Zur Bindung des Strafrichters an fehlerhafte behördliche Genehmigungen im Umweltstrafrecht [1 ed.] 9783428477401, 9783428077403


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Zur Bindung des Strafrichters an fehlerhafte behördliche Genehmigungen im Umweltstrafrecht [1 ed.]
 9783428477401, 9783428077403

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ROLF SCHEELE

Zur Bindung des Strafrichters an fehlerhafte behördliche Genehmigungen im Umweltstrafrecht

Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften lIerausgegeben von lIans Joachim lIirsch, Günter Kohlmann Michael Walter, Thomas Weigend Professoren an der Universität zu Köln

Band 12

Zur Bindung des Strafrichters an fehlerhafte behördliche Genehmigungen im Umweltstrafrecht

Von Rolf Scheele

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Scheele, Rolf: Zur Bindung des Strafrichters an fehlerhafte behördliche Genehmigungen im Umweltstrafrecht / von Rolf Scheele. Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Kölner kriminalwissenschaftliche Schriften; Bd. 12) Zugl.: Köln, Univ., Diss., 1992/93 ISBN 3-428-07740-7 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten

© 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0936-2711 ISBN 3-428-07740-7

Vorwort Die Abhandlung hat im Wintersemester 1992/ 93 der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation vorgelegen. Das Rigorosum hat am 17.12.1992 stattgefunden. Rechtsprechung und Schrifttum sind bis September 1992 berücksichtigt. Besonderen Dank schulde ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hans Joachim Hirsch (Universität zu Köln), der die Arbeit angeregt und fortwährend betreut hat. Für die Zweitkorrektur sei Prof. Dr. Günter Kohlmann (Universität zu Köln) gedankt. Das Buch ist meinen Eltern gewidmet, die die Erstellung der Abhandlung erst ermöglicht und verständnisvoll begleitet haben. Siegburg, im Juni 1993

Rolf Scheele

Inhaltsverzeichnis Einleitung

15

J. Kapitel Die Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts

19

A. Die Verwaltungsrechtsakzessorietät ...............................................

19

B. Die Verwaltungsaktsakzessorietät .................................................

22

I. Die Entscheidung des Gesetzgebers für ein verwaltungs(akts)akzessorisches Umweltstrafrecht .......................................................

24

11. Die Funktion der behördlichen Genehmigung im Umweltstrafrecht

27

III. Die Einordnung der behördlichen Genehmigung in den Deliktsaufbau

30

IV. Zwischenergebnis. .......... ............................ ......... .............

33

2. Kapitel Die Behandlung fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte im Umweltstrafrecht

34

A. Nichtige Genehmigungen ...........................................................

34

B. Rechtswidrige Genehmigungen ....................................................

35

I. Die Verwaltungsverfahrensakzessorietät ...................................

38

11. Der strafrechtliche Rechtswidrigkeitsbegriff ............................... 1. Argumentation für eine Abkopplung vom Verwaltungsrecht ......... 2. Kritik an der eigenständigen strafrechtlichen Lösung ................. a) Die Lehre von der Einheit der Rechtsordnung ..................... b) Die Aussagekraft eines am Rechtsgüterschutz orientierten Rechtmäßigkeitsbegriffes .................................................... 3. Zusammenfassung ...... ... ............... ........................ .... .....

41 41 42 44

III. Die verwaltungsrechtsakzessorische Lösung ............................... 1. Argumentation gegen die Rechtfertigungswirkung rechtswidriger Genehmigungen ........................................................... a) Die Einheit der Rechtsordnung ...................................... b) Gründe der materiellen Gerechtigkeit ............................... c) Verfassungsrechtliche Bedenken .....................................

49

46 49

50 50 51 51

Inhaltsverzeichnis

8

2. Divergierende Ansichten innerhalb der Meinungsgruppe ............. a) Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Genehmigung ........ b) Differenzierung hinsichtlich der Einordnung der Genehmigung in den Deliktsaufbau ..................................................... c) Strafbarkeitsausschluß trotz rechtswidriger Genehmigung ........ 3. Die abweichende Auffassung der h. M. .... ..... ............. ...... ....

52 52 52 53 54

3. Kapitel Eigene Lösung

56

A. Gang der Untersuchung

56

B. Das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung ......................................

57

I. Der Standpunkt der h. M. ....................................................

57

11. Die Gegenauffassung .............. . .. ........................ ................

58

111. Eigene Ansicht .......................................... ...................... 1. Der Gedanke der materiellen Gerechtigkeit ............................ 2. Der Gedanke der Rechtssicherheit ...................................... 3. Der Gedanke der Gewaltenteilung ........ ............ ... ..... .......... 4. Folgerungen aus den zu beachtenden Einzelelementen des Rechtsstaatsbegriffs und deren Relevanz für die Problemlösung ............ 5. Analyse von vermeintlichen Norm- und WertungswiderspTÜchen innerhalb der Rechtsordnung ............................................... a) .Wertungsdivergenzen des Steuerrechts zu anderen Teilrechtsordnungen .............................................................. b) Die Behandlung der Einwilligung im Zivil- und Strafrecht ...... c) Die Beurteilung der Rechtswidrigkeit beim polizeilichen Schußwaffengebrauch ........................................................ d) Die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung nach § 113 StGB ....... 6. Die Bedeutung des Dogmas von der Einheit der Rechtsordnung für die Auflösung von WertungswiderspTÜchen .......... ... ...............

60 61 62 63

IV. Zusammenfassung ... .. . . .... ... . ..... ... . .... .. ... .. . .. . . . . ... ....... ........

76

C. Die Übertragbarkeit der Regelung des § 43 VwVfG in das Strafrecht........

76

I. Die GeltungsgTÜnde des § 43 VwVfG ......................................

76 76 78

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz als GeltungsgTÜnde .......... 2. Der Verwaltungsakt als obrigkeitsstaatliches Machtmittel ............

11. Die aus § 43 VwVfG abzuleitenden verfahrensübergreifenden Bindungswirkungen ..................................................................... 1. Die materielle Bestandskraft ............................................. 2. Bestandskraftunabhängige Abweichungsverbote, insbesondere die Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten ............. ..... ..........

64 67 67 69 70 71 72

80 81 82

Inhaltsverzeichnis

9

III. Die Bedeutung der Geltungsgründe des § 43 VwVfG und der daraus abgeleiteten Bindungswirkungen im Umweltstrafrecht ...................

84

1. Die unaufhebbare Genehmigung .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .

84

2. Tatbestandswirkung von rechtswidrigen Genehmigungen im Umweltstrafrecht? ..................................................................

88

a) Die Verbindlichkeit des Verwaltungsakts aus verfassungsrechtlicher Sicht .............................................................

90

aa) Die Vorfragenkompetenz der Gerichte.........................

90

bb) Zur verfassungsrechtlichen Dimension der Lehre von der Verbindlichkeit von Verwaltungsakten ........................

91

cc) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Bindung des Strafrichters? ......................................................

93

b) Konsequenzen für die Prüfungskompetenz des Strafrichters ......

95

3. Ergebniskontrolle: Die Übertragbarkeit des § 43 VwVfG trotz fehlender rückwirkender Aufhebungsmöglichkeit fehlerhafter Verwaltungsakte? ..... ...................................................................

99

IV. Zwischenergebnis.............................................................

101

D. Die Bindung des Strafrichters an rechtswidrige Genehmigungen im Hinblick auf die gesetzgeberische Ausgestaltung der §§ 324 ff. StGB ...................

101

I. Die Behandlung von Wertungsdivergenzen durch den Gesetzgeber ....

101

11. Gesetzgeberische Wertungen für die Behandlung wirksamer Genehmigungen im geltenden UmweItstrafrecht ....................................

103

1. Die Relevanz der behördlichen Genehmigung auf Tatbestandsebene

103

2. Die durch das Merkmal "unbefugt" vermittelte Relevanz der behördlichen Genehmigung auf Rechtfertigungsebene .........................

104

a) Grammatische Auslegung des Merkmals "unbefugt" ..............

105

b) Systematische Auslegung.............................................

106

c) Historische Auslegung ................................................

109

d) Objektiv-teleologische Auslegung ...................................

112

111. Zusammenfassung .................... ............ ....... ... ..................

116

E. Weitere Argumente für die Verwaltungsaktsakzessorietät des Umweltstrafrechts .................................................................................

116

F. Zu den Möglichkeiten der Berücksichtigung der fehlerhaften Genehmigung außerhalb der Unrechtsebene ......................................................

118

I. Die Aufhebung der Genehmigung als objektive Bedingung der Strafbarkeit ..........................................................................

118

11. Die Genehmigung als Strafausschließungsgrund ....... . ..................

121

G. Ergebnis..............................................................................

123

10

Inhaltsverzeichnis 4. Kapitel Die Reichweite der Verwaltungsaktsakzessorietät

124

A. Problemstellung .....................................................................

124

B. Konzeptionen einer beschränkten Verwaltungsaktsakzessorietät ...............

124

I. Der Gedanke des Rechtsmißbrauchs ........................................

124

1. Rechtsmißbrauch infolge vorwerfbarer Erlangung der Genehmigung

125

a) Die durch Täuschung, Bedrohung oder Bestechung erlangte Genehmigung (§ 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1, Abs. 3 S. 2 VwVfG) .....

126

b) Die aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben erwirkte Genehmigung (§ 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 VwVfG) ...................

127

c) Positive Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit der Genehmigung (§ 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 VwVfG) ..

128

d) Kollusives Zusammenwirken.........................................

128

2. Die rechtsmißbräuchliche Ausnutzung der Genehmigung ............

129

a) Verletzung von Individualrechtsgütern .............. ........ ........

129

b) Verletzung von überindividuellen Rechtsgütern ....................

131

11. Das subjektive Rechtfertigungselement ....................................

131

III. Die Beschränkung der Rechtfertigungswirkung unter dem Vorbehalt der Rücknahme der Genehmigung ..............................................

132

IV. Umfassende Nichtigkeitsgründe im Strafrecht.................. ...........

132

V. Beteiligung an der Straftat des Amtsträgers ...... .............. ...........

133

VI. Keine strafrechtliche Korrektur der durch § 43 VwVfG vorgegebenen Rechtfertigungslösung ........................................................

133

C. Eigene Lösung .................................................................... ~..

134

I. Methodische Analyse der zur Einschränkung der Rechtfertigungswirkung fehlerhafter Verwaltungsakte vorgetragenen Lösungen...................

134

II. Die Bedeutung des Bestimmtheitsgrundsatzes (Art. 103 Abs. 2 GG) für die Korrektur der Reichweite fehlerhafter Genehmigungen ..............

135

III. Die Übertragbarkeit des Rechtsmißbrauchsgedankens in das Umweltstrafrecht .......................................................................

138

1. Die Bedeutung des Rechtsmißbrauchsgedankens als Korrektiv in den Teilrechtsordnungen ......................................................

138

a) Die zivilrechtliche Herkunft des Rechtsmißbrauchsgedankens ...

138

b) Der Rechtsmißbrauchsgedanke im öffentlichen Recht ............

139

c) Der Rechtsmißbrauchsgedanke im Strafrecht.. ........ .............

141

Inhaltsverzeichnis 2. Die Geeignetheit des Rechtsmißbrauchsgedankens zur Einschränkung von strafrechtlichen Rechtfertigungsgründen ........................... a) Die Anwendbarkeit des Rechtsmißbrauchsgedankens auf das Notwehrrecht............................................................... b) Die Anwendbarkeit des Rechtsmißbrauchsgedankens im Umweltstrafrecht ............................................................... aa) Die Kriterien für einen Rechtsmißbrauch im Umweltstrafrecht ............................................................... bb) Die Vereinbarkeit einer eingeschränkten Verwaltungsaktsakzessorietät mit den Wertungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes .......................................................

11 142 142 145 146 148

IV. Einschränkung der Verwaltungsaktsakzessorietät ohne Rückgriff auf den Rechtsmißbrauchsgedanken? ........ ........................................

154

V. Die Legalisierungswirkung der behördlichen Genehmigung im Hinblick auf die Verletzung von Individualrechtsgütern ............................

156

VI. Die Reichweite der Legalisierungswirkung gegenüber den Umweltgütern

157

VII. Zusammenfassung .......... ............................ ................... ...

161

D. Konsequenzen einer strengen Verwaltungsaktsakzessorietät in der Praxis....

162

I. Die Relevanz informellen Verwaltungshandelns ..........................

162

11. Die Beachtlichkeit rechtswidriger, belastender Verwaltungsakte ........

163

III. Die Kontrolle strafrechtlich relevanter Verwaltungsakte durch die Verwaltungsgerichte ..........................................................

164

5. Kapitel Ergebnisse der Untersuchung

166

Literaturverzeichnis

169

Abkürzungsverzeichnis a. A.

