähigungsnachweis oder
489
Zirkularverfügung des Finanzministers vom 20. Apr. 1845, PrMinBII845 Nr. 162.
"Nach dem Tode eines Gewerbetreibenden darf das Gewerbe für Recluwng der Wittwe ... durch einen nach §. 61. quali/izirkn Stellvertreter betrieben werden". 490
491 Verfligung des Finanz- und des Innenministers vom 28. Feb.I846, PrMinBII846 Nr. 61: "Daß Frauenspersonen zum selbstständigen Gewerbebetriebe zuzulassen sind, wenn sie die für den respelctiven Gewerbebetrieb vorgeschriebenen Bedingungen erfülkn, ist ... unzweifelhaft da die Gewerbe-Ordnung rikksichtlich ihrer überall keine Ausnahme gemacht hat. " 492 Verfügung des Finanz- und des Innenministers vom 24.01tt. 1845, PrMinBI 1845 Nr.411: "Eine solche Wittwe wird daher in dem Falle Lehrlinge halten dürfen, wenn ihr Gehülfe die durch §. 127 bis 132. der Gewerbeordnung bedingte Qualijilcation zum Halten VOll Lehrlingen besitzt; es folgt dann ... aus der Natur da Lehrverhältnisses, daß das Zeugniß über die Dauer der Lehrzeit dc . ... von dem. beireffentlen Gehülfen und der Wittwe gemeinschaftlich ... auszustellen ist. "
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
409
der Ablegung einer Prüfung abhängig gemacht (§ 131).493 Unter den aufgezählten Gewerben finden sich nahezu ausschließlich für den täglichen Bedarf produzierende Massenhandwerke wie Schuhmacher, Schneider, Tischler, Schmiede etc., die unter besonders starkem Konkurrenzdruck standen. Grundlage der Qualifikationsforderung ist hier nicht der Gedanke der Gefahrenabwehr, sondern eine Reduzierung des gewerblichen Nachwuchses als Konzession an das Drängen der Handwerker im Vormärz 494. Dies wird deutlich, wenn als ausschließliches Kriterium für den Erlaß des Befähigungsnachweises bzw. dessen Anordnung für andere als die aufgeführten Gewerbe die "örtlichen Verhältnisse" heranzuziehen sind (§ 131). Denn diese können sich immer nur auf die konkrete sozio-ökonomische Lage eines lokalen Handwerks, nicht aber auf dessen an jedem Ort in gleichem Maße gegebene Gefährlichkeit beziehen. Abgelehnt wurde die Einbeziehung solcher Gewerbe in den Befähigungsnachweis, welche wie die Tapezierer das traditionelle Bild des Handwerks überschritten;495 dagegen schienen sich die Büchsenschäfter in den gezogenen Rahmen einzupassen496. Zur Durchführung der Prüfungen waren permanente Orts- oder Distriktsprüfungsbehörden zu bilden, in denen ein nichtgewerbetreibendes Mitglied der jeweiligen Kommunalbehörde den Vorsitz führte; die übrigen Mitglieder der Prüfungsbehörde waren von der Kommunalbehärde unter besonderer Berücksichtigung der Innungsgenossen aus denjenigen Gewerbetreibenden des Ortes auszuwählen und nach Genehmigung der Regierung zu ernennen, welche eines der in dem betreffenden Gebiet hauptsächlich vorkommenden Gewerbe ausübten (§ 162). In der Regel sollte die Prüfungsbehörde 12
493 Die Möglichkeit des Befugoiserwerbs ohne Eintritt in eine Innung verkennt P. Rudolph, Zunftverfassung u. Gew.freiheit, S.37, weoo er hinsichtlich der betreffenden Gewerbe das Recht zur Lehrlingshaltung zum Vorrecht der Innungsmitglieder erklärt. 494 Vgl. Kap. 4 III 2a. Entsprechend unterschiedlich wurde die Normierung des Befähigungsnachweises beurteilt: Während A. Funk, Das Innungswesen, S. 138 f., den Katalog der einbezogenen Gewerbe für mangelhaft hielt, sah Bemdt, Der Geist der allgemeinen Gew.-O., S. 9, keine Rechtfertigung durch höhere Rücksichten auf das Gesamtwohl für die Erstreckung auf weitere Gewerbe.
495 Verfügung des Iooen- und des Finan2ministers vom 24. Nov. 1847, PrMinBII848 Nr. 18: "Es fehlt ... an genügender Veranlossung, um die Bestimmung des §. 131. der Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845.... auch auf das Gewerbe der Tapezierer auszudehnen ... Dahin gehört namentlich die Rücksicht, daß das Erfortkmiß der Prüfung nur für die eigentlichen Handwerker paßt, welche sich mit einem gewissen Kreise VOll Arbeiten be/aßen, ... wogegen das Gewerbe der Tapezierer auf ganz verschiedenartige Verrichtungen sich ausdehnt, die zum Theil selbst in das Kunstgebiet übergehen. " 496 Verfügung des Innen- und des Finaozministers vom 17. Apr. 1848, PrMinBII848 Nr.117: "die Königl. Regierung (wird) ermiichtigt, für Ihren Verwaltungs-Bezirk anzuordnen, daß die Bestimmungen der im §. 131. der Gewerbe-Ordnung rom 17. Januar 1845 hinsichtlich der Erlongung der Befugniß, Lehrlinge zu halten, auch auf das dort nicht ausdrücklich erwähnte Gewerbe der Büchsen3chäfter Anwendung finden sollen. "
410
Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
bis 18 Mitglieder umfassen,497 von denen ein bis drei sowie eine gleiche Anzahl das einschlägige Gewerbe selbständig Betreibender - wiederum nach Möglichkeit Mitglieder der Innungen -, die von der Prüfungsbehörde zu benennen waren, zu der Prüfung zugezogen wurden (§ 163). Wie sich der Prüfling die zur Bewältigung der Prüfung notwendigen Kenntnisse angeeignet hatte, insbesondere die Absolvierung eines bestimmten Ausbildungsmodus, war unerhebIich. 498 Es durfte lediglich ein Nachweis darüber verlangt werden, daß der Kandidat ein Jahr lang in beliebiger Form499 in dem jeweiligen Gewerbe beschäftigt gewesen war (§ 164). Im mündlichen Teil des Examens hatte der Bewerber auch seine zur Führung eines Betriebes notwendigen Fertigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen darzulegen, deren mangelhafte Beherrschung allerdings hinter die ausreichend bewiesenen gewerblichen Fähigkeiten zurücktrat. soo Anschließend hatte der Prüfling "die zur Ausübung des Gewerbes erforderliche Handfertigkeit" durch Anfertigung einer Probearbeit nachzuweisen, welche für jedes Gewerbe mit einem Beispiel illustriert war. Allerdings war die Kommission an dieses nicht gebunden, sondern konnte nach Belieben bis zu drei ähnliche Arbeiten und die zur Herstellung einzuhaltende Zeit bestimmen, sofern die Probestücke "nur den zum Nachweise der Handfertigkeit unentbehrlichen Aufwand an Zeit und Kosten erfordern und leicht zu verwerthen" waren. S01 Die erforderlichen Werkstätten, Werkzeuge und Materialien hatte der Kandidat zu stellen, der im Falle der Ausfiihrung der Arbeiten am Sitz der Prüfungsbehörde von zwei Mitgliedern der Kommission, ansonsten von zwei an seinem Wohnort dasselbe Gewerbe selbständig Betreibenden beaufsichtigt wurde, wobei bei deren Auswahl durch den Vorsitzenden der Prüfungsbehörde
497 Zirkularverfügung des Innen- und des Finanzministers vom 31. Dez. 1847, PrMinBl 1848 Nr.162. 498 Zu den EinrichlUngen zur Erziehung des gew.en Nachwuchses als Maßnahme der Gew.färderung vgl. P. Lundgren, Die Berufsbildung des technischen Beamten, S. 229 ff.; HJ. Straube, Die Gew.förderung Preußens, S. 9 ff. 499
Vgl. die Anweisung für die Prüfungbehörden vom 31. Dez. 1847 § 4, PrMinBII848 Nr. 162a.
§ 10, PrMinBII848 Nr.162a: "Jede Prüfung beginnt mit der mündlichen Befragung des zu Prüfenden über die Gegenstiinde seilU!S Gewerbes. ... Von einem Gewerbetreibenden ... ist ... zu erfordern, dajl er im Stande sei, die sein Geschäft betreffenden Verordnungen und Mittheilungen zu lesen, eine Rechnung oder Quittungen zu schreiben und einen richtigen Kostenüberschlag auftustellen. Das PrüfongszttUgnijl •.• darf jedoch, wenn der Geprüfte den übrigen Anforderungen hinsichtlich der nachzuweisenden gewerblichen Kenntnisse und Fertigkeiten genügt, wegen der bei der Prüfong bemerlckn Mängel in den EIementar-Schulkenntnissen nicht versagt werden. " SOO Anweisung für die Prüfungbehörden vom 31. Dez. 1847
SOl Anweisung für die Prüfungbehärden vom 31. Dez. 1847 § 12, PrMinBl 1848 Nr. 162a. Übersicht über die 1846 in den einzelnen Gewerben anzufertigenden Stücke bei O.T. Risch, Die Allgemeine Gew.-O., S. 271 Cf.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegeset~ebung
411
wiederum Innungsmitglieder zu bevorzugen waren..502 Das über das Bestehen der Prüfung ausgestellte Zeugnis galt nicht nur als Nachweis der Befähigung zur Ausbildung von Lehrlingen, sondern auch für die Aufnahme in eine Innung (§ 166). Wie die zahlreichen Privilegierungen der Innungsgenossen hinsichtlich der Modalitäten der Befähigungsprüfungen zeigen, lag eine Organisation der Gewerbetreibenden in Innungen in der Intention des Gesetzgebers,503 obschon ein Beitrittszwang ausdrücklich zurückgewiesen wurde (§ 94). Die schon bestehenden Innungen dauerten fort (§ 94), jedoch waren ihre Statuten den für neugebildete Innungen geltenden Bestimmungen anzugleichen (§ 95). Hatte er seine Verpflichtungen berichtigt, so stand jedem der Austritt aus der Innung frei (§ 96). Eine Auflösung der Innung war nur durch einen mit Zweidrittelmehrheit gefaßten eigenen Beschluß nach Sicherstellung der Schuldenbegleichung sowie der Genehmigung der Regierung (§ 97) oder durch eine Aufhebung seitens der Ministerien aus überwiegenden Gründen des Gemeinwohls möglich (§ 98). Neue Innungen konnten von selbständigen Gewerbetreibenden derselben Branche nur dann gebildet werden, wenn eine an dem betreffenden Ort existente ältere Innung entweder aufgelöst wurde oder in der neuen aufging (§ 101). Zweck dieser Innungen, die mit der Bestätigung ihrer Statuten die Rechte einer Korporation erlangten (§ 101), war neben sozialen Aufgaben die Beaufsichtigung des Ausbildungswesens (§ 104). Sofern die Ministerien nicht etwas anderes gestatteten, waren zur Bildung einer Innung in den im einzelnen benannten größeren Städten 24, in den übrigen Orten 12 Gewerbetreibende erforderlich, die mindestens ein Jahr selbständig oder Mitglied einer aufgelösten älteren Innung gewesen sein mußten (§ 102). Der These Roehls, diese Bedingungen hätten die Innungen auf die umfangreicheren Urbanitäten beschränken sollen, wo die handwerkliche Oberschicht Beschränkungen ihrer Gewerbefreiheit ablehnend gegenüberstand,504 wird man in Anbetracht der weitreichenden Förderung der Innungsgründung nicht folgen können. Die später hinzutretenden Mitglieder hatten für ihre Befähigung zur Ausübung des Gewerbes einen besonderen Nachweis zu erbringen, der in einer nach den Modalitäten zum Erwerb der Ausbildungsbefugnis abzulegenden Prüfung bestand. Von ihr waren kraft Gesetzes die Mitglieder einer älteren Innung und die in den §§ 44, 45 einer staatlichen Befähigungsprüfung Unterworfenen befreit Anderen, durch ihr Wirken qualifizierten Gewerbetreibenden konnte der Qualifikationsbeweis durch einen Beschluß der Innung, weIcher der Genehmigung der Kommunal.502
Anweisung für die Prüfungbehörden vom 31. Dez. 1847 § 13, PrMinBI 1848 Nr. 162a.
503
P. Rudolph, Zunftverfassung u. Gew.freiheit, S. 37 f.
504
H. Roeh~ Beiträge zur Preussischen Hw.erpolitik, S. 204.
412
Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
behörde bzw. der der Prüfungsbehörde in den Fällen des § 131 bedurfte, erlassen werden (§ 108). Allerdings war weder das Recht zur Führung des Meistertitels von der Aufnahme in eine Innung abhängigSOS noch wurde durch diese die Freiheit, andere Gewerbe zu betreiben, in irgend einer Weise beschränkt (§ 111). Die Innungsangelegenheiten wurden von einem von den Genossen zu wählenden Vorstand verwaltet, dessen Bestätigung durch die Kommunalbehörde erforderlich war (§ 112). Diese entsandte auch einen Vertreter zu den Beratungen der Innung, um die Gesetzmäßigkeit der Beschlüsse zu überwachen (§ 113). Als Richtschnur für die den Ministerien vorbehaltene Bestätigung der Innungsstatuten (§ 105) wurde ein Normalstatut konzipiert, das neben der inneren Verwaltung der Innung insbesondere die Beaufsichtigung der Gesellen und Lehrlinge regelte. s06 Spätestens nach einer sechswöchigen Probezeit hatte der Lehrherr nach Feststellung seiner Lehrbefugnis den Lehrling vor der Innung anzunehmen;S07 war der Lehrherr nicht Mitglied einer Innung, so erfolgte die Annahme vor der Kommunalbehörde (§ 147). Der Lehrling mußte seine Kenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen dartun (§ 148), welche erforderlichenfalls von drei Mitgliedern des Innungsvorstandes zu überprüfen waren; die Söhne von Innungsgenossen durften dabei nicht begünstigt werden. SOB Die Bedingungen des frei ausgehandelten Lehrvertrages (§ 134) wurden bei der Aufnahme verzeichnet (§ 149). Während der Lehrling "der väterlichen Zucht des Lehrherrn unterworfen" war (§ 151), oblag letzterem die Pflicht, "den Lehrling durch Beschäftigung und Anweisung zum tüchtigen Gesellen auszubilden" (§ 150). Der Innungsvorstand hatte das Recht, jederzeit Auskunft über den Entwicklungsstand des Lehrlings zu verlangen. S09 Nach dem vereinbarten Ende der Lehrzeit stand es dem Lehrling frei, eine mit einer Prüfung verbundene förmliche Entlassung aus der Lehre zu beantragen (§ 157). Allerdings hatte der Innungsvorstand "dem Lehrlinge ... die Nachtheile vorzuhalten, welche der Mangel des Prüfungszeugnisses für sein künftiges Fortkommen zur Folge haben sos Verfügung des Finanz- und des Innenministers vom 16.01tt. 1845, PrMinBI 1845 Nr.353: "Der .•. Ansicht, daß einem HanJ.wt:rlct:r, welcher - ~ eitu:r Innung anzugehören - auf Grund der Gewerbeord1Ulng vom 17. Januar d. J. sein Gewerbe selbstständig betreibt, die Führung des Meistertitels polizeilich zu untersagen sei, kann nicht beigestimmt werden. Abgesehen davon, daß für die Aufrechterhaltung eines derartigen Verbots Ict:in polizeiliches IniD'esse obwalten würde, fehlt es auch an jeder gesetzlichen Begründung der Ansicht, daß nur die Mitglieder der Innungen sich Meister tu:nlU:n dürfen. • S06
Normalinnungsstatut vom 4. Febr. 1848 Tit.VI, PrMinBI1848 Nr. 116A.
S07
Normalinnungsstatut vom 4. Febr. 1848 § 65, PrMinBI1848 Nr. 116A.
sos Normalinnungsstatut vom 4. Febr. 1848 § 65, PrMinBI1848 Nr.116A. S09
Normalinnungsstatut vom 4. Febr. 1848 § 73, PrMinBI1848 Nr. 116A.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegeset7gebung
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würde".510 Bei einem Innungsgenossen ausgelernte Lehrlinge wurden von drei Mitgliedern des Vorstandes nochmals über ihre Schulkenntnisse geprüft, bevor sie in einer mündlichen Prüfung ihr gewerbespezifisches Wissen und mit der Anfertigung einer Probearbeit ihre praktischen Fertigkeiten unter Beweis zu stellen hatten; das Gesellenstück wurde in der Werkstatt des Meisters auf dessen Kosten hergestellt, wofür ihm die wirtschaftliche Verwertung der Arbeit zustand.S11 Lehrlinge, die nicht bei einem Innungsmitglied gelernt hatten, legten die Prüfung vor der Kommunalbehörde oder der für die Feststellung der Lehrbefähigung zuständigen Prüfungsbehörde ab (§ 157). Unter den gleichen Bedingungen konnten auch solche unselbständigen Gewerbetreibenden, die die in der Legaldefmition des § 146 für die Bezeichnung als "Lehrling" aufgestellten KriterienS12 nicht erfüllten, eine Prüfung durch die Innung oder die Kommunalbehörde begehren (§ 160).513 Ausdrücklich keine Anwendung fanden die Vorschriften über das Lehr- (und Gesellen-)Wesen auf die Ausbildungsverhältnisse der Apotheker und Kaufleute (§ 161).
Die die Rechtsverhältnisse der Gesellen regelnden Bestimmungen galten hingegen ebenfalls für Fabrikarbeiter (§ 145).514 Jeder selbständige Gewerbetreibende hatte das Recht zur Beschäftigung von Gesellen (§ 125) in freier vertraglicher Übereinkunft (§ 134); subsidiär galten für Mitglieder der Innungen deren Statuten und danach die Allgemeine Gewerbeordnung (§ 135). Die Gesellen waren verpflichtet, den Anordnungen ihres Arbeitgebers Folge zu leisten (§ 138); beide Teile hatten eine vierzehntägige Kündigungsfrist einzuhalten (§ 139). Nach dem Ende der Dienstzeit konnten die Gesellen ein Zeugnis über Art und Dauer ihrer Beschäftigung verlangen, das von der Kommunalbehörde
510
Normalinnungsstatut vom 4. Fehr. 1848 § 68, PrMinBII848 Nr. 116A.
Normalinnungsstatut vom 4. Febr. 1848 § 69, PrMinBI 1848 Nr. 116A. Eine Übersicht über die 1846 in Berlin verlangten Gesellenstücke findet sich bei O. Simon, Die Fachbildung des Preussischen Gew.- u. Handelsstandes, S. 231 ff. S11
512 "Als Lehrlinge sind nur diejenigen Personen zu betrachten, welche in der durch einen Lehrvertrag ausgesprochenen Absicht bei eitu:m Lehrhe"n eintreten, um gegen Lehrgeld oder unentgeltliche Hülfsleistung ein Gewerbe bis zu derjenigen Fertigkeit zu erlernen, welche sie zu Gesellen befähigt. " 513 Nach A. Funk, Das Innungswesen, S. 131 f., wirkte § 160 insofern enumerativ, als ein nicht vor der Innung angenommener Lehrling eines Innungsmitglieds kein Lehrling im Sinne des Gesetzes sei, dennoch aber die Kriterien des § 146 erfülle, und somit weder nach § 157 noch nach § 160 geprüft werden könne. Anders T. Riedel, System der Preußischen Hw.sgeset7gebung, S.126, der den Förmlichkeiten des Lehrverhältnisses einen rein präventiven Charakter zumißt, so daß deren Verletzung durch die Ablegung der Prüfung geheilt worden sei.
514 Kritisch zur Gleichbehandlung von Hw. und Industrie durch die Allgemeine Gew.O. P. Rudolph, Zunftverfassung u. Gcw.freiheit, S. 38 f. Vgl. aber zur Bedeutung des Gesetzes für die Industrie E. Bohse, Die Entstehung der industriellen Gcw.freiheit, S.65. Zum Arbeitsvertragsrecht E. Freiherr v. Vietinghoff-Scheel, Gcw.es Arbeitsvertragsrecht in Preussen, S. 59 ff.
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
zu beglaubigen war (§ 142). Eine Pflicht zum Wandern oder ein Recht der Wandergesellen auf Unterstützung bestand nicht (§ 143). Die Aufrechterhaltung der der sozialen Unterstützung der Gesellen dienenden Vereinigungen und Kassen wurde gestattet, wobei die Arbeit bei einem Innungsgenossen nicht zur Voraussetzung für den Beitritt zu einer solchen Einrichtung gemacht werden durfte (§ 144). Durch Ortsstatuten konnten die Gesellen zur Mitgliedschaft verpflichtet und für die Beziehungen zu ihren Arbeitgebern nichtdispositive Regelungen festgesetzt werden (§ 169). Darüber hinaus war die Möglichkeit zur Abänderung der die Innungen und die Verhältnisse der Gesellen, Gehilfen und Lehrlinge betreffenden Normen der Gewerbeordnung durch Ortsstatuten mit Genehmigung durch die Ministerien gegeben (§ 168), sofern dadurch insbesondere nicht den Innungen dem früheren Zunftzwang gleichkommende Funktionen beigelegt wurden (§ 170). Das Ortsstatut für Berlin vom 24. Nov. 1857515 etwa differenzierte in seinem § 1 die Kündigungsfristen für die Arbeitsverhältnisse der Gesellen nach einzelnen Gewerben und schrieb in § 5 auch für die Lehrlinge, deren Lehrherm nicht Mitglieder der Innung waren, die Aufnahme und Entlassung vor der Innung vor. Durch Gemeindebeschluß konnte sogar eine Innung dergestalt errichtet werden, "daß derselbe(n) alle Gewerbetreibende(n) dieser Gattung ohne Nachweis der Befähigung lediglich durch den Beginn ihres Gewerbes angehören"; allerdings stand es jedem frei, seinen Nichtbeitritt oder seinen Austritt ausdrücklich zu erklären (§ 118). Den Mitgliedern ohne bestandene Befähigungsprüfung kam jedoch ein Recht zur Teilnahme an den Beschlüssen und der VelWaltung der Innung nicht zu (§ 119). Versuche der Innungen, durch Pressionen auf die Gewerbetreibenden einen faktischen Zunftzwang durchzusetzen, wurden unterbunden. 516
515 516
PrMinB118S8 Nr. 100.
Erlaß vom 11. Juni 1856, PrMinBl1856 Nr.176: "Wenn der §. 170. a.a.O. gewisse Grundsätze aufführt, die durch Orts-Statuten nicht alterirt werden dürfen, so sind dies eben solche, welche der Gesetzgeber for so wichtig erachtet hat, dafJ er dieselben unter allen Umständen aufrecht erhalten wissen will ... DafJ aber, dem in §. 170. Nr. 2. ausgesprochenen Grundsatze zuwider, den Innungs. Meistern ein ausschliefJlicher materieller Vortheil verschafft wird, wenn die erforderlichen Arbeitskräfte denselben zunächst und vor den aufJerhalb der Innung stehenden Meistem überwiesen werden, und dafJ hierin gleichzeitig for die Letzteren eine Beeinträchtigung der ihnen gleichmäfJig zustehenden BefugnifJ zum Halten von Gesellen, welche fUlCh §.170. Nr. 3. weder beschränkt noch in der Ausabung erschwert werden darf, zu finden ist, liegt auf der Hand. Denn, wenn es auch ... trotz jener Herbergs-Einrichtung den Gesellen freisteht, bei anderen, als Innungs-Meistem zu arbeiten, so hat doch diese Einrichtung eben den Zweck und die Folge, dafJ die Gesellen, ehe sie mit den dortigen Meistern bekannt sind, sich zunächst denen zuwenden, die ihnen auf der Herberge genannt werden, und gerade in diesem Umstande mufJ eine Beeinträchtigung der nicht zur Innung gehörigen Meister gefunden werden . ... Ich tnQche es ... daher zur Pflicht, die Anwendung eines Zwanges zum AnschlufJ an die Innungen, in welcher Form er sich auch zeigen möge, nicht zu dulden w.
IV. Oie einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
415
b) Die Einschränkung der Gewerbefreiheit im Jahre 1849
Im Mittelpunkt der sich bis in die Revolutionsjahre hinein erstreckenden gesetzgeberischen Aktivitäten stand zunächst das Problem der Gewerbegerichtsbarkeit. Durch § 1 der Verordnung, die Gewerbegerichte in der Rheinprovinz betreffend, vom 7. Aug. 1846517 wurde die Kompetenz der rheinischen Fabrikengerichte auf die nicht in Dienst-, sondern in verlegerischer Abhängigkeit von den Fabrikanten stehenden Arbeitskräfte erstreckt. Unter dem Einfluß des in der Handwerketbewegung entworfenen Konzepts der Gewerberäte und Gewerbekammern stellte die Bekanntmachung des Ministeriums für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten vom 8. Mai 1848 den Gewerbetreibenden "in denjenigen Orten oder Distrikten, wo unter einzelnen oder mehreren Klassen der Gewerbetreibenden die Beseitigung schädlicher Gewohnheiten oder Mißbräuche als nothwendig erkannt oder das Bedürfniß veränderter Einrichtungen im Bereiche ihrer Beschäftigung gefühlt wird, " die Wahl von beliebigen Ausschüssen durch die ''Arbeitgeber (Fabrikanten oder Meister) mit den von ihnen beschäftigten Arbeitern (Fabrikarbeitern, Gesellen und Gewerbegehülfen)" frei. 518 Iurisdiktionelle Befugnisse sollten diese Ausschüsse allerdings nicht ausüben519, sondern sich auf die Untersuchung und Schlichtung der Streitfragen sowie Vorschläge zur Abhilfe beschränken52O• Die unter Leitung der Regierung aus Arbeitgebern und Arbeitern gebildeten übergeordneten Bezirksausschüsse waren keine Rechtsmittelinstanzen S21, sie hatten vielmehr das aus den Lokalausschüssen eingehende Material "zu vervollftändigen und ... zur weitern Entscheidung vorzubereiten"522. Mit den nur gesamtstaatlich zu verwirklichenden Interessen der Gewerbetreibenden hatte sich eine Zentralkommission zu befassen, deren Vorsitz der Chef des Ministeriums führte. 517 PrGS 1846, S. 403. Oie Ver.O wird von G. Oeter, Hw.sgerichts~arkeit zwischen Absolutismus u. Liberalismus, übersehen. 518 PrMinBI 1848 Nr. 163a. Zur Einstufung als Konzession an die Hw.erbewegung G. Oeter, Hw.sgerichtsbarkeit zwischen Absolutismus u. Liberalismus, S. 141 f. Zu den Forderungen der Hw.er in der Revolution Kap. 4 III 2b aa. 519
AA. G. Oeter, Hw.sgerichtsbarkeit zwischen Absolutismus u. Liberalismus, S. 142.
Bekanntmachung des Ministeriums für Handel, Gew. u. öffentliche Arbeiten vom 8. Mai 1848, PrMinBI1848 Nr. 163a: Oie Ausschüsse sollen im Stande sein, "die vorhande_n Mängel zu untersuchm, die dwaigm Streitfragm festzustellen und die zur Abhülfe geeigneten Maßregeln vorzuschlagM ... (Insbesondere) hat Jje Bildung von Ausschüssen ... zur gütlicht!n Beilegung mehrfacher Streitigkeiten g4iJhrt, weicht! zwischM Arbeitgebern und Gese11m oder F abrikllrbeitern entstanden warM." Für eine bloß beratende Funktion der Ausschüsse auch G.v. Viebahn,Oie gegenwärtige Bewegung in dem Gewerbstande, S. 161 f. 520
S21 S22
SO aber G. Oeter, Hw.sgerichtsbarkeit zwischen Absolutismus u. Liberalismus, S. 142.
Bekanntmachung des Ministeriums für Handel, Gew. u. öffentliche Arbeiten vom 8. Mai 1848, PrMinBI1848 Nr. 163a.
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Schon wegen seiner vollkommenen Wirkungslosigkeit in der Praxis konnte das projektierte Ausschußwesen nicht zu einem Einlenken der Handwerker führen. 523 "Bei der Dringlichkeit und Einstimmigkeit, mit welcher diese Klagen erIwben worden, " war im Gegenteil das Ministerium genötigt festzustellen, "daß allerdings der gegenwärtige Zustand des Gewerbewesens in manchen Punkten dringend einer Abänderung bedürfe, und daß namentlich die Erhaltung und Kräftigung des Handwerkerstandes ein schleuniges Einschreiten der Gesetzgebung bedinge".524 Die beiden Verordnungen vom 9. Feb. 1849 waren eine deutliche Konzession an die Handwerkerbewegung.52S Der Kreis derjenigen Handwerke, für die § 131 der Allgemeinen Gewerbeordnung die Ablegung einer Prüfung zur Voraussetzung der Lehrlingsausbildung erhoben hatte, wurde durch § 23 der Verordnung betreffend die Gewerberäte noch um die Müller, Bäcker, Pfefferküchler, Konditoren, Fleischer, Pantoffelmacher, Bürstenbinder, Perückenmacher, Tuchmacher, Tuchbereiter, Weber, Posamentierer, Knopfmaeher, Stuhlmacher, Kammacher, Korbflechter, Glaser, Nagelschmiede, Nadler, Siebmacher, Schwertfeger, Gold- und Silberarbeiter, Gold- und Silberschläger, Uhrmacher, Vergolder, Maler, Lackierer, Seifensieder und Tapezierer, deren Einbeziehung in den Befähigungsnachweis nach § 131 der Allgemeinen Gewerbeordnung gerade abgelehnt worden war,526 erweitert, wobei nunmehr allerdings die Darlegung der QualifIkation zur Bedingung für den selbständigen Betrieb des betreffenden Gewerbes wurde. Der Nachweis der Befähigung war entweder durch die Aufnahme in eine Innung nach vorgängigem Bestehen einer Prüfung oder durch deren Ablegung vor einer Prüfungskommission zu führen. Die Wiedereinführung der Zwangsinnungen war damit also nicht verbunden; sie wurde vielmehr ausdrücklich abgelehnt. S27 Die Anstellung eines qualifI-
523
G. Deter, Hw.sgerichtsbarkeit zwischen Absolutismus u. Liberalismus, S. 142 ff.
524
Bericht des Staatsministeriums an den König vom 7. Feb. 1849, PrMinBII849 Nr. 26 (S. 21).
52S VerO., betreffend die Errichtung von Gew.räten u. verschiedene Abänderungen der allgemeinen Gew.O., vom 9. Feb. 1849, PrGS 1849, S. 93. Text mit Anmerkungen auch bei L. Eggert, Das heutige Gew.wesen in den Königlich Preußischen Staaten, S.l ff. VerO. über die Errichtung von Gew.gerichten vom 9. Feb. 1849, PrGS 1849, S. 110. Umfassend zu Vorgeschichte u. Inhalt der beiden VerO.en P. Geißen, Die preußische Hw.erpolitik unter OUo von Manteuffel, S. 26 ff. Zur Beeinflussung durch die Hw.erbewegung G. Kölzsch, Die Entwicklung der Gew.freiheit, S.34; G. Rasch, Die Gew.gesetzgebung des Preußischen Staates, S. XIV ff.; M. Tilmann, Der Einfluß des Revolutionsjahres, S. 41. 526
Kap. 4 IV 1a. Zur Entstehung des Katalogs des § 23 T. Risch, Die VerO. vom 9. Feb. 1849,
S. 31 ff.
527 Bericht des Staatsministeriums an den König vom 7. Feb. 1849, PrMinBII849 Nr. 26 (S. 22): "insbesondere wird auf die verschiedentlich zur Sprache gebrachte Wiederherstellung des Innungszwanges bei Jen erheblichen dagegen sprechenden Bedenken keinesfalls einzugehen sein." Dies verkennen P. John, Hw. im Spannungsfeld, S.277; H. Pein, Die Gew.politik der dt. Romantik, S.75; C. Quante, Die geistesgeschichtlichen Grundlagen u. die Entwicklung der Gew.freiheit,
IV. Die einzclstaatliche Gcwerbegesetzgebung
417
zierten Stellvertreters zur Ausübung des Gewerbes war nur statthaft, wenn der Gewetbetreibende selbst den Anforderungen des § 23 genügte oder eine der in § 62 der Allgemeinen Gewerbeordnung von 1845 bezeichneten Ausnahmen Platz griff. 528 Die Zulassung zur Prüfung war von der Erreichung des 24. Lebensjahres und der Ausbildung als Lehrling abhängig (§ 35 Nr. 1,2). Selbst für nicht zur Innung gehörende Lehrherren konnte durch Orts statut die Pflicht zur Aufnahme und Entlassung der Lehrlinge vor der Innung und ein Aufsichtsrecht der letzteren über die Ausbildung begründet werden (§ 45). Die Lehrzeit dauerte mindestens drei Jahre, sofern der Lehrling nicht bereits älter als 20 Jahre war oder seine Kenntnisse durch den Besuch einer Gewerbeschule oder in anderer Weise besonders intensiv vervollkommnet hatte;529 in diesen Fällen konnte mit Zustimmung des Lehrherrn die vor Ablegung der Gesellenprüfung zu durchlaufende Frist auf ein Jahr verkürzt werden (§ 36). Die Gesellenprüfung, die ebenfalls eine Voraussetzung für die Zulassung zur Meisterprüfung war (§ 35 Nr. 2), war wie die letztere vor einer bei jeder Innung aus einem Mitglied der Kommunalbehörde als Vorsitzendem, zwei von den Genossen gewählten Innungsmitgliedern sowie zwei von den Gesellen geWählten Gesellen gebildeten Kommission abzulegen (§ 37).S3O Wollte der Meisterprüfungskandidat keiner Innung beitreten oder war der Lehrling nicht vor der Innung aufgenommen worden, so konnte die Prüfung vor einer Kreisprüfungskommission absolviert werden (§ 40). Deren Vorsitzender wurde von der Regierung ernannt, während die übrigen vier bis acht Mitglieder zu gleichen Teilen von den InnungsmeiS. 66; E. Tuchtfeldt, Gew.freiheit als wirtschaftspolitisches Problem, S.4O. Richtig dagegen K.H. Kaufhold, Die Auswirkungen der Einschränkung der Gew.freiheit, S. 166; J. Ziekow, Staatseinnahmen, Liberalismus u. Polizei, S. 317.
528 Erkenntnis des königlichen Obertribunals vom 6. Feb. 1863, PrMinBI1863 Nr. 70: "Wu daher ein im §.23. dieses Gesetzes benanntes Gewerbe .•. durch einen Stellvertreter ausüben will, muß ebenso wie der Stellvertreter auch selbst die Befugniß zu diesem Gewerbebetriebe besitzen, also nach §. 23. a.a.O. entweder in eine Innung aufgenommen sein, nach vorgängigem Nachweis der Bejahigung zum Betriebe des Gewerbes, oder diese Bejahigung vor einu Prüfungs-Kommission des Handwerks besonders nachgewiesen haben. Von diesen Grundsätzen ... (tritt) nur im Falle des §. 62. du Gewerbe-Ordnung vom 17. Januar 1845 ... eine Aus1lllhme ein ..., daß aber auch in diesem Ausnahmefalle wenigstens der Stellvutretu nach Maaßgabe des §. 23. des Gesetzes vom 9. Februar 1849 seine Befähigung für dies Gewerbe nachgewiesen haben muß.· 529 VgI. etwa den Bescheid vom 1. Juni 1861, PrMinBI1861, Nr.208: "Dagegen unterliegt es keinem Bedenken, denjenigen Handwerks-Lehrlingen und Handwerks-Gesellen, welche ihrer Militairpflicht bei einer Handwerks-Kompagnie genügt haben, bei der Zulassung zur Gesellen-Prüfung resp. Meister-Prüfung ihre technischen Leistungen im Werkstatt-Dienste in SOlVeit in Anrechnung zu bringen, als die BehOrden ... überhaupt ermächtigt sind, ausnahmsweise eine Abkürzung du im Allgemeinen vorgeschriebenen Lehrlings- und Gesellenzeit mit Rücksicht auf die benutzte Gelegenheit zur Erlangung gewerblicher Kenntnisse und Fertigkeiten zu bewilligen.· 530 Zur Entstehung der Vorschriften über die Prüfungkommissionen T. Risch, Die VerO. vom 9. Feb. 1849, S. 94 ff.
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
stern und von den Gesellen gewählt wurden (§ 39). Die dem Gesellenstand entstammenden Mitglieder waren zunächst auch bei Meisterprüfungen in vollem Umfang stimmberechtigt;m allerdings wurden sie durch § 5 des Gesetzes vom 15. Mai 1854532 vollständig abgeschafft. Das Examen gliederte sich in einen mündlichen und einen praktischen Teil, wobei die im Rahmen des letzteren anzufertigende Probearbeit von dem Prüfling aus den von der Prüfungskommission festgesetzten Meister- bzw. Gesellenstücken ausgewählt wurde. S33 Gegen die Entscheidung der Prüfungskommission einer Innung fand der Rekurs an die Kreisprüfungskommission und gegen deren Beurteilung der Prüfung die Beschwerde an eine benachbarte Kreisprüfungskommission statt (§§ 38, 40). Die letzte vor der Zulassung zur Meisterprüfung zu erfüllende Anforderung war eine zwischen der Gesellenprüfung und der Meldung zur Meisterprüfung abzuleistende Dienstzeit von mindestens drei Jahren, welche allerdings durch den Besuch einer gewerblichen Lehranstalt oder eine anderweitige Kenntnisvertiefung auf ein Jahr verkürzt werden konnte (§ 35 Nr. 3). Wer schon vor dem Nachweis der Befähigung zum selbständigen Betrieb eines anderen Handwerks die dafür aufgestellten Voraussetzungen der Lehrzeit, Gesellenprüfung und Dienstzeit erfüllt hatte, brauchte den entsprechenden Anforderungen vor der Meisterprüfung in einem weiteren Gewerbe nicht erneut zu genügen (§ 35). Dies zeigt, daß den genannten Verpflichtungen ein qualifIZierender Charakter in Hinsicht auf die spezifische Meisterprüfung nicht zukam. Sie waren wie letztere nur ein Mittel zur Kontrolle der lokalen Gewerbedichte, wie die Möglichkeiten der Erstreckung der Meisterprüfung auf andere Gewerbe und der Beschränkung des gleichzeitigen Betriebs mehrerer Handwerke, jeweils nach den "örtlichen Verhältnissen" (§§ 26, 29), erweisen. 534 Dieses über die bloße Gefahrenabwehr und die Sorge um eine sachgerechte Ausbildung des Handwerksnachwuchses hinausreichende Motiv des Handwerkerschutzes stieß selbst in den Kreisen der Handwerker auf heftige Kritik und wurde als zumindest inop531 Verfügung des Ministers für Handel, Gew. u. öffentliche Arbeiten vom 5. Juni 1849, PrMinBI 1849 Nr.I92: "da die Verordnung vom 9. Februar d. J. hinsichtlich der Mitwirkung bei den Prü· fungen zwischen den, aus dem Meistersillnde und den aus dem Gesellenstande gewählten Mitgliedern keinen Unterschied festgesetzt hat, so entbehrt die Voraussetzung, daß die dem Gesellenstande angehörenden Mitglieder der Kommission bei den Prüfungen nicht als Prüfende mitzuwirken hätten, sondern nur als Zeugen oder Zuhöhrer zuzulassen seien, der Begründung". 532 PrGS 1854, S. 263. Zu diesem Gesetz P. Geißen, Die preußische Hw.erpolitik unter Otto von Manteuffel, S. 59 ff. 533 Anweisung vom 31. März 1849 §§ 1,5,6, PrMinBI 1849 Nr.191a. Zu den unterschiedlichen Prüfungsaufgaben T. Risch, Die VerO. vom 9. Feb. 1849, S.161 ff. 534 Durch Erlaß vom 8. Juli 1856, PrMinBI 1857 Nr.29, wurden etwa die Achatschleifer und -bohrer im Regierungsbezirk Trier dem Befähigungsnachweis gern. § 23 unterworfen. Zur Einstufung der Prüfungen als Maßnahmen des Hw.erschutzes T. Risch, Die Hw.s.-Gesetzgebung Preußens, S. 98 ff.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
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portun53S oder sogar als vom Staatszweck nicht mehr gedeckt bezeichnet536• Die Berliner Klempnerinnung beschloß im Jahre 1863, von der Meisterprüfung wegen ihrer katastrophalen sozialen Folgen ganz abzusehen. S37 Entsprechend der Intention des Handwerkerschutzes waren ein den Bestimmungen des Befähigungsnachweises unterliegendes Gewerbe betreibende Fabrikinhaber in der Beschäftigung von Gesellen, insbesondere hinsichtlich der Arbeit unmittelbar für den Kunden, beschränkt (§ 32). Für die in den Fabriken tätigen Arbeiter und verlagsmäßig Abhängige galt als besondere Schutzvorschrift ein Truckverbot (§§ 50 ff.).538 Gesellen durften sich nur in ihrem erlernten Gewerbe verdingen und beschäftigt werden (U 47, 48).539 Das Netz der sozialen Sicherung wurde dahingehend ausgebaut, daß durch Ortsstatuten für alle selbständigen Gewerbetreibenden die Pflicht zum Beitritt zu den Unterstützungskassen der Innungen (§ 56) und zur Beteiligung an den Hilfskassen der Gesellen sowie an den Fortbildungseinrichtungen für Lehrlinge und Gesellen (§ 57) angeordnet werden konnte. S4O Darüber hinaus wurden die Vorschriften für die Gesellenkassen auch auf die Fabrikarbeiter erstreckt (§ 58). Während der Versuch zur Wiederbelebung des Innungswesens zunächst bei den sich Schutz erhoffenden sozial schwächeren Meistem erfolgreich war, und 535 536
C. Schwebemeyer, Die Gew.gesetzgebung Preußens, S. 29 f.
D. Born, Die bürgerliche Existenz ist gesichert!, S.3 ff.; T. RiedeI, System der Preußischen Hw.sgesetzgebung, S. 138 ff.
537 Beschlüsse der Berliner KIempnerinnung vom 20. Apr. 1863, J. Bergmann, Das Berliner Hw., S. 366 f.: "Um nun wenigstens unseren Gesellen die ... Selbständigkeit erleichtern zu helfen, die durch die Prüfung gehemmt ist, haben wir beschlossen, von derselben ganz abzusehen. Hauptgrundsatz bei unserem gefaßten Beschluß ist: Entfesselung der Arbeit, durch Beseitigung sämmtlicher Hindernisse, die durch uns entstehen ... Zu dem Ende wurde ... beschlossen: 1. Die Gesellen-PrüJUngen so streng als gesetzlich möglich zu handhaben, weil, wenn ein junger Mensch eine gute Grundlage in der Lehre gelegt hat, sein späteres Fortkommen nie Gefahr laufen kann. 11. Die MeisterprüJUngen gänzlich fallen zu lassen, jedoch folgende Bedingungen als geringste Norm festzuhalten: a. muß der die Aufnahme in die Innung Nachsuchende die Klempner-Profession gehörig erlernt haben und zum Gesellen losgesprochen zu sein, nachweisen. b. Mindestens 3 Jahre seit der Losspreclwng bis zur Meldung verflossen sein . ... lII. Mittel und Wege aufzusuchen, wodurch bei uns die KreisprüJUngen zu beseitigen sein möchten". 538 539
Dazu G.K. Anton, Geschichte der preußischen Fabrikgesetzgebung, S. 17 ff.
Zum Arbeitsvertragsrecht nach der VerO. von 1849 E. Freiherr v. Vietinghoff-Scheel, Gew.es Arbeitsvertragsrecht in Preussen, S. 85 ff. S40 Vgl. dazu die Entwürfe eines Ortsstatuts betreffend die Gesellenverbindungen und Unterstützungskassen und des Statuts einer Gesellenkasse vom 1. Apr. 1849, PrMinBI1850 Nr. 289b und d. Gesetz, betreffend die gew.en Unterstülzungskassen, vom 3. Apr. 1854, PrGS 1854, S.138; dazu P. Geißen, Die preußische Hw.erpolitik unter Otto von Manteuffel, S.55 ff. Vgl. noch W. Reininghaus, Die Gesellenladen u. Unterstülzungskassen, S. 46 ff.; ders., Die Unterstützungskassen der Hw.sgesellen, S.134 ff.
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
erst nach etwa einem Jahrzehnt mit dieser Illusion auch das Interesse schwand,541 blieben die sich an das in der Handwerkerbewegung entwickelte Modell anlehnenden Vorschriften über die Gewerberäte von vornherein nahezu bedeutungsloss42• Die Gewerberäte waren auf Antrag der Gewerbetreibenden in jedem Bezirk zu bilden (§ 1), wo sie die Interessen der ein Gewerbe Ausübenden zu vertreten hatten und in den danach einschlägigen Fragen anzuhören waren (§ 2). Die Gewerberäte gliederten sich in drei Abteilungen, deren Mitglieder jeweils aus dem Handwerker-, dem Fabrikanten- und dem Handelsstand zu wählen waren (U 3, 4, 9). Dabei sollte in der Handwerks- und der Fabrikabteilung den Arbeitgebern das zur Erzielung einer ungeraden Zahl erforderliche Übergewicht zukommen (§ 5).543 Gleiches galt laut § 4 der Verordnung über die Errichtung von Gewerbegerichten bei der Wahl zu den, das linksrheinisch verbreitete Konzept der französischen conseils modiflzierenden, Gewerbegerichten. 544 Deren Kompetenz sollte sich ausschließlich auf Streitigkeiten zwischen selbständigen Gewerbetreibenden und den von ihnen gewerblich Abhängigen erstrecken (§ 2). Allerdings war ihre Effizienz nur wenig höher als die der Gewerberäte. 54s Wohl unter dem Eindruck der gewerbefreiheitlichen Bewegung zu Beginn der 60er Jahre wurden durch einen Erlaß vom 16. Juni 1860 sämtliche Regierungen aufgefordert, "ein auf Thatsachen und praktische Erfahrungen begründetes Urtheil über die Ergebnisse" der Gewerbegesetzgebung abzugeben. 546 Die unterschiedlichen Bewertungen wurden durch die Erklärung überdeckt, 541 J. Bergmann, Das Berliner Hw., S. 78 ff., 90 ff.; H. Kaiser, Hw. u. Kleinstadt, S. 292 ff.; K.H. Kaufhold, Die Auswirkungen der Einschränkung der Gew.freiheit, S. 178 f.; M. Tilmann, Der Einfluß des Revolutionsjahres, S.52; H.Winkels, Die Entwicklung des Hw.s in Düsseldorf, S. 42. Zur Entwicklung des Hw.s seit 1849 O. Thissen, Beiträge 2lIr Geschichte des Hw.s in Preussen, S. 31 ff. 542 C.J. Bergius, Die preussischen Gew.gesetze, S.77 f.; K.H. Kaufhold, Die Auswirkungen der Einschränkung der Gew.freiheit, S.187; M. Tilmann, Der Einfluß des Revolutionsjahres, S. 46 ff. Daß sie allerdings durchaus in1 Interesse der Handwerker lagen, zeigt die noch 1861 vom preußischen Landeshandwerkertag an das Herrenhaus gerichtete Forderung auf allgemeine Einführung der Gew.räte, Die Gew.frage in Preußen, S. 9. 543 Nach § 1 des Gesetzes vom 15. Mai 1854, PrOS 1854, S. 263, waren nur noch die selbständigen Gew.treibenden zur Wahl der Gew.räte befugt. 544 Zur Einführung der französischen conseils in den linksrheinischen Gebieten G. Bernert, Die französischen Gew.gerichte, 5.142 ff.; K. Globig, Gerichtsbarkeit als Mittel sozialer Befriedung, S. 67 ff.; K.-H. Schloßstein, Die westfälischen Fabrikengerichtsdeputationen, S. 73 ff. Zur rheinischen Gew.gerichtsbarkeit P. Schöttler, Die rheinischen Fabrikengerichte, S. 160 ff.; W. Silberschmidt, Die Dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 261 f. Zur Errichtung der westfälischen Fabrikengerichtsdeputationen nach dem Vorbild des Berliner Fabrikengerichts K. Globig, l.c., S. 84 ff., 91 ff. Zum Berliner Fabrikengericht I. Mieck, Das Berliner Fabriken-Gericht, S. 249 ff. 54S G. Deter, Hw.sgerichtsbarkeit zwischen Absolutismus u. Liberalismus, S.147 ff.; K. Globig, Gerichtsbarkeit als Mittel sozialer Befriedung, S. 169 ff. S46
PrMinB11861 Nr. 101a; zur Diskussion über die Gew.freiheit 1850/60 Kap. 4 III 2c.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
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"daß die gerügten Uebelstände weniger in der bestehenden Gesetzgebung selbst, als vielmehr in einer unrichtigen Auffassung oder Ausführung der letzteren ihren Grund haben".S47
2. Österreich
Anders als in Preußen führten in ÖSterreich die Umwälzungen des beginnenden 19. Jhs. zu keiner durchgreifenden Reform..548 Eine legislatorische Steuerung der Gewerbetätigkeit erfolgte kaum. Die Unterscheidung in enumerativ aufgeführte Polizei- und alle sonstigen Tätigkeiten umfassende Kommerzialgewerbe wurde aufrechterhalten,S49 wobei für letztere soweit wie möglich das Prinzip der freien Konkurrenz gelten sollte. sso Allerdings zeichnete sich in dieser Frage deutlich ein Konflikt zwischen der zuständigen Kommerz-Hofkommission und dem Kaiser ab, der in Übereinstimmung mit den Magistraten zahlreicher Städte zur Vermeidung von Übersetzungserscheinungen alle Konzessionserteilungen auf das unumgängliche Mindestmaß reduzieren wollte SS1; S47 Zirkular vom 2. Apr. 1861, PrMinBl1861 Nr.10l. Zu Voraussetzungen und Modalitäten des HW.sbetriebs nach dem Stand von 1862 H.A. Mascher, Die Gew.-O. Preußens, S. 169 Cf. S48 Dazu R. Hoke, Österreich, S. 34S Cf. Schon A. Schäffle, Die Gew.gesetze Oesterreichs u. der Coalitionsstaaten, S. 99, sprach von einer organischen Entwicklung der Gesetze. S49 Gew.O. für Tirol und Vorarlberg vom 12. Sept. 1816 § 3, E. Santer, Hw. u. Gew. in Innsbruck, S. 273 ff.: "Die Gewerbe theilen sich in Polizey- und Kommerzial-Gewerbe. Die Gränzlinie zwischen Kommerzial- und Polizey-Gewerben bestimmt das hohe Hojk4mmer-Dekret vom 2ten May 1809 dadurch, daß alle Gewerbe, welche in dem nachfolgenden Verzeichnisse nicht als polizeyliche genannt sind, als kommerzieIe Gerechtsame erkläret werden." Zur Trennung von Polizei- und Kommerzialgewerben Kap. 3 III 3.
sso Gew.O. für Tirol und Vorarlberg vom 12. Sept. 1816 § 4, E. Santer, Hw. u. Gew. in Innsbruck, S. 273 Cf.: "Die gestzlich vorgeschriebene lndustrial-Freyheit bleibt die Basis der KommerzialLeitung. Von dieser Richtschnur darf ein für allemal bei den Verhandlungen über Kommerzial-Gewerbe nicht abgewichen, noch den gefährlichen Einstreuungen des Zunftgeistes, Gehör gegeben, sondern es muß stets nur die freie Konkurrenz mit EnJfernung aller ängstlichen Nebenrücksichten behauptet werden. Selbst jene Erwerbszweige, die zwar in dem Verzeichnisse der Polizey-Gewerbe enthalten, aber in den größeren Städten nur, oder nur in der Residenz, eigenen Befugnissen unterzogen, außer diesen aber freygelassen sind, haben dort, so sie bisher keiner eigenen Befugniß unterworfen waren, auch für die Zukunft frei zu bleiben. " SSl Schreiben Kaiser Franz I. an den obersten Kanzler Graf v.Saureau vom 10. Aug. 1822, H. Reschauer, Geschichte des Kampfes der Hw.erzünfte, S. 71 f.: Es kann "der Slilatsverwaltung nicht gleichgiltig sein, wenn diese Gewerbsvermehrungen in einem solchen Maße ausgedehnt werden, daß dieselben nicht nur den weitesten Bedarf überschreiten, sondern sogar die wirkliche Existenz der Gewerbsleute bedrohen und selbe in einen ... Zustllnd der Armuth und daraus entspringenden Steuerunfähigkeit versetzen ... (Es sind daher) Gewerbsverleihungen für die Zukunft nur für den absolut nothwendigen Bedarf zu gesllltun". Im Gegensatz zum Landesgubemium von Tirol und Vorarlberg wollte etwa der Magistrat der Stadt Innsbruck auch die Verleihung von Kommerzialgewer-
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die Kommerz-Hofkommission dagegen beharrte auf den Vorteilen der extensiven Zulassung von Wettbewerbem ss2• Im Zuge der von Franz I. am 11. Juli 1816 angeordneten ''Regulirung der Commerz-Angelegenheiten" durch "eine besondere Hof-Commission ... mit dem Allerhöchsten Auftrage ..., dem in der Monarchie bestehenden Industrie- und Handels-Systeme überhaupt eine, den veränderten Verhältnissen entsprechende Einrichtung zu geben",m wurde die Kommerz-Hofkommission am 16. Apr. 1824 aufgelöst; ihre Aufgaben übernahm die Allgemeine HofkammerSS4• Aus der separaten Erarbeitung "der bestehenden Gewerbs- und Handelseinrichtungen in jeder Provinz der Monarchie" formte der Prager Professor für politische Wissenschaften W. Gustav Kopetz eine Gesamtschau des bestehenden Rechtszustands, die er 1826 und 1827 der Hofkammer einreichte. sss Gesetzgeberische Folgen hatten diese Vorarbeiten nicht, da die Gewerbeverwaltung eine gesetzliche Limitierung ihrer liberalen Konzessionierungspraxis befürchten mußte. SS6 So war sie etwa dazu übergegangen, selbst für die Ausübung eines dem Zunftzwang unterliegenden Gewerbes Konzessionen zu erteilen, wobei der Betreiber auf die Herstellung nur weniger Produkte beschränkt wurde; die Beachtung dieser Auflage blieb allerdings völlig unkontrolliert. SS7 Die Einteilung in zünftige und unzünftige Gewerbe war von der in Polizei- und Kommerzialgewerbe unabhängig. sss Die Zunftverfassung hatte allein dem Zweck der Aufsichtsfübrung über die Erfüllung der Qualifikationsvoraussetzungen zu dienen, nicht aber die gewerbliche Entwicklung zu hindem. ss9 Dementsprechend wurde durch ein Hofdekret vom 29. Mai 1816 die Beschränkung der Lehrlingszabl für die ein zünftiges Komben vom lokalen Bedarf abhängig machen, E. Santer, Hw. u. Gew. in Innsbruck, S. 48. Zu den 1822 bis 1827 unternommenen Versuchen, die Verleihung von Gewerben zu beschränken, J.Slokar, Geschichte der österreichischen Industrie, S. 85 Cf. SS2
H. Reschauer, Geschichte des Kampfes der HW.erzÜDfte, S. 57.
SS3
W.G. Kopetz, Allgemeine östreichische Gewerbs-Gesetzkunde 1, S. III f.
SS4
W.G. Kopetz, Allgemeine östreichische Gewerbs-Gesetzkunde 1, S. XI.
sss
W.G. Kopetz, Allgemeine östreichische Gewerbs-Gesetzkunde 1 u. 2, Entstehungsgeschichte in Bd.l S. III ff. SS6
H. Steindl, Die Einführung der Gew.freiheit, S. 3608.
SS7
H. Steindl, Die Einführung der Gew.freiheit, S. 3605.
SS8
W.G. Kopetz, Allgemeine östreichische Gewerbs-Gesetzkunde 1, § 13.
Gew.O. für Tirol und Vorarlberg vom 12. Sept. 1816 § 10, E. Santer, Hw. u. Gew. in Innsbruck, S. 273 Cf.: "Die Zünfte sind, jedoch nur zum Behufe der polizey/ichen Aufsicht und der Legaliat in Beziehung auf die Erlernung eines Gewerbes, die Geselknbestimnwng, und die Eigenschaften zum Meisterrechte, da, wo sie bestehen, beyzubehalten, und wo sie nicht bestehen, einzuführen. Diese Zünfte haben sich jedoch ausschließlich auf erwähnten Zweck zu beschränlam, und sie haben ein /Ur allemal kein Recht, aus dem Titel der Beeinträchtigung, gegen verliehene neue Meisterruhte, Vorstellungen oder Protestationen einzukgen." SS9
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
423
merzialgewerbe Betreibenden aufgehoben; eine Freigabe auch für die Polizeigewerbe erfolgte nur in einigen Landesteilen. S60 Der schrittweisen Beseitigung der Wanderpflicht wurde bereits gedacht S61 Die Ausübung eines zünftig gebundenen Gewerbes war an die Erlangung des Meisterrechts geknüpft, dessen Voraussetzungen - wie etwa die ordnungsgemäße Anfertigung der Meisterstücke - von der Zunft festgestellt wurden, das aber nur vom Staat verliehen werden konnte. s62 Weitergehend wurden etwa in Niederösterreich sogar die Meisterstücke von den Behörden aufgegeben. s63 Beschwerden gegen die Modalitäten einer Meisterprüfung durch die Zunft konnten in einem Rekurs an die Obrigkeit vorgetragen werden.~ Allerdings war die Zunftverfassung weitestgehend dadurch durchbrochen, daß die nunmehr als "einfache Arbeitsbefugnisse" titulierten Schutzdekrete seit dem Hofdekret vom 23. Dez. 1800 das Recht beinhalteten, Gesellen in beliebiger Zahl zu beschäftigen; die Dekretisten in den Kommerzialgewerben durften laut einer Verordnung vom 5. März 1816 darüber hinaus Lehrlinge ausbilden, was den in den Polizeigewerben einfach Arbeitsbefugten gemäß einem Hofdekret vom 29. Aug. 1816 versagt blieb s6S• In noch bedeutenderem Umfang umgangen wurde der Zunftzwang durch die auf das Hofkammerdekret vom 22 Jan. 1810, das Gesetz vom 8. Dez. 1820 und das Hofkammerdekret vom 31. März 1832 gestützte Praxis, jede minimale Veränderung der Produktionsmodalitäten eines zunftgebundenen Gewerbes mit der Verleihung eines Privilegs zu honorieren, nach dessen Ablauf das Gewerbe als freie Beschäftigung weiter ausgeübt werden konnte. S66 Die nicht zunftmäßig organisierten Gewerbe unterteilten sich in die ungehindert offenstehende freie Beschäftigung und die sog. unzünftigen Gewerbe im engeren Sinne, deren Ausübung einer behördlichen Konzessionierung bedurfte. 567 Nach einer Gubernialverordnung vom 5. März 1821 hatten diese unzünftigen Gewerbetreibenden
S60
W.G. Kopetz, Allgemeine östreichische Gewerbs-Gesetzkunde, § 29.
561
Kap. 3 III 3; vgl. W.G. Kopetz, Allgemeine östreichische Gewerbs-Gesetzkunde, § 36.
562
W.G. Kopetz, Allgemeine östreichische Gewerbs-Gesetzkunde, §§ 51 Cf.
563
W.G. Kopetz, Allgemeine östreichische Gewerbs-Gesetzkunde, § 55.
Hofdekret für Niederösterreich vom 22. April 1775 und VerO.en für Böhmen vom 2. Jan. 1818 und 14. Jan. 1819, W.G. Kopetz, Allgemeine östreichische Gewerbs-Gesetzkunde, § 56. ~
S6S W.G. Kopetz, Allgemeine östreichische Gewerbs-Geselzkunde, § 76. Zur Einführung der Schutzverwandschaften in Österreich Kap. 3 III 2a. S66 H. Steind~ Entfesselung der Arbeitskraft, S.117 Cf.; H. Waentig, Das Problem der Gew.O., S.17. Zu dieser Phase der österreichischen Patentgesetzgebung B. Dölemeyer, Patentrecht u. Musterschutz, S. 4174 ff. Vgl. dazu auch J.Harkup, Bey träge zur Kenntniß der Handels- u. GewerbsVerfassung, S. 91 Cf.
567
W.G. Kopetz, Allgemeine östreichische Gewerbs-Gesetzkunde, §§ 78 f.
28 Ziekow
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
die erforderlichen Kenntnisse in beliebiger Fonn nachzuweisen. S68 Das für den Betrieb einer Fabrik aufgestellte Erfordernis, ein unausgebildeter Fabrikant habe sich eines versierten Werkführers zu bedienen,S69 wurde schrittweise beseitigt S70 Der gewerbefreiheitlich intendierten administrativen Praxis trat ein kaiserlicher Befehl an den obersten Kanzler vom 17. Aug. 1831 entgegen, mit welchem die Verleihung von Gewerbeberechtigungen bis auf weiteres untersagt wurde. S71 Die Folge war eine Fülle von Eingaben verschiedener Gewerbe, die eine Reduzierung der Konzessionserteilungen begehrten. S72 Am 17. Aug. 1832 wies der Kaiser die Hofkamrner an, eingehend zu prüfen, "ob und bei welchen Handels- und Gewerbsclassen eine dergleichen Beschränkung (der liberalen Commerzial-Grundsätze) allenfalls einzutreten hätte".S73 Die folgende Enquete ergab eine deutliche Tendenz zur Gewerbefreiheit bei den Länderstellen und Kreisämtern, ein klar entgegengesetztes Votum hingegen bei den herrschaftlichen Obrigkeiten und Zünften. S74 Um der gewerbefreiheitlichen "Willkür der mit dem Verleihungsrechte begabten Behörden so viel als möglich zu steuern'~ forderte der Kaiser in einem Schreiben an den Präsidenten der Hofkammer vom 4. Feb. 1835, tIden selbstständigen Gewerbsbetrieb ... zwar nur vermittelst eigener Concessionen zu gestatten, zum Behufe deren Erwirkung aber für jede Gewerbsgattung bestimmte Bedingungen festzusetzen, ... ohne die bestehenden Innungen ... in die Frage zu stellen"; der Hebel zur Liberalisierung der Gewerbefreiheit, die Unterscheidung von Kommerzial- und Polizeigewerben, habe "nach Vollendung und Sanctionirung der neuen Gewerbs-Verfassung ganz aufzuhören".S7S In der Erwartung des Erfolgs dieser Maßregeln glaubte der Kaiser, die angeordnete Konzessionierungssistierung wieder aufheben zu können. s76
S68
W.G. Kopetz, Allgemeine östreichische Gewerbs-Gesetzkunde, § SO.
S69
Kap. 3 III 5.
S70
W.G. Kopetz, Allgemeine östreichische Gewerbs-Gesetzkunde, § 165.
H. Reschauer, Geschichte des Kampfes der Hw.erzÜDfte, S. 78: "Sie haben die Verleihung von Gewerben ... bis auf meinen weiteren Befehl sogleich einzustellen. " S71
sn
H. Reschauer, Geschichte des Kampfes der Hw.erzünfte, S. 80 Cf.
S73
H. Reschauer, Geschichte des Kampfes der Hw.erzÜDfte, S. 100.
S74
Eingehend H. Reschauer, Geschichte des Kampfes der Hw.erzÜDfte, S. 101 Cf.
S7S
H. Reschauer, Geschichte des Kampfes der Hw.erzünfte, S. 178 f.
S76 Kabinettsschreiben an den obersten Kanzler vom 4. Feb. 1835, A. Baryl~ Konzessionssystem contra Gew.freiheil, S.14: "Ich finde es von dem Ihnen mit Meinem Kabindtschreiben vom 17. August 1831 bis auf Meinen weiteren Befehl ertheilten Auftrage wegen Einstellung der Verleihung von Gewerben ... nunmehr abkommen zu lassen".
