258 35 10MB
German Pages 205 [208] Year 1973
de Gruyter Lehrbuch Harry Β. Gray Elektronen und Chemische Bindung
Elektronen und Chemische Bindung Harry B. Gray
mit 132 Abbildungen und 29 Tabellen
W DE G Walter de Gruyter · Berlin · New York · 1973
Ins Deutsche übertragen von Prof. Dr. Erwin Riedel Institut für Anorganische und Analytische Chemie der Technischen Universität Berlin
© 1964 by W. A. Benjamin Inc., New York, USA © 1973 der deutschen Ausgabe by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sehe Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Satz: IBM-Composer, Walter de Gruyter & Co. Druck: Mercedes-Druck, Berlin 61. ISBN 3 11 003502 2
Vorwort zur deutschen Ausgabe
In zahlreichen Lehrbüchern und Monographien gibt es bereits Darstellungen über die Chemische Bindung. Mit dieser Übersetzung jedoch wird den deutschsprachigen Studenten eine Einführung zugänglich gemacht, in der die Chemische Bindung hauptsächlich mit der Molekülorbitaltheorie auf einem einfachen Niveau behandelt wird, so daß zum Verständnis elementare mathematische Kenntnisse ausreichend sind. Obwohl viele Beispiele, auch organische Moleküle und Übergangsmetallkomplexe, behandelt werden, ist diese Darstellung nicht zu umfangreich; sie ist leicht und schnell lesbar. Diese Einführung richtet sich vor allem an Chemiestudenten an Hochschulen bis zum Vordiplom und an Chemiestudenten an Fachhochschulen, sie ist aber auch für alle Studenten mit Chemie als Nebenfach geeignet, die sich mit den Problemen der Chemischen Bindung näher befassen möchten oder aber müssen. Berlin, Dezember 1972
E. Riedel
Vorwort der englischen Ausgabe Dieses Buch entstand im Frühjahr 1962 an der Columbia Universität aus Vorlesungen über die Chemische Bindung und ist hauptsächlich für „undergraduate"-Studenten der Chemie gedacht, die an einer Einführung in die modernen Theorien der Chemischen Bindung interessiert sind. Der Stoff ist für einen einsemestrigen Kurs bestimmt, aber er dürfte als Ergänzung im Chemiecurriculum für „undergraduates" eine große Hilfe sein. Das Buch beginnt mit der Besprechung der Struktur der Atome, dann folgt der Hauptgegenstand: die Chemische Bindung. Der Stoff des ersten Kapitels ist notwendigerweise konzentriert und als Überblick gedacht. (Wegen weiterer Einzelheiten sei auf R. M. Hochstrasser, Behavior of Electrons in Atoms, Benjamin, New York, 1964, verwiesen.) Jedes Kapitel der Diskussion über die Bindung ist einer wichtigen Molekülklasse gewidmet. In den Kapiteln II bis VII ζ. B. sind die wichtigsten Molekülstrukturen aufgenommen, die beim Wasserstoff und den Elementen der zweiten Periode auftreten. Daher wird in diesem Teil des Buches die Bindung in zweiatomigen, linearen dreiatomigen, trigonal-planaren, tetraedrischen, trigonal-pyramidalen und gewinkelten dreiatomigen Molekülen diskutiert. In den Kapiteln VIII und IX wird eine Einfuhrung in die modernen Vorstellungen über die Bindung in organischen Molekülen und in Übergangsmetallkomplexen gegeben. Zur graphischen Darstellung der Orbitale werden Punkte verwendet. Mit den Punkten soll nur ein räumlicher Eindruck erzielt werden, aber unsere Zeichnungen sollen keine Darstellung von Ladungswolken sein. In Bildern mit Ladungswolken wird die Dichte der Ladungswolke eines Orbitals als Funktion des Abstands vom Kern durch eine unterschiedliche ,.Punktkonzentration" dargestellt. Bei der Besprechung der Struktur der Atome wird nicht mit der SchrödingerGleichung, sondern mit der Bohrschen Theorie begonnen. Ich glaube, daß die meisten Studenten sich dafür interessieren, wie sich die Atomtheorie in diesem Jahrhundert entwickelt hat, und daß dann der Übergang von „orbits" zu „orbitals" leichter wird. Außerdem kann der Student einige wichtige physikalische Größen mit Hilfe der Bohrschen Theorie berechnen. Das erste Kapitel schließt mit einer Diskussion der Symbole von Atomkernen in der Russell-Saunders LSMLMs-NäheTung. In diesem Buch wird zur Beschreibung der Bindung in Molekülen die Molekülorbitaltheorie verwendet. Soweit geeignet, werden die Molekülorbitale mit den Beschreibungen durch die Valenzbindungs- und Kristallfeldtheorie verglichen.
VII
Vorwort der englischen Ausgabe
Ich habe dieses Buch für Studenten geschrieben, die keine Übung in der Gruppentheorie haben. Obwohl Symmetrieprinzipien bei der Molekülorbitalbehandlung benutzt werden, werden die formalen gruppentheoretischen Methoden nicht verwendet, und nur in Kapitel IX werden gruppentheoretische Symbole benutzt. Die gemeinsam mit Professor Carl Ballhausen veröffentlichte Einführung in die Molekülorbitaltheorie ist auf einem etwas anspruchsvolleren Niveau geschrieben als dieses Buch. Dort wird die Anwendung der Gruppentheorie auf Probleme der Elektronenstruktur hervorgehoben. In den Text sind Aufgaben eingearbeitet; für die meisten werden die ausgearbeiteten Lösungen mit angegeben. Außerdem gibt es Aufgaben und Fragen am Ende jedes Kapitels. Mit großer Freude möchte ich die unermüdliche Unterstützung, die Ermutigung und den Eifer der 77 Studenten erwähnen, die im Frühjahr 1962 am Columbia College an dem „Chemie 10" genannten Kurs teilnahmen. Ich bezweifle, ob ich das Glück haben werde, jemals mit einer besseren Gruppe zusammenzuarbeiten. Die Mitschriften von Stephen Steinig und Robert Price halfen mir sehr bei der Abfassung des ersten Entwurfs. Ich möchte den Professoren Ralph G. Pearson, John D. Roberts und Arien Viste für die Durchsicht des Manuskripts und zahlreiche Vorschläge danken. Besonders danken möchte ich einem meiner Studenten, James Halper, der das Manuskript in jeder Fassung kritisch durchsah. Schließlich gilt mein Dank Diane Celeste für ihre aufopferungsvolle Hilfe bei der Herstellung des endgültigen Manuskripts. New York, März 1964
Harry B. Gray
Inhaltsverzeichnis I Elektronen in Atomen 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10 1.11 1.12 1.13 1.14 1.15 1.16 1.17
Vorbemerkung Bohrsche Theorie des Wasserstoffatoms Das Spektrum des Wasserstoffatoms Die Notwendigkeit einer Modifizierung der Bohrschen Theorie Elektronenwellen Die Unbestimmtheitsrelation Die Wellenfunktion Die Schrödinger-Gleichung Die Norminierungskonstante Der Radialanteil der Wellenfunktion Der winkelabhängige Anteil der Wellenfunktion Orbitale Der Elektronenspin Die Theorie von Mehrelektronenatomen Russell-Saunders-Terme Ionisierungspotentiale Elektronenaffinitäten
1 1 4 7 8 9 10 11 11 11 12 12 15 18 19 24 30
II Zweiatomige Moleküle 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12 2.13 2.14 2.15 2.16 2.17 2.18 2.19
Kovalente Bindung Molekülorbitaltheorie Bindende und antibindende Molekülorbitale Energieniveaus von Molekülorbitalen Das Wasserstoffmolekül Bindungslängen von H 2 + und H 2 Bindungsenergien von H 2 + und H2 Die Eigenschaften von H 2 + und H 2 in einem magnetischen Feld Homonukleare zweiatomige Moleküle der zweiten Periode Andere A2-Moleküle Termsymbole für lineare Moleküle Heteronukleare zweiatomige Moleküle Energieniveaudiagramm der Molekülorbitale von LiH Grundzustand von LiH Dipolmomente Elektronegativität Ionenbindung Ein einfaches Ionenmodell fur die Alkalimetallhalogenide Allgemeine AB-Moleküle
32 34 35 37 41 41 42 42 43 52 53 55 59 60 61 62 65 67 70
III Lineare dreiatomige Moleküle 3.1 3.2 3.3 3.4
BeH2 Energieniveaus von BeH2 BeH2 nach der Valenzbindungstheorie Lineare dreiatomige Moleküle mit fr-Bindung
77 80 82 84
X
Inhaltsverzeichnis 3.5 3.6
Bindungseigenschaften von C 0 2 Ionogene dreiatomige Moleküle: die Erdalkalimetallhalogenide
88 89
IV Trigonal-planare Moleküle 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8
BF 3 σ-Molekülorbitale Ti-Molekülorbitale Energieniveaus von BF 3 Die Äquivalenz der a x - und σ-y-Orbitale Der Grundzustand von BF 3 Die Valenzbindungsnäherung für BF 3 Andere trigonal-planare Moleküle
93 94 96 98 98 100 101 103
V Tetraedrische Moleküle 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5
CH 4 Grundzustand von CH 4 Der Tetraederwinkel CH 4 nach der VB-Methode Andere tetraedrische Moleküle
105 106 108 109 110
VI Trigonal-pyramidale Moleküle 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5
NH 3 Die Überlappung bei den a x -, a y und a 2 -0rbitalen Die interelektronischen Abstoßungen und die H-N-H-Bindungswinkel in NH 3 Bindungswinkel von anderen trigonal-pyramidalen Molekülen Grundzustand von NH 3
113 115 118 120 120
VII Gewinkelte dreiatomige Moleküle 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6
H20 Der Grundzustand von H 2 Ο Gewinkelte dreiatomige Moleküle mit 7r-Bindung: N 0 2 σ-Orbitale JT-Orbitale Grundzustand von N 0 2
124 126 130 131 131 131
VIII Die Bindung in organischen Molekülen 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7 8.8 8.9 8.10 8.11 8.12
Einfuhrung C2H4 Energieniveaus von C 2 H 4 Grundzustand von C 2 H 4 „Bogenbindungen" im Molekül C 2 H 4 Bindungseigenschaften der C=C-Gruppe Der /3CC-Wert von C2H 4 H 2 CO Der Grundzustand von H 2 CO Der η 7T*-Übergang der Carbonylgruppe C2H2 Der Grundzustand von C 2 Η2
136 137 138 138 140 142 142 143 145 146 146 147
Inhaltsverzeichnis 8.13 8.14 8.15 8.16 8.17
CH 3 CN C6H6 Energien der Molekülorbitale von C 6 Η 6 Der Grundzustand von C 6 H 6 Resonanzenergie von C 6 H 6
XI 148 148 150 150 152
IX Bindungen unter Beteiligung von d-Valenzorbitalen 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6 9.7 9.8 9.9 9.10 9.11 9.12 9.13 9.14
Einführung Der oktreadrische Komplex TKHjO)!*· Energieniveaus von Τί(Η 2 0)1 + Grundzustand von Ti(H 2 Ο)f" Das Elektronenspektrum von TKHiO)!* VB-TheorievonTi(H 2 0)6 + Kristallfeldtheorie von T i ^ O ) ^ Die Beziehung der allgemeinen MOBehandlung zur VB-Theorie und zur Kristallfeldtheorie Typen der π-Bindung in Metallkomplexen Quadratisch-planare Komplexe Tetraedrische Komplexe Der Wert von Δ Die magnetischen Eigenschaften von Komplexen: Liganden mit schwachem und mit starkem Feld Die Elektronenspektren oktraedrischer Komplexe
Literatur Schlußbemerkung Anhang Sachregister
154 154 157 158 160 160 162 164 164 165 168 171 176 176
186 187 188 190
Physikalische Konstanten8 Plancksches Wirkungsquantum, h Lichtgeschwindigkeit, c Ruhmasse des Elektrons, m e Elementarladung, e Bohrscher Radius, a 0 Avogadrosche Zahl (Loschmidtsche Zahl), Ν Umrechnungsfaktore η Energie 1 Elektronenvolt (eV) 1 atomare Einheit (aE)
Länge 1 Angström (Ä)
a
6,6256 Χ 10"27 erg-sec 2,997925 Χ 10 10 cm sec"1 9,1091 Χ ΙΟ"28 g 4,80298 Χ 10"10 esE (cm 3 / 2 sec -1 ) 0,529167 Ä = 6.0247 Χ 10 23 mol-1
8066 cm"1 = 23,069 kcal mol"1 27,21 eV = 4,3592 X 10" u erg = 2,1947 X 10* cm"-ι1 _= 627,71 kcal mol1 - 1
= 10"8 cm
Werte vom National Bureau of Standards; vgl. J. Chem. Educ., 40,642 (1963).
I Elektronen in Atomen 1.1 Vorbemerkung In diesem Buch wird hauptsächlich die chemische Bindung verschiedener wichtiger Molekülklassen behandelt. Zu Beginn soll ein kurzer Überblick Über die dazu erforderlichen Einzelheiten der Atomstruktur gegeben werden. Da meiner Ansicht nach die modernen Theorien der Struktur der Atome mit den Ideen von Niels Bohr begannen, besprechen wir zuerst die Bohrsche Theorie des Wasserstoffatoms.