= anderer Ansicht = am angegebenen Ort = Gesetz über die Beseitigung von Abfällen (AbfallbeseitigungsgeAbfG setz) vom 27.8.1986 (BGBL I 1410) Abs. = Absatz Abschn. = Abschnitt = alte Fassung a. F. = Amtsgericht AG = Alternative Alt. = Anmerkung Anm. = Abgabenordnung (AO 1977) vom 16.3.1976 (BGBL 1,613) AO = Archiv des öffentlichen Rechts AöR Art. = Artikel = Allgemeiner Teil AT = Auflage Aufl. = Bundesarbeitsgericht BAG BayVBl = Bayerische Verwaltungsblätter = Bundesbeamtengesetz i. d. F. der Bekanntmachung vom 27.2.1985 BBG (BGBI I, 479) = Band Bd. Bürgerliches Gesetzbuch BGB BGBI I, 11, III = Bundesgesetzblatt, Teil I, 11, III = Bundesgerichtshof BGH = Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen (Band, Seite) BGHSt = Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (Band, Seite) BGHZ = Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch BImSchG Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) i. d. F. der Bekanntmachung vom 14.5.1990 (BGBL I, 880) = Bundessozialgericht BSG = Bundestags-Drucksache BT-Dr = Bundesverfassungsgericht BVerfG = Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Band, Seite) BVerfGE = Bundesverwaltungsgericht BVerwG = Entscheidungen des Bundesverwaltungsgericht (Band, Seite) BVerwGE = beziehungsweise bzw. = Der Betrieb OB = derselbe ders. d. h. = das heißt

a. a. O.

Abkürzungsverzeichnis dies. Diss. DJT DÖV DRiZ DtZ DVBI ErbStG

13

= dieselben = Dissertation = Deutscher Juristentag = Die öffentliche Verwaltung = Deutsche Richterzeitung = Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift = Deutsches Verwaltungsblatt = Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuergesetz i. d. F. der Bekanntmachung vom 19.2.1991 (BGBI. I, S. 468) = folgende ff. = Fußnote FN FS = Festschrift = Goltdammer's Archiv für Strafrecht GA = Gedächtnisschrift GedS = Gewerbearchiv GewArch GG = Grundgesetz GVNW = Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen h. L. = herrschende Lehre h.M. = herrschende Meinung Hrsg. = Herausgeber = in der Fassung i. d. F. JA = Juristische Arbeitsblätter IR = Juristische Rundschau Jura = Juristische Ausbildung JuS = Juristische Schulung = Juristenzeitung JZ JZ-GD = Juristenzeitung-Gesetzgebungsdienst Kap. = Kapitel Krimsoz. BibI. = Kriminalsoziologische Bibliographie LG = Landgericht LK = Leipziger Kommentar LR = Löwe / Rosenberg MDR = Monatsschrift für deutsches Recht m. w.N. = mit weiteren Nachweisen NdsStGH = Staatsgerichtshof von Niedersachsen NI = Neue Justiz NJW = Neue juristische Wochenschrift Nr. = Nummer NuR = Natur und Recht NStZ = Neue Zeitschrift für Strafrecht = Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ OBGNW = Gesetz über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden (Ordnungsbehördengesetz) für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.5.1980 (GV NW S.528) ÖJZ = Österreichische Juristenzeitung

14

Abkürzungsverzeichnis

OLG OVG OWiG PolG NW

= Oberlandesgericht

Rdn. RG RGSt RGZ Rspr.

= Randnummer

S.

Sachgeb. SK s. o. Schi Sch StA StGB StPO st. Rspr. StrÄndG StV s. u. u. a. UKG VerwR VGH vg!. VVDStRL VwGO VwVfG WHG wistra WuV z. B. ZfW

ZPO ZRP ZStW z. T.

= Oberverwa1tungsgericht = Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

= Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 24.2. 1990 (GV NW S. 70)

= Reichsgericht = Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (Band, Seite) = Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (Band, Seite) = Rechtsprechung Seite Sachgebiet Systematischer Kommentar siehe oben Schönke I Schröder Staatsanwaltschaft = Strafgesetzbuch i. d. F. der Bekanntmachung vom 10.3.1987 (BGB!. I, 945) = Strafprozeßordnung i. d. F. der Bekanntmachung vom 7.4.1987 (BGB!. I, 1074) ständige Rechtsprechung Strafrechtsänderungsgesetz Strafyerteidiger siehe unten = unter anderem, und andere = Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität = Verwaltungsrecht = Verwaltungsgerichtshof = vergleiche = Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer = Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. der Bekanntmachung vom 19.3.1991 (BGB!. I, 686) = Verwaltungsverfahrensgesetz vom 25.5.1976 (BGB!. I, 1253) = Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz) i. d. F. der Bekanntmachung vom 23.9.1986 (BGB!. I, 1529) = Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer und Strafrecht = Wirtschaft und Verwaltung = zum Beispiel = Zeitschrift für Wasserrecht = Zivilprozeßordnung i. d. F. vom 12.9.1950 (BGB!. I, 533) = Zeitschrift für Rechtspolitik = Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft = zum Teil

Einleitung Im Jahre 1980 wurden durch das 18. StrÄndGl die "Straftaten gegen die Umwelt" (§§ 311 d, 311 e, 324 ff. StGB) in das StGB als dessen 28. Abschnitt eingestellt 2 • Das Umweltstrafrecht war ursprünglich nebenstrafrechtlich im Rahmen umweltverwaltungsrechtlicher Gesetze geregelt 3. Die Straftatbestände des StGB wurden im Zuge allgemeiner Sensibilität für ökologische und umweltrechtliche Probleme in den 70er Jahren auf breiter politischer Basis als nicht ausreichend erachtet, um den Umweltschutz durch Kriminalisierung und Sanktionierung umweltschädlicher Maßnahmen zu fördern. Erklärtes Ziel der Reform des Umweltstrafrechts war es, den sozialschädlichen Charakter von Umweltstraftaten in das Blickfeld der Öffentlichkeit zu rücken 4 • Bei der Etablierung von Umweltstraftatbeständen im Kernstrafrecht stand der Gesetzgeber vor der Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit die ursprünglich vorhandenen Bindungen des Umweltstrafrechts an das Verwaltungsrecht, wie sie in den Regelungen der Umweltverwaltungsgesetze bis dato zum Ausdruck kamen, erhalten bleiben sollten. Da die Umweltstraftatbestände als Appendix in den Verwaltungsgesetzen enthalten waren5, lag eine weitgehende Orientierung an den verwaltungsrechtlichen Vorgaben aus gesetzestechnischer Sicht nahe. Alternativ hätte der Gesetzgeber in Erwägung ziehen können, Gefährdungstatbestände zu formulieren, ohne auf das Verwaltungsrecht bzw. die "Herkunft" der Umweltstraftatbestände Rücksicht nehmen zu müssen 6. Mit Ausnahme des § 330 a StGB hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, im Kernstrafrecht in mehr oder weniger starkem Umfang auf die vorgegebenen Regelungen des Verwal18. StrÄndG vom 28.3.1980 (BGBL I, S. 373). Im Zuge der deutschen Einheit ist ein weiterer Umweltstraftatbestand hinzugekommen, der dem Kernstrafrecht zuzuordnen ist. Hierbei handelt es sich - als Vorläufer einer Bodenschutzvorschrift - um § 191 a DDR-StGB in der Fassung der Anlage II Kap. III Sachgeb. C Abschn. III Einigungsvertrag (BGBL II 1990, S. 1169). 3 Vgl. zu den Vorläufern der §§ 324 ff. StGB die Übersicht bei Triffterer S. 43 ff. 4 Vgl. zu den Reformzielen des Gesetzgebers die amtliche Begründung des 18. StrÄndG in BT-Dr 8/2382, S. I, 9 ff.; ferner Laufhütte / Möhrenschläger ZStW 92, 912 ff. 5 So z. B. §§ 38, 39 WHG von 1957; §§ 63, 64 BImSchG von 1964; § 16 AbfG von 1972. Heute sind Umweltstraftatbestände nur noch vereinzelt außerhalb des StGB zu finden, so etwa § 30a BNatSchG, § 39 PflSchG. 6 Auf die Frage, inwieweit ein verwaltungsunabhängiges Umweltstrafrecht in Form von Gefährdungstatbeständen angesichts der vorhandenen umfangreichen Umweltschutzgesetzgebung in der Bundesrepublik denkbar ist, wird später noch zurückzukommen sein. Bemerkenswert ist allerdings, daß im ausländischen Strafrecht verwaltungsunabhängige Gefährdungstatbestände in größerem Umfang Verwendung finden, vgl. die Übersicht bei Heine UPR 1987,281,282 f.; ders. NJW 1990,2425,2428. 1

2

16

Einleitung

tungsrechts zu verweisen und damit das Strafrecht in eine Abhängigkeit vom Verwaltungsrecht zu setzen 7. So sind weniger neue Straftatbestände im Zuge der Strafrechtsreform geschaffen, als vielmehr - wenn auch häufig verändert und präzisiert - Strafbestimmungen aus dem Verwaltungsrecht in das Kernstrafrecht übernommen worden 8. Die mit der Verknüpfung von Umweltstrafrecht und Umweltverwaltungsrecht zusammenhängenden Probleme werden unter dem Stichwort der "Verwaltungsakzessorietät" des Umweltstrafrechts diskutiert 9. Die Reaktionen der Strafrechtswissenschaft auf das 18. StrÄndG waren von Anfang an gespalten 10. Die Kritik am Umweltstrafrecht findet in der Folgezeit ihre Fortsetzung, wobei das Umweltstrafrecht vereinzelt sogar als "symbolischer Akt" der Gesetzgebung verstanden II und die Funktion des Strafrechts als kostengünstiges Alibi für die Versäumnisse an wirklichem Umweltschutz herausgestellt wird 12. Im Zuge der Diskussion stieß insbesondere die Entscheidung des Gesetzgebers für eine verwaltungsakzessorische Ausgestaltung des Umweltstrafrechts aus unterschiedlichen Gründen auf harsche, teils sogar emotional gefärbte Kritik. Die verwaltungsakzessorische Konstruktion der Umweltstraftatbestände sei schon aus verfassungsrechtlichen Gründen zu mißbilligen, wobei vor allem die Einhaltung des Gewaltenteilungsgrundsatzes, des Bestimmtheitsgebots und des Gleichbehandlungsgrundsatzes in Frage gestellt werden 13. Daneben wird auf die 7 § 330 a StGB beschreibt nach ganz hM einen von Verwaltungsregelungen unabhängigen Tatbestand: Sch / Sch-Cramer § 330a Rdn. 8; SK-Horn § 330a Rdn. 1; Dreher / Tröndle § 330a Rdn. 1; Tiedemann HdUR II Sp. 851; Laufhütte / Möhrenschlager ZStW 92,912,920; Dölling JZ 1985,461,469; aA Rogall JZ-GD 1980, 101, 114. 8 Sch / Sch-Cramer Vor § 324 Rdn. 1; SK-Horn Vor § 324 Rdn. 1; Laufhütte / Möhrenschlager ZStW 92, 912, 913. 9 VgI. statt aller die Dissertationen von Winkelbauer (1985) und Ensenbach (1989). Neuerdings schlägt Schröder VVDStRL 50 (1991), 196, 197 vor, statt von "Akzessorietät" neutraler von "Vorgabe" zu sprechen. Dem ist entgegenzuhalten, daß sich - jedenfalls im Strafrecht - der Begriff Akzessorietät verfestigt hat und als terminus technicus in die wissenschaftliche Diskussion eingeflossen ist. Außerdem vermag der Begriff Akzessorietät sprachlich die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Abhängigkeit des Straf- vom Verwaltungsrecht adäquat zu erfassen. Die nachfolgenden Erörterungen gehen daher vom herkömmlichen Begriff "Verwaltungsakzessorietät" aus. 10 Zustimmend Sch / Sch-Cramer Vor § 324 Rdn. 2; Tiedemann S. 13; Rogall JZGD 1980, 101, 103; Vogel ZRP 1980, 178, 180; Laufhütte / Möhrenschläger ZStW 92, 912; kritisch Dreher / Tröndle Vor § 324 Rdn. 4; Sander DB 1980, 1249. II Albrecht, 12. Strafverteidigertag, S.36; ferner Vierhaus ZRP 1992, 161, 162 in bezug auf die geplante Reform des § 329 Abs. 3 StGB im Rahmen eines 2. Gesetzes zur Bekämpfung der Umweltkriminalität. 12 Mattem Krimsoz. BibI. 1987 (Heft 55) 41, 49; vgI. auch Albrecht, 12. Strafverteidigertag, S. 41, der nur in zivilrechtlichen (Beweislastumkehr, Gefährdungshaftung), steuerrechtlichen und prozessualen (Verbandsklage ) Instrumenten, nicht aber in der Verschärfung der Umweltstrafvorschriften, Mittel zu einem effektiven Umweltschutz sieht; kritisch zum Umweltstrafrecht neuerdings auch Prittwitz StV 1991,435,440, da die Umweltverschmutzung im wesentlichen nicht aus kriminellen, sondern systemkonformen und legalen Handlungen resultiere. 13 Kühl, FS Lackner S. 815,824 ff.; Vorlagebeschluß des AG Nördlingen NStZ 1986, 315 ff.