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebuog
425
Mit der Konzeptionierung einer Gewerbeordnung wurde der Hofrat Anton Edler von Krauß betraut, dessen im Okt. 1835 fertiggestellter Plan bis zum Mai 1836 in einer eigens zusammengestellten Kommission beraten wurde; der als Ergebnis beschlossene Circular-Entwurf orientierte sich im wesentlichen an den Kraußschen Vorschlägen. sn Die Grundlage des Entwurfs war die Unterscheidung der Erwerbszweige der Industrie in Gewerbe und freie Beschäftigungen (§ 1). Jede Tätigkeit, die nicht in dem die Gewerbe enumerierenden Katalog des § 2 aufgenommen war, galt als freie Beschäftigung. Ihre Aufnahme war der lokalen Obrigkeit lediglich anzuzeigen (§ 64) und ihre Ausübung unterlag allein den allgemeinen polizeilichen Vorschriften (§ 66). Die Freiheit der Erwerbstätigkeit wurde als ursprüngliches natürliches Recht des Menschen bezeichnet, das nur aus bestimmten Gründen beschränkt werden dürfe. 578 Damit war der Rekurs auf § 17 ABGB eröffnet579 und die Gewerbefreiheit als gesetzliche Vermutung institutionalisiert, die in concreto zu widerlegen war580• In diesem Sinne ist die zur Begründung der Enumerierung der Gewerbe und nicht der freien Beschäftigung verlautbarte Opportunitätserwägung581 vordergründig, steht doch vielmehr hinter dieser Aufteilung der Gedanke, die von einer Bewilligung nach vorgängiger Erfüllung der aufgestellten Bedingungen abhängigen Gewerbe (§ 2) auf dem status quo zu sistieren; jede im Zuge der technologischen Innovation sich neu entwickelnde gewerbliche Tätigkeit wäre dann eine freie Beschäftigung. Da das Gesetz selbst den Kreis der Gewerbe nicht erweitern sollte, beließ § 65 diejenigen in § 2 erwähnten Gewerbe, die lokal als freie Beschäftigungen ausgeübt wurden, in diesem Stand. Eine weitere Folge der aus § 17 ABGB abgeleiteten Freiheitsvermutung 577 A.Baryli, Konzessionssystem contra Gew.freiheit, S. 14 f.; der Entwurf ist ediert auf den S.121 ff.
578 Motivenbericht zum Circular-Entwurf, H. Reschauer, Geschichte des Kampfes der Hw.erzÜDfte, S.186: "Dieser Grundsatz entspricht dem natÜl'lichen Rechte des Menschen, alles
dasjenige zu thun und zu unterneJunen, was nicht verboten ist. Ursprünglich waren alle Erwerbszweige frei. Im Staatsverbande lcann rechtlich nur derjenige Erwerb beschränkt werden, der entweder aus öffentlichen Rüc:Jcsichten oder wegen Störung eines Privatrechtes beschränkt werden muß. Wo weder der eine noch der andere Fall Nlchgewiesen werden lcann, würde jede weitere Beschränkung von Seite der Staatsverwaltung nur als eine ungerechte Begünstigung des Monopols auf der einen, und als ein indirecter Zwang zum Müssiggange ... auf der anderen Seite sich dtzrstellen". 579 Den Rekurs vollzieht KrauS ausdrücklich in der Begründung zu § 4 seines Entwurfs, H. SteindI, Entfesselung der Arbeitskraft, S. 109. § 17 ABGB: "Was den angebomen natürlichen
Rechten angemessen ist, dieses wird so lange als bestehend angenommen, als die gesetzmäßige Beschränkung dieser Rechte nicht bewiesen wird. " 580
Zutreffend H. Steind~ Entfesselung der Arbeitskraft, S. 107 ff.
581 Motivenbericht zum Circular-Entwurf, H. Reschauer, Geschichte des Kampfes der Hw.erzÜDfte, S. 185: "Da es ... wenig thunlich wäre, ein Verzeichniß aller freien Beschäftigungen zu verfassen, ... so hat "",n sich (§ 2) dtzrauf beschränlct, ein Verzeichniß der eigentlichen Gewerbe
... anzufertigen".
426
Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
war die Reduzierung der Zünfte auf private Korporationen, indem sie in Umkehrung des bisherigen Zustands nunmehr ihre Rechtsposition darzulegen hatten, ohne daß die Obrigkeit a limine zu ihren Gunsten intervenierte. s82 Die Konsequenz zog an versteckter Stelle § 32 lit.c, der gemäß den kaiserlichen Vorgaben den "Verband der bestehenden Zünfte und Innungen" aufrechterhielt, gleichzeitig aber den Beitrittszwang und das Monopol der Zünfte zur Aufdingung und Freisprechung von Lehrlingen abrogierte. Weder öffentliche Rücksichten noch der Schutz von Privatrechten als einzig zulässige Gründe für eine Beschränkung der natürlichen Gewerbefreiheit geböten eine Erhaltung des Zunftzwangs, zumal auch ohne diesen die Existenz der Zünfte gesichert erschien. s83 Insbesondere könnten die Zünfte ihrer Kernfunktion, der Gewährleistung einer hochwertigen Ausbildung, nicht mehr genügen. S84 Um "das Schicksal der Lehrlinge nicht mehr in einem so unbeschränkten Maße wie bisher der Willkür der Lehrherren (zu) überlassen",sss war ein schriftlicher Lehrvertrag abzuschließen (§ 33 lit.b). Der Nachweis einer absolvierten Lehre und einer folgenden Dienstzeit als Gehilfe von mindestens drei Jahren war neben der Vollendung des 24. Lebensjahres, der Absolvierung des Elementar-Schulunterrichts und einem unbescholtenen Lebenswandel Voraussetzung für die selbständige Ausübung eines Gewerbes (§ 8). Allerdings war dieser Grundsatz mannigfach durchbrochen. Bereits die Liste der 92 als Gewerbe eingestuften Erwerbszweige in § 2 machte durch einen Zusatz acht Gewerbe kenntlich, bei denen keine Dienstzeit, und vier, bei denen weder Lehre noch Dienstzeit verlangt wurde. Ebensowenig waren für die Erlangung einer Befugnis zur Errichtung einer Fabrik Lehr- und Dienstzeit nachzuweisen (§ 12).S86 Darüber hinaus war gleichwertig neben den Beleg von Lehr- und Dienstjahren der Dispens von diesen gestellt (§ 8 litc), sofern auf eine beliebige Weise vergleichbare Kennt582
H. Steindl, Entfesselung der Arbeitskraft, S.I11.
Motivenbericht zum Circular-Entwurf, H. Reschauer, Geschichte des Kampfes der Hw.erzünfte, S. 190: "Jeder Zwang, welcher, ohne durch öffentliche Rücksichten geboten zu sein, irgend einer Classe von Staatsbürgern auferlegt wird, ist an und für sich verwerflich, indem er in Privatrechte störend eingreift. Welche öffentliche Rücksichten aber einen solchen IncorporationsZwang gebieten sollten, ist nicht wohl abzusehen. Die Existenz der Zünfte ist nicht dabei gefährdet, denn die Mehrzahl der GewerbsgetWSsen wird sich ohne Zweifel nach wie vor, in die Zunftgenossenschaft einverleiben lassen". 583
S84 Motivenbericht zum Circular-Entwurf, H. Reschauer, Geschichte des Kampfes der Hw.erzünfte, S.191: Eine Tatsache ist "es, welche die Gesetzgebung vor Allem zu beachten hat, ... nämlich die intellectuelle Vemachlässigung der Lehrjungen bei den dem Zunftverbande unterliegenden Gewerben ". 58S Motivenbericht zum Circular-Entwurf, H. Reschauer, Geschichte des Kampfes der Hw.erzünfte, S. 192.
S86 Entgegen dem Wortlaut des § 8 lit.c geht die Befreiung der Krämer (§ 17) und der Hausierer (§ 18) von den Lehr- und Dienstjahren bereits aus § 2 selbst hervor.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
427
nisse erworben worden warenS81• Spezialregelungen galten für die gewerbliche Ausübung der Schiffahrt, für welche eine drei- (sog. kleine Schiffahrt mit Schiffen bis zu 350 Zentnern Zuladekapazität) bzw. zehnjährige Verwendung bei der Schiffahrt (sog. große Schiffahrt mit größeren Wasserfahrzeugen) erforderlich war (§§ 14, 15). Für einige wenige Gewerbe wurden besondere Befähigungsnachweise angeordnet, deren Modalitäten allerdings ohne jede Erläuterung blieben. Krämer bedurften "einiger Erfahrungen über die Beschaffenheit und den Verschleiß der Krämerei-Artilad" (§ 17), die Apotheker, chirurgischen und chemischen Gewerbe, Dürrkräutler, Gold- und Silberarbeiter sowie -drahtzieher, Kurschmiede, Maurer und Zimmerleute einer "Nachweisung besonderer wissenschaftlicher oder technischer Kenntnisse" (§ 21 lit.a). Aus dem Kontext des § 21, der im übrigen die polizeiliche Kontrolle verschiedener Gewerbe betrifft, ist anzunehmen, daß derartige polizeiliche Rücksichten auch die Auswahl der dem Qualifikationsbeweis unterworfenen Gewerbe bestimmten; mit Ausnahme der in der Gold- und SilbeIVerarbeitung Tätigen liegt das Motiv der Gefahrenabwehr auf der Hand. Für den Betrieb verschiedener Gewerbe war die Erfüllung der jeweiligen Voraussetzungen notwendig; eine Restriktion gegenüber dem früheren Rechtszustand bedeutete die Ergänzung, daß der Betrieb mehrerer Handwerke im Sinne der Legaldefinition des § 5 lita nur demjenigen gestattet war, der die persönliche Mitarbeit in jedem Handwerk zu leisten vermochte (§ 22)S88. Eine weitere Beschränkung war die Festlegung, daß nur Hilfskräfte des jeweiligen Gewerbes beschäftigt werden durften (§ 25 litb); lediglich Fabrikanten waren von dieser Klausel befreit (§ 27lita). In den weiteren Beratungen des Gesetzentwurfs stieß insbesondere die geplante Aufhebung des Zunftzwangs auf heftige Kritik. s89 Angesichts der restaurativen Bestrebungen zog es die Hofkammer vor, zur Vermeidung eines ge-
587 Motivenbericht zum Circular-Entwurf, H. Reschauer, Geschichte des Kampfes der Hw.erzÜDfte, S.187: "Auf die Nachweisung Jer Lehrjahre wirJ verzichtet, wenn Jer Bewerber Jas Handwerk zwar nicht orJentlich erlernt, aber auf eine andere Art hinreichende Kenntnisse und Fähigkeiten erworben und erprobt hat ... Es unterliegt insbesonJere keinem AnstanJe, Jie Nachsicht Jer Lehrjahre solchen Personen zu gewähren, welche zur Erlangung technischer Gewerbskenntnisse Jen diesfälligen Vorlesungen an polytechnischen Instituten mit gutem Erfolge beigewohnt haben, indem gerade eine Jerki höhere Vorbildung Jer Emporbringung Jer Industrie nur {örJerlich sein kann . ... Auch von Jer Nachweisung Jer Gesellenjahre findet, insofern die Gewerbs-Fähigkeit auf eine anJere Art be{rietligenJ Jargethan wirJ, eine Nachsicht statt". S88
Zum restriktiven Charakter A. Baryl~ Konzessionssystem contra Gew.freiheit, S.18.
589 A. Baryli, Konzessionssystem contra Gew.freiheit, S. SO; zum weiteren Beratungsmodus dort S. 21 ff.
428
Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
setzlichen Verbots der liberalen Praxis den Legislationsprozeß nicht voranzutreiben. 590 Im Einverständnis mit der Hofkanzlei schied die Hofkammer durch Dekret vom 20. Apr. 1846 17 Gewerbe aus der 1809 erstellten Liste der Polizeigewerbe aus, bevor die Hofkanzlei am 23. Mai 1846 dekretierte, daß nur noch 26 Verrichtungen als Polizeigewerbe anzusehen sein sollten; die übrigen 51 in dem Verzeichnis von 1809 genannten Gewerbe sollten freie Beschäftigungen sein. Da beide Dekrete ohne seine Schlußfassung ergangen und die Innungen bei ihm vorstellig geworden waren, stellte der Kaiser durch ein Kabinettsschreiben vom 14. Juli 1846 die Grenzlinie von 1809 wieder her. 591 In Reaktion auf die Handwerkerbewegung der Jahre 1848 /49 wurde vom Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten bis 1854 der Entwurf eines Handels- und Gewerbegesetzes für den österreichischen Kaiserstaat erstellts92 Allgemeine Voraussetzung für den selbständigen Betrieb eines Gewerbes, Handelsgeschäfts, Transportgewerbes oder einer Fabrik war unter anderem eine mehrjährige Berufserfahrung. Neben der Gruppe der freien Gewerbe, deren Aufnahme der Behörde nur anzuzeigen war (§ 289), stand die der konzessionspflichtigen, deren Ausübung eine gewerbliche Ausbildung erforderte und die öffentliche Rücksichten nahelegten (§ 205). Die konzessionierten Gewerbe wurden nochmals untergliedert in solche, bei denen die Konzession nach Erfüllung der an den Bewerber gestellten Voraussetzungen erteilt werden mußte, und solche, bei denen zusätzlich "ein richtiges Verhältnis zwischen der Nachfrage und der Zahl der bestehenden Gewerbe" an dem jeweiligen Ort zu berücksichtigen war (§ 207).593 Mit wenigen Ausnahmen hatten sich alle Gewerbetreibenden in Korporationen zu organisieren, die Krämer, Verschleißer, Greisler, Trödler und einfachen Fabriken in "Genossenschaften" (§§ 141 ff.), die konzessionierten Gewerbe in "Innungen" (§§ 226 ff.) und der kaufmännische Handel in "Gremien" (§§ 52 ff.); die Bildung von obligatorischen oder fakultativen "Genossenschaften" für die freien sowie einzelne Transportgewerbe war den Länderstellen anheim gegeben (U 203, 297). Wesentliche Aufgaben dieser Korporationen sollten die Förderung der gemeinsamen Interessen der Mitglieder, die Unterstützung staatlicher Stellen bei der Durchführung der Ge590 A. Baryli, Konzessionssystem contra Gew.freiheit, S. 36; R. Drill, Die Entwicklung der Gew.freiheit in Oestcrreich, S. 21 f.; H. Steind~ Die Einführung der Gew.freiheit, S. 3610.
591 A. Baryli, Gew.politik u. gewerberechtliche Verhältnisse, S. 30 f. Zusammenfassend zum Stand des Hw.srechts in der ersten Hälfte des 19. Jhs. H. Kretschmer, Hw. u. Innungen im Vormärz, S. SS8 Cf.
m Zur Entwicklung vgl. A. Baryli, Konzessionssystem contra Gcw.freiheit, S. S2 ff.; H. Reschauer, Geschichte des Kampfes der Hw.erzünfte, S. 206 ff. Zur Hw.erbcwegung Kap. 4 III 2b. 593
H. Steind~ Die Einführung der Gew.freiheil, S. 3610 f.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetlgebung
429
werbepolitik und die Überwachung der gewerblichen Ausbildung einschließlich der schiedsgerichtlichen Entscheidung von Streitigkeiten zwischen dem Arbeitgeber und seinen Lehrlingen oder Gehilfen (§§ 52, 141, 226) sein. s94 Die Realisierung des Entwurfs scheiterte an der Berufung des wirtschaftsliberal ausgerichteten neuen HandeIsministers Toggenburg. Er legte selbst im Nov. 1855 den Entwurf eines Gewerbegesetzes vorS9S, nach welchem nur wenige Gewerbe aus polizeilichen Rücksichten einer Konzessionierung bedürfen (§ 5) und aIle nicht ausdrücklich für konzessionspflichtig erklärten Gewerbe frei sein soIlten (§ 6). Von den insgesamt 15 dem Konzessionszwang unterworfenen Gewerben (§ 13) war ein Befähigungsnachweis vorgesehen für die Apotheker (§ 14), Giftverschleißer (§ 15), Hufschmiede (§ 16), Bau- und Zimmenneister (§ 17), Dachdecker und Schornsteinfeger (§ 19), Preßgewerbe (§ 20), Schiffsführer (§ 29) und Büchsenmacher (§ 30). Im übrigen bestanden auch für die konzessionierten Gewerbe kaum noch Beschränkungen des Betriebs (§§ 60 ff.).Die Rechtsverhältnisse der Lehrlinge und Gehilfen waren weitgehend nach den Vorschriften des ABGB zu beurteilen, sofern nicht insbesondere hinsichtlich der Auflösung des Arbeitsverhältnisses Sonderregelungen getroffen waren (§§ 95 ff.). Genossenschaften von Gewerbetreibenden sollten grundsätzlich nur als freiwillige Vereine bestehen; aus administrativen Gründen konnten jedoch regional oder für einzelne Branchen Zwangsgenossenschaften durch die Regierung errichtet werden (§§ 121 ff.). Die Funktionen dieser Genossenschaften sollten sich in der Förderung des Ausbildungswesens und von sozialen Einrichtungen sowie der Mitwirkung bei der öffentlichen Verwaltung erschöpfen (§ 123). Die fortbestehenden Innungen wurden ihrer Zwangsrechte entkleidet (§ 158). Doch schon im Apr. 1857 legte Toggenburg einen umgearbeiteten Entwurf dar, der die zwangsweise Vereinigung der ein gleiches oder verwandtes Gewerbe Betreibenden einer oder mehrerer Gemeinden in Genossenschaften durch das Handelsministerium vorsah (§§ 102 ff.). Die Kompetenz der Genossenschaften sollte sich über die gütliche Beilegung von Differenzen zwischen den Arbeitgebern und ihren Lehrlingen und Gehilfen hinaus nunmehr auch auf die streitige Entscheidung erstrecken (§ 107 litb), zu welchem Zweck "die Gehilfen ... und Lehrlinge der Genossenschafts-Mitglieder ... als Angehörige der Genossenschaft betrachtet (wurden) und ... als solche den Vorschriften derselben unterworfen" waren (§ 106).S9ti Trotz des Rücktritts Toggenburgs und der Auflösung des Handelsministeriums im Sommer 1859 wurde der Entwurf
594 Gesamtüberblick über Struktur und Aufgaben der Korporationen bei A. Baryli, Konzessionssystem contra Gew.freiheit, S. SS ff.
59S
E.A. Jon6k, Die Gew.freiheit in Oesterreich, S. 84 ff.
596
A. Baryli, Konzessionssystem contra Gew.freiheit, S. 7S f.
430
Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
zur Grundlage der österreichischen Gewerbeordnung vom 20. Dez. 1859 m .Die Vorschriften über die Genossenschaften, ihre Funktionen und die Angliederung der Lehrlinge und Gehilfen entsprachen weitgehend dem Entwurf Toggenburgs von 1857 (§§ 106 ff.).Grundsätzlich waren alle Gewerbe frei, so daß zu ihrem Betrieb neben der gemäß § 21 ABGB mit 24 Jahren einsetzenden Vermögensfähigkeit (§ 4) nur die Anmeldung erfordert wurde (§ 1). Der § 16 enumerierte (vgl. § 3) die im Allgemeininteresse konzessionspflichtigen Gewerbe, nämlich die mit der Produktion oder dem Verleih von bzw. dem Handel mit literarischen oder künstlerischen Erzeugnissen befaßten Gewerbe (Nr. 1, 2), die Transportunternehmer (Nr. 3), das niedere Dienstleistungsgewerbe wie Fiaker, Platzdiener etc. (Nr. 4), Schiffsführer (Nr.5), Baumeister, Maurer, Steinmetze und Zimmerleute (Nr. 6), Schornsteinfeger (Nr. 7), Kanalräumer (Nr. 8), Abdecker (Nr. 9), die Hersteller und Händler von Waffen und Munition (Nr. 10) sowie von pyrotechnischen Stoffen (Nr. 11), Trödler, Pfandleiher und ähnliche (Nr. 12), die mit Medikamenten und Giften Handel Treibenden (Nr. 13) sowie die Gast- und Schankwirte (Nr. 14). Die Streichung einzelner Gewerbe aus dieser Liste oder die Aufnahme weiterer blieb vorbehalten (§ 30). Die eine Konzession für eines der betreffenden Gewerbe Begehrenden hatten zusätzlich ihre Zuverlässigkeit und Unbescholtenheit zu belegen (§ 18). Weitergehend war ein Befähigungsnachweis angeordnet für die Schiffer, Bauhandwerker, Schornsteinfeger, Büchsenmacher, Produzenten von Feuerwerksmaterial und Gifthändler (§§ 22-27); Baumeister hatten neben dem prüfungsmäßigen Beweis ihrer Kenntnisse noch eine dreijährige Verwendung im Baugewerbe oder bei einer Baubehörde nachzuweisen (§ 23). Stark emittierende Anlagen bedurften einer besonderen Genehmigung (§§ 31 fI.). Mehrere Betriebsstätten desselben Gewerbetreibenden innerhalb der Gemeinde des Standorts waren ebenso zulässig wie die Arbeit und Lieferung auf Bestellung in andere Gemeinden (§§ 45, 46). Auswärtige Zweigniederlassungen unterlagen den allgemeinen Bedingungen (§ 47). Neben der Möglichkeit zur gleichzeitigen Ausübung mehrerer Gewerbe (§ 11) hatte ''ieder Gewerbetreibende ... dßs Recht, alle zur vollkomme-
nen Herstellung seiner Erzeugnisse nöthigen Arbeiten zu vereinigen und die hiezu erforderlichen Hilfsarbeiter auch anderer Gewerbe zu halten" (§ 43). Das Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und den von ihm Beschäftigten wurde zur freien Individualabrede erklärt (§ 75), für die die Vorschriften des ABGB galten (§ 72). Im Lehrvertrag durfte eine bedungene Probezeit zwei S97 Kaiserliches Patent vom 20. Dez. 1859, womit eine Gew.-O. für den ganzen Umfang des Reiches, mit Ausnahme des venetianischen Verwaltungsgebietes und der Militärgrenze, erlassen, und vom 1. Mai 1860 angefangen in Wirksamkeit gesetzt wird, Reichs-Gesetz-Blatt für das Kaiserthum Oesterreich 1859, S.619. Zum Gang der Beratungen A. Baryli, Konzessionssystem contra Gew.freiheit, S. 80 ff. Kommentierte Inhaltsübersicht bei F.J. Singer, Die Gew.freiheit u. das Gesetz vom 20. Dez. 1859, S. 16 ff.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
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Monate und die Lehrzeit das ortsübliche Maximum nicht überschreiten (§§ 91, 92). Großbetriebe mit mehr als 20 Beschäftigten (§ 82) hatten Dienstordnungen auszuhängen, die die Einzelheiten des Arbeitsverhältnisses regelten (§ 84). Die Problematik der Gewerbeordnung von 1859 bestand primär in der ambivalenten Konstruktion der Zwangsgenossenschaften. Sie konnte weder die Verfechter einer unbedingten Gewerbefreiheit noch die Wünsche der Handwerker nach dem Schutz ihres ökonomischen Existenzbereichs durch Zwangskorporationen mit Befähigungsnachweis zufriedenstellen. 598 Die vom Reichsrat am 20. März 1862 beschlossene Aufhebung des Beitrlttszwangs erlangte keine Gesetzeskraft. 599 Das Gesetz vom 15. März 1883, betreffend die Abänderung und Ergänzung der Gewerbeordnung,600 fügte zu den freien und den konzessionierten Gewerben als dritte Kategorie die handwerksmäßigen Gewerbe hinzu (§ 1), die in der Verordnung, betreffend die Bezeichnung der handwerksmäßigen Gewerbe, vom 17. Sept. 1883601 einzeln aufgelistet wurden. Wer sie selbständig ausüben wollte, hatte nunmehr einen Befähigungsnachweis in Form der Vorlage der Zeugnisse über eine durch Verordnung festgesetzte Lehrzeit und über eine mehrjährige Verwendung als Gehilfe zu führen (§ 14).602 Die Befugnisse der Genossenschaften wurden insbesondere dahingehend erweitert, Bestimmungen über die Lehrzeit in den nicht handwerksmäßigen Gewerben sowie die Ausbildung und Prüfung der Lehrlinge zu erlassen (§ 114lit.b).603 3. Bayern
Im Mittelpunkt der unter Maximilian von Montgelas durchgeführten Reform des bayerischen Staatswesens stand spätestens seit 1803 die Notwendigkeit, das 598 Vgl. A. Baryli, Konzessionssystem contra Gew.freiheit, S.101; E.v. Plener, Gew.gesetzgebung in Oesterreich, S. 78 Cf.; H. Waentig, Das Problem der Gew.O., S. 29. Insoweit brachte die Gew.O. von 1859 nicht nur eine gesetzliche Bestätigung der tatsächlichen Verhältnisse, wie R. Drill, Die Entwicklung der Gew.freiheit in Oesterreich, S.29, meint. Zur Genossenschaft als gew.em Verband unter der Gew.O. von 1859 vgl. M. Rozsa, Gew.organisationen in Ungarn, S. 199 Cf. Zur Entwicklung des Linzer Gew.s unter der Gew.O. von 1859 G. Danninger, Das Linzer Hw. u. Gew., S.166 ff. 599
E.v. Plener, Gew.gesetzgebung in Oesterreich, S. 83.
600 Reichsgesetzblan für die im Reichsrathe vertretenen KÖDigreiche und Länder 1883, S. 113. 601
Reichsgesetzblan für die im Reichsrathe vertretenen KÖDigreiche und Länder 1883, S.465.
602 Kritisch aus der Sicht eines Großgewerbetreibenden S. Mayer, Die Aufhebung des Befähi-
gungsnachweises in Österreich, pass.
603 Zum Stand des ästerreichischen Gew.rechts F. Seltsam, System des Osterreichischen Gew.rechtes, S. 49 Cf.; zur Entwicklung nach 1859 F. Prochaska, Die Entwicklungsgeschichte des Gew.antrins, S. 88 Cf.
432
Kap.4: Vom Vorgang Frankrcichs bis zur Gewerbeordnung für dcn Norddtsch. Bund
arrondierte Territorium zu einer administrativen Einheit zu formen. Das zentralistische Prinzip ergriff alle Ebenen der VelWaltungsorganisation. 604 Die Wirtschaftspolitik hatte sich an den Erfordernissen des Flächenstaats zu orientieren, lokale und korporative Sonderrechte hatten dahinter zurückzutreten. 60S Die GeweIbesteuerung erfolgte allein durch die Regierung. Das Konzessionssystem wurde zum selbstverständlichen Hintergrund aller Regelungen. 606 Die Verordnung, betreffend die Gewerbsverleihungen der Patrimonialgerichte, vom 5. Jan. 1807607, durch welche den auf die ''Verwaltung der niederen Polizei" reduzierten Grundherrschaften die nunmehr ausschließlich den königlichen Behörden vorbehaltene Befugnis zur Gewerbeverleihung entzogen wurde, begründete diese Maßnahme mit dem Bestreben, "die Wohlfahrt Unserer getreuen Unterthanen durch eine regelmäßige Vertheilung der Arbeit zu erhöhen, die verschiedenen Ernährungszweige in ein angemessenes Verhältniß zu sezen, und den Zustand der Gewerbe nach einem richtigen staatswirthschaftlichen Sistem zu läutern und zu verbessern". Durch den Erlaß vom 1. Dez. 1804601 wurde die Verleihung von realen und radizierten GeweIbegerechtigkeiten für die Zukunft untersagt Für ihrer Natur nach an spezifisch ausgestattete Gebäude gebundene Gewerbe wie Mühlen und Brauereien war die Radizierung weiterhin zulässig. Die gegen die Vermutung der Personalität streitende Behauptung eines realen oder radizierten Rechts mußte bewiesen werden. Nur die titulo oneroso elWorbenen Gerechtigkeiten behielten auch fernerhin Bestand, durften allerdings nur mit Genehmigung der Behörde und höchstens zu dem Preis an einen Gewerbekundigen veräußert werden, welchen der Verkäufer selbst für den EJWerb des Rechts bezahlt hatte. Der wegen der starken Entwertung der unpersönlichen Gewerbegerechtigkeiten
604 W. Dcme~ Der baycrische Staatsabsolutismus, S. 98 Cf. Zu Montgclas und seincn Reformen W. Volkert, Baycm, S.503 Cf.; E. Wcis, Montgclas, pass.; dcrs., Montgclas' inncnpolitisches Rcformprogamm, S. 219 Cf. 60S R. Bettger, Das Hw. in Augsburg, S.119 f.
606 W. Dcmc~ Der baycrischc Staatsabsolutismus, S. 426 Cf.; J. Kaizl, Der Kampf um Gcw.rcform u. Gcw.frcihcit in Bayern, S. 60; A Wa1ch, Dic wirtschaftspolitischc Entwicklung in Baycm, S.53 Cf. Zum Stand des Gew.rechts J. Seybold, Darstellung des Hw.s- u. Gewerbs-Wcscns, S.l Cf. 607 RB Kgl-Bay 1807, Sp. 55, mit Erläutcrungcn durch VcrO. vom 16. März 1807, l.c., Sp. 523. 608 RB ChpfBay 1805, Sp. 43. Dazu W. Demei, Der bayerischc Staatsabsolutismus, S. 414 Cf.; A. Walch, Dic wirtschaftspolitische Entwicklung in Baycm, S. 49 Cf. Dieses frühe Vorgehen gegen die unpersönlichen Gew.gercchtigkeitcn übersieht H. Steindl, Dic Einführung der Gcw.frciheit, S. 3575 f. H. Wcind~ Hw. u. Zünfte, S.52, nimmt fälschlichcrweise dic Auflösung dcr Zünfte durch diesen Erlaß an.
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IV. Die einzelst8atliche Gewerbegesetzgebung
immer wieder unternommene Versuch, die Bestimmungen zu umgehen,609 hielt das Problem allerdings noch über die Mitte des Jahrhunderts hinaus virulent 610. Hatte der fortbestehende Zunftzwang bereits hinsichtlich der Zulassung zur Zunft durch das Konzessionssystem seine Bedeutung eingebüßt, das im übrigen als einheitliche Verwaltungsmaßgabe die Zulassung von Hofschutzverwandten als Gegengewicht zur Aufnahmepolitik der Zünfte überflüssig machte,611 so wurde er seines territorialen Moments durch die Entschließung betreffend die freie Gewerbeausübung der Handwerker vom 16. März 1804612 mit der Anordnung entkleidet, "daß dieser Zwang allgemein aufhöre, und der freyen Gewerbsausübung eines Handwerkers, in welchem Orte, oder in welchem Gerichtsbezirke er arbeiten wolle, kein Hinderniß mehr in dem Wege gelegt werden solle". Der in der Begründung einer entsprechenden Regelung für Bamberg anklingende gewerbefreiheitliche Impetus 613 verdeckt, daß unter ''Freiheit'' auch hier nur die lokale Bewegungsfreiheit verstanden wurde. Die Verknüpfung von Gewerbeverfassung und Freizügigkeit bzw. Niederlassungsrecht war schon in der Ära Montgelas evident und wurde bewußt instrumentalisiert 614 Die Grundströmung der Montgelasschen Gewerbepolitik war nicht dem heraufziehenden Liberalismus, sondern den Tendenzen des Spätabsolutismus verpflichtet,615 die sich den gegen die Abschaffung der Zünfte sprechenden Gründen nicht verschließen konnten616. In diesem Sinne wurde auch das handwerkliche Qualifikationswesen geregelt, nämlich die objektive Steigerung des
609 A. Popp, Die Entstehung der Gew.freiheit in Bayern, S. SO. 610 Eingehend E. Anegg, Zur Gew.struktur u. Gew.politik Bayerns, S.110 ff. Vgl. nur A.
Schlichthörle, Die realen Gewerbsrechte in Bayern, S. 5 ff.; H. Weindl, Die Entwicklung der persönlichen u. realen Gew .rechte, S. 7 ff.
611 Aufgehoben wurde der Hofschutz durch die VerO., die Gewerbsausübung der sogenannten Hofschutzverwandten betreffend, vom 19. Juni 1811, RB Kgl -Bay 1811, Sp. 802. Dazu E. Anegg, Zur Gew.struktur u. Gew.politik Bayerns, S.147 ff. Zur Bedeutung des Hofschutzes Kap. 3 III 4. 612 RB ChpfBay 1804, Sp. 298. 613 VerO., die freie Gewerbs-Ausübung der Hw.er in der Provinz Bamberg betreffend, vom 5. Jan.
1807, RB Kgl-Bay 1807, Sp.224 (225): "Dieser Zunftzwang ist ebenso zweclcwidrig als gemeinschädlich. - Nur durch eine angemessene Freyheit der Gewerbe wird der Fleiß belebt, die Erwerbsfähigkeit erleichtert, und tUe Summe der Arbeit, und der Produktion vermehrt. - Sie ist das sicherste Mittel, diejenige Konkurrenz herbeyzuj'iihren, woraus allein ein billiges Verhältniß der Vortheile zwischen den Produzenten und den Konsumenten, und eine verhältnißmäßige Wohlfeilheit der F abri/cate entstehen /cann. "
614 Vgl. A. Popp, Die Entstehung der Gew.freiheit in Bayern, S. 58 f.; H. der Gew.freiheit, S.3576.
Steind~
Die Einführung
615 A. Popp, Die Entstehung der Gew.freiheit in Bayern, S. 63; W. Zorn, Gesellschaft u. Staat im Bayern des Vormärz, S. 114. 616 Vgl. E. Anegg, Zur Gew.struktur u. Gew.politik Bayerns, S. 92 ff.
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Leistungsvennögens prononciert. 617 Die Begünstigung der Meistersöhne hinsichtlich der Dauer der Lehrzeit wurde verboten,618 die Beschränkung der Lehrlingszahl aufgehoben, denn der entgegengesetzte "Zwang steht mit der freyen Auswah~ welche in Ansehung des Unterrichtes Statt haben soll, im offenbaren Widerspruche. - Nur die Geschicklichkeit des Meisters und das öffentliche Zutrauen, welches derselbe genießt, können die hauptsächlichen Bestimmungsgründe seyn, welche hierin entscheiden"619. Die Freigabe der Lehrlingszahl galt "zur Belebung der Gewerbs-Industrie" auch für die Landmeister, sofern sie "das in den Zunftartikeln den städtischen Meistern vorgeschriebene Meisterstück, mit Weglassung der für die Landmeister bestimmten Meisterprobe'~ angefertigt hatten. 620 Bei den Handwerkern stieß diese Maßnahme zur Öffnung des Arbeitsmarkts nicht auf ungeteilte Zustimmung. Die Nürnberger Meister baten wiederholt, die Freigabe der Lehrlingszahl wieder rückgängig zu machen. 621 Die Annahme eines Lehrlings war der Obrigkeit anzuzeigen; die Lehrzeit wurde auf mindestens eineinhalb und höchstens drei Jahre festgesetzt 622 Unter Veröffentlichung einer Wandertabelle verlangte der Kurfürst im Jahre 1801 die Restitution der Gesellenwanderungen. 623 1805 wurde den Obrigkeiten nochmals nahegelegt, für die Befolgung der Wanderpflicht Sorge zu tragen,624 bevor durch eine Verordnung vom 4. März 1806 der Auslandswanderung wegen der Arrondierung des bayerischen Territoriums ihr Zwangscharakter genommen wurde625. Bereits 1807 jedoch wurde die Genehmigung einer Auslandswanderung unter den Vorbehalt eines von der maximal drei Jahre gestatteten Wanderschaft für das heimische Gewerbe zu erwartenden Vorteils gestellt 626 Die wei617
Zur Ausgestallung unter dem Absolutismus Kap. 3 III 3.
618 VerO., die Lehrzeit der Meistersöhne etc. betreffend, vom 27. Dez. 1806, RB KgI-Bay 1807, Sp.175. 619 VerO., die Annahme von Lehrjungen bei den Hw.ern etc. betreffend, vom 12. Jan. 1807, RB Kgl-Bay 1807, Sp. 227. 620 VerO., die Annahme von Lehrjungen betreffend, vom 20. Juni 1810, RB KgI-Bay 1810, Sp.514. 621 622
M. Held, Das Arbeitsverhältnis im Nürnberger Hw., S. 44.
VerO., das Wandern der Hw.er betreffend, vom 11. Okt. 1807 Art. 8, RB Kgl-Bay 1807, Sp.1610.
623 F. Schimke, Der Stand der Gew.gesetzgebung, S.22. Zur Regelung des Wandergesellenwesens A. Waleh, Die wirtschaftspolitische Entwicklung in Bayern, S. 62 ff. 624 625
VerO. vom 5. Juni 1805, RB ChpfBay 1805, Sp. 667. RB Kgl-Bay 1806, S. 81.
VerO., das Wandern der Hw.er betreffend, vom 11.0kt. 1807, RB Kgl-Bay 1807, Sp.1610, Art. 1 und 2: "Für Jje Zukunft soll nur denjenigen Handwerkern in das AusIlInd zu wandern ge626
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
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terhin vorgeschriebene Inlandswanderung sollte drei Jahre dauern. 627 Zur Kontrolle der wandernden Gesellen wurden die Kundschaften durch von den Behörden ausgestellte Wanderbücher ersetzt;628 Kampfmaßnahmen der Gesellen wurden bestraft629• Die Verordnung, die Aufhebung der sogenannten Sitz- oder Mutjahre bei den Handwerkszünften betreffend, vom 29. Dez. 1810 beseitigte die letzten Relikte der Mutzeit630, wohingegen auch unter dem Konzessionssystem die Abnahme der Meisterstücke durch die Zunft Vorbedingung einer Zulassung zum selbständigen Betrieb eines Gewetbes blieb 631• a) Die Reform von 1825
Nach der Entlassung Montgelas' und der Verkündung der Verfassung am 26. Mai 1818 wuchs insbesondere in der zweiten Kammer der neuen Ständeversammlung der Druck auf eine Neuordnung der Gewerbeverhältnisse. 632 Unter dem Eindruck einer deutlichen Krise des Gewerbewesens im ersten Viertel des 19. JhS.633 wurde ein Konzessionswesen unter Beibehaltung der Zünfte gefordert, das das Dorfgewerbe zurückdrängen und für ein angemessenes Verhältnis zwischen Bedarf des Publikums und Besetzung der Gewerbe Sorge tragen sollte634• Andere schlugen ein Patentsystem mit Auflösung der Zünfte und Bildung neuer Korporationen vor, wobei unter Ablehnung der Gewerbefreiheit die tradierte Dreiteilung des Ausbildungsgangs beibehalten werden sollte. 635 stattet seyn, deren Professionen a) dem Vaterlande besonders wichtig sind, b) in fremden Staaten auf einem höheren Grade der VervollJcommnung betrieben werden, oder c) von der Art sind, daß sie nach Zeitumstiinden und Verhilltnissen sowohl in der Materie als der Form ihres Bearbeitungs-Gegenstandes wesentliche Veränderungen erleiden, deren Kenntniß der inländischen Betriebsamkeit vortheilhaft seyn lcann ... (,wobei) die auswärtigen Wanderschaften, selbst bei den hierzu geeignetenHandwerken, doch immer nur vorzüglicheren Subjekten bewilliget ... (und) in keinem Falle über drei Jahre ausgedehnt ... werden sollen. " 627 VerO., die Kauf- u. Heiratsbeschreibungen der Hw.sburschen betreffend, vom 9. Jan. 1810, RB Kgl-Bay 1810, Sp. 33. 628 VerO., die HW.s-Kundschaften betreffend, vom 16. März 1808, RB Kgl-Bay 1808, Sp. 680. 629 Gesetz, die Bestrafung der Staatsverbrechen betreffend, vom 27. Juli 1809 § 34, RB Kgl-Bay 1809, Sp. 1281 (1295): "Handwerlcer, welche, um ihre Beschwerden durchzusetzen, die Einstellung ihres Gewerbes w:rabreden ...j Handwerksgesellen oder Fabrilalrbeiter w:rschiedener Meister oder Fabriken, welche wegen angeblicher Beschwerden wider die Obrigkeit oder ihren Herrn sich zur Einstellung der Arbeit w:rabreden, ... sollen mit ... Gefängnisse oder mit körperlicher Züchtigung belegt werden. " 630 RB Kgl-Bay 1811, Sp. 5. 631
VerO. vom 26. Feb. 1802, RB ChpfBay 1802, Sp. 129.
632
A. Popp, Die Entstehung der Gew.freiheit in Bayern, S. 67 ff.
633
E.L. Shorter, Social Change and Social Poliey in Bavaria, S. 355.
634
J.v. Utzschneider, Antrag zur hohen Kammer der Abgeordneten, S. 103 ff.
K.F. Stuhlmüller, Ueber die Freiheit der Gew., S. 99; ders., Versuch einer bedingten Gewerbsfreiheit, S. 3 ff. 635
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Wegen der engen Verquickung von Gewerbezulassungs- und Niederlassungsrecht wurde die gesamte Materie durch die Gesetze über die Heimat, über Ansässigmachung und Verehelichung und betreffend die Grundbestimmungen für das Gewerbewesen vom 11. Sept 1825636 einheitlich strukturiert Da es das Prinzip des Gewerbegesetzes sein sollte, schrittweise und unter staatlicher Kontrolle zu einer größeren Gewerbefreiheit zu kommen,637 galt die Regelung nur in den sieben älteren Kreisen des Königreichs, nicht in der unter französischer Herrschaft zur Gewerbefreiheit übergetretenen Pfalz 638. Präzisiert wurde der durch das Gesetz gezogene Rahmen durch eine Instruktion vom 28. Dez. 1825.639 Voraussetzung für den selbständigen Betrieb eines Gewerbes war die Erteilung einer Konzession (Art. 1) durch den Magistrat bzw. die örtliche Polizeibehörde (§ 64). Für die keiner Konzession bedürfenden freien Erwerbsarten galt eine Garantie des status quo (Art 8). Darüber hinaus wurden die Leineweberei als ländlicher Nebenerwerb allgemein und die Produktion von Kunstgegenständen sowie die einer gewerblichen Vorbildung nicht erfordernden Tätigkeiten nach Ermessen des Innenministeriums freigegeben (Art 8). Darunter verstanden werden sollten insbesondere die wissenschaftlich oder künstlerisch dominierten Arbeiten, die Spinnerei sowie die Herstellung von Frauenkleidern durch Frauen, von Luxus- und Modeartikeln, von Halbfertigprodukten und von unbedeutenden Gebrauchsartikeln, überdies die Arbeit für den eigenen Bedarf (§ 46). Diese freien Erwerbsarten unterlagen zwar nicht den für die konzessionspflichtigen Gewerbe aufgestellten Bedingungen, jedoch war nach den §§ 2 Nr. 1, 5 des Gesetzes über die Ansässigmachung und Verehelichung die Ermessung eines "gesicherten Nahrungsstand(s)", mithin eine günstige Erwerbsprognose Voraussetzung für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis durch die Gemeinde. Hingegen war der Gemeinde diese Prüfung laut § 5 des Ansäs-
636 Gesetzblatt für das Königreich Baiern 1825, Sp.103, 111, 127. Zur Entstehung des Gew.gesetzes G. Ziegler, Das bayrische Gew.gesetz, S.12 ff. 637 Verhandlungen der zweyten Kammer der Ständeversammlung des Königreichs Baiem im Jahre 1825, S. 36 f.: "Keine volle und unbeschriinJcU, sondern nur eine größere gerege/~ Gewerb-
freyheit, das ist es, was der Gesetzvorschlag für den Augenblick haie/t. ... Die Regierung will ... eine, von Stufe zu Stufe hin14nglich verbrei~ ... nachhaltigere Verbesserung ... Zur E"eiclwng derselben wird jedoch ..• schwerlich ein zuverläßigeres und bewährteres Vehikel zu finden seyn, als ... die Leitung des Gewerbswesens noch zur Zeit den Händen der Staatspolizey" zu belassen.
638 Vgl. H. Steindl, Die Einführung der Gew.freiheil, S. 3576 f. Zur Einführung der Gew.freiheit in der Pfalz u. den positiven Folgen A. Höfle, Die Gew.O. der Pfalz, S. 455 ff., 534 ff.; zu den geistigen Grundlagen MJ. Funk, Der Kampf der merkantilistischen mit der physiokratischen Doktrin in der Kurpfalz, S. 103 ff. 639 VerO. zum Vollzug der gesetzlichen Grundbestimmungen für das Gewerbswesen in den sieben älteren Kreisen des Königreichs vom 28. Dez. 1825, RB Bay 1826, Sp. 81. Im folgenden Text werden die Bestimmungen des Gesetzes nach Artikeln, die der Instruktion nach Paragraphen bezeichnet.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
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sigmachungsgesetzes gegenüber dem Besitzer einer Gewerbekonzession nicht möglich, da letztere per se einen Titel zur Ansässigmachung darstellte. Bei den konzessionierten Gewerben oblag "die Berücksichtigung des erforderlichen Nahrungsstandes" der konzessionierenden Behörde (Art. 2). Unterstellt wurde das ausreichende Fortkommen "bey allen Gewerben, deren Erzeugnisse nicht nothwendig auf örtlichen Absatz beschränkt sind" (§ 10), wobei allerdings bereits die Definition der im Einzelfall zu diesem Kreis zu zählenden Geweme der Behörde einen weiten Beurteilungsspielraum eröffnete 640. Dagegen blieb "bei Gewerben, deren Verkehr nach der Natur der Sache oder nach Beschaffenheit der Umstände sich nicht über die Gränzen einer bestimmten Gemeinde erstreckt, die Ermäßigung der örtlichen und anderer Verhältnisse ... vorbehalten" (Art. 2), d. h. dem billigen Ermessen der zuständigen Behörde anheimgegeben641• Die Parallele zu der österreichischen Einteilung in Kommerzial- und Polizeigewerbe642 bietet sich an. Voraussetzung für die Erteilung einer Gewerbekonzession war die ''persönliche Fähigkeit des Bewerbers" (Art. 2). Je nach der Art des ausgeübten Gewerbes war der Fähigkeitsnachweis in unterschiedlicher Weise zu führen. Handwerker hatten unabhängig von ihrer Aufnahme in eine Zunft zunächst die ordentliche Erlernung des Handwerks zu belegen (§ 2 Nr.1). Zur unbeschränkten Annahme von Lehrlingen war jeder Stadt- und Landmeister sowie Fabrikant befugt, der spätestens nach einer Probezeit von vier bis sechs Wochen der Polizeibehörde von der Aufnahme Kenntnis zu geben hatte (§ 3 Nr. 2 und 3). Die Gestaltung der Modalitäten der Lehre stand im Belieben der Parteien (§ 3 Nr. 4); jedenfalls war der Lehrling der "häuslichen Zucht" des Lehrmeisters zu übergeben, der für die fachliche und sittliche Ausbildung des Lehrlings Sorge zu tragen hatte, wofür letzterer dem Meister Achtung und Gehorsam schuldete (§ 3 Nr.5). Beim Eintritt in die Lehre sollte der Lehrling nach Möglichkeit noch in einem Alter sein, das ihm vor der Einziehung zum Militärdienst die Beendigung der Lehre und sogar eines Teiles der Wanderzeit erlaubte (§ 3 Nr.1). Denn nach der unter obrigkeitlicher Mitwirkung erfolgenden Freisprechung, in deren Rahmen eine Gesellenarbeit anzufertigen war (§ 3 Nr.6), war der Geselle zur Absolvierung einer dreijährigen Wanderzeit verbunden (§ 4 Nr.1 und 2). Ein Dispens war nur möglich aus Gründen der Rücksicht auf körperliche Behinderungen des Gesellen oder auf das Wohl seiner Familie (§ 4 Nr. 4). Jeder Arbeitgeber hatte den Beginn eines 640
J. Kaiz~ Der Kampf um Gew.reform u. Gew.freiheit in Bayern, S. 82 f.
Verhandlungen der zweyten Kammer der Ständeversammlung des Königreichs Baiem im Jahre 1825, S.4O: "Der Entwurf behiilt diesen Unterschied (zwischen kommerziellen und örtlichen Gewerben) bey, und s~llt die Konzession zu der letzten Art der verschiedenen Gewerbszweige unter die Obhut eines billigen Ermessens.• 641
642
Dazu Kap. 3 III 3 und Kap. 4 IV 2.
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Arbeitsverhältnisses, dessen Inhalt der Willkür der Vertragsschließenden unterlag, der Polizeibehörde unter Vorlage des Wanderbuchs des Gesellen anzuzeigen, in weIchem er nach Ablauf der Dienstzeit diese zu quittieren hatte (§ 4 Nr. 5 und 6). Für die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Meistem und Gesellen war die Polizeibehörde zuständig (§ 4 Nr. 6 litc). Allerdings war der Erwerb der zum Betrieb des Handwerks erforderlichen Kenntnisse in dem geschilderten Ausbildungsgang nicht verbindlich, konnte er doch ebenso "in Fabriken oder überhaupt außer dem gewöhnlichen Wege" erfolgen, sofern der Bewerber den in der Fähigkeitsprobe als entscheidendem Schritt vor der Konzessionierung (§ 2 Nr. 3) gestellten Anforderungen genügen konnte (§ 5 Nr.4). Hufschmiede allerdings hatten einen Lehrkursus an bestimmten Veterinärschulen zu absolvieren. 643 Etablierten Meistem, die ein weiteres Handwerk ausüben wollten, konnte der Nachweis der Lehr- und Gesellenjahre und -beim Übergang zu einem technisch sehr ähnlichen Gewerbesogar die Fähigkeitsprobe erlassen werden (§ 5 Nr. 3). Zur Durchführung der letzteren waren besondere Prüfungskommissionen vorgesehen (§ 5 Nr. 1), die am Sitz einer jeden zur Aufsicht über die Gewerosvereine bestimmten Polizeibehörde zu bilden waren (§ 61 Nr. 1), wobei dem Beweroer frei stand, bei welcher Kommission er sich prüfen lassen wollte (§ 61 Nr. 3); eine bestandene Prüfung galt ohnehin landesweit (§ 65 Nr. 4). Unter den Gewerbsvereinen wurden die allein auf die Zwecke der Veroreitung von Gewerbekenntnissen, Ausbildung, Aufsicht über die Lehrlinge und Gesellen, Verwaltung des Vereinsvermögens und gegenseitigen sozialen Unterstützung reduzierten Zünfte verstanden (Art. 7), die territorial in besonderen Vereinssprengeln neu strukturiert wurden (§ 25 Nr. 1). Zur künftigen Bildung eines Vereins waren mindestens 12 in dem jeweiligen Sprengel ansässige Konzessionierte erforderlich (§ 25 Nr. 3). Jeder Erwerber einer Konzession für ein Gewerbe, für das im betreffenden Vereinsbezirk ein Gewerbeverein bestand, war zum Beitritt zu diesem verpflichtet (§ 25 Nr. 2).644 Die aus der Mitte der Mitglieder geWählten beiden Vorsteher (§ 28 Nr.1) und der dem Verein vorgesetzte obrigkeitliche Kommissär (§ 26) gehörten gleichzeitig der für das Gewerbe errichteten Prüfungskommission an (§ 61 Nr.1). Sie wurde ergänzt durch zwei weitere Sachverständige, die der Prüfling bemerkenswerterweise selbst vorschlagen konnte; da sie nicht einmal dem einschlägigen Geweroe anzugehören brauchten, sollten sie offenbar die Neutralität der Kommission geWährleisten (§ 61 Nr. 1). Allerdings waren zur Begutachtung der Fähigkeitsprobe Sachkenntnisse nicht zwin643 Entschließung vom 6. Okt.I832, Sammlung der im Gebiete der inneren Staats-Verwaltung des Königreichs Bayern bestehenden VerO.en, § 127. 644 Insoweit wurden die Zünfte durch die Reform von 1825 nicht zu freien Vereinen umgewandelt, wie E.M. Wenz, Die Entwicklung der Gcw.freiheit in Bayem, S. 40, annimmt.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
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gend erforderlich; ''jede Form und jede Art des Beweises, welche nach dem Ermessen der verordneten Prüfungs-Kommission geeignet ist, die Fähigkeit des Bewerbers zur selbstständigen Ausübung seines Gewerbes außer Zweifel zu setzen", genügte als Befähigungsnachweis (§ 62 Nr.1). Vorgesehen waren insbesondere eine durch belobigende Zeugnisse zu belegende mehrjährige Gehilfentätigkeit (§ 62 Nr. 1lit.a)64', im Rahmen des Arbeitsverhältnisses verfertigte besonders gelungene Stücke (§ 62 Nr. 1lit.b) oder im Auftrag des Arbeitgebers ausgeführte Arbeiten größeren Umfangs (§ 62 Nr. 1 lit.c). Lediglich wenn die Kommission diese Nachweise nicht für "meisterwürdig" (§ 62 Nr. 2) befand oder wenn der Bewerber selbst darum bat, wurde eine besondere Prüfung durchgeführt (§ 62 Nr.3), die in einem theoretischen Examen oder der Anfertigung einer Probearbeit bestehen konnte (§ 62 Nr. 4). Gegen das Urteil des Nichtbestehens fand ein Rekurs nicht statt; dafür konnte sich der Aspirant jederzeit bei einer anderen Prüfungsstelle zur erneuten Fähigkeitsprobe melden und hatte nur im Falle der Wiederholung der Prüfung bei derselben Kommission einen Abstand von einem halben Jahr zu wahren (§ 62 Nr. 6). Eine Sonderregelung galt für die Gesellen der Bauhandwerke. Die künftigen Maurer, Steinhauer oder Zimmerleute hatten sich unter der Leitung des Kreisbaurats oder eines anderen technischen Mitglieds der Kreisregierung einer Prüfung ihrer fachspezifischen Kenntnisse zu unterziehen (§ 61 Nr. 2). Ergänzend trat für diejenigen Bau- und Maurermeister, die sich in Städten erster Klasse niederlassen wollten, § 23 der Verordnung, die Leitung des Bauwesens betreffend, vom 26. Dez. 1825646 in Wirksamkeit, nach weIchem für die Prüfung dieser Gewerbetreibenden die Sektion des Bauwesens bei dem Innenministerium zuständig war. Auch die nach abgeleisteter Dienstzeit um die Konzession zu einem Handelsgewerbe Nachsuchenden hatten nach dem beschriebenen Nachweisverfahren eine Prüfung ihrer allgemeinen kaufmännischen und in dem einzelnen Handelszweig speziell erforderlichen Kenntnisse zu bestehen, sofern sie nicht glaubhaft darlegen konnten, erfolgreich einem größeren Handelsgeschäft vorgestanden zu haben, oder sie nicht bisher ein verwandtes kaufmännisches Gewerbe ausgeübt hatten (§ 6). Bei "Gewerben, deren Ausübung wegen besorglichen Mißbrauchs der Gewerbs-Befugniß zur Gefährdung der öffentlichen SicherheiJ oder des Privat-Eigentums ein wohlbegründetes Vertrauen in die Person des Gewerbs-Inhabers voraussetzt," trat neben den für jede Konzessions-
64' Im Gegensatz zur Auffassung von R. Bettger, Das Hw. in Augsburg, S. 89, war es daher keine Abweichung von der 1825 getroffenen Regelung, wenn der Augsburger Magistrat am 24. Nov. 1826 entschied: "Der Candidat Birchlin hat sich durch Lehr- und Wandeneit ausgewiesen, sohin auch zur Prüfung zugelassen; da aber Candidat schon mehrere Jahre als Barbier Geselle gedient hat, so wurde sowohl von einer theoretischen und practischen Probt: Umgang genommen". 646
RB Bay 1826, Sp. 25.
29 Ziekow
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
erteilung geforderten guten Leumund als zusätzliches Element der Befähigung der ''Besitz der erforderlichen moralischen Eigenschaften" (f 8). Für den Fähigkeitsnachweis in den medizinISchen Gewerben behielten die spezialgesetzlichen Regelungen Bestand (f 1). Wo eine Stellvertretung in der Ausübung des Gewerbes vorgesehen war, etwa bei der als Ausnahme von der Vermutung der Persönlichkeit und Unveräußerlichkeit der Gewerbe (f 11) zugelassenen Fortführung des Betriebs durch die Witwe oder die böswillig verlassene Ehefrau (Art. 3) oder dem Erwerb eines radizierten Gewerbes ohne die erforderlichen persönlichen Fähigkeiten (f 12 Nr. 3), hatte der Werkführer alle für den Erwerb einer Konzession aufgestellten Voraussetzungen zu erfüllen (f 9). Allgemein floßen aus dem Besitz einer Konzession die Rechte zur freien Gewerbetätigkeit an einem beliebigen Ort und in einem beliebigen Umfang (f 15 Nr. 1) sowie auf freien Zugang der Produkte und Dienstleistungen zum Markt (f 15 Nr. 2). Das Recht auf obrigkeitlichen Schutz der konzessionierten Gewerbeausübung (f 15 Nr. 3) und die korrelierende Schutzpflicht der Obrigkeit (f 23) erinnern noch deutlich an die Wirkungen des älteren landesherrlichen Privilegs647• Während die Inhaber von Fabrikskonzessionen alle für die Produktion notwendigen Arbeiten in jeder erdenklichen Form vornehmen oder vornehmen lassen konnten (f 16), waren Handwerksmeister nicht zur Herstellung solcher Teile befugt, die von anderen konzessionierten Handwerkern zum selbständigen Verkauf gefertigt wurden (f 17 Nr.1 lita). Entsprechend der Autltebung aller örtlichen Zwangsrechte (f 18 Nr. 1) waren sie jedoch beim Erwerb solcher Gegenstände nicht an die betreffenden Meister ihres Wohnorts gebunden (f 17 Nr. 1lit.a). War die im Prinzip aufrechterhaltene tradierte Abgrenzung der Handwerke 648 schon insoweit gelockert worden, so stand in Zweifelsfällen die Arbeitsbefugnis beiden betroffenen Gewerben zu (f 17 Nr. 1 litb). Insgesamt behielt die bayerische Gewerbereform von 1825 die überkommenen Elemente der Gewerbeverfassung zwar formal bei, eröffnete aber faktisch die Möglichkeit zu einer staatlich regulierten Gewerbefreiheit. Der Zunftzwang wurde auf einen bloßen Zwang zum Beitritt reduziert, wobei die Erfüllung der Zulassungsbedingungen allein von der Obrigkeit kontrolIiert wurde. Wie sich an der paritätischen Besetzung der Prüfungskommission mit vom Prüfling zu benennenden Personen einerseits und den Zunftvorstehern andererseits zeigt, sollte die Qualiftkationsfrage eine großzügige Zulassungspolitik nicht hindern. Die Kreisregierungen wurden ausdrücklich angewiesen, im Zweifel für die 647
Vgl. Kap. 3 III S.
Vgl. Kap. 2 II S. Zu den Befugnissen der einzelnen Gew. A. Schlichthörle, Die Gewerbsbefugnisse in der K. Haupt-. u. Residenzstadt München, pass. 648
IV. Die einzclstaatliche Gewerbegeset7gebung
441
Gewerbefreiheit zu entscheiden. 1S49 Offenbar richteten sich die Verwaltungsbebörden nach dieser Anordnung, denn zwischen 1824 und 1830 stieg die Zahl der konzessionierten Gewerbebetriebe beträchtlich an.6.50 Wie in Preußen erfolgte insbesondere bei den Handwerkern eine deutlich negative Reaktion, die insbesondere auf das verbreitete Argument der Verarmung durch Übersetzung rekurrierte. 6s1 Kernpunkt der Beschwerden war die Forderung, die Entscheidung über die Aufnahme neuer Handwerker den bereits etablierten Meistem zu überlassen 652 bzw. den Befähigungsnachweis zu erschweren653. Obwohl die Regierung mit der Vorlage eines neuen Gewerbegesetzes bereit war, den Vorstellungen der Handwerker entgegenzukommen,654 verstand sich die Ständeversammlung zu weit darüber hinausgehenden restriktiven Änderungen, so daß der König dem Entwurf 1834 die Sanktion versagte6SS. Durch eine Verordnung vom 1. Juli 1834656 wurde lediglich die Ausführungs instruktion vom 28. Dez. 1825 aufgehoben und der Vollzug des Gewerbegesetzes vom 11. Sept 1825 dem Innenministerium unter der Maßgabe übertragen, "die Interessen der Industrie, jene der Gemeinden und den Nahrungsstand der schon vorhandenen Gewerbs-Inhaber gleichmäßig schützenden Vollzug (zu)zuwenden". In diesem Sinne machte es die Entschließung des
649 Entschließung vom 28. Dez. 1825 Art. 1, Sammlung der im Gebiete der inneren Staats-Verwaltung des Königreichs Bayern bestehenden VerO.en, § 167: "Nach dem Geiste ... des Gesetzes vom 11. September 1825 ... sollen die darin gegebenen Bestimmungen über Erlheilung der Conzession ... im Zweifel jederzeit in dem, der Gewerbsfreiheit günstigstem Sinne angewendet, und jedem Versuche, die dießfal1s bestandenen Beschränkungen aufrecht zu erhalten oder wieder herbeizuführen ... soll nachdrücklich begegnet werden. "
650 H. Wiest, Die Entwicklung des Gew.s des rechtsrheinischen Bayern, S. 62, 70 ff.; aA. R. Bettger, Das Hw. in Augsburg, S.124. 651 Anonymus, Noch ein Scherflein zur Kehrseite unserer Gewerbsfreiheit, S. 14 ff.; vgI. A. Popp, Die Entstehung der Gew.freiheit in Bayern, S. 89 ff. Zur Diskussion in Preußen und ganz Deutschland Kap. 4 III 1 u. 2a. 652 653
C. Wolf, Das Erwerbsrecht durch Gew., S. 22.
So die Eingaben der Vorgeher der Nürnberger Gewerbsvereine an den Landtag von 1831 und 1834, M. Held, Das Arbeitsverhältnis im Nürnberger Hw., S.55 f.; Anonymus, Ueber Gew.freyheit, Sp. 653 f. Zusammenfassung der Beschwerdepunkte beim Referenten für das Gew.wesen in der Ständeversammlung, E.C. Hagen, Ueber das Gewerbswesen in Bayern, S. 22 ff., und bei L. ZierI, Zusammenstellung der Anträge, S. 331 ff.