1.2 Bohrsche Theorie des Wasserstoff atoms (1913) Bohr nahm an, daß sich in einem Wasserstoffatom das Elektron auf einer Kreisbahn um das Proton bewegt (vgl. Abb. 1.1). In Abb. 1.1 bedeuten me die Masse des Elektrons, mn die Masse des Kerns, r der Radius der Kreisbahn und ν die Lineargeschwindigkeit des Elektrons. Für eine stabile Umlaufbahn muß die folgende Bedingung gelten: Die Zentrifugalkraft des umlaufenden Elektrons ist gleich den Anziehungskräften zwischen dem Kern und dem Elektron: 171 2V
Zentrifugalkraft = - y -
Abb. 1.1 Bohrsches Modell des Wasserstoffatoms.
(1.1)
Elektronen in Atomen
2
Es gibt zwei verschiedene Anziehungskräfte, die das Elektron in seine Bahn zwingen: die elektrische Anziehungskraft zwischen dem Proton und dem Elektron und die Gravitationskraft. Die elektrische Anziehungskraft überwiegt jedoch so sehr, daß wir die Gravitation vernachlässigen können: ρ2
elektrische Anziehungskraft = ^ r
(1.2)
Setzen wir (1.1) und (1.2) gleich, erhalten wir die Bedingung für eine stabile Bahn. Sie lautet 2 „2 mev _ g (1.3) f.2 Wir können nun die Energie eines Elektrons berechnen, das sich auf einer Bohrschen Bahn bewegt. Die Gesamtenergie ist die Summe von kinetischer Energie Τ und potentieller Energie V, also E=T+V
(1.4)
Τ ist die Energie, die von der Bewegung des Elektrons stammt T=jmev2
(1.5)
und Κ die Energie, die durch die elektrische Anziehung zustandekommt. F= •» r
0-6) r
Die Gesamtenergie ist demnach E=±mev2-e2/r
(1.7)
Die Bedingung für eine stabile Bahn ist ^
=4 Ol« (1.8) r r* r Wenn wir diesen Wert für mev2 in Gleichung (1.7) einsetzen, erhalten wir (1.9) Wir können nun für jeden beliebigen Bahnradius r die Energie des Elektrons berechnen. Nach Gleichung (1.9) sind alle Werte der Energie von Null (r = bis Unendlich (r = 0) erlaubt. An diesem Punkt machte Bohr die ganz neue Annahme, daß der Bahndrehimpuls des Systems, der gleich mevr ist, nur in bestimmten diskreten Werten oder Quanten vorkommen kann. Als Folge davon sind nur bestimmte Elektronenbahnen erlaubt. Nach der Theorie beträgt die Einheit der Quanten des
Bohische Theorie des Wasserstoffatoms
3
Bahndrehimpulses h/2-π (h ist eine Konstante, die nach Max Planck benannt ist und die auf Seite 4 definiert wird). Die mathematische Form dieses Bohrschen Postulats lautet daher
(1.10)
mevr = n(A)
η = 1, 2, 3 . (alle ganzen Zahlen bis °o). Wenn wir Gleichung (1.10) nach ν auflösen, erhalten wir v="(A)J_ 2π
(1.11)
mer
Wenn wir den Ausdruck für ν aus Gleichung (1.11) in die Bedingung für eine stabile Bahn [Gleichung (1.8)] einsetzen, erhalten wir weiter
= 4ιτ mgT
(1.12) r
oder r=
n2 2 k T4nm ~2 e 2 P
(ΛU1
Gleichung (1.13) gibt an, in welcher Weise der Radius erlaubter Elektronenbahnen des Wasserstoffatoms von der Quantenzahl η abhängt. Durch Einsetzen des Ausdrucks für r aus Gleichung (1.13) in den Energieausdruck [Gleichung (1.9)] kann nun auch die Energie für die erlaubten Bahnen berechnet werden. Man erhält E=
2n2m„€4
(1.14)
~n*h Übungsaufgaben 1.1. Berechnen Sie den Radius der ersten Bohrschen Bahn. Lösung. Der Radius der ersten Bohrschen Bahn kann direkt nach Gleichung (1.13) berechnet werden
n2h1
4n2ntge2 Setzen wir für η = 1 und für die Konstanten die Zahlenwerte ein, erhalten wir r
(l) 2 (6,6238 X 10"27erg-sec)2 4(3,1416) 2 (9,1072 X 10 - 2 8 g) (4,8022 X 10 _lo abs esE) 2 = 0,529 X 10"8cm = 0,529 A
Der Bohrsche Radius für η = 1 wird mit Oq bezeichnet. 1.2. Berechnen Sie die Geschwindigkeit eines Elektrons auf der ersten Bohrschen Bahn des Wasserstoffatoms. ^ ^ Lösung. Nach Gleichung (1.11) ist ν = —
lit irtgT
Setzen wir für η = 1 und r = a0 = 0,529 X 10"8cm ein, erhalten wir 27 1 v _ ( 1 ) (6,6238 X 10" erg-sec) χ 2(3,1416) (9,1072 X lO'^g) (0,529 X 10 _8 cm) = 2,188 X 10 8 cm sec"1
4
Elektronen in Atomen
1.3 Das Spektrum des Wasserstoffatoms Der stabilste Zustand eines Atoms ist der Zustand niedrigster Energie, er wird Grundzustand genannt. Aus Gleichung (1.14) folgt, daß der stabilste Zustand für das Elektron des Wasserstoffatoms dann vorhanden ist, wenn η = 1 ist. Zustände mit η > 1 sind weniger stabil als der Grundzustand und werden angeregte Zustände genannt. Das Elektron des Wasserstoffatoms kann von dem Niveau mit η = 1 auf ein anderes Niveau mit η > 1 springen, wenn gerade der dazu erforderliche Energiebetrag zugeführt wird. Wird die Energie in Form von Lichtenergie zugeführt, absorbiert das Atom Licht bei einer Frequenz, die genau der Energie äquivalent ist, die für einen Quantensprung erforderlich ist. Andererseits wird Licht emittiert, wenn ein Elektron von einem Niveau mit größeren η auf das Niveau des Grundzustandes (« = 1) zurückfällt. Das als Folge von Elektronenübergängen zwischen den Bahnen bei ganz bestimmten, charakteristischen Frequenzen absorbierte oder emittierte Licht kann als eine Serie von Linien auch fotografisch nachgewiesen werden. Durch Lichtabsorption entstandene Linien bilden ein Absorptionsspektrum, die durch Emission entstandenen Linien ein Emissionsspektrum. Die Frequenz ν des absorbierten oder emittierten Lichts hängt mit der Energie Ε nach der Planck-Einsteinschen Gleichung E = hv
(1-15)
zusammen, h wird Plancksche Konstante genannt und beträgt 6,625 X 10~27 erg.sec. Schon lange vor der Bohrschen Theorie war bekannt, daß die Lage der Emissionslinien im Spektrum des Wasserstoffatoms durch die einfache Gleichung
"η
η
(1-16)
m
beschrieben werden kann, in der η und m ganze Zahlen bedeuten und Rh eine Konstante ist, nach dem Entdecker dieser Beziehung Rydberg-Konstante genannt. Diese Beziehung kann mit Hilfe der Bohrschen Theorie wie folgt erhalten werden: Die Übergangsenergie (ZTH) für jeden Elektronensprung im Wasserstoffatom ist gleich der Energiedifferenz zwischen einem Anfangszustand I und einem Endzustand II. Es ist also =
(1.17)
E\\ -E\
oder auf Grund von Gleichung (1.14) 2n2m„e4
,
2ir2m*e4.
(1.18)
5
Das Spektrum des Wasserstoffatoms
27r2m„e4 , 1 1 zr^O-r—4) «
«ι
(119)
"Ii
Ersetzt man mit Hilfe der Beziehung (1.15) frequenz, folgt (1.20).
durch die äquivalente Licht-
Gleichung (1.20) entspricht der experimentell gefundenen Gleichung (1.16), wenn man nl=n,nu=m und /?h = ( 2 n 2 m e e 4 ) / h 3 setzt. Benutzt man den Wert von 9,1085 X 10 -28 g für die Ruhmasse des Elektrons, erhält man mit der Bohrschen Theorie für die Rydberg-Konstante den Wert R H
_ 2ir2mee4 _ 2(3,1416) 2 (9,1085 Χ IQ' 2 8 ) (4,8029 X IQ' 1 0 ) 4 h3 (6,6252 Χ10" 2 7 ) 3 = 3,2898 Χ 1015 Schwingungen/sec (1.21)
Üblicherweise wird in Wellenzahlen V(v~= ^ , λ = Wellenlänge) und nicht in Frequenzen angegeben. Wellenzahl und Frequenz hängen durch die Gleichung v = cv (1.22) zusammen, in der c die Lichtgeschwindigkeit bedeutet. Danach wird =
3,2898 X 10 15 Schwingungen/sec =
,
lo
2,9979 X 10 cm/sec Der genau bekannte experimentelle Wert voni? H beträgt 109.677,581 cm"1. Diese bemerkenswerte Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment war ein großer Erfolg der Bohrschen Theorie. Übungsaufgaben 1.3. Berechnen Sie das Ionisierungspotential des Wasserstoffatoms. Lösung. Das Ionisierungspotential (IP) eines Atoms oder Moleküls ist die Energie, die benötigt wird, um ein Elektron aus dem Grundzustand des Atoms oder Moleküls vollständig zu entfernen und ein positives Ion zu bilden. Für das Wasserstoffatom läßt sich dieser Vorgang wie folgt formulieren: Η
H+ + e
Ε = IP
Zur Berechnung benutzen wir Gleichung (1.19)
hΔ
«ii^
Im Grundzustand ist «ι = 1; für den Zustand, in dem das Elektron vollständig vom Atom entfernt wurde, beträgt «u = «·. Daraus folgt ip
_ 2π2ηΐββ4 h2
6
Elektronen in Atomen Wenn wir uns erinnern, daß h2 a
°
=
T~2
ä
und demnach 2 1 _2Tt 2 m ee 2 2e 0 h
folgt _ e2 (4,8022 X 10' 10 abs esE) 2 „ .. IP = — = — r — = 2,179 Χ 10 11 erg 8 2aο 2(0,529 X 10" cm) Ionisierungspotentide werden gewöhnlich in Elektronenvolt angegeben. Da 1 erg = 6,2419 X 10 eV, berechnen wir IP = 2,179 X 10 _11 erg = 13,60 eV Der experimentelle Wert des Ionisierungspotentials für das Wasserstoffatom ist 13,595 eV. 1.4. Berechnen Sie das dritte Ionisierungspotential des Lithiumatoms. Lösung. Das Lithiumatom ist aus einem Kern der Ladung + 3(Z = 3) und drei Elektronen zusammengesetzt. Das erste Ionisierungspotential IPj eines Atoms mit mehr als einem Elektron ist die Energie, die benötigt wird, um ein Elektron zu entfernen; für Lithium gilt Li ->• Li+
£ = «>!
Das zweite Ionisierungspotential IP2 des Lithiums ist die Energie, die benötigt wird, um ein Elektron aus dem einfach positiven Li+-Ion zu entfernen Li+-Li2+
Ε = IPj
und das dritte Ionisierungspotential IP 3 von Lithium ist demnach die Energie, die erforderlich ist, um das noch verbleibende eine Elektron aus dem Li 2+ -Ion zu entfernen. Bewegt sich ein Elektron um einen Kern der Ladung + 3 (oder + Z), so ist das auftretende Problem sehr ähnlich dem Problem des Wasserstoffatoms. Da die Anziehungskraft Ze2/r2 beträgt, ist die Bedingung fur eine stabile Bahn mev2 _ Ze2 "T
2
"
Benutzt man diese Bedingung wie im Fall des Wasserstoffatoms und postuliert erneut die Quantenbedingung mevr = so erhält man r -
n2h2 4n ntgZe2 2
und 2»r 2 m e Z 2 e 4
Die Notwendigkeit einer Modifizierung der Bohrschen Theorie
7
Für den allgemeinen Fall einer Kernladung Ζ geht danach Gleichung (1.19) über in
„ ln2meZ2e4 1 1 Ε= — ( 2 ) 2 h «ι «χι2 oder einfach Ε = Ζ 2 Εη· Für Lithium mit Ζ = 3 wird IP3 = (3) 2 (2,179 X 10"11 erg) = 1,961 Χ ΙΟ -10 erg = 122,4 eV 1.5. Die Emissionsspektrallinien der Lyman-Serie entstehen durch Übergänge angeregter Elektronen in das Niveau mit η = 1. Berechnen Sie die Quantenzahl des Anfangszustandes einer Lyman-Linie mit der Wellenzahl ν = 97.492,208 cm - 1 . Lösung. Wir benutzen Gleichung (1.20) V
H=
liP-m^ .3
1
1
C -ί 2 - — > «ι /in
in der njj die Quantenzahl des Anfangszustandes einer Emissionslinie ist und im Falle einer Lyman-Serie rt\ = 1 beträgt Wenn wir den experimentellen Wert =
H
=
M
ch3
benutzen, erhalten wir 97.492,208 = 109.677,581 (1
^r) "II 2
oder
nu = 3
1.4 Die Notwendigkeit einer Modifizierung der Bohrschen Theorie Das Bild eines Elektrons, das den Kern auf einer genau festgelegten Bahn umkreist — so wie der Mond die Erde umkreist — war leicht zu verstehen, und Bohrs Theorie wurde allgemein anerkannt. Nach und nach jedoch wurde klar, daß diese einfache Theorie nicht ausreichend war. Eine Schwierigkeit war die Tatsache, daß ein Atom in einem Magnetfeld ein komplizierteres Emissionsspektrum zeigte als das gleiche Atom bei Abwesenheit dieses Magnetfeldes. Dieses Phänomen ist als Zeeman-Effekt bekannt und nicht durch die einfache Bohrsche Theorie zu erklären. Dem deutschen Physiker Sommerfeld jedoch gelang es, diese einfache Theorie vorübe gehend zu retten, indem er zusätzlich zu den Kreisbahnen des Elektrons elliptische Elektronenbahnen annahm. Mit der Bohr-Sommerfeld-Theorie gelang es, den Zeeman-Effekt zu deuten. Schwerwiegender war jedoch, daß es auch mit der Bohr-Sommerfeld-Theorie nicht gelang, die Spektren von Atomen mit mehreren Elektronen zu erklären. Aber nun erlebte in den zwanziger Jahren die theoretische Physik ihre größte Zeit und die Ideen von de Broglie, Schrödinger und Heisenberg wurden bald eine zuverlässige Grundlage der Atomtheorie.