Einleitung

17

Ineffienz des Umweltstrafrechts verwiesen, die nicht zuletzt auf die Verwaltungsakzessorietät zurückzuführen sei 14. Eser hat seine Kritik an der Verwaltungsakzessorietät plakativ dahingehend zusammengefaßt, die Verwaltungs akzessorietät sei die "Achillesferse" des Umweltstrafrechts 15. Horn sieht das Strafrecht zur "After-Disziplin" degradiert 16. Schall hält 10 Jahre nach der Neufassung des Umweltstrafrechts die Verwaltungsakzessorietät für die" ... Wurzel zwar nicht allen Übels, aber doch der größten Probleme bei der Anwendung des gegenwärtigen Umweltstrafrechts" 17. Die Kritik am Umweltstrafrecht gipfelt in der Forderung nach dessen ersatzloser Abschaffung 18, zumindest aber nach einer Reform, die die bisherige verwaltungsakzessorische Ausgestaltung der Strafrechtsnormen abschwächt und den Schutz der Umwelt im Sinne einer gleichmäßigen Strafrechtsdurchsetzung verstärkt 19. Die Reformüberlegungen finden u. a. in den Thesen des 57. DJT zum Thema "Empfehlen sich Änderungen im strafrechtlichen Umweltschutz, insbesondere in Verbindung mit dem Verwaltungsrecht?" ihren Niederschlag, wobei im Ergebnis über die Reformbedürftigkeit des Umweltstrafrechts Konsens bestand 20. Die Verwaltungsakzessorietät soll aber im Grundsatz erhalten bleiben 21. Mit dem Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Umweltkriminalität (2. UKG) reagieren Regierung und SPD-Fraktion auf die vielfältige Kritik an der seit 1980 geltenden Fassung des Umweltstrafrechts und auf die gesellschaftspolitische Forderung nach einem umfassenden Schutz der Umwelt 22 • Inhaltlich sehen Regierungs- wie Oppositionsentwurf eine Verschärfung des geltenden Umweltstrafrechts insbesondere insoweit vor, als eigenständige Straftatbestände für die Luftverunreinigung und die Bodenverunreinigung geschaffen werden sollen 23. Trotz der Einstellung neuer Straftatbestände in das StGB soll die 14 Kube / Seitz DRiZ 1987,41,43; Kühl, FS LacknerS. 815,857 m. w. N., insbesondere zum Vollzugsdefizit im Verwaltungsrecht; Heine UPR 1987,281,287; ders. / Meinberg, 57. DIT, D 86 ff.; Geulen ZRP 1988,323; Albrecht, 12. Strafverteidigertag, S. 39 f. 15 Eser bei Heine ZStW 103,819, 820. 16 Horn UPR 1983,362, 367. 17 Schall NIW 1990, 1263, 1265. 18 Backes, 12. Strafverteidigertag, S. 164, sofern der Gesetzgeber das Verhältnis Strafrecht - Verwaltungsrecht nicht neu bestimme; ihm folgend die Mehrheit der Arbeitsgruppe 3 (Umweltschutz durch Kriminalstrafrecht?) im Rahmen des 12. Strafverteidigertages 1988 in Heidelberg, vgl. die Ergebnisse der Arbeitsgruppe in: 12. Strafverteidigertag, S. 17; ferner Geulen ZRP 1988,323,324. 19 In diesem Sinne Geulen ZRP 1988,323,326. 20 Vgl. die Beschlüsse der Strafrechtlichen Abteilung des 57. DIT zu den §§ 324 ff. StGB, 57. DIT, Band II, L 281 ff. 21 Vgl. Beschluß Nr. 4a (57. DIT, Band II, L 279), der mit überwältigender Mehrheit (148:0:3 Stimmen) angenommen worden ist. 22 Die Bundesregierung hat den Schutz der Umwelt als eine der bedeutendsten Aufgaben unserer Zeit bezeichnet, vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion vom 18.12.1987, BT-Dr 11/1555, S. 1 ff. 23 Vgl. zu den Einzelheiten BT-Dr 12/192, S. 1 ff. (Regierungsentwurf) und BT-Dr 12/376, S. 1 ff. (SPD-Entwurf); die von der Regierung vorgeschlagenen Änderungen

2 Scheele

18

Einleitung

grundsätzlich verwaltungsakzessorische Ausgestaltung der Strafbestimmungen keine Änderungen erfahren 24. Die mit der Verwaltungsakzessorietät verbundenen Probleme blieben somit erhalten. Dies gilt speziell für den Regierungsentwurf, der im Gegensatz zum SPD-Entwurf 25 keine Regelung in das StGB aufnehmen will, die die Behandlung erschlichener oder sonst rechtsmißbräuchlich erlangter Genehmigungen festlegt 26 • Vielmehr soll es Rechtsprechung und Lehre überlassen sein, eine Lösung für das Kemproblem der Verwaltungsakzessorietät zu erarbeiten, nämlich die Fragestellung, ob und inwieweit das Strafrecht an rechtswidrige begünstigende oder belastende Verwaltungsakte bei der Beurteilung von Umweltbelastungen gebunden ist. Trotz der angeregten Diskussion der letzten Jahre ist eine konsensfahige Lösung dieses Problems nicht in Sicht. Dies gilt umso mehr, als die Frage der Behandlung fehlerhafter Verwaltungsentscheidungen zunehmend auch von öffentlich-rechtlicher Seite aufgegriffen wird und Ausgangspunkt für eine rechtsdogmatische Aufarbeitung des Verhältnisses von Verwaltungsrecht und Strafrecht allgemein ist 27. Mit der vorliegenden Arbeit sollen die Probleme der Verwaltungsaktsakzessorietät des Umweltstrafrechts - unter Einbeziehung der anstehenden Reform des Umweltstrafrechts - erörtert und einer Lösung zugeführt werden, die die "Herkunft" der Umweltstraftatbestände und deren sanktionsrechtliches Anliegen gleichermaßen berücksichtigt. Das Schwergewicht der Erörterung wird bei der Fragestellung liegen, inwieweit fehlerhafte behördliche Genehmigungen sich auf die Strafbarkeit nach den §§ 324 ff. StGB auswirken. Denn die Frage der Behandlung fehlerhaften, aber rechtswirksamen Verwaltungshandelns ist nicht nur entscheidend für die Strafbarkeit eines Genehmigungsinhabers oder eines Amtsträgers, der eine fehlerhafte Genehmigung erteilt hat. Sie wirft auch über den Bereich des Umweltstrafrechts hinaus ein Licht auf den Umgang der Strafrechtswissenschaft mit anderen Rechtsgebieten. Zu diesem Zweck sei der Untersuchung ein Kapitel vorangestellt, das die Verwaltungsakzessorietät des gegenwärtigen Umweltstrafrechts in ihren Erscheinungsformen und ihrem Ausmaß verdeutlicht, insbesondere im Hinblick auf die umweltrechtliche Genehmigung. begründen nach Auffassung des - damaligen - lustizministers "das schärfste Umweltstrafrecht der Welt", Kinkel ZRP 1991, 409, 414. 24 Vgl. zum Regierungsentwurf Hamm StV 1990, 219, 220; Sack MDR 1990, 286; SchöndorfNl 1991,527, 531; auf die Unterschiede beider Entwürfe wird später unter dem Aspekt der Verwaltungsaktsakzessorietät näher eingegangen. 25 § 330d Abs. 2 Nr. 2 des SPD-Entwurfs BT-Dr 12/376, S. 6. 26 BT-Dr 12/192, S. 12, da die gesetzliche Klärung dieser Frage nicht vordringlich und auch nicht auf den Umweltbereich beschränkt sei; kritisch hierzu Martin Neue Kriminalpolitik 3/1990, 18, 19 i. V. m. FN 12. 27 Neben der Tagung deutschsprachiger Strafrechtslehrer 1989 (vgl. den Bericht von Mitsch lZ 1989, 1047 ff.) haben sich der 9. Deutsche Verwaltungsrichtertag 1989 (vgl. den Vortrag von Hansmann vor dem IX. Arbeitskreis, abgedruckt in NVwZ 1989, 913 ff.) und die 50. Tagung der Staatsrechtslehrervereinigung (dokumentiert in VVDStRL 50 (1991» ausführlich dem Verhältnis von Strafrecht und Verwaltungsrecht gewidmet.

1. Kapitel

Die Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts Wenn gemeinhin der Begriff "Verwaltungsakzessorietät" verwendet wird, so ist damit keine Aussage darüber getroffen, wie die Abhängigkeit des Strafrechts vom Verwaltungsrecht in den einzelnen Straftatbeständen ausgestaltet ist. Vielmehr sind die Konstellationen der Verwaltungsrechtsakzessorietät und der Verwaltungsaktsakzessorietät 28 sowie als dritte Erscheinungsform die sog. begriffliche Akzessorietät 29 zu unterscheiden.

A. Die Verwaltungsrechtsakzessorietät Bei der Etablierung von Umweltstraftatbeständen im StGB stand der Gesetzgeber vor dem gesetzestechnischen Problem, ob und inwieweit er an die bereits vorhandenen verwaltungsrechtlichen Normen zum Schutze der Umwelt anknüpfen sollte. Der Gesetzgeber hat sich in noch näher zu bezeichnenden Fällen für die sog. Verwaltungsrechtsakzessorietät entschieden, d. h. die Abhängigkeit des Strafrechts von den Rechtsvorschriften des Umweltverwaltungsrechts 30 • Eine Strafrechtsnorm ist verwaltungsrechtsakzessorisch, wenn sie auf Gesetze im formellen oder materiellen Sinne Bezug nimmt. Der Gesetzgeber bringt diese Form der Abhängigkeit von der generellabstrakten Verwaltungsrechtswidrigkeit durch die Formulierungen "entgegen einer erlassenen ... Rechtsvorschrift" (§§ 329 Abs. 2, 3, 330 Abs. 1 Nr. 2 StGB), "unter grob pflichtwidrigem Verstoß gegen 28 Grundlegend Winkelbauer S. 11 f., 33 ff.; andeutungsweise auch Laujhütte / Möhrenschläger ZStW 92, 912, 919 FN 24; heute einhellige Meinung, vgl. Sch / Sch-Cramer Vor § 324 Rdn 4; SK-Horn Vor § 324 Rdn 6 ff.; Kühl, FS Laclrner S. 815, 827, 834; Breuer DÖV 1987,169,179; ders. AöR 115,448,455; Schall NJW 1990,1263,1265 f.; Ossenbühl / Huschens UPR 1991, 161, 163 jeweils mit weiteren Nachweisen. 29 Winkelbauer S. 11 f.; Rogall, FS Universität Köln S. 505, 522; Schall NJW 1990, 1263, 1265; Ossenbühl/ Huschens UPR 1991, 161, 163; Otto Jura 1991, 308, 309 f.; Nisipeanu S. 335; sehr restriktiv Prümm (S. 358 f.), der eine Einhaltung umweltverwaltungsrechtlicher Begriffsbestimmungen im Umweltstrafrecht wegen der Einheit der Rechtsordnung verlangt, soweit das Umweltstrafrecht nicht explizit eigenständige Umschreibungen beinhaltet. Ansonsten wird die begriffliche Akzessorietät nicht als eigenständige Erscheinungsform der Verwaltungsakzessorietät untersucht. In dem hier interessierenden Zusammenhang spielt die begriffliche Akzessorietät keine Rolle; sie kann daher vernachlässigt werden. 30 Winkelbauer S. 33 ff.; Heine / Meinberg, 57. DJT, D 47; Kühl, FS Lackner S. 815, 834 ff.; Breuer DÖV 1987, 169, 179; ders. NJW 1988, 2072, 2078; Rogall, FS Universität S. 505, 522; Schall NJW 1990, 1263, 1265; Ossenbühl/ Huschens UPR 1991, 161, 163.

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1. Kap.: Die Verwaltungs akzessorietät des Umweltstrafrechts

Rechtsvorschriften" (§ 330 Abs. 1 Nr. 4 StGB) oder entgegen "einer ... erlassenen Rechtsverordnung" (§ 326 Abs. 2, 329 Abs. 1 StGB) zum Ausdruck. Daneben wird die Verwaltungsrechtsakzessorietät durch die Merkmale "unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten" (§ 325 Abs. 1,4 StGB, ferner § 311 d Abs. 1, 4 StGB) gekennzeichnet 31. Die Funktion des Merkmals "unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten", die Verwaltungsrechtsakzessorietät im Umweltstrafrecht zu begründen, soll nach dem Entwurf der Bundesregierung gegenüber der gegenwärtigen Fassung des § 325 Abs. 4 StGB insoweit verstärkt werden, als de lege ferenda in einer neuen Legaldefinition dieses Merkmals explizit auf die aus Rechtsverordnungen erwachsenden Pflichten verwiesen werden soll 32 • Außerdem sollen alle Straftatbestände, die im Zuge des 2. UKG neu eingestellt bzw. reformiert werden, dieses Merkmal im Sinne der Vereinheitlichung enthalten 33. Die verwaltungsrechtsakzessorische Ausgestaltung des Umweltstrafrechts hat zur Folge, daß außerstrafrechtliche Normsetzungsakte, z. B. eines landesrechtlichen Verordnungsgebers, auf die Strafbarkeit umweltschädlichen Verhaltens einwirken, d. h. Normsetzungsakte, die dem Einfluß des Bundesgesetzgebers entzogen sind. Deswegen werden mitunter Bedenken gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Verwaltungsrechtsakzessorietät 34 geäußert 35. Der Gesetzgeber entmachte sich selbst und verstoße gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung, wenn er in Straftatbeständen an außerstrafrechtliche Ermächtigungen anknüpfe und diese für das Strafrecht als verbindlich erkläre 36 • Den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen (Art. 103 Abs. 2, 104 Abs. 1 GG) sei mit Blankettstraftatbeständen, die erst durch untergesetzliche Normen, namentlich Rechtsverordnungen ausgefüllt werden, nicht hinreichend Rechnung getragen worden 37. 31 Im Rahmen des § 325 Abs. 4 StGB werden die in den Umweltgesetzen enthaltenen Genehmigungspflichten in Bezug genommen. 32 § 330d Nr. 4 StGB in der Fassung des Regierungsentwurfs (BT-Dr 12/192, S. 6) lautet: (Im Sinne dieses Abschnittes ist) "eine verwaltungsrechtliche Pflicht: eine Pflicht, die sich aus einer Rechtsverordnung, einer vollziehbaren Untersagung, Anordnung oder Auflage ergibt, die dem Schutz vor Gefahren oder schädlichen Einwirkungen auf die Umwelt, insbesondere auf Menschen, Tiere oder Pflanzen, Gewässer, die Luft oder den Boden dient.". 33 Vgl. §§ 324a Abs. 1, 325 Abs. 1, 2, 325a Abs. 1, 2, 328 Abs. 3,4 StGB des Regierungsentwurfs, BT-Dr 12/192 S. 3 ff.; zur Vereinheitlichung der Verwaltungsakzessorietät mittels der oben zitierten Legaldefinition BT-Dr 12/192, S. 11. 34 Mitunter wird bei den verfassungsrechtlichen Bedenken nicht zwischen den verschiedenen Erscheinungsformen der Verwaltungsakzessorietät differenziert (so etwa Heine I Meinberg, 57. DJT, D 53 ff.; Ensenbach S. 229 ff.). Dabei bleiben aber die Eigenheiten der verschiedenen Konstellationen unberücksichtigt, die zu einer differenzierten Sicht der Verfassungsrechtslage zwingen. 35 Vgl. den Vorlagebeschluß des AG Nördlingen NStZ 1986,315 ff. (zu § 327 Abs. 2 Nr. 1 StGB) und die Zusammenstellung der gegen die Verwaltungsrechtsakzessorietät vorgegebrachten Bedenken bei Kühl, FS Lackner S. 815, 827 ff. 36 AG Nördlingen NStZ 1986, 315, 316 f. (zu § 327 Abs. 2 Nr. 1 StGB); vgl. auch Rudolphi NStZ 1984, 248, 249 (zu § 325 StGB); allgemein für BJankettnormen bereits Lenzen JR 1980, 133, 136. 37 Vgl. AG Nördlingen NStZ 1986, 315.