654 Rede des Staatsministers Fürst v.Oettingen-WaIlerstein vor den Ständekammern, v.Oettingen-Wallerstein, Beschränkung der unbedingten Gewerbsfreyheit in Bayern, Sp. 2219 f.: "Der Gesetzesentwurf wird beytragen, unseren Mittelstllnd zu retten, ... jenen Mittelstand, der kraft des Gesetzes untergehen müßte, weil die Gesetze vom Jahre 1825 ihren Enderfolge nach zu den Extremen unermefJlichen Reichthums und gräßlicher Verarmung ... führen. " 65S
A. Popp, Die Entstehung der Gew.freiheit in Bayern, S. 99 f.
656 RB Bay 1834, Sp. 873.
442
Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Staatsministeriums des Inneren vom 23. Juli 1834657 zur Bedingung einer Konzessionserteilung nach Art. 2 des Gewerbegesetzes von 1825, daß "die gewissenhafte Erwägung des Nahrungsstandes des Bewerbers sowoh~ als der vorhandenen Meister vorangehen" müsse, wobei "das achtbare Auskommen der vorhandenen Gewerbs-Inhaber nicht gefährdet" werden dürfe. Hierin lag die bedeutendste Abweichung gegenüber dem 1825 geschaffenen Rechtszustand. 658 Unter Verzicht auf eine umfassende Normierung erfolgte die Neuregelung der Gewerbezulassung durch zahlreiche ministerielle Entschließungen, auch wenn in der Praxis etwa die von der Instruktion des Jahres 1825 als freie Erwerbsarten eingestuften Tätigkeiten weiter als solche behandelt wurden 6s9• Ebensowenig wich die Organisation der Gewerbsvereine durch den Ministerialerlaß vom 24. Juni 1835660 wesentlich von den bestehenden Strukturen ab. Hinsichtlich der nachzuweisenden Befähigung rekurrierte der Ministerialerlaß vom 24. Juni 1835661 nunmehr auf den traditionellen dreistufigen Ausbildungsgang, indem dessen Art. B VIII die Absolvierung einer Lehre und der Wanderschaft zur Voraussetzung für die Anmeldung zur Prüfung machte. An die nur bei einem konzessionierten Meister gestattete, zwischen eineinhalb und drei Jahren dauernde Lehre, deren übrige Modalitäten beliebig vereinbart werden konnten, schloß sich eine mündliche Prüfung und erforderlichenfalls die Anfertigung eines Gesellenstücks vor einer Kommission an, die aus dem obrigkeitlichen Kommissar und zwei Meistern des Gewerbes bestand. 662 Die obligatorische Wanderzeit betrug drei Jahre. 663 Kaufleute hatten eine entsprechende Lehr- und Servierzeit zu durchlaufen. 664 Die Ableistung der Lehr-, Wand er657 Santmlung der im Gebiete der inneren Staats-Verwaltung des Königreichs Bayern bestehenden VerO.en, § 13 (S. 921 f.). 658
J.Kaizl, Der Kantpfum Gew.reform u. Gew.freiheit in Bayern, S.I04.
H. Wiest, Die Entwicklung des Gew.s des rechtsrheinischen Bayern, S. 65. So wurde die von § 46 Nr.3 der Instruktion als freie Beschäftigung bezeichnete Anfertigung von Frauenkleidern durch Frauen durch die Ministerialentschließungen vom 29. Dez. 1835 und 17. Dez. 1836 wiederum freigegeben, Santmlung der im Gebiete der inneren Staats-Verwaltung des Königreichs Bayern bestehenden VerO.en, §§ 590,604. 659
660 Santmlung der im Gebiete der inneren Staats-Verwaltung des Königreichs Bayern bestehenden VerO.en, § 3. 661 Santmlung der im Gebiete der inneren Staats-Verwaltung des Königreichs Bayern bestehenden VerO.en, § 2. 662 Ministerialerlaß vom 24. Juni 1835 An. AI, V, VI, VIII, Santmlung der im Gebiete der inneren Staats-Verwaltung des Königreichs Bayern bestehenden VerO.en, § 4. 663 Ministerialerlaß vom 24. Juni 1835 An.BIV, Santmlung der im Gebiete der inneren StaatsVerwaltung des Königreichs Bayern bestehenden VerO.en, § 4. 664 Ministerialerlaß vom 24. Juni 1835 An.BVIII 2b, Santmlung der im Gebiete der inneren Staats-Verwaltung des Königreichs Bayern bestehenden VerO.en, § 2.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
443
und Servierjahre war jedoch nur bei "denjenigen Gewerben unerläßlich, die durch eine eigentlich gewerbsmäßige Erlernung und Fortbildung bedingt sind'~ wohingegen sie insbesondere bei den Fragnern, Hücldern, Kleinkrämern, Salzstößlern, Käskäuflern, Prüchlern, Gärtnern, Fischern, Lohnkutschern, Fuhrleuten, Boten, Bier-, Wein-, Kaffee- und Tafernwirten, Garköchen, Viktualienhändlern, Tändlern, Antiquaren und umherziehenden Gewerben entbehrt werden konnte. 66S Später wurde in diesen Kreis noch das Schiffergewerbe einbezogen. 666 Von der letzten Qualifikationsstufe, der eigentlichen Fähigkeitsprüfung, waren diese Gewerbe jedoch nur insoweit ausgenommen, als ihr "die Natur der Sache" unmittelbar entgegenstand. 667 Für die Wirtschaftsgewerbe etwa galt keinerlei Qualifikationvoraussetzung, jedoch war "bei Concurrenz von Bewerbern unter sonst gleichen Verhältnissen auf diejenigen vorzugsweise Rücksicht zu nehmen ..., welche sich durch Zeugnisse über praktische Vorbildung, namentlich über die Dienstleistung in größeren Gasthäusern speciell legitimiren".668 Hatte die Verordnung vom 15. Aug. 1834669 bestimmt, daß fortan die "Anforderungen an die Prüfungs-Candidaten nach den örtlichen und gewerblichen Verhältnissen des beabsichteten Ansässigkeitsortes zu bemessen sind'~ so trug der Ministerialerlaß vom 24. Juni 1835 670 dem in Form einer Klassifizierung der Prüfungskommissionen Rechnung. Die vor einer Kommission erster Klasse bestandene Prüfung berechtigte zum Erhalt einer für Stadt und Land geltenden Konzession, während die Ablegung einer Prüfung vor einer Kommission zweiter Klasse nur zur Bewerbung in Städten zweiter und dritter Klasse sowie in Markt- und Landgemeinden befahigte (Art. B V). Doch war der Eindruck "zu vermeiden, als berechtige die Abstufung der PrüfungsCommissionen in 2 Classen zu Admission schwach befähigter Gewerbsleute in die der I. StädJeclasse nicht angehörenden Gemeinden" (Art B XIII). Unabhängig von der Klasseneinteilung setzten sich die von der Regierung ernannten Prüfungskommissionen zusammen aus einem Polizeibeamten, zwei Mitglie665 Ministerialerlaß vom 18. Aug. 1836 Art. 1 und 2, Sammlung der im Gebiete der inneren Staats-Verwaltung des Königreichs Bayern bestehenden VerO.eo, § 22.
666 Ministerialentschließung vom 15. Feb. 1838, Sammlung der im Gebiete der inneren StaatsVerwaltung des Königreichs Bayern bestehenden VerO.en, § 86. 667 Ministerialerlaß vom 18. Aug. 1836 Art. 3, Sammlung der im Gebiete der inneren Staats-Verwaltung des Königreichs Bayern bestehenden VerO.en, § 22.
668 Ministerialentschließung vom 26. Apr. 1836, Sammlung der im Gebiete der inneren StaatsVerwaltung des Königreichs Bayern bestehenden VerO.en, § 141. Im Augsburg des 18. Jhs. war Voraussetzung für die Selbständigkeit als Wirt der Nachweis einer längeren Tätigkeit als Kellner, R. Bettger, Das Hw. in Augsburg, S. 89. 669
RB Bay 1834, Sp. 989.
670 Sammlung der im Gebiete der inneren Staats-Verwaltung des Königreichs Bayern bestehenden VerO.en, § 2.
444
Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
dem des Gewerbevereins und zwei korporativ ungebundenen Gewerbskundigen, auf deren Bestellung der Proband jeden Einfluß verlor (Art B ll). Die Prüfung gliederte sich für Handwerker und Kaufleute in einen mündlichen Teil und einen praktischen Fähigkeitsbeweis (Art. B X, C ll). Die Befreiung von der mündlichen Prüfung war in keinem Fall und von der Fähigkeitsprobe nur dann möglich, wenn "die practische Befähigung des ... Prüfungs-Bewerbers durch anderweite Belege über allen Zweifel erhaben ist" (Art. B XII). Von Fabrikanten durfte die Ablegung einer Prüfung nur in Ausnahmefällen verlangt werden (Art. D II); für sie galt allerdings bereits nach der Instruktion vom 28. Dez. 1825 lediglich der in § 1 niedergelegte Grundsatz der allgemeinen persönlichen Befähigung ohne weitere Spezifizierung. Prüfungskommissionen für Fabrikanten bestanden aus einem von der Kreisregierung ernannten Vorstand, zwei bis vier in der Chemie oder Technik unterrichtenden Professoren der polytechnischen Schule und einer gleichen Anzahl hervorragender Meister aus einschlägigen Gewerbezweigen (Art. D In). Gem. Art. A galt für die Prüfung der Bauhandwerker die Instruktion vom 27. Mai 1830671 fort, welche hinsichtlich der Examinierung der Maurer-, Zimmerer- und Steinmetzmeister auf die Grundsätze der Vollzugsinstruktion von 1825 rekurrierte. Die Verordnung über den Vollzug des Art 2 Abs. 1 der gesetzlichen Grundbestimmungen für das Gewerbswesen vom 14. Juli 1846672 wich von den 1835 geschaffenen Grundsätzen nur insofern ab, als gem. § 7 Nr. 2 die Prüfungskommissionen erster Klasse durch einen Lehrer der polytechnischen bzw. der Gewerbeschule ergänzt wurden und Dispensationen von der Probearbeit nicht mehr möglich waren (§ 15). Die seit 1834 verfolgte restriktive Gewerbepolitik blieb nicht ohne Erfolg. Die Zahl der konzessionierten Handwerksmeister sank zwischen 1830 und 1840 wieder auf den Stand von 1824 zurück. 673 Obwohl die Bevölkerung der bayerischen Städte von 1810 bis 1847 um 35 % zunahm, stieg im gleichen Zeitraum die Zahl der städtischen Gewerbetreibenden nur um 6 %; diese Differenz ist schon von Zeitgenossen aus den seit 1834 praktizierten Beschränkungen erklärt worden. 674
671
RB Bay 1830, Sp. 807.
672
RB Bay 1846, Sp. 537.
673
H. Wiest, Die Entwicklung des Gew.s des rechtsrheinischen Bayern, S. 70.
674
G. Mayr, Die Entwicklung des Hw.s in den Städten des Känigsreichs Bayern, S. 120 f.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegeseazgebuug
445
b) Von der Vollzugsinstruktion des Jahres 1853 bis zur Einführung der Gewerbefreiheit
Die bayerische Reaktion auf die Handwerkerbewegung erfolgte relativ spät mit der Instruktion zum Vollzug der gese1Zlichen Grundbestimmungen für das Gewerbswesen in den sieben älteren Kreisen des Königreiches vom 17. Dez. 185367S• Im wesentlichen systematisierte sie die nach 1834 ergangenen Entschließungen, bildete sie teilweise aber auch fort. 676 Bei der nach Art. 2 des Gese1Zes vom 11. Sept. 1825 vorzunehmenden ''Berücksichtigung des erforderlichen Nahrungsstandes" sollte weiterhin neben dem Fortkommen des Bewerbers ebenso das der etablierten Meister einbezogen werden (§ 73 Abs. 1). Bemerkenswert war dabei, daß nun selbst bei der Konzessionserteilung für ein dem auswärtigen Absatz zugewandtes kommerzielles Gewerbe auf die Interessen der Meister in den angrenzenden potentiellen Absatzgebieten Bedacht zu nehmen war (§ 73 Abs. 5). Über allem aber standen "höhere Rücksichten für das Interesse der Gemeinden, Rücksichten der Staatspolizei und staatsrechtliche Verhältnisse" (§ 74 Abs. 1), etwa die Abhilfe gegenüber ''Klagen von Seite des Publicums über ungenügende oder gänzliche Nichtbefriedigung des Bedürfnisses" (§ 74 Abs. 2); insbesondere die Fixierung der Zahl der Gewerbetreibenden auf dem status quo wurde untersagt (§ 74 Abs. 3). Die These, mit diesen Bestimmungen sei lediglich die Wahrnehmung der früheren Zunftpolitik den Behörden übertragen worden,677 übersieht in ihrer Pauschalität die den Behörden mit den Gemeinwohlklauseln eingeräumte Möglichkeit, die Zulassungspraxis lokal differenziert zu handhaben. Obwohl nun der Befähigungsnachweis nur in der tradierten Stufung Lehrzeit - Gesellenzeit - Meisterprüfung zu erbringen war (§ 2), wurde das Eingehen auf die Forderungen der Handwerker immer wieder von Steuerungsvorbehalten zugunsten der Regierung durchbrochen. 678 Ein Beispiel aus der im wesentlichen unveränderten Regelung des Lehrverhältnisses (§§ 3 ff.) ist die Beschränkung der Lehrlingszahl auf das dem jeweiligen Gewerbebetrieb und der daraus resultierenden Ausbildungsfähigkeit des Meisters "rechte Maß'~ dessen QuantiflZierung im Ermessen der Behörde stand (§ 4). Die Verkürzung der auf zwei bis fünf Jahre festgesetzten Lehrzeit, deren gesonderte Bestimmung für jedes Gewerbe durch die Satzungen des jeweiligen Gewerbsvereins bzw. - wo ein solcher nicht be67S RB Bay 1853, Sp.1867. Zur Beeinflussung durch die Hw.erbewegung J. Kaizl, Der Kampf um Gew.reform u. Gew.freiheit in Bayern, S. 106; G. Ziegler, Das bayrische Gew.gesetz, S. 26. Zur Hw.erbewegung Kap. 4 III 2b. Stimmen, die wie J .C. Leuchs, Gewerbfreiheit für N ürDberg, S. 6 ff., im Vormärz die Einführuug der Gew.freiheit gefordert hatten, blieben ohne Wirkung.
676 677 678
So A. Popp, Die Entstehung der Gew.freiheit in Bayern, S. 109. A. Popp, Die Entstehung der Gew.freiheit in Bayem, S. 110 ff. Vgl. J. Kaizl, Der Kampfum Gew.reform u. Gew.freiheit in Bayern, S.113.
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
stand - durch die Regierungen erfolgte, war nicht nur bei einer besonderen Befähigung des Lehrlings möglich, sondern auch hinsichtlich anderer, allein von der Behörde zu beurteilender "besonderer Kenntnisse" (f 7)679. Die nunmehr vor einer aus einem Behördenvemeter, einem Lehrer und zwei Handwerkern - regelmäßig den Vorstehern des Gewerbsvereins - bestehenden Kommission abzulegende Gesellenprüfung (ff 17 ff.) war bereits in der Instruktion von 1825 vorgesehen. Eines der zentralen Elemente des von den Handwerken noch 1848 /49 geforderten Ausbildungsgangs, der Wanderzwang, wurde sogar beseitigt. An seine Stelle trat eine an beliebigen Orten zu absolvierende Gesellenzeit, deren Dauer zwar auf fünf Jahre - davon mindestens drei bei einem Meister oder Fabrikanten - erhöht wurde, eine Verringerung jedoch beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen der Entscheidung der Behörde überlassen blieb (f 35). Bemerkenswert für das Fortwirken tradierter Ehrvorstellungen der Gesellen noch bis in diese Zeit ist das Verbot des Blauen Montags (§ 25). Ausdrücklich ausgeschlossen wurde ein Dispens bei der Examination durch die weiterhin in zwei Klassen unterteilten Prüfungskommissionen (§§ 36, 49). Letztere setzten sich aus einem Polizeibeamten, den Vorstehern des Gewerbevereins oder - wenn ein solcher nicht existierte - zwei anderen Meistem des Gewerbes sowie einem von der Polizeibehörde zu bestimmenden gewerbefremden Sachverständigen zusammen, zu welchen bei den Kommissionen erster Klasse noch ein Lehrer der polytechnischen oder Gewerbsschule hinzutrat (U 37,38). Die Prüfung bestand aus einer mündlichen Befragung und der Anfertigung einer Probearbeit einschließlich Voranschlägen und Rechnungsführung (f 44). Die Bauhandwerker wurden von einer Kammer der Kreisregierung geprüft, wobei die inhaltlichen Anforderungen in der ersten Klasse von der obersten Baubehörde, in der zweiten von den Kreisbaubureaus festgelegt wurden (§ 66). Eine Wiederholungsprüfung war jetzt erst nach einem Jahr möglich (§ 47 Abs. 3). Wurde von dem eine Fabrik selbst Betreibenden ausnahmsweise die Ablegung einer Prüfung verlangt, so waren für diese besondere, an einer polytechnischen Schule gebildete Kommissionen zuständig (§f 63, 64). Die Vorschriften über die Qualifikation der Handwerker galten ähnlich für die der Kaufleute (U 50 ff.), die eine mindestens sechsjährige Lehrlings- und Gehilfenzeit sowie eine Prüfung absolviert haben mußten (§ 50). Die Dauer der Lehrzeit war der freien Vereinbarung anheimgegeben (f 53). In der Prüfung hatte der Bewerber neben seinen allgemeinen kaufmännischen Fähigkeiten tn9 Laut einer Ministerialentschlie8ung vom 18. Dez. 1855 war die Verkürzung wegen besonderer Kenntnisse sowohl beim Antritt als auch im Verlauf der Lehre möglich, G.C. Wunder, Das Gewerbswesen in Bayern, S. 12.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
447
noch seine Kenntnisse über den Verkehr mit denjenigen Waren darzulegen, mit deren Umsatz er sich zu befassen gedachte. Zwar wurde der Inhalt einer Gewerbekonzession dahingehend eingeschränkt, daß der Verkauf von Eigenprodukten nur noch an einem Ort erfolgen sollte (§ 97), jedoch war auch hier den Behörden eingeräumt, die Errichtung von weiteren Niederlagen zu gestatten (§ 100). Derselben Tendenz, einen in jede Richtung nutzbaren Steuerungsvorbehalt für die Regierung zu institutionalisieren, folgte die Ausdehnung des Kreises der Erwerbsarten (§§ 163 ff.) unter gleichzeitiger Eröffnung der Möglichkeit zur Forderung einer Lizenzierung und eines Befahigungsnachweises (§§ 167 ff.) in bestimmten Fällen, etwa wenn bei dem ''Betrieb ... durch einen Nichtbefähigten in sanitätspolizeilicher BezieJumg Bedenken" obwalteten (§ 167). Hinsichtlich der Konzessionierung von Fabriken blieben aus gesamtstaatlichen Erwägungen die Einwendungen der lokalen Gewerbetreibenden, insbesondere also der Handwerker, weithin außer Betracht, wenn in erster Linie auf den durch überörtliche Absatzchancen nachzuweisenden "gedeihlichen Betrieb und Erfolg der zu gründenden Unternehmung" Rücksicht zu nehmen war (§ 76). Aus der Verordnung von 1853 selbst läßt sich eine antiliberale Gewerbepolitik noch nicht ableiten; zu zahlreich waren die den Behörden zugestandenen Gelegenheiten, durch eine großzügige Konzessionierungspraxis die Gewerbefreiheit faktisch durchzusetzen. Allerdings war dem Konzessionssystem ein derartiger Ansatz wesensfremd. Es konnte seine an den zahlreichen Vorbehalten zugunsten der gemeinen Interessen evident werdende Herkunft aus absolutistisch-wohlfahrtsstaatlichen Wurzeln nicht verleugnen. 680 Die im Vordergrund stehende Konservierung tradierter Strukturen und die die Behörden überfordernde Komplexität der im Industrialisierungsprozeß zu berücksichtigenden Parameter standen einer Flexibilisierung entgegen. 681 Zwischen 1847 und 1861 übertraf der Anstieg der Bevölkerung den der selbständigen Gewerbetreiber:.den deutlich, wobei allerdings eklatante regionale Unterschiede zu beobachten sind. So wuchsen die Handwerkerzahlen in den Zentren München und Nürnberg überproportional auf Kosten kleinerer Städte. 682 Das Instrument der Restriktion war offenkundig die Berücksichtigung des ausreichenden Nahrungsstandes, worüber die fachliche Befähigung stark vernachlässigt wurde. Einer Quote nichtbestandener Meisterprüfungen von bis zu 52 % bei den ausschließ680
G. Schwarz, "Nahrungsstand" u. "erzwungener Gesellenstand", S. 72; vgl. Kap. 4 IV 3.
J.K. Beeg, Die Reformfrage des Gew.wesens., S. 36 ff.; G. Schwarz, "Nahrungsstand" "erzwungener Gesellenstand" , S. 68 f. 681
11.
682 G. Mayr, Die Entwicklung des Hw.s in den Städten des Königreichs Bayern, S. 120 f.; G. Schwarz, "Nahrungsstand" u. "erzwungener Gesellenstand", S. 84,144.
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Iich behördlicherseits geprüften Bauhandwerkern standen Durchfallquoten bei den übrigen konzessionspflichtigen Gewerben von 0,6 - 2,1 % hinsichtlich der Gesellen- und 0,2 - 1,5 % bezüglich der Meisterprüfungen gegenüber. 683 Die Konsequenz war ein Überhang von formal qualifIZierten Arbeitskräften, denen die Erlangung der Selbständigkeit versagt blieb. 6114 Von ihnen wiederum wanderten die Agilsten in die Fabriken und freien Erwerbsarten ab, was zu einer weiteren Verminderung der Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit des Handwerks führte. 68S Eine legislatorische Reaktion war unausweichlich, nachdem schon gegen Ende der 50er Jahre die gemeindeutsche gewerbefreiheitliche Strömung zu einer Lockerung der Beschränkungen führte. 686 Unter dem Einfluß von Stimmen, die eine Gewerbeordnung auf liberaler Grundlage forderten, 687 führte das Staatsministerium für Handel und öffentliche Arbeiten in den Jahren 1860/61 eine umfangreiche Enquete zur Lage des bayerischen Gewerbes durch. 688 Ein im April 1861 von den Nürnberger Abgeordneten im Landtag gestellter Antrag, die Einführung der Gewerbefreiheit anzuregen, führte zum Erlaß der Instruktion zum Vollzuge der gesetzlichen Grundbestimmungen für das Gewerbswesen in den sieben älteren Kreisen des Königreiches vom 21. Apr. 1862689• Das Gebiet der Konzessionsgewerbe wurde auf 10 Gruppen beschränkt (§ 1), wohingegen die Zahl der im Anhang aufgeführten freien Erwerbsarten auf 236 wuchs, denen insbesondere "alle neu aufkommenden Erwerbszweige" unterfielen. Ein nicht zum konzessionierten erklärtes Gewerbe galt als frei; erforderlichenfalls konnte ein konzessioniertes Gewerbe freigegeben werden (§ 78). Die Beurteilung des Nahrungsstandes wurde auf den 1825 aufgestellten Grundsatz zurückgeführt, ob der ''Bewerber bei gehöriger Thiitiglceit werde bestehen können" (§ 25); die Interessen der etablierten Gewerbetreibenden wurden nicht mehr berücksichtigt Allerdings war bereits nach dem fortgeltenden
683
G. Schwarz, "Nahrungsstand" u. "erzwungener Gesellenstand", S. 111 f.
6114
G. Schwarz, "Nahrungsstand" u. "erzwungener Gesellenstand" , S. 140 ff.
68S
G. Schwarz, "Nahrungsstand" u. "erzwungener Gesellenstand" , S. 151 ff.
686
G. Mayr, Die Entwicklung des Hw.s in den Städten des Königreichs Bayern, S. 121.
Für volle Gew.freiheit A. Stark, Die Gew.freiheit in Bayern, S. 44 ff. J.K. Bug, Die Reformfrage des Gew.wesens, S. 66 ff., wollte das Konzessionssystem mit Befähigungsnachweis und Nahrungssicherung aufgehoben wissen und nur für wenige Gew. aus öffentlichen Rücksichten eine Konzession erfordern; gleichwohl sollten die Innungen als gesetzlich organisierte Selbstverwaltungsverbände mit Beitrittszwang bestehen bleiben. Gegen Gew.freiheit F. Regelsberger, Die Hindernisse, welche der Einführung der unbedingten Gew.freiheit im Königreiche Bayern entgegenstehen, S. 8 ff. 687
688
G. Schwarz, "Nahrungsstand" u. "erzwungener Gesellenstand" , S. 39 ff., 230 ff.
RB Bay 1862, Sp.717. Zur Entstehung A. Popp, Die Entstehung der Gew.freiheit in Bayern, S.116 ff. 689
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
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Gewerbegesetz von 1825 hinsichtlich der nur für den lokalen Bedarf produzierenden Gewerbe eine Einstellung in die örtlichen Verhältnisse vorgesehen. 690 Eine Bedingung für die Konzessionserlangung blieb der Fähigkeitsnachweis (§ 2), der vor einer von der Regierung bestimmten Kommission zu erbringen war, welche aus einem Abgeordneten des Gewerberats, einem Beamten der Polizeibehörde, einem Lehrer der polytechnischen Schule sowie zwei Mitgliedern des Gewerbevereins bestand (§ 6). Jegliche Ortsbezüglichkeit des Prüfungswesens wurde beseitigt Die Klassifizierung der Kommissionen wurde nicht beibehalten, ihre Wahl dem Bewerber freigestellt (§ 8); ein erworbenes Zeugnis galt in allen Teilen des Königreichs (§ 10). Symptomatisch für die bewußte Revision der 1853 wiederaufgenommenen Tradition ist die Ablehnung eines vorgeschriebenen Ausbildungsgangs. Es stand dem Lehrling frei, ob er sich in dem mit dem Meister geschlossenen Lehrvertrag zur Ablegung einer Gesellenprüfung vor zwei Meistem des Gewerbes verpflichten wollte oder nicht (§§ 117, 118). Diese Bestimmung ist weniger eigentümlich,691 sondern beruht vielmehr auf dem Gedanken, im Rahmen eines grundsätzlich freien Ausbildungswesens den Parteien die eigenverantwortliche Disposition über die Modalitäten einer qualifizierten Lehre zu ermöglichen. Jedem Bewerber war es anheimgestellt, wie er sich die in der Prüfung vor der Kommission nachzuweisenden Fertigkeiten aneignete (§ 9). Die Prüfung bestand aus einer mündlichen Prüfung und der Anfertigung einer von der Kommission zu bestimmenden Probearbeit, die jedoch keinesfalls die Formen eines förmlichen Meisterstücks annehmen durfte (§ 9). Besondere Vorschriften galten nach wie vor für die Bauhandwerker, die unter der Aufsicht der Kreisbaubehörde von einer besonderen Kommission geprüft wurden (§ 15). Für die Kaufleute behielten im wesentlichen die 1853 aufgestellten Grundsätze über die Ablegung der Prüfung Geltung (§ 16). Für Schornsteinfeger und Abdecker genügte zum Beleg über die Befähigung der Nachweis praktisch erworbener Kenntnisse (§ 18). Wollte ein Gewerbetreibender zusätzlich ein mit dem bisherigen technisch nicht vergleichbares Gewerbe ausüben oder zu diesem überwechseln, so beschränkte sich die Prüfung auf den praktischen Teil (§ 14). § 60 vereinigte bislang getrennte Gewerbe zu einem neuen einheitlichen, wobei die zusammengefaßten Handwerke durchaus nicht immer unmittelbar technisch verwandt waren,692 wie die Beispiele der Gürtler und Zinngießer (§ 60 Nr. 4), Kürschner und Schneider (§ 60 Nr. 7), oder Sattler und Tapezierer (§ 60 Nr. 9) zeigen. Ausschlaggebend dürfte vielmehr der in § 59 niedergelegte Grundsatz gewesen sein, das Handwerk von jeden seine Konkurrenzfähigkeit 690
Kap. 4 IV 3a.
691
So aber]. Kaizl, Der Kampf um Gew.reform u. Gew.freiheit in Bayern, S. 127.
692
So aber A. Popp, Die Entstehung der Gew.freiheit in Bayern, S.122.
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
hemmenden Beschränkungen zu befreien, also das Recht des Gewerbetreibenden, sich "in Beziehung auf Vorbereitung und Veredlung der Gewerbserzeugnisse bis zum höchsten Grade der Vollendung und Wiederherstellung derselben frei zu bewegen, alle zu diesem Zwecke führenden Einrichtungen und Hilfsmitte~ Maschinen und Werkzeuge nach Bedarf zu wählen, die zu seinem Gewerbsbetriebe erforderlichen Rohstoffe und H albfabricate wo immer zu beziehen, Lehrlinge und Gesellen ... in beliebiger Zahl aufzunehmen und behufs der Vor- und Nebenarbeiten an seinen Erzeugnissen auch Gesellen anderer Gewerbe zu halten". Die für eines der vereinigten Gewerbe abgelegte Prüfung umfaßte auch die Berechtigung zur Ausübung der anderen (§ 60). Mehrere verschiedene Gewerbe konnten parallel betrieben werden (§ 39) und beliebig viele Produktionsstätten im Gemeindebezirk des Niederlassungsorts errichtet werden (§ 61). Am letzteren war der Detailhandel im offenen Laden den Handwerkern und Fabrikanten nur an einem Platz gestattet (§ 66), jedoch konnten sie im gesamten Land beliebig Niederlagen errichten (§ 67). Fabrikanten unterlagen nur im Falle der persönlichen Leitung des Produktionsvorgangs dem Befähigungsnachweis, den die Behörde jedoch durch beliebige Mittel der Überzeugungsbildung surrogieren konnte (§ 17). Zum Betrieb war eine Konzession nur dann erforderlich, wenn sich die Fabrikation auf Gegenstände eines konzessionspflichtigen Gewerbes bezog (§ 1 Nr. 6). Ansonsten genügte wie für jede freie Erwerbsart eine Lizenz (§ 85), die lediglich der Überprüfung diente, "ob dem Aufenthalte des Bewerbers an dem gewählten Orte ein in den Gesetzen begründetes Hinderniß im Wege" stand (§ 86). Für bestimmte freie Erwerbsarten war eine besondere Bewilligung erforderlich, die der Kontrolle von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung diente, wie sie etwa für die Veranstaltung von gemischtgeschlechtlichem Tanzunterricht, den Betrieb einer Privatheilanstalt, einer Badeanstalt, eines Theaters oder eines Leihhauses oder den Ausschank selbstgebrauten Biers angenommen wurden (§ 79). Präventiv in die Form eines Befahigungsnachweises vorverlegt und damit der Konzessionierung angenähert wurde die Überwachung bei einigen, einen besonderen technischen Sachverstand voraussetzenden freien Gewerben, nämlich den Schiffern und Flößern, den Kunstfeuerwerkern, den Farbenbereitern, den Optikern, den Gemälderestauratoren, den Musikern, den Aufstellern von Blitzableitern, den Belegern von Spiegelglas sowie den Herstellern von Zündhölzchen und von chirurgischen Instrumenten. Sofern der Befahigungsnachweis nicht durch die Vorlage von Zeugnissen geführt werden konnte, war vor Sachverständigen eine Probe abzulegen. Die der Behörde bei den konzessionierten Gewerben eröffnete Beurteilung des Fortkommens des Bewerbers blieb ihr bei den freien versagt.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
451
Obwohl sie im Rahmen der gewerbefreiheitlichen Bestrebungen der Zeit lag 693 , mußte die Instruktion von 1862 sich in den Grenzen des Konzessionssystems halten, das bereits 1825 als Übergangsstadium zur Gewerbefreiheit bezeichnet worden wa[694. Eine gesetzliche Neuordnung des Gesamtkomplexes von Gewerbeverfassung sowie Ansässigkeits- und Heimatrecht war unumgänglich. 695 Die von der Regierung am 8. Jan. 1867 dem Landtag vorgelegten Entwürfe 696 wurden am 30. Jan. 1868 als Gesetz, das Gewerbswesen betr.,697 und am 16. Apr. 1868 als Gesetz über Heimat, Verehelichung und Aufenthalt 698 realisiert Das Gewerbegesetz beruhte auf dem Recht jedes Staatsangehörigen, jedes GeweIhe in beliebigem Umfang an beliebigen Orten treiben zu dürfen (Art. 1); gleiches galt grundsätzlich für Ausländer (Art. 2).699 Art 32 nahm eine Reihe von ElWeIhstätigkeiten aus dem Geltungsbereich des Gesetzes aus, nämlich Hof- und Staatsuntemehmen (Nr. 3 und 4), Anwaltschaft und Notariat (Nr. 9), Heilkunde (Nr. 10), Privatunterricht (Nr. 11), künstlerische Tätigkeiten (Nr. 12) sowie den gesamten Bereich der Primärproduktion (Nr. 14). Ausdrücklich nicht geregelt wurde auch die Lohnarbeit (Art. 32 Nr. 6), die "Verhältnisse der unselbstständig beschäftigten Personen ... (,deren) Festsetzung ..., soweit nicht das allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch in den Art. 57-65 Vorschriften gibt, der freien Uebereinlamft überlassen" wurde 7OO. Die vor dem Beginn oder einer steuerrelevanten Änderung des Gewerbebetriebs der Gemeindebehörde zu 693
Vgl. zu diesen Kap. 4 III 2c.
694
Kap. 4 IV 3a.
Vgl. die Thronrede König Maximilian 11. bei der Eröffnung des Landtags am 23. Juni 1863, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des bayerischen Landtages 1863/65, Amtliche Protokolle, S. 8. 695
696 Zur Beratung im einzelnen H. Hesse, Die sogenannte Sozialgesetzgebung Bayerns, S. 45 ff.; A. Popp, Die Entstehung der Gew.freiheit in Bayem, S.125 ff.; G. Ziegler, Das bayrische Gew.gesetz, S. 34 ff. 697 Gesetzblatt für das Königreich Bayern 1866-1869, Sp.309. Text auch: Das neue Gew.gesetz für das Königreich Bayern. 698
Gesetzblatt für das Königreich Bayern 1866-1869, Sp. 357.
Vgl. dazu die Motive zu dem Entwurfe eines Gesetzes, das Gewerbswesen betreffend, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des bayerischen Landtages 1866/69, S. 66 (68): Die "Gewerbeordnung vom 21. April 1862 (brach) von den alten Schutzformen Bahn ... zu einer freieren Gestaltung der gewerblichen Verhiiltnisse, (womit) ... die Einführung der Gewerbefreiheit entsprechend der wohlmeinenden Absicht des Gesetzes vom 11. September 1825 ohne Ueberstürzung und unter Fernehaltung gefahrvoller und schmerzhafter Krisen angebahnt werden (konnte). (Man sei) ... von der Ueberzeugung durchdrungen, daß nicht in größeren Beschränlcungen, sondern nur in der Freigebung des Gewerbebetriebes und der hiedurch ermöglichten größeren Entfaltung der Thätigkeit des Einzelnen der Weg zur Hebung der Industrie im Ganzen und zur Erhöhung der Wohlfart des Einzelnen gegeben ist.• 699
700 Motive zu dem Entwurfe eines Gesetzes, das Gewerbswesen betreffend, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des bayerischen Landtages 1866/69, S. 66 (68).
452
Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
machende Anzeige (Art 6) diente allein der steuerlichen Erfassung. Konzessionspflichtig waren gem. Art. 8 nur die privaten Eisenbahnen und Dampfschiffahrten (Nr.1), Kreditanstalten und Banken (Nr.2), die Trödler (Nr.5), die Kommissions- und Anfragebureaus (Nr. 6) und die Gast- und Schankwirtschaften (Nr. 4), wobei den Brauern der Ausschank des eigenen Biers gestattet blieb (Art 9 lit.b Nr. 1).701 Lediglich Apotheker und die mit der Herstellung oder dem An- und Verkauf von Giften und Arzneien befaßten Personen hatten vor der Bewerbung um eine Konzession einen Befahigungsnachweis zu erbringen (Art. 8). Im übrigen wurden jegliche QualifIkationsvoraussetzungen, selbst die für die Bauhandwerker, beseitigt. Die Notwendigkeit, am Markt zu bestehen, sorge für das Eigeninteresse der Gewerbetreibenden, sich aus- und weiterzubilden. 702 Für eine Reihe von Gewerben, deren fehlerhafte Ausübung Gesundheit, Eigentum oder Sittlichkeit von anderen gefahrden konnte, blieb das Erfordernis einer amtlichen Bestellung oder einer polizeilichen Bewilligung vorbehalten. Hierunter begriffen waren die Handelsmäkler (Art 13), Krahnenund Eichmeister, Abschätzer und Versteigerer (Art. 14), Schornsteinfeger und Abdecker (Art 15)703, Betreiber von Auswanderungsagenturen, Unterhaltungsvorstellungen, Badeanstalten, Versicherungen, Leihgeschäften, Gesindevermittlungen und von Rentenkassen (Art 16), Kammerjäger (Art 17) sowie die Schiffer und Flößer (Art. 18). Die Fälle, in denen die grundsätzlich persönliche Konzession (Art. 11 Abs. 1) durch einen den jeweiligen Anforderungen genügenden Stellvertreter genutzt werden konnte, waren dieselben wie 1825, nämlich die Ausübung eines realen oder radizierten Gewerbes (Art. 11 Abs. 4) oder die Fortführung des Betriebs durch eine Witwe (Art. 12 Abs. 2)704. Die bestehenden realen und radizierten Gewerbe blieben zwar unangetastet, neue durften 701 Zur Auseinandersetzung über die Konzessionierung der WirtschaftsGew. H. Hesse, Die sogenannte Sozialgesetzgebung Bayerns, S. 150 Cf. 702 Motive zu dem Entwurfe eines Gesetzes, das Gewerbswesen betreffend, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des bayerischen Landtages 1866 / 69, S. 66 (68): "Dabei wurde von der Erwägung ausgegangen, daß weder für das Publikum, noch für den Gewerbestand eine Gefahr da· bei besteht, wenn der selbstständige Gewerbebetrieb nicht liinger von einem vorgängigen Befähi. gungs-Nachweise abhängig gemacht wird. ... Das Publikum ist der beste Richter über gute Arbeit, es fragt aber nicht nach dem Erfolge der Prüfung, sondern kauft seine Waaren, wo sie ihm am preiswürdigsten scheinen. Auf den Biltlungsgang der Gewerbetreibenden wird aber die freie Concu"enz ... viel mächtiger einwirken als aller Prüfungszwang. " Der von der Abgeordnetenkammer geforderte Befähigungsnachweis für die BauHw.er wurde von der Regierung abgelehnt, H. Hesse, Gesetzgeber u. Gesetzgebung in Bayern, S.I63; C.v. Nar, Das bayerische Gesetz über das Gewerbswesen, S. 270; E. Schöller, Gesetz vom 30. Januar 1868, S. 59 f.
703 Nach C.v. Nar, Das bayerische Gesetz über das Gewerbswesen, S. 301 f., waren die Verhältnisse der Kaminkehrer und Wasenmeister nicht nach dem Gew.gesetz, sondern sicherheitspolizeilichen Grundsätzen zu beurteilen, so daß ein von der Regierung verlangter Qualifikationsnachweis möglich blieb. 704
Vgl. Kap. 4 IV 3a.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
453
jedoch nicht mehr verliehen werden (Art. 1). Die Innungen wurden aufgehoben (Art. 26); freie Zusammenschlüsse der Gewerbetreibenden zur Förderung ihrer gewerblichen Interessen in Selbstverwaltung waren nach Maßgabe des Vereinsrechts zulässig und erlangten mit der Bestätigung ihrer Satzungen durch die Regierung die Rechtsfähigkeit (Art 25). Die Folge der gewerbefreiheitlichen Regelungen war eine deutliche Expansion des Gewerbesektors. In der Zeit zwischen 1861 und 1875 stand einer Zunahme der Bevölkerung um 7 % ein Zuwachs bei allen in Handwerken und Fabriken Beschäftigten von 47 % und bei den selbständigen Gewerbetreibenden von sogar 56 % gegenüber. 70S Dabei differierten die Zuwachsraten der einzelnen Gewerbe stark706: Die Zahl der selbständigen Bäcker stieg nur um 12 %, die der Fleischer um 34 %, was darauf schließen läßt, daß der Markt für die Lebensmittelgewerbe schon unter dem Konzessionssystem weitgehend gesättigt war. 707 Wie in Preußen708 wiesen die Massengewerbe höhere Steigerungsquoten auf, nämlich die Schuster 36 %, die Tischler 56 % und die Schneider 82 % . Die Konsequenz aus der Aufhebung des besonderen Befähigungsnachweises für Bauhandwerker zeigt sich bei den Maurern, die um 158 % expandierten.
4. Baden
Ähnlich wie Bayern stand auch das durch den Reichsdeputationshauptschluß von 1803 und den Preßburger Frieden von 1805 erheblich vergrößerte Großherzogtum Baden vor dem Problem der Assimilation der erworbenen Gebiete. 709 Der mit der administrativen Integration betraute Geheime Rat Johann Nikolaus Friedrich Brauer war zu sehr dem tradierten Rechtlichkeitsideal des aufgeklärten Wohlfahrtsstaats verhaftet, als daß er eine wirkliche Wandlung hätte hetbeiführen können. 710 Die Reform sollte sich darauf beschränken, "möglichst das Alte, und wo es verschieden ist, aus ihm das Beste beizubehal-
70S
J. Kaizl, Der Kampf um Gew.reform u. Gew.freiheit in Bayern, S. 174.
706
Vgl. J. Kaizl, Der Kampfum Gew.reform u. Gew.freibeit in Bayern, S. 174.
H. Mauersberg, Winscbaft u. Gesellschaft Fürtbs, S. 83, sieht diese geringen Zuwachsraten auch in innerbw.en Konzentrationsprozessen begründet. 707
708
Kap. 4 III 1.
Vgl. W. Andreas, Der Aufbau des Staates, S. 1 ff.; L.GaIl, Gründung u. politische Entwicklung des Großherzogtums, S. 14 ff. 709
710 J. Zielrow, Die Übernahme fremden Rechts, S.472; zu Brauer vgl. noch W. Andreas, Der Autbau des Staates, S. 38 ff.; E. Strobel, Johann Nikolaus Friedrich Brauer, S. 150 ff.
454
Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
ten, es aber in seinen Benennungen und Formen dem Zeitgeist anzupassen"711. Nachdem die 13 Organisations edikte des Jahres 1803 noch weitgehend auf der Rechtsordnung des Alten Reichs beruht hatten,712 entsprangen nach dessen Ende 1806 die zwischen 1807 und 1809 erlassenen sieben Konstitutionsedikte dem Bedürfnis nach einer fürstlicherseits gesetzten Rechtsgrundlage für staatliches Handeln713 • Die Regelung der Gewerbeverfassung beschränkte sich im wesentlichen auf die Bestimmung der Position des Staates. 714 Laut § 23 lit.a der Verordnung, die Grundverfassung der verschiedenen Stände betreffend, vom 4. Juni 1808715 blieb der status quo der Zunftverfassung erhalten, eine Änderung durch die Regierung allerdings vorbehalten. 716 Insbesondere "zum Behuf einer Fabrikartigen Betreibung ... (konnte) Nachsicht gegen den ZunftVerband" gewährt werden. 717 Die Ausübung eines Gewerbes, das er erlernt und für das er seine Befahigung nachgewiesen hatte, durfte keinem Bewerber verwehrt werden. 718 Zunftglieder waren neben den Lehrlingen, Gesellen und Meistem noch die Genossen, deren Meisterstück nach Auffassung der Zunft nicht vollständig den Anforderungen genügt hatte; sie durften zwar selbständig arbeiten, jedoch keine Lehrlinge und Gesellen beschäftigen. 719 Der durch Ledigsprechung und Aushändigung des Lehrbriefs zum Gesellen Gewordene war verpflichtet zu wandern, zu welchem Zweck ihm die zur Fortbildung prädesti-
711 Vorschlag Brauers an den Großherzog zur Konstitutionalisierung des Staates nach Unterzeichnung der Rheinbundakte, W. Andreas, Der Aufbau des Staates, S. 170. 712
H. On, Baden, S. 590.
J. Ziekow; Die Übernahme fremden Rechts, S.473. Vgl. den Vorspruch zum 1. Konstitutionsedikt, die kirchliche Constitution des Großherzogtums Baden betreffend, vom 15. Juni 1807, zitiert nach H. Ott, Baden, S.592: "Nachdem durch Aufhebung der Kraft aller ehemaligen Grundgesetze des Deutschen Reiches die Verfassung alkr der Lande schwankend und unsicher geworden ist, •.• wolkn wir in einzelnen Konstitutionsedilcten in das Mittel trden, aus deren Verbindung seinerzeit die Konstitution unseres ganzen Staates und allen seinen Theilen hervorgehen möge." 713
714 R. Goldmann, Die rechtlichen Grundlagen der badischen Gew.gesetzgebung, S. 9. Zum Stand des badischen Zunftrechts um 1808 J. Ehrler, Stadtverfassung u. Zünfte Freiburgs im Breisgau, S. 756 ff.
715 RB Bad 1808, S. 145, 161. 716 Aufzählung der danach zünftigen Gew. bei R. Diett, Die Gcw. im Großherzogthum Baden,
S. 233 f.
717 VerO., die Grundverfassung der verschiedenen Stände betreffend, vom 4. Juni 1808 § 23 lit.b, RB Bad 1808, S. 145, 161. 718 VerO., die Grundverfassung der verschiedenen Stände betreffend, vom 4. Juni 1808 § 24 lit.e, RB Bad 1808, S. 145, 161.
719 VerO., die Grundverfassung der verschiedenen Stände betreffend, vom 4. Juni 1808 § 24 lit.d und e, RB Bad 1808, S. 145, 161.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegeset:lgebung
455
nierten Städte genannt wurden720• Die dreijährige Wanderzeit war von Gesellen aus den größeren Städten im Ausland zu absolvieren, während alle anderen auf die Inlandswanderung beschränkt wurden. 721 Die Gewerbe blieben an die Städte gebunden und waren auf dem Land nur insoweit zugelassen, als sie für die unmittelbaren Bedürfnisse der dortigen Bevölkerung arbeiteten. 7'12 Allgemein zulässig waren die Gewerbe der Schneider, Schuster, Metzger, Bäcker, Müller, Küfer, Kübler, Zimmerleute, Schmiede, Wagner, Weber, die Glashütten, Ziegel- und Kalkbrennereien sowie die Bierbrauereien; in entlegeneren Landorten durften sich auch Maurer, Schlosser und Schreiner niederlassen. 723 Nicht betroffen von dieser Regelung waren die traditionellen ländlichen Nebengewerbe, etwa die Herstellung von Schwarzwälderubren, das Stroh flechten und Weben. 724 Andere Gewerbe durfte ein Landmann nur erlernen, wenn er "zu Bestimmungen des Landmanns nach seiner körperlichen oder geistigen Lage nicht geeignet" erschien, ohne daß ihn die Gestattung der Lehre zur Niederlassung auf dem Land berechtigte. 725 Die Fähigkeit eines Landmeisters zur Erteilung einer Lehre war von den Zunftmeistern zu kontrollieren, die mit dem Landmeister im Falle des auf einen mangelhaften Unterricht zurückzuführenden Versagens des Lehrlings in der Gesellenprüfung hafteten. 726 Der lokale Zunftzwang gegen andernorts in die Zunft aufgenommene Meister entfiel und durfte gegen Unzünftige nicht eigenmächtig, sondern nur durch die Obrigkeit durchgesetzt werden. 727 Während für Bauhandwerker ein Zunftdistriktsbann nicht bestand, durften andere Handwerker zwar auf Bestellungen arbeiten, die außerhalb ihres Distrikts aufgegeben worden waren, mit Aus720 VerO., die Wanderschaft der Zunftgenossen betreffend, vom 9. Febr. 1808 § 19, RB Bad 1808, S. 41. 721 VerO., die Wanderschaft der Zunftgenossen betreffend, vom 9. Febr. 1808 §§ 1-5, RB Bad 1808, S. 41. 722 2. Konstitutionsedikt, die Verfassung der Gemeinheiten, Körperschaften und Staatsanstalten betreffend, vom 14. Juli 1807 § 5, RB Bad 1807, S. 125. 723 VerO., die Wanderschaft der Zunftgenossen betreffend, vom 9. Febr. 1808 § 12, RB Bad 1808, S. 41. 724 VerO., die Wanderschaft der Zunftgenossen betreffend, vom 9. Febr. 1808 § 11, RB Bad 1808, S. 41. 725 VerO., die Wanderschaft der Zunftgenossen betreffend, vom 9. Febr. 1808 § 13, RB Bad 1808, S. 41. 726 VerO., die Wanderschaft der Zunftgenossen betreffend, vom 9. Febr. 1808 §§ 22,23, RB Bad 1808, S. 41. 727 VerO., die Grundverfassung der verschiedenen Stände betreffend, vom 4. Juni 1808 §§ 23 lit.m, 24 Iit.c, RB Bad 1808, S. 145, 161. 30 Ziekow
456
Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
nahme der Leineweber, Schneider und ähnlicher Gewerbe das fertige Produkt jedoch nicht abliefern. 728 Insgesamt knüpfte die Regelung des Gewerbewesens in den Jahren 1807 /1808 an die im 18. Jh. forcierte Zurückdrängung der Autonomie der Zünfte an, ohne die im bayerischen Konzessionssystem verwirklichte staatliche Lenkungspräponderanz zu erreichen. 729 Auffallend ist der Konflikt mit dem Badischen Landrecht von 1810, bei dessen Anpassung des Code Napoleon an die überkommenen Landesstrukturen das freiheitliche Arbeitsvertragsrecht der §§ 1779 ff. unangetastet blieb. 730 Im Jahre 1822 legte die zweite Kammer des badischen Landtags die Grundzüge einer Gewerbereform dar. m Die Zünfte sollten nur noch als freiwillige Vereinigungen bestehen bleiben und die Gewerbeaufsicht von den unter unmittelbarer Kontrolle der Regierung stehenden örtlichen Gewerberäten wahrgenommen werden. Sie wurden aus Vertretern der lokalen Obrigkeit und der selbständigen Handwerker gebildet und hatten das Lehr- und Prüfungswesen zu überwachen und das Meisterrecht zu erteilen. Der tradierte dreistufige Qualifizierungsweg mit Lehr- und Wanderzwang sowie Meisterprüfung blieb erhalten, wurde aber die einzige Voraussetzung für die Erlangung des Meisterrechts. Dagegen sollten Rücksichten auf das Fortkommen der Gewerbetreibenden und auf die Ansässigmachung in der Stadt oder auf dem Land die Zulassung nicht mehr hindern. Die Beschränkung der Zahl der in einem Betrieb Beschäftigten sollte beseitigt werden. Eine Realisierung des Projekts scheiterte an der abwartenden Haltung der Regierung. 732 Lediglich der Zunftdistriktsbann wurde für Arbeiten auf Bestellung im Jahre 1825 auch noch insoweit aufgehoben, als er hinsichtlich des Ablieferungsverbots noch bestanden hatte. 733 Obwohl die Bedeutung dieser Maßnahme für die Aushöhlung der Zunftverfassung nicht unterschätzt werden darf, ist sie doch in Anbetracht der den Zünften insbesondere im Bereich der Qualifdcationskon728
VerO. vom 20. Feb. 1807, RB Bad 1807, S. 14.
Zur Struktur des badischen Gew.rechts 1807 /1808 im einzelnen S. Löttgen, Motive der badischen Gew.gcsetzgebung, S. 4 ff.; zum bayerischen Konzessionssystem Kap. 4 IV 3. 729
730 Zum badischen Landrecht vgl. W. Andreas, Die Einführung des Code Napoloon in Baden, S. 182 ff.; E. Fehrenbach, Traditionale Gesellschaft u. revolutionäres Recht, S. 104 ff.; W. Schubert, Französisches Recht in Deutschland, S.193 ff.; J. Ziekow, Die Übernahme fremden Rechts, S. 475 ff. Vgl. insgesamt E. Weis, Der Einfluß der französischen Revolution, S. 569 ff.
m Verhandlungen der Stände-Versammlung des GroBhermgthums Baden 1822, S. 77 ff. 732 R. Goldmann, Die rechtlichen Grundlagen dcr badischcn Gew.gesetzgebung, S. 19 f. Zur Diskussion K. Walchner, Das Zunftwesen, S. 30 ff. 733
VerO. vom 20. Okt. 1825, GroßherzogIich Badisches Staats- u. Rcgierungs-Blatt 1825, S. 185.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
457
trolle verbliebenen Befugnisse keineswegs mit einer vollständigen Sinnentleerung des Zunftwesens gleichzusetzen. 734 Gefahrlicher für dieses war eher schon die liberale Praxis der Konzessionierung von Fabriken, die zu Beginn der 30er Jahre das alte Privilegiensystem vollständig verdrängt hatte. Einsprachen der Zünfte wurden durch Freigabe des betreffenden Gewerbes verhindert. 135 Zwischen 1831 und 1848 wurde das Problem der Gewerbeverfassung zum Gegenstand zahlreicher Anträge und Diskussionen in der zweiten Kammer gemacht, die sämtlich keinen Einfluß auf die legislatorische Praxis gewannen; 136 überwiegend beruhten die Konzeptionen auf einer Mittelstandsstabilisierung durch eine modifizierte Zunftverfassungm . Dem Antrag Zachariäs auf vollständige Beseitigung des Zunftwesens738 wurde unverzüglich widersprochen 739• In einer Rede vor der zweiten Kammer des badischen Landtags schlug der Innenminister Ludwig Georg Winter die Aufhebung der Zünfte unter Beibehaltung des Lehr- und Wanderzwangs für alle Gewerbe und zusätzlich einer Prüfung für die Bau- und die mit Feuer umgehenden Gewerbe vor; bei den Bäckern, Metzgern, Seifensiedern und Lichterziehern sei die Ableistung von Lehr- und Wanderjahren sinnlos und daher durch die Anfertigung eines Probestücks zu ersetzen. 140 Die in dem Jahrzehnt nach der Revolution außerhalb der Kammer geführte Auseinandersetzung um die sinnvollste Strukturierung von Zukunftsperspektiven für das KIeingewerbe determinierte die Entscheidung der 1860 neugebildeten Regierung, die Effektivität der Zunftverfassung am Urteil der Betroffenen zu messen. 141 Die Ergebnisse der Umfrage verdeutlichten die Einsicht in den durch den wirtschaftlichen Wandel hervorgerufenen Anachronismus der überkommenen Gewerbeordnung. 142 Neben den befragten Handelskammern, 134
So aber F. Hugenschmidt, Vom Leben u. Sterben des alten Karlsruher WeberHw.s, S. 578.
135 W. Fischer, Ansätze zur Industrialisierung in Baden, S. 206; ders., Der Staat u. die Anfänge der Industrialisierung in Baden, S. 45 ff., 71. 736 Dazu S. Löttgen, Motive der badischen Gew.gesetzgebung, S.19 ff. Zum Kommissionsbericht Reuig vom Jahre 1845 W. Fischer, Staat u. Gesellschaft Badens, S. 158 ff.
m H. Sedatis, Liberalismus u Hw. in Südwestdeutschland, S. 62 ff. 738
K.S. Zachariä, Antrag auf unverzügliche Totalauthebung der Zünfte, S. 353 ff.
139
v. Roueck, Schutzrede für die Zunftverfassung, S. 363 ff.
140
L.G. Winter, Vorschlag von Uebergangsgesetzen, S. 346 f.
H. Sedatis, Liberalismus u. Hw. in Südwestdeutschland, S. 98 ff. Zum mit dem Regierungswechsel von 1860 einsetzenden Wandel L GaU, Der Liberalismus als regierende Partei, S. 114 ff. 141
142 Vgl. H. Sedatis, Liberalismus u. Hw. in Südwestdeutschland, S.I03 ff. Zur Lage des Hw.s in Baden zu Beginn der 60er Jahre F. Kistler, Die wirtschaftlichen u. sozialen Verhältnisse in Baden, S. 64 ff. Zum Niedergang eines Hw.szweigs vgl. F. Hugenschmidt, Vom Leben u. Sterben des alten
458
Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Gewerbevereinen, Stadt- und Landgemeinden, Bezirksämtern und Kreisregierungen erklärte sich auch die Mehrzahl der Gewerbetreibenden nicht nur gegen eine Reform des Zunftwesens und für die Einführung der Gewerbefreiheit, sondern sogar gegen die Beibehaltung der Kernelemente des handwerklichen Standesbewußtseins, nämlich Lehr- und Wanderzwang sowie Meisterprüfung. 743 Dieses Material bildete die Grundlage für den vom Handelsministerium am 5. März 1861 fertiggestellten Entwurf eines Gewerbegesetzes. Nach mehreren Überarbeitungen trat das neue Gewerbegesetz für das Großherzogtum Baden vom 20. Sept. 1862 am 15. akt. 1862 in Kraft. 744 Jedem badischen Staatsangehörigen stand es frei, an jedem Ort des Großherzogtums (Art 1) jedes Gewerbe in beliebigem Umfang zu betreiben (Art 2), sofern er die Aufnahme der Gewerbeausübung der Verwaltungsbehörde angezeigt hatte (Art 8). Die Zunftverfassung wurde aufgehoben (Art 26) und die Verbindungen von Gewerbetreibenden zur Förderung gemeinsamer gewerblicher Interessen als freie Vereine eingestuft, die mit der Bestätigung ihrer Satzungen durch die Regierung die Rechtsfähigkeit erlangten (Art 24). Um Versuche zur faktischen Durchsetzung eines Zunftzwangs kontrollieren zu können, mußten diejenigen Verbindungen, die von den Zünften die Aufgaben der Regulierung des Ausbildungswesens, der sozialen Unterstützung und der Schlichtung von Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern und ihren Hilfskräften übernommen hatten, ihre Satzung schriftlich fixieren und der Behörde vorlegen (Art. 25). Lediglich die gemeinsam mit Angehörigen der Nachbarstaaten gebildeten Zünfte waren nicht betroffen (Art 28).745 Die Bildung von Gewerbekammern zur Förderung gewerblicher Interessen konnte durch die Regierung veranlaßt werden (Art 29). Qualifdcationsvoraussetzungen wurden nicht aufgestellt 746 Die Dienst- und Lehrverträge konnten frei ausgehandelt werden (Art. 21), nur durfte die fachliche und sittliche Bildung der Hilfskräfte nicht vernachlässigt werden (Art. 22); Großbetriebe mit mehr als 20 Beschäftigten Karlsruher WeberHw.s, S. 567 ff. Systematische Sammlung der zu dieser Zeit geltenden Normen bei V. Leiblein, Die badischen Zunft-Gesetze, S. 1 Cf. 743 S. Löttgen, Motive der badischen Gew.gesetzgebung, S. 51 ff. Lediglich die rein zünftisch besetzten Amtsversammlungen stimmten mehrheitlich für die Beibehaltung der Meisterprüfung, S. Löttgen, l.c., S. 53. Gegen eine Einführung der Gew.freiheit in Baden etwa Anonymus, Die Gew.frage in Preußen, S. 17 ff. 744 GroßherzogIich Badisches Regierungsblatt 1862, S.409. Gliederung nach Stichworten bei L. Stempf, Das Gew.gesetz für das Großherzogthum Baden, S. 28 Cf. Zum Legislationsprozeß R. Goldmann, Die rechtlichen Grundlagen der badischen Gew.gesetzgebung, S. 79 ff. 745 Eine solche Internationalität bestand nur in zwei Fällen der flößerei und SchiCfabrt, R. Dietz, Die Gew. im Großherzogthum Baden, S. 270. 746 Es stand aber den gew.en Genossenschaften frei, als Aufnahmebedingung die Ablegung einer Prüfung vorzuschreiben, F. Kistler, Die wirtschaftlichen u. sozialen Verhältnisse in Baden, S. 115.
IV. Die einzel staatliche Gewerbegesetzgebung
459
hatten die Einzelheiten der Arbeitsmodalitäten in Dienstordnungen bekanntzumachen (Art 23). Bestimmte gefährliche und belästigende Gewerbebetriebe, die § 13 der Vollzugsverordnung zum Gewerbegesetz vom 24. Sept. 1862747 aufzählte, bedurften einer Zulassung durch die Verwaltungsbehörde (Art 10). Eine Reihe anderer Gewerbe blieb durch die Fortdauer älterer Bestimmungen konzessionspflichtig (Art 31).748 Eine weitere obrigkeitliche Eingriffsmöglichkeit bestand hinsichtlich der Preise der Produzenten und Verkäufer von Grundnahrungsmitteln sowie der Dienst- und Fuhrleute; ihre periodische Festsetzung und Bekanntmachung durch Anschlag konnte angewiesen oder sie konnten aus Gründen des öffentlichen Wohls polizeilich taxiert werden (Art. 19). Ergänzt wurde die selbst im Rahmen der gewerbefreiheitlichen Legislationswelle zu Beginn der 60er Jahre ausnehmend liberale 749 badische Gewerbegesetzgebung durch das Gesetz über Niederlassung und Aufenthalt vom 4. Okt. 18627sO• Wie in anderen Ländern nahm nach der Einführung der Gewerbefreiheit die Zahl der Selbständigen in den Massenhandwerken der Schneider, Schuhmacher und Tischler zunächst sprunghaft zu, während etwa die der Bäkker und Metzger nahezu konstant blieb. 7s1 Nach der Mitte des Jahrzehnts setzte sich dieser Trend nicht mehr fort, da die Mehrzahl der Neugründungen der Konkurrenzfahigkeit entbehrte. 7S2 Der Aufschwung der Industrie spielte bei der Begrenzung des handwerklichen Wachstums eine geringe Rolle, da spätestens seit den 40er Jahren Fabrikkonzessionen unter Fortfall des bis dahin geforderten Vermögens- und Fähigkeitsnachweises nahezu jedem Fall erteilt worden waren, so daß das Handwerk vor der Einführung der Gewerbefreiheit unter dem Druck der konzessionierten Großbetriebe bereits einen Anpassungsprozeß durchlaufen hatte. 753 S. Württemberg
Die beträchtliche Erweiterung Württembergs zwischen 1805 und 1810 erforderte zunächst die Durchsetzung eines moderner Staatlichkeit genügenden 747 748 749
Vgl. R. Dietz, Die Gew. im Großherzogthum Baden, S. 272.
7S0
Großherzoglieh Badisches Regierungsblau 1862, S. 445.
Großherzoglieh Badisches Regierungsblau 1862, S. 417. Vgl. HA. Mascher, Das Dt. Gew.wesen, S. 628.
7S1 H. Sedatis, Liberalismus u. Hw. in Südwestdeutschland, S.155. Für Preußen vgl. Kap. 4 111 1; für Bayern vgl. Kap. 4 IV 3b. 7S2
H. Sedatis, Liberalismus u. Hw. in Südwestdeutschland, S. 157.
7S3
F. Haverkamp, Staatliche Gew.förderung im Grossherzogtum Baden, S. 123 f., 253.
460
Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Verwaltungsgefiiges. Eine Refonn der Gewerbeverfassung sollte zunächst zurückstehen, weshalb die von König Friedrich I. schon 1811 avisierte Auflösung der Zünfte administrativ verhindert wurde. 7S4 So blieb es bei Einzelmaßnahmen wie der Aufhebung des Zunftzwangs in der Ubnnacherei und der Einführung von Wanderbüchem für die Gesellen. 755 Nach der Tbronbesteigung König Wilhelms im Jahre 1816 stand die Neuorganisation als Rechts- und Verfassungsstaat im Mittelpunkt des politischen GestaItens. 756 Die Vereinheitlichung und Fortentwicklung der Gewerbeverfassung konnte mit der Entwicklung nicht Schritt halten. 757 Sie erfolgte erst mit der Allgemeinen Gewerbe-Ordnung vom 22. Apr. 1828758, die weitergehend einen Prozeß der allmählichen Liberalisierung einleiten sollte759• Zünftig sollten nur noch diejenigen Gewerbe sein, die als solche in einem Katalog enumeriert wurden (Art. 10); alle anderen galten als unzünftig und konnten in der Regel frei betrieben werden (Art. 122). Durch diese Sistierung der zünftigen GeweIbe auf dem status quo, die möglicherweise als Vorbild rur den österreich ischen Circular-Entwurf gedient hat76O, war gesichert, daß sich die Weiterentwicklung des Gewerbewesens ungehindert von zünftischen Hemmnissen vollziehen konnte. Durch Art. 1 des Zusatzgesetzes 754
F.-F. Wauschkuhn, Staatliche Gew.politik, S.16.