Elektronen in Atomen
8
1.5 Elektronen wellen 1924 entdeckte der französische Physiker Louis de Broglie die Welleneigenschaften von Elektronen. Analog zu Lichtwellen können sich auch Elektronen als Wellen bewegen. Die kleinsten Lichteinheiten (Lichtquanten) werden Photonen genannt. Die Masse eines Photons ist durch die Einsteinsche Beziehung der Äquivalenz von Masse und Energie bestimmt E = mc2
(1.24)
Nach Gleichung (1.15) sind Energie und Frequenz des Lichts durch den Ausdruck E = hv (1.25) miteinander verknüpft. Durch Kombination von Gleichung (1.24) und Gleichung (1.25), erhalten wir m =%
(1.26)
Der Impuls ρ eines Photons ist p- mv = mc
(1.27)
Ersetzen wir die Masse des Photons durch Gleichung (1.26), ergibt sich p =^
(1.28)
Da die Frequenz v, die Wellenlänge λ und die Geschwindigkeit ν durch den Ausdruck λ=^ zusammenhängen, erhalten wir λ=Ρ
(1.29)
(1.30)
Gleichung (1.30) gilt fiir die Wellenlänge sowohl von Lichtwellen als auch von Elektronenwellen. Damit für ein Elektron, das sich auf einer Bohrschen Kreisbahn bewegt, die Bedingung einer stehenden Welle erfüllt ist, muß eine ganze Zahl von Wellenlängen vorhanden sein (vgl. Abb. 1.2), also ηλ = 2πτ Ersetzen wir λ durch Gleichung (1.30), erhalten wir n(~) = 2πr Ρ
(1.31)
9
Die Unbestimmtheitsrelation
oder = rp = Bahndrehimpuls
(1.32)
In dieser Weise kann mit den de Broglie-Wellen das Bohrsche Postulat [Gleichung (1.10)] erklärt werden.
1.6 Die Unbestimmtheitsrelation 1927 zeigten Davisson und Germer, daß Elektronen an Kristallen in ähnlicher Weise gebeugt werden wie Röntgenstrahlen. Diese Elektronenbeugungsexperimente bewiesen die Vorstellung de Broglies, daß Elektronen Welleneigenschaften wie Wellenlänge, Frequenz, Phase und Interferenz besitzen. In scheinbar direktem Widerspruch dazu zeigten jedoch gewisse andere Experimente, besonders die von J. J. Thomson, daß ein Elektron ein Teilchen mit Masse, Energie und Impuls ist. Als Versuch zur Klärung dieser widersprüchlichen Situation formulierte Bohr das Prinzip der Komplementarität, in dem er postulierte, daß ein Elektron
10
Elektronen in Atomen
nicht gleichzeitig Welleneigenschaften und Teilcheneigenschaften zeigen kann, aber daß diese Eigenschaften komplementäre Beschreibungen des Verhaltens von Elektronen sind. Eine Konsequenz dieser offenbaren Doppelnatur des Elektrons ist die von Werner Heisenberg aufgestellte Unbestimmtheitsrelation. Die entscheidende Idee der Unbestimmtheitsrelation ist folgende: Es ist unmöglich zu irgendeinem Zeitpunkt sowohl den Ort als auch den Impuls eines Elektrons zu bestimmen. Die untere Grenze dieser Unbestimmtheit ist gleich der Planckschen Konstante dividiert durch 4π, als Gleichung geschrieben (4Ρ,)(Δ*)>Α
(1.33)
Darin beträgt Apx die Unbestimmtheit des Impulses und Ax die Unbestimmtheit des Ortes. Daraus folgt: Je genauer zu einem bestimmten Zeitpunkt der Impuls des Elektrons gemessen werden kann, um so ungenauer ist der Ort bestimmbar. Die Unbestimmtheitsrelation bedeutet also, daß wir uns ein Elektron nicht etwa so vorstellen können, als ob es sich von Punkt zu Punkt mit einem bestimmten Impuls an diesen Punkten bewege. Vielmehr müssen wir annehmen, daß das Elektron an irgendeinem bestimmten Punkt des Raumes nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angetroffen werden kann. Wir müssen uns außerdem darüber klar sein, daß es nicht möglich ist, gleichzeitig und mit einer gewünschten Genauigkeit die physikalischen Größen zu messen, durch die entschieden werden könnte, ob das Elektron ein Teilchen oder eine Welle ist. Wir werden daher die Idee, daß das Elektron beides, sowohl Teilchen als auch Welle ist, weiter verfolgen müssen.
1.7 Die Wellenfunktion Da das Elektron Welleneigenschaften hat, läßt es sich mit einer Wellenfunktion φ oder φ(χ,}>, ζ) beschreiben; φ ist eine Funktion der Koordinaten χ,y, z. Die Wellenfunktion kann positive, negative oder imaginäre Werte annehmen. Die Wahrscheinlichkeit, ein Elektron in irgendeinem bestimmten Volumen des Raumes zu finden, ist proportional dem Quadrat des Absolutwertes der Wellenfunktion, integriert über das Volumen des Raums. Dies ist die physikalische Bedeutung der Wellenfunktion. Messungen der Elektronendichteverteilung stehen also in Beziehung zu \φ\ und nicht zu φ. Als Gleichung ausgedrückt bedeutet das Λ
Wahrscheinlichkeit (.x,y,z) « \φ(χ,γ,ζ)|2
(1.34)
Es ist weiter zu beachten, daß die Wahrscheinlichkeit, ein Elektron in irgendeinem Volumenelement anzutreffen, reell und positiv sein muß und |ψ| immer dieser Forderung genügt.
11
Der Radialanteil der Wellenfunktion
1.8 Die Schrödinger-Gleichung
1926 veröffentlichte der österreichische Physiker Erwin Schrödinger die Gleichung, in der Energie und Welleneigenschaften eines Systems miteinander verknüpft sind. Die Schrödinger-Gleichung wird üblicherweise in der Form Χψ=Εφ
(1.35)
geschrieben. JC ist ein Operator, der Hamilton-Operator genannt wird (nach dem englischen Physiker Hamilton), und der die allgemeine Form der kinetischen und potentiellen Energie des Systems darstellt; Ε ist der numerische Wert der Energie für ein bestimmtes ψ. Die Wellenfunktionen, die Lösungen von Gleichung (1.35) sind, werden Eigenfunktionen genannt; die Energiewerte, die zu den Lösungen gehören, nennt man Eigenwerte. Die Schrödinger-Gleichung ist eine komplizierte Differentialgleichung und kann nur für sehr einfache Systeme exakt gelöst werden. Glücklicherweise ist das Wasserstoffatom eines von diesen Systemen. Die Lösung der Schrödinger-Gleichung für das Wasserstoffatom fuhrt zu Wellenfunktionen der allgemeinen Form = [ΛΊ
«/(Ό] [ Φ j ,
j)]
(1-36)
Es sollen nun die einzelnen Teile der Gleichung (1.36) erklärt werden.
1.9 Die Normierungskonstante
In Gleichung (1.36) bedeutet TV eine Normierungskonstante, die so festgelegt ist, daß 7 7 7 m2 dxdydz=\
(1.37)
Das bedeutet, daß die Gesamtwahrscheinlichkeit, ein Elektron irgendwo im Raum anzutreffen, gleich 1 sein muß.
1.10 Der Radialanteil der Wellenfunktion
Rnj(r) wird Radialanteil der Wellenfunktion genannt. Der Wert von \Rnl(r)\2 gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der man das Elektron im Abstand r vom Kern antrifft. Mit dem Radialanteil der Wellenfunktion sind die beiden Quantenzahlen η und l verknüpft: η wird Hauptquantenzahl genannt und bestimmt die mittlere Ausdehnung des Elektrons; kann nur dann eine Eigenfunk-
Elektronen in Atomen
12
tion sein, wenn η = 1, 2, 3 also ganze Zahlen annimmt. Die Quantenzahl l bestimmt den Bahndrehimpuls des Elektrons, \jj„jmi kann nur eine Eigenfunktion sein, wenn / Werte von 0, 1,2, 3 , . . . bis η - 1 annimmt.
1.11 Der winkelabhängige Anteil der Wellenfunktion 4>/m/ (xjr,y!r, z/r) ist der winkelabhängige Anteil der Wellenfunktion. Mit dem winkelabhängigen Anteil der Wellenfunktion sind die Quantenzahlen / und W/ verknüpft. m{ wird magnetische Quantenzahl genannt; sie bestimmt für ein Elektron in einem magnetischen Feld die möglichen Werte der Komponente des Bahndrehimpulses in Richtung der z-Achse. 4>njmi ist nur für Werte von m{ = + / , / - 1, / - 2 , . . . bis - / eine Eigenfunktion.
1.12 Orbitale Die Wasserstoffeigenfunktionen ψ„ιη,ι werden gewöhnlich Orbitale genannt. Die Orbitale des Wasserstoffatoms werden nach ihrer Winkelverteilung, also nach ihren /-Werten klassifiziert. Jedem verschiedenen /-Wert wird ein Buchstabe zugeordnet: / = 0 ist ein s-Orbital. / = 1 ist ein p-Orbital. / = 2 ist ein d-Orbital. / = 3 ist ein /-Orbital. Die Buchstaben s, ρ, d und/sind auf spektroskopische Bezeichnungen zurückzuführen. Für 1 = 4 und größer wird die alphabetische Reihenfolge benutzt und nur der Buchstabe / weggelassen. Danach ist l = 4 ein ^-Orbital, / = 5 ein Α-Orbital usw. Ein Orbital ist mit dieser abgekürzten Schreibweise vollständig charakterisiert, wenn man noch die Werte für η und hinzufügt. Der «-Wert wird vor den Buchstaben geschrieben, der den /-Wert bezeichnet. Der w r Wert wird als Index geschrieben, so daß die gesamte Abkürzung nlmj lautet. Für Werte W/ = 0 sind die n/ m/ Orbitale imaginäre Funktionen. Es ist jedoch zweckmäßiger, einen äquivalenten Satz reeler Funktionen, die Linearkombinationen dieser nlm^Funktionen sind, zu benutzen. Die Abkürzung für die reellen Wasserstofforbitale ist ebenfalls nl\ der hinzugefügte Index gibt nun die Winkelabhängigkeit an. Der komplette Satz reeller Orbitale für Wasserstoff bis η = 3 wird in Tabelle 1.1 angegeben.