A. Die Verwaltungsrechtsakzessorietät

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Das BVerfG hat der oben skizzierten Auffassung im Hinblick auf die verwaltungsakzessorische Ausgestaltung des § 327 Abs. 2 Nr. 1 StGB eine klare Absage erteilt 38. Das Gericht bestätigt seine Rechtsprechung, wonach es dem Gesetzgeber mit Rücksicht auf Art. 103 Abs. 2 und 104 Abs. 1 GG nicht verwehrt ist, Blanketttatbestände zu formulieren, solange die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe für den Bürger schon aus der Ermächtigung und nicht erst aus einer hierauf gestützten Verordnung voraussehbar sind; dem Verordnungsgeber darf nur die Spezifizierung des Straftatbestandes überlassen werden 39. Diese Voraussetzungen sieht das BVerfG für § 327 Abs. 2 Nr. 1 StGB angesichts der Regelungsdichte des § 4 Abs. 1 BImSchG als erfüllt an 4O • Die Entscheidung des BVerfG stieß im Schrifttum auf breite Zustimmung, wobei allerdings der pauschale und dadurch mißverständliche Schluß gezogen wurde, die verwaltungsakzessorische Ausgestaltung der Umweltstraftatbestände unterliege keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken 41. Vielmehr ist für jeden Fall einer in der Strafandrohung in Bezug genommenen Ermächtigung zu prüfen, ob sie im Hinblick auf Art 80, 103 Abs. 2 und 104 Abs. 1 GG den vom BVerfG konkretisierten Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit genügt. So weist selbst der Regierungsentwurf angesichts der gegenwärtig geringen Normdichte im Umweltrecht ausdrücklich darauf hin, daß Anknüpfungspunkt für eine "Verletzung verwaltungsrechtlicher Plichten" im Sinne eines § 330 d Nr. 4 StGB i. d. F. eines 2. UKG nur solche Rechtsvorschriften sein können, bei denen " ... im Zusammenspiel mit der einschlägigen Strafvorschrift der Normadressat das strafrechtlich Verbotene mit hinreichender Sicherheit erkennen kann" 42. Die Strafvorschriften müssen die geschützten Rechtsgüter und die mit Strafe bedrohten Verhaltensweisen herausstellen, damit eine rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechende Verweisung auf umweltverwaltungsrechtliche Normen Platz greifen kann 43 • Damit verlagert sich das Problem der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit einer verwaltungsrechtsakzessorischen Ausgestaltung des Umweltstrafrechts von der Frage des "Ob" einer Verweisung auf außerstrafrechtliche Normen dahin, inwieweit die in Bezug genommenen Normen des Umweltverwaltungsrechts ihrerseits gemessen an den Anforderungen des strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes über eine hinreichende Regelungsdichte verfügen. BVerfGE 75, 329, 340 ff. BVerfGE 75, 329, 342; ebenso bereits BVerfGE 14, 174, 185 f.; 14,245,252; 22, 21, 25; 23, 265, 269 f. 40 BVerfGE 75, 329, 344. 41 Vgl. Ossenbühl/ Huschens UPR 1991, 161, 164; differenzierender im Hinblick auf die Bestimmtheit der Umweltstraftatbestände Gerhardt BayVBl1990, 549, 551 der auf die verhältnismäßig detaillierte und insoweit nicht verallgemeinerungsfähige Vorschrift des § 4 BlmSchG hinweist, die das BVerfG bei seiner Entscheidung zugrundelegen konnte. 42 BT-Dr 12/ 192, S. 31; als nicht hinreichend bestimmte Normen werden etwa §§ 5, 22 BlmSchG angesehen, BT-Dr 12/192, S. 18 unter Verweis auf LK-Steindorf § 330 Rdn. 9 und Sch / Sch-Cramer § 330 Rdn. 6. 43 Vgl. BVerfGE 14,245, 253; Winkelbauer S. 34. 38

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1. Kap.: Die Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts

Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, daß die Bestimmtheit der vom Strafrecht in Bezug genommenen Normen des Umweltverwaltungsrechts im Einzelfall darüber entscheidet, inwieweit die verfassungsrechtlich gebotene Bestimmtheit von Strafrechtsnormen gewahrt ist. Die Verwaltungsrechtsakzessorietät unterliegt gleichwohl per se keinen durchschlagenden verfassungsrechtlichen oder rechtspolitischen Bedenken. Sie verleiht dem Strafrecht ein hohes Maß an Flexibilität insofern, als das Umweltstrafrecht mittels der in Bezug genommenen Normen des Verwaltungsrechts den sich stetig ändernden Anforderungen an die Umweltgesetzgebung in der Industrie- und Konsumgesellschaft angepaßt wird. Eine verstärkt verwaltungsrechtsakzessorische Ausgestaltung des Umweltstrafrechts, wie von Regierung und SPD-Fraktion vorgeschlagen 44 , ist daher erstrebenswert.

B. Die Verwaltungsaktsakzessorietät Als weitere Erscheinungsform der Verwaltungsakzessorietät ist die Verwaltungsaktsakzessorietät zu nennen. Darunter ist die Abhängigkeit des Strafrechts von Verwaltungsakten zu verstehen 45 • Der Gesetzgeber hat die Strafbarkeit nach den §§ 324 ff. StGB vielfach von Einzelanordnungen der Verwaltungsbehörden abhängig gemacht, wobei auf belastende (§§ 325 Abs. 1,4, 327 Abs. 1, 2, 328 Abs. 1, 329 Abs. 1, 3, 330 Abs. 1 StGB) und begünstigende Verwaltungsakte (§§ 324 Abs. 1,326 Abs. 1,327 Abs. 1,2,328 Abs. 1,330 Abs. 1 StGB) Bezug genommen wird. Nach dem Willen der Bundesregierung soll die Verwaltungsaktsakzessorietät im Umweltstrafrecht nach dessen Reform durch das 2. UKG in weitem Umfang erhalten bleiben, vermittelt durch das Merkmal "unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten". Danach würden das Fehlen einer Genehmigung für die Umweltbeeinträchtigung ebenso zum Tatbestandsmerkmal erhoben (§§ 327 Abs. 1, 2, 328 Abs. 1, 330 Abs. 1 Nr. 3 und 4 StGB) wie das Nichteinhalten einer vollziehbaren Untersagung, Anordnung oder Auflage (§§ 324 a Abs. 1,325 Abs. 1, 2, 325 a Abs. 1, 2, 326 Abs. 3, 327 Abs. 2, 328 Abs. 3, 4, 329 Abs 2, 3 i. V. m. § 330 d Nr. 4 StGB). Damit ginge freilich eine nicht unerhebliche Verfestigung der Verwaltungsaktsakzessorietät im Umwe1tstrafrecht einher, auch wenn zugleich - der Intention des Gesetzgebers entsprechend gleichsam als Korrektiv 46 - die Verwaltungsrechtsakzessorietät umfassender als bisher gesetzestechnisch zum Ausdruck kommt. Entsprechend größere Bedeutung hätte ins beVgl. zur Konzeption des SPD-Entwurfs BT-Dr 12/376, S. 10. Zum Begriff der Verwaltungsaktsakzessorietät Winkelbauer S. 34 ff.; Heine / Meinberg, 57. DIT, D 47; Breuer DÖV 1987, 169, 179; Rogall, FS Universität Köln, S. 505, 522; Schall NJW 1990, 1263, 1266; Ossenbühl / Huschens UPR 1991, 161, 163. 46 Vgl. BT-Dr 12/192, S. 12. 44 45

B. Die Verwaltungsaktsakzessorietät

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sondere die Fragestellung, wie die behördliche Genehmigung einer beantragten Umweltnutzung im Strafrecht zu behandeln ist. Dem Entwurf eines 2. UKG der SPD-Fraktion liegt gegenüber dem Konzept der Bundesregierung die Idee eines verstärkt verwaltungsrechtsakzessorischen Umweltstrafrechts zugrunde. Die Strafvorschriften sollen auf Tatbestandsebene nicht von Einzelanordnungen der Verwaltung abhängen. Die Verbindung von Umweltrecht und Strafrecht soll erst im Rahmen der Rechtfertigung mittels des durchgängig verwendeten Merkmals "unbefugt" hergestellt werden. Etwaigen Auslegungs- und Anwendungsproblemen, die aus der Verwaltungsakzessorietät resultieren könnten, will der SPD-Entwurf mit einer Legaldefinition des Merkmals "unbefugt" im Anschluß an die Umweltstraftatbestände begegnen 47 • Auf dieser Grundlage ist lediglich das Problem des Rechtsrnißbrauchs kraft Gesetzes einer Lösung zugeführt. Die prinzipielle Frage hingegen, ob der Strafrichter einer rechtswidrigen Genehmigung unabhängig von der Art und Weise ihres Zustandekommens strafbarkeitsausschließende Wirkung beimessen muß, regelt der SPDEntwurf nicht. Die Problematik der Bindung des Strafrichters an die behördlichen Genehmigung wird damit selbst im Falle einer Novellierung des Umweltstrafrecht nicht in dem einen oder anderen Sinne gesetzlich entschärft. Bevor die Wirkung einer rechtswidrigen behördlichen Genehmigung im Umweltstrafrecht untersucht werden kann, erscheint zunächst eine Analyse der gesetzgeberischen Entscheidung für ein verwaltungsakzessorisches bzw. konkret für ein verwaltungsaktsakzessorisches Umweltstrafrecht sinnvoll. Die gesetzgeberischen Motive sollten Hinweise geben, inwieweit im Verhältnis von Umweltrecht und Strafrecht einer Rechtsmaterie Vorrang einzuräumen ist. Dies gilt jedenfalls für den Normalfall einer formell und materiell rechtmäßigen Genehmigung. Ohne eine Analyse des Normalfalles, d. h. der Funktion einer behördlichen Genehmigung in einem bewußt verwaltungsakzessorischen Umweltstrafrecht, lassen sich keine verläßlichen Erkenntnisse darüber gewinnen, ob einer rechtswidrigen Genehmigung in gleicher Weise strafrechtliche Bedeutung zukommt.

§ 330d Abs. 2 des SPD-Entwurfes (BT-Dr 12/376, S. 6) lautet wie folgt: "Im Sinne dieses Abschnittes handelt unbefugt, wer

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1. gegen Rechtsvorschriften oder gegen Verwaltungsakte verstößt, die dem Schutz der Umwelt vor schädlichen Einwirkungen und Gefahren dienen, 2. eine rechtswidrige Zulassung, deren Erlaß oder Aufrechterhaltung durch Täuschung, Drohung oder Bestechung erschlichen oder sonst erwirkt worden ist, oder eine offensichtlieh veraltete oder überholte Zulassung grob pflichtwidrig ausnutzt, oder 3. im Ausland handelt, ohne über eine Zulassung zu verfügen, die die Herbeiführung der Gefährdung oder nachteiligen Veränderungen gestattet."