VerO. vom 23./26.Jan. 1809. Sammlung der württembergischen Regierungs-Gesetze 4 Nr.l903: •... haben wir Uns bewogen gefunden, zu Belebung des Gewerbfleißes allergnädigst zu verordnen, daß bei der Uhrenmacherei ... aller Zunftzwang hiemit aulgdößt, und die Uhrenmacherei überhaupt als eine freie Kunst, deren Ausübung jedt!lll verbürgerten Unterthanen frei steht, unter der Bestimmung erkliirt seyn solle, daß jeder, der VOft diest!lll Gewerbszweig Gebrauch machen will, seiner Orts-Obrigkeit die Anzeige zu machen, und ein Patent zu lösen habe'. GeneralverO. vom 4. Juli 1809 Art. 1. I.c. Nr. 1944: 'Jeder wandertuk HandwerksgeseIl soll für die Zukunft mit eint!lll Wanderbuch versehen seyn, worinn die Zeugnisse über die Arbeitszeit, welche er an jedt!lll Ort zubringt, und über seine Aufführung einzutragen sind.' 755
756
B. Mann / G.F. Nüske, Wiirttemberg. S. 554 ff.
757
Eingehende Darstellung bei L Köhler. Das württembergische Gew.-Recht, S. 66 ff.
758 RB Wiirtt 1828. S.237. Text mit ergänzenden Regelungen: Zusammenstellung der Gesetze, Instructionen u. VerO.en über die allgemeine Gew.-O. im Königreich Würtemberg. Zu Vorgeschichte und Inhalt R. Moser. Der neueste Gesetzes-Entwurf über das wiirtembergische Gew.wesen. S. 238 ff. 759 Vgl. den Chef des bei der Ausarbeitung des Regierungsentwurfs federführenden Departements des Inneren, den Geheimen Rat von Schmidlin. in der Sitzung der Kammer der Abgeordneten vom 20.Dez. 1826. Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des Königreichs Würtemberg vom Jahr 1826. S. 337 (339) : Eine 'Krisis zu vermeiden, sie nicht bloß für den Augenblick, sOftdern sdbst für die vielleicht nicht mehr lernt! Zukunft zu verhüten, wo das alterthümliche Gebilde unserer Zünfte ... untergehen wird, ist einer du wichtigsten Zwecke des vorliegenden Gesetzes. ... Wir selbst betrachten die neue Ordnung ... als eine successive AnniihD1mg zur Gewerbe-Freiheit'. Zu dieser Intention des Gesetzes G. Stecher. Der Niedergang des ZunftHw.s der Stadt Ravensburg. S. 111. Insofern ging die Gew.O. im Gegensatz zur Auffassung W. Jungs, Der Gewerbsmann u. die gew.en Verhältnisse Württembergs, S.35. weit über eine bloße Sanktionierung der bereits eingetretenen Veränderungen hinaus. 760
Zur ÖSlerreichischen Entwicklung Kap. 4 IV 2.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegeset7gebung
461
zur Allgemeinen Gewerbe-Ordnung vom 22 Apr. 1828761 wurde sogar die Zünftigkeit von 13 Gewerben ausdrücklich beseitigt Unabhängig von der Einstufung als zünftiges oder unzünftiges Gewerbe war die geplante Aufnahme eines Gewerbebetriebs dem ersten Ortsvorsteher der betreffenden Gemeinde anzuzeigen (Art. 2). Die Erlangung des Gewerberechts durfte allein von der Erfüllung der gesetzlich statuierten Bedingungen abhängig gemacht werden (Art. 3). Über die Aufnahme in das Meisterrecht entschied selbst in zünftigen Gewerben die Obrigkeit (Art 50), was eine Annäherung an das bayerische Konzessionssystem bedeutete762. Der bayerischen Regelung ähnlich ist auch die Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens in den zünftigen Gewerben vor einer aus dem Obmann der Zunft, zwei Zunftmeistern, zwei vom Bezirksamt ernannten Mitgliedern und einem von dem Prüfling ausgewählten Meister bestehenden Prüfungskommission (Art. 49). Der Nachweis der Befahigung konnte entweder durch die Vorlage von Zeugnissen über eine ununterbrochene, mindestens siebenjährige Lehrund Gesellenzeit oder die Ablegung einer Meisterprobe geführt werden (Art. 46, 47). Sah die Kommission die Voraussetzungen der ersten Variante nicht als erfüllt an, so blieb der Übergang zur zweiten Möglichkeit offen. 763 Obligatorisch war die Absolvierung einer Meisterprüfung für die Zimmerleute, Steinhauer, Maurer, Ipser, Schreiner, Schlosser, Glaser, Färber, Gerber, Goldund Silberarbeiter sowie die Hufschmiede. 764 Die Prüfung gliederte sich in einen mündlichen, einen schriftlichen und einen praktischen Teil. 76!5 Den gleichen Grundsätzen folgte der Befahigungsnachweis für die Kaufleute (Art. 109), wobei die Betreiber von Materialhandlungen oder ihre Werkführer zusätzlich einer besonderen wissenschaftlichen Prüfung durch den Oberamtsarzt unterzogen wurden766• Von den unzünftigen Gewerbetreibenden hatten neben anderen767 beispielsweise die Getreidemüller und Schiffer ihre oder die Befahigung ihres Werkführers nachzuweisen, indem eine wenigstens siebenjährige Vor-
761
RB Württ 1828, S. 288.
762
Zum in Bayern 1825 geschaffenen Rechtszustand Kap. 4 IV 3a.
763
Instruktion, die Anwendung der allgemeinen Gew.-O. betreffend, vom 12. Jan. 1830 § 37, RB
764
Instruktion, die Anwendung der allgemeinen Gew.-O. betreffend, vom 12. Jan. 1830 § 28, RB
Württ 1830, S. 38. WUrtt 1830, S. 38.
765 Instruktion, die Anwendung der allgemeinen Gew.-O. betreffend, vom 12. Jan. 1830 § 39, RB Württ 1830, S. 38. 766
Instruktion, die Anwendung der allgemeinen Gew.-O. betreffend, vom 12. Jan. 1830 § 51, RB
767
Vgl. L. Köhler, Das württembergische Gew.-Recht, S.131.
WUrtt 1830, S. 38.
462
Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
übungszeit belegt oder eine Prüfung durchlaufen wurde 768• Kaminfeger mußten mindestens drei Jahre in ihrem Gewerbe gearbeitet haben oder eine Prüfung bestehen. 7(1} Das erlangte Meisterrecht galt einheitlich in ganz Württemberg (Art. 53). Lediglich bei den Maurern, Steinhauern und Zimmerleuten wurde in ein Meisterrecht erster und ein solches zweiter Klasse unterschieden, wobei das erstere "nur demjenigen ... Meisterrechts-Bewerber ertheüt (wurde~ der durch die vorgenommene Prüfung sich als besonders befähigt erprobt hat, für größere Bauwesen, Riß und Ueberschlag zu bearbeiten, und ... (die) Ertheüung eines solchen Meiste"echts erster Klasse ... in dem Niederlassungs-Bezirke des Meisters zur öffentlichen Kenntniß gebracht" werden mußte. 770 Die Unterteilung in Maurer und Steinhauer wurde allerdings aufgehoben und beide Gewerbe zu einem einzigen vereinigt, dessen Meisterrecht auch auf das weiterhin selbständige Gewerbe der Ipser ausgedehnt werden konnte. 771 Von der durch Art. 11 eröffneten Möglichkeit, die grundsätzlich fortgeltende Abgrenzung der Gewerbebefugnisse durch die Zunftordnungen im Wege der Gesetzgebung zu ändern, wurde in nicht unerheblichem Umfang Gebrauch gemacht Hatten bereits die §§ 5 ff. der Verordnung, die Abgrenzung der zünftigen Gewerbe betreffend, vom 20. Feb. 1830772 neben den genannten Bauhandwerken noch die Bortenwirker mit den Knopfmachern, die Flaschner und die Spengler mit den Kupferschmieden, die Huf- mit den Waffenschmieden sowie die Küfer mit den Küblern vereinigt, so wurde der Kreis der zusammengefaßten Gewerbe durch § 1 der Verfügung, betreffend die Vereinigung mehrerer bisher getrennter zünftiger Gewerbe, vom 21. Sept. 1854773 beträchtlich erweitert Die Vereinigungen von Gürtlern und Zinngießern oder Kürschnern und Schneidern könnten als Vorbild für die bayerische Reform von 1862 gedient haben774• Andere Beschränkungen der Gewerbetätigkeit wie die Begrenzung auf ein bestimmtes Absatzgebiet (Art. 54, 60, 61, 128) oder die Limitierung der Betriebsgröße und der Mitarbeiterzabl (Art. 55-59) wurden beseitigt.
768 Instruktion für die Anwendung der allgemeinen Gew.O. vom 6.luni 1828 § 2S, RB Würlt 1828, S. 431. 769 Instruktion, die Anwendung der allgemeinen Gew.-O. betreffend, vom 12.lan. 1830 §§ S6 ff., RB Württ 1830, S. 38. 770 Instruktion, die Anwendung der allgemeinen Gew.-O. betreffend, vom 12. lan. 1830 § 44, RB Würlt 1830, S. 38. 771 Verfügung, die Abgrenzung der zünftigen Gew. betreffend, vom 20. Feb. 1830 § 8, RB Württ 1830, S. 117.
772
RB WürIt 1830, S.117.
773
RB Würlt 1854, S. 86.
774
Vgl. Kap. 4 IV 3b.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
463
Die mit dem Beitrittszwang ausgestattete Zunft (Art. 70) überwachte in einer ihrer Hauptfunktionen (Art. 76) das Lehrwesen. 775 Eine bedeutende Abweichung von den Grundsätzen einer zünftisch geordneten Ausbildung lag jedoch darin, daß die Lehrzeit nur noch subsidiär von der jeweiligen Handwerksordnung, zunächst aber allein durch den Lehrvertrag festgesetzt wurde (Art. 14).776 Der Erfolg der Ausbildung konnte nur durch die am Ende der Lehrzeit vor zwei grundsätzlich dem Zunftvorstand angehörenden Sachverständigen777 abzulegende Gesellenprüfung kontrolliert werden (Art. 26). Hier zeigt sich ebenfalls die Tendenz, das Lehrverhältnis einem bloßen Privatkontrakt anzunähern, wenn anders als im territorialen Gewerberecht des 17. /18.Jbs. an das Nichtbestehen der Prüfung nicht automatisch die Folge der Haftung des Lehrherrn geknüpft wurde, sondern man "Streitigkeiten zwischen dem Lehrmeister und Lehrling über die Wirkung eines abweisenden Prüfungs-Urtheils auf ihr gegenseitiges Verhältniß" einer gesonderten Entscheidung zuwies 778. Im Vordergrund stand nunmehr die Feststellung der Qualifikation als Geselle, zu welchem Zweck der Prüfling mündlich oder schriftlich zu examinieren war, kleinere Arbeiten und gegebenenfalls Zeichnungen während der Prüfung auszuführen und in Ausnahmefällen höchstens ein gewerbetypisches Produkt in zwei bis drei Tagen herzustellen hatte. 779 Vom Prüfungszwang ausgenommen waren die Lehrlinge der Kaufleute sowie bestimmter seltener Gewerbe, bei denen schon zur Durchführung des Prüfungsverfahrens nicht genügend Personal vorhanden war; des weiteren befreit waren diejenigen Lehrlinge, die bereits vor dem Eintritt in die Lehre das 18. Lebensjahr vollendet oder eine zweijährige wissen775 Instruktion, die Anwendung der allgemeinen Gew.-O. betreffend, vom 12. Jan. 1830 § 10, RB Württ 1830, S. 38: "Da in der zweckmäßigen Anwendung der Lehrzeit die wesentliche Grundlage der Gewerbe-Bildung beskht, deren Förderung ... unter die Hauptzwecke der Zunft-Einrichtung zählt, so hat jeder Zunft-Verein und der denselben verlretenJe Zunft-Vorstand die Verpflichtung, nach bestem WISsen und Gewissen zu sorgen, daß die den Meistem des VereillS anvertrauten Lehrlinge einen sorgfältigen, gewissenhaften und möglichst vollständigen Unte"icht in dem Gewerbe erhalten. Zu dem Ende haben die Zunft-VorstehD- von Jen Fortschritten der Lehrlinge von Zeit zu Zeit Kenntniß zu nehmen". Zur Zunftorganisation unter der Allgemeinen Gew.O. von 1828 G.H. Raiser, Die Zünfte in Wiirttemberg, S. 202 ff. 776 Die Abkehr von zünftischen Prinzipien verkennen L Köhler, Das württcmbergische Gew.Recht, S. 120; G.H. Raiser, Die Zünfte in Württcmberg, S. 223. Zur Bedeutung der Lehrzeitregelung im zünftisch geordneten Qualiflkationsweg Kap. 2 III lc. 777 Instruktion, die Anwendung der allgemeinen Gew.-O. betreffend, vom 12. Jan. 1830 § 12, RB Württ 1830, S. 38.
778 Instruktion, die Anwendung der allgemeinen Gew.-O. betreffend, vom 12. Jan. 1830 § 19, RB Württ 1830, S. 38. Zur Funktion der Gesellenprüfung im 17. !l8Jh. Kap. 3 III 3. 779 Instruktion, die Anwendung der allgemeinen Gew.-O. betreffend, vom 12. Jan. 1830 § 14, RB Württ 1830, S.38: "Der unmittellHrre ZwecIc dieser Prüfung ist, zu erforschen, ob der bisherige Lehrling Jen für einen tüchtigen Arbeits-Gehülfen (Gesellen) erforderlichen Grad VOll Kennlniß des Gewerbes und von Fertigkeit in den Arbeits-Verrichtungen desselben besitze. "
464
Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
schaftliehe Ausbildung genossen hatten. 780 Deutlich modifIziert wurde der Qualifikationsgang auch durch den Verzicht auf die Pflichtwanderschaft. 781 Schon in der Konzeption der Gewerbeordnung von 1828 als Schritt zur Gewerbefreiheit unter Implementation retardierender Elemente war ihre Stellung als Objekt gewünschter Modifikationen von seiten gewerbefreiheitlicher wie traditionalistischer Ansätze angelegt 782 Doch brachte die Revidierte allgemeine Gewerbeordnung vom 5. Aug. 1836783 samt Vollzugsinstruktion vom 12.0kt. 1837784 für die hier zu behandelnden Belange keine wesentliche Änderung. 785 Bemerkt werden soll lediglich, daß bei den Maurern, Steinhauern und Zimmerleuten nun drei Stufen des Meisterrechts unterschieden wurden, wobei etwa bei der Besetzung von Stellen in der Prüfungskommission die Meister erster Stufe bevorzugt werden sollten, die Meister dritter Stufe dagegen hiervon wie vom Amt eine Zunftvorstehers und von der Ausbildung zünftiger Lehrlinge ausgeschlossen waren. 786 Neue Ausführungsvorschriften ergingen unter dem 20. März 1851 787, die neben der Förderung der sittlichen und fachlichen Vervollkommnung der Lehrlinge (§§ 19, 20) sich insbesondere die Erweiterung des Kreises derjenigen zünftigen Gewerbe, bei denen die Absolvierung einer Meisterprüfung nicht durch Zeugnisse ersetzt werden konnte, um die Büchsenmacher, Drechsler, Flaschner und Spengler sowie Kupferschmiede, Gürtler, Hafner, Hutmacher,
780 Instruktion, die Anwendung der allgemeinen Gew.-O. betreffend, vom 12. Jan. 1830 § 11, RB Württ 1830 S. 38. 781
Vgl. G.H. Raiser, Die Zünfte in WÜrtlemberg, S. 230.
782 Vgl. als zeitgenössischen Kritiker C.L. Wolbach, Die Uebersiedlungs- u. Gew.-Freiheit zunächst in Württemberg, S.35 ff. Weiterhin P. Gehring, Das Wirtschaftsleben in Würtlemberg, S.222 f.; L. Köhler, Das würtlembergische Gew.-Recht, S. 145 ff.; H. Sedatis, Liberalismus u. Hw. in Südwestdeutschland, S.70 ff.; G. Seybold, Württembergs Industrie, S. 153 ff. Zur Lage und Verbesserung der kaum geregelten Manufaktur-Industrie M. Mohl, Ueber die württembergische Gewerbs-Industrie, S. 1 ff. Zur wirtschaftlichen Lage mit Blick auf den Außenhandel F. C. Fulda, Ueber die Gewerbsverhältnisse im Königreiche Würtemberg, S. 97 ff. 783
RB WÜrtl1836, S. 385.
Instruktion zur Vollziehung der revidierten allgemeinen Gew.-O. vom 12.0kt. 1837, RB WÜrtl1837, S. 485. Systematische Zusammenstellung der Vorschriften bei L.F. Hezel, Uebersicht der die Gew. betreffenden Gesetze §§ 1 ff.; als Textsammlung vgl. Revidirte allgemeine Gew.-O. für das Königreich Würtlemberg. 784
78S L. Köhler, Das württembergische Gew.-Recht, S. 151 ff.; A. Schäme, Die Gew.gesetze Oesterreichs u. der Coalitionsstaaten, S.117.
786 Instruktion zur Vollziehung der revidierten allgemeinen Gew.-O. vom 12. Okt.1837 §§ 63 ff., RB Württ 1837, S. 485. 787 Revidierte Instruktion zur Vollziehung der allgemeinen Gew.-O. vom 20. März 1851, RB Württ 1851, S. 53.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegeset:lgebung
465
Kübler und Küfer, Sattler, Schneider, Schuster, Schwertfeger und Messerschmiede, Seifensieder, Seiler, Wagner sowie Zinngießer auf insgesamt 26 Gruppen von Handwerken (§ 49) angelegen sein ließen. Neben diesem Tribut an die Handwerkerbewegung 788 stand allerdings die Einfügung einer Klausel, die für im Zuge der technologischen Entwicklung verselbständigte Abspaltungen von Handwerken die Verleihung von beschränkten Meisterrechten gestattete (§ 50 Nr.3). In den unzünftigen Gewerben wurde ein Befähigungsnachweis gefordert bei den Apothekern, Barbieren, Hebammen, Feldmessern, Getreidemüllern, Schiffern, Kunstfärbern, Zieglern und Schieferdeckern (§§ 96 ff.)789. Die bloße Modifikation der Vollzugsinstruktion konnte jedoch nur ein Mittel zur Überdeckung der dringendsten Probleme sein, nicht aber das langfristige Anliegen der Regierung befördern, "eine Revision der Prinzipien der GewerbeOrdnung in der Richtung einzuleiten ..., dass der Zunftzwang aufgehoben, der Beginn und Betrieb eines Gewerbes im allgemeinen jedem ... freigestellt ... werde"790. Insbesondere die 1848 zur Pflege des Handels und Gewerbes instruierte Zentralstelle für Gewerbe und Handel wurde in den 50er Jahren zum Motor der Gewerbefreiheil 791 Auch in der Öffentlichkeit wuchs die Kritik am bestehenden Rechtszustand. 792 Gefordert wurde vornehmlich eine Aufrechterhaltung der Zunft als Integrationskörper für die Gewerbetreibenden unter gleichzeitiger Abschaffung der Meisterprüfungen; lediglich für bestimmte gefährliche Gewerbe wie die Bauhandwerke und die Büchsenmacher sowie zur Lehrlingsausbildung sollte ein Befähigungsnachweis verlangt werden. 793
788
Zu ihr Kap. 4 III 2b.
789 Der Befähigungsnachweis für die Ziegler wurde durch eine Verfügung vom 15. Okt. 1860, RB
Württ 1860, S. 78, beseitigt.
790 Erlaß des Innenministeriums vom 22. Dez. 1846, L. Köhler, Das württembergische Gew.Recht, S. 218.
791 Zur Gründung und latigkeit der Zentralstelle vgl. Hundert Jahre staatliche Gew.förderung in Württemberg, S.18 Cf.; H. Schäffer, Die württembergische Gew.inspektion, S.16 Cf.; L. Vischer, Die industrielle Entwicklung in1 Königreich Württemberg, S. 14 ff. Zur agitatorischen Öffentlichkeitsarbeit H. Sedatis, Liberalismus u. Hw. in Südwestdeutschland, S.109 ff. Zur Gew.förderung in Württemberg allgemein A. Mirus, Ueber Gew.förderung u. Gewerbsthätigkeit in1 Königreich Württemberg, pass.
792 Zu den für die einzelnen Gew. geltenden Vorschriften C. Billich, Das Württembergische Gew.-Recht, S. 179 ff. 793 Vgl. Anonymus, Ueber die Reform der Gew.verfassung Württembergs, S. 228 Cf.; Anonymus, Zunftzwang oder Gew.freiheit. Mit besonderer Beziehung auf Württemberg, S. 54 Cf.; I.v. Sautter, Gesichtspunkte für eine Reform der Gew.verfassung Würnembergs, S. 10 Cf., 25 f.; C. Freiherr v. Vambüler, Ueher das Bedürfniß einer Neuen Gew.gesetzgebung in Württemberg, S. 36.
466
Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Die Gewerbeordnung vom 12. Feb. 1862794 hob alle Zünfte auf (Art. 58) und machte den selbständigen Betrieb eines Gewerbes weder von einer gewerbepolizeilichen Ermächtigung noch vom Nachweis der Befahigung, sondern allein vom Erreichen der Volljährigkeit bzw. einem diesbezüglichen Dispens abhängig (Art 2). Jeder konnte sein Gewerbe an jedem Ort in beliebiger Form und Ausdehnung ausüben (Art. 3, 10). Aufgenommen werden durfte der Gewerbebetrieb erst nach einer Anzeige an die zuständige Behörde (Art. 4). Der Konzessionierung unterlagen die Errichtung von Apotheken, Schiffahrts- und Preßgewerben (Art. 11); einen Befahigungsnachweis hatten nur die Apotheker zu führen (Art 14). In Notfallen und aus Gründen des öffentlichen Wohls konnten die Gewerbetreibenden zur Arbeit und zum Verkauf angewiesen sowie die Preise polizeilich festgesetzt werden (Art 9). Emittierende Anlagen wurden nicht präventiv, sondern nur repressiv kontrolliert (Art. 7). Zur Annahme von Lehrlingen und Gesellen war jeder Gewerbetreibende befugt, wobei sich das gegenseitige Verhältnis nach den getroffenen Abreden bemaß (Art. 18, 20, 30). Sofern nichts anderes bestimmt war, richtete sich die Lehrzeit einschließlich einer vierwöchigen Probezeit nach dem in dem betreffenden Gewerbe üblichen Gebrauch (Art 20).795 Im Interesse der Ausbildung galten für den Lehrling besondere Schutzvorschriften (Art 20 ff.), zu welchem Zweck Art. 17 eine Legaldefmition des Lehrlings als eine "in minderjährigem Alter bei einem Gewerbetreibenden zur Erlernung eines Gewerbes in Verwendung" tretende Person enthielt Wie in ÖSterreich mußten Fabriken mit mehr als 20 Arbeitern eine allgemeinverbindliche Dienstordnung besitzen (Art. 41).196 Die Folgen der Einführung der Gewerbefreiheit unterschieden sich kaum von der für Baden gezeichneten Entwicklung. 791 6. Hannover
Nach der Rekonstituierung des hannoverschen Staates im Jahre 1813 stand die Entwicklung des Gewerberechts hinter der administrativen Integration
794 795
RB Württ 1862, S. 67. Text auch in: Neue Gew.O. für das Königreich Württemberg.
Nach W. F. Keller, Gesetz über die am 1. Mai 1862 ins Leben getretene Gew.-Freiheit, S.19, konnte auch die die Einrechnung der Probe- in die Lehrzeit anordnende Bestimmung abbedungen werden. 196 Zu Österreich Kap. 4 IV 2. Zu den für die Fabrikarbeiter geltenden Vorschriften G. Strobel, Zum Fabrikarbeitsvertrag in Deutschland, S. 96 ff. 791 Vgl. H. Sedatis, Liberalismus u. Hw. in Südwestdeutschland, S. 151 ff. Zur Entwicklung in Baden Kap. 4 IV 4. Zur Statistik des württembergischen Gew.wesens zwischen 1829 und 1861 L. Köhler, Das württembergische Gew.-Rccht, S. 182 ff.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
467
deutlich zurück. 798 Während in den zum Königreich Westfalen gehörenden Gebieten Hannovers 1808/09 unter Auflösung der Zünfte das französische Patentsteuersystem eingeführt worden war,799 bestanden in den erst 1810 Westfalen bzw. Frankreich zugeschlagenen Landesteilen die Zünfte trotz der Übernahme des französischen Gewerberechts fort. 800 Die Rückkehr zu den überkommenen Gewerbestrukturen erschien selbstverständlich. Durch Bekanntmachungen vom 12. Mai 1817 für das Fürstentum Hildesheim801, vom 21. Apr. 1817 für das Fürstentum Osnabrück802 und vom 11. Aug. 1819 für das Fürstentum Ostfriesland803 wurden die Zünfte wiederhergestellt. Da die hierbei vorgenommene Ausgestaltung des Gewerbewesens mit Zunft- und Lehrzwang, Gesellenprüfung, Wanderpflicht und Anfertigung eines Meisterstücks der Formung im territorialen Gewerberecht des 18. Jahrhunderts weitgehend entsprach, kann auf ihre nähere Beschreibung verzichtet werden. 804 Die Befolgung des Wanderzwangs wurde besonders gewichtet. 805 Entgegen der Auffassung Jeschkes806 blieb die Ausbildung der unzünftigen Gewerbetreibenden durchaus nicht unberücksichtigt. Vielmehr ordnete etwa eine Bekanntmachung für Aurich vom 4. Aug. 1837 an, daß die zunftmäßige ErIemung eines Gewerbes grundsätzlich Voraussetzung für dessen selbständige Ausübung in welcher rechtlichen Gestalt auch immer war. 807 Lediglich die Freigabe der Mitarbeiter-
798
Zum Aufbau der Verwaltung in Hannover T. Klein, Königreich Hannover, S. 682 ff.
199
Vgl. Kap. 4 IV 1; zur französischen Regelung Kap. 41.
800 J. Jeschke, Gew.recht u. Hw.swirtschaft des Königreichs Hannover, S. 29 ff.; vgl. H. Specht, Geschichte des Hw.s in der Grafschaft Bentheim, S. 265 ff.
801 Sammlung der Hannoverschen LandesverO.en u. Ausschreiben des Jahres 1817, S. 141. 802 Sammlung der Hannoverschen LandesverO.en u. Ausschreiben des Jahres 1817, S. 219; dazu L. Hoffmeyer, Geschichte des Hw.s im Fürstentum Osnabrück, S.57 ff. 803 GS Hann 1819 Abt. 3, S. 139; dazu und zur weiteren Entwicklung in Ostfriesland O. Aden, Entwicklung u. WechseIlagen ausgewählter Gew. in Ostfriesland, S. 85 ff.; B. van Oterendorp, Das Hw. im Wirtschaftsleben Ostfrieslands, S. 86 Cf. Diese Bekanntmachung wird von J. Jeschke, Gew.recht u. Hw.swirtschaft des Königreichs Hannover, S. 31 Cf., übersehen. 804 Im einzelnen J. Jeschke, Gew.recht u. Hw.swirtschaft des Königreichs Hannover, S. 41 Cf.; zur Verfassung des Hw.s im 18. Jh. Kap. 3 III.
805 Vgl. die Bekanntmachung vom 16. Feb. 1820, GS Hann 1820 Abt. 3, S. 32. Zum Wandern der Gesellen in Hannover S. Müller, Gesellenwandern in der ersten Hälfte des 19. Jhs., S. 77 ff. 806
J. Jeschke, Gew.recht u. Hw.swirtschaft des Königreichs Hannover, S. 168 f.
Kamptz' Ann. 21 (1837), 4, S. 1155: Es wird bestimmt, "daß zu der vollstandigen Qualifikation eilUlS jeden Handwerkers ohne Ausnahme, nicht nur behu{s Aufnahme in die Zunft, sondern auch behufs Erlangung der KOtIZession oder obriglceitlichen Erlaubniß zu Betreibung eines Gewerbes an einem Zunftorte oder auf dem platten Lande, es möge sich in dem betreffenden obriglceitlichen Bezirke eine Zunft befinden oder nicht, das zunftmäßige Erlemen des Gewerbes und Beibringung eines zünftigen Lehrbriefes nothwendig erfordert wird". 807
468
Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gcwerbeordnung für den Norddtsch. Bund
zahl gewährte eine Möglichkeit zur Überwindung zünftisch gesetzter Grenzen. 80S Der wirtschaftliche Aufschwung im Königreich seit dem Beginn der 30er Jahre veranlaßte die Regierung, in einem Postscript vom 7. März 1831 die allmähliche Beseitigung aller Hemmnisse der Gewerbetätigkeit in Aussicht zu stellen. 809 Ein 1830 vorgelegter Regierungsentwurf zur Vereinheitlichung des Gewetberechts wurde wegen der zahlreich aufgetretenen Widerstände nicht weiterverfolgl 810 Die öffentliche Diskussion jedoch hielt die Frage der Gewerbeverfassung aktuell. Während etwa Salomon Philip Gans die Zünfte grundsätzlich, mehr noch aber ihre Verbindung mit einem Konzessionssystem für hinderlich hielt,811 plädierte August Petersen gegen eine völlige Gewerbefreiheit und für die staatliche Erteüung der Gewerbeberechtigung unter Beibehaltung der Zünfte als freier Vereine, wobei neben den Befähigungsnachweis in der traditionellen Stufung - allerdings unter Verzicht auf die Ptlichtwanderschaft - die Berücksichtigung der Interessen des Staates und der etablierten Meister vor der Konzessionserteüung treten sollte 812• Erst im Jahre 1844 hatte die Regierung einen neuen Entwurf eratbeitet, der im Februar 1846 den Ständen zugeleitet wurde und nach unbedeutenden Änderungen am 1. Aug. 1847 als Gewerbe-Ordnung für das Königreich Hannover erlassen wurde. 813 Deren Grundlagen ruhten in dem Versuch, den bestehenden Rechtszustand durch Anpassung an die gewandelten Zeitumstände zu konservieren, gleichzeitig aber das Gewerberecht zu vereinheitlichen. 814 Eine Ent80S
Vgl. M. Jänecke, Die Gcw.-Politik des ehemaligen Königreichs Hannover, S. 9.
809 M. Jänecke, Die Gcw.-Politik des ehemaligen Königreichs Hannover, S.23; zur wirtschaftlichen Entwicklung und der Lage des Gcw.s seit den 30er Jahren H. Banneyer, Gew.&eiheit oder Zunftbindung?, S. 235 ff.; G.v. Gülich, Noch ein Wort über Handel u. Gcw. des Königreichs Hannover, S.12 Cf.; G.W. Marcard, Zur Beurtheilung des National-Wohlstandes, S. 99 Cf.; H. Schröter, Handel, Gew. u. Industrie im Landdrosteibezirk Osnabriick, S. 309 Cf.
810 811
J.leschke, Gcw.recht u. Hw.swirtschaft des Königreichs Hannover, S. 35 f.
812
A. Peterscn, Beantwortung der jetzt wichtigen Frage, S. 110 Cf., 129 Cf.
S.P. Gans, Ueber die Verarmung der Städte, S.15 Cf. Bereits 1821 hatte ein Anonymus, Uebcr die Authebung der Zünfte u. Innungen im Hannoverschen, S. sm, die Abschaffung jedenfalls des Zunftdistriktsbanns vorgeschlagen. 813 GS Hann 1847 Abt. I, S. 215; auch in: Die Gcw.-O. für das Königreich Hannover, S. 1 Cf. Zur Entstehung H. Banneyer, Gcw.&eiheit oder Zunftbindung?, S. 238 Cf.; J. Jeschke, Gew.recht u. Hw.swirtschaft des Königreichs Hannover, S.36 f. Die Regierung in Ostmesland hatte sich gegen den Entwurf ausgesprochen und die Einführung der Gcw.&eiheit zumindest für Ost&iesland gefordert, B. van Oterendorp, Das Hw. im Wirtschaftsleben Ostmeslands, S. 96 Cf. 814 Begründung des Regierungsentwurfs, Acten-Stücke der achten allgemeinen Stände-Versammlung des Königreichs Hannover, S.341 (344f.): "Der erste Grundsatz ... ist der: daß das Gesetz auf dem jetzt geltenden Rechte ruhoJ müsse. ••• Ein zweiter Grundsatz ... ist der: das Veraltete, den Bedürfnissen der Gegenwart nicht mehr Entsprechende auszuscheiden. ... Ein ferneres Ziel ist
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
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scheidung zwischen Zunftzwang und Gewerbefreiheit stand unter diesen Maßgaben nicht zu erwarten. Die Zünfte und ihre Zwangsrechte wurden auf dem status quo festgeschrieben (§ 60)81S; neue Zünfte konnten errichtet werden, jedoch nur ohne Zunftzwang (§ 76). Die Aufgaben der unter der Aufsicht eines obrigkeitlichen Obmannes (§§ 80,81) stehenden Zunft wurden auf die Bereiche der Ausbildung, Erziehung und sozialen Unterstützung festgelegt 816 Maßnahmen zur Existenzsicherung des Handwerks wie der Schutz gegen die Konkurrenz der Industrie erschienen nicht nur erfolglos,817 sondern wurden wie die Preisvereinbarungen sogar verboten (§ 17). Trotz der Berücksichtigung von Zweifeln an der Zeitgemäßheit des zünftischen Ausbildungsgangs schienen dessen Vorteile zu überwiegen. 818 Die Absolvierung einer zünftigen Lehre sowie der Gesellenund Wanderjahre war Voraussetzung für die Erlangung des zünftigen Meisterrechts (§ 163). Der in die je nach Regelung durch die Zunft drei bis fünf Jahre dauernde Lehre (§ 105) aufzunehmende Lehrling mußte seine Schulzeit zurückgelegt haben und des Lesens, Schreibens und Rechnens kundig sein (§ 102). Die Lehrzeit konnte beim Bestehen der obligatorischen Gesellenprüdrittens gewesen: Gleichmäßigkeit in den GrunJsätzen für das ganze Königreich. " Vgl. weiterhin Anonymus, Erörterungen zur Hannoverschen Gew.-O., S. 25 Cf.; M. Jänec1ce, Die Gew.-Politik des ehemaligen Königreichs Hannover, S. 28 Cf.; J. Jeschke, Gew.recht u. Hw.swirtschaft des Königreichs Hannover, S. 41 Cf.; A. Winter, Die Hannoversche Gew.O., S. 65 ff.
81S Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs, Acten-Stücke der achten allgemeinen StändeVersammlung des Königreichs Hannover, S.341 (349): "Die Gewerbe-Verfassung im Königreiche ruht gegenwärtig wesentlich auf den Zünften. Nach dem oben hervorgehobenen Hauptgrundsatze: daß das Gesetz sich auf das Bestehende stützen solle, kann es nicht zweifelhaft sein, daß die Zünfte aufrecht zu erhalten seien. " 816 Regierungsentwurf § 63, Acten-Stücke der achten allgemeinen Stände-Versammlung des Königreichs Hannover, S.308 (311): "Die Zünfte sind bestimmt: zur Erleichterung und Leitung der Ausbildung im Gewerbe; zur Oberwachung des VerhalIens der Zunftgenossen und der jüngeren Zunftangehörigen (Lehrlinge und Gesellen); zur Unterstützung bedürftiger Zunftgenossen, ihrer Witwen und Waisen". 817 Begründung des Regierungsentwurfs, Acten-Stücke der achten allgemeinen Stände-V ersammlung des Königreichs Hannover, S.341 (350): "Das natürliche Obergewicht des großen Capitals und der Maschinen kann hier dauemtl nicht durch künstliches Gegengewicht aufgehalten werden. Es würde /lUch nicht blos erfolglos, sondern auch verwerflich sein, bei solchen Gewerben, welche aus innern Gründen, namentlich wegen der nothwendigen Anwendung umfassender mechanischer Kräfte, eine entschietlene Richtung auf fabrikmäßigen Betrieb haben, diesem entgegenwirken zu wollen. " 818 Begründung des Regierungsentwurfs, Acten-Stücke der achten allgemeinen Stände-VersammlUDg des Königreichs Hannover, S. 341 (350): "Zwar mag es sein, daß einige der ... Vorschriften über Lehre-, Gesellen- und Wanderjahre, sowie über Meisterprüfung belästigen, beengen und dadurch schaden können. Allein alle menschlichen Einrichtungen haben ihre Unvollkommenheiten, und daß jene Zwecke gar nicht e"eicht werden, oder daß die Nachtheile, welche ihre Mittel begleiten, die Erfolge überwiegen - worauf es bei der Frage über den Nutzen der Zünfte denn doch anlcammen würde - läßt sich wohl nicht behaupten. "
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
fung abgekürzt werden (§§ 127, 128). Letztere bestand in der Anfertigung eines Gesellenstücks unter Aufsicht eines Meisters aus Materialien des Lehrherrn, wofür diesem das Recht an der Probearbeit zustand. 819 Von den fünf vorgeschriebenen Gesellenjahren mußte der Geselle zumindest zwei Jahre gewandert sein und dabei wenigstens in zwei größeren oder in handwerklich besonders leistungsfähigen kleineren Städten gearbeitet haben (§§ 136, 137). GeseIIenverbindungen blieben verboten (§ 131), das Gesellenzölibat wurde aufrechterhalten (§ 134). Eine Beschränkung der Zahl der Hilfskräfte bestand zwar nicht, jedoch konnte ein Meister erst nach Befriedigung des Bedarfs der übrigen Zunftgenossen weitere Gesellen erhalten. 820 Streitigkeiten zwischen Meistem und ihren Lehrlingen und Gesellen wurden erst nach einem vergeblichen Schlichtungsversuch durch die Zunft vor die Gerichte gezogen (§ 10). Der Aufnahme in die Zunft vorauszugehen hatte eine Meisterprüfung
(§ 166) durch Anfertigung eines Meisterstücks, das von den drei bis fünf
Schaumeistem nach Stimmenmehrheit beurteilt wurde 821• Ein besonderer Fähigkeitsnachweis galt für Maurer, Zimmerer, Dachdecker, Mühlenbauer und Ofensetzer (§ 36). Wollten sie das Zunftrecht erwerben, so war zu den Schaumeistem ein geeigneter Baubeamter zuzuziehen; er hatte ein Vetorecht gegen das Mehrheitsvotum der Schaumeister, in weIchem Falle die Entscheidung der Obrigkeit oblag. 822 Zu dem Meisterstück hatten die Bauhandwerker noch eine Arbeit im Modell anzufertigen sowie sich einer mündlichen Prüfung zu unterziehen. 823 Unzünftige Bauhandwerker wurden durch einen Baubeamten und einige sachkundige Handwerker im gleichen Sinne geprüft, wobei an die Stelle des Meisterstücks eine vergleichbare Aufgabe trat. 824 Die für dem Fähigkeitsnachweis unterliegende unzünftige Gewerbetreibende generell eröffnete Möglichkeit, die Ablegung der Prüfung durch die Vorlage von Zeugnissen zu surro-
819 Bekannlmachung zum Vollzuge der Gew.-O. vom 15.0kt. 1847 §§ 58 Cf., GS Hann 1847 Abt. I, S. 339; auch in: Gew.O. Königreich Hannover, S. 54 ff. 820 Bekannlmachung zum Vollzuge der Gew.-O. vom 15. Okt. 1847 § 72, GS Hann 1847 Abt. I, S. 339. Noch durch ein Ausschreiben vom 12. Nov.I841 waren die sich neu ansetzenden Landmeister auf die Beschäftigung von höchstens einem Lehrling und zwei Gesellen beschränkt worden, G.v. Kielmansegge, Mittheilungen aus dem Gebiete des im Landdrostei-Bezirke Hannover geltenden Gew.-Rechts, Sp. 387 f. 821 Bekannlmachung zum Vollzuge der Gew.-O. vom 15. Okt. 1847 §§ 86, 93, 95, GS Hann 1847 Abt. I, S. 339. 822 Bekannlmachung, die Prüfung der BauHw.er betreffend, vom 7. Feb. 1850 §§ I, 2, 7, GS Hann 1850 Abt. I, S. 9; auch in: Gew.-O. Königreich Hannover, S. 69 ff. 823 Bekanntmachung, die Prüfung der BauHw.er betreffend, vom 7. Feb. 1850 § 3, GS Hann 1850 Abt. 1, S. 9. 824 Bekannlmachung, die Prüfung der BauHw.er betreffend, vom 7. Feb. 1850 §§ 15, 16, GS Hann 1850 Abt. I, S. 9.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
471
gieren,825 war den Bauhandwerkern verschlossen826. Einen spezifischen Befähigungsnachweis hatten auch Schiffer und Steuerleute zur See und auf größeren Flüssen zu führen (§ 37). Konzessionspflichtig waren Buchhändler und -verleiher (§ 38), Gastwirte, Betreiber von öffentlichen Vergnügungsstätten und Branntweinhändler (§ 39), Lotterien, Trödler und Pfandleiher (§ 40), Viehverschneider, Kammerjäger und Schornsteinfeger (§ 42) sowie der Betrieb von Kommühlen (§ 48).827 Die vorsichtige Zurückdrängung zünftischer Befugnisse rief noch vor der Inkraftsetzung der neuen Gewerbeordnung die Verteidiger der tradierten Zunftverfassung auf den Plan,828 die zunächst eine Verschiebung des Inkrafttretens auf den 1. Juli 1848 erreichten (§ 288). Unter dem Druck der Handwerkerbewegung erging am 15. Juni 1848 das Gesetz, verschiedene Abänderungen der Gewerbe-Ordnung betreffend,829 das in seinem § 1 gerade die eine größere Flexibilität des Wirtschaftslebens ermöglichenden Vorschriften etwa über den Zunftzwang suspendierte. 830 Bedeutsam war insbesondere die Bestimmung des § 3, nach der auf Verlangen der Gemeinde jeder, der ein Gewerbe selbständig ausüben wollte, einen Befähigungsnachweis zu erbringen hatte. Obwohl laut § 2 "die dermalen bestehenden Verhältnisse (nur) einstweilen in Kraft" bleiben sollten, dauerte diese Übergangsperiode bis zur Übernahme Hannovers durch Preußen im Jahre 1866, die auch die Realisierung eines von der Regierung im selben Jahr vorgelegten gewerbefreiheitlichen Gesetzentwurfs verhinderte. 831 Allerdings scheiterten praktische Auswirkungen des Retardierungsversuchs von 1848 weithin daran, daß gerade die suspendierten Bestimmungen lediglich die Normierung einer seit längerem bestehenden und weiterhin geübten Verwaltungspraxis darstellten; ein Einfluß der zünftischen Restriktionen auf die
825
Bekanntmachung zum Vollzuge der Gew.-O. vom 15. Okt. 1847 § 107, GS Hann 1847 Abt. I,
S.339.
826 Bekanntmachung, die Prüfung der BauHw.er betreffend, vom 7. Feb. 1850 § 14, GS Hann 1850 Abt. I, S. 9.
827 Vgl. dazu das Ausschreiben, die Erteilung der Gew.konzessionen etc. betreffend, vom 17. Juli 1848, GS Hann 1848 Abt. 2, S. 9; auch in: Gew.-O. Königreich Hannover, S. 67 ff.
828 Vgl. Anonymus, Stimme eines conservativen Sachverständigen für die bestehenden Gewerbrechte, S. 9 ff.; A. Winter; Die Hannoversche Gew.O., S. 82 ff. 829
GS Hann 1848 Abt. 1, S. 156; auch in: Gew.-O. Königreich Hannover, S. 51 ff.
Vgl. H. Barmeyer, Gew.freiheit oder Zunftbindung?, S. 246 ff.; M. Jänecke, Die Gew.-Politik des ehemaligen Königreichs Hannover, S. 48 ff.; H. van Jindel!, Die Entstehung der Gew.freiheit im Hw. in Hannover, S. 180 ff. Zur Hw.erbewegung Kap. 411I 2b. 830
831 H. Barmeyer, Gew.freiheit oder Zunftbindung?, S. 251 ff.; M. Jänecke, Die Gew.-Politik des ehemaligen Königreichs Hannover, S. 57 ff. 31 Ziekow
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Entwicklung des Handwerks ist mithin kaum festzustellen. 832 Erst die preußische Verordnung, den Betrieb stehender Gewerbe im vormaligen Königreich Hannover betreffend, vom 29. März 1867833 beseitigte den Zunftzwang (§ 1), die Begrenzungen in der Beschäftigung von Lehrlingen und Gesellen (§ 5) sowie die wesentlichen Beschränkungen des Landhandwerks (§ 3). 7. Sachsen und thüringische Staaten a) Königreich Sachsen
Im Königreich Sachsen wurden die durch die Befreiungskriege unterbrochenen Reformbestrebungen der Jahre 1803 bis 1812 nach dem Wiener Kongreß nicht mit der projektierten Intensität weiterverfolgl Erst nach 1830 erfolgte ein durchgreifender Umbruch des Staatswesens zur Ausrichtung an bürgerlich-liberalen Prinzipien. 834 Die Entwicklung der Gewerbeverfassung konnte mit den Reformen nicht Schritt halten. Trotz einiger Ansätze zur Neuregelung in den 30er Jahren verharrte sie in den Bahnen des überkommenen Zunftwesens. 835 Dies galt selbst gegenüber den Absolventen moderner gewerblicher Lehrinstitutionen wie der technischen Bildungsanstalt zu Dresden, weIche im Falle hervorragender Abschlußzeugnisse zwar von der Lehr- und Wanderzeit, nicht aber der Anfertigung des Meisterstücks des einschlägigen Gewerbes befreit waren. Lediglich bei der Betreibung der praktischen Mechanik als Gewerbe durften sie dem Zunftzwang unterfallende Arbeiten unzünftig ausführen. 836 Auch das Gesetz, den Gewerbsbetrieb auf dem Lande betreffend, vom 9. Okt. 1840837 war nicht gewerbe freiheitlich intendiert, sondern wollte nur die 832 J. Jeschke, Gew.recht u. HW.swirtschaft des Königreichs Hannover, S.4O, 279 ff. Wie in Staaten mit Gew.freiheit nahmen die MassenHw.e der Schneider, Schuster, Tischler etc. überproportional zu, H. Ringklib, Der Gew.betrieb Lüneburgs, S. 340; vgl. Kap. 4 III 1 (preußen), IV 3b (Bayern), IV 4 (Baden), IV 5 (Württemberg). 833
PrGS 1867, S. 425.
834
K. Blaschke, Königreich Sachsen u. thüringische Staaten, S. 609 ff.
P. Horster, Die Entwicklung der Sächsischen Gew.verfassung, S. 1 ff.; zur Entwicklung nach 1831 auch E.D. v. Witzleben, Uebersicht der sächsischen Gesetzgebung, S. 252 ff. Zeitgenössische Übersichten über das geltende Gew.recht bei G.E. Herold, Die Rechte der Hw.er, S. 1 ff., und CA. Weiske, Handbuch des allgemeinen dt. Gewerbsrechts, S. 56 ff. 835
836 Mandat, die Befreiung der Schüler in der zu Dresden bestehenden technischen Bildungsanstalt vom Zunftzwang betreffend, vom 17. Dez. 1828, Gesetzsammlung für das Königreich Sachsen 1828, S. 517. Zum sächsischen Gew.schulwesen R. Sonnemann, Industrielle Revolution u. technisches Bildungswesen in Sachsen, S. 54. 837
GVBI Sa 1840, S. 246.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
473
sich aus dem Städtezwang für die ländlichen Gebiete ergebenden Konsequenzen mildern. 838 Unzünftige Gewerbe waren auch auf dem Land freigegeben (§ 2) und jedermann der Betrieb der Leineweberei (§ 3) sowie die Ausübung der Strumpfwirkerei und -weberei und anderer Gewerbe in denjenigen Landesteilen gestattet, in denen diese Gewerbe fabrikmäßig betrieben wurden (§ 4). Zudem konnte die Regierungsbehörde die unzünftige Neuansiedlung eines als Fabrik eingerichteten Gewerbes überall dort gestatten, wo nicht der Zunftzwang entgegenstand (§ 4). Maurer, Zimmerleute und Schornsteinfeger konnten sich nach Erlangung des Meisterrechts (§ 5) und Schwarzbrotbäcker dann ohne Zunfteintritt auf dem Land niederlassen, wenn nicht besonders erworbene Verbietungsrechte dies hinderten (§ 6). Dagegen mußten die dörflichen Schneider, Schuhmacher, Weißbäcker, Fleischer, Grob- und Hufschmiede, Wagner oder Stellmacher, Sattler, Tischler, Glaser, Seiler und Böttcher der Zunft der nächsten Stadt als Meister beitreten (§ 13). In diesen Gewerben durfte unter der Voraussetzung des lokalen Bedarfs nur ein Meister je Landgemeinde obrigkeitlich konzessioniert werden (§ 7), wobei allerdings die Regierungsbehörde Ausnahmen zulassen konnte (§§ 9, 10). Die Landhandwerker durften ihre Produkte nicht in die Städte einfuhren oder sie dort herstellen; den Einwohnern der Städte stand es jedoch frei, die von einem Dorfgewerbetreibenden verfertigten Waren selbst in die Stadt zu bringen. Ausgenommen hiervon waren die Maurer und Zimmerleute, wenn sie sich einer staatlichen Prüfung unterzogen hatten (§ 15). Diese ersetzte die zünftige Meisterprüfung und bestand aus der Anfertigung eines Entwurfs samt Kostenvoranschlag, welcher von der Innung beurteilt wurde. Deren Zeugnis war an die zuständige der fünf Prüfungskommissionen zu senden, die sich aus einem juristisch befähigten Mitglied des Stadtrats, einem vom Innenministerium ernannten Architekten und jeweils einem vom Stadtrat aus den Innungsgenossen geWählten Maurerund Zimmermeister zusammensetzte. Ließ die Kommission die Probearbeit zu, so schloß sich eine mündliche Prüfung an. Für die Mühlenzeugarbeiter sowie die Brunnen- und Röhrenmeister wurde eine Prüfungskommission für mechanische Baugewerke errichtet; für diese Gewerbe war die Prüfung allerdings nur fakultativ zu dem Zweck, "sich ... der vorzugsweisen Beachtung der Behörden und des Publicums zu empfehlen".839 Den Maurern, Zimmerern, Schornsteinfegern, Schmieden, Wagnern, Fleischern, Strumpfwirkern und Webern war die Ausbildung von Lehrlingen uneingeschränkt erlaubt, wohingegen die übrigen Landhandwerker nur die eigenen Söhne und Enkel lehren durften (§ 16). Die 838 A. Herzog zu Sachsen, Die Reform der sächsischen Gew.gesetzgebung, S. 667 f.; zur Entstehung des Gesetzes P. Horster, Die Entwicklung der Sächsischen Gew.verfassung, S. 61 ff. 839 VerO., die Meisterprüfungen bei den Baugewerken etc. betreffend, vom 14. Jan. 1842, GVBI Sa 1842, S. 31.
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
aufgeführten Gewerbetreibenden zuzüglich der Böttcher und Töpfer konnten gleichzeitig beliebig viele Gesellen beschäftigen, während ansonsten zur Haltung von mehr als einem Gesellen eine Erlaubnis der Regierungsbehörde erforderlich war (§ 17). Obwohl das Gesetz von 1840 der Administration nicht unbeträchtliche Möglichkeiten zur Durchbrechung des Zunftzwangs eröffnete 840 und die im Frühjahr 1848 unter Beteiligung aller Gruppen von selbständig oder unselbständig im Gewerbe Tätigen instruierte Kommission für die Erörterung der Gewerbs- und Arbeitsverhältnisse in Sachsen bis 1849 umfangreiche Vorarbeiten leistete,841 dauerte es bis zum Jahre 1857, ehe die Regierung nach einem vergeblichen Versuch ein Jahr zuvor den Entwurf einer Gewerbeordnung für das Königreich Sachsen vorlegte. Er beruhte auf dem Gedanken, Innungszwang und Gewerbefreiheit so weit wie möglich zu vereinigen und gleichzeitig die Prinzipien des genossenschaftlichen Assoziationswesens zu rezipieren. 842 Kernpunkt war die in § 4 vorgenommene Gliederung der Gewerbe in sieben Klassen nach deren Betriebsformen und -voraussetzungen, nämlich freie Gewerbe, Polizeigewerbe, Innungsgewerbe, innungsähnliche Gewerbe, Hausindustriegewerbe, Fabrikgewerbe und Handelsgewerbe. Die durch § 47 entsprechend ihren technischen Gleichläufigkeiten in neun Gruppen eingeteilten Innungsgewerbe, die den Kernbestand des Handwerks ausmachten, beruhten laut § 121 weiterhin auf dem Erwerb des Meisterrechts durch eine Meisterprüfung, der eine festgesetzte Lehrzeit (§ 84), eine Gesellenprüfung (§§ 100 ff.) und eine dreijährige Gesellenzeit vorauszugehen hatten. Der Wanderzwang allerdings war ausdrücklich aufgehoben (§ 108), schon um die Durchsetzung des in § 120 840
Vgl. P. Horster, Die Entwicklung der Sächsischen Gew.verfassung, S. 66 ff.
841 P. Horster, Die Entwicklung der Sächsischen Gew.verfassung, S. 90 ff.; A. Herzog zu
Sachsen, Die Reform der sächsischen Gew.gesetzgebung, S. 675 ff.
842 Entwurf einer Gew.O. für das Königreich Sachsen, S. 5: "Man will nämlich den Versuch machen, bei möglichst fester, nicht freiwilliger, und auch über den größten Theil der jetzt ohne alle Organisation betriebenen Gewerbszweige auszudehMntkr korporativer Organisation der Gewerbtreibenden, bei thunlichst fester Regelung des Verhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, namentlich in Bezug auf die Unterstützungspflicht in Fällen der Krankheit und Arbeitslosigkeit, bei möglichster Herstellung einer Selbstregierung unter den Gewerbtreibenden nach ihren eignen Satzungen durch eigne Organe, doch andererseits die der technischen Entwickelung und der vollkommensten und freiesten Benutzung aller technischen und wirthschaftlichen Hülfsmittel durch den Einzelnen entgegenstehenden Schranken und Hindernisse thunlichst zu beseitigen, und so die Freiheit mit der Gebundenheit in einer dem entwickelten Zustande der Technik und der Concurrenz sowohl, als den Forderungen eines geregelten Staatslebens entsprechenden Weise zu vereinigen.", S. 9: "Wohl aber könnte man eine zweckmäßige korporative Verfassung benutzen (für) ... Einigungen zu Ein- und Verkoul zu Creditbeschaffung und zu Allem was schließlich auf den einen Begriff Kapital zurückzujUhren ist". Zum Assoziationsgedanken Kap. 4 III 2c. Zum Entwurf von 1857 im einzelnen P. Horster, Die Entwicklung der Sächsischen Gew.verfassung, S. 107 ff.; H. Rentzsch, Die Reform der sächsischen Gew.gesetzgebung, S. 170 ff.; A. Herzog zu Sachsen, Die Reform der sächsischen Gew.gesetzgebung, S. 711 ff.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
475
niedergelegten Verbots der weiterhin aktuellen Gesellenverbindungen zu erleichtern843• Von den Innungsgewerben unterschieden sich die innungsähnlichen unter anderem darin, daß sie nicht die Absolvierung einer innungsmäßigen Lehre voraussetzten (§ 137); ansonsten waren hinsichtlich der Innungsverfassung einschließlich der Bedingungen des Meisterrechtserwerbs die für die Innungsgewerbe geltenden Bestimmungen entsprechend anzuwenden (H 137, 144). Die deutlich negative Resonanz in der Öffentlichkeit, die aus der versuchten Fixierung eines für zünftische wie für gewerbefreiheitliche Intervenienten gleichermaßen untragbaren Übergangszustandes resultierte, führte dazu, daß die Regierung ihren Entwurf zurückziehen mußte. 844 Sie unterbreitete im Jahre 1860 einen neuen Vorschlag,84S der nach eingehenden Beratungen am 15. akt. 1861 zum Gewerbegesetz erhoben wurde846• Dessen Grundlage war die Gewährung der Freiheit, an jedem Ort jedes Gewerbe zu treiben (§ 3).847 Voraussetzung für die Aufnahme der Gewerbetätigkeit war lediglich eine Anzeige an die Ortsobrigkeit (§ 5), die der Vollständigkeit des Gewerbeverzeichnisses diente und "in keiner Weise benutzt werden (durfte), um irgend welche künstliche Abgrenzung von Gewerbsgebieten wieder herzustellen"848. Der Prüfung der Behörde unterlag bloß, ob der beabsichtigte Gewerbebetrieb konzessionspflichtig oder sonst an die Erfüllung besonderer Bedingungen geknüpft war (§ 7). Von der Anmeldungspflicht ausgenommen waren unter anderem diejenigen Gewerbetreibenden, die ohne Hilfskräfte allein für einen Unternehmer gegen Lohnzahlung arbeiteten (§ 6), mithin insbesondere die gesamte, ökonomisch unselb-
843 Zur Aktualität der Gesellenverbindungen vgl. das Schreiben der königlichen Kreisdirektion zu Leipzig an den Stadtrat zu Grimma vom 23. Aug. 1857, A. Tille, Sächsische Gesellenbrüderschaften, S. 23: "In einer der ... Städte hat man das B~tdren einer ... verbotenen s.g. Brüderscluzft unter den dasigen HutmacMrgesellen entdeckt, und es ist ... angegeben worden, dass sich dieses Verbindungswesen fast über alle Städte Sachsens, an denen sich HutmacMr befänden, erstrecke. " 844 P. Horster, Die Entwicklung der Sächsischen Gew.verfassung, S.125 ff.; A. Herzog zu Sachsen, Die Reform der sächsischen Gew.gesetzgebung, S. 874 ff. Aus der zeitgenössischen Kritik vgl. insbesondere H. Bodemer, Zur Beurtheilung des Entwurfs einer Gew.-O. für das Königreich Sachsen, S. 44 ff.; WA. Meißner, Beleuchtung des Entwurfs einer Gew.-O. für das Königreich Sachsen, S.lO ff.
84S Entwurf eines Gewerbegesetzes für das Königreich Sachsen; dazu K. Loth, Die Principien der Gew.gesetzgebung, S. 6 ff.; H. Rentzsch, Die Reform der sächsischen Gew.gesetzgebung, S. 173 ff. 846 GVBI Sa 1861, S. 187; zu den Beratungen A. Herzog zu Sachsen, Die Reform der sächsischen Gew.gesetzgebung, S. 900 ff. 847 Zum Inhalt des Gew.gesetzes P. Horster, Die Entwicklung der Sächsischen Gew.verfassuilg, S. 142 ff.; H. Rentzsch, Die Reform der sächsischen Gew.gesetzgebung, S. 210 ff.; A. Herzog zu Sachsen, Die Reform der sächsischen Gew.gesetzgebung, S. 936 ff. 848
VerO. zur Ausführung des Gew.gesetzes vom 15. Okt. 1861 § 3, GVBI Sa 1861, S. 225.
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
ständige Hausindustrie849• Konzessionsfreie Gewerbe konnte derselbe Gewerbetreibende gleichzeitig an mehreren Orten ausüben, hatte dann aber für Zweiggeschäfte abseits seines Wohnorts einen Stellvertreter (§ 45) zu bestellen; an einem Ort durfte nur eine Einzelverkaufsstelle betrieben werden (§ 48). Desgleichen stand es jedem Gewerbetreibenden frei, in verschiedenen Gewerben tätig zu sein oder sich zu einem gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb mit anderen Gewerbetreibenden zusammenzuschließen (§ 50). Einer Konzessionierung aus Rücksichten auf die öffentliche Sicherheit und Wohlfahrt (§ 10), keinesfalls aber für politische Zwecke &So bedurften zum einen die mit Publikationserzeugnissen umgehenden Gewerbe, das Gaststättengewerbe sowie die Agenten, Kommissionäre, Gesindemäkler, Pfandleiher und -vermittler, Trödler und Auktionatoren, zum anderen die Abdeckereien und Theater und zum dritten die Spielkartenfabriken; die Konzessionserteilung erfolgte bei der ersten Gruppe durch die Ortsobrigkeit, bei der zweiten durch die höhere Regierungsbehörde und bei den Spielkartenherstellern durch das Finanzministerium (§ 8). Einige andere Dienstleistungs- und Unterhaltungsgewerbe konnten von der Ortspolizeibehörde der Konzessionspflicht unterworfen werden (§ 13). Gefährliche und emittierende Anlagen mußten von der Obrigkeit ausdrücklich genehmigt werden (§ 22). Einem Befähigungsnachweis unterlagen allein noch die Ausübung des Hufbeschlags sowie die selbständige Ausführung und Leitung von Bauten (§ 16). Gemäß der fortgeltenden Verordnung, den Hufbeschlag betreffend, vom 10. Apr. 1856&S1 mußten die Hufschmiede eine Prüfung im Hutbeschlag bei einer Tierarzneischule bestehen. Der von den Bauhandwerkern geforderte Befähigungsnachweis galt nur für die Ausführung baupolizeilich relevanter Arbeiten, nicht für die Errichtung landwirtschaftlicher Bauten ohne Feuerstelle. Er war durch das Bestehen der Staatsprüfung für den Hochbau&S2 oder der Prüfung nach der fortgeltenden Verordnung, die Meisterprüfungen bei den Baugewerken etc. betreffend, vom 14. Jan. 1842&S3 zu führen und galt im ganzen Land für
849
A.W. Königsheim, Das Königlich Sächsische Gew.gesetz, S.113.
&So A.W. Königsheim, Das Königlich Sächsische Gew.gesetz, S. 116. &SI GVBI Sa 1856, S.49; zur Fortgeltung vgl. § 24 der VerO. zur Ausführung des Gew.gesetzes
vom 15. Okt. 1861, I.c. 1861, S. 225.
&S2 Nach der VerO., die Staatsprüfungen der Techniker betreffend, vom 24. Dez. 1851, GVBI Sa 1851, S. 483. &S3 GVBI Sa 1842, S. 31. Zur Fortgeltung vgl. § 25 der VerO. zur Ausführung des Gew.gesetzes vom 15. Okt. 1861, I.c. 1861, S.225, nach welchem das Prüfungsverfahren unter Eliminierung der Beteiligung der Innung im wesentlichen beibehalten wurde.
IV. Die einzclstaatliche Gcwerbegesetzgebung
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einen Gewerbebetrieb jeder Form und Ausdehnung.&S4 Die nach Beseitigung aller Verbietungsrechte (f 43)&S5 und der Beitrittsptlicht (§ 90) des Zunftzwangs entkleideten Innungen konnten statutarisch die Aufnahme von der Erbringung eines Befahigungsnachweises abhängig machen&S6. Die Erwartung, daß dies auch weiterhin in nicht gänzlich unerheblichem Umfang geschehen würde, motivierte neben der Verwurzelung in der Tradition das Vorrecht der Innungsmitglieder zur Führung des Meistertitels (§ 88).&S7 Jede Innung mußte ein Statut erstellen, mit dessen Bestätigung durch die Regierungsbehörde sie die Eigenschaft einer juristischen Person erlangte (f 89). Ihre Aufgaben lagen vornehmlich in der Überwachung der Ausbildung, der Beilegung von Streitigkeiten zwischen Innungsmitgliedern oder zwischen solchen und ihren Beschäftigten sowie der Unterhaltung von Fachschulen und Unterstützungskassen (§ 88). Die Rechtsverhältnisse der Lehrlinge und Gesellen, zu deren Annahme in beliebiger Zahl jeder Gewerbetreibende berechtigt war, richteten sich im wesentlichen nach der mit dem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung (§ 59), die selbst im Falle des Lehrvertrags nicht der Schriftform bedurfte S58• Der Lehrvertrag hatte insbesondere die Lehrzeit festzusetzen (§ 79), in die eine ausbedungene Probezeit eingerechnet wurde (f 81). Voraussetzung für die Annahme als Lehrling, den f 77 als denjenigen defmierte, der "bei einem selbständigen Gewerbtreibenden zur Erlernung des Gewerbes eintritt", war die Beendigung der gesetzlichen Schulzeit (f 78). Der Wand erzwang wurde aufgehoben (§ 60). Nichtsdestoweniger hatten die Arbeiter und Gehilfen einen Arbeitsnachweis in Form eines Arbeitsbuches zu führen (§ 61).859 Großbetriebe mit mehr als 20 Beschäftigten hatten eine Fabrikordnung auszuhängen (§ 76).860 &S4 &S5
VerO. zur Ausführung des Gcw.gesetzes vom 15. Okt. 1861 § 24, GVBI Sa 1861, S. 225.