13
Orbitale Tab. 1.1 Wichtige Orbitale des Wasserstoffatoms3
Quantenzahlen der Orbitale
Bezeichnung der
Radialfunktion
Winkelabhängige Funktion 0
b
^/(7·7·7
η
l
1
0
0
Is
2e
2
0
0
25
1
2
1
(1)-
^
«
1
0
^
2
,
3
0
0
3s
3
1
(1)d
3 P x
- 8 m
3
1
0
ZPz
~ jns{r2-6r)e~r/3
3
1
1)
(2,ϊ 4 )(2,ί 4 )
-1 .(2,2 4 ) (2,7 4 )(2 4 ,7)
(2 4 ,7)(2 4> ί) 2
(2,0 4 )(2 4> 0)
(2,Ö 4 )(2,0 4 )(2 4 ,Ö)
(2,Ö4)(24iÖ)
(2 4 ,0)(ί,1 4 )(ϊ,ΐ 4 )
(7,7«)
(1,0 4 )(ϊ,0 4 )(ί 4 ,0)
(ΐ,0 4 )(ϊ 4 ,0)
(ϊ4,0)(2,-Τ4)(2,-ί4)
(2,-ϊ4)(24,-ΐ)
+ +
+ +
+
+
u,04)(l4f0) +
1
+
+
+
(2,-l4)(24f_l)
(24,-7)(24,_ί) +
+
+
+
(1,-14)(14,-1) 0 (2,-24)(24f-2) (0.0J (-1,0 4 )(-1 4 ,0) + +
-1
+
(ί,-ϊ4)(ϊ,-ί4)(ί4>-ϊ)
(7,_74)(Ϊ4>-Τ)
(ϊ4,-ί)(2,-24)(2,-24)
(2,-24)(24,_2)
(2 4 > -2)(2 4 ,-2)(0,Ö 4 )(Ö,0 4 )
(ö,ö 4 )
(-ί,04)(-ϊ,04)(-ί4,0)
(-7,Ö 4 )(-7 4 ,Ö)
(-14,0)(-2,Τ4)(-2,ί4)
(-2,74)(-24,7)
+
(-2,1 4 )(-2 4 > 1)
(-24,7)(-24,1) (-2,04)(-24,0) +
-2
(- 2,04 ){- 2,0 4 )(- 2 4 ,0)
(-2,Ö 4 )(-2 4 ,0)
(—24,0)(— 1, —Τ4 )
(-ϊ,-ϊ4)
+
(-1,-14)
(-ϊ,-ί4) -3
+ + + + (_2,-l4)(-24,-l)
(-2,-74)(-2,-ί4)
(_2,-74)(-24,-7)
(_24,-ϊ)(-24,-1) -4
(-2,-2J
(- 2, - 2 4 ) ( _ 2, - 2 4 )
(-2, - 2 4 )
Elektronen in Atomen Tab. 1.5 Elektronenkonfigurationen und Ionisierungspotentiale von Atomen Ζ
Atom (A)
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42
Η He Li Be Β C Ν Ο F Ne Na Mg A l
Si Ρ s
C1 Ar Κ
Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr Rb Sr Y Zr Nb Mo
Elektronenkonfiguration ls ls2 [He]2s [He] 2 s 2 [He] 2 s 2 2 p [He] 2 s 2 2 p2 [He]2 s2 2p3 [He]2s 2 2 p* [He]2s22£5 [He]2s 2 2/> e [Ne]3s [Ne]3s 2 [Ne]3 s2 3p [Ne]3s 2 3p2 [Ne]3s 2 3/>3 [Ne]3s 2 3/> 4 [Ne]3s23£5 [Ne]3s23£6' [Ar]4s [Ar]4s 2 [Ar] 4 s 2 3 d [Ar]4s 2 3d2 [Ar]4s 2 3d3 [ A r ] 4 s 3d5 [ A r ] 4 i 2 3rf 5 [Ar]4s 2 3d6 [Ar]4s 2 3d 7 [Ar]4s 2 3d6 [ A r ] 4 s 3d10 [Ar] 4 s 2 3d 1 0 [Ar]4s 2 3d10 4p [Ar] 4 s 2 3d 1 0 4/>2 [Ar]4s 2 3d 1 0 4/> 3 [Ar]4s23rf104/>4 [Ar]4s 2 3rf 1 0 4/> 5 [Ar]4s 2 39 [Kr]5s [Krjös 2 [Kr]5s z 4 s [Kr 5s 2 4d 1 0 5/) e [Xe 6 s 2 [Xe 6s [Xe 6S25 [Xe 6 s 2 4 / 1 4 5d i0 6/> 2 [Xe 6s 2 4/ 1 4 5rf 1 0 6/> 3 [Xe 6s 2 4y 1 4 5rf 1 0 6/> 4
Grundterm e
S ®F 4
F 'S 2 S
's 2p 3 Ρ 4
S
3P
Zp 'S 2
S 's 3
H
4
I I
5
IPi.eV
7,28 7,364 7,46 8,33 7,574 8,991 5,785 7,342 8,639 9,01 10,454 12,127 3,893 5,210 5,61 6,91 b 5,76 b 6,31
E
H
V 8 S 9
D «H 5 4
I I
3
H F 'S 2 D 3 F 4 F >D 2
e
s D *F 3 D 2 S 's S
2 Ρ 3
P
4 3
S
P
5,6 b 5,67 b 6,16 b 6,74 b 6,82 b 6,08° 5,81 d 6,2 b 5,0 b 7,88 7,98 7,87 8,7 9 9,0 9,22 10,43 6,106 7,415 7,287 8,43 (Fortsetzung)
28
Elektronen in Atomen Tab. 1.5 (Fortsetzung) Ζ
Atom (A)
85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103
At Rn Fr Ra Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No Lw
Elektronenkonfiguration [Xe]6s24/145d106/>5 [Xe]6s24/145rf105/>e [Rn]7s [Rn]7 s 2 [Rn]7 sz6d [Rn]7s 2 6e? 2 [Rn]7s25/26d [Rn]7s*5/365 [Ne]3s 2 3 p 3 [Ar]4s 2 3d l c 4p 5 [Kr]5s z 4d 1 0 5fi s [He]2s2 2p 4 [Ne]3s?3p 4 [Ar]4s*3d 10 4p 4 [He]2 s? 2 p3 [Ne]3s23/>3 [Ar] 4 s2 3d 10 4 [He] 2 s2 2 p 2 [Ne 3 S 2 3 P 2
[Ar]4s232 [Kr]5s z 4d 10 5/> 2 [He]2s z 2 p [Ne]3s23/> [He] 2 s 2 [Ne]3s 2 [Ar]4s 2 3d 1 0 4p [Kr] 5 s2 4 d 10 5 0
H. A. Skinner and H. O. Pritchard, Trans. Faraday Soc., 49, 1254 (1953). R. S. Berry and C. W. Riemann, /. Chem. Phys., 38, 1540 (1963). L. M. Branscomb, Nature, 182, 248 (1958). L. M. Branscomb and S. J. Smith, J. Chem. Phys., 25, 598 (1956). H. O. Pritchard, Chem. Revs., 52, 529 (1953). A. P. Ginsburg and J. M. Miller, J. Inorg.Nucl. Chem., 7, 351 (1958). M. L. Seman and L. M. Branscomb, Phys. Rev., 125, 1602 (1962).
Elektronenaffinitäten
31
Die Halogenatome haben relativ große EA-Werte, da die entstehenden Halogenidionen die stabile Elektronenkonfiguration einer Edelgasanordnung erreichen. Atome mit aufgefüllten Unterschalen haben oft negative EA-Werte. Gute Beispiele sind Be, Mg und Zn. Es ist interessant, daß die Atome der Stickstoffgruppe mit der Elektronenkonfiguration s2p3(4S) sehr kleine EA-Werte haben. Dies ist ein zusätzlicher Beweis für die größere Stabilität einer halbgefüllten Unterschale. Zusatzaufgaben
1(a). Vergleichen Sie Geschwindigkeit und Radius eines Elektrons der vierten Bohrschen Bahn mit der Geschwindigkeit und dem Radius eines Elektrons der ersten Bohrschen Bahn; (b) Leiten Sie für die Geschwindigkeit eines Elektrons einer Bohrschen Bahn einen Ausdruck ab, der nur von der Variablen η abhängt. 2. Berechnen Sie die Energie eines Elektrons für die Bohrsche Bahn mit η = 3. 3. Berechnen Sie das zweite Ionisierungspotential von He. 4. Berechnen Sie die Frequenzen der ersten drei Linien der Lyman-Serie (die Linien mit den niedrigsten Frequenzen). 5. Die Balmer-Serie des Wasserstoffspektrums kommt durch Übergänge von höheren Niveaus auf das Niveau η = 2 zustande. Stellen Sie fest, welche der Balmer-Linien in den Bereich des sichtbaren Spektrums fällt (die Wellenlängen des sichtbaren Lichts liegen zwischen 4000 und 7000 Ä). 6. Unter Berücksichtigung des Pauli-Prinzips und der ersten Hundschen Regel ist die Elektronenkonfiguration und die Zahl ungepaarter Elektronen im Grundzustand für die folgenden Atome anzugeben: (a) N; (b) S; (c) Ca; (d) Fe; (e) Br. 7. Für die folgenden Elektronenkonfigurationen sind die möglichen Terme herauszufinden, und in jedem Fall ist der Term mit der niedrigsten Energie zu bestimmen: (a) 2s; (b) 2p3·, (c) 2p23s; (d) 2p3p; (e) 2p3d; (f) 3d3; (g) 3d5; (h) 3d9; (i) 2s4/; 0) 2p 5 ; (k) 3d 3 4s. 8. Finden Sie den Grundterm für folgende Atome: (a) Si; (b) Mn; (c) Rb; (d) Ni.
II Zweiatomige Moleküle 2.1 Kovalente Bindung Ein Molekül ist eine stabile Verbindung aus mehreren Atomen. Das einfachste neutrale Molekül besteht aus zwei Wasserstoffatomen. Wir nennen es Wasserstoffmolekül oder H 2 . Das H2-Molekül ist homonuklear, da beide Atomkerne des Moleküls gleich sind. Für die Kräfte, die die beiden Wasserstoffatome im Wasserstoffmolekül zusammenhalten, wird der gemeinsame Begriff Bindung verwendet. Im Wasserstoffmolekül ist eine starke Bindung vorhanden, denn bei normalen Temperaturen besteht Wasserstoff aus H2-Molekülen und nicht aus Η-Atomen. Nur bei sehr hohen Temperaturen wird H2 in seine Komponenten, die Η-Atome, aufgespalten. Wir wollen nun das Zustandekommen der Bindung im H2-Molekül betrachten, wenn sich zwei Η-Atome einander nähern; dies ist schematisch in Abb. 2.1 dargestellt. Bei kleinem Abstand der Atome werden zwei elektrostatische Kräfte wichtig: erstens die Anziehung zwischen dem Kern Ha und dem Elektron ls& und die Anziehung zwischen dem Kern Hft und dem Elektron lsfl; zweitens die Abstoßung zwischen den Kernen Ha und H 6 und die Abstoßung zwischen den Elektronen ls a und ls ft . Bei größeren He-H&-Abständen überwiegt die Anziehung zwischen den Atomen, bei sehr kleinen Abständen ist die Abstoßung Hfl-Hft dominierend. Dieses Verhalten zweier Η-Atome wird durch die In Abb. 2.2 dargestellte Energiekurve beschrieben. Die Energie des Systems nimmt solange ab, bis die Abstoßung Hfl-Hfi bei sehr kleinen Abständen eine Energiezunahme bewirkt. Das Minimum der Kurve
Abb. 2.1 Schematische Darstellung von zwei Wasserstoffatomen, die sich einander nähern.
Kovalente Bindung
33
wachsendes R
Abb. 2.2 Energie eines Systems von zwei Wasserstoffatomen als Funktion der Kernabstände.
beschreibt sowohl den stabilsten zwischenatomaren Abstand des Moleküls als auch den Energiegewinn, also die Stabilität des Moleküls, bezogen auf zwei isolierte H-A tome. Eine der ersten erfolgreichen Vorstellungen über die chemische Bindung, bei der bereits Elektronen und Kerne berücksichtigt wurden, stammt von dem amerikanischen Physiko-Chemiker G. N. Lewis. Lewis formulierte die Elektronenpaarbindung, bei der die sich verbindenen Atome die Tendenz haben, sich mit gerade soviel Elektronen zu umgeben, daß sie die Elektronenkonfiguration eines Edelgases erreichen. Nach der Theorie von Lewis wird das Wasserstoffmolekül durch eine Elektronenpaarbindung zusammengehalten (Abb. 2.3). Jedes Wasserstoffatom beansprucht für sich das Elektronenpaar in gjeicher Weise und erreicht so die stabile Heliumkonfiguration ls 2 . Eine Bindung, bei der die Elektronen gleichmäßig auf die beteiligten Kerne verteilt sind, wird kovalente Bindung genannt.
34
Zweiatomige Moleküle
Elektronenpaarbindung Abb. 2.3 Elektronenpaarbindung im WasserstoffmoleküL
In den weiteren Teilen des Buches werden bei der Behandlung verschiedener wichtiger Molekülklassen die modernen Ideen der Bindung berücksichtigt. Dabei wird hauptsächlich die Molekülorbitaltheorie* verwendet werden, ab und zu werden Vergleiche mit der Valenzbindungstheorie angestellt. Von den vielen Wissenschaftlern, die an der Entwicklung dieser Theorien beteiligt waren, haben R. S. Mulliken (Molekülorbitaltheorie) und Linus Pauling (Valenzbindungstheorie) besonderen Anteil.
2.2 Molekülorbitaltheorie Nach der Molekülorbitaltheorie besetzen die Elektronen der Moleküle Orbitale, die sich im Feld mehrerer Kerne befinden. Molekülorbitale sind in der einfachsten Näherung Linearkombinationen von Atomorbitalen. Befmdet sich nämlich ein Elektron des Moleküls in der Nähe eines bestimmten Kernes, so können wir annehmen, daß dort die Molekülwellenfunktion näherungsweise einem Atomorbital gleich ist, das zu diesem Kern gehört. Das bedeutet, daß * Anmerkung des Übersetzers: Für molecular-orbital theory und valence-bond theory werden in diesem Buch die Begriffe Molekülorbitaltheorie bzw. Valenzbindungstheorie verwendet (abgekürzt MOTheorie bzw. VB-Theorie). Man findet in deutschsprachigen Lehrbüchern auch Theorie der Molekülzustände bzw. Theorie der Valenzstrukturen oder Valenzbondtheorie.