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1. Kap.: Die Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts I. Die Entscheidung des Gesetzgebers für ein verwaltungs( akts )akzessorisches Umweltstrafrecht

Der Gesetzgeber hat sich anläßlich der Etablierung von Umweltstraftatbeständen im Kernstrafrecht durch das 18. StrÄndG dafür entschieden, das Strafrecht weitgehend an die Vorgaben des Umweltverwaltungsrechts zu binden. Er hat sich damit den Vorwurf eingehandelt, ein ineffektives Umweltstrafrecht geschaffen zu haben, das allein wegen seiner "Herkunft" als Appendix der Verwaltungsgesetze verwaltungsakzessorisch ausgestaltet ist, ohne daß alternative Gesetzgebungstechniken in ausreichendem Maße ernsthaft in Erwägung gezogen oder diskutiert worden sind. Der Gesetzgeber habe vielmehr dem Ruf der Öffentlichkeit nach einem schlagkräftigen Umweltstrafrecht nachgebend 48 vorschnell die vorhandenen Strafbestimmungen der Verwaltungsgesetze, wenn auch geringfügig modifiziert und ergänzt, in das StGB übernommen, ohne damit ein durchdachtes Konzept zu verfolgen 49. Dabei hätte es nicht an Alternativen zu der bevorzugten verwaltungsakzessorischen Gesetzgebungstechnik gefehlt. Anstelle der Konzeption des 18. StrÄndG wäre auch in Anlehnung an das französische Modell die Pönalisierung des Verwaltungsungehorsams und damit die strafrechtliche Absicherung des verwaltungsrechtlichen Umweltschutzes denkbar gewesen, ohne eigenständige umweltbezogene Rechtsgüter originär zu definieren; dennoch sollen sich nach der Rechtsprechung in Frankreich behördliche Genehmigungen erst auf Strafzumessungsebene auswirken, nicht aber das Umecht der Tat ausschließen 50. Stattdessen hätte der Gesetzgeber auch von vorneherein ein stärker verwaltungsrechtsakzessorisches Modell favorisieren können, wie es das österreichische Umweltstrafrecht kennt, ohne jedoch auf originär strafrechtliche Tatbestände zu verzichten 51. Den Kritikern der Verwaltungsakzessorietät ist zuzugeben, daß die Verknüpfung von Verwaltungsrecht und Strafrecht, die mit dem 18. StrÄndG eingeführt worden ist, zu einer Beschränkung der Schutzfunktion und der Wirkungsweise des Umweltstrafrechts führt. Das Strafrecht hat eher die Funktion übernommen, für die Durchsetzung des Umweltverwaltungsrechts Sorge zu tragen. Dies erscheint auf den ersten Blick deshalb problematisch, weil Strafrecht und Verwaltungsrecht erhebliche strukturelle Unterschiede aufweisen, worauf zu Recht be48 Den Verdacht "symbolisch effektiver" Rechtssetzung hat nachdrücklich Kuhlen StV 1986, 544, 549 formuliert, der einen Zweck der Reform des Umweltstrafrechts darin sieht, " ... die gestiegenen Erwartungen an politisches Handeln im Umweltbereich zufriedenzustellen ... ". 49 VgI. die Kritik von Albrecht, 12. Strafverteidigertag, S. 36 ff.; kritisch zur Ausgestaltung der Umweltstraftatbestände auch Hirsch, GedS H. Kaufmann S. 133, 153. 50 Zur Rechtslage in Frankreich Albrecht Krimsoz. BibI. 1987 (55), 1,3; Heine UPR

1987,281,282 f. m. w. N. 51

Zu den unterschiedlichen Lösungen in Deutschland und Österreich Heine UPR

1987,281,282; ders. ÖJZ 1991, 370, 371 f., 373.

B. Die Verwaltungsaktsakzessorietät

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reits mehrfach hingewiesen worden ist 52. Der retrospektiven Ausrichtung des Strafrechts steht das Bestreben des Umweltverwaltungsrechts gegenüber, für die Zukunft durch vorsorgende, planende und gestaltende Umweltpflege auf einen Ausgleich der widerstreitenden wirtschaftlichen und gewerblichen Interessen einerseits und der ökologischen Interessen der Allgemeinheit andererseits hinzuwirken 53. Umweltrecht bedeutet aber ursprünglich vorbeugende Gefahrenabwehr, auch wenn Umweltschutz im "sozialen Verwaltungsstaat" 54 im Sinne einer planerischen Gestaltung weit über das klassische Verständnis hinausgeht 55. Insoweit ergänzt das strafrechtliche Sanktionensystem das präventivpolizeiliche Instrumentarium des Verwaltungsrechts zum Schutze der Umwelt. Damit ist zwar keine Aussage über die Zweckmäßigkeit eines verwaltungsakzessorischen Umweltstrafrechts getroffen. Der Gesichtspunkt der verwaltungsrechtlichen Gefahrenabwehr erhellt aber, daß Umweltstrafrecht und Umweltverwaltungsrecht im Hinblick auf die Zielvorstellung eines wirksamen Umweltschutzes durch das Verwaltungsrecht nicht von vorneherein unvereinbar nebeneinander stehen; die strafrechtlichen Sanktionen sind - bei einer Verknüpfung von Verwaltungsund Strafrecht - dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechend in ein Stufenverhältnis zu den Instrumenten der Gefahrenabwehr, Ressourcenbewirtschaftung und Planung zu bringen, die der Funktion des Strafrechts als "ultima ratio" des rechtsstaatlichen Sanktionensystems Rechnung trägt 56. Diskussionswürdig ist allerdings, ob das Strafrecht nicht jedenfalls dann verwaltungsunabhängig ausgestaltet sein sollte, wenn das Verwaltungsrecht planerisch und gestaltend auf den Schutz der Umwelt hinwirkt 57 , da dem Strafrecht eine planerische und gestaltende Ausrichtung angesichts seiner auf den status quo bezogenen Schutzfunktion wesensfremd ist. Ansatzpunkt für die Problemlösung kann nur die Erkenntnis sein, daß der Umweltschutz und damit auch ein dem Umweltschutz verpflichtetes Strafrecht in das Wirtschaftssystem eingreift. Dem Umweltrecht kommt in der Industriegesellschaft die Aufgabe zu, einen Ausgleich zwischen ökologischen und Wirtschafts interessen zu erzielen 58. Die industrielle bzw. gewerbliche Nutzung der Umweltressourcen ohne jedwedes umweltbeeinträchtigendes Verhalten ist de facto nicht vorstellbar; daher kann ein absolutes Verbot, die Umwelt zu verunreinigen, nicht mit dem Anspruch der 52 Vgl. Heine / Meinberg, 57. DJT, D 56; Ossenbühl, Referat 57. DJT, L 36, 43 f.; Breuer NVwZ 1988,2072,2077; Meurer NJW 1988,2065,2069; Dahs / Redeker DVBI. 1988, 803, 804. 53 Zur Ausgleichsfunktion des Umweltverwaltungsrechts Bender / Sparwasser Rdn. 12 ff.; Meurer NJW 1988, 2065, 2069. 54 Breuer DÖV 1987, 169, 177; ihm folgend Dahs / Redeker DVBI. 1988,803,804. 55 Vgl. statt aller Bender / Sparwasser Rdn. 4, 47. 56 Zum Strafrecht als "ultima ratio" im Gesamtgefüge der Rechtsordnung BVerfGE 39,1, 44ff.; Breuer DÖV 1987, 169, 177. 57 In diese Richtung argumentierend Horn UPR 1983,363 ff. 58 Bender / Sparwasser Rdn. 12 ff.; Breuer DÖV 1987, 169, 177 f.; ders. NJW 1988, 2072,2076 f.; Meurer NJW 1988,2065,2069; Keller, Referat 57. DJT, L 15, 17.

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1. Kap.: Die Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts

Durchsetzbarkeit formuliert werden 59. Stattdessen sind die wirtschaftlichen und die ökologischen Interessen im Rahmen einer Interessenabwägung dahingehend zu harmonisieren, eine übermäßige Nutzung der Umwelt zu verhindern 60. Das Umweltrecht enthält für die einzelnen Umweltgüter gesetzliche Regelungen, die die bei der Interessenabwägung einzuhaltenden Grenzen einer noch verträglichen Umweltnutzung umschreiben 61 • Auch wenn sich das Umweltrecht in erster Linie an die Verwaltungsbehörden richtet 62 , denen die Überwachung der Umweltgüter obliegt, so kann sich das Strafrecht bzw. die Strafjustiz der Determinierung von Umfang und Intensität des Umweltschutzes jedenfalls insoweit nicht entziehen, wie sie durch die Verwaltungsgesetze im Hinblick auf die gebotene Interessenabwägung erfolgt. Vielmehr muß die strafrechtliche Definition umweltschädlicher Verhaltensweisen auf die Abwägung wirtschaftlicher und ökologischer Interessen Bezug nehmen, wie sie im Umweltverwaltungsrecht vorgenommen wird. Anderenfalls ist das Strafrecht von vorneherein dem Vorwurf ausgesetzt, nur symbolisch Umweltschutz zu betreiben, da strengere Verhaltensmaßregeln gegenüber der auf die Umweltgesetze gestützten Vollzugspraxis der Umweltbehörden nicht durchsetzbar sind. Der Regierungsentwurf des 2. UKG hat dies auf die treffende Formel gebracht, im Strafrecht könnten nicht abweichende und strengere Verhaltensmaßstäbe entwickelt werden als im übrigen Umweltrecht 63 • Damit wird auf den vielzitierten Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung 64 verwiesen, als dessen Ausprägung die Verwaltungsakzessorietät mitunter verstanden wird 65 • Eine abschließende Würdigung der Verwaltungsakzessorietät soll hier nicht vorgenommen werden. Festzuhalten ist jedoch, daß Gesetzgebungstechnik und Strafrechtsdogmatik die wirtschaftliche und gewerbliche Interessenlage im Bereich des Umweltstrafrechts gleichermaßen zu berücksichtigen haben. Die Regelungsmaterie Umweltrecht mit ihren komplexen Beziehungen zum industriellen System erfordert gegenüber einem am Individualrechtsgüterschutz orientierten Strafrecht eine andere Art der Setzung und Anwendung von Strafrechtsnormen. Der Gesetzgeber könnte sich freilich darauf beschränken, besonders schwerwiegende, da Gesundheit und Leben des Menschen bedrohende Umweltbeeinträchti59 Vgl. Laufhütte / Möhrenschlager ZStW 92, 912, 919; Meurer NJW 1988, 2065, 2069. 60 Meurer NJW 1988,2065,2069; Keller, Referat 57. DJT, L 15, 17. 61 Vgl. Bender / Sparwasser Rdn. 14. 62 Breuer NJW 1988,2072,2076. 63 BT-Dr 12/192, S. 11. 64 Der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung ist eine der am häufigsten verwendeten Argumentationsmuster im Zusammenhang mit dem Umweltstrafrecht. Auch der SPD-Entwurf zur Reform des Umweltstrafrechts stellt maßgeblich auf den Gedanken der Einheit der Rechtsordnung ab, vgl. BT-Dr 12/376, S. 9 ff. Berechtigung bzw. Inhalt dieses Grundsatzes sollen noch ausführlich unter dem Aspekt der Legalisierungswirkung einer umweltrechtlichen Genehmigung behandelt werden. 65 Rogall, FS Universität Köln S. 505, 522; Breuer DÖV 1987, 169, 177; ders. NJW 1988, 2072, 2077.

B. Die Verwaltungsaktsakzessorietät

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gungen in verwaltungsunabhängigen Vorschriften zu pönalisieren, bei denen eine Interessenabwägung evident zugunsten des Schutzes des Individuums ausfallt, so daß ein Konflikt mit verwaltungsrechtlichen Regelungen von vorneherein nicht zu befürchten steht 66. Will man den strafrechtlichen Umweltschutz nicht auf extreme Rechtsgutsgefährdungen beschränken, ist im Hinblick auf die wie dargelegt - erforderliche Interessenabwägung eine Anknüpfung an verwaltungsrechtliche Vorgaben im Umweltstrafrecht geboten. Mittels der Inbezugnahme des Umweltverwaltungsrechts ist gewährleistet, daß sich das Strafrecht im Sinne seiner ultima-ratio-Funktion rechts staatlich einwandfrei 67 als Umsetzung des in der Materie Umweltschutz angelegten Interessenkonflikts begreift. Daher ist die eindeutige Stellungnahme von Regierung und Opposition, bei der anstehenden Novelierung des Umweltstrafrechts an der Verwaltungsakzessorietät festzuhalten 68 , uneingeschränkt zu begrüssen.

11. Die Funktion der behördlichen Genehmigung im Umweltstrafrecht

Ausgehend von dem Interessenwiderstreit, der das Umweltrecht kennzeichnet, gilt es die Funktion und Relevanz der behördlichen Genehmigung zu beurteilen. Die Umweltbehörden legen kraft gesetzlichen Auftrags die Rechte und Pflichten des einzelnen gegenüber den Umweltgütern und damit gegenüber der Allgemeinheit fest. Sie entscheiden darüber, welche Nutzungsvorhaben mit den Bestimmungen der Umweltgesetze in Einklang stehen und welche Maßnahmen zu einer umweltkonformen Betätigung ergriffen werden müssen. Daraus resultieren Gestattungsakte ebenso wie belastende Verwaltungs akte im Sinne der Gefahrenabwehr. Nun könnte den Einzelanordnungen der Verwaltung keine eigenständige Bedeutung beigemessen werden, handelte es sich bei der Verwaltung der Umweltgüter um eine streng gesetzesgebundene Verwaltung. Bezeichnend für das Umweltrecht sind indessen die den Verwaltungsbehörden obliegenden Ermessensentscheidungen, wodurch im Einzelfall auf eine interessengerechte Nutzung der Umweltgüter hingewirkt werden soll. Dies gilt insbesondere für Erlaubnis- bzw. Befreiungserteilungen oder Ausnahmebewilligungen 69 • Die gesetzlichen Bestimmungen im Bereich des Umweltrechts sind nicht derart umfassend, daß der Erlaubnis- oder Verbotsbereich in jedem Falle allein aufgrund der Gesetzesfas66 Diesbezüglich stellt sich allerdings die rechtspolitische Frage, inwieweit strafrechtlieher Umweltschutz etabliert werden soll, zumal ein verwaltungsunabhängiges Umweltstrafrecht einschränkender Kausalitäts- und Zurechnungskriterien bedarf, die die Strafverfolgung nicht erleichtern werden. 67 Die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit die Verwaltungsakzessorietät rechtsstaatlieh geboten ist (bejahend die strafrechtliche Abteilung des 57. DJT., Beschluß Nr. 4 b, 57. DIT, Band 11, L 259), wird im Hinblick auf den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung noch zu erörtern sein. 68 Vgl. BT-Dr 12/192, S. 11 einerseits und BT-Dr 12/376, S. 9 andererseits. 69 z. B. §§ 2,6 WHG, § 31 BNatSchG.