&S6 &S7
A.W. Königsheim, Das Königlich Sächsische Gew.gesctz, S. 172.
&SS
VerO. zur Ausführung des Gew.gesetzes vom 15. Okt. 1861 § 61, GVBI Sa 1861, S. 225.
Vgl. dazu das Gesetz, die Entschädigung für Wegfall gewisser Verbietungsrechte betreffend, vom 15. Okt.1861, GVBI Sa 1861, S. 217, mit AusführungsverO. vom 15. Okt.1861, I.c., S. 280. Vgl. den Bericht der Deputation der Zweiten Kammer des Landtags, A.W. Königsheim, Das Königlich Sächsische Gew.gesetz, S.170: "Es läßt sich zwar nicht verkennen, daß mit dem Wegfall der Meisterprüfungen, die nicht alle Innungen beibehalten werden, jene Bezeichnung ihren reellen Werth zum guten Theile verlieren wird. Indessen Ictmn es doch noch Andere geben, denen sie wirklich schätzbar ist. • &S9 Vgl. dazu die VerO., die Arbeitsbücher des gew.en Hilfspersonals betreffend, vom 15.0kt. 1861, GVBI Sa 1861, S. 262.
860 Zur Beeinflussung der sächsischen Regelung der FabrikO. durch die österreichische Gew.O. von 1859 G. Strobel, Zum Fabrikarbeitsvertrag in Deutschland, S. 67 Cf.; zur österreichischen Gew.gesetzgebung Kap. 4 IV 2. Eine Analyse von Leipziger FabrikO.en der Jahre 1862 bis 1869 findet sich bei H. Zwahr, Zur Konstituierung des Proletariats, S. 99 ff.
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
In der Folge des Gewerbegesetzes, dessen Bestimmungen durch zwei weitere Nonnierungen über die Gewerbegerichte sowie die Handels- und Gewerbekammern ergänzt wurden,861 stieg wie in anderen Gebieten die Zahl der selbständigen Gewerbetreibenden deutlich an, bevor ein entsprechender Rückgang einsetzte. 862 Bis 1865 war nur für 56 von 302 Gewerben eine im Verhältnis zum Bevölkerungswachstum überproportionale Steigerung zu konstatieren. 863 b) Thüringische Staaten aa) Sachsen-Weimar-Eisenach
Im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach hatte ein Publikandum "zur tunlichsten Erweiterung der Freiheit der Gewerbe und des Handels" vom 30. Jan. 1811 den Marktverkehr und die Leineweberei freigegeben sowie den Zunftdistriktsbann bei der Arbeit auf Bestellung aufgehoben; die Ausgestaltung der Zwangs- und Verbietungsrechte der Innungen sollte einer Revision der Zunftartikel vorbehalten bleiben, dabei aber von einer weitmöglichsten Zuruckdrängung ausgehen. 864 Das Gesetz über die Innungen und Zünfte und die Beobachtung allgemeiner Innungsartikel vom 15. Mai 1821 865 bestätigte die Zunftverfassung ausdrücklich bzw. restituierte sie in den Landesteilen, in denen sie beseitigt worden war (§ 1). Der Zweck der Zünfte wurde als "Größere Sicherheit der Nahrung, höchst mögliche Vervollkommnung und Ausbildung der Kenntnisse unter den Gewerbetreibenden, Vervollkommnung der Gewerbe selbst" definiert und die Bezeichnung "Meister" als "Ehren-Titel" den Zunftmitgliedern vorbehalten (§ 4). Nichtsdestoweniger behielt die Obrigkeit die Aufsicht über die Zunft (§§ 5 ff.) und gab ihr einen obrigkeitlichen Abgeordneten bei (§§ 146 ff.). Die Geschlossenheit der Zünfte wurde nicht gesetzlich abgeschafft, sondern nach Ennessen des Landesfürsten reguliert (§ 22). Die Abgrenzung der Arbeitsbefugnisse der einzelnen Handwerke wurde beibehalten, wenn auch die Vereinigung ähnlicher Handwerke gefördert werden sollte, "um die zu ängstliche, oft zu unangenehmen Zusammentreffen und Irrungen Veranlassung gebende, Abgrenzung verwandter Gewerbe zu vermeiden" (§ 10); 861 Gesetz, die Errichtung von Gew.gerichten betreffend, vom 15. 010. 1861, GVBl Sa 1861, S. 221; VerO., die Handels- u. Gew.kammem betreffend, vom 15. Okt. 1861, I.c., S. 270. 862 Vgl. für Baden Kap. 4 IV 4; für Württemberg Kap. 4 IV 5. 863 H. Rentzsch, Gewerbstatistische Mittheiluogen, S. 38. 864
P. Möslein, Die Gew.gesetzgebuog der Thüringer Herzogtümer, S. 29.
Großherzogl. S. Weimar-Eisenachisches Regierungs-Blatt 1821, S. 617; dazu P. Möslein, Die Gew.gesetzgebung der Thüringer Herzogtümer, S. 31 Cf. 865
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
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eine Beschreibung der jeweiligen Produktionsbereiche erfolgte durch die Verordnung vom 27. Sept. 1842866• Der Zunftdistriktsbann war weiterhin nur für die Arbeit auf Bestellung außer Kraft gesetzt (U 11 ff.), so daß die Errichtung eines Ladens oder einer Niederlage außerhalb des Wohnorts des jeweiligen Meisters verboten war (§ 14). Als Dorfhandwerker zugelassen waren nur die Grob- und Hufschmiede, Wagner, Maurer, Tüncher, Ziegeldecker, Böttcher, Schuster, Schneider, Leineweber, Zimmerleute, Metzger, Schreiner, Sattler, Glaser und Bäcker (§ 15). Sie bedurften zu ihrer obligatorischen Aufnahme in die Zunft einer Genehmigung der Landesdirektion, da "die Zahl der Landmeister ... nicht über das nothwendigste örtliche Bedürfniß ausgedehnt werden" sollte (f 17). Aus diesem Grunde war mit Ausnahme der Zimmerleute, Maurer, Tüncher, Ziegeldekker und Grobschmiede den Landhandwerkern die Beschäftigung von Gesellen nicht erlaubt (§ 16). Das Gesetz als Nachtrag zu dem Gesetze über die Innungen und Zünfte etc. vom 20. Juli 1839861 lockerte diese Beschränkung insofern, als nunmehr jedem Dorfhandwerker die Haltung eines, den Zimmerleuten, Maurern, Tünchern und Ziegeldeckern sogar mehrerer Gesellen gestattet war. Noch weiter ging das Reskript vom 30. Mai 1842, das auch den Landmeistern, die keine Bauhandwerker waren, beim Vorliegen besonderer örtlicher Verhältnisse ausnahmsweise die Beschäftigung mehrerer Gesellen und allen besonders geschickten Dorfhandwerkern die unentgeltliche Annahme eines unbemittelten Lehrlings erlaubte. 868 Denn das Nachtragsgesetz von 1839 hatte die bis dahin der der Stadtmeister entsprechende Befugnis der Landmeister zur Lehrlingsausbildung auf die Zunftmeister in denjenigen Dörfern eingegrenzt, die Sitz der Innungen waren. Voraussetzung für die Annahme als Lehrling waren Kenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen (f 29). Die sehr lange Probezeit von acht Wochen (§ 30) wurde auf die Lehrzeit angerechnet (f 32), weIche durch die jeweiligen Zunftordnungen bestimmt wurde (§ 39). Der Lehrling mußte sich jährlich der Anfertigung einer seinen Kenntnisstand berücksichtigenden Probearbeit unterziehen, wobei ihm im Falle eines herausragenden Ergebnisses ein Sechstel seiner Lehrzeit erlassen werden konnte (§ 50). Nach Ablauf der Lehrzeit war zusätzlich ein besonderes Gesellenstück zu fertigen (§ 51), dessen mangelhafte Herstellung die Zurückweisung auf ein halbes bis ein Jahr weiterer Lehrzeit nach sich zog (§ 54); in diesem Fall war die Wiederholungsprüfung kostenfrei
866
RB Sa-Wei-Ei 1842, S.181.
861
RB Sa-Wei-Ei 1839, S. 383.
868
P. Möslein, Die Gew.gesetzgebung der Thüringer Herzogtümer, S. 61 f.
480
Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
(§ 55). Grundsätzlich war die Lehrlings- und Gesellenzahl nicht limitiert. Je-
doch bestimmten die Zunftvorsteher und nötigenfalls die Obrigkeit verbindlich, wieviel Lehrlinge ein Meister ohne Versäumung seiner AusbildungsptIicht gleichzeitig beschäftigen konnte (§ 28).869 Hinsichtlich der Einstellung eines Gesellen galt nur dann Abschlußfreiheit, wenn der Geselle von dem betreffenden Meister verschrieben worden war; ansonsten waren beide an die Zuschickordnung gebunden (§ 71). Die Gesellenzeit wurde auf vier Jahre festgesetzt, in weIche der in den Zunftartikeln angeordnete Wand erzwang eingerechnet wurde (§ 60). Das Einschreiten gegen die Gesellenverbindungen und ihre Kampfmittel (§§ 106 ff.) läßt den Charakter des Gesetzes als Zunftrefonnation deutlich werden. In der gleichen Tradition steht die Regelung des Meisterstücks (§ 116). Es galt territorial (§ 120) und durfte bei kleineren Fehlern gegen Zahlung einer Geldbuße angenommen werden (§ 122). Gegen eine ablehnende Entscheidung der Zunftgenossen konnte eine erneute Kontrolle der Arbeit durch andere Sachverständige verlangt werden. 870 Auch die Aufnahme in die zünftisch verfaßte KaufmaIlllschaft (§ 195) hatte die Absolvierung eines Examens zur Bedingung, das in einer Prüfung der Kenntnisse in der Buchführung bestand (§§ 198, 199). Durch eine Anordnung vom 10. Febr. 1838 wurde die Prüfung der sich um das Meisterrecht bewerbenden Maurer-, Tüncher- und Zimmerergesellen den Zünften entzogen und den Beauftragten der großherzoglichen Oberbaubehörde übertragen. 871 Die Bauhandwerke waren neben den Hufschmieden die einzigen Gewerbe, deren Ausübung auch nach der Gewerbeordnung vom 30. Apr. 1862872 von einem Befiihigungsnachweis abhängig blieb (§ 18). Die Hufschmiede mußten ein Zeugnis einer besonderen Unterrichtsanstalt für Schmiede darüber beibringen, daß sie entweder die Anstalt ordnungsgemäß besucht oder eine Prüfung bestanden hatten. 873 Die Bauhandwerker hatten zwar keine Lehre, jedoch eine Prüfung vor einer Kommission zu absolvieren. 874 Allerdings war Voraussetzung für die Zulassung zur Prüfung, daß der Bewerber drei Jahre lang als Geselle und davon neun Monate praktisch in der Bauausfüh-
869 Diese bedeutsame Einschränkung übersieht P. Möslein, Die Gew.gesetzgebung der Thüringer Herzogtümer, S. 34.
870
Vgl. schon für das 18. Jh. Kap. 3 III 3.
RB Sa-Wei-Ei 1839, S. 5; zur Entwicklung des Gew.rechts nach dem Innungsgesetz von 1821 P. Möslein, Die Gew.gesetzgebung der Thüringer Herzogtümer, S. 60 Cf. 871
872
RB Sa-Wei-Ei 1862, S. 63.
873
VerO. zur Ausführung der Gew.O. vom 12. Nov.1862 § 28, RB Sa-Wei-Ei 1862, S.189.
874
VerO. zur Ausführung der Gew.O. vom 12. Nov. 1862 § 29, RB Sa-Wei-Ei 1862, S.189.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
481
rung tätig gewesen war. 875 Die Kommission setzte sich aus zwei Staatsbaubeamten und zwei Bauhandwerkern zusammen, welche vom Innenministerium ernannt wurden. 876 Die Prüfung gliederte sich in einen mündlichen Teil, die Anfertigung einer Zeichnung und eines Kostenanschlags als Probearbeit sowie eine praktische Arbeit, die in der Herstellung eines Modells oder eines Meisterbaus bestand. 877 Über das Bestehen der Prüfung entschied die Kommission nach Stimmenmehrheit, wobei im Falle mangelnden Erfolgs die bis zur Wiederholungsprüfung abzuwartende Frist von bis zu einem Jahr bestimmt wurde; die Eingrenzung der erneuten zu einer Teilprüfung war möglich. 878 Im übrigen legte die auf dem Gewerbegesetz des Königreichs Sachsen von 1861 beruhende und mit den übrigen thüringischen Staaten koordinierte Gewerbeordnung879 die Freiheit des Gewerbebetriebs zugrunde (§ 3), der nur von einer Anzeige an den Gemeindevorstand abhängig war (§ 5). Ausgenommen von der Anmeldungspflicht waren insbesondere die nur auf eigene Hand arbeitenden lohnabhängigen Gewerbetreibenden (§ 6 Nr.2), insbesondere also die Hausindustrie880• Konzessionspflichtig waren lediglich die Gewerbe der Gastwirte, Versicherungsgesellschaften sowie Feuerversicherungs- und Auswanderungsagenten, Pfandleiher, Pfandvermittler und Trödler, die Theater- und Schauspielergesellschaften (§ 8) und die Preßgewerbe (vgl. § 82). Andere Bedingungen als solche, die durch die Rücksicht auf die öffentliche Sicherheit und Wohlfahrt oder auf die allgemeinen Polizei- und Steuervorschriften geboten waren, durften für die Konzessionserteilung nicht gestellt werden (§ 10). Die Betreibung von Verkehrsmitteln und die Versorgung der Gemeinden mit Gas und Wasser unterlagen der Regulierung durch die Gemeindebehörden, öffentliche Schaustellungen der polizeilichen Erlaubnispflicht (§ 15). Zur Errichtung von gefahrlichen oder belästigenden Anlagen war die ausdrückliche Genehmigung des Bezirksdirektors erforderlich (§ 24). Jeder Gewerbetreibende konnte sein Gewerbe selbst oder durch einen Stellvertreter (§ 43), an beliebig vielen Orten im Land (§ 46), ohne räumliche Beschränkungen (§ 47) und in 875 VerO., die Prüfung derjenigen, welche die selbständige Ausführung und Leitung von Bauten übernehmen wollen, betreffend, vom 3. Feb. 1863 § 4, RB Sa-Wei-Ei 1863, S. 21. 876 VerO., die Prüfung derjenigen, welche die selbständige Ausführung und Leitung von Bauten übernehmen wollen, betreffend, vom 3. Feb.1863 § 2, RB Sa-Wei-Ei 1863, S. 21. 877 VerO., die Prüfung derjenigen, welche die selbständige Ausführung und Leitung von Bauten übernehmen wollen, betreffend, vom 3. Feb. 1863 §§ 6 ff., RB Sa-Wei-Ei 1863, S. 21. 878 VerO., die Prüfung derjenigen, welche die selbständige Ausführung und Leitung von Bauten übernehmen wollen, betreffend, vom 3. Feb. 1863 § 14, RB Sa-Wei-Ei 1863, S. 21. 879 P. Möslein, Die Gew.gesetzgebung der Thüringer Hermgtümer, S.71 f.; zum sächsischen Gew.gesetz von 1861 Kap. 4 IV 7a. 880
VerO. zur Ausführung der Gew.O. vom 12. Nov. 1862 § 12, RB Sa-Wei-Ei 1862, S.189.
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
freier Assoziation mit anderen (§ 48) ausüben. Alle aus dem Zunftzwang fließenden Veroietungsrechte waren aufgehoben (§ 42).881 Ein Zwang zum Beitritt zu den als Genossenschaften fortbestehenden Innungen fand nicht mehr statt (§§ 74, 76). Es stand den Genossenschaften frei, die Mitgliedschaft von der Ablegung eines Befahigungsnachweises abhängig zu machen. 882 Die Aufgaben der Innungen reduzierten sich neben dem Betrieb von Fachschulen und ähnlichen gemeinnützigen Anstalten sowie der sozialen Unterstützung auf die Ordnung der Beziehungen der Mitglieder untereinander sowie zu ihren Lehrlingen und Gehilfen (§ 76). Die Annahme von Lehrlingen und Gesellen unterlag nur noch den gesetzlich angeordneten Beschränkungen und war im übrigen der freien Vereinbarung anheimgegeben. 883 Dem Lehrling, der als zum Zwecke der Erlernung eines Gewerbes bei einem selbständigen Gewerbetreibenden Beschäftigter defmiert wurde (§ 65), war nach Abschluß der Lehre auf Verlangen über die Dauer der Lehrzeit und die erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten ein Zeugnis auszustellen (§ 72), wobei eine vertraglich ausbedungene Probezeit in die Lehrzeit eingerechnet wurde (§ 68). Der Wanderzwang griff nicht mehr Platz und die Führung von Arbeitsbüchern war den Gesellen freigestellt. 884 Betriebe mit mehr als 20 Arbeitern hatten eine die Modalitäten des Arbeitsverhältnisses enthaltende Fabrikordnung bekanntzumachen (§ 64).885
bb) Sachsen-Meiningen
Im 1826 aus der Neuordnung der wettinischen Herzogtümer hervorgegangenen Herzogtum Sachsen-Meiningen wurde die für das ehemalige Herzogtum Sacbsen-Coburg-Meiningen erlassene Verordnung vom 1. Feb. 1815 über die Aufhebung des lokalen Innungszwangs886 durch ein Ausschreiben vom 28. Aug. 1839887 auf das ganze Territorium ausgedehnt. Gleiches geschah mit der Verordnung des früheren Herzogtums Sachsen-Hildburghausen vom 10. Dez. 1812, die für die Maurer, Zimmerleute, Tischler, Glaser, Schlosser 881 Vgl. dazu das Gesetz über die für den Wegfall innungsmäßiger Verbietungsrechte zu leistende Entschädigung vom 8. Okt. 1862, RB Sa-Wei-Ei 1862, S. 183. 882
verO. zur Ausführung der Gew.O. vom 12. Nov. 1862 § 51, RB Sa-Wei-Ei 1862, S.189.
883 VerO. zur Ausführung der Gew.O. vom 12. Nov.1862 884
§ 42, RB Sa-Wei-Ei 1862, S.189.
VerO. zur Ausführung der Gew.O. vom 12. Nov.1862 §§ 43, 44, RBSa-Wei-Ei 1862, S.189.
885 Vgl. zur Regelung des Fabrikarbeitsverhältnisses G. Strobel, Zum Fabrikarbeitsvertrag in Deutschland, S. 74 f. 886
P. Mäslein, Die Gew.gesetzgebung der 'Thüringer Herzogtümer, S. 21 f.
Ausschreiben der Herzogt. S. Meiningischen Landesregierung 2, S.41. Dazu G. Hanssen, Sacbsen-Meiningensche Gesetzgebung, S. 261. 887
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
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und Töpfer eine Prüfung durch die Baudeputation der Landesregierung angeordnet hatte. 888 Nachdem im Jahre 1839 der Versuch zum Erlaß einer einheitlichen Gewerbeordnung gescheitert war,889 orientierte sich das Gesetz über das Gewerbewesen vom 16. Juni 1862890 weitgehend an den Bestimmungen der Gewerbeordnung für Sachsen-Weimar-Eisenach 891 , von der es allerdings in einigen Punkten nicht unerheblich abwich 892• Der in Sachsen-Weimar-Eisenach geltende Katalog der konzessionspflichtigen Gewerbe wurde um die Kommissionäre, Gesindemäkler und Auktionatoren erweitert, hingegen um die Versicherungsgesellschaften verringert (All 8). Von einem Befähigungsnachweis abhängig war lediglich die selbständige Ausführung und Leitung von Bauten (Art. 16). Der All 47 stellte die Verwendung von Arbeitsbüchern zwar nicht wie in Sachsen-Weimar-Eisenach in das Belieben des Gehilfen, machte sie jedoch selbst auch nicht obligatorisch 893, sondern gestattete ihre verbindliche Einführung. ce) Gotha
Im Herzogtum Gotha hob die Verordnung, die Aufhebung der Innungsbezirke betreffend, vom 2. Jan. 1830894 die örtlichen Verbietungsrechte der Zünfte mit einer Ausnahme für die Weichbilder der Städte Gotha, Ohrdruf und Waltershausen auf. Nach § 1 der Verordnung, die Prüfung der das Meisterrecht suchenden Zimmerer-, Maurer- und Tünchergesellen betreffend, vom 6. Jan. 183089S, die durch die Verordnung, die Prüfung der das Meisterrecht suchenden Schreinergesellen als Bauhandwerker betreffend, vom 26. Jan. 1832896 auf die Tischler erstreckt wurde, wurde zur Examinierung dieser Bauhandwerker von der Landesregierung eine Prüfungskommission instruiert, die aus einem öffentlichen Baubeamten, einem Beamten der städtischen Polizeibehörde und zwei 888 P. Möslein, Die Gew.gesetzgebung der Thüringer Herzogtümer, S. 22. Die Extension erfolgte durch das Generalreskript vom 22. März 1841, P. Möslein, I.c., S. 54. 889
P. Mäslein, Die Gew.gesetzgebung der Thüringer Herzogtümer, S. 53.
890 Sammlung der landesherrlichen VerO.en
im Herzogthum Sachsen-Meiningen 15, S. 67.
891
Kap. 4 IV 7b aa.
892
Dies übersieht P. Mäslein, Die Gew.gesetzgebung der Thüringer Herzogtümer, S. 84.
893
So aber P. Mäslein, Die Gew.gesetzgebung der Thüringer Herzogtümer, S. 83.
GS Go 1 Nr. 41; zur Gotbaer Gew.gesetzgebung im ersten Drinel des 19. Jhs. P. Mäslein, Die Gew.gesetzgebung der Thüringer Herzogtümer, S. 2S ff. 894 89S
OS Go 1 Nr. SO.
896
GS Go 2, S.105.
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
bis drei Handwerksmeistern bestand. Die Prüfung dispensierte nicht von der Erfüllung der Wanderpflicht (§ 3) und mußte auch von denjenigen Bauhandwerkern abgelegt werden, die nicht in eine Zunft eintreten wollten (§ 9). Als Reaktion auf die Handwerkerbewegung ergingen am 24. Sept 1849 provisorische Statuten für die Innungen der Städte Gotha und Ohrdruf, den Stadtbezirk Waltershausen und den Amtsbezirk Ichtershausen 897, deren Geltung durch das Gesetz über die fernere Gültigkeit der provisorischen Statuten, die Verfassung mehrerer Innungen betreffend, vom 18. Sept. 1851 898 auf unbestimmte Zeit verlängert wurde. Einen deutlich gewerbefreiheitlichen Einschnitt in die Gewerbeverfassung bedeutete das Gesetz, einige Bestimmungen über den Gewerbe- und Handelsbetrieb betreffend, vom 29. Juli 1859 899• Es hob den 1830 nicht angetasteten Zunftdistriktsbann der Zünfte in Gotha, Ohrdruf und Waltershausen auf, so daß jeder Gewerbetreibende sein Gewerbe im ganzen Herzogtum ausüben konnte (§ 1). Beseitigt wurden gleichfalls Beschränkungen der Befugnis zum Handel mit Produkten des jeweiligen Gewerbes (§ 2) und der Lehrlings- und Gesellenbeschäftigung (§ 4) sowie der Wanderzwang (§ 5). Die Absolvierung einer unzünftigen Lehre in einem Ort, in weIchem für das betreffende Gewerbe keine Zünfte bestanden, sollte die Erlangung des Meisterrechts an Orten mit Zunftbindung des Gewerbes nicht hindern (§ 6).900 Insbesondere wurde vorbehalten, den Zünften den Befähigungsnachweis zu entziehen und ihn administrativ zu ordnen (§ 7). Fortgesetzt wurde der eingeschlagene Weg durch die Gewerbeordnung für das Herzogtum Gotha vom 21. März 1863 901 , deren Inhalt weitgehend mit dem der sachsen-weimar-eisenachischen Gewerbeordnung übereinstimmte 902• In den hier relevanten Belangen lagen die Abweichungen in der Gleichstellung der Preß- mit den anderen konzessionspflichti-
897 Provisorisches Statut, die Verfassung der Innungen der Residenzstadt Gotha betreffend, vom 24. Sept. 1849, GS Go 6, S.375; dto. der Stadt Ohrdruf, vom 24. Sept. 1849, l.c., S.387; dto. im Stadtbezirk Waltershauscn, vom 24. Sept. 1849, l.c., S. 399; dto. im Amtsbezirk Ichtershausen, vom 24. Sept. 1849, l.c., S. 411. Dazu P. Mäslein, Die Gew.gcsettgebung der 'Thüringer Herzogtümer, S. 57 ff.; zur Hw.crbewegung Kap. 4 III 2b. 898
GS Go 7, S. 9.
899
GS Go 10, S. 711.
900 Der nach der Hw.erbewegung ausgearbeitete Plan, in den zunftfreien Bezirken Zünfte mit vertraglicher Lehrzeit aber obligatorischem Gesellenstück und Meisterprüfung 2lI bilden, A1ttenstücke, die Reform des Gewerbwesens betreffend, Nr. 9 §§ 1, 10, 14, 15, war nicht verwirldicht worden. 901 GS Go 12, S.73; ergänzend das Entschädigungsgcselz vom 21. März 1863, l.c, S. 113. Vorschläge 2lIr Neuordnung des Gew.wcsens waren bereits 1860 in gewerbefreiheitlicher Tendenz von H.M., Entwurf eines Gew.gesetzcs für die thüringischen Staaten, §§ 6 ff., vorgelegt worden.
902
Zu Sachscn-Weimar-Eisenach Kap. 4 IV 7b aa.
IV. Die einzel staatliche Gewerbegesetzgebung
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gen Gewerben (§ 7 Nr. 1) und auf dem Gebiete des Befähigungsnachweises. 903 So hob § 43 hervor, daß der Inhaber eines Realrechts gleichwohl die für das einschlägige Gewerbe erforderten Bedingungen in eigener Person oder durch einen Stellvertreter oder Pächter zu erfüllen hatte. Der in Sachsen-Weimar-Eisenach für den Hufbeschlag vorgesehene Befähigungsnachweis entfiel, da laut § 18 nur die Ausübung der Bauhandwerke von einem solchen abhängig sein sollte. Diesbezüglich lag eine Abweichung auch in der Übernahme der Bestimmung aus dem königlich-sächsischen Gewerbegesetz, daß zur Ausführung der nicht mit Feuerungsanlagen versehenen landwirtschaftlichen Bauten die Ablegung einer Prüfung nicht erforderlich war (§ 18).904 Während nach § 29 der Verordnung zur Ausführung der Gewerbeordnung Sachsen-Weimar-Eisenachs vom 12. Nov. 1862905 die Grenze, ab der für die betreffende Arbeit der Befähigungsnachweis obligatorisch war, für den Bau von steinernen Brücken bei einer Durchlaßöffnung von fünf Fuß und für die Errichtung von Brücken mit hölzerner Fahrbahn bei einer Länge der Straßenbäume von 12 Fuß gezogen wurde, erweiterte § 37 der gothaischen Verordnung über Ausführung der Gewerbeordnung vom 26. Mai 1863906 diese Maße auf 10 bzw. 15 Fuß. Noch nach § 1 der gothaischen Verordnung, die Meisterprüfung der Bauhandwerker betreffend, vom 10. Aug. 1858 907 hatten sich alle Zimmerleute, Maurer, Tüncher, Schreiner, Mühlenbauer und Töpfer in ihrem Heimatbezirk (§ 6) einer Prüfung vor einer aus dem Bezirks- bzw. Stadtbaumeister und zwei Meistern des jeweiligen Gewerbes, die von den Innungsgenossen aus ihrer Mitte auf fünf Jahre gewählt wurden (§ 4), bestehenden Prüfungskommission (§ 3) zu unterziehen. Bestand der Kandidat eine Vorprüfung durch den Bezirksbzw. Stadtbaumeister (§ 7), so folgte die Hauptprüfung, die sich aus schriftlichen Arbeiten, Zeichnungen, Modellierungen und erforderlichenfalls einer mündlichen Prüfung zusammensetzte (§ 8). Die zünftischen Meisterstücke wurden abgeschafft und allein bei denjenigen Schreinern, die in der Prüfung nur die Mindestanforderungen erfüllt hatten, weiter zugelassen (§ 13). Über das Ergebnis der Prüfung beschloß die Kommission zwar mit Stimmenmehrheit, jedoch konnte der überstimmte Bezirks- bzw. Stadtbaumeister die Frage einem höheren Techniker des Staatsministeriums zur Entscheidung vorlegen (§ 10). Eine derartige, auch in Sachsen-Weimar-Eisenach vorgeschriebene Prüfung 903 Übersicht über die Abweichungen bei HA. Mascher, Das Dt. Gew.wesen, S. 631 f.; P. Möslein, Die Gew.gesetzgebung der Thüringer Herzogtümer, S. 84 f.
904
Zum Königreich Sachsen Kap. 4 IV 7a.
90S
RB Sa-Wei-Ei 1862, S.189.
906
GS Go 12, S. 137.
907
GS Go 10, S. 491.
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
war gem. § 38 Iit.d der gothaischen Ausführungsverordnung vom 26. Mai 1863 nur eine Möglichkeit zur Führung des Befähigungsnachweises. Daneben standen die Erfüllung der Voraussetzungen für die Anstellung im Staatsdienst für das Land- und Hochbauwesen (§ 38Iita), der durchgehende Besuch eines Kurses an der Baugewerbeschule zu Gotha (§ 38 Iit.b) oder der Besuch einer auswärtigen Bauschule (§ 38 litc). Überdies war die Ablegung einer förmlichen Prüfung nur für Maurer und Zimmerleute vorgesehen; sie konnten mit der Examinierung durch Lehrer der Baugewemeschule zu Gotha die Berechtigung entweder für die Ausübung beider oder nur für eines der beiden Gewerbe erlangen, wobei sie in letzterem Fall die in ihr Fach hinüberreichenden Präliminarien des jeweils anderen Gewerbes beherrschen mußten. 908 Insgesamt ist es in Anbetracht der dargelegten Abweichungen nicht unberechtigt, die Gewerbeordnung Gothas gegenüber der für Sachsen-Weimar-Eisenach als freiheitlicher zu bezeichnen. 909
dd) Sachsen-AJtenburg
Bedeutsame gewerberechtliche Normierungen ergingen im Herzogtum Sachsen-Altenburg während der ersten Hälfte des 19. Jbs. nicht Erwähnt werden sollen nur die 1813 erfolgte Einführung des Wanderbuchs und die Abhängigmachung des Gewerbebetriebs auf dem Lande von einer ausdrücklichen landesherrlichen Konzession. 910 Die im Jahre 1835 vorgebrachten Vorschläge der Landesregierung für neue Innungsverhältnisse mit einigen Lockerungen der Zwangsrechte911 wurden nicht verwirklicht Eine Verordnung vom 12. Juli 1838912 bestimmte, daß zur Ablösung des Meisterstücks durch eine Geldzahlung neben der Zustimmung der Innung auch die der Landesregierung erforderlich war. Das Zunftgebührenwesen wurde durch die Verordnung vom 31. Jan.1848 913 und durch die Verordnung, die Regelung der Zunftgebühren und einiger anderer Verhältnisse des Zunftwesens betreffend, vom 25. Mai
908 Regulativ über die Prüfung der BauGew.treibenden vom 9. Aug. 1863 §§ I, 2, 5, GS Go 12, S.277. 909
So HA. Mascher, Das Dt. Gew.wesen, S. 631.
910
P. Möslein, Die Gew.gesetzgebung der Thüringer Herzogtümer, S. 43 f.
911
Landesregierung Herzogtum Sachsen-AJtenburg, Verbesserung des Innungswesens, Sp.2269
ff.
912
Kamptz' Ann. 22 (1838), 4, S. 1058.
913
GS Sa-Alt 1848, S. 2.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
487
1857914 reformiert. Für die Maurer und Zimmerer ergingen das Regulativ, die Vorprüfungen der Bauhandwerker betreffend, vom 9. März 1854915, das eine Vorprüfung durch eine aus bewährten Bautechnikern bestehende Prüfungskommission, die von der Landesregierung gebildet wurde, im Lesen, Schreiben und Rechnen, in der Geometrie und Zeichenkunst sowie dem Verständnis von Baurissen und baupolizeilichen Vorschriften vor der Zulassung zum zünftigen Meisterstück anordnete, und die Verordnung, die Erweiterung des Arbeitsgebiets der hierländischen Bauinnungen betreffend, vom 4. Sept 1860916, die den Zunftdistriktsbann aufhob. Auch die sachsen-altenburgische Gewerbeordnung vom 31. März 1863 911 schloß sich eng an das Vorbild Sachsen-Weimar-Eisenachs 918 an. Anders als dort aber waren zusätzlich die Gewerbe der Abdecker, Kammerjäger, Spielkartenhersteller, Agenten, Kommissionäre, Gesindemäkler, Darlehensvermittler, Auktionatoren und Händler mit ausländischen Spielkarten konzessionspflichtig (§ 8 Nr. I 4, 5, 7, II 3, 4). Über die Regelung in SachsenWeimar-Eisenach hinaus unterlagen noch das öffentliche Musizieren in den Städten sowie die Errichtung und der Betrieb von öffentlichen Bade- und Schwimmanstalten sowie von Tumanstalten für Erwachsene der Regulierung durch die Ortsobrigkeit (§ 13 Nr. 1 und 4). Die Anforderungen an die Qualifikation des Inhabers eines Realrechts waren dieselben wie im Herzogtum Gotha (§ 47).919 Anders als in Sachsen-Meiningen wurden die Arbeitsbücher unmittelbar vorgeschrieben. 92O Hinsichtlich des Befahigungsnachweises für die Ausübung des Hufbeschlags (§ 16) blieben die bisherigen Vorschriften in Kraft,921 nach welchen die Bewerber sich vor der Zulassung zum Meisterstück einer Prüfung durch einen besonders verpflichteten Tierarzt unterziehen mußten 922, sofern sie zuvor eine Hutbeschlagschule mit Erfolg absolviert hatten 923• 914 915 916 911
GS Sa-Alt 1857, S. 162.
918 919
Dazu Kap. 4 IV 7b aa.
GS Sa-Alt 1854, S.119. GS Sa-Alt 1860, S. 96.
GS Sa-A1t 1863, S.15; ergänzend das Gesetz, die für den Wegfall gewisser Verbietungsrechte zu leistende Entschädigung betreffend, vom 31. März 1863, I.c., S. 70. VgI. Kap.4 IV 7b cc. Diese Abweichung von der Regelung in Sachsen-Weimar-Eisenach übersehen HA. Mascher, Das Dt. Gew.wcscn, S. 632 f.; P. Möslein, Die Gew.gesetzgebung der Thüringer Herzogtümer, S. 87 f. 920 VerO., die Arbeitsbücher des gew.en Hilfspcrsonals betreffend, vom 31. März 1863, GS SaAlt 1863, S. 61; zu Sachsen-Meiningen Kap. 4IV 7b bb.
921
VerO. zur Ausführung der Gew.O. vom 31. März 1863 § 23, GS Sa-A1t 1863, S. 40.
VerO., die Befähigung der Hufschmiede zum Hufbeschlag betr., vom 10. Jan. 1848, GS Sa-A1t 1848, S. 1. 922
923 Bekanntmachung vom 26. Juni 1854, GS Sa-A1t 1854, S. 156. Eine Hufbeschlagschule in A1tenburg wurde durch die verO. vom 10. Okt. 1850, l.c. 1850, S. 201, errichtet. 32 Ziekow
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Der nach § 16 von den Bauhandwerkern zu erbringende Befahigungsnachweis galt nicht für die Dach- und Schieferdecker, Steinmetzen, Stubenmaler und Tüncher, also ausschließlich für die Maurer und Zimmerleute; bei den höheren Staatsbaubeamten wurde das Vorhandensein der Qualifikation unterstellt. 924 Von ungeprüften Bauhandwerkern ausgeführt werden konnten insbesondere alle Gebäude ohne Feuerungsanlage und Gewölbe, die höchstens 10 Ellen tief und ein Stockwerk hoch waren, sowie Brücken aus Stein mit Durchlaßöffnungen bis zu zweieinhalb Ellen und aus Holz mit Trägerlängen bis zu sechs Ellen. 92S Wie in Sachsen-Weimar-Eisenach, aber anders als in Gotha konnte der Befahigungsnachweis nur durch das Bestehen einer Staatsprüfung geführt werden. 926 Laut § 3 der Verordnung, die zum Nachweis der Befahigung zur selbständigen Ausführung und Leitung von Bauten abzulegende Prüfung betreffend, vom 8. Juli 1863 927 wurden die Maurer und Zimmerer von einer aus bewährten Bautechnikern in AItenburg gebildeten Kommission (§ 1) einer mündlichen und schriftlichen Vorprüfung sowie - wenn sie letztere bestanden haUen (§ 7) - einer Probearbeit unterzogen. Im Rahmen dieses praktischen Teils waren ein Entwurf und eine Zeichnung sowie gegebenenfalls ein Modell anzufertigen und ein diesbezüglicher Kostenanschlag zu erstellen; dabei sollte darauf geachtet werden, daß die Grenzziehung zwischen dem Handwerker und "dem akademisch gebildeten Baumeister" gewahrt blieb (§ 8). Eine Wiederholungsprüfung konnte in der Regel erst nach einem Jahr, jedoch mit der Möglichkeit einer bloßen Teilprüfung stattfinden (§ 10). Obwohl etwa die in Sachsen-Weimar-Eisenach für Bauhandwerker vorgeschriebene dreijährige Gesellenzeit nicht erfordert wurde, traten insgesamt in der sachsen-altenburgischen Gewerbeordnung die Elemente der Gewerbebindung gegenüber den übrigen thüringischen Staaten deutlicher hervor. ee) Coburg
Im Herzogtum Coburg bildete das herzogliche Sachsen-Coburg-Saalfeldische allgemeine Innungsgesetz vom 25. Mai 1803 noch in den ersten beiden Dritteln des 19. Jhs. die Grundlage der Gewerbeverfassung, zumal es Restrik-
924
VerO. zur Ausführung der Gew.O. vom 31. März 1863 § 24, GS Sa-Alt 1863, S. 40.
92S
VerO. zur Ausführung der Gew.O. vom 31. März 1863 § 25, GS Sa-Alt 1863, S. 40.
926 VerO. zur Ausführung der Gew.O. vom 31. März 1863 § 24, GS Sa-Alt 1863, S. 40. Zu Sachsen-Weimar-Eisenach Kap. 4 IV 7b aa; zu Gotha l.c. ce. 'l1.7
GS Sa-Alt 1863, S. 130.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
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tionen wie die Begrenzung der MitarbeiteIZahl bereits beseitigt hatte. 92B• Zwei Bekanntmachungen vom 10. Apr. und 12. Mai 1802929 forderten von den Maurern und Zimmerleuten neben dem zünftischen Meisterstück die Ablegung einer aus einem theoretischen Teil, einem Proberiß und einem Kostenanschlag bestehenden Prüfung vor dem herzoglichen Baudepartement Wanderbücher wurden durch die Verordnung vom 19. März 1811 930 eingeführt Nachdem die Verordnung über die Erleichterung des Zunftzwangs und die Begrenzung der Zunftbezirke vom 20. Aug. 1841931 den Zunftdistriktsbann aufgehoben (§ 1), hiervon aber die Zünfte der Residenzstadt Coburg wegen der von ihren Genossen zu tragenden höheren Abgaben und Kosten ausgenommen hatte (§ 2), erklärte sich § 1 des Gesetzes, einige Bestimmungen über den Gewerbe- und Handelsbetrieb betreffend, vom 25. Juni 1859932 auch gegen diese Besonderheit. Im übrigen stimmte sein Inhalt mit dem gleichnamigen Gesetz des Herzogtums Gotha überein. 933 Das Gewerbegesetz für das Herzogtum Coburg vom 26. Juni 1863 934 wich insofern von der Gewerbeordnung für Sachsen-Weimar-Eisenach ab, als es die dort verwendete Unterscheidung von konzessionierten und einer örtlichen Regulierung unterliegenden Gewerben nicht kannte, dafür aber die Ausübung derselben Gewerbe unter Auslassung der Versicherungsgesellschaften und der Versorgung der Gemeinden mit Gas und Wasser und unter Hinzufügung der Tanzschulen, Turn-, Schwimm- und Badeanstalten, Kommissionäre, Mäkler und Abdecker von der Zustimmung der zuständigen Behörde abhängig machte (Art. 6). Weiterhin wurde der Betrieb der Preßgewerbe im Gewerbegesetz selbst für konzessionspOichtig bestimmt (Art. 7)935 und ein Befähigungsnachweis nur für das Baugewerbe verlangt (Art. 8). Dabei war der Kreis derjenigen 92B Kap.3 III 4 m. Anm. 408; insgesamt zum Innungsgesetz von 1803 P. Möslein, Die Gew.gesetzgebung der Thüringer Herzogtümer, S. 6 ff. 929
Realrepertorium der Herzoglichen Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Landes-Gesetze, S. 22 f.
930
HerzogI.Sachsen-Coburg-Saalfeldisches Regierungs- und Intelligenzblatt 1811, Sp. 209.
931
GS Co 1840 -1844, S. 113.
GS Co 1858 -1860, S. 313; dazu P. Möslein, Die Gew.gesetzgebung der Thüringer Herzogtümer, S. 49 ff. 932 933
Dazu Kap. 4 IV 7b cc.
GS Co 1862 -1864, S. 489. Zur Entstehung P. Möslein, Die Gew.gesetzgebung der Thüringer Herzogtümer, S. 85 f. Ergänzend das Gesetz, die Entschädigung für den Wegfall der gew.en Verbietungs-, Zwangs- u. Bannrechte betreffend, vom 28. Juni 1863, GS Co 1862 -1864, S. 529. 934
935 An dieser Frage war das Zustandekommen des Gew.gesetzes zunächst gescheitert, da der Landtag die Befreiung der PreßGew. von der Konzessionspflicht forderte, Anonymus, Das Gew.gesetz u. der Coburger Landtag, S.3 ff.; L. Oberländer, Das Coburger Ministerium u. das Gew.gesetz, S. 3 ff.
490
Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Arbeiten, die nur geprüfte Bauhandwerker ausführen durften, durch § 6 der Verordnung über die Ausführung des Gewerbegesetzes vom 26. Juni 1863 936 weiter gezogen als in Gotha und auf alle Neubauten mit Feuerungsanlagen oder an Straßen oder öffentlichen Plätzen oder mit besonderen Konstruktionen und alle Reparaturen an Feuerungsanlagen erstreckt. Dagegen entsprachen die durch § 7 der Ausführungsverordnung eröffneten Möglichkeiten zur Führung des Befahigungsnachweises und das Regulativ über die Prüfung der Baugewerbetreibenden vom 3. Feb. 1864937 wörtlich der Regelung in Gotha. 938 ft) Schwarzburg-Rudolstadt
Die erste bedeutende Gewerberechtsetzung des Fürstentums SchwarzburgRudolstadt nach dem Innungsgesetz vom 30. Jan. 1828 war die Gewerbeordnung für das Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt vom 8. Apr. 1864939• Die einzigen hier zu behandelnden Abweichungen von der Regelung in SachsenWeimar-Eisenach waren die zusätzliche Unterstellung der Kommissionäre, Mäkler und Auktionatoren unter die Konzessionspflicht (§ 8 Nr. 3) und der Errichtung und Unterhaltung von Bade- und Schwimmanstalten unter das Erfordernis ortspolizeilicher Erlaubnis (§ 15).940 Ein Befahigungsnachweis war nur zu führen für die Ausübung des Hufbeschlags oder eines Bauhandwerks (§ 18). Die diesbezüglich in den §§ 27 und 28 der Verordnung zur Ausführung der Gewerbeordnung vom 8. Juli 1864941 getroffenen Festsetzungen entsprachen vollständig denen in Sachsen-Weimar-Eisenach. Ergänzend bestimmte für den Hufbeschlag § 1 der Verordnung, die Prüfung der Hufschmiede betreffend, vom 24. März 1865942, daß im Falle der Darlegung der Befahigung durch eine Prüfung diese theoretisch und praktisch durch das Beschlagen eines Pferdes vom Land- bzw. Kreistierarzt unter Zuziehung eines Hufschmieds abgenommen werden sollte. Auch die Normierung der Prüfung der Bauhandwerker im
936
GS Co 1862 -1864, S. 509.
937
GS Co 1862 -1864, S. 715.
938
Zu Gotha Kap. 4 IV 7b ce.
939 GS Schwa-Ru 1864, S. 61; ergänzend das Gesetz, die für den Wegfall innungsmäßiger Verbietungsrechte 1lI leistende Entschädigung betreffend, vom 9. Juli 1864, I.c., S. 158. Das Innungsgesetz von 1828 ist erwähnt in der Bekanntmachung vom 28. Apr. 1851, I.c. 1851, S.23; ein Text konnte jedoch nicht bibliographiert werden.
940
Zu Sachsen-Weimar-Eisenach Kap. 4 IV 7b aa.
941
GS Schwa-Ru 1864, S. 135.
942
GS Schwa-Ru 1865, S. 13.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
491
Prüfungsregulativ für Bauhandwerker vom 22 Dez. 1865943 folgte weitgehend der der sachsen-weimar-eisenachischen Prüfungsverordnung von 1863. Unterschiede bestanden in der Zusammensetzung der Kommission aus einem fürstlichen Baubeamten und zwei von diesem aus einer Vorschlagsliste der Regierung ausgewählten Bauhandwerkern (§ 2) sowie in der Gewichtung innerhalb des praktischen Prüfungsteils. Die in Sachsen-Weimar-Eisenach bestehende Präferenz Modell-Meisterbau 944 kehrte § 6 Nr. 3 des schwarzburg-rudolstädter Regulativs um, so daß es in den §§ 12 ff. allein die Ausführung des Meisterbaus regelte, während die Verordnung Sacbsen-Weimar-Eisenachs ausschließlich Festsetzungen über die Anfertigung eines Modells enthielt 945• Diese Erschwerung und die Ausdehnung der Konzessionspflicht zeigen, daß die Gewerbeordnung Schwarzburg-Rudolstadts hinter den Freigaben der sachsen-weimareisenachischen zurückblieb.
gg) Schwarzburg-Sondershausen
Das Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen, das durch das Regulativ in Betreff des Wanderns der Gewerbsgehilfen vom 24. Aug. 1838946 die Wanderbücher eingeführt hatte, unternahm mit dem Allgemeinen Innungsgesetz vom 21. Aug. 1844947 den Versuch einer Liberalisierung des Zunftwesens. Das Gesetz über die Innungen und Zünfte des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach vom Jahre 1821 wurde rezipiert, jedoch mit einer gewerbefreiheitlichen Tendenz abgewandelt 948 So fehlten die Beschränkungen des Landhandwerks, die Zuschickordnung für die Annahme von Gesellen und die Vorschriften über die zünftige Organisation der Kaufmannschaft Für die Lehrlinge wurde die Probezeit von acht auf vier Wochen vennindert (§ 25), die jährliche Prüfung nicht übernommen und die Zuziehung eines fürstlichen Baubeamten zur Gesellenprüfung in den Bauhandwerken angeordnet (§ 44). Zwei Jahre der Wanderzeit konnten durch den einjährigen Besuch einer namhaften auswärtigen Handwerks- und Gewerbeschule ersetzt werden (§ 53), die Ablösung kleinerer 943
GS Schwa-Ru 1866, S. 1.
VerO., die Prüfung derjenigen, welche die selbständige Ausführung und Leitung von Bauten übernehmen wollen, betreffend, vom 3. Feb.1863 § 6Iit.c, RB Sa-Wei-Ei 1863, S. 21. 944
945 VerO., die Prüfung derjenigen, welche die selbständige Ausführung und Leitung von Bauten übernehmen wollen, betreffend, vom 3. Feb. 1863 § 12, RB Sa-Wei-Ei 1863, S. 21.
946
GS Schwa-So 1838, S.141.
GS Schwa-So 1844, S. 248. Zum Einfluß der Gesetzgebung auf die Bäcker in Arnstadt vgl. E. Stahl, Die Auswirkungen der Gew .freiheit auf das BäckerHw. in der Stadt Arnstadt, S. 19 ff. 947 948
Zu Sachsen-Weimar-Eisenach Kap. 4 IV 7b aa.
492
Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Fehler der Meisterstücke durch Zahlung einer Geldbuße wurde verboten (§ 106). Im Gegensatz zur sachsen-weimar-eisenachischen Regelung enthielt das Innungsgesetz Schwarzburg-Sondershausens nicht das Postulat der unbegrenzten Lehrlingsausbildung, sondern machte in § 23 die Zahl der einem Meister zugestandenen Lehrlinge von der Zahl der beschäftigten Gesellen abhängig. Da diese jedoch unbegrenzt war (§ 97litc), war die Ausdehnung der Ausbildungskapazität allein von dem Belieben des Meisters abhängig, während sie in Sachsen-Weimar-Eisenach unter dem Vorbehalt zünftischer bzw. obrigkeitlicher Regulierung stand. Auf diese liberale Grundhaltung zurückzuführen ist es wohl, daß das Gesetz 1848 der Handwerkerbewegung zum Opfer fiel. 949 Das Provisorische Gesetz, das Innungswesen betreffend, vom 21. Okt. 1851 950 restituierte allein die den Zunftzwang regelnden §§ 13-16 und 117. Seit 1853 erging eine Reihe von Vorschriften, die das Prüfungswesen einzelner Handwerke regelten. Eine Ausnahmeerscheinung dürfte die Verordnung, betreffend die Prüfung der Buchhändler und Buchdrucker zum Zwecke ihres Gewerbebetriebes, vom 11. Juni 1853 951 bilden. Nach deren § 4 mußten sich jene Gewerbetreibenden einer schriftlichen und mündlichen, die Buchdrucker zusätzlich einer technischen Prüfung durch eine Kommission unterziehen, die aus dem Bezirksvorstand und einem von ihm ernannten Buchhändler bzw. -drucker sowie nötigenfalls anderen Sachverständigen bestand (§ 3). Hingegen verblieb die Prüfung der Bauhandwerker allein bei den Innungen, denen allerdings die Prüfungsinhalte detailliert vorgeschrieben wurden. 95z Die Gewerbeordnung für das Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen vom 14. Nov. 1865953 erweiterte gegenüber der sachsen-weimar-eisenachischen Gewerbeordnung den Kreis der Konzessionsgewerbe um die Kommissionäre, Mäkler, Abdecker, Kammerjäger sowie Fabrikanten und Händler von Spielkarten (§ 7 Nr. 4-6) und den der örtlich regulierten Professionen um die Errichtung und den Betrieb von Bade- und Schwimmanstalten (§ 14), womit sie sich der Regelung in Sachsen-Altenburg annäherte. 954 Anders als dort aber war 949 VerO., die Aufhebung des Innungsgesetzes betreffend, vom 28. März 1848, GS Schwa-So 1848, S. 37; zur Hw.erbewegung Kap. 4 III 2b. 950
GS Schwa-So 1851, S. 175.
951
GS Schwa-So 1853, S. 141.
95Z VerO., das Verfahren bei Prüfung der um das Meisterrecht sich bewerbenden ZimmergeselIen belr., vom 24. Feb. 1854, GS Schwa-So 1854, S.123; dto. Maurergesellen vom 8. März 1854, I.c., S. 124; dto. Ziegeldecker- und TÜDchergeselIen vom 13. Sept. 1855, I.c. 1855, S. 65.
953 GS Schwa-So 1865, S.301; ergänzend das Gesetz über Entschädigung für aufgehobene Verbietungs-, Zwangs- oder Bannrechte vom 14. Nov. 1865, l.c., S. 330. 954
Zu Sacbsen-Weimar-Eisenach Kap. 4 IV 7b aa; zu Sachsen-A1tenburg J.c. dd.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbelesetzgebung
493
ein Befähigungsnachweis nur für die selbständige Ausführung und Leitung von Bauten erforderlich (§ 17), dessen Reichweite wiederum den sachsen-altenburgisehen Bestimmungen folgte. 915 Seine Voraussetzungen und Inhalte hingegen orientierten sich an der in Sachsen-Weimar-Eisenach erlassenen Prüfungsordnung, von der sich das Regulativ über die Prüfung der Bauhandwerker vom 14. Aug. 1866956 lediglich darin unterschied, daß eine Prüfung statt zwei- nur einmal im Jahr durchgeführt wurde, dafür aber dem Bewerber die Wahl zwischen den beiden Kommissionen (gem. § 1 in Sondershausen und Arnstadt) blieb (§ 5). Es bestand die an die Regelung im Herzogtum Gotha gemahnende Möglichkeit, eine Gesam1berechtigung zur Ausübung des Zimmerer- wie des Maurerhandwerks zu erwerben (§ 16).957 In diesem Falle traten zu dem Bezirksbaubeamten als Vorsitzendem der Kommission und dem bei der mündlichen Prüfung zuzuziehenden Protokollführer zwei Zimmer- und zwei Maurermeister nicht alternativ, sondern kumulativ (§ 2). hh) Reuß jüngere Linie
Nach der Gewerbeordnung für das Fürstentum Reuß j.L. vom 11. Apr. 1863958 waren über die in Sachsen-Weimar-Eisenach getroffene Regelung hinaus die Abdecker dem Konzessionszwang (§ 8 Nr. 5) und das Musizieren an öffentlichen Orten sowie die Errichtung und der Betrieb von Turn-, Bade- und Schwimmanstalten der lokalen Regulierung (§ 15 Nr. 1 und 5) unterworfen. 959 Für den von § 18 für die Ausübung des Hufbeschlags geforderten Befähigungsnachweis galt laut § 24 der Verordnung zur Ausführung der Gewerbeordnung vom 8. Juni 1863860 die Verordnung, den Unterricht im Hufbeschlag betreffend, vom 8. Feb. 1853961 , nach welcher die künftigen Hufschmiede an einem vom Landtierarzt erteilten Unterricht teilzunehmen hatten. Die Auflistung derjenigen Arbeiten, für die die Bauhandwerker eines Befähigungsnachweises bedurften (§ 18), entsprach wörtlich der Regelung in Sachsen-Altenburg. 962 955
VerO. zur Ausführung der Oew.O. vom 4. Dez. 1865 § 22, OS Schwa-So 1865, S. 353.
956
OS Schwa-So 1866, S. 135.
957
Zum Herzogtum Gotha Kap. 4 IV 7b CC.
958
OS ReuB j.L. 1862 -1863, S. 299.
959
Zu Sachscn-Weimar-Eisenach Kap. 4 IV 7b aa.
860
OS ReuB j.L. 1863 -1865, S. 31.
961
OS ReuB jL. 1852 -1853, S. 270.
962 VerO. zur Ausführung der Oew.O. vom 8. Juni 1863 § 26, OS ReuB j.L. 1863 -1865, S. 31; zu Sachsen-Altenburg Kap. 4 IV 7b dd.
494
Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Gem. § 25 der Ausführungsverordnung blieb für die Modalitäten eine Verordnung vom 22. Feb. 1861963 maßgebend. ii) Reuß ältere Linie
Im Fürstentum Reuß ältere Linie war die Zunftverfassung nur wenig von obrigkeitlichen Eingriffen geschmälert worden. Der Innungsbrief des vereinigten Handwerks der Zeugmaeher und Leineweber vom 22.0kt. 1856964 bestätigte ausdrücklich das Verbietungsrecht der Zunft gegen Nichtmitglieder (Art VII § 1). Ein aufzunehmender Lehrling mußte Lesen, Schreiben und Rechnen können (Art. m § 1) sowie eine vierzehntägige bis vierwöchige Probezeit absolvieren (Art. m § 4). Sogar der Erlaß eines Lehrjahrs für Meistersöhne wurde beibehalten (Art. m § 4). Der Einbruch neuzeitlicher Bildungselemente lag lediglich in dem obligatorischen Besuch der Fortbildungsschule für Handwerker während der Lehrzeit (Art. m § 10). Derselbe war auch Voraussetzung für die Erlangung eines Dispenses von der zweijährigen Wanderzeit (Art. I § 1). Das Meisterstück (Art I § 4) wurde ohne obrigkeitliche Mitwirkung durch den Obermeister und die Beisitzer, die von den Stadtmeistern aus ihrer Mitte gewählt wurden (Art. VI § 1), sowie zwei Schaumeister bewertet (Art I § 6). Leichtere Fehler waren durch Zahlung einer Geldbuße ablösbar, während bei schweren Fehlern die Zurückweisung auf ein Jahr erfolgte (Art. I § 8). Nicht in einer Innung gebundene Gewerbe waren nicht frei, sondern bedurften einer Konzession der Landesregierung. 96S Die Gewerbeordnung vom 27. Apr. 1868966 übernahm hinsichtlich des Kreises der konzessionspflichtigen (§ 8) und der örtlich regulierten Gewerbe (§ 14) sowie der Vertretung eines unqualifIZierten Inhabers eines Realrechts (§ 46) die in Sachsen-A1tenburg getroffenen Festsetzungen. 967 Zwar hatte § 17 der Gewerbeordnung die Ausübung des Hufbeschlags und der Bauhandwerke vom Nachweis der Befähigung abhängig gemacht, jedoch war dieses Erfordernis durch § 2 des Bundesgesetzes, betreffend den Betrieb der stehenden Gewerbe,
963
In der GS ReuB j.L. nicht abgedruckt.
964
GS ReuB ä.L. 1856, S. 229.
VerO., die Erteilung von Gewerbskonzessionen und Gestattung von Neubauten betreffend, vom 17. Aug. 1853 § 1, GS ReuB ä.L. 1853, S. 194. 96S
966 GS Reuß ä.L. 1868, S.169; ergänzend das Gesetz, die Entschädigung für den Wegfall gewisser Verbietungsrechte betreffend, vom 27. Apr.1868, I.c., S. 203. 967
Zu Sachsen-Alten burg Kap. 4 IV 7b dd.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
495
vom 8. Juli 1868968 beseitigt worden. § 24 der Verordnung, die Ausführung der Gewerbeordnung betreffend, vom 28. Okt. 1868969 sah daher neben dem Recht der Innungen zur Forderung eines Meisterstücks nur eine fakultative Staatsprüfung für jene Gewerbe vor. 8. Hessbiche Staaten a) Kurfürstentum Hessen
Wie die gesamte Verfassung des über längere Zeit mit umfangreicheren Gebietstluktuationen kämpfenden kurhessischen Staates war auch das Gewerbewesen von einer deutlichen Tendenz zur Restauration betroffen. 970 Während in den ehemals zum Königreich Westfalen gehörenden Landesteilen die Zünfte beseitigt worden waren, wurde dieser Schritt in den Gebieten des früheren Großherzogtums Frankfurt nicht mehr vollzogen. 971 Der Lehnhof zu Kassel erklärte in einem Gutachten vom 27. Aug. 1814, das französische Patentsystem habe "weder zum Wohle der Unterthanen, noch zur Erhöhung der Industrie im Vaterlande beygetragen".972 Aus diesem Grunde wurde zur Vorbereitung einer Zunftordnung eine Administrationskommission instruiert, die Zunftmeister und Amtleute zur Stellungnahme aufforderte. Bei der Ausarbeitung des am 21. Juli 1815 vorgelegten Entwurfs wurde auf gewerbefreiheitlich intendierte Voten keine Rücksicht genommen. Allein die Zunftverfassung schien die staatliche Kontrolle des Gewerbes und ein geordnetes Ausbildungswesen zu gewährIeisten.973 Die Kurhessische Zunftordnung vom 5. März 1816974 zeichnete in ihrer Einleitung ein restauratives Reformationsprogramm, getragen von der Abwägung zwischen den Vorteilen der Zunft, insbesondere Ausbildungsförderung,
968
Bundes-Gesetzblatt des Norddeutschen Bundes 1868, S. 406.
969
GS Reuß äL 1868, S. 563.
970
Vgl. T. Klein, Hessische Staaten, S. 648 ff.
G. Hentsch, Gew.O. u. Emanzipation der Juden, S. 22 f. Zur Einführung der Gew.freiheit im Königreich Westfalen Kap. 4 IV 1. 971
972
W. Speitkamp, Restauration als Transformation, S. 394.
W. Speitkamp, Restauration als Transformation, S. 395 Cf.; vgl. auch G. Hentsch, Gew.O. u. Emanzipation der Juden, S. 30 Cf. 973
974 Sammlung von Gesetzen, VerO.en, Ausschreiben u. sonstigen allgemeinen Verfügungen für die kurhessischen Staaten 1816 S. 9. Zu ihr R. Bovensiepen, Die Kurhessische Gew.politik, S. 13 Cf.; W. Sieben, Die wirtschaftliche Lage des ehemals zünftigen Hw.s in Fulda, S. 31 ff.