Bindende und antibindende Moleküloibitale
35
wir Molekülorbitale durch einfache Addition oder Subtraktion geeigneter Atomorbitale erhalten können. Diese Methode wird gewöhnlich mit LCAO—MO abgekürzt; die Abkürzung bedeutet Linearkombination von Atomorbitalen-Molekülorbitale. Für ein Molekülorbital werden wir die Abkürzung MO benutzen. Atomorbitale, die auf Grund ihrer Stabilität zur Bindung geeignet sind, werden Valenzorbitale genannt. Die Valenzorbitale eines Atoms sind solche Orbitale, die — betrachtet man die Auffüllung der Orbitale des Atoms nach dem Aufbauprinzip — nach der letzten Edelgaskonfiguration mit Elektronen besetzt werden und zusätzlich alle anderen Orbitale, die im Stabilitätsbereich bis zur nächstfolgenden Edelgaskonfiguration auftreten. Zum Beispiel ist für das Wasserstoffatom das Valenzorbital ein ls-Orbital. Die 2s- und 2p-Orbitale des Wasserstoffes sind nicht für starke Bindungen geeignet, da ihre Energie zu hoch liegt.
2.3 Bindende und antibindende Molekülorbitale Wir wollen nun das MO-Schema des einfachsten Moleküls betrachten, das wir uns vorstellen können und das aus zwei Protonen und einem Elektron besteht. Dies ist das Wasserstoffmolekül-Ion H2. Jedes Wasserstoffatom des Moleküls hat, wie Bild 2.4 zeigt, ein ls-Valenzorbital. In dem dichter punktierten
Abb. 2.4 Die Überlappung von zwei Ii-Orbitalen des Wasserstoffs im Molekül H2+·
Bereich zwischen den Kernen überlappen die beiden Atomorbitale. Die Addition und Subtraktion von Atomorbitalen, die zur Bildung von Molekülorbitalen fuhren, beeinflussen vor allem diesen Überlappungsbereich. Die zwei ls-Atomorbitale kann man auf zwei Arten miteinander linear kombinieren. Die erste Linearkombination ist eine Addition (Abb. 2.5). Die Abbildung läßt erkennen, daß ein Elektron im MO I sich die meiste Zeit im Überlappungsbereich zwischen den Kernen H a und H b aufhält. Dies vergrößert die
36
Zweiatomige Moleküle
Anziehungskraft zwischen dem Elektron und den beiden Kernen; ein Elektron in diesem MO ist daher stabiler als in jedem der beiden isolierten ls-Atomorbitale. Wir bezeichnen dieses MO als bindend. Weiterhin ist dieses MO rotationssymmetrisch um die Verbindungslinie zwischen den beiden H-Kernen, also die Molekülachse. Stellen wir uns ein starres Molekül vor, dann bedeutet dies, daß beim Drehen dieser Achse das MO immer gleich aussieht (Abb. 2.6). Wir nennen ein Orbital mit zylindrischer Symmetrie ein o-Molekülorbital1 Das bindende σ-ΜΟ wird mit a b abgekürzt. Κ
k
+
ht
MO
I
Abb. 2.5 Schematische Darstellung der Bildung des bindenden MOs von H2.
^
—
p
®
Keine Änderung durch Rotation Abb. 2.6 Rotation des bindenden MOs von Η2* um die Kernverbindungsachse.
1
Jedes Molekülorbital, das keine Knotenfläche hat, die die Kernverbindungsachse enthält, ist ein σ-Molekülorbital.
Energieniveaus von Molekülorbitalen
37
Die andere Linearkombination entsteht durch Subtraktion des einen ls-HOrbitals vom anderen ls-H-Orbital (Abb. 2.7). Dieser MO-Typ hat eine Knotenebene zwischen den Kernen. Ein Elektron im MO II wird daher niemals auf genau halbem Wege zwischen den beiden Kernen anzutreffen sein; stattdessen wird es sich bevorzugt außerhalb des Überlappungsbereichs aufhalten. Ein Elektron im MO II ist deshalb weniger stabil als in einem isolierten ls-Atomorbital des Wasserstoffs; wir nennen daher das MO II antibindend. Das antibindende MO hat ebenfalls zylindrische Symmetrie und wird daher antibindendes σ-ΜΟ genannt bzw. mit σ* bezeichnet.
·'•: -ty · ··ώί·5:·'.ίϊ··.• V:.·'··· ·.·· .· . % ν -Χ·: .ν·.·:·.· ·:
k»
MO
II +
Abb. 2.7 Schematische Darstellung der Bildung des antibindenden MOs von Η %
2.4 Energieniveaus von Molekülorbitalen Die approximierten Wellenfunktionen fur die a b - und a*-Molekülorbita!e sind: ψ(σ /> )=Λ^(1ί β + 1 5& )
(2.1)
t(a*)=N*(lsa-\sb)
(2.2)
Die Gleichungen (2.1) und (2.2) sind die mathematischen Ausdrücke für die Molekülorbitale, die in den Abb. 2.5 bzw. 2.7 dargestellt werden. Die Werte der Konstanten TV6 und TV* in den Gleichungen (2.1) und (2.2) sind durch die Normierungsbedingung m2dxdydz
= m2dT=l
(2.3)
festgelegt. Wir wollen nuniV 0 berechnen. Zunächst setzen wir ιp(o b ) in Gleichung (2.3) ein und erhalten fW(ob)]2dr
= 1 = /[A^(ls e + 1 sb)}2 dr = (iV f t ) 2 [;(ls a ) 2 dr + / ( l s 6 ) 2 d r + 2/(ls a ) (lsb)dr]
(2.4)
38
Zweiatomige Moleküle
Vorausgesetzt, daß die Atomorbitale lsfl und
schon normiert sind, gilt
/(ls f l ) ( Ι Ο dT = f(lsb) (1 sb) dr = 1
(2.5)
Das Integral, das sowohl die ls a - als auch die ls6-Wellenfunktion enthält, wird Überlappungsintegral genannt und mit dem Buchstaben S bezeichnet: S = Überlappungsintegral = f(lsa) (ls f t ) dr
(2.6)
Damit geht Gleichung (2.4) über in (JV*)2[2 + 2S]= 1
(2.7)
und
In unserer Näherung werden wir bei der Bestimmung der Normierungskonstante das Überlappungsintegral vernachlässigen1. Wir erhalten daher bei willkürlicher Auswahl des positiven Vorzeichens in Gleichung (2.8) JV»=VT
(2.9)
N* kann in gleicher Weise erhalten werden, wenn wir Gleichung (2.2) in Gleichung (2.3) einsetzen und nach N* auflösen. Das Ergebnis ist (2
-,0)
oder mit der Näherung 5 = 0 N*=s/\
(2.11)
Die approximierten Molekülorbitale für H 2 + sind danach Ψ(σ*) = ^=.(1« β + 1ίΛ)
(2.12)
*(*') =
(2.13)
^a-lsb)
Die Energie dieser Molekülorbitale erhält man aus der Schrödinger-Gleichung Χψ=Εψ 1
(2.14)
Diese Näherung führt für H 2 + zu einem ziemlich großen Fehler. Das Überlappungsintegral von ls fl und ls & im H2+-Ion beträgt 0,590. Verglichen mit JV^ = 0,707 für die Näherung S= 0 erhalten wir damit Nb = 0,560. In den meisten anderen Fällen sind jedoch die Überlappungsintegrale kleiner (gewöhnlich zwischen 0,2 und 0,3), und die Näherung führt nur zu einem kleinen Fehler.
Energieniveaus von Molekülorbitalen
39
Durch Multiplikation der beiden Seiten der Gleichung (2.14) mit φ und anschließendes Integrieren folgt ϊφΧφάτ
= Ε!φ2άτ
(2.15)
Da $φ2 dr = 1 vereinfacht sich Gleichung (2.15) zu Ε = ϊφΚφάτ
(2.16)
Wenn wir Gleichung (2.12) in Gleichung (2.16) einsetzen, erhalten wir Ε[φ{α*)] = /[ψ(α Λ )Μ^(α Λ )] dr = i / ( l s e + li»)JC(l«e + 1 sb) dr = i/(ls a )3f(li e ) dr + l/(ls Ä )5C(ls ft ) άτ + ^/(ls a )JC(ls 6 ) dr + l / ( l s 6 ) J f ( l i e ) dr
(2.17)
Wir werden nicht versuchen, die verschiedenen Integrale der Gleichung (2.17) zu berechnen, sondern werden sie nur durch die folgenden Abkürzungen ersetzen Qa=i{^aWsa)dr (2.18) qb=f(lsbW(lsb)dr β =KUayK(lsb)dr
(2.19) = f(lsb)K(lsa)dr
(2.20)
Da ls a und ls 6 äquivalente Atomorbitale sind, gilt in diesem Fall Qa=1b=q
(2.21)
Wir werden qa und qb Coulombintegrale nennen. Das Coulombintegral ist ein Ausdruck für die Energie, die erforderlich ist, um ein Elektron aus dem betrachteten Valenzorbital zu entfernen, das sich im Feld der Kerne und der anderen Elektronen des Moleküls befindet. Daher wird es manchmal als Valenzionisierungspotential bezeichne t. β werden wir als Austauschintegral bezeichnen, β wird manchmal auch als Resonanzintegral oder Kovalenzintegral bezeichnet. Wir haben gesehen, daß ein Elektron im Molekülorbital o 0 sich die meiste Zeit im Überlappungsbereich aufhält, der zu beiden Kernen gehört. Daher wird das Elektron in dieser bevorzugten Position durch die Anziehung Kern a — Elektron — Kern b stabilisiert. Das Austauschintegral β ist der Ausdruck für diese zusätzliche Stabilisierung der kovalenten Bindung. Die Vereinfachung von (2.17) führt schließlich zu W(ob)]=q+ß
(2.22)
Die Energie des a*-Molekülorbitals kann in der gleichen Weise gefunden werden. Durch Einsetzen in (2.16) erhält man Ε[φ(ο*)] = 4/(1*α - lSftW*« - ls ft ) dr = q-ß
(2.23)
40
Zweiatomige Moleküle
Dieses Ergebnis zeigt, daß das antibindende Molekülorbital gegenüber dem bindenden Molekülorbital um einen Betrag - 2ß instabiler ist. Für das Elektron im a*-Molekülorbital ist die Wahrscheinlichkeit klein, sich in dem energetisch begünstigten Überlappungsbereich aufzuhalten. Stattdessen hält es sich bevorzugt in den extremsten Enden des Moleküls auf, die im Vergleich zu der Molekülmitte Bereiche hoher Energie darstellen. Die relativen Energien der Molekülorbitale werden in Energiediagrammen dargestellt. Ein solches Diagramm ist für H 2 + in Abb. 2.8 wiedergegeben. Die Valenzorbitale der sich verbindenden Atome sind in den äußeren Spalten nach ihrer Coubmbenergie angeordnet. Das stabilste Valenzorbital hat die tiefste Lage im Diagramm. Da das und lsft-Orbital den gleichen Wert der Coulombenergie besitzen, liegen ihre Energieniveaus in gleicher Höhe einander gegenüber. Die Energien der Molekülorbitale sind in der mittleren Spalte eingezeichnet. Das (AOrbital ist stabiler als die kombinierenden ls-Valenzorbitale, das o*-Orbital ist entsprechend weniger stabil. Im Grundzustand von H 2 + besetzt das Elektron das stabilere Molekülorbital; das heißt Grundzustand von H 2 + = ob He-Orbital
wachsende Energie
Molekülorbitale
Hft-Orbital
χ h,
i
i +
ß
Abb. 2.8 Relative Energien der Molekülorbitale von H2+.
Übungsaufgabe 2.1. Berechnen Sie die Energien der a b - und a*-Orbitale für Hj* unter Berücksichtigung des Überlappungsintegrals S. Zeigen Sie, daß die Destabilisierung von σ* größer ist als die Stabilisierung von a^, wenn das Überlappungsintegral von Null verschieden ist.