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1. Kap.: Die Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts

sung eindeutig bestimmbar ist. Sofern dem Gesetzgeber eigene Erkenntnisse fehlen, ist er auf die Fachkompetenz der Verwaltung zur Bestimmung des Pflichtenkreises des einzelnen angewiesen; gesetzes technisch drückt sich dies in der Anhäufung ausfüllungsbedürftiger unbestimmter Rechtsbegriffe aus. Die Folge ist, daß der Verwaltung im Rahmen der Gesetzesanwendung in weitem Umfang Entscheidungskompetenzen eingeräumt sind 70. Nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit und der Rechtsanwendungsgleichheit werden Umweltstandards (zB Grenzwertfestsetzungen im Wasser- oder Immissionsschutzrecht) formuliert, die als Korrektiv die offenen Gesetzestatbestände ausfüllen 71. Speziell für Gestattungsakte kommt hinzu, daß sich die Erlaubnisfähigkeit eines konkreten Vorhabens nicht zwingend unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. So sieht das WHG stets Ermessensentscheidungen der Verwaltung vor, wobei der Bürger lediglich das Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, nicht aber einen direkten Gestattungsanspruch geltend machen kann; § 6 WHG regelt lediglich, in welchen Fällen eine wasserrechtliche Gestattung (Erlaubnis oder Bewilligung) zwingend zu versagen ist. Die Erlaubnisfähigkeit wird hingegen nicht definiert, sondern in das Ermessen der Wasserbehörde gestellt 72. Daher fällt gerade im Bereich der Gestattung beantragter Umweltnutzungen die Kompetenz der Verwaltung ins Gewicht, im Rahmen einer Interessenabwägung die Rechtsstellung des AntragssteIlers zu konkretisieren. Selbst wenn ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung existiert, etwa nach § 12 AbfG oder § 6 BImSchG, kann sich der Bürger unstreitig nur auf einen formalen Gestattungsakt berufen, der das subjektiv-öffentliche Recht auf Nutzung des konkreten Mediums für und gegen jedermann festschreibt 73. Auf der anderen Seite muß das Anliegen des Umweltrechts, den hinsichtlich der Nutzung der Umweltgüter bestehenden Interessenkonflikt zum Ausgleich zu bringen, in die Erwägungen einfließen, wie ein Strafrecht zum Schutze der Umwelt gesetzestechnisch auszugestalten ist. Die momentane Ausgestaltung des Umweltrechts soll den Gesetzesanwender in die Lage versetzen, im Sinne eines effektiven Umweltschutzes der fortschreitenden technischen Entwicklung und dem Wandel wissenschaftlicher Erkenntnisse entsprechend flexibel zu reagieren. Diese in der Materie Umweltrecht angelegte und erwünschte Flexibilität wird konsequenterweise gerade als Vorteil der Verwaltungsrechtsakzessorietät gepriesen, da die ins verwaltungsakzessorische Strafrecht transponierte Flexibilität dem Strafrecht schnellere und realitätsnahe Reaktionen eröffne 74. 70

Bender / Sparwasser Rdn. 33; Breuer NJW 1988, 2072, 2076 f.; Ossenbühl DVBI

1988, 963, 972.

Bender / Sparwasser Rdn. 36. Vgl. Gieseke / Wiedemann / Czychowski § 6 Rdn. 2 ff.; Bender / Sparwasser Rdn. 696; Kloepjer § 11 Rdn. 89; Hili GewArch 1981, 155. 71

72

73 Die strafrechtliche Relevanz der Genehmigungsfähigkeit eines bestimmten Verhalten ist umstritten und wird noch zu erörtern sein. 74 So Schall NJW 1990, 1263, 1266.

B. Die Verwaltungsaktsakzessorietät

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Wenn aber die Nonnen des Umweltrechts 75 in Teilen die umweltrelevanten Verhaltensweisen (noch) nicht denn aßen umschreiben und präzisieren können, daß der Pflichtenkreis des einzelnen nachvollziehbar detenniniert ist, dann darf die mit einer verwaltungsbehördlichen Einzelanordnung verbundene Konkretisierungswirkung nicht gering geschätzt werden 76. Der strafrechtliche Schutz eines der stetigen technischen und wissenschaftlichen Entwicklung unterliegenden Umweltrechts verlangt auf gesetzestechnischer Ebene, sofern man der verwaltungsakzessorischen Ausgestaltung des Strafrechts das Wort redet, die dem Regelungsbereich Umweltrecht immanente Flexibilität - vennittelt durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe - mit Rücksicht auf den strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz auszugleichen. Wer Zweifel an der Vereinbarkeit einer verwaltungsaktsakzessorischen Gesetzgebungstechnik mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitgrundsatz hegt 77 , wird eingestehen müssen, daß die in Betracht kommende Alternative, die Verweisung auf ein durch unbestimmte Rechtsbegriffe geprägtes Umweltrecht ohne die Konkretisierungswirkung verwaltungs behördlicher Einzelanordnungen 78, ebensowenig dem Ideal der Bestimmtheit von Strafrechtsnonnen entspricht 79. In der Konsequenz dieser Erkenntnis werden die Verfechter eines verwaltungsakzessorischen Umweltstrafrechts auch im Rahmen der anstehenden Novellierung der §§ 324 ff. StGB an der Verwaltungsaktsakzessorietät festhalten müssen 80. Damit verbunden ist allerdings eine Relativierung der an die gesetzliche Bestimmtheit von Strafrechtsnonnen zu stellenden Anforderungen, da mangels Alternative gleichsam die Konkretisierungswirkung der Verwaltungsakte dazu verwendet wird, die erforderliche Gesetzesbestimmtheit seitens der Legislative herzustellen 81. Dies läßt sich damit rechtfertigen, der Bestimmtheitsgrundsatz verlange nur die größtmögliche Bestimmtheit von Straftatbeständen 82 und vom Gesetzgeber könne bei der Fonnulierung von Umweltstraftatbeständen nichts Unmögliches verlangt werden 83, nämlich hinreichende bestimmte Verhaltensnormen für die entsprechenden Lebensbereiche auf der einen Seite und Ennessens75 Inklusive der Rechtsverordnungen, die aufgrund von Ennächtigungsgrundlagen in den Umweltgesetzen ergangen sind. 76 In diese Richtung auch Kühl, FS Lackner S. 815, 838 f. 77 Vgl. Kühl, FS Lackner S. 815, 834 ff.; Schall NJW 1990, 1263, 1266. 78 Die Verwaltungsrechtsakzessorietät könnte sich folglich nur auf solche Nonnen des Umweltrechts erstrecken, die aus sich heraus über eine hinreichende Regelungsdichte verfügen. 79 So konsequent Kühl, FS Lackner S. 815, 838; insoweit zustimmend Winkelbauer DÖV 1988,723,725. 80 Zutreffend insoweit der Regierungsentwurf eines 2. UKG, der die Unverzichtbarkeit der Verwaltungsaktsakzessorietät betont, BT-Dr 12/192, S. 12; ebenso bereits Rogall, FS Universität Köln S. 505, 523. 81 Treffend Kühl, FS Lackner S. 815, 838. 82 Vgl. BVerfGE 14, 245, 251; 48, 48, 56 f.; Sch / Sch-Eser § 1 Rdn. 20. 83 Vgl. Kühl, FS Lackner S. 815, 838.

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1. Kap.: Die Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts

und Beurteilungsspielräume für die flexible und realitätsnahe Handhabung des umweltrechtlichen Kontrollinstrumentariums auf der anderen Seite. Vor diesem Hintergrund ist auch die bereits angesprochene Entscheidung des BVerfG zu § 327 Abs. 2 StGB zu würdigen 84, die aufgrund eines Vorlagebeschlusses des AG Nördlingen 85 erging. Das BVerfG hat die vom Gesetzgeber gewählte Konzeption für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Franzheim hat aus der Entscheidung zu § 327 Abs. 2 Nr. 1 StGB den Schluß gezogen, die Verwaltungsaktsakzessorietät dürfe nicht als strenge Anbindung des Strafrechts an verwaltungsbehördliche Einzelanordnungen interpretiert werden 86. Aus der Entscheidung des BVerfG läßt sich diese Interpretation nicht ableiten 87 • Vielmehr sieht das BVerfG lediglich Probleme für die Rechtsanwendung im Einzelfall bei mit schweren Mängeln behafteten Genehmigungen und bei behördlichen Duldungen 88. Eine Definition der "schweren Mängel" enthält die Entscheidung nicht. Außerdem wird nicht dargestellt, auf welche Weise die Eigengesetzlichkeiten von Verwaltungs- und Strafrecht in den genannten Fällen harmonisiert werden sollen, sofern sie denn einer Harmonisierung zugänglich sein sollten. Die Gesetzeslage könnte auch dazu zwingen, dem einen Rechtsgebiet bzw. dessen Wertungen den Vorrang einzuräumen, auch wenn dies der Intention des anderen Rechtsgebiets zuwiderläuft. Die vom BVerfG angesprochenen Probleme bedingen jedenfalls nicht, die vom Gesetzgeber in § 327 Abs. 2 Nr. 1 StGB gewählte Konzeption für verfassungswidrig zu erklären. Etwas anderes kann auch nicht für andere verwaltungsaktsakzessorische Straftatbestände gelten, zumal die Verwaltungsakte, sofern hinreichend bestimmte umweltrechtliche Vorschriften fehlen, den Pflichtenkreis des einzelnen erst konkretisieren. 111. Die Einordnung der behördlichen Genehmigung in den Deliktsautbau

Die behördliche Genehmigung spiegelt das Ergebnis der von der Verwaltungsbehörde vorgenommenen Interessenabwägung wieder. Danach steht nach Auffassung der zuständigen Verwaltungsbehörde fest, daß das beantragte Vorhaben den umweltrechtlichen Vorschriften entspricht und das Interesse der Allgemeinheit an der Reinhaltung der Umweltmedien gegenüber dem Interesse des Antragstellers an deren Nutzung zurücktritt. Der im Umweltrecht angelegte Interessenkonflikt verdeutlicht, welches Prinzip der behördlichen Genehmigung zugrundeliegt, das Prinzip des überwiegenden Interesses. Insoweit entspricht die behördliche Genehmigung vom Ausgangspunkt dem rechtfertigenden Notstand (§ 34 BVerfGE 75, 329 ff. AG Nördlingen NStZ 1986,315 ff. 86 Franzheim JR 1988, 319. 87 Zutreffend Dahs / Redeker DVBl 1988, 803, 804; Bickel. Anwendungsprobleme S. 261 FN 3. 88 BVerfGE 75, 329, 346. 84 85