496
Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Gewerbeabgrenzung, Kontrolle der selbständigen und unselbständigen Gewerbetreibenden, Sicherung der Nahrung und der Agrarproduktion sowie Erhaltung eines staatstragenden Mittelstandes, und ihren unzeitgemäßen Mißbräuchen. § 1 rekonstituierte die Zünfte, die unter der Aufsicht des Oberzunftmeisters standen (§ 195)975; dieser bestellte für jede Zunft einen obrigkeitlichen Deputierten (§ 211). Voraussetzung für die selbständige Ausübung des Gewerbes war der Eintritt in die Zunft (§ 148), dem die Absolvierung der Lehr- und Gesellenzeit sowie die Anfertigung des Meisterstücks voranzugehen hatten (§ 152). Die Annahme als Lehrling hatte Kenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen zur Bedingung (§ 27). Die Lehrzeit wurde durch die Zunftbriefe bestimmt (§ 45), wobei dem Lehrling beim erfolgreichen Durchlaufen der jährlichen Prüfungen ein Sechstel der Zeit erlassen werden konnte (§ 46); am Ende der Lehre stand eine besonders intensive Gesellenprüfung (§ 48). Zur ergänzenden Ausbildung der Lehrlinge war der Besuch nr:u errichteter Handwerksschulen vorgeschrieben (§§ 51 ff.). Die Gesel1enzeit betrug sechs Jahre mit einer Ausnahme für diejenigen, die die Übernahme eines väterlichen oder großväterlichen Betriebs nicht aufschieben konnten (§ 71). Die in den Zunftbriefen vorgeschriebene Wanderzeit blieb verbindlich (§ 73) und sollte in ihrer Gestaltung an einem Verzeichnis anerkannter Handwerksorte ausgerichtet werden (§ 78).976 Das Meisterstück sollte dem Geschmack der Zeit entsprechen und von den Oberzunftmeistern ständig variiert werden (§ 153).977 Den Bauhandwerkern wurde das Meisterstück vom Baumeister des Distrikts bestimmt (§ 153), während die Hufschmiede ein Zeugnis des Kreistierarztes über die in einem vier- bis achtwöchigen Unterricht erlangten Fähigkeiten beizubringen hatten978• Ein einmal verfertigtes Meisterstück galt an aUen Orten des Landes (§ 155). Die gleichzeitige Mitgliedschaft in mehreren Zünften war grundsätzlich verboten (§ 170). Jeder Handwerker durfte nur die von ihm selbst hergesteUten Waren in seiner Werkstatt oder seinem Laden verkaufen (§ 182), während die Arbeit auf Bestellung an keine Zunftbezirke gebunden war (§ 18). Geschlossene Zünfte bestanden allein noch für die Barbiere und Perückenmacher, wobei jedoch in den lokal gebundenen Gewerben "bei vorhandener offenbaren Uebersetzung des Gewerbes ... zur Erhaltung der Handwerks-Meister, deren 975 In Kassel der Obcrschulthciß und der Bürgermeister gemeinsam, in allen anderen Städten der Oberschultheiß allein, jedoch mit Zuziehung des Bürgermeisters. 976 Zu den Differenzierungen der Wanderpflicht R. Bovensiepen, Die Kurhessische Gew.politik, S. 31; zur Praxis der Gescllenwanderungen F.-K. Baas IE. Schroeter, Gesellenwandern in kurhessischer Zeit, S. 79 Cf. 977 Sofern die Kaufleute dem Zunftzwang unterlagen, hatten sie sich am Ende der Lehrzeit einer zum Eintritt in die Zunft qualifIZierenden Prüfung ihrer zur Buchführung erforderlichen Kenntnisse zu unterziehen (§§ 264, 266). 978
Ministerialausschreiben vom 27. Aug. 1824 § I, GS Kurhess 1824, S. 87.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
497
Zahl für so lange Zeit, als ... kein Mangel an guten und billigen Arbeitern seyn wird," festgesetzt werden konnte (§ 19). Umgekehrt konnten bei einer Unterversorgung der Bevölkerung auch Unzünftige zur Ausübung des Handwerks zugelassen werden (§ 176). Unzünftig betrieben werden durften nicht nur alle schon früher zunftfreien Gewerbe (§ 6), insbesondere die der Großhändler, Spediteure, Fabrikanten und Künstler (§ 7), sondern zusätzlich wurden alle Arten der Spinnerei, Weberei und Tuchbereitung ohne die Beschäftigung von Hilfskräften freigegeben. 979 Auf dem Lande konnten Huf-, Grob- und Nagelschmiede, Wagner oder Radrnacher, Zimmerleute, Maurer, Dachdecker, Töpfer und Ziegelbrenner, Schuhflicker, Bauernschneider und Weber ohne Zunftmitgliedschaft tätig werden; letztere war nur erforderlich, wenn die Dorfhandwerker Lehrlinge und Gesellen ausbilden wollten (§ 14). Die nicht dem Zunftzwang unterliegenden Gewerbe waren zu einern großen Teil konzessionspflichtig, wobei die Zuordnung und das Konzessionierungsverfahren lokal differierten. 9lIl Der Versuch zur Ausführung des vorn § 36 der Verfassungsurkunde vorn 5. Jan. 1831 981 erteilten Auftrags, die konzessionierten Gewerbe gesetzlich zu bestimmen, scheiterte in den Jahren 1840 /41 an Divergenzen zwischen der Regierung und den Landständen über die Auslegung jener Vorschrift 982 In der praktischen Handhabung der Zunftordnung stand die Administration vor dem Problem, gleichzeitig dem restaurativen Gesellschaftsbild gerecht zu werden, die Forderungen der Gewerbetreibenden zu berücksichtigen und die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Dies führte dazu, das Programm der Zunftreform zwar beizubehalten, im wesentlichen jedoch in der Gewerbeverwaltung liberal zu verfahren, auch wenn zuweilen die Handwerker eine Ausdehnung des Zunftzwangs auf ausdrücklich zunftfreie Gewerbe durchsetzen konnten. 983 979
Vgl. W. Speitkamp, Restauration als Transformation S. 399.
980
R Bovensiepen, Die Kurhessische Gew.politik, S. 54 ff.
981
GS Kurhess 1831, S.l.
982
R Bovensiepen, Die Kurhessische Gew.politik, S. 59 ff.
983 W. Speitkamp, Restauration als Transformation, S. 403 ff., 527 f. Zur Anwendung der ZunftO. vgl. R. Bovensiepen, Die Kurhessische Gew.politik, S. 63 ff.; G. Hentsch, Gew.O. u. Emanzipation der Juden, S. 37 ff. Zur Verbindung von Zunftreform und Liberalisierung vgl. die Gew.O. für das Hütten- und Hammerwesen etc. in1 Kreise Schmalkalden vom 14. Feb.I827, GS Kurhess 1827, S. 5: "Auch hoben Wir ferner in Erfahrung gebracht, daß der Bildung und Abgrenzung der Zünjk der Feuer-Arbeiter im Kreise Schma/Jcalden meisttlllS verschwundene Bedürfnisse und Wünsche der Vorzeit zu Grunde liegen, und ... daß auf der einen Seite die Begründung einer freieren Gewerbthiitigkeit durch regelmiißige Zulassung eines jeden Handwerkers zu allen Arbeiten, wozu er seine Geschicklichkeit dargdJum hoben wird, sich bei den wechsebulen Gegenständen und Richtungen des Verkehres als rathsam gezeigt hat, auf der anderen Seite aber einige für denNahrungsstand je-
498
Kap.4: Vom Vorgang FraDkreichs bis zur Gewerbeordnung Cür den Norddtsch. Bund
Die rapide Verschlechterung der sozio-ökonomischen Lage des Handwerks 984 veranlaßte die Landstände, die Regierung um die Vorlage eines neuen Gewerbegesetzentwurfs zu ersuchen985 • Der 1839 an die Stände geleitete Entwurf änderte an der Konzeption der Zunftordnung von 1816 nichts und beschränkte sich auf einzelne Modifikationen in 19 Paragraphen. 986 Sein § 13 sah für die Bauhandwerker zusätzlich zur Meisterprüfung durch die Zunft noch eine solche vor in bestimmten Städten zu konstituierenden Kommissionen vor. Formell begründete der Ausschuß für Gegenstände des Handels und Gewerbes, dem sich die Ständeversammlung anschloß, sein ablehnendes Votum mit der Nichterfüllung des im Landtagsabschied von 1833 erteilten Auftrags einer umfassenden Gewerbeordnung. 987 Doch dürften Bedenken hinsichtlich einer Lokkerung des Zunftzwangs das primäre Motiv der Zurückweisung gewesen sein.988 Lediglich für die künftigen Zimmerer- und Maurermeister wurde durch Ausschreiben vom 12. Mai 1857989 eine Befähigungsprüfung durch den betreffenden Landbaumeister angeordnet Nachdem in den folgenden Jahren zahlreiche Begehren auf Neuordnung des Gewerbewesens erhoben worden waren,99O forderte das Innenministerium am nes Gebietstheiles überhaupt folgenreiche Vernachlässigungen und Mißbräuche ernstere Vorkehrungen erheischen."j zur schmalkaldischen Gew.O. R Bovensiepen,l.c., S. 46 Cf. 984 J. Böhm, Vermochte das Zunftwesen den Hw.ern während der Umwälzung der Wirtschaftsverhältnisse Deutschlands im 19. Jh. eine auskömmliche Existenz zu gewährleisten?, S. 15 Cf.; R Bovensiepen, Die Kurhessische Gew.politik S. 75 Cf. Vgl. noch H.-W. Hahn, Der hessische Wirtschaftsraum, S. 392 ff. 98S
Landtagsabschied vom 31. Okt. 1833 § 5 Nr. 611, GS Kurhess 1833, S. 189.
986
Vgl. zur Begründung die Motive, R Bovensiepen, Die Kurhessische Gew.politik, S.115 f.:
"In Beziehung auf die Zunftgesetzgebung ... stehen ... erhebliche BeJenlcen entgegen, ein seit Jahrhunderten bestehendes Institut, welchem in Absicht auf vollständige Ausbildung zum Stande der Handwerker, so wie auf soliden Gewerbebetrieb Vorzüge nicht abzusprechen sind, mit einem Male zu beseitigen. ... Immerhin wird es daher am geratensten sein, den in seinen Folgen nicht zu berechnenden Schritt der Einführung einer völligen Gewerbefreiheit einer entfernteren Zukunft vorzubehalten ... und sich jetzt nur aufHinwegräumung der Hindernisse zu beschränken, welche die gegenwärtigen Institutionen einer freieren Entwicklung tkr gewerblichen Tätigkeit entgegenstellten, sowie ... bestehentk Mißbräuche zu beseitigen und einzelne Lücken in der bestehenden Gesetzgebung zu beseitigen." Der Entwurf ist abgedruckt bei S. Hahndorf, Gew.freiheit u. Zunftzwang, S. 16 Cf. (mit Stellungnahme); G. Hentsch, Gew.O. u. Emanzipation der Juden, S.148 Cf.; zum Inhalt R Bovensiepen, l.c., S. 115 ff. 987
Bericht vom 5. Aug. 1840, G. Hentsch, Gew.O. u. Emanzipation der Juden, S.62 f.:
988
G. Hentsch, Gew.O. u. Emanzipation der Juden, S. 63 f.
989
GS Kurhess 1857, S. 11.
"Kurhessen bedarf einer das Gewerbewesen umfassenden Gewerbeordnung und als Grundlage derselben die Anerkennung eines bestimmten Systems in Beziehung auf die Bedingungen des Gewerbebetriebs überhaupt. ... Der vorliegende Gesetzentwurf behandelt nur das Zun{twesen ohne alle Rücksicht auf die sonstigen gewerblichen Verhältnisse. "
R Bovensiepen, Die Kurhessische Gew.politik, S.133 Cf. Am 7. Mai 1853 wurden die Rotenburger Zünfte aufgefordert, Vorschläge für eine neue ZunftO. einzureichen, H. Hucke, Aus der Geschichte der Rotenburger Bäckerzunft, S. 19. 990
IV. Die einzelstaatliebe Gewerbegesetzgebuog
499
1. Feb. 1860 die Regierungen und Regierungskommissionen zur gutachtlichen Stellungnahme über eine Reihe von gewerberechtlichen Fragen auf. Obwohl sich die meisten Berichte für einen Übergang zur Gewerbefreiheit aussprachen, bestimmten die Richtlinien für die mit der Ausarbeitung des Entwurfs beauftragte Kommission vom 14. Nov. 1861, "im Allgemeinen die Zünftigkeit des Handwerksbetriebes beizubehalten".991 Erst unter dem Eindruck der Anträge in der Ständeversammlung und der zu Beginn der 60er Jahre immer stärker gewerbefreiheitlich intendierten öffentlichen Meinung entschloß sich das Innenministerium am 21. Aug. 1863, den Übergang zur Gewerbefreiheit anzuordnen. 992 Der am 4. Mai 1864 fertiggestellte Gesetzentwurf, den Gewerbebetrieb betreffend,993 sollte mit Ausnahme von wenigen, im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung konzessionspflichtigen Gewerben (Art. 8), einer polizeilichen Genehmigung bedürfenden gefährlichen oder belästigenden Anlagen (Art. 20) sowie Unterhaltungsveranstaltungen (Art. 13) die Ausübung jedes Gewerbes freigeben (Art 1), sofern der Betreiber seiner Anmeldepflicht genügt hatte (Art. 6). Die Innungen sollten als freie Vereine fortbestehen, die mit der Bestätigung ihrer Satzungen seitens der Regierung die Eigenschaft als juristische Person erlangten (Art. 49). Zur Annahme von Hilfskräften in freier Vereinbarung war jeder Gewerbetreibende befugt (Art 37), wobei Unternehmer mit mehr als 20 Beschäftigten Fabrikordnungen auszuhängen hatten (Art 38). Die legislatorische Umsetzung des Entwurfs scheiterte an der Annexion des kurhessischen Gebiets durch Preußen im Jahre 1866. 994 Die Verordnung, den Betrieb stehender Gewerbe im vonnaligen Kurfürstentum Hessen betreffend, vom 29. März 186799s beseitigte den Zunftzwang (§ 1), die Beschränkungen des Landhandwerks (§ 2) und der Verkaufsbefugnisse der Handwerker (§ 3) sowie die Konzessionspflicht einer Reihe von Gewerben (§ 5).
b) Großherzogtum Hessen
Wie in der gesamten politisch-rechtlichen Struktur so war auch in der Gewerbeverfassung der Dualismus zwischen der Provinz Rheinhessen einerseits
991
G. Hentscb, Gew.O. u. Emanzipation der Judeo, S. 95 ff.
R. Boveosiepeo, Die Kurbessiscbe Gew.politik, S.152 ff.; zum Stand der Diskussion der Gew.freibeit um 1860 Kap. 4 I112c. 992
993
R. Boveosiepeo, Die Kurbessiscbe Gew.politik, S. 185 ff.
Zu lobalt uod Scbicksal des Entwurfs R. Boveosiepeo, Die Kurbessiscbe Gew.politik, S. 160 ff.; G. Hentscb, Gew.O. u. Emanzipatioo der Judeo, S. 103 ff. 994
99S
PrOs 1867, S.423.
500
Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
und den Provinzen Oberhessen und Starkenburg andererseits prägend. 996 Während in den linksrheinischen Gebieten die Zünfte unter der französischen Herrschaft aufgehoben worden waren, bestanden sie in den übrigen Landesteilen fort. 997 Konzeptionell war die Gewerbepolitik zunächst an einer Revision des Zunftwesens im Interesse des Staatsganzen ausgerichtet. 998 Nachdem durch die Verordnung, die Aufhebung des Mühlzwanges betreffend, vom 25. Feb. 1818999 bereits der Mühlzwang aufgehoben worden war, gab die Verordnung, die Aufhebung des Zunftdistriktbannes der Handwerker betreffend, vom 8. Okt. 18181000 jedem zünftigen Bauhandwerker die Ausübung seines Gewerbes im gesamten Umfang der Provinz, in der die betreffende Zunft etabliert war, frei, da das "dem gegenwärtigen Zustande der Kultur und Industrie nicht mehr angemessene Bannrecht eines Zunftdistriktes" eine "die Gewerbfreiheit unterdrückende Einrichtung ... (war und) das Publikum häufig unwissenden und untüchtigen, oder gewinnsüchtigen und eigensinnigen Professionisten in die Hände lieferte, den geschickten und brauchbaren Meister aber in der Benutzung seiner Kräfte und seines Fleißes beschränkte". Für alle Gewerbe mit Ausnahme der Bäcker und Metzger abgeschafft wurde der Zunftdistriktbann durch das Gesetz über die Aufhebung des Zunftdistriktbannes etc. vom 2. Juni 1821 1001 , das gleichzeitig die Beschränkung der Lehrlings- und Gesellenzahl beseitigte. HlO2 In Offenbach galt sogar "vollkommene bürgerliche Gewerbsfreiheit in jeder Hinsicht".I003 Das Gesetz, die gleichförmige Besteuerung der Gewerbe im Großherzogtum Hessen betreffend, vom 16. Juni 18271()04 bestätigte noch einmal die Abrogation des Zunftdistriktbanns, brachte jedoch keine weitere Liberalisierung, da die Erteilung eines Patents die Notwendigkeit zur Aufnahme in eine Zunft (Art. 1) und die dafür statuierten Voraussetzungen (Art 2) ausdrücklich unberührt ließl00s. 996
Vgl. allgemein T. Klein, Hessische Staaten, S. 659 ff.
KH. Rohde, Die dt.Gew.reform, S.15 f. Zur Auflösung der Zünfte in Mainz F. Schmitt, Das Mainzer Zunftwesen, S. 76 ff.; zu den Mainzer Zünften am Vorabend ihrer Beseitigung F.-G. Dreyfus, Les Corporations aMayence, S. 153 ff.; zur älteren Mainzer Zunftgeschichte Schrohe, Aus der Geschichte der Mainzer Zünfte, S.13 ff. Zur Auflösung der Zünfte in Worms zum 25. Nov. 1798 H. Fischer, Das Wormser Zunftwesen, S. 252. 997
998
Zum folgenden G. Emig, Die Berufserziehung bei den Hw.erzünften, S. 348 ff.
1000
Arch Großhzg Hess 2, S. 478. Arch Großhzg Hess 2, S. 704.
1001
Arch Großhzg Hess 3, S. 298.
1002
Zu Entstehung, Inhalt und Folgen des Gesetzes KH. Rohde, Die dt. Gew.reform, S. 18 ff.
999
VerO., die Handels- u. Fabrikstadt Offenbach betreffend, vom 27. Aug. 1819 Art. 5, Arcb Großhzg Hess 2, S. 873. 1004 Arch Großhzg Hess 4, S. 660. 1003
1005 W. Ullmann, Die hessische Gew.politik, S. 20 f. AA. G. Emig, Die Berufserziehung bei den Hw.erzünften, S. 359; KH. Rohde, Die dt. Gew.reform, S. 29.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
501
Begleitet von Anträgen im hessischen Landtag auf eine Revision des Zunftwesensl!)06 führte die Regierung in der ersten Hälfte der 20er Jahre eingehende Umfragen zur Beibehaltung der Zunftverfassung und zum Stand der Qualifikation der Handwerker durch 1OO7. In der Folge wurden in der Provinz Starkenburg durch Ausschreiben vom 20. MäIZ 18281008 die Zünfte der Müller, Fischer, Krämer, Mehlhändler, Uhrmacher, Siebmacher, Bürstenbinder und Nadler, durch Ausschreiben vom 23. Juli 18291009 die der Gold- und Silberarbeiter und durch Ausschreiben vom 19. Okt 18291010 die HafneIZünfte aufgehoben. Eine weitere Enquete, in welchen Gewerben sich die Beseitigung der Zünfte anböte, zeitigte keine Konsequenzen. 1011 Hatte sich der Innenminister bereits in einer Verfiigung vom 21. Apr. 1825 die Neuordnung der Meisterprüfungen angelegen sein lassen,1012 so legte das Ausschreiben vom 31. Jan. 18281013 fiir die Handwerke in den Provinzen Oberhessen und Starkenburg einheitliche Meisterstücke fest. Allerdings galten für die Sattler, Schneider und Schuhmacher in den Städten Darmstadt, Gießen und Offenbach andere Meisterstücke als in den übrigen Städten, wobei die in den letzteren etablierten Meister beim Umzug in eine der drei genannten Städte das dort vorgeschriebene Meisterstück nachholen mußten 1014. Die von einer ministeriellen Verfiigung vom 13. Dez. 1827 allgemein angeordnete fachtheoretische Prüfung der Bauhandwerker durch einen großheIZoglichen Baumeister101S wurde durch das Ausschreiben vom 31. Jan. 1828 dahingehend speziflziert, daß die Maurer, Steinhauer, Zimmerleute, Weißbinder, Schreiner, Schlosser, Spengler, Glaser, Dachdecker und Ziegler sich einer mündlichen Prüfung vor dem Bauconductor oder Landbaumeister und der Anfertigung eines vom letzteren aufgegebenen Meisterstücks einschließlich Zeichnungen und Berechnungen unteIZiehen mußten. Die Meisterstücke wurden dabei für Stadt und Land unterschiedlich beschrieben. Anders als die allgemein durchgesetzte Vereinheitli-
1006
K.H. Rohde, Die dt. Gew.refonn, S. 26 ff.
1007
G. Emig, Die Berufserziehung bei den Hw.erziinften, S. 358 f., 404 ff.
1008 1009 1010 1011 1012 1013
Slg Auss Hess 1828 Z.d. Nr.R. 3755.
1014 1015
Ausschreiben vom 6. Nov. 1826, G. Emig, Die Berufserziehung bei den Hw.erziinften, S. 410.
Slg Auss Hess 1829 Z.d. Nr.R. 8958. Slg Auss Hess 1829 Z.d. Nr.R. 13496. K.H. Rohde, Die dt. Gew.refonn, S. 32 ff. G. Emig, Die Berufserziehung bei den Hw.erziinften, S. 406 f.
Slg Auss Hess 1828 Z.d. Nr.R. 902 u. 1132. Ergänzend erging das Ausschreiben vom 7. Mai 1829, I.c. 1829, Z.d. Nr. R. 4329, 5037. Vgl. G. Emig, Die Berufserziehung bei den Hw.erzünften, S. 412.
502
Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
chung des Meisterstücks jedoch wurde das Erfordernis der theoretischen Prüfung der Bauhandwerker durch eine großzügige Dispensationspraxis unterlaufen, weshalb die Bekanntmachung des Innen- und Justizministeriums vom 29. Apr. 1837 eine Befreiung grundsätzlich untersagte. 1016 Die Verordnung, das Gewerbe der Bauhandwerker und Pflästerer betreffend, vom 14. Sept 1841 1017 erweiterte den Kreis derjenigen Bauhandwerke, die vor der Zustimmung der Kreis- oder Landräte zur Patenterteilung vor dem Kreisbaumeister eine Prüfung abzulegen hatten, um die Pflästerer und dehnte diesen Befähigungsnachweis auf die Provinz Rheinhessen aus. Laut dem Regulativ über die Prüfung der Bauhandwerker vom 27. Aug. 18451018 bemaßen sich die praktischen Prüfungsaufgaben nicht an vorbestimmten Meisterstücken, sondern nach dem Ermessen des Kreisbaumeisters (f 5); zusätzlich oblag den Kandidaten die Darlegung ihrer Materialkenntnisse sowie die schriftliche Erstellung eines Kostenvoranschlags (f 6). Im Falle des Bestehens der praktischen Prüfung schloß sich im April oder November ein theoretisches Examen an (f 13), das sich auf Kenntnisse in der Mathematik, der Maß- und Gewichts- sowie der Gewerbekunde erstreckte (f 14). Der zulässige Umfang der anzufertigenden Zeichnungen wurde durch ein Ausschreiben vom 24. Sept. 1845 1019 fIxiert; es erleichterte gleichzeitig für die Bauhandwerker auf dem Lande den nach dem Prüfungsregulativ vom 27. Aug. 1845 grundsätzlich mit dem für die städtischen Meister identischen praktischen Teil des Examens, um "dem sehr ungenügenden Zustande ..., in welchem sich dermalen noch fast in allen Theilen des Landes die Kenntnisse der Landhandwerker befinden'~ gerecht zu werden. Weiterhin wurde durch ein Ausschreiben vom 2. Jan. 1856 1020 den Witwen der prüfungspflichtigen Bauhandwerker nachgelassen, einen nur praktisch geprüften Gesellen zur Weiterführung des Betriebs länger als ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes einzustellen, da unter dem durch das Ausschreiben vom 9. Feb. 18381021 postulierten Erfordernis auch der bestandenen theoretischen Prüfung kaum derartige Obergesellen zu fmden waren.
1016 G. Emig, Die Berufserziehung bei den Hw.erzÜDften, S. 413 f.; zum Erfolg der Vereinheitlichung der Meisterstücke dort S. 410 f. AA. K.H. Rohde, Die dt. Gew.reform, S. 30. 1017
RB Hess 1841, S. 559.
1018
RB Hess 1845, S. 249.
1019
G. Emig, Die Berufserziehung bei den Hw.erzÜDften, S. 415 f.
1020
G. Emig, Die Berufserziehung bei den Hw.erzÜDften, S. 417.
1021 Es galt zunächst nur für die Witwen der Maurer und Zimmermeister in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen, wurde aber durch ein Ausschreiben vom 18. Mai 1844 auf die Provinz Rheinhessen und durch ein Ausschreiben vom 11. Okt. 1845 auf alle prüfungspflichtigen BauHw.e extendiert, G. Emig, Die Berufserziehung bei den Hw.erzÜDften, S. 416 f.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
503
Dem Lehrlings- und Gesellenwesen als Elementen der Qualifikation wurde nicht dieselbe Aufmerksamkeit zuteil wie der Regelung der Meisterprüfungen. 1022 Dem Gebrauch, die in den Zunftstatuten festgesetzte Lehrzeit im Lehrvertrag beliebig abzuändern, wurde ebensowenig gesteuert wie den eklatanten Unterschieden hinsichtlich der Forderung einer Gesellenprüfung. 1023 Das Wandern der Gesellen wurde allein unter polizeilichen Gesichtspunkten normierl 1024 Im zweiten Drittel des 19. Jhs. wurde eine Revision der Gewerbeverfassung mehrfach diskutiert, jedoch nicht vollzogen. 102S Der Aufhebung aller ausschließlichen Handels- und Gewerbeprivilegien sowie aller Bannrechte durch das Gesetz vorn 30. Juli 18481026 folgte erst am 16. Feb. 1866 die Verordnung, die Aufhebung der in den Zunftbriefen enthaltenen Beschränkungen des freien Gewerbebetriebs betreffend lO21, die den Zunftzwang vollständig beseitigte. Ergänzend setzte die Bekanntmachung, das Gewerbe der Bauhandwerker und Pflästerer betreffend, vorn 15. Juni 18661028 den Befähigungsnachweis für die Bauhandwerker außer Kraft
c) Nassau
Wie in nahezu allen deutschen Ländern standen auch im Herzogtum Nassau nach der Beendigung der französischen Herrschaft Gebiete mit Gewerbefreiheit neben solchen, in denen die Zunftverfassung fortgalt. 1029 Im Zuge der durch1022
W. UIlmann, Die hessische Gew.politik, S. 30 f.
1023
G. Emig, Die Berufserziehung bei den Hw.erziinften, S. 374 ff.
1024 Vgl. etwa die verO., die Führung von Wanderbüchern durch die Hw.sgesellen betreffend, vom 15. Nov. 1809, Großherzoglich Hessische VerO.en 1809/10, S.108; VerO., das Einwandern ausländischer Hw.sgesellen betreffend, vom 3. Mai 1830, Arch Großhzg Hess 5, S. 377. Zum Ganzen G. Emig, Die Berufserziehung bei den Hw.erzÜDften, S. 391 ff. und 381 ff. zum Wanderverhalten der Gesellen.
1025 Gew.freiheitlich intendiert etwa L Willtens, Die Erweiterung u. Vervollkommnung des dt. Gewerbsbetriebs, S.119 f.; F. Kiichler, Zünfte u. Freizügigkeit, S.1 ff. Dazu G. Emig, Die Berufserziehung bei den Hw.erzünften, S. 361 ff.; K.H. Rohde, Die dt. Gew.refonn, S.45 ff.; W. UIImann, Die hessische Gew.politik, S. 38 ff. Zur Lage des Hw.s und der Zünfte G. Emig, I.c., S. 329 ff. Zum Stand des Konzessionssystems K.H. Rohde, I.c., S. 65 ff. 1026
RB Hess 1848, S. 229.
RB Hess 1866, S. 93. Allerdings gehörten bereits im Jahre 1863 nur noch 27 % aller Gew.treibenden einer Zunft an, H. Lindemann, Zur Geschichte der beruflichen u. wirtschaftlichen Organisation des Hw.s in Hessen, S. 6. 1027
1028
RB Hess 1866, S. 324.
1029
C. Spielmann, Geschichte von Nassau, S. 143.
33 Ziekow
504
Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
greifenden administrativen Modernisierung, der eine eklatant leistungsschwache Wirtschaft gegenüberstand,1030 entschied sich jedoch Nassau als zweiter deutscher Staat nach Preußen, aus eigenem Antrieb die Gewerbefreiheit einzuführen. Die Aufhebung der Zunftverfassung durch § 1 des Edikts, die Aufhebung der Zunftverfassung betreffend, vom 15. Mai 1819 1031 beruhte dementsprechend auf mehreren Erwägungen, nämlich darauf, "daß die in einigen Theilen Unsers Herzogthums ... noch bestehenden Zunftvereine ... mit den Grundlagen Unserer constitutionellen Gesetzgebung sich (nicht) in Uebereinstimmung befinden, daß überdies die Zünfte in einem großen Theile Unseres Herzogthums durch frühere Gesetzgebungen schon aufgehoben waren, und nicht wieder hergestellt worden sind; daß endlich ... in diesen Landestheilen durch die daselbst seit mehreren Jahren bestehende Freiheit des früher zünftigen Handwerksbetriebs ... die Vortheile des freien Verkehrs allenthalben durch besondere Erfahrungen aufs Neue bewährt worden sind". Jeder Einwohner hatte das Recht, jedes Handwerk selbständig auszuüben (§ 5), sofern er dies vorher dem betreffenden Amt anzeigte (§ 6). Zur Führung des Meistertitels und zur Ausbildung von Lehrlingen war nur derjenige befugt, der einen durch die Ablegung einer Prüfung am Ende der Lehrzeit (§ 8) erworbenen Lehrbrief vorweisen konnte (§ 6). Die Dauer und die anderen Modalitäten der Lehre waren der freien Vereinbarung anheimgegeben, jedoch war der Vertragsabschluß vom Landesoberschultheißen zu protokollieren, der über die Einhaltung des Vertrages wachte (§ 7). Hatte der Lehrling bei einem Gewerbetreibenden ohne Meisterprädikat gelernt, so konnte er dennoch zur Prüfung zugelassen werden, wenn er von einem entsprechend qualifizierten Gesellen ausgebildet worden war (§ 8). Ein Wanderzwang bestand nicht mehr (§ 10).1032 Der Arbeitsvertrag des Gesellen war grundsätzlich frei aushandelbar (§ 9), unterlag aber den Bestimmungen des Edikts, die Dienstverhältnisse des Gesindes und der Handwerksgehilfen betreffend, vom 15. Mai 1819 1033, das für Dienstgesinde und Handwerksgesellen einen einheitlichen Typus des Dienstvertrags entwikkelte 1034. Als Reaktion auf die Handwerkerbewegung erging am 3. Apr. 1849 das Gesetz, provisorische Abänderungen in der bestehenden Gewerbegesetzgebung 1030 1031 1032
T. Klein, Hessische Staaten, S. 669. VOBI Nass 1819, S. 81; dazu T. Risch, Die Hw.s-Gesetzgebung Preußens, S. 38 f.
Zur Überwachung der Wandergesellen erging die VerO., die reisenden Hw.sgesellen betreffend, vom 1. Apr. 1829, VOBI Nass 1829, S. 45. Zur Regelung der Polizei zwischen 1815 und 1848 E. Schäfer, Die Polizei im Herzogtum Nassau, S. 34 ff.
1033 1034
VOBI Nass 1819, S. 85. Dazu G. Strobe~ Zum Fabrikarbeitsvertrag in Deutschland, S. 178 ff.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
505
betreffend,103S das die Ausübung eines Handwerks von der Aufnahme als Bürger in eine Gemeinde und dem Bestehen einer Meisterprüfung abhängig machte (§ 1). Welches Gewerbe als Handwerk in diesem Sinne anzusehen war, wurde durch einen Beschluß des Kreisbezirksrats festgesetzt, der darüber hinaus die Grenzen zwischen den Arbeitsbefugnissen der einzelnen Handwerke zog (§ 12). Dies führte dazu, daß der Prüfungszwang durch die Wahl von Gewerbebezeichnungen, die von jenem Beschluß nicht erfaßt wurden, umgangen wurde.1036 Während der Lehrling nach Beendigung seiner Lehre in der Gesellenprüfung nur eine ''Probe seiner Kenntnisse und Fertigkeiten" abzulegen hatte, mußte in der Meisterprüfung der Kandidat "über seine vollständige Kenntniß des betreffenden Gewerbes ... eine theoretische und practische Prüfung .. , bestehen" (§ 4). In beiden Prüfungen war jeweils ein Probestück anzufertigen. 1037 Die Kommission bestand für beide Prüfungen gleichennaßen aus drei Handwerkern, die von ihren Fachgenossen desselben Justizamtsbezirks mit absoluter Stimmenmehrheit zu wählen waren (§ 5). Der jeweilige Bürgenneister oder ein von ihm beauftragtes Mitglied des Gemeinderats hatte der Prüfung beizuwohnen (§ 9). Zur Beurteilung der theoretischen Meisterprüfung konnte die Kommission weitere Sachverständige ohne Stimmrecht hinzuziehen, wobei bei den Bauhandwerkern ein Techniker des Kreisamts mit vollem Stimmrecht zugegen sein mußte (§ 4). Im Falle des Nichtbestehens der Prüfung war von der Kommission eine Frist von höchstens einem halben Jahr festzusetzen, während der der Bewerber nochmals als Lehrling bzw. Geselle zu arbeiten hatte (§ 9). Eine Meisterswitwe durfte das Handwerk nur durch einen Gesellen fortführen, der die Meisterprüfung bestanden hatte, sofern sie nicht von diesem Erfordernis auf längstens ein Jahr befreit worden war (§ 11). Eine weitere Beschränkung des Gewerbebetriebs bestand darin, daß der Handwerker eine Niederlassung nur in der Gemeinde begründen durfte, in der er das Bürgerrecht besaß (§ 1). Obwohl insbesondere die Aufhebung jedes Befähigungsnachweises auf die Kritik der Gewerbetreibenden stieß,l038 beseitigte das Gewerbegesetz vom 9. Juni 18601039 die Begrenzungen der Gewerbefreiheit wieder, indem es jedem 103S VOBI Nass 1849, S.63. Zur Beeinflussung durch die Hw.erbewegung C. Spielmann, Geschichte von Nassau S. 143; zur Hw.erbewegung Kap. 4 III 2b. Zur Handhabung der Polizei nach 1848 E. Schäfer, Die Polizei im Herzogtum Nassau, S. 43 ff.
1036 So der Präsident der zweiten Kammer der Ständeversammlung des Herzogtums Nassau Karl Braun, Für Gew.freiheit u. Freizügigkeit, S. 32. 1037 Instruktion für die Prüfungskommissionen der HW.sGew.treibenden des Herzogtums vom 4. Apr.1849 §§ 4, 5, VOBI Nass 1849, S. 68.
1038 Vgl. die Petition der Gew.treibenden zu Wiesbaden, K. Braun, Für Gew.freiheit u. Freizügigkeit, S. 63 ff.
1039 VOBl Nass 1860, S.99. Dazu F. Lerner, Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Nassauer Raumes, S. 135 f.
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
dispositionsfähigen nassauischen Staatsangehörigen den Betrieb jedes Gewerbes an allen Orten des Herzogtums gestattete; Voraussetzung war lediglich eine Anzeige an den betreffenden Bürgermeister und die Abgabe der zur Eintragung in das Gewerbesteuerkataster erforderlichen Erklärungen (§ 1). Zur Begründung einer Niederlassung in einer anderen als der Heimatgemeinde war eine Erlaubnis des dortigen Gemeinderats erforderlich, die jedoch "nur aus Gründen, welche in der Person oder in den Verhältnissen des Bewerbers liegen, versagt" werden durfte; letzterem stand gegen die Entscheidung der Rekurs an das Herzogliche Amt und schließlich an die Landesregierung offen (§ 2). Einer KonzessionspOicht unterlagen noch die Mäkler, Schiffer und Steuerleute, Wirte, Materialisten, Agenten für Feuerversicherungen und Auswanderungsgeschäfte, Buch- oder Steindrucker, Buch- oder Kunsthändler, Antiquare, Inhaber von Leihbibliotheken oder Lesekabinetten, Verkäufer von Zeitungen, Flugschriften und bildlichen Darstellungen, Vorsteher von Erziehungs- und Lehranstalten sowie die Schauspielunternehmer (§ 5).1040
d) Hessen-Homburg, Frankfurt und Waldeck
Die Landgrafschaft Hessen-Homburg gelangte bis zu ihrer Prussifizierung nicht zu einer Überwindung der Zunftverfassung.1041 Erst die preußische Verordnung, den Betrieb stehender Gewerbe im Amtsbezirk Homburg betreffend, vom 9. Aug. 18671042 hob den Zunftzwang (§ 1), die Beschränkungen des Verkaufs (§ 2) und der Beschäftigung von Lehrlingen und Gesellen (§ 3) auf. KonzessionspOichtig waren allerdings neben den mit der Produktion und Zugänglichmachung von Publikationen befaßten Gewerben, den Schornsteinfegern, Viehverschneidern, Abdeckern, Gifthändlern, Kammetjägern, Pfandleihern, Trödlern, öffentlichen Lohndienern, Gepäckträgern, Wohnungsmaklern, Fuhrleuten, Gesindevermietern, Auswanderungsagenten, Mobiliar-Feuerversichungsanstalten sowie den Gast- und Schankwirten auch die Bauhandwerke (§ 5), was darauf schließen läßt, daß ein partieller Befähigungsnachweis fortbestand. In der Reichsstadt Frankfurt blieb das Zunftwesen zunächst ebenfalls unverändert bestehen. 1043 Reformvorschläge wie der des Frankfurter Künstler- und 1040 Zu den unterscbiedlicben Gründen des Konzessionszwangs K. Braun, Für Gew.freiheit u. Freizügigkeit, S. 39 Cf. 1041 HA. Mascher, Das Dt. Gew.wesen, S. 661. 1042 PrGS 1867, S. 1441. 1043 P. Schnel~ Das Frankfurter Hw., S. 39 ff.
IV. Die einzclstaatliche Gcwcrbcgcsctzgebung
507
Handwerkervereins im Gefolge der Handwerkerbewegung ließen den Zunftzwang mit Lehr-, Wander- und sogar Mutzwang sowie obligatorischer Gesellen- und Meisterprüfung unangetastel 1044 Die Frage der Gewetbefreiheit wurde bis zum Beginn der 60er lahre kontrovers diskutiert 104' Erst das Gesetz über die Berechtigung zum Gewetbebetriebe vom 12.1an. 18641046 hob in seinem § 1 alle Beschränkungen des Gewetbebetriebs, insbesondere den Zunftzwang, auf und gestattete jedem Bürger nach einer Anzeige bei der Gewerbebehörde (§ 17) die Ausübung jedes Gewerbes (§ 2). Eine Reihe von Gewerben unterfiel nicht der Gewerbefreiheit (§ 8), für andere galten in erster Linie Sondervorschriften (§ 9). Konzessionsptlichtig waren Gastwirtschaften, Schenken, öffentliche Bade- und Vergnügungsanstalten, der Pulverhandel, der Gebrauchtwarenhandel, das Pfändersammeln und Verdingen von Dienstboten sowie das Schornsteinfegerwesen, bestimmte Reinigungsarbeiten und das Knochen- und LumpensammeIn (§ 10). Gefährliche und emittierende Gewerbe bedurften einer besonderen Genehmigung (§§ 11, 12). Qualiftkationsvoraussetzungen wurden nicht erfordert. Die Verhältnisse der Gewerbetreibenden zu ihren Lehrlingen und Gehilfen wurden in freier Übereinkunft geregelt, wobei ein klagbarer Lehrvertrag schriftlich abgefaßt sein mußte. 1047 Die Gewerbe-Ordnung des Fürstentums Waldeck vom 24. luni 18621048 orientierte sich nach Auffassung Maschers an den Regelungen der thüringischen Staaten.1049 Nach der zeitlichen Abfolge können hierfür nur die Normierungen Sachsen-Weimar-Eisenachs und Sachsen-Meiningens in Betracht gezogen werden. 1030 In der Tat war auch in Waldeck jedem Volljährigen (Art. 7) ohne Erlangung der Gemeindeangehörigkeit (Art. 8) die Ausübung eines Gewerbes gestattet, wobei gefährliche oder belästigende Anlagen einer besonderen polizeilichen Genehmigung bedurften (Art 12). Wie in Sachsen-Meiningen galt ein Befähigungsnachweis allein für die Bauhandwerker (Art. 26), aus welchem die Ausführung von landwirtschaftlichen Gebäuden ohne Feuerungsanlagen sowie 1044
M. May, Entwurf einer Gew.O. der freien Stadt Frankfurt, §§ 8, 47, 51, 54, 60 I Nr. 5, 11, 62.
Dafür MaIß, Die gCllun Zustände der freien Stadt Frankfurt, S. 1240. Dagegen G. Herold, Keine Gew.freiheit, S.3 ff. Kritisch zum Zustand des Frankfurter Gew.s zu dieser Zeit E. Passavant, Betrachtungen über die Berechtigung zum Gew.betrieb in Frankfurt am Main, S. 1377 ff. 104S
1046 GS Frf 16, S. 83; ergänzend das Gesetz über den Fortbestand u. die Ablösung der gew.en Realgerechtigkeiten vom 12. Jan. 1864, I.c., S. '17, und das Gesetz, die Ausführung des Gesetzes über die Berechtigung zum Gew.betriebe betreffend, vom 12. Jan. 1864, I.c., S. 111. 1047 Gesetz, das gcw.e Hilfspersonal betreffend, vom 26. Apr. 1864 §§ I, 7, GS Frf 16, S.157; dazu G. Strobel, Zum Fabrikarbeitsvertrag in Deutschland, S. 216 f. 1048
Fürstlich Waldeckische Rcgierungs-Blätter 1862, S. 41.
1049
HA. Mascher, DasDt. Gew.wesen, S. 635.
1OS0
ZU Sachscn-Weimar-Eiscnach Kap. 4 IV 7b aa; zu Sachscn-Meiningen I.c. bb.
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
von Änderungen und Reparaturen, zu denen eine baupolizeiliche Genehmigung nicht erforderlich war, ausgenommen wurde. Die Aufzählung der konzessionspflichtigen Gewerbe im Art. 25, nämlich der nach dem Strafgesetzbuch nur mit einer staatlichen Genehmigung zu betreibenden Gewerbe, der Gastwirte, Schornsteinfeger, Kammerjäger und Spielkartenproduzenten, unterscheidet sich deutlich von den beiden thüringischen Gesetzen. Anstelle der dort vorgesehenen örtlichen Regulierung des lokalen Transportverkehrs und der Versorgung mit Gas und Wasser stellte es die waldeckische Ordnung der Regierung frei, für einzelne Orte die öffentliche Anbietung von Dienstleistungen und den Handel mit gebrauchten Textilien von einer Erlaubnis des Kreisrats abhängig zu machen (Art. 28). Wie in den thüringischen Staaten blieben die Zünfte als genossenschaftliche Verbindungen mit Korporationsrechten erhalten (Art. 34), wobei die Regierung auch anderen gewerblichen Genossenschaften die Rechte von Korporationen verleihen konnte (Art. 32). Die Pflicht zum Führen eines Arbeitsbuchs war in Waldeck unmittelbar begründet (Art. 37). Hierin erschöpft sich die Vergleichbarkeit zwischen Waldeck und den genannten thüringischen Gebieten. Insbesondere kannte die waldeckische Gewerbeordnung keine Fabrikordnungen für gewerbliche Großbetriebe, garantierte aber die bestehenden Realgewerbeberechtigungen (Art. 4), die lediglich nicht mehr neu begründet werden konnten (Art. 5). 9. Norddeutsche Länder a) Braunschweig
War während der Integration des Herzogtums Braunschweig in das Königreich Westfalen unter anderem auch die Zunftverfassung beseitigt worden, so wurden im Zuge des Neuaufbaus der Verwaltung die Organisationsformen des Gewerbes aktuell. losl Die in vielen Teilen an die kurhessische Zunftordnung von 1816 erinnernde Verordnung, die modifizierte Gewerbe- und Gildeordnung betreffend, vom 29. Okt. 1821los2 betonte, daß "die in der westphälischen Periode ... erfolgte Auflösung der Zünfte und Gilden ... in dem Zustande der Gewerbe und Handwerke ... zum Theil nachtheilige Veränderungen hervorgebracht" hatte, und restituierte die Zünfte, die im Jahre 1807 bestanden hatten (§ 1). Sie standen nicht nur unter der Kontrolle eines von den Gerichtsbehörden lOSl Zur Verwaltungsreform in Braunsehweia T. Klein, Mecldenburg u. kleinere norddt. Staaten, S.743 Cf.; zur Authebung der Zünfte im Königreich Westfalen Kap. 4lV 1. lOS2 VerO.s-Sammlung für die Herzog!. Braunschweigischen Lande 1821, S.27; zum kurhessisehen Gew.recht Kap. 4lV 8a.
IV. Die einzel staatliche Gewerbegesetzgebung
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des Orts bestellten obrigkeitlichen Deputierten (§ 26), sondern die Präponderanz staatlicher Steuerungsmöglichk~iten näherte die Zunftverfassung weitgehend einem Konzessionssystem an. Schließungen von Zünften sollten nur noch in besonderen Ausnahmefällen vom Landesherrn angeordnet werden können (§ 10). Maßgebend war, daß die Entscheidung über die Aufnahme in die Zunft kein autonomer Akt der Genossenschaft, sondern obrigkeitlicher Verfügung vorbehalten war (§ 11). Jeder QualifIZierte, der nach einer vierwöchigen Probezeit (§ 69) eine durch freie Vereinbarung zwischen drei und sechs Jahren festgesetzte Lehrzeit (§ 61), eine GeselIenprüfung (§ 79) und anschließend eine füntjährige Gesellenzeit einschließlich der in einem Wanderbuch (§ 81) zu dokumentierenden drei Wanderjahre (§ 86) absolviert und die Meisterprüfung bestanden hatte (§ 118 Nr.5), mußte aufgenommen werden (§ 11). Das Meisterstück wurde von den zuständigen Behörden unter Hinzuziehung von Sachverständigen, bei Bauhandwerkern insbesondere des Distriktsbaumeisters, bestimmt und sollte möglichst oft variiert werden (§ 123 Nr. 1 und 4). Die Beurteilung erfolgte durch den obrigkeitlichen Deputierten, die Zunftmeister und höchstens fünf weitere Zunftgenossen, zu welchen bei den Bauhandwerkern der Distriktsbaumeister hinzutrat (§ 123 Nr. 9). Kleinere Fehler sollten das Bestehen nicht hindern und keinesfalls mit Geldbußen bestraft werden, größere Unzulänglichkeiten eine Wiederholungsprüfung frühestens nach sechs Monaten gestatten (§ 123 Nr.10). Gegen die Entscheidung konnte die nochmalige Begutachtung durch andere Sachverständige begehrt werden (§ 123 Nr. 13). Eine einmal bestandene Meisterprüfung hatte im gesamten Herzogtum Gültigkeit (§ 123 Nr. 3). Da es aber den Landhandwerkern freistand, ob sie unter Anfertigung des gewöhnlichen Meisterstücks Mitglieder der Zunft mit dem Recht der Lehrlings- und GeselIenhaltung werden oder ob sie sich mit der Darlegung begnügen wollten, "daß sie zur Verfertigung der für den Landmann erforderlichen Arbeiten die nöthige Geschicklichkeit" besaßen, in welchem FalIe sie keine Lehrlinge ausbilden durften (§ 11), mußte ein aufgrund der zweiten Alternative tätiger Landmeister beim Umzug in die Stadt "eine angemessene Ergänzungsprobe" ablegen (§ 123 Nr. 3). Neben den je nach Bedürfnis zu konzessionierenden Grob- und Hufschmieden, Böttchern, Radmachern, Dachdekkern, Maurern, Zimmerleuten, Bäckern, Schuhmachern, Schneidern, Tischlern, Webern, Papiermachern und Töpfern sowie in den Harzdörfern den Nagelschmieden konnten nach Belieben auch andere Handwerke auf dem Land zugelassen werden (§ 11). Ausgenommen vom Zunftzwang waren die Großhändler, Spediteure, Fabrikanten und Manufakturisten, Bankiers und Künstler (§ 13) sowie die nur mit Gehilfen, aber ohne Lehrlinge betriebene Leinenverarbeitung (§ 20). Zur unzünftigen Ausübung eines Gewerbes war die Lösung eines Gewerbescheins unter Erlegung der Gewerbesteuer erforderlich, wobei die Unterhaltungs- und Schaustellungsgewerbe einer zusätzlichen Erlaubnis der
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Ortsobrigkeit bedurften. l053 Der § 2 des Gesetzes, die Legitimation der inländischen Gewerbetreibenden durch Konzessionen etc. betreffend, vom 11. Mai 1835 1054 ersetzte die Gewerbescheine durch Konzessionen, bevor der § 17 des Gesetzes, die Gewerbesteuer betreffend, vom 4. Apr. 1837 10SS für die Hausiergewerbe die Gewerbescheine wieder einführte. Zum Gewerbebetrieb befugt waren daher laut § 28 des Gewerbesteuergesetzes von 1837 nur die Inhaber eines Gewerbescheins, einer Konzession oder eines zünftischen Meisterbriefs, wobei gem. § 21 bei der Konzessionserteilung unter anderem "auf die Ueberfüllung eines Ortes von ähnlichen Gewerbetreibenden" Rücksicht zu nehmen war. Hier wird nochmals deutlich, daß die Erlangung des zünftischen Meisterrechts nur als eine Variante der staatlichen Zulassung zur Gewerbeausübung verstanden wurde. Anders als die Auflockerung zünftischer Arbeitsbeschränkungen, die mit der Aufhebung des Zunftdistriktsbanns bei Arbeiten auf Bestellung gem. § 9 der Gewerbeordnung von 1821, der Freigabe der Gesellenzahl (f 96) und der Gestattung aller nicht ausdrücklich einem anderen zünftischen Gewerbe zugewiesenen Tätigkeiten (§ 127) Raum für eine Dynamisierung ließ, war die Regelung der Gesellenverhältnisse durch Zwangszölibat (f 85), Zuschickordnung (§ 97) sowie Verbot des blauen Montags (§ 105) und der Gesellenverbindungen (§ 114) sozialkonservativ determinierl lOS6 Unter diesem Aspekt diente die den Gesellen eingeräumte Möglichkeit, in einer Fabrik ohne Verlust ihrer zünftischen Rechte (§ 84) und sogar unter Anrechnung dieser Zeit auf die Gesellenjahre (f 86) zu arbeiten, einerseits der Erweiterung der Arbeitskraftressourcen für die Fabriken, andererseits aber der Vermeidung eines in gewerbliche Randbereiche abgedrängten Konfliktpotentials. Die durch § 14 wieder errichteten Handelszünfte wurden durch § 1 des Gesetzes wegen Abänderung des § 14 vom 11. Mai 1835 1057 wieder aufgehoben, jedoch sollte gem. dessen § 2 insbesondere die von § 14 Nr. 2 der Gildeordnung von 1821 vorausgesetzte Mindestdienstzeit von fünf Jahren weiterhin "bei der Beurtheilung der Qualification ... zur Richtschnur dienen". Als Reaktion auf die Handwerkerbewegung wich das Gesetz über den gildemäßigen Gewerbebetrieb vom 24. Jan. 185210sa von der Gildeordnung des Jahres 1821 weithin nur insoweit ab, wie es eine Stärkung der Autonomie der 1053 VerO., die Gew.steuer betreffend, vom 29.010.1821 §§ 2, 29, VerO.s-Sammlung für die Herzog!. Braunschweigischen Lande 1821, S. 87. 1054
GVS Braun 1835, S. 575.
l05S
GVS Braun 1837, S. 161.
1056
Vg!. G. Schildt, Tagelöhner, Gesellen, Arbeiter, S.195.
1057
GVS Braun 1835, S. 563.
1058
GVS Braun 1852, S. 105. Zur Hw.erbewegung Kap. 4 III 2b.
IV. Die einzelstaatliche Gewerhegesetzgebung
511
Zünfte erforderte -läßt man die den Gewerberat betreffenden Vorschriften der §§ 126 ff. außer acht. Den Zünften stand nunmehr die statutarische Regelung ihrer Verhältnisse zu (f 9), insbesondere die Bestimmung einer Prüfung der über das Lesen, Schreiben und Rechnen hinausgehenden Kenntnisse eines aufzunehmenden Lehrlings (f 54), der bislang vertraglich vereinbarten Lehrzeit, wobei die gesetzliche Höchstgrenze auf fünf Jahre herabgesetzt wurde (f 51), der Lehrlingszahl, der Gesellen- und Meisterstücke sowie einer etwaigen,theoretischen Ergänzungsprüfung (f 112) etc. Darüber hinaus erlangten sie einen erhöhten Einfluß auf die Zusammensetzung der Prüfungskommission, die neben dem obrigkeitlichen Deputierten jetzt aus zwei, von den Gildegenossen aus ihrer Mitte geWählten Meistern sowie einem Meister aus dem Gewerberat bzw. - wo ein solcher nicht bestand - aus einer verwandten Gilde bestand (f 111 Nr. 7). Die Vorschriften über die zunftfreien Gewerbe entfielen. Die Regierung behielt sich vor, für die im Betrieb den zunftmäßig betriebenen ähnlichen Gewerbe eine Vereinigung in Gilden anzuordnen (f 2). Außerdem sollte der Umfang der einzelnen Gewerbe durch Regulative bestimmt werden (f 10), was zur Folge hatte, daß die bislang explizit erlaubnisfreie Verrichtung von Arbeiten, die keiner Gilde ausschließlich zugewiesen waren, von einer behördlichen Gestattung abhängig wurde (f 116). Das vorgestellte Instrumentarium zur Steuerung der handwerklichen Expansion war allerdings abschließend. Es war insofern objektiviert, als allein die Erfüllung der Niederlassungsvoraussetzungen durch den Bewerber über die Zulassung zum Gewerbe entschied, während Rücksichten auf die etablierten Meister nicht zu nehmen waren. f 107 bestimmte ausdrücklich, daß die noch nach der Gildeordnung von 1821 mögliche Zurückweisung wegen der Übersetzung eines Gewerbes nur noch bei den Landhandwerkern gestattet war, die über den Katalog des f 14 hinaus ausnahmsweise durch eine besondere landesherrliche Genehmigung zugelassen worden waren. Das Gewetbegesetz für das Herzogtum Braunschweig vom 3. Aug. 18641059, das sich eng an die sächsische Regelung von 1861 anschloß1060, gab für jeden mindestens 25jährigen dispositionsfähigen Inländer an jedem Ort den Gewerbebetrieb frei (f 5), sofern letzterer bei dem Gemeindevorstand angemeldet worden war (§§ 10, 11). Jedoch war die Liste der konzessionpßichtigen Gewerbe der Mahlwerksbereiter in der Stadt Braunschweig, der Hengsthalter, der Druckhersteller und -verbreiter, der Gastwirte, der Schornsteinfeger und Abdecker, der Barbiere, der Feuerversicherungs- und Auswanderungsagenten so1059 GVS Braun 1864, S. 145; ergänzend das Gesetz, die Entschädigung für aufgehobene Verbietungsrechte u. gew.e Berechtigungen betreffend, vom 3. Aug. 1864, I.c., S. 205. Kritisch v.Gr., Ueber die projectirte neue Gew.gesetzgebung im Herzogthume Braunschweig, S. 3 ff.
1060
Zum Gew.recht des Königreichs Sachsen Kap. 4 IV 7a.
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Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
wie Lotterieveranstalter, der Makler, Kommissionäre, Pfandleiher und Trödler, der Händler von Anneiwaren und Giften, der Kammerjäger, der Hersteller von künstlichen Mineralwassern und der Brauer (§ 14) nicht nur sehr umfangreich, sondern es bestand eine zusätzliche Restriktion darin, daß bei der Konzessionierung die Erwägung, "ob eine Vermehrung der Gewerbetreibenden im öffentlichen Interesse zuliissig oder räthlich sei'~ anzustellen war (§ 15). Der Betrieb eines Gewerbes im Umherziehen war von einer speziellen Erlaubnis in Form eines Gewerbescheins abhängig (§ 20). Gefahrliehe oder stark emittierende Anlagen bedurften einer landespolizeilichen Genehmigung (§ 27), für öffentliche Schaustellungen und Musikdarbietungen, die Errichtung und den Betrieb von Tum-, Bade- und Schwimmanstalten, die Unterhaltung von Kegelbahnen sowie die gewerbliche Vermietung von Schlafstellen wurde eine ortspolizeiliche Erlaubnis erfordert (§ 45). Daneben konnten die mit der Befriedigung der Grundbedürfnisse befaßten sowie die Dienstleistungsgewerbe "denjenigen polizeilichen Vorschriften unterworfen werden, welche zur Herstellung eines dem öffentlichen Bedürfniß entsprechenden Betriebes erforderlich sind" (§ 43). Auch hinsichtlich der einem Befähigungsnachweis unterworfenen Gewerbe ging die braunschweigische über die sächsische Regelung hinaus, indem sie neben der selbständigen Ausführung und Leitung von Bauten sowie der Ausübung des Hufbeschlags noch den Gewerbebetrieb der Schweineschneider und die selbständige Herstellung von Feuerungsanlagen in jenen Kreis einbezog (§ 26). Die Bestimmung des Inhalts der Gewerbebefugnis war dagegen im wesentlichen identisch. Die Berechtigung galt für das ganze Land (§ 52), so daß der Gewerbetreibende allein oder gemeinsam mit anderen ein oder mehrere Gewerbe (§ 53) in beliebig vielen Produktions- und Verkaufsstätten ausüben konnte, wobei jedoch den auswärtigen Zweiggeschäften ein entsprechend befähigter Stellvertreter vorzustehen hatte (§ 51). Alle Verbietungsrechte wurden aufgehoben (§ 48) und die als freie Genossenschaften fortbestehenden Innungen (§ 90) auf die Selbstverwaltung ihrer genossenschaftlichen Angelegenheiten (§ 92) reduziert In einem Statut, durch dessen Bestätigung seitens der Landesregierung die Innung die Qualität einer juristischen Person erlangte (§ 88), war die Erreichung der Zwecke der Innung, nämlich die Regelung der Verhältnisse zwischen den Genossen und ihren Lehrlingen und Gehilfen, die Beilegung von Streitigkeiten zwischen diesen Personengruppen, die Betreibung von Fachschulen und ähnlichen Institutionen sowie die gegenseitige soziale Unterstützung (§ 87), zu ordnen. Die Beziehungen zwischen dem Gewerbetreibenden und seinen in beliebiger Zahl einzustellenden Beschäftigten unterlagen der freien Vereinbarung (§ 63), wobei Sonderbestimmungen insbesondere für den Lehrvertrag galten (U 76 ff.). Grundsätzlich galten für die Annahme von Lehrlingen keine Beschriinkungen (§ 77), jedoch hatte der Vertrag die Bedingungen der Annahme und vornehmlich die Dauer
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegeset7gebung
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der Lehrzeit festzusetzen (§ 78); eine bedungene Probezeit war in die Lehrzeit einzurechnen (§ 80). Die keinem Wanderzwang mehr unterworfenen Gesellen (§ 65) hatten Arbeitsbücher zur Aufnahme der Arbeitsnachweise zu führen (§ 66). Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten hatten Fabrikordnungen bekanntzumachen (§ 75). Insgesamt ist die Bewertung Maschers, daß die Einführung der Gewerbefreiheit in Braunschweig hinter demselben Schritt in anderen deutschen Staaten zurückblieb,1061 durchaus gerechtfertigt
b) Herzogtum Oldenburg und Fürstentum Lübeck
Nach der Beendigung der französischen Herrschaft kehrte das Herzogtum Oldenburg zwar mit der Verordnung, die Aufhebung des französchen Rechts betreffend, vom 25. Juli 18141()62 im wesentlichen zum status quo ante zurück, wovon jedoch die Zunftverfassung zunächst ausgenommen blieb; erst das Drängen der Zünfte veranlaßte seit 1815 eine Untersuchung der ehemaligen Zunftverhältnisse und die Erstellung von Entwürfen. 1063 Die Verordnung vom 28. Jan. 18301064 machte den Versuch, "auf der einen Seite die gehörige Ausbildung der Handwerks-Genossen, so wie die Vervollkommnung der Gewerbe ..., (und) auf der andern aber, so viel hiemit vereinbarlicJl, eine geregelte Freyheit des Gewerbs-Betriebs" zusammenzuführen. Das Mittel hierzu sollten Innungen sein, deren Konstituierung im Belieben der Gewerbetreibenden lag, wozu aber die Erlaubnis der Obrigkeit erforderlich war (§ 1). Denn die dergestalt errichteten Innungen verfügten über Beitrittszwang (§ 4) und Verbietungsrechte (§ 12), allerdings über keinen Zunftdistriktsbann (§ 17). Sie unterstanden der Oberaufsicht der Regierung und der weiteren Kontrolle durch die Orts obrigkeit (§ 9), die allein das Recht hatte, "beyoffenbarer Uebersetzung des Gewerbes an einem Orte ... die Aufnahme neuer Meister ... zu verweigern" (§ 2). Der Betrieb mehrerer in Innungen gebundener Handwerke war verboten (§ 53), die Gesellenzahl aber freigegeben (§ 66). Nachdem der Lehrling vor dem Innungsvorsteher seine Kenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen unter Beweis gestellt (§ 93), die in den jeweiligen Innungsartikeln festgesetzte Lehrzeit absolviert (§ 95) und vor dem Vorsteher in Gegenwart eines obrigkeitlichen Deputierten und sämtlicher Meister mit seinem Gesellenstück bestanden hatte, wobei schwere Mängel die Zurückweisung auf mindestens ein Jahr weiterer Lehre 1061 HA. Mascher, Das Dt. Gew.wesen, S. 641. 1062 GS Old 1, S. 185. 1063 J. Ricking, Die oldenburgische Gew.politik, S. 36 Cf. 1064 GS Old 6, S. 459; zu ihr J. Ricking, Die oldenburgische Gew.politik, S. 55 ff.
514 Kap. 4: Vom Vorgang Frankrcichs bis zur Gewcrbeordnung für dcn Norddtsch. Bund nach sich zogen (§ 111), war er verbunden, wenigstens vier Jahre als Geselle und davon zwei Jahre auf der Wanderschaft im Ausland zu arbeiten (§ 61). Die Arbeitszeugnisse waren in ein Wanderbuch einzutragen (§ 70). Die überkommene Regelung der Gesellenverhältnisse mit Zölibat (§ 65), Zuschickordnung (§ 72) und Verbot der Gesellenverbindungen (§ 76) behielt weithin Bestand. Die Legitimation zur Aufnahme als Meister stellte die Ortsobrigkeit fest (§ 33), wozu unter anderem der Nachweis der erforderlichen Geschicklichkeit (§ 34 Nr. 4) durch Anfertigung eines Meisterstücks (§ 35) nach der Bestimmung der Innungsvorsteher oder der Obrigkeit (§ 36) zählte. Die Beurteilung des Meisterstücks erfolgte im Beisein eines obrigkeitlichen Deputierten durch die versammelte Innung (§ 39), die jenes entweder annehmen oder verwerfen mußte, jedoch keine Geldstrafen zur Verbüßung kleinerer Fehler aussprechen durfte (§ 40). Im Falle des Nichtbestehens war eine nicht kürzer als sechs Monate zu bemessende Frist festzustellen, vor deren Ablauf sich der Geselle nicht erneut zur Erstellung des Meisterstücks melden konnte (§ 41). Ein einmal erworbenes Meisterrecht galt im ganzen Herzogtum (§ 42 Nr. 1). Da die Grob- und Nagelschmiede, Radmacher, Zimmerleute, Maurer, Schuster, Schneider, Bäcker, Töpfer, Tischler, Leineweber, Fleischer, Böttcher, Dachdecker, Drechsler, Lohgerber, Sattler und Glaser als zugelassene Landhandwerker nur dann einer Innung beizutreten hatten, wenn sie gildefiihige Lehrlinge und Gesellen ausbilden wollten (§§ 5, 10)1064., mußten die nicht in Innungen verbundenen Landund Stadthandwerker "ihre Qualification zum selbstständigen Gewerbs-Betriebe der Obrigkeit nachweisen, deren Ermessen das in den einzelnen Fällen zu beobachtende Verfahren überlassen bleibt" (§ 11). Die Innungsmitgliedschaft ihres Lehrherrn befreite Lehrlinge von Landhandwerkern allerdings nicht von der Pflicht, vor ihrer Freisprechung mindestens noch ein Jahr bei einem Stadtmeister gearbeitet zu haben (§ 101). Der Widerstand des Handwerks richtete sich insbesondere gegen die weiten Räume ohne eigentliche Qualifikationsvoraussetzungen, die die Einführung bloß fakultativer Zwangsinnungen 1830 offengelassen hatte. 1065 Die Handwerksnovelle des Jahres 1847 trug dem Rechnung, indem sie den bei Nichtinnungsmeistern ausgebildeten Lehrlingen eine Lehrzeit von mindestens vier Jahren und eine Gesellenprüfung vor der Ortsobrigkeit abverlangte. 1066 Die durch 10640 Dic Anteile der Hw.cr im Stadt-land-Verhältnis verschoben sich im 19. Jh. wciter zuungunsten der städtischen Mcister, E. Hinrichs I R. Krämcr I C. Rcinders, Die Wirtschaft des landes 01denburg, S. 186 ff.