Bindungslängen von Hj und H 2
41
2.5 Das Wasserstoffmolekül Die Elektronenstruktur von Molekülen mit mehr als einem Valenzelektron erhält man, indem man nacheinander die jeweils stabilsten Molekül orbitale mit den Valenzelektronen besetzt. Wir haben die Molekülorbitale für ein System aus zwei Protonen und zwei ls-Atomorbitalen gebildet. Dieser Satz von Orbitalen ist für H 2 + , H2 und H2~ geeignet. Das Wasserstoffmolekül H 2 besitzt zwei Elektronen, die in den Molekülorbitalen untergebracht werden müssen, die im Energieniveaudiagramm der Abb. 2.8 dargestellt sind. Beide Elektronen können das ab-Niveau besetzen, wenn sie eine unterschiedliche Spinquantenzahl (ms) besitzen (Pauli-Prinzip). Wir können danach den Grundzustand von H2 wie folgt darstellen Grundzustand von H2 = (a b ) 2
oder
[ob(ms = + \ )] [ab(ms = - \ )]
Abgekürzt können wir schreiben (V3) (σΛ). Diese Vorstellung über das Wasser Stoffmolekül, in dem die Bindung durch zwei Elektronen erfolgt, die sich beide im aft-Orbital befinden, aber entgegengesetzten Spin haben, entspricht dem Bild der Elektronenpaarbindung von Lewis (Abb. 2.3). Wir können annehmen, daß auch zwischen zwei beliebigen Atomen zu einer vollen Bindung ein Elektronenpaar notwendig ist und als eine nützliche theoretische Größe die Bindungsordnung eines Moleküls definieren: (Zahl der Elektronen in bindenden MOs) , , (Zahl der Elektronen in antibindenden MOs) ... Bindungsordnung = 1 ^ (2.24) Ein Elektron in einem antibindenden MO soll gerade die durch ein Elektron in einem bindenden MO bewirkte Stabilität der Bindung kompensieren. Nach der Formel (2.24) ist in H 2 + eine halbe σ-Bindung und in H 2 eine ganze σ-Bindung vorhanden. 2.6 Bindungslängen von H 2 + und H 2 Eine brauchbare experimentelle Größe, die Aufschluß über die Elektronenstruktur gibt, ist die Bindungslänge. Die Standardbindungslänge einer Bindung zwischen zwei Atomen ist der Gleichgewichtsabstand der Kerne1 im Molekül. Wir werden diese Kernabstände in Ängström angeben und mit R bezeichnen. Die Bindungslängen von H2+ und H2 im Grundzustand betragen 1,06 und 0,74 Ä, wie in Abb. 2.9 dargestellt ist. Das H2-Molekül mit einer σ-Bindung hat demnach einen kleineren Ä-Wert als H2+, bei dem nur eine halbe σ-Bin1
In einem Molekül schwingen die Kerne gegeneinander. Zum Beispiel dehnt und kontrahiert sich die Bindung in H 2 wie schematisch gezeigt wird:
42
Zweiatomige Moleküle
dung vorhanden ist. Vergleicht man Moleküle, die aus Atomen ungefährgleicher Ordnungszahl aufgebaut sind, gilt ganz allgemein, daß bei größter Bindungsordnung die Bindungslänge am kleinsten ist. 2.7 Bindungsenergien von H2+ und H 2 Eine andere nützliche experimentelle Größe, die die Elektronenstruktur widerspiegelt, ist die Bindungsdissoziationsenergie. Die Standard-Bindungsdissoziationsenergie einer Bindung zwischen zwei Atomen ist die Energie, die R=1>06A
(H Η
R = 0 74A
'
H)+ η
1 σ-Bindung Ια-Bindung
Abb. 2.9 Vergleich von H 2 + und H 2 .
erforderlich ist, die Bindung aufzubrechen und die isolierten Atome im Grundzustand zu bilden, also H2 + Bindungsdissoziationsenergie
Η+Η
(2.25)
Wir werden die Bindungsenergie in kcal/mol angeben und für eine bestimmte Bindung mit DE (Atom 1—Atom 2) bezeichnen. Die Bindungsenergien von H2+ und H2 sind 61,06 bzw. 103,24 kcal/mol. Wir sehen, daß H2 mit einer σ-Bindung eine größere Bindungsenergie als H2+ hat. Dieser Sachverhalt ist ebenfalls allgemeingültig; die Bindungsenergien in analogen Molekülen wachsen mit wachsender Bindungsordnung. 2.8 Die Eigenschaften von H 2 + und H 2 in einem magnetischen Feld Die meisten Substanzen sind auf Grund ihres Verhaltens in einem Magnetfeld entweder paramagnetisch oder diamagnetisch. Ein paramagnetischer Stoff wird in ein Magnetfeld mit einer Kraft hineingezogen, die proportional dem Kontraktion
H-H «-» H-H —* Η—Η kontrahiert
Gleichgewichtsabstand der Kerne
gedehnt
Dehnung Der Gleichgewichtsabstand der Kerne, um den die Kerne schwingen, ist die Standardbindungslänge.
43
Homonukleare zweiatomige Moleküle der zweiten Periode
Produkt der Feldstärke und dem Feldgradienten ist. Ein diamagnetischer Stoff wird durch ein Magnetfeld abgestoßen. Atome und Moleküle mit ungepaarten Elektronen (S Φ 0) sind paramagnetisch. Da Elektronen einen Spin besitzen, erzeugt ein ungepaartes Elektron ein permanentes magnetisches Moment. In vielen Fällen gibt es einen weiteren Beitrag zum permanenten magnetischen Moment, der durch die Bewegung des Elektrons in seiner Bahn um den Kern (oder die Kerne im Falle von Molekülen) zustandekommt. Zusätzlich zum permanenten paramagnetischen Moment werden magnetische Momente in einem Atom und Molekül durch ein äußeres magnetisches Feld induziert. Diese induzierten Momente sind der Richtung des äußeren Feldes entgegengesetzt, und daher erfolgt Abstoßung. Die Größe der Abstoßung ist ein Maß für den Diamagnetismus des Atoms oder Moleküls. Der Paramagnetismus von Atomen und kleinen Molekülen, der durch die ungepaarten Elektronen zustandekommt, ist größer als der induzierte Diamagnetismus. Daher werden diese Substanzen in ein Magnetfeld hineingezogen. Atome und Moleküle, die keine ungepaarten Elektronen besitzen (S = 0) und daher keinen Paramagnetismus haben, der von dem Elektronenspin herrührt, sind diamagnetisch und werden durch ein Magnetfeld abgestoßen. Das H2+-Ion mit einem ungepaarten Elektron (S = ist paramagnetisch. Das H r Molekül mit zwei gepaarten ELektronen (S = 0) ist diamagnetisch. 2.9 Homonukleare zweiatomige Moleküle der zweiten Periode Wir wollen nun zu den Atomen der zweiten Periode des Periodensystems übergehen, den Atomen der Elemente Li, Be, Β, C, Ν, Ο, F und Ne. Diese Atome haben 2s-, 2px-, 2py- und 2pz-Valenzorbitale. Zunächst müssen wir ein Koordinatensystem festlegen, das für alle homonuklearen zweiatomigen Moleküle A 2 gelten soll, da die 2p-Orbitale richtungsabhängige Eigenschaften haben. Als Molekülachse wird gewöhnlich die z-Achse gewählt, so wie es in Abb. 2.10 dargestellt ist. Die Molekülorbitale erhält man durch Addition und Subtraktion derjenigen Atomorbitale, die überlappen. X
X
ζ
Abb. 2.10 Koordinatensystem ftir ein A2-MoleküL
44
Zweiatomige Moleküle
o-Orbitale
Die 2s- und 2pz-Orbitale ergeben durch Kombination σ-Molekülorbitale, wie sie in Abb. 2.11 dargestellt sind. Die normierten Wellenfunktionen sind Wobs)
i
= ± ( 2 s
K
O
*(obz) = ± ( 2
(2.26)
+ 2sb)
a
-
P z a
J
-
(
2
-
2
+ 2Pzb)
* ·
' r4*
· · - "
) (2.28)
t(ot) = ± ( 2 p 2 a - 2 p Z b )
* · · ' » ' .
7
(2.29)
· *.*_«. Λ '
'LZ
·-·
· ' · ' ·
a) Überlappung von 2s-Valenzorbitalen
b) Überlappung von 2p z -Valenzorbitalen Abb. 2.11 a) Überlappung von zwei 2s-Valenzorbitalen in A 2 -Molekülen b) Überlappung von zwei 2pz-Valenzorbitalen in A 2 -Molekülen.
Die a z -Molekülorbitale sind rotationssymmetrisch um die z-Achse. π-Orbitale
Die 2p x - und 2p y -Orbitale sind nicht rotationssymmetrisch um die 2-Achse. Durch Überlappung der 2p x -Orbitale erhält man ein Molekülorbital, wie es in Abb. 2.12 dargestellt ist. Auf einer Seite der z-Achse ist das Vorzeichen der Wellenfunktion des Molekülorbitals positiv, auf der anderen Seite negativ.
45
Homonukleare zweiatomige Moleküle der zweiten Periode iL
4 ζ
0
X
+ ζ
0
Abb. 2.12 Überlappung von zwei 2px-Orbitalen in A2-Molekülen.
Wenn wir das Molekülorbital um 180° rotieren lassen, wechselt es also das Vorzeichen. Durch Multiplikation mit - 1 erhalten wir wieder das ursprüngliche Orbital. Mit anderen Worten, die yz-Ebene ist eine Knotenebene, wie es Abb. 2.13 zeigt. Ein Molekülorbital dieses Typs wird π-Molekülorbital genannt. Es ist klar, daß die ^ - O r b i t a l e ebenfalls überlappen können und ein 7r-Molekülorbital ergeben, dessen Knotenebene die xz-Ebene ist. Es gibt π-bindende (n b ) und π-antibindende (π*) Molekülorbitale; bei den stabileren 7rft-Orbitalen ist die Elektronendichte zwischen den zwei Α-Kernen konzentriert, während die weniger stabilen 7r*-Orbitale eine Knotenebene zwischen den zwei Kernen haben. Die o· und π-Molekülorbitale von A2-Molekülen aus 2s- und 2p-Valenzorbitalen sind in Abb. 2.14 dargestellt. Die normierten Wellenfunktionen der π-MOs sind: ψ(4) = ±(2ρΧα
+ 2ρΧι>)
(2.30)
φ(η*) =
^(2ρΧα-2ρΧΐ))
(2.31)
*(irby) =
~(2pya+2Pyb)
(2.32)
±(2Pya-2Pyb)
(2.33)
Hn;)
=
Wir können nun das schematische Energieniveaudiagramm für die Molekülorbitale aufstellen. Wir wissen, daß das 2s-Niveau der Atome wesentlich stabiler ist als das 2p-Niveau. Die rote Linie bei 1,85 eV im Emissionsspektrum des Lithiums entsteht durch einen Übergang des Elektrons von einem 2p- in das stabilere 2s-Orbital. Im Fluor ist die 2s—2p-Energiedifferenz größer als 20 eV.
46
Zweiatomige Moleküle
ursprüngliches Orbital Abb. 2.13 180°-Drehung eines 7r-Molekülorbitals um die Molekülachse.
Im Energieniveaudiagramm liegt also das 2p-Niveau oberhalb des 25-Niveaus1. Nun können die a b -, a*·, n b - und 7r*-Orbitale eingezeichnet werden, wobei bei jeder Kombination die bindenden Orbitale stabiler sind als die antibindenden Orbitale. Ein mögliches Energieniveaudiagramm ist in Abb. 2.15 dargestellt. Die relative Lage des ^-Niveaus ist unsicher. Wenn die Energiedifferenz 2s—2p groß ist, ist wahrscheinlich das a^-Niveau stabiler als das πχ^-Niveau, so wie es in Abb. 2.15a dargestellt ist. Es ist jedoch nur dann eine gute Näherung anzunehmen, daß das σ,-Molekiilorbital ausschließlich aus den zwei 2s-Atomorbitalen zusammengesetzt ist, wenn die Energiedifferenz 2s—2p groß ist. Bei 1
vgL Orbitalenergien neutraler Atome im Anhang.
Homonukleare zweiatomige Moleküle der zweiten Periode
47
ο .ν'·.·.·.··.'··:···
1
••:··•.·•·•.··:
" ;
er." ο
I I ··. I
...
.··.'• •.;...
ι
'
ι
I
ι ··.··. ·.
i M s i Οι
X 11
• .-Λ'· ·..
σ,· ο -;=: -vi
Slljfli^, IlllWtlP
'i
1Ti* TTy und 7Tj; sind π χ und πχ äquivalent Abb. 2.14 σ- und »rMolekülorbitale, die in einem homöonuklearen zweiatomigen Mole-' kül aus s- und p- Valenzelektronen gebildet werden.
kleinen Energiedifferenzen 2s—2p müssen wir zwischen den zwei 2s- und den zwei 2pz-Orbitalen Wechselwirkung annehmen und sie zusammen in einem LCAO—MO-Schema betrachten. Das stabilste MO entspricht der Kombination )=
ri)
(2sa + τ2ρΖα + 2sb + r2pZb)
wobei der Koeffizient r kleiner als eins ist und den Anteil von 2p darstellt, der im σ,-ΜΟ enthalten ist. Die Stabilisierung der und a*-Orbitale, die durch diese s-p-Hybridisierung zustandekommt, ist mit einer entsprechenden Destabilisierung der und a*-Orbitale verbunden. Die az- und a*-Orbitale erhalten dabei etwas 2s-Charakter. Dieser Effekt ist schematisch in Abb. 2.16 dargestellt. Das Endergebnis einer s-p-Mischung vernünftiger Größe ist, daß das of Orbital weniger stabil wird als n X y, wie Abb. 2.15b zeigt. Wie wir auf den folgenden Seiten sehen werden, zeigen die experimentellen Befunde, daß das az-Niveau in den meisten, wenn nicht in allen, zweiatomigen Molekülen eine größere Energie hat als das nXty-Niveau.
48
Zweiatomige Moleküle
/4( a )-Orbitale
Α 2 -Orbitale
^( a )-Orbitale
y^ooo-
-ooo-1
. 's
wachsende Energie
Ο
2s
y4( a )-0rbitale
-ooc»..·
/Ij-Orbitale
^(ft)-Orbitale
-
U 2 p's
OOO
wachsende Energie
Abb. 2.15 Energieniveaudiagramm der Molekülorbitale eines homöonuklearen zweiatomigen Moleküls a) ohne o s -a z -Wechselwirkung b) mit geschätzter a s - a z Wechselwirkung.