B. Die Verwaltungsaktsakzessorietät

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StGB) und der in dessen Rahmen gebotenen Interessenabwägung, auch wenn die Interessenabwägung ex ante erfolgt 89. Der das Verhältnis zu § 34 StGB betreffende Streit, ob die verwaltungsrechtlichen Vorschriften und die darauf beruhende Entscheidung der Verwaltung Vorrang gegenüber der Anwendung des § 34 StGB haben 90, ist im Ergebnis unerheblich 91, solange die h. M. zutreffend die Genehmigungsvorschriften der Umweltgesetze nicht unter Rückgriff auf § 34 StGB unterlaufen will und dementsprechend die Voraussetzungen des § 34 StGB nur in Not- oder Katastrophenfällen vorliegen sollen 92 • Hat die Verwaltungsbehörde ein Nutzungsvorhaben mit den Interessen der Allgemeinheit an der Reinhaltung der Umweltgüter für vereinbar erklärt, handelt der Antragsteller - die Rechtmäßigkeit der Entscheidung unterstellt - befugt, woran der Strafrichter gebunden ist, will er sich nicht in Widerspruch zu den Verwaltungsgesetzen und deren Anwendung setzen. In jedem Fall schließt die rechtmäßige Genehmigung daher die Strafbarkeit des Genehmigungsinhabers aus, der sein Verhalten auf die ihm erteilte Genehmigung stützt; eine andere Sicht ist mit der Funktion der Genehmigung, den Interessenwiderstreit aufzulösen, nicht vereinbar. Im Regelfall stellt die behördliche Genehmigung als Spezialfall des rechtfertigenden Notstandes einen Rechtfertigungsgrund dar 93 • Freilich kommt der behördlichen Genehmigung im Rahmen der §§ 324 ff. StGB mitunter bereits tatbestandsausschließende Wirkung zu; ob die Genehmigung den Tatbestand ausschließt oder Rechtfertigungsgrund ist, wird danach beurteilt, wie die jeweils zugehörige Norm des Verwaltungsrechts ausgestaltet ist, auf die der Umweltstraftatbestand Bezug nimmt. Einem repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt soll auf der Rechtferti gungsebene, einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 94 bereits auf Tatbestandsebene Rechnung getragen werden 95. 89 Jescheck § 33 VI (S. 331); Roxin § 17 Rdn. 48; Rudolphi ZfW 1982, 197,201; Winkelbauer NStZ 1988, 201, 204; Hübenett S. 53; Frank S. 42 f.; allgemein bereits Goldmann S. 128 ff.; a. A. Schi Sch-Lenckner Vor § 32 Rdn. 28 und Zeitler S. 48, die

in der behördlichen Genehmigung einen Spezialfall der Einwilligung sehen. 90 Nach Rudolphi (ZfW 1982, 197,209 ff.; ders. NStZ 1984,193,196) ist § 34 StGB grundSätzlich nicht anwendbar, mit Ausnahme von Not- und Katastrophenfällen; ebenso Laujhütte / Möhrenschlager ZStW 92, 912, 932 FN 78. 91 Zutreffend Tiessen S. 106 f. 92 Für eine derartige, vorsichtige Anwendung des § 34 StGB LK-Steindorf§ 324 Rdn. 100; SK-Horn § 324 Rdn. 9; Sch I Sch-Cramer § 324 Rdn. 13 ("ultima ratio"); Dreher / Tröndle Vor § 324 Rdn. 7; Lackner § 324 Rdn. 14; Ensenbach S. 133; Albrecht / Heine / Meinberg ZStW 96, 943, 956 f.; Mayer / Brodersen BayVBl. 1989, 257, 260. 93 Ganz h. M.: LK-Hirsch Vor § 32 Rdn. 160; Sch I Sch-Lenckner Vor § 32 Rdn. 61; SK-Horn Vor § 324 Rdn. 12 (a. A. noch Horn UPR 1983,362,365 f.: objektive Strafbarkeitsbedingung); SK-Samson Vor § 32 Rdn. 57; KK I OWiG-Rengier Vor §§ 15, 16 Rdn. 15; Jakobs 16 I 28 f.; a. A. OstendorflZ 1981, 165, 174 f. (generell Tatbestandsausschluß wegen sozialadäquaten Verhaltens) und Kaufmann, FS Klug S. 277, 288 (Tatbestandsausschluß). 94 Die verwaltungsrechtliche Terminologie geht auf BVerfGE 20, 150, 157 zurück; vgl. zum repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt im Wasserrecht Gieseke / Wiedemann / Czychowski § 2 Rdn. 3.

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1. Kap.: Die Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts

Die unterschiedliche systematische Stellung der Genehmigung geht mit der Einordnung der Merkmale einher, die die Verbindung von Verwaltungs- und Strafrecht herstellen. Das Merkmal "unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten" wird heute allgemein als Tatbestandsmerkmal behandelt 96 • Wird hingegen ein "unbefugtes" Verhalten unter Strafe gestellt, wird darin ganz überwiegend ein allgemeines Verbrechensmerkmal gesehen 97. Die von der h. M. vorgenommene und nunmehr gefestigte Einordnung dieser Merkmale unterliegt auch unter Berücksichtigung der neuerdings von Bickel geäußerten Kritik keinen Bedenken. Insbesondere die Gesetzesgeschichte läßt keine andere Deutung zu, als dem Merkmal "unbefugt" in Anlehnung an § 38 WHG im Rahmen des § 324 StGB die Funktion eines allgemeinen Rechtswidrigkeitsmerkmals beizumessen 98 • Außerdem, und dies verkennt Bickel, statuiert das Wasserrecht ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt, obwohl die Gewässernutzung in bestimmten Fällen sozialadäquat und die Bewirtschaftung geradezu angezeigt ist. Der Vorschlag Bickels läuft in der Sache darauf hinaus, das Verhältnis von Regel und Ausnahme umzukehren. Die Regel ist nach den Vorschriften des WHG das repressive Verbot, das sozialadäquate Verhalten die Ausnahme. Wenn das Strafrecht diesem Umstand durch eine weite Fassung des gesetzlichen Tatbestandes in § 324 StGB Rechnung trägt, können Korrekturen generell auf Rechtfertigungsebene und falls angezeigt - im Einzelfall unter Rückgriff auf die Rechtsfigur des sozialadäquaten Verhaltens vorgenommen werden. Hierzu bedarf es aber nicht, wie von Bickel vorgeschlagen, einer Tatbestandseinschränkung dahingehend, im Hinblick auf denkbare sozialadäquate Verhaltensweisen, die nur mit einem präventiven Verbot belegt sind, Gewässernutzungen generell als "befugt" im Sinne von "tatbestandslos" nach § 324 StGB zu behandeln.

95 LK-Hirsch Vor § 32 Rdn. 160; Sch / Sch-Lenckner Vor § 32 Rdn. 61; Dreher / Tröndle Vor § 324 Rdn. 4 b; KK / OWiG-Rengier Vor §§ 15, 16 Rdn. 15; Winkelbauer S. 16 ff.; Jakobs 16/29; Tiedemann / Kindhäuser NStZ 1988, 337, 342 f.; Heine / Meinberg GA 1990, I, 14 f.; Ossenbühl/ Huschens UPR 1991, 161, 166; a. A. der SPD-

Entwurf eines 2. UKG, der eine einheitliche Anknüpfung auf Rechtfertigungsebene präferiert, BT-Dr 12/376 S. 12. 96 LK-Steindorf § 325 Rdn. 26; Sch / Sch-Cramer Vor § 324 Rdn. 13; SK-Horn Vor § 324 Rdn. 9 und § 325 Rdn. 9; Lackner § 325 Rdn. 5; Dreher / Tröndle Vor § 324 Rdn. 4b. 97 OLG Stuttgart ZfW 1977, 118 (zu § 38 WHG); BayObLG ZfW 1983, 42; LKSteindorf § 324 Rdn. 77; Sch / Sch-Cramer Vor § 324 Rdn. 14; SK-Horn § 324 Rdn. 6; Dreher / Tröndle § 324 Rdn. 7; Sack § 324 Rdn. 61 a; Gieseke / Wiedemann / Czychowski § 324 Rdn. 30; Tiedemann HdUR II Sp. 852; Schuck MDR 1986, 811; Kloepfer / Brandner ZfW 1989, I, 10; Ensenbach S.26; Gentzcke S. 138; zweifelnd Triffterer S. 84 ff.; a. A. offenbar Bickel, Anwendungsprobleme, S. 271 f. (Tatbestandsausschluß). 98 Vgl. Sch / Sch-Cramer Vor § 324 Rdn. 14; ausführlich zur dogmatischen Einordnung des Merkmals "unbefugt" Ensenbach S. 21 ff. und Gentzcke S. 135 ff.

B. Die Verwaltungsaktsakzessorietät

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IV. Zwischenergebnis

Die Verwaltungsaktsakzessorietät ist auf der Grundlage der prinzipiellen Entscheidung des Gesetzgebers für ein verwaltungsakzessorisches Umweltstrafrecht wegen der verfassungsrechtlich gebotenen Bestimmtheit von Strafnormen zum gegenwärtigen Zeitpunkt unverzichtbar. Die verwaltungs behördliche Einzelanordnung konkretisiert den Rechts- und Pflichtenkreis des Bürgers unter Abwägung der involvierten und nach Maßgabe der Umweltgesetze zu berücksichtigenden Interessen. Dies gilt namentlich für rechtmäßige Gestattungsakte, die im Sinne des überwiegenden Interesses die Rechtmäßigkeit des Nutzungsvorhaben konstatieren und auf diese Weise eine Strafverfolgung desjenigen nach den §§ 324 ff. StGB ausschließen, der sich auf einen formellen Gestattungsakt berufen kann. Diese Bedeutung der behördlichen Genehmigung in einem bewußt verwaltungsakzessorischen Umweltstrafrecht ist als Ausgangspunkt zu beachten, wenn die Bindung der Strafverfolgungsorgane an fehlerhafte Genehmigungen im einzelnen untersucht werden soll.

3 Scheele

2. Kapitel

Die Behandlung fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte im Umweltstrafrecht Mit der Abhängigkeit des Umweltstrafrechts von Einzelanordnungen der Verwaltung werden Fragestellungen in das Kernstrafrecht transponiert, die eine genaue Auseinandersetzung mit den Regelungsmaximen des Verwaltungsrechts und deren Übertragbarkeit in das Strafrecht erfordern. Das Verwaltungsrecht kennt nichtige und rechtswidrige, aber gleichwohl bestandskräftige Verwaltungsakte. Theorie und Praxis müssen sich daher mit der Frage beschäftigen, ob und inwieweit das Strafrecht die im Verwaltungsrecht geltende Bestandskraft von fehlerhaften Verwaltungsakten auch bei deren Inbezugnahme durch die Tatbestände des Strafrechts akzeptieren muß oder ob stattdessen strafrechtsspezifische Lösungen angebracht sind. Die Bedeutung der skizzierten Problemkonstellation ist dabei nicht auf das Umweltstrafrecht beschränkt 99 , wenn auch eine angeregte Diskussion dieses Themas erst mit der Etablierung eines verwaltungsakzessorischen Umweltstrafrechts einsetzte 100, eine Diskussion, die nunmehr auch verstärkt von verwaltungsrechtlicher Seite aufgegriffen wird 101. Da sowohl Verwaltungsals auch Strafrecht betroffen sind, verwundert es nicht, daß Vertreter der jeweiligen Teilrechtsordnung einer Lösung das Wort reden, die je nach Herkunft die Abhängigkeit oder die Eigenständigkeit des Strafrechts betont. Die vorgestellte Problemkonstellation verlangt daher, unter Berücksichtigung der jeweiligen Eigengesetzlichkeiten und der verfassungsrechtlichen Vorgaben das Verhältnis von Verwaltungs- und Strafrecht allgemein näher zu beleuchten und auf dieser Grundlage das Problem fehlerhaften Verwaltungshandelns einer Lösung zuzuführen. A. Nichtige Genehmigungen In Anlehnung an die verwaltungsrechtliche Differenzierung kennt das Strafrecht nichtige und bloß rechtswidrige Verwaltungsakte. Der nichtige Verwaltungsakt entfaltet, wie § 43 VwVfG zu entnehmen ist, von vorneherein keine 99 Die Frage, welche Auswirkung eine wirksame, verwaltungsrechtlich aber rechtswidrige Genehmigung auf die Strafbarkeit ihres Inhabers hat, stellt sich etwa auch im Rahmen der §§ 284,286,331 Abs. 3 und 333 Abs. 3 StGB; vgl. ferner für das Nebenstrafrecht exemplarisch § 11 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, § 21 StVG und § 34 AWG. 100 Für den Bereich des Umweltstrafrechts grundlegend Winkelbauer S. 37 ff. 101 So etwa der 9. Deutsche Verwaltungsrichtertag 1989 und der 50. Tagung der Staatsrechtslehrervereinigung 1990, s. o. FN 27.

B. Rechtswidrige Genehmigungen

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Rechtswirkung. Daraus folgert die ganz h. M. die Unbeachtlichkeit nichtiger Verwaltungsakte für das Strafrecht 102. Neuerdings wendet sich Michalke gegen eine Differenzierung nach bloß rechtswidrigen und nichtigen Verwaltungsakten. Lege man das Prinzip der Verwaltungsakzessorietät zugrunde, sei es nur folgerichtig, den Strafrichter von der Beurteilung der Nichtigkeit des Verwaltungsakts zu entbinden. Die Entscheidung über Nichtigkeit oder Willkürlichkeit sei bei den Strafgerichten nicht besser aufgehoben als bei den Verwaltungsgerichten 103. Eine umfassende und alleinige Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte zu postulieren, setzt auch eine entsprechend umfassende Bindung der Strafjustiz an die verwaltungsbehördlichen Entscheidungen voraus, solange diese nicht in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren einer Überprüfung unterzogen werden. Demzufolge müßten nach der Konzeption Michalkes Bindungswirkungen von einem nichtigen Verwaltungsakt ausgehen. Ein nichtiger Verwaltungsakt ist aber im Gegensatz zum rechtswidrigen, wenngleich wirksamen Verwaltungsakt verwaltungsrechtlich nicht existent, mithin erst recht nicht dazu bestimmt, außerverwaltungsrechtliche Bindungen zu begründen. Speziell für das Strafrecht läßt sich die Auffassung Michalkes ferner mit dem Gesetzlichkeitsprinzip (nulla poena sine lege) des Art. 103 Abs. 2 GG bzw. § 1 StGB nicht vereinbaren, da bereits ex tune kein Hoheitsakt existent ist, an den eine Rechtfertigungswirkung oder ein Tatbestandsausschluß anknüpfen könnte. Zusammenfassend können nichtige Verfügungen mangels rechtlicher Existenz weder eine strafbewehrte Verhaltenspflicht begründen noch zum Tatbestandsausschluß oder Rechtfertigung im Hinblick auf nach den §§ 324 ff. StGB strafbaren Taten führen. Die Bindung des Strafrichters an nichtige Verwaltungsakte bedarf daher keiner weiteren Erörterung. B. Rechtswidrige Genehmigungen Sofern der Verwaltungsakt nicht offensichtlich rechtswidrig und damit nichtig ist, ist der rechtswidrige Verwaltungsakt nach der Konzeption des Allgemeinen Verwaltungsrechts (§§ 43,44 VwVfG) 104 wirksam, d. h. bis zu seiner Aufhebung rechtsverbindlich. In der Diskussion über die Reichweite der Lehre vom wirksamen Verwaltungsakt im Strafrecht stehen die Fälle rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte (wie Genehmigungen und Erlaubnisse) im Vordergrund. Die 102 Vgl. BGHSt 21, 86, 91; Sch/Sch-Lenckner Vor § 32 Rdn. 62; SK-Horn Vor § 324 Rdn. 13; Lackner § 324 Rdn. 10; LR-Gollwitzer § 262 Rdn. 18; Jescheck § 33 VI (S. 331); Maurach / ZipjStrafR AT I § 29 Rdn. 19; Winkelbauer S. 41; lmmel S. 118 f.