10155 Zur oldenburgischen Gew.politik nach 1830 J. Rid:ing, Dic oldenburgischc Gew.politik, S. 62 ff.
Rcgierungsbekanntmachung, betreffend Erläuterungcn u. neue Bestimmungcn zur Hw.s-O. ctc., vom 18. Nov. 1847 Art. 10 lit.a Nr. 1 u.2, GBI Old 1845 -1848 (GS OId 11), S. 471.
1066
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
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das Gewerbegesetz für das Herzogtum Oldenburg vom 11. Juli 1861 1067 jedem volljährigen Inländer ohne jeden Befähigungsnachweis gewährte Gewerbefreiheit (Art 13) war insofern eingeschränkt, als der Gewerbebetrieb zwar nur den Beschränkungen dieses Gesetzes unterliegen sollte (Art 1 § 1), jedoch die exklusiven Berechtigungen der öffentlichen Fähr- und der Lotsenanstalten (Art. 8, 9) und die bestehenden Realgewerbeberechtigungen aufrechterhalten blieben (Art. 11) und neue Zwangs- und Bannrechte vertraglich begründet werden konnten, wenn auch auf höchstens 10 Jahre (Art. 10 § 1). Eine polizeiliche Erlaubnis war zur Errichtung gefährlicher oder belästigender Anlagen erforderlich (Art. 17). Konzessionsptlichtig waren Schauspielunternehmer, Agenten von Feuerversicherungsanstalten, Schornsteinfeger, Pfandleiher, Lotteriebetreiber und Kammerjäger (Art 31), die Wirtschaftsgewerbe (Art. 35) sowie das Gewerbe im Umherziehen (Art 52). Für öffentliche Dienstleistungs- und Transportunternehmer sowie Gebrauchtwarenhändler konnte die Regierung die Abhängigkeit von einer Erlaubnis des Amts anordnen (Art 33). Die Innungen blieben als Korporationen ohne Beitrittszwang bestehen (Art.39, 41); sie konnten statutarisch festsetzen, daß die Mitgliedsbeiträge im Verwaltungswege beigetrieben werden sollten (Art. 40). Gewerbliche Hilfskräfte mußten mit einem Arbeits- oder einem Wanderbuch ausgestattet sein (Art 44).1068 In dem mit dem Herzogtum Oldenburg in Personalunion verbundenen Fürstentum Lübeck wurde die Gewerbefreiheit erst durch das Gewerbegesetz vom 13. Mai 1864 eingeführt1069• Es entsprach in den hier erwähnten Belangen mit Ausnahme der fehlenden Bestimmungen über die Exklusivberechtigungen der öffentlichen Fähr- und Lotsenanstalten vollständig dem oldenburgischen Gesetz. c) Anhaltische Staaten aa) Anhait-Bemburg
Im Herzogtum Anhalt-Bernburg schärfte ein Zirkularreskript vom 4. Aug. 18201070 die Erforderlichkeit der Anfertigung von Meisterstücken ein. Beson1067 GBI Old 1859 - 61 (GS Old 17), S.723; dazu J. Ricking, Die oldenburgische Gew.politik, S. 89 ff.
1068 Ergänzend die Bekanntmachung, betreffend die Ausfertigung der Arbeits- u. Wanderbücher, vom 18. Juli 1861, GBI Old 1859 - 61 (GS Old 17), S. 763.
VerO.s-Sammlung für das Fürstenthum Lübeck 10 (1863/64), S.339; zum Verhältnis zwischen Oldenburg und Lübeck T. Klein, Mecklenburg u. kleinere norddt. Staaten, S. 730 f., 739 ff.
1069
1070
GSAn-Be3,S.385.
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
dere Vorschriften galten nach der Bauordnung vom 4. Apr. 18281071 für die Qualifikation der Bauhandwerker. Der Bewerber, der als Lehrling das Lesen, Schreiben und Rechnen beherrschen (§ 173) und als Geselle seiner Wanderpflicht genügen mußte (§ 159), hatte sich vor der Bauinspektion einer Prüfung im Schreiben (§ 164), in bestimmten Rechenarten (f 165), seines technischen Könnens (§ 166), seiner Materialkenntnis (§ 168) und seiner Fähigkeiten in der Erstellung von Bauzeichnungen (§ 167), von Arbeiten nach einer Zeichnung (f 169) sowie von Kostenvoranschlägen (§ 170) zu unterziehen, bevor er das innungsmäßige Meisterstück anfertigte (§ 163). Während der folgenden drei Jahrzehnte wurde lediglich die Anlegung von Fabriken von einer polizeilichen Erlaubnis abhängig gemacht 1072 und die Befugnis der Fabrikbesitzer zur Beschäftigung von Handwerksgesellen auf den unmittelbaren Produktionsprozeß und die Wartung der Maschinen beschränkt1073 • Einen Einschnitt brachte erst die Verordnung, die Prüfung der Handwerker betreffend, vom 25. Aug. 1859 1074• Sie behielt zwar Lehrzeit, Gesellenprüfung, Wanderpflicht sowie eine Frist von drei Jahren zwischen der Entlassung aus der Lehre und der Meldung zur Meisterprüfung bei (f 8), entzog aber die Abnahme der letzteren den Innungen und übertrug sie einer Prüfungskommission, die auch die nicht in Zünften gebundenen Gewerbetreibenden examinieren sollte (§ 1). Die Kommission hatte ihren Sitz in Bemburg (f 3)1075 und bestand aus einem von der Regierung zum Vorsitzenden bestellten Mitglied der Kommunalbehörde, jeweils zwei vom Gemeinderat zu wählenden Gewerbetreibenden und von der Regierung zu bestätigenden ständigen Kommissarien sowie zwei von diesen ständigen Mitgliedern zuzuziehenden Vertretern des betreffenden Handwerks (§ 4). Bei der Prüfung der Bauhandwerker trat der herzogliche Kreisbaubeamte hinzu (§ 5), der das Examen mit Unterstützung zweier von ihm bezeichneter Kommissionsmitglieder durchführte (f 7). Andere Gewerbetreibende wurden durch zwei oder drei vom Vorsitzenden zu bestellende Mitglieder der Kommission geprüft, unter denen ein das einschlägige Gewerbe ausübender Handwerker sein mußte (f 7). Die Abnahme der Gesellenprüfungen verblieb bei den Innungen, jedoch stand der Rekurs an die Prü1071
GS An-Be 3, S. 621.
1072 Bekanntmachung, die zur Anlegung von Fabriken etc. erforderliche polizeiliche Erlaubnis betreffend, vom 1. Apr.1847, GS An-Be 8, S. 255. 1073 VerO., betreffend die Erläuterung der Innungsprivilegien etc., vom 1. Juli 1852 § 5, GS An-Be 10, S. 429. 1074
GS An-Be 13, S. 41.
1075 Durch die VerO., betreffend die Änderung der VerO., die Prüfung der Hw.er betreffend, vom 20. Mai 1861, GS An-Be 13, S.281, wurden an ihrer Stelle Kreisprüfungskommissionen in den Städten Bernburg, BaIlenstedt und Coswig errichtet.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
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fungskommission offen; Lehrlinge nicht zunftmäßig betriebener Gewerbe konnten eine derartige Prüfung durch die Kommission beantragen (§ 2). Die Etatisierung der Meisterprüfung allein rechtfertigt es kaum, das Herzogtum Anhalt-Bernburg in die Reihe derjenigen Staaten einzuordnen, die die Einführung der Gewerbefreiheit vorbereiteten 1076• In der Folgezeit wurden denn auch keinerlei diesbezügliche Schritte unternommen. bb) Anhalt-Dessau-Köthen
Bevor im Jahre 1853 die Herzogtümer Anhalt-Dessau und Anhalt-Köthen zum Herzogtum Anhalt-Dessau-Köthen vereinigt wurden, beschränkte man sich in Anhalt-Köthen auf die Freigabe der einem Meister gestatteten Zahl von Gesellen1077 und die Einschärfung des Erfordernisses, ein Meisterstück anzufertigen. 1078 In Anhalt-Dessau verlangte die Bauordnung vom 13. März 1819 1079 als Voraussetzung für die Annahme als Lehrling bei den Maurern und Zimmerleuten einen ordnungsgemäßen Schulbesuch sowie Fähigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen (§ 7); die Lehrzeit wurde auf drei Jahre festgesetzt (§ 10). Anschließend war dem Wanderzwang Genüge zu tun (§ 4), der später dahingehend präzisiert wurde, daß der Geselle spätestens ein Jahr nach Beendigung der Lehrzeit eine mindestens dreijährige Wanderung ins Ausland zu beginnen hatte1()IKl. Das vor der Innung angefertigte Meisterstück wurde nebst einem Bericht an das Bauamt übersandt, das eine mündliche Prüfung durch einen Baubeamten anberaumte (§§ 1, 2). Sie erstreckte sich auf die Kenntnisse im Rechnen, Schreiben, Zeichnen und in der Geometrie sowie die Baumaterialien- und Gesetzeskunde (§ 3). Die Allgemeine Innungsordnung vom 23. Aug. 1821 1081 hob den im übrigen beibehaltenen Zunftdistriktsbann (§§ 20 ff.) allein rur die Bauhandwerker auf So aber H.A. Mascher, Das Dt. Gew.wesen, S. 647 f. VerO., das Halten der Gesellen betreffend, vom 13. Sept. 1811, GS An-Kö 1800 -1822, S.186. 1078 VerO. wegen Anfertigung der Meisterstücke, vom 3. Juni 1814, GS An-Kö 1800 -1822, S.341. 1079 GS An-De 1, S. 39. 1080 VerO. wegen des Wanderns der Maurer- u. Zinlmergesellen vom 19. Aug. 1836 Art. 1, GS An-De 3, S.807; nach der Vereinigung der beiden Herzogtümer auf den Gesamtstaat erstreckt durch § 1 der verO., das Wandern der Maurer- u . Zinlmergesellen betreffend, vom 4. Jan. 1855, GS An-De-Kö 9, S. 2769. 1081 GS An-De I, S. 71; 2ll ihr A. Haase, Die erste anhaltische allgemeine Gew.O., S. 62 ff. 1076 1077
518 Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
(§ 25).1082 Entsprechend ihrem einleitend niedergelegten Grundsatz, lediglich der ''Erzielung einer größern Gleichförmigkeit in der Verfassung aller bestehenden Innungen" und der ''Abstellung ... (derjenigen) Mißbräuche" zu dienen, deren Beseitigung "unumgänglich nothwendig sei", behielt die Innungsordnung mit dem Ausschluß unehelich Geborener (§ 6) oder der Erleichterung der Meisterstücke für Meistersöhne oder Einheiratende (§ 41) zünftische Instrumentarien bei, die häufig bereits im 18. Jh. abgeschafft wurden und sich im 19. Jh. nur noch vereinzelt fmden. 1083 Die Schließung von Innungen wurde zwar aufgehoben (§ 53), jedoch sollten die städtischen Obrigkeiten Übersetzungserscheinungen entgegensteuern, "damit die Professionisten ... so viel als möglich ihr nothdürftiges Auskommen dabei [mden mögen" (§ 54). Der die Innung kontrollierende gerichtliche Beisitzer wurde nicht von der Obrigkeit ernannt, sondern von der Innung gewählt und von der Landesregierung bloß verpflichtet (§ 29). Der Unterschied zwischen Stadt- und minderqualifizierten Landmeistern wurde ebenso tradiert (§ 27) wie der Wanderzwang (§ 36) und das Abkaufen von Fehlern der Meisterstücke (§ 38 litb). Lediglich der vollständige Erlaß eines Teils der Lehr- oder Wanderzeit oder der Meisterstücke gegen eine Geldzahlung wurde verboten (§ 37). Im Jahre 1850 wurde ein im Auftrag des Gesamtstaatsministeriums von dem Berliner Stadtrat Risch erarbeiteter Gesetzentwurf1084 zur Diskussion gestellt, welcher den Innungszwang mit Befähigungsnachweis (§ 26) und Gesellenprüfung (§ 103) beibehalten, dafür aber alle Verbietungsrechte (§ 1), die Beschränkung des Gewerbebetriebs auf die Städte (§ 9), das Verbot des gleichzeitigen Betriebs mehrerer Gewerbe (§ 11) und die Wanderptlicht (§ 93) aufheben wollte. Der an die Regelung in der preußischen Allgemeinen Gewerbeordnung von 1845 anklingende Kreis der einer Qualifikationsprüfung durch die Regierung unterworfenen Gewerbe, nämlich Maurer, Steinmetze, Steinhauer, Ziegeldecker, Haus- und SchifIszimmermeister, Mühlenbaumeister, Brunnenmacher, Schornsteinfeger, Bandagisten, Verfertiger chirurgischer Instrumente, Hebammen, Kastrierer und Abdecker, läßt deutlich werden, daß der nicht realisierte Entwurf als Versuch zur Transformation der preußischen Gesetzgebung von 1845 I 49 auf die anhaltischen Verhältnisse eingestuft werden darf. 108.'i 1082 Nach der Vereinigung der beiden Herzogtümer auf den Gesamtstaat erstreckt durch § 1 der VerO., betreffend die Aufhebung des Innung~anges bei den Maurer- und Zimmerinnungen im vormals Köthenschen Landesteil, vom 5. Juli 1854, GS An-De-Kö 8, S. 2679. 1083 Zur zünftischen Unehelichenregelung Kap. 2 III la; zu den Erleichterungen bei den Meisterstücken Kap. 2 III 3; zur Beseitigung dieser Regelungen im 18. Jh. Kap. 3 III 3 und 4. 1084 Entwürfe zur zeitgemäßen Umgestaltung des Gew.- u. Innungs-Wesens in den Herzogthümem Anhalt-Dessau u. Anhalt-Cöthen. 1085
Zu den preußischen Regelungen von 1845 /49 Kap. 4 IV 1a und b.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
519
Nach der Vereinigung der beiden Herzogtümer wurde das Lehrlingswesen bei den Maurern und Zimmerleuten dahingehend neu geordnet, daß vor der Aufdingung eine Erlaubnis der Gemeindebehörde erforderlich war, die das Schulzeugnis des künftigen Lehrlings auf dessen Fähigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen zu überprüfen hatte, und daß nach Ablauf der dreijährigen Lehrzeit eine Gesellenprüfung vor einer Prüfungskommission bestanden werden mußte.101115 Das Verhältnis zwischen Meistem und Gesellen wurde allgemein der freien Vereinbarung anheimgegeben 1081, der Wanderzwang außer für die Maurer und Zimmerleute aufgehoben, die schriftliche Aufgebung der Meisterstücke durch die Innung angeordnet sowie die Beschränkung der Lehrlings- und Gesellenzahl beseitigtl088• Weitere Schritte auf dem Wege zur vollen Gewerbefreiheit wurden nicht mehr unternommen.
d) Hansestädte
aa) Bremen
In Bremen wurden durch eine Verordnung vom 26. Feb. 1814 unmittelbar nach der Beendigung der französischen Herrschaft die Zünfte wieder in ihre überkommenen Rechte eingesetzt 1089 Nachdem zur Wahrung der Interessen von Handwerk und Industrie im Jahre 1849 eine Gewerbekammer und ein Gewerbekonvent errichtet worden waren,HI9O bedeutete die Gewerbe-Ordnung für die Stadt Bremen vom 6. Okt. 1851 1091 insofern einen Schritt zur Gewerbefreiheit, als nicht allein die bereits vor 1850 in einem der in § 3 aufgeführten 29 zunftmäßigen Gewerbe tätigen Pfuscher nunmehr nach Anfertigung eines erleichterten Meisterstücks und Entrichtung der Aufnahmegebühren Innungsmitglieder werden konnten, sondern weitergehend jeder gegen Zahlung eines Einschusses in die Innungskasse sein Gewerbe frei auf eigene Hand betreiben 1086 VerO., die Regelung des Lehrlings- u. Gesellenwesens bei den Maurer- und Zimmerinnungen betreffend, vom 18. Juni 1856 §§ 1-3, GS An-De-Kö 10, S.2929.
1081 VerO., betreffend das Dienst- oder Arbeitsverhältnis zwischen Meistem etc. u. Gesellen etc. vom 12. Aug. 1859 § 2, GS An-De-Kö 10, S. 3445. 1088 VerO., Erleichterungen im Innungswesen betreffend, vom 6. Sept. 1862 §§ 4-6, GS An-De-Kö 11, S. 3673. 1089 U. Branding, Die Einführung der Gew.freiheit in Bremen, S. 14; allgemein zur Verwaltungsrestauration R Postei, Hansestädte, S. 793 ff. 1090
U. Branding, Die Einführung der Gew.freiheit in Bremen, S.19 ff.; R Postel, Hansestädte,
S. FIJ7.
1091 GBI Bre 1851, S. 103; zur Entstehung U. Branding, Die Einführung der Gew.freiheit in Bremen, S. 26 ff. 34 Ziekow
520
Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
durfte; ausgenommen von dieser Regelung waren allerdings die Bäcker, Fleischer, Maurer und Zimmerleute (§ 41). Zum obligatorischen Erwerb des innungsmäßigen Meisterrechts (§ 4) war eine drei- bis füntjährige Lehrzeit unter Anrechnung der mindestens vierwöchigen Probezeit (§§ 15, 17), eine Gesellenprüfung (§ 20), eine dreijährige Wanderzeit (§ 28) sowie eine theoretische und praktische Meisterprüfung zu absolvieren (I 31). Die unter dem Vorsitz eines Mitglieds des Senats aus einigen von der Gewerbekammer und einigen von der betreffenden Innung Gewählten bestehende Meisterprüfungskommission (§ 30) wies den den Anforderungen nicht genügenden Kandidaten auf höchstens ein Jahr zurück (§ 32). Mit Ausnahme der einheimischen Maurerund Zimmergesellen, die in polizeilicher Rücksicht genehmigungsfreie Arbeiten eigenständig ausführen durften, war den Gesellen die Ausübung des Handwerks auf eigene Rechnung verboten (§ 22). Weder war der Geselle bei der Wahl des Meisters an eine Zuschickordnung (§ 23) noch der Meister an eine Gesellenzahl gebunden (§ 34). Hingegen war die Beschränkung der Zahl der Lehrlinge der Regelung durch die Innungsstatuten anheimgegeben (§ 34), die der Bestätigung durch den Senat bedurften (§ 37). Im übrigen war der gleichzeitige Betrieb mehrerer Handwerke regelmäßig nicht gestattet (§ 6) und die Zulassung von Weißbäckern, Grobbäckern und Schweineschlächtern von der Bevölkerungszahl abhängig (§ 38). Die Folge des erleichterten Innungsbeitritts war ein starker Anstieg der Mitgliederzahl in den Handwerken, die wie die Massengewerbe der Schneider, Schuster und Tischler technisch keine besonderen Anforderungen stellten. Da es sich jedoch bei den Neuaufgenommenen überwiegend um ehemalige Störer handelte, war der reale Konkurrenzzuwachs gering.1 092 Weitere Schritte der Zurückdrängung der Zunftverfassung blieben zunächst die Auflösung der Ämter der Barbiere 18521093 und der Reepschläger im Jahre 1858, bevor die Verordnung, die Aufhebung der bisherigen Gewerbsprivilegien in der Stadt Bremen betreffend, vom 4. Apr. 1861 1094 die Gewerbefreiheit verwirklichte. Alle Innungsprivilegien wurden aufgehoben (§ 1) und den Zünften der Fortbestand lediglich als freien Korporationen gestattet (§ 5); mit Ausnahme des Tischleramts zogen es jedoch alle Innungen vor, sich aufzulösen. 109S 1092
U. Branding, Die Einführung der Gew.freiheit in Bremen, S. 34 f.
VerO., die Aufhebung des chirurgischen Amts etc. betreffend, vom 12. Juli 1852, GBI Bre 1852, S. 67. 1093
1094 GBI Bre 1861, S.10; zur Vorgeschichte U. Branding, Die Einführung der Gew.freiheit in Bremen S. 36 ff. Gegen Gew.freiheit für Bremen W.E. Backhaus, Schutz der Arbeit, S. 13 ff.
109S U. Branding, Die Einführung der Gew.freiheit in Bremen, S. 77. Zur Freigabe des Makleramts F.-T. Blaum Die Entwicklung des Maklerwesens in Bremen von den Anfängen, S. 99 ff.; vgl. auch dens., Die Entwicklung des Maklerwesens in Bremen, S. 598 ff.
IV. Die einzelstaatliche Gcwerbegesetzgebung
521
Voraussetzungen für den selbständigen Betrieb eines der in der Geweroeordnung von 1851 genannten Handwerke waren der Besitz des Bürgerrechts, die Erreichung der Volljährigkeit und die Anmeldung bei der Gewerbekommission, um in die Liste der Meister des jeweiligen Handwerks aufgenommen zu werden; andere Bedingungen, insbesondere die Erfüllung von Qualifikationsanforderungen jedweder Art, wurden nicht gestellt (§ 2). Die Verhältnisse der Lehrlinge und Gesellen wurden ausschließlich in freier Übereinkunft festgesetzt (§ 4). Obwohl das bremische Gesetz mit seiner Ablehnung jeglichen Konzessionszwanges und Befahigungsnachweises selbst für die Bauhandwerker eines der freiheitlichsten Gewerbegesetze der deutschen Länder gewesen sein dürfte, stieg die Zahl der Gewerbetreibenden keinesfalls überproportional an.1 096 Durch die Verordnung, die Betreibung von Gast- oder Schenkwirtschaften und ähnlichen Gewerben betreffend, vom 19. Mai 1863 1097 wurde schließlich noch der Konzessionszwang im Gastwirtschaftsgewerbe aufgehoben.
bb) Hamburg
Auch in Hamburg wurde 1814 die unter napoleonischer Besetzung eingeführte Gewerbefreiheit mit der Restitution der Gesamtverfassung wieder beseitigt, eine Normierung des Zunftwesens allerdings unterlassen. 1098 Das alte Ämterreglement von 1710 blieb wegen der zahlreichen Zunftrnißbräuche suspendiert. Unter dem gegen das Verlangen der unteren Volksschichten auf Zulassung der preisgünstig aroeitenden Bönbasen gerichteten Druck der Zünfte interpretierte der Senat am 20. Dez. 1815 diese Suspension dahingehend, daß man damit keineswegs "sclwn jetzt eine völlige Handwerksfreiheit ... verstatten" wolle; zu groß erschien die Gefahr, daß die Einführung der Gewerbefreiheit die Restauration der Hamburger Sozialstruktur in Mitleidenschaft ziehen könnte. 1099 Eine Regelung erfolgte erst durch das Generalreglement für die Hamburgischen Ämter und Brüderschaften vom 6. Apr. 1835 1100, das zwar dem Handel größere Freiheiten gewährte, indem der Import und Verkauf von Produkten, die zum Bereich eines zünftigen Gewerbes gehörten, gestattet wurde (§ 26). Im übrigen jedoch wurde die Zunftverfassung mit Zunftzwang (§ 19), in Vgl. U. Branding, Die Einführung der Gcw.freiheit in Bremen, S.86 f.; zur Bewertung des Gesetzes vgI. auch HA. Mascher, Das Dt. Gew .wesen, S. 610 Cf.
1096
1097
GBI Bre 1863, S. 49.
H. Kwiel, Die Einführung der Gew.freiheit in Hamburg, S. 39; zum Neuautbau der Verwaltung R. Poste!, Hansestädte, S. 793 Cf. 1098 1099
A. Herzig, Kontinuität u Wandel der politischen u. sozialen Vorstellungen, S. 302 f.
1100
Sammlung der VerO.en der freyen Hanse-Stadt Hamburg 14 (1835 /36), S.107.
522
Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
den jeweiligen RoUen festgesetzter Lehrzeit (§ 45) einschließlich einer achtwöchigen bis dreimonatigen Probezeit (§ 40), vierjähriger GeseUenzeit einschließlich der in den Zunftbriefen bestimmten Wanderzeit (§§ 68, 69), Zuschickordnung (§ 82) und Meisterstück (§ 111) beibehalten. Während die GeseUenzahl freigegeben war, durfte jeder Meister höchstens zwei Lehrlinge gleichzeitig beschäftigen (§ 127). Gänzlich vom Zunftzwang befreit waren die Produktion aufgrund von Erfindungen oder wissenschaftlicher Bildung (§ 32), die HersteIlung von Frauenkleidern und -schmuck durch Frauen (§ 33) und die fabrikmäßige Betreibung eines Gewerbes (§ 34). 38 Ämter und Brüderschaften wurden anerkannt (§ 1 mit Beil. I), zu denen 1843 das Amt der Wandbereiter und 1845 die Brüderschaft der Viehzieher hinzutraten. Die Zünfte der Rotgießer, Schwertfeger, Buntfutterer, Kerzengießer, Krahnleute, Weinverlasser und Vincent-Brüder wurden wegen der Bedeutungslosigkeit ihrer Handwerke, das Amt der Steinmetzen im Jahre 1843 wegen seiner übersteigerten Preispolitik aufgehoben. u01 Dagegen indizierte die Auflösung der Zunft der Schiffszimmerleute im Jahre 1838 mit der ausdrücklichen Begründung, der Zunftzwang hemme die QualifIkation der Gewerbetreibenden,1102 eine Relativierung der Zunftverfassung überhaupt Das Revidierte Generalreglement vom 25. Mai 184O u03 brachte kaum Änderungen an den 1835 geschaffenen Grundsätzen. Reformvorschläge wie der 1846 vom TischlergeseIlen Martens vorgelegte Versuch eines Konzessionssystems mit Befahigungsnachweis 1104 wurden nicht berücksichtigt. Nachdem sich die auf Grund der Verfassung vom 28. Sept 1860 in aIlgemeinen Wahlen gewählte neue Bürgerschaft konstituiert hatte, legte die im Aug. 1857 von der technischen Sektion der Patriotischen GeseIlschaft beauftragte Kommission am 25. Jan. 1861 ihren von C.W. Asher referierten Bericht vor, der als einziges Mittel zur Hebung des Gewerbestandes die Einführung der Gewerbefreiheit empfahI.l105 Gegen den Widerstand der Ämter wurde schließ1101
H. Kwiet, Die Einführung der Gew.freiheit in Hamburg, S. 41,43.
Begründung des Rats, H. Kwiet, Die Einführung der Gew.freiheit in Hamburg, S.42: •... verderblich für dieses Gewerbe ist der, nach der Zunftverfassung, den hiesigen Arbeitern vor den Fremden eingeräumte Vorzug• ... Nicht einmol eine Wanderung nach fremden St:epliitzen ist hier üblich. Unsere Schiffbauer ... haben nichts Anderes gesehen und gelernt, als was unsere Meister ihnen gezeigt und gelehrt haben, und diesen ist es als Gesellen oder Tagelöhnern gerade eben so gegangen." 1102
1103 1104 1105
Sammlung der VerO.en der freyen Hanse-Stadt Hamburg 16 (1840 /41), S. 87. J.F. Martens, Das Zunftwesen in Hamburg im Conflict mit der Gesellschaft, S.17 Cf.
H. Kwiet, Die Einführung der Gew.freiheit in Hamburg, S. 84 ff. Zum Zusammenhang von Staats- und Zunftverfassung in Hamburg H. Kwiet, l.c., S.44 ff. Zur Entstehung der Verfassung von 1860 H. Reincke, Die Kämpfe um die hamburgische Verfassung. S.149 ff.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
523
lieh das Gewerbegesetz vom 7. Nov. 1864u06 erlassen, das jedem hamburgisehen Staatsangehörigen den freien Betrieb jedes Gewerbes gestattete (§ 2) und die Privilegien der als freie Korporationen ohne Zunftzwang fortbestehenden Ämter und Bruderschaften aufhob (U 1, 8). Grundsätzlich war für die Aufnahme des Gewerbebetriebs nur deren Anzeige an die Behörde erforderlich (§ 5), sofern nicht für bestimmte Gewerbe Sondervorschriften galten (§ 3) oder ein Konzessionszwang wie für die Schornsteinfeger, Transportgewerbe, Hausierer, Pfandleiher, Kollekteure auswärtiger Lotterien, Unterhaltungsgewerbe sowie bestimmte Gastwirtschaften und Herbergen angeordnet war (§ 4). Jeder Gewerbetreibende durfte beliebig Lehrlinge und Gesellen beschäftigen (§ 14), deren Verhältnisse Gegenstand freier Übereinkunft waren (§ 16). War eine Bestimmung über die Lehrzeit nicht getroffen, so mußte auf die in dem betreffenden Gewerbe übliche Dauer rekurriert werden (§ 18). Obligatorisch galt eine vierwöchige Probezeit, die auf die Lehrzeit anzurechnen war (§ 17). Dieses Beispiel und der Konzessionszwang für nicht wenige Gewerbe zeigen, daß die Grenzen der Gewerbe- und der gewerblichen Vertragsfreiheit in Hamburg enger gezogen wurden als in Bremen, mit dem die hamburgische Regelung jedoch in der Negation jeglichen Befahigungsnachweises übereinstimmte. u07
ce) Lübeck
Ein Einbruch in die Zunftverfassung der Stadt Lübeck erfolgte zunächst mit der Verordnung, die Aufhebung verschiedener Satzungen in den hiesigen Handwerkszünften und Ämtern betreffend, vom 21. Sept. 1861 u08, Aufgehoben wurden das Gesellenstück (Art. 5), der Wanderzwang (Art. 10), die Zuschickordnung (Art. 6) und die Beschränkung der Lehrlings- und Gesellenzahl (Art. 17). Die Lehrzeit sollte nach freier Vereinbarung zwischen drei und fünf Sammlung der VerO.en der freien Hanse-Stadt Hamburg 32 (1864), S. 161; ergänzend das Gesetz, betr. Entschädigung wegen Authebung der Realgerechtsame, vom 7. Nov. 1864, \.c., S. 179. Eingehend zur Entstehungsgeschichte des Gew.gesetzes H. Kwiet, Die Einführung der Gew.freiheit in Hamburg, S. 93 ff., wo sich auch (S. 205 ff.) ein Abdruck des ersten Entwurfs findet. Der gegen den Kommissionsbericht der technischen Sektion gerichtete Entwurf einer hamburgischen Gewerks-O. des Vereins der Gewerks-Deputierten ist Gegenstand der Kritik von C. Plath, Gegen das Zunftwesen, S. 6 ff. Zur Vorbereitung der Neuordnung der Gew.verhältnisse gab der Senat auch eine Bestandsaufnahme der ReaIGew.gerechtigkeiten in Auftrag, J.M. Lappenberg, Archivalbericht über den Ursprung u. das Bestehen der RealGew.rechte in Hamburg, S. 5 ff. 1106
1107
Zu Bremen Kap. 4 IV 9d 88.
1108 VOS Lüb 1861, S. 52. Sie wird von H. A. Mascher, Das Dt. Gew.wesen, S. 661 f., übersehen, der im übrigen zutreffend die Erstarrung der ma.en Formen des Lübeckischen Zunftwesens im 19. rb. hervorhebt.
524
Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Jahren dauern (Art. 3), woran sich eine fünfjährige Gesellenzeit (Art. 12) und die Anfertigung des Meisterstücks (Art 15) anschließen sollten. Erst das Gewerbegesetz vom 29. Sept. 1866 1109 beseitigte die Privilegien der Zünfte (Art. 15) und überführte diese in den Status freier Genossenschaften (Art. 9, 20). Jedem volljährigen und dispositionsfähigen Bürger stand der beliebige Betrieb aller Gewerbe frei (Art 1), sofern er dessen Beginn der zuständigen Gewerbebehörde anzeigte (Art. 6). Die Annahme von Lehrlingen und Gesellen war unbeschränkt (Art 10) und unterlag nur der freien Übereinkunft (Art. 11). Für eine Reihe von Gewerben, deren Kreis entsprechend der hamburgischen Regelung begrenzt wurde, galten Sondervorschriften (Art. 3).1110 Vollständig der Gewerbefreiheit entzogen und von einer besonderen Genehmigung abhängig war der Betrieb von Post-, Eisenbahn- und Telegraphenunternehmen, öffentlichen Fähranstalten, Irrenanstalten und Beerdigungsunternehmen (Art. 2). Ein bloß polizeilicher Konzessionszwang galt dagegen für die Schornsteinfeger, Straßenkehrer, Abdecker, Transportunternehmen, Auswandererexpeditionen, Hausierer und Trödler, Pfandleiher, GesindemäkIer und Nachweisungs-Comtoire, Tanzlehrer, Schausteller, Krug-, Schänk- und Tanzwirtschaften, musikalischen Darbietungen, Spielbuden und Lotterien sowie Herbergen (Art. 4). Insgesamt näherte sich die Einführung der Gewerbefreiheit in Lübeck mehr dem Vorbild Hamburgs als dem Bremens an. 1111
e) Mecklenburgische Großherzogtümer
In den mecklenburgischen Ländern blieb wie die gesamte Verfassungs- und Verwaltungsstruktur auch das Zunftwesen weithin unangetastet. 1112 Die Ordnung der Ausbildung der Bauhandwerker bildete einen Schwerpunkt der Gesetzgebung des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin. Eine Verordnung vom 27. Jan. 18101113 unterwarf die Maurer und Zimmerleute einer Prüfung durch einen der fünf bestellten Landbaumeister. Im Jahre 1829 wurde die Wanderzeit der Zimmergesellen von zwei auf drei Jahre angehoben 1114, bevor 1109 VOS Lüb 1866, S.76; ergänzend das Gesetz, den Fortbestand u. die Authebung gew.er Rea1gerechtsame, sowie die für aufgehobene Realgerechtsame u. Verbietungsrechte von Arbeits-Corporationen zu leistenden Entschädigungen betreffend, vom 29. Sept. 1866, I.c., S. 84. 1110
Zu Hamburg Kap. 4 IV 9d bb.
1111
Zu Bremen Kap. 4 IV 9d aa; zu Hamburg I.c. bb.
1112
Vgl. T. Klein, Mecklenburg u.ldeinere norddt. Staaten, S. 720 ff.
1113
GS Mc-Schwc, S. 633; sie erweiterte eine VerO. vom 17. Juli I80S,l.c., S. 632.
1114
VerO. vom 18. Feb. 1829, GS Me-Schwe, S. 64S.
IV. Die einzelstaatliche Oewerbegesetzgebung
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für jene sowie die Maurergesellen der Zwang zur Auslandswanderung aufgehoben wurde, sofern sie in Schwerin, Rostock oder Wismar gearbeitet hattenl115 • Allgemein sollte darauf geachtet werden, daß die aus dem gewerbefreiheitlichen Preußen einwandernden Patentmeister die in Mecklenburg-Schwerin geforderte Qualifikation hinsichtlich der Lehr- und Wanderzeit sowie der Meisterstücke aufwiesen. 1116 Vereinheitlicht wurden die Grundsätze des Zunftrechts durch den ersten Abschnitt der neuen Amtsrollen, die allgemeinen Vorschriften enthaltend, aus dem Jahre 18441117• Der Zunftzwang wurde konserviert, Schließungen von Zünften aber nicht gestattet (§ 1). Jede Zunft stand unter der Aufsicht eines obrigkeitlich bestellten Patrons (§ 2). Vor der Aufnahme in die Lehre hatte der Lehrling seine Kenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen nachzuweisen (§ 42) und eine mit dem Lehrherm zu vereinbarende Probezeit von höchstens acht Wochen zu absolvieren, die auf die Dauer der Lehrzeit anzurechnen war (§ 43). Letztere wurde für jedes Gewerbe gesondert festgesetzt (§ 44), konnte allerdings vertraglich verkürzt werden, wenn der Lehrling höhere zeichnerische und mathematisch-naturwissenschaftliche Fähigkeiten durch Zeugnisse belegen konnte oder bereits ein verwandtes Handwerk erlernt hatte (§ 46). Darüber hinaus konnte der Meister mit Genehmigung des Zunftvorstandes "zur Belohnung des Fleißes" ein halbes bis ein Jahr der Lehrzeit erlassen (§ 45). In jedem Falle aber mußte vor der Zulassung zur Gesellenschaft eine Prüfung bestanden werden (§ 64), wobei eine mängelbehaftete Leistung die Zurückweisung auf drei bis sechs Monate weiterer Lehrzeit nach sich zog (§ 65). Spätestens ein Jahr nach der Lossprechung hatte der Geselle die gewerbespezifisch normierte Wanderzeit anzutreten (U 71, 72), in welche die Arbeit bei unzünftigen Meistem und in Fabriken eingerechnet werden sollte (§ 73). Handwerksfremde Tätigkeiten indessen wurden nicht angerechnet, sondern führten sogar bei einer Dauer von mehr als drei Jahren zum Verlust der Eigenschaft als zünftiger Geselle (§ 74). Während Zuschickordnung (§ 79), Meisterprüfung (§ 108 Nr. 4) und Beschränkung der Lehrlingszahl (§ 112 Nr. 1) weiterhin Platz griffen, wurde die Zahl der einem Meister gestatteten Gesellen freigegeben (§ 112 Nr.2). An dieser Stelle und an den erwähnten Möglichkeiten zur Verkürzung der Lehrzeit und zur Absolvierung der Wanderzeit außerhalb des zünftischen Handwerks zeigen sich Tendenzen einer sehr vorsichtigen Liberalisierung, die Abstriche an der Bewertung als mittelalterlich-statische Zunftverfassung 1118 erlauben. 1115
VerO. vom 6. März 1840, OS Me-Schwe, S. 647.
1116
VerO. vom 4. Sept. 1821, OS Me-Schwe, S. 607.
1117
OS Me-Schwe, S. 613.
1118
So HA Mascher, Das Dt. Oew.wesen, S. 660.
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Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Zutreffender mag die letztgenannte Charakterisierung für das Großherzogtum Mecklenburg-Strehlitz sein, wo das Allgemeine Zunftprivileg vom 4.Juli 1823 1119 Bestand behielt. Ergänzt wurde es lediglich durch die Verordnung über Wanderbücher vom 22. Juni 1841 1120 und die Bekanntmachung vom 16. Dez. 18491121 , die neben dem bis dahin allein für die Prüfung der Maurer und Zimmerleute zuständigen Baurat in Neustrelitz einen Realschullehrer, einen Vertreter des jeweiligen Gewerks und einen protokoll führenden Notar zur examinierenden Kommission bestellte. Stimmen für die Einführung der Gewerbefreiheit in den mecklenburgischen Staaten Ende der 60er Jahre l122 führten zu keinen eigenständigen legislatorischen Versuchen. f) Holstei" und Lauenburg
Für Holstein (und Schleswig) erbrachte eine Gesamtschau der erlassenen Normierungen keine elWähnenswerte Modifikation der Zunftverfassung. 1123 Frühe Stimmen für die Gewerbefreiheit wie die des königlich dänischen Kammerherm und Mitglieds des schleswigschen Obergerichts Graf v. Moltke l124 blieben ungehört. Auf Antrag der Ständeversammlung arbeitete die Regierung den 1844 vorgelegten Entwurf einer Gewerbeordnung aus, der neben der Unifizierung der Gewerbeverhältnisse die Vorbereitung der Gewerbefreiheit erreichen sollte. Die Zünfte sollten als freie Genossenschaften ohne Ausscbließungsrechte bestehen bleiben; der obligatorische Befähigungsnachweis war vor dem in jeder Stadt errichteten Gewerbeausschuß oder der dort vorhandenen Zunft zu führen. Dem unter einer faktischen Gewerbefreiheit stehenden Landhandwerk sollte eine Ausgleichsabgabe auferlegt werden, die zur Hälfte dem Stadthandwerk als Entschädigung zufließen sollte. Der Entwurf scheiterte an dem Wunsch der Ständeversammlung nach Modifikationen im Sinne der überkommenen Gewerbeverfassung. I124• 1119 Ein Druck konnte nicht ermittelt werden. Erwähnt wird es in dem Publikandum vom 14. Aug. 1838, Officielle Beilage zu den Meckienburg-Strelitzischen Anzeigen 1838, S. 101, das den die Prüfung der aufzunehmenden Lehrlinge im Lesen, Schreiben und Rechnen anordnenden Art. 12 des Privilegs einschärft. 1120
Officielle Beilage zu den Meckienburg-Strelitzischen Anzeigen 1841, S. 141.
Großherzoglich Mecldenburg-Strelitzscher Officieller Anzeiger für Gesetzgebung und Staatsverwaltung 1850, S. S. 1121
1122
Anonymus, Fort mit der Zunft!, S. 3 ff.
1123
Vgl. auch H.A. Mascher, Das Dt. Gew.wesen, S. 661.
1124
M. v. Moltke, Gedanken über Gew.freiheit, S.18 ff.
11240 H.D. Ablf, Das Schleswig-Holsteinische StadtHw., S.70 ff. Eine an den König gerichtete Bittschrift der Altonaer Bäckerinnung aus dem Jahre 1843 gegen die Gcw.freiheit und für die Er-
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetqebung
527
Nach der Eingliederung in den preußischen Staatsverband 1866 / 67 galten dessen Gewerbegesetze zwar nicht für die neuerworbenen HelZogtümer,1125 jedoch hob die Verordnung, den Betrieb stehender Gewerbe in den HeIZogtümern Schleswig und Holstein betreffend, vom 23. Sept. 18671126 den Zunft- und den Städtezwang (§§ 1, 4), Beschränkungen in der Annahme von Lehrlingen und Gesellen (§ 5) und den Wanderzwang (§ 8) auf. Jeder volljährige und dispositionsfähige Inländer (§ 9) durfte jedes Gewerbe in beliebiger Ausdehnung ausüben, wenn er den Betriebsbeginn der jeweiligen Gemeindebehörde angezeigt hatte (§ 10). Im HelZogtum Lauenburg blieb insbesondere das Landhandwerk reglementiert. Dortbandwerker konnten nur auf Lebenszeit konzessioniert1121 und durften allein mit einer Erlaubnis der Regierung in eine städtische Gilde aufgenommen werdenl128• Den Leinewebern auf dem Land allerdings war es gestattet, zünftige und unzünftige Gehilfen zu halten. l129 Demgegenüber wurden Forderungen laut, das Landhandwerk wieder auf das absolut erforderliche Mindestmaß zu beschränken. ll3o Nichtsdestoweniger legte die liberale Wirtschaftspolitik der 50er Jahre das Schwergewicht der Arbeitsmarktregulierung auf eine bloße Kontrolle der QualifIkation der Dortbandwerker. 1131 Die lauenburgische Verordnung wegen der Gesellen- und Wanderjahre vom 5. Nov. 18281132 gebot den Gesellen, spätestens ein Jahr nach der Beendigung der Lehre den Ort zu verlassen (§ 6) und mindestens eines der insgesamt fünf Gesellenjahre (§ 1) außerhalb desselben zu arbeiten (§ 2); Zimmerer, Tischler, Maurer, Radmacher, Schmiede, Riemer, Sattler und Reifer hatten sogar drei Wanderjahre im Ausland oder zwei in Kopenhagen zu erstehen (§ 2). Ergänzend erging die Verordnung, betreffend die den Handwerksgesellen zu erteilenden Wanderbücher, vom 20. Sept. 1831 1133. Die Freigabe der Lehrlings- und haltung der alten Ämter findet sich bei L Peickoer, Geschichte der Bäcker-Iooung zu A1tona, S. 55 Cf. Zur faktischen Gew.freiheit des LaodHw.s H.D. Ahlf, I.c., S.53. 1125
AA. W. Steiniger, Schleswig-Holstein, S. 763 f.
1126
PrGS 1867, S. 1641.
1121
Reskript vom 12. Aug. 1817, VOS Lau 1, S. 232. Zum Konzessionssystem für das LaodHw. O. Kettemano, Ländliches Hw. in Schleswig-Holstein, S. 42. 1128
Reskript vom 6. Apr. 1822, VOS Lau 1, S. 403.
1129
Ausschreiben vom 26. Apr. 1820, VOS Lau 1, S. 321.
1130
Anonymus, Ueber den Gewerbszwang, S. 360 ff.
1131
W. Rust, Die Geschichte des Hw.s im Flecken u. in der Stadt Glücksburg, S. 165.
VOS Lau 2, S.50. Zum Waodergesellenweseo in Schleswig-Holstein S. Göttsch, •Auf, Brüder, lasst uns wandern ...", S. 37 Cf.
1132 1133
VOS Lau 2, S. 114.
528
Kap.4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Gesellenzahl für die Stadtmeister durch das Ausschreiben vom 19. Dez. 18461134 bedeutete zwar eine Liberalisierung, findet sich jedoch in anderen Territorien nahezu ein lahrhundert früher l135• g) Lippische Staaten
In den Fürstentümern Lippe (-Detmold) und Schaumburg-Lippe bestanden für die Mehrzahl der Handwerke ungeschlossene Zünfte fort. Konzessionspflichtig waren in Schaumburg-Lippe alle unzünftigen Gewerbe l136, in LippeDetmold die Landhandwerker, die teilweise einen Befähigungsnachweis zur Aufnahme in die städtische Zunft zu erbringen hatten. 1137 Allerdings wurde diese Vorschrift wegen der für die Landhandwerker untragbar hohen Kosten häufig umgangen, so daß das damit nahezu unter Gewerbefreiheit stehende Dorthandwerk stark expandierte. 1138 Alle Versuche zur Neuordnung der Gewerbeverhältnisse scheiterten. Ein Antrag des Landtags des Fürstentums Lippe aus dem Iahte 1838 auf Erlaß einer Gewerbeordnung wurde abgelehnt, da der Verfassungszustand dies noch nicht zulasse; ein Entwurf von 1847 wurde nicht beraten. Ebensowenig verwirklicht wurde ein Entwurf des lahres 1856, der das zünftische System mit Zunftzwang beibehalten wollte.1 139 10. HohenzoUem-Hechingen und Hohenzollem-Slgmaringen
Während im Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen die alte Zunftordnung noch bis 1869 fortbestand,1140 wurde in Hohenzollern-Hechingen noch vor der Übergabe der beiden Fürstentümer an Preußen im lahre 1850 die Allgemeine Gewerbe-Ordnung im Fürstentum Hohenzollern-Hechingen vom 7. Apr. 1842
1134
vas Lau 3, S. 427.
1135
Vgl. Kap. 31II 4.
Insbesondere die Kupferschmiede, Gold- und Silberarbeiter, Uhrmacher, Lohgerber, Kunstdrechsler, Sattler, Hutmacher und Bauhandwerker; auf die letzteren wurde die Zunftverfassung erst 1842 ausgedehnt, R. Tiemann, Das lippische Gew~ S. 68. 1136
1137
HA. Mascber, Das Dt. Gew .wesen, S. 661.
P. Steinbach, Der Eintritt Lippes in das Industriezeitalter, S. 69 f.; R. Tiemann, Das lippische Gew., S. 71. 1138
1139 R. Tiemann, Das lippische Gew~ S.74 ff. Zur Diskussion über die Gew.freiheit in den 60er Jahren P. Steinbach, Der Eintritt Lippes in das Industriezeitalter, S. 76 ff.
1140
U. Ziegler, Verwaltungs-, Wirtschafts- u. Sozialstruktur Hohenmllerns, S. SS f.
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebung
529
samt Vollzugsinstruktion vom 11. Juli 1842 erlassen. 1141 Als gewerbefreiheitliche Modifikation der Zunftverfassung 1142 schrieb die Gewerbeordnung die Ausdehnung des zünftischen Handwerks auf den status quo von 50 Gewerben fest (Art. 10). Die Aufnahme eines Gewerbes war dem jeweiligen Gemeindevorsteher anzuzeigen, der auch bei zünftigen Gewerben prüfte, ob die jeweiligen Betriebsvoraussetzungen erfüllt waren (Art. 2, § 3). Erteilte er die Erlaubnis, so durfte der Bewerber am Beginn seines Gewerbes nicht gehindert werden (Art. 3). Spezielle Voraussetzung für den Betrieb eines zünftigen Gewerbes war neben der Erreichung der Volljährigkeit und dem Besitz des Gemeinde- bzw. Bürgerrechts am Ort der Niederlassung die Erlangung des Meisterrechts bei der betreffenden Zunft (Art. 12). Dafür hatte der Bewerber vor einer vom Stadtamt als Oberzunftamt instruierten Prüfungskommission, die unter dem Vorsitz des Obmanns als obrigkeitlichem Deputierten (Art. 83) aus zwei Zunftmeistem, zwei beliebig vom Oberzunftamt zu bestimmenden weiteren Personen sowie fakultativ einem vom Prüfling aus den Meistem des betreffenden Gewerbes zu wählenden fünften Mitglied bestand (Art. 48), seine Befähigung nachzuweisen (Art. 45). Dies konnte entweder durch eine förmliche Meisterprüfung oder durch Vorlegung von Zeugnissen über eine ununterbrochene Lehrlings- und Gesellenzeit von mindestens sieben Jahren geschehen (Art. 46). In ersterem Fall durften Nachweise über den Gang seiner Ausbildung von dem Bewerber nicht verlangt werden (§ 46). Lediglich für die Zimmerleute, Steinhauer, Maurer, Gipser, Schreiner, Schlosser, Glaser, Färber, Gerber, Gold- und Silberarbeiter sowie die Hufschmiede war die Ablegung einer Meisterprüfung obligatorisch (§ 47). Scheiterte der Bewerber mit dem Versuch, seine Qualifikation durch Zeugnisse über seine Dienstzeit zu belegen, so stand ihm der Übergang zur förmlichen Meisterprüfung frei (§ 55). Gegenstand der Prüfung sollten mündliche Fragen zur Material- und Arbeitskunde, schriftliche Aufgaben zu Berechnungen, Voranschlägen, Zeichnungen etc. sowie Arbeitsproben hinsichtlich einzelner schwieriger Verrichtungen des Gewerbes sein, wobei nur "ausnahmsweise ... ein völlig ausgearbeitetes Fabrikat des Gewerbes'~ mithin ein traditionelles Meisterstück, verlangt werden durfte (§ 57). Das Protokoll über die Prüfung mit dem Votum der Kommission war zur abschließenden Entscheidung über das Meisterrechtsgesuch dem Oberzunftamt vorzulegen, das "einerseits die Gefährdung des Publikums durch unwissende oder ungeschickte 1141 Im folgenden werden die Regelungen der Gew.O. nach Artikeln, die der Vollzugsinstruktion nach Paragraphen zitiert.
Vgl. J. Cramer, Die Grafschaft Hohenzollern, S.44O; W. Schöntag, Vom Bauern zum Gew.treibenden, S.71. Die Regelung lehnte sich deutlich an den in Württemberg 1836/37 geschaffenen Rechtszustand an, vgl. Kap. 4 IV 5.
1142
530
Kap. 4: Vom Vorgang Frankreichs bis zur Gewerbeordnung für den Norddtsch. Bund
Gewerbsleute ins Auge zu fassen, andererseits jedoch der Gewerbethätigkeit nicht durch zu hoch gespannte Forderungen an den neuangehenden Meister allzuenge Schranken zu setzen" hatte (§ 60). Besondere Vorschriften galten für die Maurer, Steinhauer und Zimmerleute, die ein in drei Stufen gegliedertes Meisterrecht kannten (§ 63). Außerhalb des den Meistem der ersten Stufe vorbehaltenen Prädikats eines Werkmeisters und Vorzugs bei der Besetzung von Stellen in den Prüfungskommissionen konnten die Meister der zweiten Stufe alle Befugnisse ihres Gewerbes wahrnehmen; den Meistem dritter Stufe waren die Stellen von Zunftvorstehern oder Mitgliedern von Prüfungskommissionen sowie die Erteilung einer zünftigen Lehre verschlossen (§ 64). Ein einmal erlangtes Meisterrecht galt im ganzen Fürstentum (Art. 53) und beinhaltete das Recht zur beliebigen Aufnahme von Bestellungen und zum freien Verkauf (Art. 55). Alle Beschränkungen hinsichtlich der Beschäftigung von Lehrlingen (Art. 56), Gesellen (Art. 57) oder anderen Hilfskräften (Art. 58), des Umfangs des Gewerbes (Art. 57), der Gesellschaft mit unzünftigen Teilhabern (Art. 59) und des gleichzeitigen Betriebs unzünftiger Gewerbe (Art. 60) wurden aufgehoben. Voraussetzung für die Annahme als Lehrling war die Vollendung der gesetzlich vorgeschriebenen Schulzeit (Art. 13). Die Dauer der Lehrzeit bemaß sich nach den vertraglichen Festsetzungen, subsidiär nach der besonderen Handwerksordnung oder dem Gebrauch des betreffenden Gewerbes (Art. 14). Der LehlVertrag war dem Zunftvorstand anzuzeigen (Art. 15), der ihn in ein Register eintrug (§ 10). Die Zunftvorsteher hatten den Fortschritt des Lehrlings zu überwachen (§ 19) und am Schluß der Lehrzeit eine Prüfung nach dem Muster der Meisterprüfung durchzuführen (§ 23), von der nur die Lehrlinge der wegen ihrer zahlenmäßigen Schwäche "des erforderlichen Personals zu Vornahme der Prüfung ermangelnden Gewerbe" der Bortenwirker, Büchsenmacher, Gürtler, Knopfmacher, Kürschner, Schwertfeger, Tuchscherer, Wendenmacher und Zinngießer sowie die erst nach vollendetem 18. Lebensjahr in die Lehre getretenen oder zwei Jahre lang wissenschaftlich ausgebildeten Lehrlinge befreit waren (§ 20). Den Gesellen wurde die freie Wahl des Arbeitsplatzes (Art. 31) sowie der Erhalt ihres Zunftrechts auch bei der Annahme von gewerbefremden Beschäftigungen geWährleistet (Art. 28). Ausgenommen vom Zunftzwang waren unter anderem noch nicht verbreitete Erfmdungen auf dem Gebiet eines zünftigen Gewerbes sowie besonders konzessionierte Fabriken (Art. 72 Nr. 6 und 7). Allerdings sollte eine Fabrikkonzession im Bereich zünftiger Gewerbe nur erteilt werden, wenn der geplante Betrieb eine gegenüber der handwerksmäßigen Ausübung verbesserte Produktion verhieß (Art. 106).
IV. Die einzelstaatliche Gewerbegesetzgebuug
531
Der kaufmännische Detailhandel gehörte zwar zu den nichtzünftigen Gewerben (Art. 110), setzte jedoch neben der Volljährigkeit einen Fähigkeitsnachweis durch Zeugnisse über eine mindestens vierjährige Dienstzeit als Handlungslehrling oder -gehilfe oder durch eine parallel zu der der zünftigen Gewerbetreibenden strukturierte Prüfung (§ 85) vor einer analog den Zunftvorschriften konstituierten Prüfungskommission (Art. 112) voraus (Art 111). Besondere Bestimmungen galten für den Betrieb einer Materialhandlung, zu dem zusätzlich eine wissenschaftliche Prüfung durch den Landesphysikus erfordert wurde (§ 86), und für die Erlangung einer Kramkonzession ohne Befähigungsnachweis, welche "ein örtliches Bedürfniß" zur Bedingung hatte (§ 87). Alle nicht ausdrücklich als zünftig bezeichneten Gewerbe galten als unzünftig (Art 122) und waren regelmäßig an keine Zulassungsanforderungen gebunden (Art 123). Einer Staatsprüfung hatten sich Apotheker, Hebammen und Feldmesser zu unterziehen (§ 89). Die Ausübung der Gewerbe der Landboten, Kaminfeger, KIeemeister, Kornmesser, Holzmesser, Wagmeister, Versteigerer etc. war von einer obrigkeitlichen Bestellung abhängig (§ 92), wobei die Kaminfeger ihre Befähigung durch Zeugnisse über eine mindestens dreijährige Arbeitszeit im Kaminfegergewerbe oder eine Prüfung vor zwei Zunftvorstehem des Maurer- und Steinhauergewerbes und einem etablierten Kaminfeger nachzuweisen hatten (§§ 94, 95).
Abkürzungsverzeichnis ABGB
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten Deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie
Abhh.Göu.
Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in GEittingen, philologisch-historische Klasse, 3. Folge
Abhh.HSG
Abhandlungen zur Handels- und Sozialgeschichte
Abhh.MNG
Abhandlungen zur Mittleren und Neueren Geschichte
AFrfGK
Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst
AKG
Archiv für Kulturgeschichte
AkWISSBIn
Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin
AkWissDDK
Akademie der Wissenschaften der DDR, Schriften des Zentralinstituts für Geschichte
Allg.Anz.
Allgemeiner Anzeiger (und Nationalzeitung) der Deutschen
AllgAnzBay
Allgemeiner Anzeiger für Bayern mit besonderer Beziehung auf Künste, Handel und Gewerbe
ALK
Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794
AnnMÖGPofs
Annalen der Märkischen Oekonomischen Gesellschaft zuPotsdam
AnzKVon:
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit
Arb.enstenz
Arbeiterexistenz im 19. Jahrhundert. Lebensstandard und Lebensgestaltung deutscher Arbeiter und Handwerker; edd. Wem er Conze I UIrich Engelhardt; Stuttgart 1981; (lW 33)
ArbG
Der Arbeitgeber
Arb.welt Siegerland
Alte und neue Arbeitswelt im Siegerland und in Wittgenstein - Informationen für den Lehrer - Unterrichtsshilfen; ed. Josef Hendricks; Münster 1985; (Schriftenreihe des Westfälischen Heimatbundes, Fachstelle Schule 9)
Arch Großhzg Hess
Archiv der GroßherzogIich Hessischen Gesetze und Verordnungen
ArchHVUnterfra.
Archiv des Historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg
Abkürzungsverzeichnis
533
ArchOek
Archiv der politischen Oekonomie und Polizeiwissenschaft
Artisans d'Alsace
Artisans et ouvriers d'Alsace; Straßburg 1965; (publications de la societe savante d 'Alsace et des regions de l'est)
ASG
Archiv für Sozialgeschichte
BadCBI
Badisches Centralblatt für Staats- und Gemeinde-Inter-
Bauemgesellsc:haft Ostseeraum
Die Bauerngesellschaft im Ostseeraum und im Norden um 1600; Visby 1966; (Acta Visbyensia 2.Visby-symposiet för historiska vetenskaper 1965)
Bedeutung Gew.e
Ueber die Bedeutung der Gewerbe im Staate und über das Naturprinzip der Verfassungsbildung. Eine staatswissenschaftliehe Fehde, geführt in einer Reihe von Streitschriften; ed. Heinr. Schultz; 1. Abt.; Hamm 1821
Beitrr Essen
Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen
Beitrr GdtSprLit
Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur
Beitrr NiirDberg
Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nümbergs; Bd. 2; Nürnberg 1967; (Beiträge zur Geschichte und Kultur der Stadt Nümberg 11/2)
BeitrrPoi
Beiträge zur Erleichterung des Gelingens der praktischen Polizei
BeitrrWirt.wachstum
Beiträge zu Wirtschaftswachstum und Wirtschaftsstruktur im 16. und 19. Jahrhundert; ed. Wolfram Fischer; Berlin 1971; (SchrrVSP N.F. 63)
Bend'sen.Trad.u.Fortschr.
Berufserziehung zwischen Tradition und Fortschritt. Festgabe für Friedrich Schlieper zu seinem 70. Geburtstag; cd. Wolfgang Stratenwerth; Köln 1967
BDdtLG
Blätter für deutsche Landesgeschichte
BDVLKNÖst
Blätter des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich
BrMag
Braunschweigisches Magazin
Bürger, Stadt u. Lit.
Über Bürger, Stadt und städtische Literatur im Spätmittelalter; edd. Josef Fleckenstein / Karl Stackmann; Göttingen 1980; (Abhh.Gött.121)
CCM
Corpus Constitutionum Marchicarum
C.d.
Codex diplomaticus
DaS
Die alte Stadt. Zeitschrift für Stadtgeschichte, Stadtsoziologie und Denkmalpflege
Dt.Hw.
Deutsches Handwerk in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Sozialgeschichte-Volkskunde-Literaturge-
essen
534
Abkürzungsverzeichnis schichte; cd. Rainer (Gött.Beitrr.WSG 9)
S. Elkar;
Göttingen
1983;
DtrechtlBeitlT.
Deutschrechtliche Beiträge; 1) Bd. 3, Heidelberg 1909; 2) Bd. 13, Heidelberg 1932
DVG
Deutsche Verwaltungsgeschichte; cdd. Kurt GA Jeserieh / Hans Pohl / Georg-Christoph von Unruh; 1) Bd.1: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Reiches; Stuttgart 1983; 2) Bd.2: Vom Reichsdeputationshauptschluß bis zur Auflösung des Deutschen Bundes; Stuttgart 1983
DVS
Deutsche Vierteljahrs Schrift
Dynast.Für5tenstaat
Der dynastische Fürstenstaat. Zur Bedeutung von Sukzessionsordnungen für die Entstehung des frühmodernen Staates; ed. Johannes Kunisch; Berlin 1982; (HF 21)
EdL
Ergänzbares Lexikon des Rechts; Gruppe 1: Rechtsgeschichte, cd. Robert Scheyhing; Neuwied / Darmstadt 1981ff.
EHS
Europäische Hochschulschriften, Reihe 11: Rechtswissenschaft
EMS
Early Mcdieval Studies
Ent",. Volkswirtscb.
Die Entwicklung der deutschen Volkswirtschaftslehre im neunzehnten Jahrhundert. Gustav Schmoller zur siebenzigsten Wiederkehr seines Geburtstages, 24. Juni 1908; 2. Teil; Leipzig 1908
Europal400
Europa 1400. Die Krise des Spätmittelalters; edd. Ferdinand Seibt / Winfried Eberhard; Stuttgart 1984
EuWG
Europäische Wirtschaftsgeschichte; The Fontana Economic History of Europe; cd. Carlo M. Cipolla; Deutsche Ausgabe cd. K. Borchardt; Band I: Mittelalter; Stuttgart!New York 1978
FBrPrG
Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte
FDG
Forschungen zur Deutschen Geschichte
FdtRG
Forschungen zur deutschen Rechtsgeschichte
Fischer, Volk u. Geschichte
Georg Fischer, Volk und Geschichte. Studien und Quellen zur Sozialgeschichte und historischen Volkskunde. Festgabe dem Verfasser zum 65. Geburtstag dargebracht; Kulmbach 1962; (Die Plassenburg 17)
FmLeG
Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte
F.R.A.
Östeneichische Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse, (Historische Kommission und) Kommission für die Savigny Stiftung. Fontes
535
Abkürzungsverzeichnis
Rerum Austriacarum, Österreichische Geschichtsquellen, Dritte Abteilung: Fontes Iuris FrGbH
Freiburger Geschichtsbläncr
FS
F cstschrift
FSGrass
FS Nikolaus Grass zum 60. Geburtstag, edd. Louis Carlen/Fritz Steinegger; Bd. I: Abendländische und Deutsche Rechtsgeschichte, Geschichte und Recht der Kirche, Geschichte und Recht Österreichs; Innsbruck/München 1974
FSNa~oks
Stadtverfassung, Verfassungsstaat, Prcssepolitik. FS für Eberhard Naujoks zum 65. Geburtstag; edd. Franz Quarthall Wilfried Setzler; Sigmaringen 19SO
FSPicld
Festschrift Othmar Pickl zum 60. Geburtstag; edd. Herwig Ebner IWalter Höflechner I Helmut J. MezlerAndelberg u.a.; Graz I Wien 1987
FSSchultze
Festschrift A1fred Schultze zum 70. Geburtstage dargebracht; ed. Walther Merk; Weimar 1934
FSThieme
Festschrift für Hans Thieme zu seinem ed. Karl Kroeschell; Sigmaringen 1986
FSWG
Forschungen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
FuF
Forschungen und Fortschritte
GbHMgd
Geschichts-Blätter für Stadt und Land Magdeburg
GBIBre
Gesetzblatt der freien Hansestadt Bremen
GBIOld
Gesetzblatt für das Herzogthum Oldenburg
Gesellschaftliche Struktur
Untersuchungen zur gesellschaftlichen Struktur der mittelalterlichen Städte in Europa. Reichenau-Vorträge 1963-1964; Konstanz/Stuttgart 1966; (VuF 11)
Gesetzesbegrifl'
Zum römischen und neuzeitlichen Gesetzesbegriff; edd. Okko Behrends I Christoph Link; Göttingen 1987; (Abhh. Gött. 157)
Gesetzgebung als Faktor
Gesetzgebung als Faktor der Staatsentwicklung; Berlin 1984; (Der Staat Beih. 7)
Gew.,gew.