Homonukleare zweiatomige Moleküle der zweiten Periode
49
In Abb. 2.15 sind die ι u n d π^-Niveaus auf gleicher Höhe eingezeichnet. Tatsächlich gibt es für das πχ- und ny-Molekülorbital keinen Unterschied hinsichtlich der Überlappung. Sie haben daher die gleiche Energie oder, im Fachjargon, sie sind entartet. Unter Benutzung der Energieniveaudiagramme von Abb. 2.15 wollen wir nun die Elektronenkonfiguration von A2-Molekülen der Elemente zweiten Periode diskutieren. Li2 Das Lithiumatom hat ein 25-Valenzelektron. Im Lithium ist die Energiedifferenz 2s-2p klein, und die σ^-MOs haben unzweifelhaft einen beträchtlichen 2p-Charakter. Die zwei Valenzelektronen in Li2 besetzen das a^-MO, was einen Grundzustand (α®)2 ergibt. Übereinstimmend mit der Theorie ergeben die experimentellen Messungen, daß das Lithiummolekül kein ungepaartes
Energie
größere Energiedifferenz
Abb. 2.16 Schematische Darstellung des Einflusses der ^-^-Wechselwirkung auf die Energien der MOs und
Elektron besitzt. Zwei Elektronen in einem bindenden MO ergeben eine Einfachbindung. Die Bindungslänge von Li2 ist 2,67 Ä, für H 2 beträgt sie 0,74 Ä. Der größere Ä-Wert für Li2 kommt teilweise durch die Abschirmung der zwei qf-Valenzelektronen durch die Elektronen der inneren ls-Orbitale zustande. Diese Abschirmung reduziert die Anziehung zwischen den Kernen und den Elektronen des oJ-MOs. Die gegenseitige Abstoßung der zwei ls-Elektronenpaare, eine Wechselwirkung, die in H 2 nicht vorhanden ist, ist ebenfalls teilweise verantwortlich für den großen R-Wert von Li 2 . Die Bindungsenergien von H 2 und Li2 sind 103 bzw. 25 kcal/mol. Die kleinere Bindungsenergie von Li2 ist ebenfalls unzweifelhaft der Abstoßung der zwei ls-Elektronenpaare zuzuschreiben.
50
Zweiatomige Moleküle
Be2 Das Berylliumatom hat die Valenzelektronenstruktur 2s2. Die Elektronenkonfiguration von Be2 würde (σ£) 2 (σ*) 2 sein. Diese Konfiguration gibt keine Bindung [(2 - 2)/2 = 0] und dies stimmt mit der Nichtexistenz von Be2 innerhalb der Familie der A2-Moleküle überein. B2 Bor hat die Konfiguration 2s2 2p 1 . Die Elektronenkonfiguration von B2 hängt von der relativen Lage der und der -Niveaus ab. Die experimentellen Messungen zeigen, daß das Bormolekül im π* ^-Niveau zwei ungepaarte Elektronen hat. Demnach ist die Elektronenkonfiguration von B2 (σ£)2 (σ*)2 (π£) (π*); dies ergibt eine 7r-Bindung. Die Bindungslänge von B2 ist 1,59 Ä, die Bindungsenergie von B2 ist 69 kcal/mol.
Kohlenstoff hat die Konfiguration 2s2 2p 2 . Im C r Molekül haben die σξ- und n x ^-Niveaus eine solche Lage, daß die beiden Konfigurationen (σί) 2 0ί) 2 0Γ*,$) 4 und (o b s ) 2 (a*) 2 (n x b y ) 3 (a b z ) ungefähr die gleiche Energie haben. Nach neuester Ansicht ist die Konfiguration (of ) 2 (σ*) 2 (π*,*) 4 der Grundzustand (mit weniger als 0,1 eV). In diesem Zustand gibt es keine ungepaarten Elektronen und zwei 7r-Bindungen. Das bedeutet, daß in C 2 eine beträchtlich höhere Energie haben muß als n x Jj, da der energieärmste Zustand der Konfiguration (o b ) 2 (o*)2 (nx>y)3 (a b ) zwei ungepaarte Elektronen hat. Elektronenpaarung aber erfordert Energie (erste Hundsche Regel). Den zwei Bindungen, die für C 2 vorausgesagt werden, entsprechen die experimentell beobachtete Bindungsenergie von 150 kcal/mol und die Bindungslänge von 1,31 Ä. N2 Stickstoff hat die hKonfiguration 2s2 2p3. Die Elektronenkonfiguration von N2 ist(o^) (α,) (π χ °) (σ%) Sie stimmt mit dem beobachteten Diamagnetismus dieses Moleküls überein. Das Stickstoffmolekül hat drei Bindungen (eine α- und zwei π-Bindungen). Das ist für ein A2-Molekül die maximale Zahl an Bindungen und erklärt seine ungewöhnliche Stabilität, seine außerordentlich hohe Bindungsenergie von 225 kcal/mol und den sehr kleinen R-Wert von 1,10Ä. Es soll hier hervorgehoben werden, daß das höchste besetzte Orbital in N2 das σ%-Orbital ist, im Gegensatz zu der üblichen Ansicht, daß das uX y-Orbital das höhere Niveau hat. Den experimentellen Beweis liefert eine detaillierte Analyse des Elektronenspektrums von N2, sowie spektroskopische und magneti» . Λ
4
k
λ
Homonukleare zweiatomige Moleküle der zweiten Periode
51
sehe Experimente, die beweisen, daß der stabilste Zustand von N2 der Konfiguration (σ£) 2 (σ*) 2 (π^) 4 (σ*) entspricht.
02 Die Konfiguration von Sauerstoff ist 2s2 2p 4 . Die Elektronenkonfiguration von 0 2 ist (σ?) 2 (σ*) 2 (σ*) 2 (77 χ ^) 4 (π*) (it*). Die Elektronen im rr^-Orbital haben im Grundzustand den gleichen Spin, daher sollte 0 2 zwei ungepaarte Elektronen haben. In Übereinstimmung mit der Theorie entspricht der Paramagnetismus des Sauerstoffmoleküls zwei ungepaarten Spins. Die Erklärung des Paramagnetismus von 0 2 gab einen weiteren Anstoß, die Molekülorbitaltheorie zu verwenden, da das einfache Lewis-Bild nicht erklärt, warum Sauerstoff zwei ungepaarte Elektronen haben kann. Für 0 2 kann die Bindungsordnung zwei vorausgesagt werden (eine α-, eine π-Bindung). Die Bindungsenergie von 0 2 ist 118 kcal/mol und R = 1,21 Ä. Es ist sehr instruktiv, die Änderung der Bindungslänge zu verfolgen, wenn die Zahl der Elektronen im π^^-Niveau des 02-Systems geändert wird. Die genaue Bindungslänge von 0 2 ist 1,2074 Ä. Wird ein Elektron aus dem πχ >-Η Ο
Β
CQ
CM"
σ>
ο
2
eo
csT
S
η
cd W
an
ο σ> ••Η rCQ ι-Η
X
cvf
NH
s
^ eg
δ
Ü
c«
θ5
C TO
ε
ti
ο
-
e i
Hg
ο
»
Ο
Η
CM ο
σ) Ο
eo CO
_ ^
^
eg
cd Ό
00 o 5
χ) C Λ )2(σϊ)2(πχ»?(πχιγ)4 »Σ Vier Elektronen befinden sich in a b -Orbitalen und vier Elektronen in ^ O r b i talen. In Übereinstimmung mit den zwei VB-Strukturen, die Abb. 3.12 zeigt, haben wir also in C 0 2 zwei σ- und zwei 7r-Bindungen.
88
Lineare dreiatomige Moleküle
U yf
ι
Abb. 3.12 VB-Strukturen von C 0 2 .
3.5 Bindungseigenschaften von C 0 2 Der Abstand C—Ο im Kohlendioxid beträgt 1,162 Ä und ist größer als die Bindungslänge C—Ο im Kohlenmonoxid. Diese Bindungslängen stimmen mit einer Doppelbindung ( C = 0 ) zwischen C und Ο in C 0 2 und einer Dreifachbindung (C^O) in CO überein. Es gibt für C 0 2 zwei Typen der Bindungsenergie. Die Bindungsdissoziationsenergie (DE), die wir in Kapitel II diskutiert haben, ist die Energie, die zum Aufbrechen einer bestimmten Bindung benötigt wird. Für C 0 2 beschreibt der Prozeß DE
O-C-O — C O + Ο
(3.19)
89
Ionogene dreiatomige Moleküle: die Erdalkalimetallhalogenide
die Abspaltung eines Sauerstoffatoms aus einem Kohlendioxidmolekül unter Bildung eines Kohlenmonoxidmoleküls; diese DE beträgt 127 kcal/mol. Die mittlere Bindungsenergie C—Ο in CO2 erhält man jedoch, indem man beide C—O-Bindungen aufbricht und die Atome in den Grundzustand überfuhrt O-C-O
+O+O
(3.20)
Die mittlere Bindungsenergie C—Ο (BE) ist dann die Hälfte des F-Wertes der Gleichung (3.20). Ε ist offensichtlich die Summe von DE(C0 2 ) und DE(CO). O-C-0
DE(C
°2? C-0 + Ο β
C+Ο+0
(3.21)
Ε = DE(C0 2 ) + DE(CO) = 127 + 256 = 383 kcal/mol und I = BE(C0 2 ) a 192 kcal/mol
(3.22)
In den Tabellen mit Bindungsenergien werden wir die Abkürzungen BE und DE benutzen. Grundterme, Bindungslängen und Bindungsenergien einiger linearer dreiatomiger Moleküle sind in der Tabelle 3.1 angegeben.
3.6 Ionogene dreiatomige Moleküle: die Erdalkalimetallhalogenide Moleküle, die aus Atomen der Erdalkalimetalle (Be, Mg, Ca, Sr, Ba) und Halogenatomen zusammengesetzt sind, werden wahrscheinlich am besten mit dem Ionenmodell beschrieben, da die Elektronegativitätsdifferenz zwischen den Erdalkalimetallen und den Halogenen groß sind. Wir können also formulieren: X~—M++—X". Am Beispiel von CaCl2 wollen wir die Berechnung der Bindungsenergie von Molekülen dieses Typs erläutern.
Beispiel Unser Ziel ist die Berechnung der mittleren Ca-Cl-Bindungsenergie von CaCl2:
CI"— In CaCl2 (oder anderen MX2-Molekülen) gibt es jeweils im Abstand R die Anziehungen Ca^-Clfl und Ca++—Cl^. Außerdem existiert eine Abstoßung Cl^-Cl^ im Abstand 2R. Die Summe dieser elektrostatischen Terme beträgt elektrostatische Energie =
+
Κ
Κ
ZK 2
κ
Die Energie pro Bindung ist die Hälfte von - 3,5e IR also - 1,75e 2 /R. Die van der Waals-Energie kann wieder näherungsweise als Wechselwirkung von Edelgaspaaren
90
Lineare dreiatomige Moleküle Tab. 3.1 Eigenschaften von dreiatomigen Molekülen3 Molekül
Grundterm
Bindung
Bindungslänge, A
Br Be—Br Be-Br
BeBr 2
Bindungsenergien, kcal/mol
89(BE)
BeCl 2
ι
Σ
CI Be—CI Be-CI
Bel 2
'Σ
IBe-I Be-1
co2
'Σ
OC-O C-0
1,162
127 (DE) 192(BE)
COS
λ
Σ
OC-S
1,561
128(DE)
cs 2
ι
Σ
sc-s c-s
1,554
CSe 2
ι
C-Se
CaCl 2
ι
CI C a - CI Ca-CI
2,54
176(DE) 113(BE)
CdBr 2
ι
Br C d - B r
2,39
76(DE)
ι
CI C d - C I
2,23
84(DE)
ICd-I
2,58
50(DE)
Σ
HC-Ν H-CN
1,153 1,066
207(DE) U4(DE)
2,43
7 2(DE) 44(BE)
Σ Σ
Cdl 2
Σ Σ ι Σ
HCN
1
CdCl 2
HgBr 2
ι
Σ
Br H g - Br Hg-Br
HgBrI
ι
BrHg-I
HgCl 2 HgClBr HgClI HgF 2 Hgl 2 NO 2 +
Σ
1
Σ
Χ
Σ Χ Σ Χ
Σ
Χ
CIHg-Cl Hg-Cl
1,74
147(DE) 109(BE) 69(BE)
128(BE) 112(BE)
64(DE) 2,30
81(DE) 54(BE)
BrHg-Cl
77(DE)
IHg-Cl CIHg-I
75(DE) 63(DE)
FHg-F Hg-F
100(DE) 66(BE)
Σ
IHg-I Hg-I
2,60
'Σ
N-C
1,10
60(DE) 35(BE)
(Fortsetzung)
Ionogene dreiatomige Moleküle: die Erdalkalimetallhalogenide
91
Tab. 3.1 (Fortsetzung)
Grundterm
Molekül
MgCl2 SiS 2
Bindung
Bindungslänge, A
ClMg-Cl Mg—Cl
2,18
Bindungsenergien kcal/m ol 136(DE) 99(BE)
Si-S
ZnCl2
'Σ
Znl2
Χ
Σ
70(BE)
ClZn-Cl
2.12
96(DE)
IZn-I
53(DE)
8
Werte aus T. L. Cottrell, The Strengths of Chemical Bonds, Butterworths, London, 1958, Tab. 11.5.1. berechnet werden. In diesem Fall haben wir für jede Bindung eine Ar-Ar-Wechselwirkung. Es ist jedoch nicht zu erwarten, daß diese Näherung für die MX2-Moleküle ebenso gut ist wie für die MX-Moleküle, da die M ++ -Ionen viel kleiner sind als die isoelektronischen Edelgasatome (vgl. Abb. 3.13). Daher ist die tatsächliche van der Waalssche Abstoßungsenergie von Ca ++ -Cl~ wahrscheinlich kleiner als die berechnete. Für die Energie jeder Ca -Cl~-Bindung erhalten wir schließlich PE = potentielle Energie = "
l>1Se2
+be'^ -
R6
Die Bindungslänge Ca-Cl in CaCl 2 beträgt 2,54 Α oder 4,82 aE. Unter Benutzung der Ar-Ar-Parameter aus Tabelle 2.9 ergibt sich PE = l A p + 350β( _Ι · 92 > (4,82) _ 103 6 4,82 """" (4,82) oder PE
0,337 aE = - 9,17 eV
9,17eV ist die Hälfte der Energie die erforderlich ist um CaCl 2 in seine Ionen zu dissoziieren: CaCl2
Ca ++ + Cl" + Cl"
E' = - 2PE
Abb. 3.13 Relative Größen von Ar, K + und Ca 2+ .