Gewerbe, gewerblich
so. Geburtstag;
GewBIS.
Gewerbe-Blatt für Sachsen
Gell'. UnteI'1lehmen
Vom Gewerbe zum Unternehmen. Studien zum Recht der gewerblichen Wirtschaft im 18. und 19. Jahrhundert; edd. Karl Ono Scherner I Dietmar Willoweit; Darmstadt 1982
Gilde u. Korp.
Gilde und Korporation in den nordeuropäischen Städ~ ten des späten Mittelalters; ed. Klaus Friedland; Köln I Wien 1984; (QDHansG N.F. 29)
3S Ziekow
536
Abkürzungsverzcichnis
Gilden u. Zünfte
Gilden und ZÜDfte. Kaufmännische und gewerbliche Genossenschaften im frühen und hohen Mittelalter; ed. Berent Schwineköper; Sigmaringen 1985; (VuF 29)
Glückseligkeit Staat
Von der Glückselidteit des Staates. Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in Österreich im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus; ed. Herbert Matis; Berlin 1981
Gött.BeitlT. WSG
Göttinger Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte
GöURwStu
Göttinger rechtswissenschaftliche Studien
Gq.Sachsen
Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzenderGebiete
GSAn-Be
Gesetzsammlung für das Herzoglhum Aohalt-Bemburg
GSAn-De
Gesetzsammlung für das Herzoglhum Aohalt-Deßau
GSAn-De-Kö
Gesetz-Sammlung für das Herzoglhum Aohalt-DessauKöthen
GS An-Kö 1800-1822
Sammlung der, in dem Herzoglhume Anhalt-Köthen in den Jahren 1800 bis 1822 ergangenCD Gesetze, Verordnungen und Verfligungen
GSCo
Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Coburg
GSFrf
Gesetz- und Statuten-Sammlung der Freien Stadt Frankfurt
GSGo
Gesetzsammlung für das Herzogthum Gotha
GSHann.
Sammlung der Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover
GS Kurhess
Sammlung von Gesetzen, Verordnungen, Ausschreiben und anderen allgemeinen Verfügungen für Kurhessen
GS Me-Schwe
Gesetzsammlung für die Mecklenburg-Schwerinschen Lande 2. Fol&e. 3. Bel.
GSOld
Gesetzsammlung für das Her:rogthum Oldeoburg
GSReußä.L.
Gesetzsammlung des Fürstenthums Reuß älterer Linie
GS Reußj.L.
Gesetzsammlung für die Fürstlich Reußischen Lande jüngerer Linie
GS Sa-Alt
Gesetz-Sammlung für das Herzogthum (Sachsen-) Altenburg
GS Schwa-Ru
Gesetzsammlung für das Fürstenthum SchwarzburgRudolstadt
GS Schwa-So
Gesetz-Sammlung für das Fürstenthum SchwarzburgSondershauseo
GU
Untersuchungen zur Deutschen Staäts- und Rechtsgeschichte; begrÜDdet von Otto von Gierke
Abkürzungsverzeichnis
537
GuG
Geschichte und Gesellschaft
GVBIS.
Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen
GVSBraun
Gesetz- und Verordnungs-Sammlung für die Herzoglich Braunschweigischen Lande
GWU
Geschichte in Wissenschaft und Unterricht
HannGbD
Hannoversche Geschichtsblätter
Haus u. Familie
Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt; ed. Alfrcd Haverkamp; Köln / Wien 1984; (StF 18)
HDSW
Handwörterbuch der Sozialwissenschaften; edd. Erwin v. Beckerath / Hermann Bente / Carl Brinkmann u.a.; 1) 8. Bd.: Nutzen-Reparationen; Stuttgart! Tübingen / Göttingen 1964; 2) 12. Bd.: Wertpapiere-Zypern; Stuttgart/ Tübingen / Göttingen 1965
HDtWSG
Handbuch der Deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte; edd. Hermann Aubin / Wolfgang Zorn; 1) Bd. 1: Von der Frühzeit bis zum Ende des 18. Jahrhunderts; Stuttgart 1971; 2) Bd. 2: Das 19. und 20. Jahrhundert; Stuttgart 1976
HessJb
Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte
HEuWSG
Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte; cd. Hermann Kellenbenz
HF
Historische Forschungen
HGBD
Hansische Geschichtsblätter
HistJb
Historisches Jahrbuch
Histoire de I'.dministratioo
Histoire comparee de l'administration (IVc-XVIIIe si«:les); edd. Werner Paravicini / Karl Ferdinand Werner; Zürich /München 1980; (Beihefte der Francia 9)
HKPrenz
Heimatkalender für den Kreis Prenzlau
11M
Hannoversches Magazin
HQLNEuPrG
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte; cd. Helmut Coing; 1) 1 .Bd.: Mittelalter (1100-1500). Die gelehrten Rechte und die Gesetzgebung; München 1973; 2) 2. Bd.: Neuere Zeit (1500-1800). Das Zeitalter des gemeinen Rechts; 2. Teilbd.: Gesetzgebung und Rechtsprechung; München 1976; 3) 3. Bd.: Das 19. Jahrhundert; 3. Teilbd.: Gesetzgebung zu den privatrechtlichen Sondergebieten; München 1986
HRG
Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte; edd. Adalbert Erler / Ekkehard Kaufmann;
538
Abkürzungsverzeichnis 1. Bd.: Aachen-Haussuchung; Berlin 1971; 2. Bd.: Haustür-Lippe; Berlin 1978; 3. Bd.: List-Protonotar; Berlin 1984; 4. Bd.: Protonotarius Apostolicus -; Berlin 1985ff.
HS
Hansische Studien 1) 1. Bd.: Heinrich Sproemberg zum 70. Geburtstag; Berlin 1961; (Fma.eG 8); 2) 2. Bd.; Berlin 1970; (Fma.eG 17); 3) 3. Bd.: Bürgertum-Handelskapital-StädtebÜDde; Weimar 1975; (Abhh.HSG 15); 4) 4. Bd.: Gewerbliche Produktion und Stadt-LandBeziehungen; Weimar 1979; (Abhh.HSG 18); 5) 5. Bd.: Zins-Profit, Ursprüngliche Akkumulation; Weimar 1981; (Abhh.HSG21)
Hubatsch, Stein-Studien
Walther Hubatsch; Stein-Studien. Die preußischen Reformen des Reichsfreiherrn Karl vom Stein zwischen Revolution und Restauration; Köln I Berlin 1975; (Studien zur Geschichte Preussens 25)
HV
Historische Vierteljahrschrift
Hw.,hw.
Handwerk, handwerklich
Hw.E1be
Handwerk zwischen EIbe und Ostsee. Festschrift anläßlich des fÜDfzigjährigen Bestehens der Handwerkskammer Lübeck; Lübeck 1950
Hw.er Industr.
Handwerker in der Industrialisierung. Lage, Kultur und Politik vom späten 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert; ed. UJrich Engelhardt; Stuttgart 1984; (IW 37)
Hw.er-u, Arb.kongr.
Deutsche Handwerker- und Arbeiterkongresse 18481852. Protokolle und Materialien; edd. Dieter Dowe I Toni Offermann; Berlin I Bonn 1983
Hw.vor-u. frühg.Zeit
Das Handwerk in vor- und frühgeschichtlicher Zeit; edd. Herbert Jankuhn I Walter Janssen I Ruth SchmidtWiegand! Heinrich Tiefenbach; 1) Teil 1: Historische und rechtshistorische Beiträge und Untersuchungen zur Frühgeschichte der Gilde; Göttingen 1981; (Abhh.Gött. 122); 2) Teil 2: Archäologische und philologische Beiträge; Göttingen 1983; (Abhh.Gött.123)
Hw.sgeschichte neuer Sicht
Handwerksgeschichte in neuer Sicht; ed. Wilhelm Abel; (2. Aufl.) Göuingen 1978; (Gött.Beitrr.WSG 1)
HZ
Historische Zeitschrift
I.C.
IusCommune
Investiturstreit u, Reichsverfassung
Investiturstreit und Reichsverfassung; ed. Josef F1ekkenstein; Sigmaringen 1973; (VuF 17)
IW
Industrielle Welt
Jb.
Jahrbuch
Abkürzungsverzeichnis
539
JbbrLG
Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte
JbE-L
Jahrbuch für Geschichte, Sprache und Litteratur ElsassLothringens
JberVEinb
Jahresbericht des Vereins für Geschichte und Altertümer der Stadt Einbeck und Umgegend für die Jahre
JbFrinkLF
Jahrbuch für fränkische Landesforschung
JbGF
Jahrbuch für Geschichte des Feudalismus
JbGVGöU
Jahrbuch des Geschichtsvereins für Göttingen und Umgebung
JbHVWertheim
Jahrbuch des Historischen Vereins "Alt-Wertheim"
JbNSt
Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik
Jb.PhiLFakLeipzig
Jahrbuch der Philosophischen Fakultät zu Leipzig
JbVGWien
Jahrbuch des Vereines für Geschichte der Stadt Wien
JbWG
Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte
JGStK
Jahrbücher der Geschichte und Staatskunst
Jura
Juristische Ausbildung
Kamptz'Ann.
Annalen der Preußischen innem Staats-Verwaltung; ed. KA. von Kamptz
KdH
Kultur des Handwerks. Amtliche Zeitschrift der Ausstellung München 1927 "Das Bayerische Handwerk"; München 1926 /27
KielBJL
Kieler Blätter zur Volkskunde
KleinGew.Großindustrie
Vom Kleingewerbe zur Großindustrie. Quantitativ-regionale und politisch-rechtliche Aspekte zur Erforschung der Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur im 19. Jahrhundert; ed. Harald Winkel; Berlin 1975; (SchrrVSP N.F. 83)
KS
Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft
Leipz.SIgg.
Leipziger Sammlungen von Wirthschafftlichen, Policey- Cammer- und Finantz-Sachen
Liberalismus Gesellschaft
Liberalismus in der Gesellschaft des deutschen Vormärz; ed. Wolfgang Schieder; Göttingen 1983; (GuG Sonderheft 9)
MA,ma.
Mittelalter, mittelalterlich
MeckUb
Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde
Mgd.Wi.leben
Magdeburgs Wirtschaftsleben in der Vergangenheit; 1. Bd.; Magdeburg s.a. (1925)
MGH
Monumenta Germaniae Historica
540
Abkürzungsverzciehnis
Migration FeudaJges.
Migration in der Feudal&eseIJschaft; edd. Gerhard laritz I Albert Müller; Frankfurtnolew York 1988; (Studien zur Historischen Sozialwissenschaft 8)
Militzer/Przybilla
Klaus Militzer I Peter Przybilla; Stadtentstehung, Bürgertum und Rat. Halberstadt und Quedlinburg bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts; Göttingen 1980; (VMPI 67)
MIÖG
Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
MiUAltona
Mitteilungen aus dem Altonaer Museum
Mitt.Centralverein
Mittheilungen des Centralvereins für das Wohl der arbeitenden Klassen
MittGVGiessen
Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Giessen
MittOhessGV
Mitteilungen des Oberhessischen Geschiehtsvereins
MittVEisenbelJ
Mitteilungen des Geschiehts- und Altertumsforschenden Vereins zu Eisenberg im Herzogtume Sachsen· Altenbur&
MocLdt. Verl'G.
Moderne deutsche Verfassungsgeschichte (1815-1914); ed. Ernst-Wolfgang Böckenförde; 2. Auß. Königstein I Ts. 1981; (Neue wissenschaftliche Bibliothek 51, Geschichte)
NCC
Novum Corpus Constitutionum Prussico-Brandenburgensium praecipue Marchicarum
NdtJb
Niederdeutsches Jahrbuch
NjbGPol
Neue lahrbücher der Geschichte und Politik
NLausMag
Neues Lausitzisches Magazin
NMitt
Neue Mittheilungen aus dem Gebiet historisch-antiquarischerForschungen
NürDbWerkst
Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte
NWG
Neue Wirtschaftsgeschichte
O.
Ordnung
Obr.Unt.
Obrigkeit und Untertan. Anmerkungen zur deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert; cd. lürgen Lotz; Gießen 1985
ÖAkWiss
ÖSterreiehische Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse
OldJb
Oldenburger lahrbuch des Vereins für Landesgeschichte und Altertumskunde
ort.
Die Ortenau
541
Abkürzungsverzeichnis
Omabricker Hw.
Beiträge ZIIr Geschichte des Osnabrücker Handwerks; s.l. et s.a. (1975)
OmMiU
Osnabrücker Mitteilungen (Mitteilungen des historischen Vereins zu Osnabrück)
OSR
Oberrheinische Stadtrechte Abt.
PO
Polizeiordnung
pommMbn
Monatsblätter. Herausgegeben von der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde
Pruis Benafserz.
Praxis der Berufserziehung im Handwerk
Prbn.Industr.
Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Probleme der frühen Industrialisierung; cd. Wolfram Fischer; Berlin 1968; (EinzeIVHKBlnFMI 1)
PrGS
Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten
PrMinBI
Ministerial-Blatt für die gesammte innere Verwaltung in den Königlich Preußischen Staaten
Pr.Ret1807 -1820
Preußische Reformen 1807-1820; cd. Barbara Vogel; Königstein ITs. 1980; (Neue wissenschaftliche Bibliothek 96, Geschichte)
Pr.Ref.-Wirk.Grenz.
Preußische Reformen-Wirkungen und Grenzen. Aus Anlaß des 150. Todestages des Freiherrn vom und zum Stein; cd. Heinrich Scheel; Berlin (Ost) 1982; (Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften der DDR, Gesellschaftswissenschaften, 1982, 1)
PubnGRhGK
Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde
PZ
Pharmazeutische Zeitung
Q.
Quellen
QDHansG
Quellen und Darstellungen zur Hansischen Geschichte
QGNds
Quellen und Darstellungen zur Geschichte Nicdersachsens
/
/
QKG
Quellensammlung zur Kulturgeschichte
RavBn
Ravensberger Blätter für Geschichte, Volks- und Heimatskunde
RB Bad
Großherzoglich-Badisches Regierungs-Blatt
RBBay
Regierungs-Blatt für das Königreich Bayern
RB Chpmay
Churpfalzbaierisches Regierungs-Blatt
RBHess
Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt
RB Kgl-Bay
KÖDiglich-Baierisches Regierungsblatt
542
Abkürzungsverzeichnis
RBS.-Wei-Fi
Regierungs-Blatt für das Großherzogthum SachsenWcimar-Eisenach
RBWiirU
Regierungs-Blatt für das Königreich Württemberg
RdA
Recht der Arbeit
Recht, Gericht
Recht, Gericht, Genossenschaft und Policey. Studien zu Grundbegriffen der gcrmanistischcn Rechtshistorie. Symposion für Adalbert Brler; cdd. Gcrhard Dilcher / Bernhard Diestclkamp; Berlin 1986
Recht u. Schrift
Recht und Schrift im Mittelaltcr; ed. Peter Classen; Sigmaringen 1977; (VuF 23)
RhB
Der Rheinischc Bund
RheinProvBU
Gemeinnützige und untcrhaltende Rheinischc Provinzial-Blättcr
Rönne, Verf.u. Verw.
Die Verfassung und Verwaltung des Prcußischcn Staates; cinc systematisch geordnetc Sammlung aller auf dieselben Bezug habenden gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere der in der Gesetzsammlung für dic Preußischen Staaten, in den von Kamptzschen Annalcn für dic innere Staatsvcrwaltung, und in deren Fortsetzungen durch dic Ministerial-Blättcr enthaltcnen Verordnungcn und Reskriptc, in ihrem organischen Zusammenhangc mit der frühercn Gesetzgebung; edd. Ludwig von Rönne u.a.
RPO
Reichspolizeiordnung
RR
Rechtshistorischc Reihe
RuR
Revoltc und Revolution in Europa; ed. Peter Blicklc; München 1975; (HZ Beih. 4 [N.F.])
SBInstHwswirt
Studicn und Berichte des Instituts für Handwcrkswirtschaft an der Univcrsität Frankfurt am Main
Schal1hBeitrr
Schafthauser Beiträgc zur vaterländischcn Geschichtc
SchmoUer, Umrisse
Gustav Schmollcr; Umrisse und Untersuchungen zur Verfassungs-, Vcrwaltungs- und Wirtschaftsgeschichtc besonders des Preußischen Staates im 17. und 18. Jahrhundert; Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1898, HildesheimlNew York 1974
SchmoUers Forschungen
Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen, begründet von Gustav Schmoller
SchmoUers Jb
(Schmollers) Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschcn Rcich
SchrrBreWG
Schriften der Bremer Wissenschaftlichen Gesellschaft
SchrrVBodensee
Schriftcn des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung
SchrrVerlG
Schriften zur Verfassungsgeschichte
AbkürzDngsverzeichnis
Sc:hrrVergiWirtOen
543
Schriften zum Vergleich von Wirtschaftsordnungen
Sc:hrrVSP
Schriften des Vereins für Socialpolitik
Sc:hrrZIFUB
Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin
SK
Soziale Kultur
Sig Auss Has
Sammlung der Auschreiben GroßherzogIich Hessischer Regierung zu Darmstadt
SÖR
Schriften zum Öffentlichen Recht
SRG
Schriften zur Rechtsgeschichte
SR-WWG
Schriften zur Rheinisch-Westfalischen Wirtschaftsgeschichte
SSR
Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen
Staat 1L Gesellschaft
Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz 18151848; ed. Wemer Conze; 3. Aufl. Stuttgart 1978; (IW 1)
Stadt Wandel
Stadt im Wandel. Kunst und Kultur des Bürgertums in Norddeutschland 1150-1650; ed. Cord Meckseper; Bd. 3; Stuttgart / Bad Cannstan 1985
Stadt wirt.Selbstverw.
Stadt und wirtschaftliche Selbstverwaltung; edd. Bem· hard Kirchgässner / Eberhard Naujoks; Sigmaringen 1987; (Stadt in der Geschichte 12)
Städtewesen 1L Merkantilismus
Städtewesen und Merkantilismus in Mitteleuropa; ed. Volker Press; Köln /Wien 1983; (StF 14)
Städische Fühnmgsgmppen
Städtische Führungsgruppen und Gemeinde in der werdenden Neuzeit; ed. Wilfried Ehbrecht; Köln / Wien 1980; (StF 9)
Städtische Mittelschichten
Städtische Minelschichten; edd. Erich Maschke / Jürgen Sydow; Stuttgart 1972 (VKB-W Reihe B: Forschungen 69)
Städtische Volksbewegungen
Städtische Volksbewegungen im 14. Jahrhundert. Referat und Diskussion zum Thema Probleme städtischer Volksbewegungen im 14. Jahrhundert; Berlin 1960; (Deutsche Historiker-Gesellschaft: Tagung der Sektion Mediävistik der Deutschen Historiker-Gesellschaft vom 21.-23. 1. 1960 in Wemigerrode, edd. Ernst Werner / Max Steinmetz, Bd. 1)
Ständetum u. Staatsbildung
Ständetum und Staatsbildung in Brandenburg-Preussen; ed. Peter Baumgart; Berlin/New York 1983; (VHKBln55)
StBiirgMag
Staatsbürgerliches Magazin mit besonderer Rücksicht auf die Hcrzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg
544
Abkürzungsverzeichnis
Steir.Hw.
Das steirische Handwerk. Meisterschaft als Träger der Kultur und Wirtschaft des Landes; Graz 1970; (Katalog zur 5. Landesausstellung 1970, Teil 1: Handbuch)
StF
Städteforschung. Veröffentlichungen des Instituts für vergleichende Städtegeschichte in Münster, Reihe A: Darstellungen
Studien Lehenswesen
Studien zum mittelalterlichen Lehenswesen; Lindau / Konstanz 1960; (VuF 5)
SWSG
Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Symposium Veszprem
1) [1.) Internationales Handwerksgeschichtliches Symposium, Veszprem 20.-24.11.1978; Vcszprem 1979; 2) 2. Internationales Handwerksgeschichtliches Symposium, Veszprem 21.-26.8.1982; 2 Bde.; Veszprem 1983
TelT.sta.t
Der deutsche Tenitiorialstaat im 14. Jahrhundert; ed. Hans Patze; 1) Bd. 1; Sigmaringen 1970; (VuF 13); 2) Bd. 2; Sigmaringen 1971; (VuF 14)
Thür.Gq.
Thüringische Geschichtsquellen
UD
Urkunden buch
Unters. frühe Industr.
Untersuchungen zur Geschichte der frühen Industrialisierung vornehmlich im Wirtschaftsraum Berlin / Brandenburg; ed. Otto Büsch; Berlin 1971, (EinzeIVHKBInFMI 6, Publikationen zur Geschichte der Industrialisierung)
Unters. Handel Verkehr
Untersuchungen zu Handel und Verkehr der vor- und frühgeschichtlichen Zeit in Mittel- und Nordeuropa; Teil 3: Der Handel des frühen Mittelalters; edd. Klaus Düwel / Herbert JankuhnlHarald Siems / Dieter Timpe; Göttingen 1985; (Abhh.Gött.150)
VHKBIn
Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin
VHKBlnFMI
Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin beim Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin
VHKHessWaid
Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen und Wal deck
VHVOberpfaiz
Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg
VKB-W
Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg
VMPI
Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte
VOBlNass
Verordnungsblatt des Herzogthums Nassau
AbkÜlZUngsverzeichnis
545
VOSLau
Lauenburgische Verordnungen-Sammlung
VOSLüb
Sammlung der Lübeckischen Verordnungen und Bekanntmachungen
Vor- u. Frühfonuen Stadt
Vor- und Frühformen der europäischen Stadt im Mittelalter; edd. Herbert Jankuhn I Walter Schlesinger I Heiko Steuer; Teil 1; Göningen 1973; (Abhh.Gött. 83)
VStABnmen
Schriften der Bremer Wissenschaftlichen Gesellschaft, Reihe A *; Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der freien Hansestadt Bremen
VSWG
Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
VuF
Vorträge und Forschungen
WdtZGK
Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst
Wege europ.RG
Wege europäischer Rechtsgeschichte. Karl Kroeschell zum 6O.Geburtstag; ed. Gerhard Köbler; Frankfurt a.M./Bem/New York/Paris 1987; (RR60)
WF
Westfälische Forschungen
WGbU
Wiener Geschichtsbläner
WirtschaflsO. Staatsven.
Wirtschaftsordnung und Staatsverfassung. FS für Franz Böhm zum SO. Geburtstag; edd. Heinz Sauermann I Ernst-Joachim Mestmäcker; Tübingen 1975
WissZ HaUe-Wittenberg
Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe
WissZ Leipzig
Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe
WÜlUV
Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte
WZ
Westfälische Zeitschrift. Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde
ZAachGV
Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins
ZBerg
Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins
ZBLG
Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
ZEim.
Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands
ZfG
Zeitschrift für Geschichtswissenschaft
zro
Zeitschrift für Ostforschung
ZGeseUGKFreiburg
Zeitschrift der Gesellschaft für Beförderung der Geschichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den angrenzenden Landschaften
546
Abkürzungsverzeichnis
ZGO
Zeitschrift für die Geschichte des überrheins
ZGPosen
Zeitschrift der Historischen Gesellschaft für die ProvinzPosen
ZGS
Zeitschrift für die gesam(m)te Staatswissenschaft
ZGSchle
Zeitschrift des Vereins für Geschichte (und Alterthum) Schlesiens
ZHarzV
Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde
ZHF
Zeitschrift für Historische Forschung
ZHG
Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde
ZHR
Zeitschrift für das Gesamte Handelsrecht und Konkursrecht
ZHVSchwabeoNeuburg
Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg
ZMuAForsch
Zeitschrift für Mundartforschung
ZNds
Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen
ZNR
Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte
ZR
Zunftrollen
ZRG
(GA) (KA) (RA)
Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte; 1) Germanistische Abteilung; 2) Kanonistische Abteilung; 3) Romanistische Abteilung
ZSG
Zeitschrift für Schweizerische Geschichte
ZSHG
Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte
ZSW
Zeitschrift für Sozialwissenschaft
ZSWG
Zeitschrift für Social- und Wirthschaftsgeschichte
ZU
Zunfturkunden
Zusammenhänge, Einflüsse, Wirkungeo
Zusammenhänge. Einflüsse, Wirkungen; edd. Joerg ü. Fichte I Karl Heinz Göller I Bemhard Schimmelpfennig; Berlin/New York 1986
ZVHbg.
Zeitschrift des Vereins für hamburgische Geschichte
ZVLübeck
Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde
ZVSV
Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung
ZWLG
Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte
Verzeichnis der zitierten Quellen und Literatur I. Quellen Acten-Stücke der achten allgemeinen Stände-Versammlung des Königreichs Hannover; Dritte Diät, Erster Teil; Hannover 1846 Akten zur Geschichte der Verfassung und Verwaltung der Stadt Köln im 14. und 15. Jahrhundert; ed. Walther Stein; 1) 1. Bd.; Bonn 1893, 2) 2. Bd.; Bonn 1895; (Publl.GRhGK 10) Akten der Ständetage Preussens unter der Herrschaft des Deutschen Ordens; ed. Max Töppen; 1) Bd.l: Die Jahre 1233-1435; Neudruck der Ausgabe Leipzig 1878; Aalen 1973, 2) Bd. 3: Januar 1447 bis Juli 1453; Leipzig 1882, 3) Bd. 5; Leipzig 1884 Aktenstücke, die Reform des Gewerbwesens betreffend; ed. Maximilian Arzberger; Gotha 1850 Alterthümer des WlSmarschen Stadtrechtes aus den ältesten bisher ungcdruckten Stadtbüchern nebst den ältesten Zunftrollen aus dem vierzehnten Jahrhunderte; ed. C.C.H. Burmeister; Hamburg 1838 Amtsrecess der Klippenmacht:r der Städte Lübeck, Rostock und Wismar vom Jahre 1486; cd. Karl Nerger; in: HGBlI. 28 (1900), S. 153 ff. Amtsrt:Cess der Schuhmacher der sechs wendischen Städte vom 19. März 1624; ed. Ernst Dragendorff; in: HGBlI. 28 (1900), S.156 ff. Die älteren Bwdehuder Amtsstatuten; ed. Margarete SchindIer; in: NdtJb 75 (1952), S. 8 ff. Preussisches Archiv oder Denkwürdigkeiten aus der Kunde der Vorzeit; ed. Karl Faber; Erste Sammlung; Königsberg 1809 Artikel der Bäckerinnung zu Eisenberg 1559; ed. Rud. Löbe; in: MittVEisenberg 20 (1905), S.3lff. Artikel der Fleischhauerinnung zu Eisenberg 1552; ed. Rud. Löbe; in: MittVEisenberg 20 (1905), S. 26 ff. Die Artikel der alten Knochenhauerinnung zu Nordhausen; ed. H. Heine; in: ZHarzV 29 (1896), S. 200 ff. Baeda: Historia Abbatumj S. 364 ff. in: Venerabilis Baedae, Opera historica; cd. Carolus Plummer; Tomus prior: Prolegomena et textum continens; Reprint of the first Edition 1896, Oxford 1956 Die Bau-Polizei des Preußischen Staatesj eine systematisch geordnete Sammlung aller auf dasselbe Bezug habenden gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere der in der Gesetzsammlung für die Preußischen Staaten, in den von Kamptzschen Annalen für die innere Staatsverwaltung und in deren Fortsetzungen durch die Ministerial-Blätter enthaltenen Verordnungen und Reskripte, in ihrem organischen Zusammenhange mit der früheren Gesetzgebung; edd. Ludwig von Rönne / Heinrich Simon; Breslau 1846; (Rönne, Verf.u.Verw. VI 4,1) Bauriss des Klosters St.Gallen vom Jahr 820; ed. Ferdinand Keller; Zürich 1844
548
Verzeichnis der zitierten Quellen und Literatur
Beiträge zur Geschichte tks Handwerks in Fulda; ed Jos. Kartels; in: Fuldacr Geschichtsbläller 2 (1903) S. 120 ff. Historisch-diplomatische Beiträge zur Geschichtc der Stadt Berlin; cd E. Fidicin; 1) 1. Teil: Berlinisches Stadtbuch, 2) 2. Tcil: Berlinische Urkunden von 1261 bis 1550; Berlin 1837 Beiträge zur Geschichte des Soester Zunftwescns; in: Zcitschrift des Vereins ('Ur die Geschichte von Soest und der Börde 10 (1892 /93), S. 3 ff. Bericht, bdreffend die Proposition wegcn Einführung cincr allgemeinen Gewerbefreihcit und dic auf das Gewerbewesen sich beziehenden Petitionen. Erstattet von der zur Begutachtung dieser Angelcgenhcit ernanntcn Commitee der schleswigschen Ständeversammlung; cd. N. Falck; in: Neues StBürgMag 6 (1837), S. 619 ff. Stenographischer Bericht über dic Verhandlungen der deutschen constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main; cd Franz Wigard; 1) 1. Bd.: Nr. 1-33; Frankfurt a.M. 1848, 2) 2. Bd.: Nr. 34-61; Leipzig 1848, 3) 7. Bd.: Nr. 156-181; Leipzig 1849 Bericht über die Verhandlungen der ersten Versammlung des volkswirthschaftlichen Congresses zu Gotha vom 20. bis 23. September 1858; in: AcbG 3 (1858), Beil. zu Nr.l07, 108, 109 Beschlüsse des allgemeinen deutschcn Acbeitcrkongresscs zu Frankfurt am Main. Gefaßt in den Monaten Juli, August und Septembcr 1848; Darmstadt 1848; in: Hw.er-u. Acb.kongr. Nr. 4.4 Bruchsal, Rothenberg, Philippsburg (Udcnheim), Obergrombach und Steinbach; ed. Carl Koehne; Heidclberg 1905; (OSR 1: Fränkische Rechte 7) Das rote Buch der Stadt Ulm; ed. Carl Mollwo; Stuttgart 1905; (Württembergischc Geschichtsquellen 8. Bd) Deutsche Buchbinder-Ordnungen; cd. Karl Bücher; in: Acchiv für Geschichte des Deutschen Buchhandels 19 (1897), S. 305 ff. Franfurter Buchbinder-Ordnungen vom XVI. bis zum XIX. Jahrhundert; cd. Karl Bücher; in: AFrfGK3. F.l (1888), S. 224 ff. Hamburgische Burspraken 1346 bis 1594; T. 2: Bursprakentexte; cd. Jürgen Bolland; Hamburg 1960; (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg 6,2) Codex Augusteus Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici, Worinnen Die in dem Churfürstenthum Sachscn und darzu gehörigen Landen, Auch dcnen Marggrafthilmern Ober- und NiederLausitz, publicirte und ergangene ConstitutionC5, DecisionC5, Mandata und Verordnungen enthaltcn, Ncbst einem Elencho, dienlichen Summarien und vollkommenen Registern; ed. Johann Christian Lünig; Leipzig 1724 Codex diplomaticus Brandenburgensis. Sammlung der Urkunden, Chroniken und sonstigen Quellcnschriften für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten; cd. Adolph Friedrich Riedcl; 1) Des ersten Haupttheiles oder der Urkunden-Sammlung für die Orts- und specielle Landesgeschichte a) 1. Bd.: Geschichte der geistlichen Stiftungen, dcr adlichen Familien, so wie der Städte und Burgen der Mark Brandenburg 1. Bd.; Berlin 1838, b) 4. Bd: dto. 4. Bd.; Berlin 1844, c) 9. Bd.: dto. 9.Bd.; Berlin 1849, d) 15. Bd; Berlin 1858, e) 23. Bd.; Berlin 1862; 2) Des zweiten Haupttheilcs oder der Urkunden-Sammlung für die Geschichte der auswärtigen Verhältnisse 6. Bd.; Berlin 1858
Verzeichnis der zitierten Quellen und Literatur
549
Coda diplonudicus Brandenburgensis continuatus. Sammlung ungedruckter Urkunden zur Brandenburgischen Geschichte; ed. Georg Wilhelm von Raumer; 1) 1. Theil; BerlinJStettinlElbing 1831, 2) 2. Theil; Berlin/Elbing 1833 Coda diplomaticus Moenofrancofurtanus. Urkundenbuch der Reichsstadt Frankfurt; ed. Joh. Friedrich Boehmer; 1. Theil; Frankfurt a.M. 1836 Coda Diplonudicus Prussicus. Urkunden-Sammlung zur ältern Geschichte Preussens aus dem König!. Geheimen Archiv zu Königsberg, nebst Regesten; ed. Johannes Voigt; 4. Bd.; Neudruck der Ausgabe 1853 Osnabrück 1965 CongrefJ deutscher Volkswirthe: Vierte Jahresversammlung zu Stuttgart vom 9. bis 12. Sept. 1861; in: ArbG 6 (1861), S. 2037 ff. Corpus constitutionum Magdehurgicarum novissimarum. Oder König!. Preuß. und Churß. Brandenb. Landes-Ordnungen, Edicta und Mandala, im Hertzogthum Magdeburg, wie auch in der Graffschafft Mansfeld Magdeburgischer Hoheit, von anno 1680. bis 1714. publiciret; ed. Christian Otto Mylius; Magdeburg I Halle s.a. (1714) Corpus Constitutionum Marchicarum Oder König!. Preußis. und ChurfÜfSt!. Brandenburgische in der Chur- und Marck Brandenburg auch incorporirten Landen publicirte und ergangene Ordnungen, Edicla, Mandata, Rescripta etc. Von Zeiten Friedrichs I. Churfürstens zu Brandenburg, etc. biß ietzo unter der Regierung Friderich Wilhelms Königs in Preussen etc. ad annum 1736 inclusive; ed. Christian Otto Mylius; 1) Teil V: Von Policey-Hochzeit-Kindtauffen-Begräbniß- und Trauer-Kleider-auch Feuer-Gassen und andern zur Policey gehörigen Ordnungen; Berlin I Halle 1740, 2) Teil VI: Von Miscellaneis, und Supplementis derer vorhergehenden Fünf Theile bis 1736; Berlin I Halle 1751, 3) Continuatio prima. von 1737. biß 1740. inclusive; Berlin I Halle s.a. (1744), 4) Continuatio 11. von 1741. biß 1744. inclusive; Berlin I Halle s.a. (1744) Novum Corpus Constitutionum Prussico-Brandenburgensium praecipue Marchicarum, oder Neue Sammlung Königl. Preuß(I). und Churfürst!. Brandenburgischer, sonderlich in der Chur- und Marck-Brandenburg, Wie auch andern Provintzien, publicirten und ergangenen Ordnungen, Edicten, Mandaten, Rescripten, etc. etc.; 1) Vom Anfang des Jahrs 1751 und folgenden Zeiten; s.l. et.s.a., 2) Von 1756. 1757.1758. 1759. und 1760. als der Zweyte Tomus; s.l. et s.a .. 3) Von 1761.1762.1763.1764. und 1765. als der Dritte Band; Berlin 1766, 4) Von 1766. 1767. 1768. 1769. und 1770. als der Vierte Band; Berlin 1771, 5) Von 1771.1772. 1773.1774. und 1775. als der Fünfte Band; Berlin 1776, 6) Von 1776.1777.1778.1779. und 1780. als der Sechste Band; Berlin 1781, 7) Von 1781.1782.1783. 1784. und 1785. als der Siebente Band; Berlin 1786, 8) Von 1786. 1787. 1788. 1789 und 1790, als der Achte Band; Berlin 1791, 9) Von 1791.1792.1793. 1794 und 1795 als der Neunte Band; Berlin 1796, 10) Von 1801. 1802. 1803, 1804 und 1805, als der Eilfte Band; Berlin 1806, 11) Von 1806. bis 27sten Oktober. 1810. Zwölfter und letzter Band; Berlin 1822 Corpus Constitutionum Regio-Holsaticarum, oder Allerhöchst-autorisirte Sammlung der in dem Herzogthum Holstein, König!. Antheils, samt incorporirten Landen, wie auch der Herrschaft Pinneberg, Stadt AItona und Grafschaft Rantzau, in Kraft eines beständigen Gesetzes, ergangenen Constitutionen, Edicten, Mandaten, Decreten, Resolutionen, Privilegien, Concessionen und anderen Verfügungen; 1. Bd.; AItona 1749 Corpus Juris Opijiciarii oder Sammlung von allgemeinen Innungsgesetzen und Verordnungen für die Handwerker; ed. Johann Andreas Ortloff; 2.Auß. Erlangen 1820 Les coutumes de la gilde marchand de Saint-Omer; ed. G. Espinas I H. Pirenne; in: Le Moyen Age 14 (1901), S.189 ff. (192 ff.)
550
Verzeichnis der zitierten Quellen und Literatur
Denkschrift über den Entwurf einer allgemeinen deutschen Gewcrbe-Ordnung des Handwerkerund Gewerbe-Congresses. Verfa8t von dem allgemeinen deutschen Arbeiter-Congre8 zu Frankfurt am Main in den Monaten August und September 1848; Darmstadt 1848; in: Hw.cru.Arb.kongr. Nr.4.5 Denkschrift des Berliner Stadtraths Dracke über die Nachtheile der Gewerbefreiheit aus dem Jahre 1818; ed. Ernst Bemer; in: Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins 31 (1894), S. 165 ff. Deulz; ed. B. Hirschfeld; S. 97 ff. in: Bergische Städte 2; Bonn 1911; (pubIlGRhGK 29: Quellen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte) Digesta Iustiniani Augusti; ed. Th. Mommsen; Vol. I; 2. Aufl. Berlin 1962 Dürenj cd. August Schoop; Bonn 1920; (PubIlGRhGK 29: Quellen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte, Jülichsche Städte I) Entwürfe zur zeitgemäßen Umgestaltung des Gewerbe- und Innungs-Wesens in den Herzogthümem Anhalt-Dessau und Anhalt-Cöthen; Dessau 1850 Entwurf eines Gewerbegeselzes für das Königreich Sachsen; 2. Aufl. Dresden 1860 Entwurf einer Gewerbeordnung für das Königreich Sachsen nebst dazu gehörigem Entschädigungsgesetz, Einleitung, Motiven und Beilagen; Dresden 1857 Entwurf einer allgemeinen Handwerker- und Gewerbe-Ordnung für Deutschland. Berathen und beschlossen von dem deutschen Handwerker- und Gewerbe-Congre8 zu Frankfurt am Main in den Monaten Juli und August 1848; Hamburg 1848; in: Hw.er- u. Arb.kongr. Nr. 3.2 6ste"eichische Fabriksprivilegien vom 16. bis ins 18. Jahrhundert und ausgewählte verwandte Quellen zur Frühgeschichte der Industrialisierung; ed. Gustav Otruba; Wien / Köln / Graz 1981; (F.RA.7) Färberzunftordnung des Bistums Strassburg und der Grafschaft Lichtenberg vom Jahre 1659-60; cd. Fritz Lempfrid; in: JbE-L 3 (1887), S. 81 Cf. Wiener Flugschriften zur Sozialen Frage 1848; I. Arbeiterschaft, Handwerk und Handel; ed. Gustav Otruba; Wien 1978; (Materialien zur Arbeiterbewegung 9) Freiherr vom Stein. Briefe und amtliche Schriften; cd. Walther Hubatsch; 1) Bd. II 1: Minister im Generaldirektorium. Konflikt und Entlassung. Stein in Nassau - Die Nassauer Denkschrift. Wiederberufung (1804-1807); ed. Peter G. Thielen; Stuttgart 1959, 2) Bd. VI: Stein in Westfalen. Monumenta Gemaniae Historica. Verfassungsfragen (Januar 1819-Mai 1826); ed. Alfrcd Harlieb von Wallthor; Stuttgart 1965 General-Versammlung des Cenlral-Vereins vom 2. Juni 1848; in: Mitt.Centralverein 1 (1848/49), S.15 ff. Zur Geschichte der Gewerbe in Hohenzollern; ed. L. Egler; in: Mittheilungen des Vereins für Geschichte & Alterthumskunde in Hohenzollern 21 (1887/88), S. 133 Cf. Gesellen-Beliebung des Amtes der Nage1schmiede zu Magdeburg. Montag nach Cantate (12. Mai) 1544; ed. Ad. Hofmeister; in: Gbll.Mgd. 44 (1909), S.178 ff. Gesellenordnung der Cüstriner BäckerilUWng vom Jahre 1584; ed. Otto Kapliclc; in: Die Neumark 5 (1928), S. 32 Cf. Eine Mannheimer Gesellenordnung vom Jahre 1718; cd. Fricdrich Walter; in: Mannheimer Geschichtsblätter 6 (1905), Sp. 278 ff. Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten Deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie; Wien 1811 Die Gesetze der Stadt Frankfurt am Main im Mittelalter; cd. Arrnin Wolf; Frankfurt a.M. 1969; (Veröffentlichungen der Frankfurter Historischen Kommission 13)
Verzeichnis der zitierten Quellen und Literatur
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Die alten Gesdze der Stadt Nordhausen; ed. G.E. Förstemann; in: NMitt 3 (1837), H3, S. 39 Cf., H.4., S. 32 Cf. Die Gewerbefrage in PreufJen. Zwei Petitonen an die hohen Häuser des allgemeinen Landtages, im Auftrage des Preuß. Landes-Handwerker-Tages überreicht durch die ständige Deputation desselben nebst einem Anschreiben an des Herrn Handelsministers v.d. Heydt Excellenz; Berlin 1861 Das neue Gewerbegeselz für das Königreich Bayern nach den Beschlüssen der beiden Kammern des Landtags; München 1868 Die Preußische Gewerbe-Gesetzgebung, für den Handgebrauch zusammengcstellt und erläutert; ed. H. Reinhardt; Berlin 1865 Eine Steinauer Gewerbeordnung von 1426; ed. G. Maidfeld; in: Hanauisches Magazin 7 (1928), S. 69 ff. Allgemeine Gewerbe-Ordnung im Fürstenthum Hohenzollem-Hechingen vom 7. April 1842, mit der F. Vollziehungsinstruktion vom 11. Juli 1842; s.l. et s.a. (Hechingen 1842) Die Gewerbe-Ordnung für das Königreich Hannover mit ihren Nebengesetzen und Vollzugs-Vorschriften; cd. W. Hcinrichs; 3. Aufl. ed. G. Schow; Hannover 1862 Neue Gewerbeordnung für das Königreich Württemberg vom 12. Februar 1862 nebst den darauf Bezug habenden Gesetzen u.s.w.; Reutlingen 1862 Revidirte allgemeine Gewerbe-Ordnung für das Königreich Württemberg vom 5. August 1836, mit den dieselbe ergänzenden und erläuternden Gesetzen, Verordnungen und Normalien; ed. A. Daniel; 2. Aufl. Stuttgart 1844 Die Gewerbe-Polizei des Preußischen Staates; eine systematisch geordnete Sammlung aller auf dieselbe Bezug habenden gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere der in der Gesetzsammlung für die Preußischen Staaten, in den von Kamptzschen Annalen für die innere Staatsverwaltung, und in deren Fortsetzungen durch die Ministerial-Blätter enthaltenen Verordnungen und Reskripte, in ihrem organischen Zusammenhange mit der früheren Gesetzgebung; ed. Ludwig von Rönne; 2. Bd.; Breslau 1851; (Rönne, Verf. u. Verw. VII 2) Unvergreiffliche und lcürtzlich nach alter wohlhergebrachter Gewonheit verfassete Morgensprach dero gantzen Beekergilde hieselbsten binnen der Stadt Harnm, womach sich jeder Ampts- oder Gildebroder schicken und halten solle wie undersschiedlich folgett. Anno 1647; ed. L. Troß; in: Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte 2 (1857), S. 806 ff. Gildebriefvon 1587,· in: HKPrenz 1963, S. 92 ff. Bleicheröder Gildebriefe; ed. A. Eisfeld; in: Heimatland (Kreis Grafschaft Hohenstein) 8 (1911 /12), S. 181 f. Die Tangermünder Gildebriefe; ed. W. Zahn; in: 29. Jahresbericht des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte und Industrie zu SalzwedeL Abt. für Geschichte (1902), S. 21 ff. Gilden und Gildenrecht in Stadthagen vom 14.-16. Jahrhundert; ed. Ringenberg; in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte, Altertümer und Landeskunde des Fürstentums Schaumburg-Lippe 2 (1907), S. 29 ff. Gildeprivileg für die Kyritzer Bäcker von 1336; ed. Joh. Schultze; in: FBrPrG 40 (1927), S. 154 ff. Die ältesten Osnabrüclcischen Gildeurkunden (bis 1500) mit einem Anhange über das Rathssilber zu Osnabrück; ed. Fr. Philippi; Osnabrück 1890 Gründungs-Urkunde der Schuhmacher-Innung zu Bergen a.R. vom 31. Oktober 1355; ed. A. H(aas); in: PommMb1l5 (1891) S. 41 f. Eine Acherner lIänferordnungvom Jahre 1578; ed. Eugen Beek; in: Ort 33 (1953), S. 141 ff.
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Verzeichnis der zitierten Quellen und Literatur
Die Kräninger Hafner-Ordnung von 1428. Vollständiger Text, Glossar und Kommentar; ed. Paul Stieber; München 1972; (Schriften des Deutschen Hafner-Archivs 8) Hamm; ed. A(lfred) Overmann; Münster 1903; (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen. Rechtsquellen. Westfälische Stadtrechte Abt. 1: Die Stadtrechte der Grafschaft Mark 2) Bayerisches HanJwerk in seinen alten Zunftordnungen. Ein Beitrag zur Geschichte des bayerischen Handwerks und Zunftwesens; mitgeteilt und erläutert von o. Hartig, A. Mitterwieser, E. Moser, Jos. Reindl, Ludwig Schraudner, Gg. Schrötter; ed. W. Zils; München s.a. (1927); (Beiträge zur bayerischen Kulturgeschichte 1) Der deutsche HanJwerlcer-Congreß und die von demselben entworfene Handwerker- und Gewerbe-Ordnung für Deutschland; edd. Bunkenburg / Kielmannsegge; in: Mitt. Centralverein 1 (1848/49), S. 165 ff. Der deutsche HanJwerlcer- und Gewerbe-Congreß zu Frankfurt a.M.; in: Mittheilungen für den Gewerbeverein des Herzogthums Braunschweig 1848, S. 121 ff. Der zweite deutsche Handwerlcertag zu Frankfurt a.M. vom 25. bis 28. September 1863; Frankfurt a.M.I863 Aeltere Hamburgische und Hansestädtische Handwerksgesellendocumenle; ed. Otto Rüdiger; in: ZVHbg. 6 (1875), S. 526 ff. Handwerks-Ordnung der Maurer und Steinmetzen im Amt und Stadtgericht Querfurt, v J. 1574; ed. Ed. Förstemann; in: NMitt. 6 (1842), H. 3., S. 116 ff. Zwickauer Handwerksordnungen aus dem 14. bis 17. Jahrhundert; ed. Regine Schulzke; in: BeitrrGdtSprLit 96 (1976), S. 318 ff.; 99 (1978), S. 57 ff. Alt-Nürnberger Handwerksrecht und seine Beziehungen zu anderen; ed. August Jegel; Neustadt an der Aisch 1965 Heidelberg, Mosbach, Neckargentünd, Adelsheim; ed. Carl Koehne; Heidelberg 1900; (OSR 1: Fränkische Rechte 5) Henning Brandis' Diarium. Hildesheimische Geschichten aus den Jahren 1471-1528; ed. Ludwig Haenselmann; Hildesheim 1896 Herbst des Alten Handwerks. Meister, Gesellen und Obrigkeit im 18. Jahrhundert; ed. Michael Stürmer; München / Zürich 1986; (Serie Piper 515) Die Innungsartikel der Luckauer Schuhmacher von 1384; ed. Richard Moderhack; in: Niederlausitzer Mitteilungen 22 (1934), S. 339 ff. Innungsartilcel der Zimmerleute und der Fleischer in Roda; in: Mittheilungen des Vereins für Geschichts- und Alterthumskunde zu Kahla und Roda 5 (1900), S. 446 ff. Leipziger Innungsordnungen aus dem XV. Jahrhundert; ed. G. Berlit; in: Programm des Nicolaigymnasiums in Leipzig, ed. Karl Mayhoff; Leipzig 1886 Vier Magdeburgische Innungsprivilegien; ed. K(arl) Janicke; in: GbIIMgd 4 (1869), S. 314 ff. Kaiser Karl V. und die Zunftverfassung. Ausgewählte Aktenstücke zu den Verfassungsänderungen in den oberdeutschen Reichsstädten (1547-1556); ed. Eberhard Naujoks; Stuttgart 1985; (VKBW Reihe A: Quellen 36) Fürstl. SiichfJ. Altenburgische Landes-Ordnung; Altenburg 1705 Die Salzburger Landesordnung von 1526; edd. Franz V. Spechtler / Rudolf Uminsky; Göppingen 1981; (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 305, Frühneuhochdeutsche Rechtstexte 11) Chur-Braunschweig-Lüneburgische Landes-Ordnungen und Gesetze; 3. Theil; Göttingen 1740
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Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794; ed. Hans Hattenhauer; Frankfurt a.M. / Berlin 1970 Das Badische Landrecht nebst Handelsgesetzen; Karlsruhe 1840 Clwr/ürstL PfaltzLandsOrtlnung; Heidelberg 1655 Das Konstanzer Leinengewerbe; 2.: Quellen; ed. Friedrich Wielandt; Konstanz 1953; (Konstanzer Stadtrechtsquellen 3) Mainz; 2. Bd.; 2. Auf). Göttingen 1968; (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16Jahrhundert 18. Die Chroniken der mittelrheinischen Städte) Materialien für du Handwerksrecht und die Handwerkspolizey; 1) H.2; ed. Johann Theodor Roth; Nördlingen 1805, 2) H.4; edd. Johann Theodor Roth/J.DA. Höck; Nördlingen 1808 Das Medicinal-Wesen des Preußischen Staates; eine systematisch geordnete Sammlung aller auf dasselbe Bezug habenden gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere der in der Gesetzsammlung für die Preußischen Staaten, in den von Kamptzschen Annalen für die innere Staatsverwaltung und in deren Fortsetzungen durch die Ministerial-Blätter enthaltenen Verordnungen und Reskripte, in ihrem organischen Zusammenhange mit der früheren Gesetzgebung; edd. Ludwig von Rönne / Heinrich Simon; 1. Teil; Breslau 1844; (Rönne Verf.u.Verw. VI 3) Mergentheim. Lauda, Ballenberg und Krautheim. Amorbach, Walldürn, Buchen, Külsheim und Tauberbischofsheim; ed. Richard Schröder; Heidelberg 1896; (OSR 1: Fränkische Rechte 3) Les metiers et corporations de la vilIe de Paris; 1. Bd.: XIVe-XVlIIe siec1e, ordonnances generales, metiers de l'alimentation; ed. Rene de Lespinasse; Paris 1886; (Histoire generale de Paris, collection de documents) Monumenltl GermaniaeHistorica; I) Diplomatum regum et imperatorum Germaniae; 1. Bd.: Die Urkunden Konrad I., Heinrich 1. und Otto 1.; 2.Aufl. Berlin 1956; 11) Legum; 1) a) Bd. 1; ed. Georg Heinrich Pertz; Neudruck der Ausgabe Hannover 1835, Leipzig 1925, b) Bd. 4; ed. Georg Heinrich Pertz; Neudruck der Ausgabe Hannover 1868, Leipzig 1925, 2) sectio I: Legum nationum Germanicarum; a) Bd. 2,1: Leges Burgundionum; ed. Ludwig Rudolfvon Salis; Hannover 1892, b) Bd. 4,2: Lex Salica; ed. Karl August Eckhardt; Hannover 1969, c) Bd. 5,1: Leges AIamannorum; ed. Karl Lehmann; 2Aufl., ed. Karl August Eckhardt; Hannover 1966, d) Bd. 5,2: Lex Baiwariorum; ed. Ernst von Schwind; Hannover 1926, 3) sectio II: Capitularia regum Francorum; a) Bd. 1; ed. AIfred Boretius; Neudruck der Ausgabe Hannover 1883,1960, b) Bd. 2; ed. AIfred Boretius / Victor Krause; Neudruck der Ausgabe Hannover 1897, 1960, 4) sectio III: Concilia; Bd. 1.: Concilia aevi Merovingici; ed. Friedrich Maasen; Neudruck der Ausgabe Hannover 1893, 1956, S) sectio IV: Constitutiones et acta publica imperatorum et regum; a) Bd.l: Inde ab A.DCCCCXI usque ad A. MCXCVII; ed. Ludwig Weiland; Hannover 1893, b) Bd. 2: Inde ab A. MCXCVIII usque ad A. MCCLXXII; ed. Ludwig Weiland; Hannover 1896; III) 1) Scriptorum; Bd.10; ed. Georg Heinrich Pertz; Neudruck der Ausgabe Hannover 1852, Leipzig 1925, 2) Scriptores rerum Merovingicarum; a) Bd. 1,1: Gregorii episcopi Turonensis Iibri historiarum X; 2. Aufl., ed. Bruno Krusch / Wilhelm Levison; Hannover 1951, b) Bd. 3: Passiones vitaeque sanctorum aevi Merovingici et antiquiorum aliquot; ed. Bruno Keusch; Hannover 1896, c) Bd. 4: Passiones vitaeque sanctorum aevi Merovingici; ed. Bruno Keusch; Hannover / Leipzig 1902;
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Verzeichnis der zitierten Quellen und Literatur
IV) Fontes luris Germanici Antiqui; Nova series Bd. 4,1: Schwabenspiegel Kurzform, I. Landrecht; ed. Karl August Eckbardt; 2. Aufl. Hannover 1974; V) 500-1500, Staatsschriften des späteren Mittelalters; Bd. 6: Reformation Kaiser Siegmunds; ed. Heinrich Koller; Stuttgart 1964 Die Morgensprache der Schneider in Lüneburg; ed. OUo Rüdiger; S. 12 ff. in: Von Nah und Fern. Festgabe für Herrn Carl Friedrich Webrmann; Hamburg 1879 Neuss; ed. Friedr. Lau; Bonn 1911; (PubllGRhGK 29: Quellen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte, Kurkölnische Städte I) Notkers des Deutschen Werke; ersten Bandes erstes Heft: Anicius Manlius Severinus Boetius de consolatione Philosophiae; edd. Edward Henry Sehrt I Taylor Starck; Halle 1933 Ordnung für die Bruderschaft des Holzschuhhandwerks in der Pfalz 1478; ed. Karl Christ; in: Mannbeimer Geschichtsblätter2 (1901), Sp.136 ff. Die Ordnung der Wiener Goldschmiede-Zeche aus dem Jahre 1367. Eine Studie zur Geschichte des Gewerbes in Mitteleuropa; ed. Heinz Zatschek; in: ÖAkWiss, Anzeiger 86 (1949) S. 319 ff. Ordnung für das Handwerk der Messerer zu Passau vom 29. März 1332 und 29. Juni 1368, sowie der Schwertscbmiede zu Passau vom 26. Mai 1547; [ed. G. Schrötter]; S. 384 ff. in: KdH Die älteste Ordnung des großen Hüttenbundes der Steinmetzen von 1459 (Nach der Thanner Handschrift); ed. Rudolf Wissel; in: ZGO 94 (1942), S. 51 ff. Ordnung der Schmidzunft zu Ulm vom Jahr 1505; ed. Seuffer; in: WürttV 8 (1885), S. 59 ff. Ordnungen der Strassburger Malerzunft; ed. August Schricker; in: JbE-L 3 (1887), S. 99 ff. Ordo fraternitatis confraternite e pieta' dei laici nel medioevo I; ed. Gilles Gerard Meersseman; Roma 1977; (Italia sacra. Studi e documenti di storia ecclesiastica 24) Naussau-Catzenelnbogische Policey-Ordnung; 2. Aufl. Wetzlar 1711 Privilegia der Heinrich-Stadt. Auch andere Fürstliche Braunschweig-Lüneburgische Wolffenbüttelschen Theils Landes-Constitutiones Mandata und Verordnungen; Wolfenbüttel1731 Protokolle der Deutschen Bundesversammlung; 1) 1835; 2) 1840 Quellen zur Geschichte des deutschen Arbeitsrechts (bis 1849); ed. Wilhelm Ebel; Göttingen IBeriin I Frankfurt 1964; (QKG 16) Quellen zur Geschichte der Berufserziebung. Dokumente und Texte zur Reform der Lehrlingserziehung im Gewerbe des 18. Jahrhunderts; ed. Karlwilhelm Stratmann; Wuppertall Ratingen I Düsseldorf 1969 Quellen zur Geschichte des deutschen Handwerks. Selbstzeugnisse seit der Reformationszeit; ed. Wolfram Fischer; Göttingen !Berlin I Frankfurt 1957; (QKG 13) Quellen zur Geschichte der Handwerksgesellen im spätmittelalterlichen Basel; ed. Wilfried Reininghaus; Basel 1982; (Quellen und Forschungen zur Basler Geschichte 10) Quellen zur Geschichte des f. Hauses Fürstenberg und seines ehedem reichsunmittelbaren Gebietes (1): 1510-59; ed. Franz Ludwig Baumann; Tübingen 1894; (Mitteilungen aus dem F. Fürstenbergischen Archive I) (II): 1560-1617; ed. Franz Ludwig Baumann I Georg Tumbült; Tübingen 1902; (dto. II) Quellen zur Geschichte der Stadt Köln; edd. Leonard Ennen I Gottfried Eckertz; Bd. 2; Neudruck der Ausgabe Köln 1863, Aalen 1970 Quellen zur Gewerbegeschichte von Halberstadt und Quedlinburg; ed. Peter Przybilla; Teil B, S. 201 ff. in: Militzer I Przybilla Quellen zur Neueren Privatrechtsgeschichte Deutschlands; edd. Franz Beyerle I Wolfgang Kunkel I Hans Thieme;
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1) I. Bd.; bearb. v. Wolfgang Kunke~ a) 1. Halbbd.: Ältere Stadtrechtsrefonnationen; Weimar 1936, b) 2. Halbbd.: Landrechte des 16. Jahrhunderts; Weimar 1938, 2) 11. Bd.: Polizei- und Landesordnungen; edd. Wolfgang Kunkel I Gustaf Klemens Schmelzeisen I Hans Thieme; bearb. v. Gustaf Klemens Schmelzeisen; 1. Halbbd.: Reich und Territorien; Köln I Graz 1968
Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Eschwege; Bd. 1: Urkunden und Stadtbücher; ed. Karl August Eckhardt; Marburg 1959; (VHKHessWald XI1I5: Quellen zur Rechtsgeschichte der hessischen Städte 5) Quellen zur älteren Wirtschaftsgeschichte Mitteldeutschlands; I. Teil; ed. Herbert Helbig; Weimar 1952; (Quellen zur mitteldeutschen Landes- und Volksgeschichte 2) Quellen zur Zürcher Zunftgeschichte. 13. Jahrhundert bis 1798; ed. Werner Schnyder; Bd. I: 13. Jahrhundert bis 1604; Bd.II: 1604 bis 1798; Zürich 1936 Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit; ed. Karl Zeumer; 2. Aufl. Tübingen 1913; (Quellensammlung zum Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht 2) Lübecker Ratsurteile; ed. Wilhelm Ebel; Band 1: 1421-1500; Göttingen I Berlin I Frankfurt 1955 Realrepertorium der Herzoglichen Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Landes-Gesetze von den Jahren 1801 bis 1818; ed. Theodor Heinrich Opitz; Coburg 1821 Das alte magdeburgische und hallische Recht. Ein Beitrag zur deutschen Rechtsgeschichte; ed. Ernst Theodor Gaupp; Neudruck der Ausgabe Breslau 1826, Aalen 1966 Zwicklluer Rechtsbuch; ed. Güoter UIlrich; Weimar 1941; (Abteilung Stadtrechtsbücher 2) RechtsBuch der Stadt Memmingen. Anno 1396; ed. M.Fhr.v.Freyberg; S. 239 ff. in: ders., Sammlung historischer Schriften und Urkunden Bd. 5 H.2; s.1. et s.a. (Stuttgart I Tübingen 1836) Württembergische Ländliche Rechtsquellen; 1. Bd.: Die östlichen schwäbischen Landesteile; ed. Friedrich Wintterlin; Stuttgart 1910 Die Rechtsquellen des Kantons Argau; 2. Teil: Rechte der Landschaft, 1. Bd.: Amt Arburg und Grafschaft Lenzburg; ed. Walther Merz; Argau 1923; (SSRAbt.l6) Die Rechtsquellen des Kantons Bern; 1) 1. Teil: Stadtrechte, 8. Bd. 1. und 2. Hälfte: Das Stadtrecht von Bern VIII 1 und 2: Wirtschaftsrecht; ed. Hennann Rennefahrt; Aarau 1966, 2) 2. Teil: Rechte der Landschaft, 4. Bd.: Das Recht des Landgerichts Konolfingen; ed. Ernst Werder; Aarau 1950; (SSR Abt.2) Die mittelalterlichen Rec:htsquellen der Stadt Bremen; ed. Karl August Eckhardt; Bremen 1931; (VStaBremen 5) Die Rechtsquellen der Stadt Eferding; ed. Otto Wutzel; Graz I Köln 1954; (F.RA,2) Die Rechtsquellen der Städte im ehemaligen Herzogtum Sachsen-Altenburg; ed. Hans Patze; Köln I Wien 1976; (Mitteldeutsche Forschungen 79) Recueil general des anciennes Iois fran~ses, depuis I'an 420 jusqu'a la revolution de 1789; edd. Decrusy llsambert I Jourdan; 1) (Vol. 23:) Du 10 Mai 1774 au 20 Mai 1776; Nachdruck der Ausgabe Paris 1863, Famborough 1966; 2) (Vol. 24:) Du 20 Mai 1776 au 10 Mai 1777; Nachdruck der Ausgabe Paris 1822-1833, Famborough 1966 Regesta Bingiensia inde ab anno LXXI usque ad annum MDCCLXXXXIII. Regesten der Stadt Bingen, des Schlosses Klopp und des Klosters Rupertsberg; ed. A.J. Weidenbach; Bingen 1853
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Verzeichnis der zitierten Quellen und Literatur
Das Teutsche Reichs-Archiv, Und zwar pars generalis, nebst dessen continuation, Welcher in sich begreifft, ein vollkommenes Corpus juris publici des Heiligen Römischen Reichs Teutscher Nation; ed. Johann Christian Unig; (Bd. 1); Leipzig 1713 Die Reorganisation des Preussischen Staates unter Stein und Hardenberg; 1. Teil: Allgemeine Verwaltungs- und Behördemeform; ed. Georg Winter; Bd.l: Vom Beginn des Kampfes gegen die KabineUsregierung bis zum Wiedereintriu des Ministers vom Stein; Leipzig 1931; (Publikationen aus den Preussischen Staatsarchiven 93, N.F.) Die Rolle der ermländischen Bader, Barbiere und Wundärzte von 1531; ed. Anneliese Triller; in: ZErm 43 (1985), S.145 ff. Die ältesten Rollen der Barbierämter in Dithmarschen; ed. E. Jendreyczyk; in: ZSHG 44 (1914), S. 95 ff. Sachsenspiegel Landrecht; ed. Karl August Eckhardt; 2. Aufl. Göuingen / Berlin / Frankfurt 1955; (Germanenrechte N.F., Land- und Lehnrechtsbücher