92
Lineare dreiatomige Moleküle Für die mittlere Bindungsenergie BE erhalten wir aus der Reaktion C a C l 2 ^ · Ca + C1 + C1 Ε = Ε' + 2EA(C1) - IPj (Ca) - IP2(Ca)
und
BE = |
Mit EA(C1) = 3,61 eV, IP^Ca) = 6,11 eV, IP2(Ca) = 11,87 eV und£" = 18,34 eV berechnen wir Ε = 7,58 eV oder 175 kcal/mol und BE(Ca-Cl) = 88 kcal/mol. Vergleicht man den berechneten Wert von 88 kcal/mol mit dem experimentellen Wert von 113 kcal/mol sieht man, daß das Ionenmodell auf CaCl2 nicht gleich gut anzuwenden ist wie auf die Alkalimetallhalogenide. Dies beweist, daß die Erdalkalimetallhalogenide mehr „kovalenten Charakter" haben als die Alkalimetallhalogenide. Es ist daher wahrscheinlich, daß es zur Bindungsenergie von CaCl2 wesentliche kovalente Bindungsbeiträge gibt. Für einige Erdalkalimetallhalogenide sind die experimentellen Bindungsenergien in der Tabelle 3.1 angegeben. Zusatzaufgaben 1. Es ist der Grundterm für das Molekül N 3 zu finden. 2. Berechnen Sie die Bindungsenergie B e - C l für BeCl 2 . Der Wert von IP 2 (Be) beträgt 18,21 eV. 3. Diskutieren Sie die Bindung in C 0 2 , CS 2 und CSe 2 mit Hilfe der MO-Theorie. Vergleichen Sie die Bindungseigenschaften dieser Moleküle.
IV Trigonal-planare Moleküle 4.1 BF 3 Bortrifluorid hat eine trigonal-planare Struktur; alle Bindungswinkel1 F-B—F betragen 120°. Bor hat 2s- und 2p-Orbitale, die mit den 2s- und 2p-Orbitalen des Fluors Bindungen eingehen können. Abb. 4.1 zeigt ein geeignetes Koordinatensystem zur Diskussion der Bindung in BF3.
Abb. 4.1 Koordinatensystem für BF 3 .
Von jedem Fluor benötigen wir nur ein o- Valenzorbital. In unserer Diskussion werden wir nur das 2p-Orbital berücksichtigen, da die abgeleiteten Molekülorbitale auch für jede Kombination von 2s und 2p geeignet sind. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß das sehr stabile 2s-Orbital des Fluors nicht an der σ-Bindung beteiligt ist. Das Ionisierungspotential eines Elektrons im 2s-Orbital von Fluor ist größer als 40 eV. 1
Bindungswinkel ist ein gebräuchlicher Ausdruck; es ist der Winkel zwischen „Kernverbindungslinien".
Trigonal-planare Moleküle
94
4.2 σ-Molekülorbitale Die σ-Molekülorbitale werden unter Benutzung der 2s-, 2px- und 2py-Orbitale des Bors mit den 2pZ(j·, 2pZb- und 2pZc-Orbitalen der Fluoratome gebildet. Wir müssen die Linearkombinationen von 2 p Z ß , 2pZj> und 2 p Z c finden, die eine maximale Überlappung mit den 2s-, 2p x - und 2py-Orbitalen ergeben. Das 2s-Orbital des Bors ist in Abb. 4.2 dargestellt. Die Kombination (2pZa + 2 p Z b + 2 p Z c ) überlappt mit dem 2s-Orbital. Die Molekülorbitale, die vom Bor-2s-Orbital gebildet werden sind daher (wir benutzen die Abkürzung e n za = 2pZa, zb = 2 p Z b u n d z c = 2 p Z c ) :
(4.1) φ(σ*)
= C 3 2 S - C4(za
+zb
+
zc)
(4-2)
y
ν
Abb. 4.2 Überlappung des 2s-Orbitals von Bor mit den 2p z -Orbitalen der Fluoratome
95
σ-Molekülorbitale
Das 2pyOrbital des Bors ist in Bild 4.3 dargestellt. Zu der positiven und negativen Hantelhälfte (Keule) des 2py-Orbitals paßt die Kombination (zb - zc). Die Molekülorbitale von 2p y sind: Ψ(ο$)
= Cs2py
+ C6(zb
-
zc)
(4.3)
φ(σ*)
= Cn2py
- Cs(zb
-
zc)
(4.4)
Das 2px-Orbital von Bor zeigt Abb. 4.4. Mit den Hantelhälften von 2px überlappt die Kombination (za -zb- zc). Hier gibt es jedoch eine kleine Schwierigkeit: Die Überlappungen von za, zb und zc mit 2px sind nicht gleich groß. za zeigt direkt auf die positive Hantelhälfte von 2px, während zb und zc zur entsprechenden Überlappungsrichtung mit der negativen Hantelhälfte Winkel von 60° bilden. Um die Beziehung zwischen der Überlappung von za zu der von zb bzw. zc zu erhalten, müssen wir den Anteil von 2p x finden, der in
R
y
2py + za ergibt die Gesamtüberlappung null
X
2 Py +
~
Abb. 4.3 Überlappung des 2py-Orbitals von Bor mit den 2p z -Orbitalen der Fluoratome.
96
Trigonal-planare Moleküle
Richtung zb wirksam ist. Dieser Anteil ist cos 60° oder Wir folgern daher, daß die Summe zb + zc die gleiche Überlappung mit 2p x ergibt wie za allein. Die geeignete Kombination ist also (za - -|z6 - lz c ), und die σ-Molekülorbitale von 2px sind: *(2ρχ + C10(za - ±zb - lzc)
(4.5)
φ(σ*) = Cn2px - C12(za - ±zb - ±zc)
(4.6)
2 Ps +
-
2
6 "
Abb. 4.4 Überlappung des 2px-Orbitals von Bor mit den 2pz-Orbitalen der Fluoratorae.
4.3 π-Molekülorbitale Die π-Molekülorbitale werden aus dem 2pz-Orbital des Bors und den -Orbitalen der FLuoratome gebildet. Die Kombination (ya +y b +y c ) überlappt mit
Tr-Molekiiloibitale
97
dem 2&-0rbital, so wie es in Abb. 4.5 dargestellt ist. Die bindenden und antibindenden π-Molekülorbitale sind daher: Ψ(*ί) = Ci32pz + Cw(ya + yb + yc) Φ(η*) = Cls2pz - C16(ya +yb + yc)
(4-7) (4-8)
Da wir drei 2py-0rbitale von Fluor berücksichtigt haben, gibt es zwei weitere unabhängige Linearkombinationen von ya,yb und.yc. Ein befriedigendes Paar ist (ya -yc) und (ya - 2yb +yc). Wie Abb. 4.6 zeigt, überlappen diese Orbitalkombinationen nicht mit dem 2pz-Orbital des Bors. Sie sind daher in BF3 nichtbindend. Die MOs sind: (4-9) Φ(π2) - ^=(ya - 2yb + yc)
(4.10)
2
P, + y» + h + y
(C 4 ) 2 . Da das 2pz-Orbital des Sauerstoffs zur σ-Bindung benutzt wird, bleibt das 2py-Orbital als nichtbindendes MO vom π-Typ übrig. Das Energieniveaudiagramm, das für die π-Molekülorbitale von H2CO zu erwarten ist, zeigt Abb. 8.10.
Die Bindung in organischen Molekülen
Abb. 8.9 Orbitale im Molekül H2CO.
n-Orbital von Kohlenstoff
trMolekülorbitale von Η 2 CO
τι-Orbitale von Sauerstoff
Abb. 8.10 Relative Energien der π-Orbitale von H2CO.
145
Der Grundzustand von H 2 CO
8.9 Der Grundzustand von H 2 CO H2CO hat zwölf Valenzelektronen, zwei vom Wasserstoff, vier vom Kohlenstoff und sechs vom Sauerstoff (2s 2 2p 4 ). Sechs von diesen Elektronen werden zu σ-Bindungen verwendet und zwei befinden sich im 2s-Orbital des Sauerstoffs als einsames Elektronenpaar. Für die 7r-Orbitale, die in Abb. 8.10 dargestellt sind, bleiben daher vier Elektronen übrig. Der Grundzustand ist 0 ? ) 2 0 y ) 2 Das ergibt eine Kohlenstoff-Sauerstoff-7r-Bindung, die zusammen mit den α-Bindungen eine Elektronenstruktur bilden, deren übliche Darstellungen in Abb. 8.11 wiedergegeben werden.
··
ο :
ω
Abb. 8.11 Übliche Darstellungen der Bindung im Molekül H 2 CO.
Die Carbonylgruppe (C=0) tritt in vielen organischen Verbindungsklassen auf, ζ. B. in Aldehyden, Ketonen, Estern, Säuren und Amiden. Das einfachste Keton ist Aceton (CH 3 ) 2 C=0. Für H2CO beträgt die C=0-Bindungsenergie 166 kcal/mol. Wenn C-H-Bindungen durch C—C-Bindungen ersetzt werden, wächst die C=0-Bindungsenergie. Die mittlere C=0-Bindungsenergie in Aldehyden beträgt 176 kcal/mol; für Ketone beträgt sie 179 kcal/mol. Jeder dieser Mittelwerte ist größer als der doppelte Wert der C-O-Bindungsenergie von 85,5 kcal/mol. Die mittlere C=0-Bindungslänge ist 1,22 Ä, sie liegt zwischen C^O (R = 1,13 Ä) und C - 0 (R = 1,43 Ä).
146
Die Bindung in organischen Molekülen
8.10 Der η -»· 7r*-Übergang der Carbonylgruppe Die Anregung eines Elektrons aus dem ny- in das 7r*-Niveau erfolgt durch Absorption von Licht im Wellenlängenbereich von 2700 bis 3000 A . Die Carbonylgruppe zeigt daher ein sehr charakteristisches Absorptionsspektrum. Da der Übergang aus einem nichtbindenden rr-Orbital in ein antibindendes 7r-OrbitaI erfolgt, wird er gewöhnlich als η
7r*-Übergang bezeichnet.
8.11 C 2 H 2 Die Struktur von Acetylen C 2 H 2 zeigt Abb. 8.12. Die α-Bindungen werden mit den sp-Hybridorbitalen der Kohlenstoffatome gebildet. Jedem Kohlenstoffatom stehen außerdem noch zwei senkrecht aufeinanderstehende 2p-Orbitale für 7r-Bindungen zur Verfügung. Die π-Molekülorbitale sind die gleichen wie in einem homonuklearen zweiatomigen Molekül: ψ(π*) =
(8.11)
±(χα+χύ)
(8.12)
ΨΟΦ-^Ο'.+Λ)
(8.13)
(8.14) Die Energien der π-Molekülorbitale sind in Abb. 8.13 dargestellt.
Z-+
Η
Abb. 8.12 Koordinatensystem für C j H j .
Der Grundzustand von C 2 H 2
Α
147
7r-Orbitale von Kohlenstoff
2pz,2Py
7rMolekülorbitale von C 2 H 2 *\r* — 7Γ/
/
π-Orbitale von Kohlenstoff^
Ν 2pI,2/>
Energie
Abb. 8.13 Relative Energien der Orbitale von C 2 H 2 .
8.12 Der Grundzustand von C2H2 C 2 H 2 hat zehn Valenzelektronen. Sechs Valenzelektronen sind für die σ-Bindungen erforderlich, die anderen vier ergeben den Grundzustand (π£) 2 (π£) 2 Es gibt also drei Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen, eine σ-Bindung und zwei ΤΓ-Bindungen. Die üblichen Darstellungen der Bindung in C 2 H 2 zeigt Abb. 8.14.
(