103 Michalke Rdn. 41; im Ergebnis ebenso bereits BachojDÖV 1967, 132, 133 wegen der fließenden Grenzen zwischen Nichtigkeit und Rechtswidrigkeit. 104 Soweit nicht anders angegeben, bestehen keine Unterschiede zwischen dem hier zitierten Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes und denen der Länder.

3*

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2. Kap.: Behandlung fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte

- rechtmäßige - behördliche Genehmigung ist nach dem Gesagten das Instrument der Verwaltung, die Vereinbarkeit eines konkreten Vorhabens mit dem materiellen Verwaltungsrecht zu begründen bzw. festzustellen mit der Folge, daß die Verwirklichung strafrechtlichen Unrechts ausgeschlossen ist 105. Dementsprechend bedeutsam ist bei einem verwaltungsaktsakzessorischem Umweltstrafrecht die Frage, ob und bejahendenfalls in welchem Umfang die Strafverfolgungsorgane an rechtswidrige Erlaubnisse gebunden sind. Eine im wesentlichen konsensfähige Lösung ist bislang nicht in Sicht. Die Differenzen zwischen den einzelnen Konzeptionen zur Lösung des Problems, ob die Strafverfolgungsorgane an eine auf der Grundlage des Verwaltungsrechts rechtswidrige Genehmigung gebunden sind, lassen sich anhand des Grades der Abhängigkeit von Strafrecht und Verwaltungsrecht aufzeigen, die die einzelnen Lösungsmodelle zubilligen. Ohne auf Nuancen an dieser Stelle im einzelnen eingehen zu wollen, können zur besseren Orientierung schlagwortartig fünf Lösungsmodelle 106 - nach dem Ausmaß der Abhängigkeit von Strafrecht und Verwaltungsrecht geordnet - unterschieden werden: -

Der strafrechtliche Rechtmäßigkeitsbegriff

Unter Betonung der Eigenständigkeit des Strafrechts ist ein Lösungsweg denkbar, der die Rechtswidrigkeit der behördlichen Genehmigung originär nach strafrechtlichen Kriterien definiert. Ist die Genehmigung nach diesen Kriterien materiell (straf)rechtswidrig, so vermag sie nicht das Unrecht der Tat auszuschließen. Auf diese Weise wäre das von strafrechtlicher Seite als mißlich empfundene Dogma von der Wirksamkeit fehlerhafter Verwaltungsakte überwunden. -

Die verwaltungsrechtsakzessorische Lösung 107

Die unrechtsausschließende Wirkung einer behördlichen Genehmigung könnte statt von der strafrechtlichen von der verwaltungsrechtlichen Rechtmäßigkeit abhängig gemacht werden. Die Genehmigung wäre für das Strafrecht demnach nur beachtlich, wenn sie materiellrechtlich im Einklang mit den Normen des Besonderen Verwaltungsrechts stünde. Diese Lösung ist einem rein verwaltungsrechtsakzessorischen Denkmodell verpflichtet.

105 106

Vgl. die Nachweise in FN 93.

aA Rengier ZStW 101, 874, 890 (vier Lösungsmodelle), der die Möglichkeit der

Anknüpfung an einen originär strafrechtlichen Rechtswidrigkeitsbegriff übersieht; die von Rengier abweichende Terminologie soll unter Verwendung der im 2. Kapitel vorgestellten Erscheinungsformen der Verwaltungsakzessorietät die Charakteristika der verschiedenen Lösungswege zur besseren Orientierung herausstellen. Vgl. auch die Darstellung von Rogall, Amtsträgerstrafbarkeit S. 175 f., der im wesentlichen drei Lösungswege unterscheidet. 107 Rengier ZStW 101, 874, 890 spricht hier von "Durchgriff auf das materielle Recht". hn Hinblick auf das originär strafrechtliche Lösungsmodell erscheint der hier verwendete Begriff geeigneter, auf den Unterschied zur erstgenannten Lösung hinzuweisen.

B. Rechtswidrige Genehmigungen

-

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Die modifizierte Verwaltungsaktsakzessorietät 108

Einen Schritt weiter geht die Konzeption, die die Wirksamkeit fehlerhafer Verfügungen grundsätzlich nicht in Frage stellen will. In Einzelfällen aber könnte es geboten sein, die Verwaltungsakzessorietät aus Gründen der materiellen Gerechtigkeit der herkömmlichen Strafrechtsdogmatik anzupassen. Die Grenze des durch die Strafrechtsdogmatik Tolerierbaren könnte als überschritten angesehen werden, wenn die Genehmigung auf verwerfliche Art und Weise erworben worden ist, sie aber dennoch unrechts ausschließende Wirkung entfalten soll. Auf diese Weise wären Elemente der Verwaltungsaktsakzessorietät und der Verwaltungsrechtsakzessorietät kombiniert. Plakativ ausgedrückt müßte die Verwaltungsrechtsakzessorietät in noch zu konkretisierenden Grenzfällen als Korrektiv der Verwaltungsaktsakzessorietät gesehen werden.

-

Die durchgängige Verwaltungsaktsakzessorietät

Als vierter Lösungsweg bietet sich eine durchgängige oder strenge Anknüpfung an die verwaltungsrechtlichen Vorgaben an, was die Frage der Wirksamkeit und damit Beachtlichkeit rechtswidriger Verwaltungsakte anbetrifft. Dieser Konzeption liegt der Gedanke zugrunde, eine grundsätzliche Anerkennung des Wirksamkeitsdogmas könne konsequenterweise nicht aus Gründen einer etwaigen Verwerflichkeit in Einzelfällen unterbleiben. Wenn das Wirksamkeitsdogma im Strafrecht Geltung beanspruchen könne, könne diese verwaltungsrechtliche Vorgabe nicht aus Billigkeitsgesichtspunkten korrigiert werden, solange die Geltungsgründe für die Beachtlichkeit fehlerhafter Genehmigungen uneingeschränkt eingriffen. Nur bei Nichtigkeit sind derartige Genehmigungen für das Strafrecht entsprechend der verwaltungsrechtlichen Maßgabe des § 44 VwVfG irrelevant.

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Die Verwaltungsverfahrensakzessorietät lO9

In Weiterführung des obigen Gedankenganges könnte schließlich darauf abgestellt werden, jedwede verwaltungs behördliche Entscheidung für das Strafrecht als verbindlich zu erklären. Dies hätte zur Folge, daß die mit der Aufhebungsentscheidung nach § 48 VwVfG verbundene Fiktion (Aufhebung ex tunc) auch im Strafrecht bei der Beurteilung der Strafbarkeit des Genehmigungsempfangers zu berücksichtigen wäre. Bei den hier aufgezeigten Lösungsmöglichkeiten sind freilich im einzelnen Abweichungen denkbar. Dies gilt vor allem für das Modell der modifizierten Verwaltungsaktsakzessorietät, da Kriterien herausgearbeitet werden müssen, die 108 Ähnlich Rengier ZStW 101, 874, 890 ("eingeschränkte Verwaltungsakzessorietät"), ohne aber mit dieser Begriffswahl die grundSätzliche Anknüpfung an die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes bei diesem Lösungsweg herauszustellen. 109 Der Begriff "Verwaltungsverfahrensakzessorietät" offenbart die mit diesem Lösungsmodell verbundene Übertragung verwaltungsverfahrensrechtlicher Fiktionen in das Strafrecht; Rengier ZStW 101,874,890 spricht demgegenüber wenig präzise von "strenger Verwaltungsakzessorietät" .

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2. Kap.: Behandlung fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte

taugliche Ansatzpunkte für eine Abkehr von der verwaltungsrechtlichen Wirksamkeitslehre fehlerhafter Verwaltungsakte sind. Trotz der denkbar gegensätzlichen Wertungsmuster, die den aufgezeigten Lösungswegen zugrundeliegen, bestehen doch insofern methodologische Gemeinsamkeiten, als sich alle Wertungsmuster für den Bereich des Umweltstrafrechts sowohl an der Verfassungsrechtslage als auch an der vom Gesetzgeber vorgegebenen verwaltungsakzessorischen Ausgestaltung des Umweltstrafrechts zu orientieren haben. Daher wird zu untersuchen sein, ob aus verfassungsrechtlicher Sicht Präferenzen für einen bestimmten Lösungsweg bestehen. Ferner dürfte der Frage maßgebliches Gewicht zukommen, ob das für das Verwaltungsrecht geltende Dogma von der Wirksamkeit rechtswidriger Verwaltungsakte ohne weiteres in das Strafrecht transferiert werden kann oder ob nicht Gründe der materiellen Gerechtigkeit dagegen sprechen. Erst wenn feststeht, daß das Dogma der Wirksamkeit rechtswidriger Verwaltungsakte im Strafrecht akzeptiert werden muß, können Kriterien erarbeitet werden, die eine Abkehr von dem Grundsatz im Einzelfall rechtfertigen können. I. Die Verwaltungsverfahrensakzessorietät

Die Verwaltungsverfahrensakzessorietät stellt die umfassendste Form der Verbindung von Verwaltungsrecht und Strafrecht dar. Danach müßte jede verwaltungsbehördliche Einzelanordnung von den Strafverfolgungsorganen unbesehen respektiert werden, und zwar auch im Falle einer Wirkung ex tunc 110, es sei denn, die Entscheidung ist evident rechtswidrig und damit nichtig. Diese Lösung erscheint nach Maßgabe des geltenden Verwaltungsverfahrensrechts konsequent, sofern der Beachtlichkeit rechtswidriger Genehmigungen im Strafrecht das Wort geredet wird. Unterstellt, die Lehre von der Wirksamkeit rechtswidriger Verwaltungsakte ließe sich in das Strafrecht übertragen, so müssen doch die Fiktionen, mit denen das Allgemeine Verwaltungsrecht bei Aufhebungsentscheidungen arbeitet, aus strafrechtlicher Sicht Unbehagen auslösen. Eine rechtswidrige Genehmigung kann gemäß § 48 Abs. 3 VwVfG mit Wirkung ex tunc zurückgenommen werden 111. Folglich würde eine wegen der Wirksamkeit der Genehmigung eingetretene Rechtfertigung nachträglich wieder entfallen. Das Modell der Verwaltungsverfahrensakzessorietät ist damit dem Einwand ausgesetzt, die Strafbarkeit des GenehmigungsempHingers ex post zur Disposition der Verwaltung zu stellen 112. 110 So Dahs / Redeker DVBI 1988,803, 810, die der rückwirkenden Aufhebung der Begünstigung nur im Rahmen des Verschuldens Bedeutung beimessen. 111 Die behördliche Genehmigung im Umweltrecht stellt einen begünstigenden Verwaltungsakt im Sinne des § 48 Abs. 3 VwVfG dar; vgl. zur Regelungsmaterie des § 48 Abs. 3 in Abgrenzung zu § 48 Abs. 2 VwVfG statt aller Stelkens / Bonk / LeonhartStelkens / Sachs § 48 Rdn. 133 ff.

B. Rechtswidrige Genehmigungen

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Wer Rückwirkungsfiktionen im Strafrecht anerkennen will, muß ferner eine Begründung hierfür liefern, die der Strafrechtsdogmatik gerecht wird. Strafrecht ist Tatstrafrecht; die Strafbarkeit hängt von den Umständen im Zeitpunkt der Tat ab. Sofern sich der Täter im Zeitpunkt der Tat auf eine behördliche Genehmigung stützen kann, deren Beachtlichkeit vom Standpunkt des hier interessierenden Lösungsweges zu unterstellen ist, folgt daraus aus rein strafrechtlicher Sicht dessen Straflosigkeit. Die Anerkennung verwaltungsverfahrensrechtlicher Rückwirkungsftktionen ist vor diesem Hintergrund nicht einmal für den Fall vertretbar, daß sich die Verwaltungsentscheidung zugunsten des Täters auswirkt, etwa im Falle einer nachträglichen, rückwirkenden Genehmigung. Denn entscheidend für die Entstehung des staatlichen Strafanspruches ist allein der Zeitpunkt der Tathandlung; der einmal entstandene Strafanspruch kann aber nicht durch eine verwaltungsbehördliche Entscheidung rückwirkend entfallen. Dieser Argumentation könnte freilich unter Berufung auf das - vermeintliche - Prinzip der Einheit der Rechtsordnung entgegengehalten werden, das Strafrecht dürfe wegen dessen Akzessorietät die verbindliche verwaltungsrechtliche Rücknahmeentscheidung nicht ignorieren. Selbst wenn man das Dogma der Einheit der Rechtsordnung in vollem Umfang anerkennt, was im einzelnen noch zu erörtern ist, so können die bereits aufgezeigten Strukturunterschiede von Strafrecht und Verwaltungsrecht nicht völlig außer Acht gelassen werden, insbesondere nicht die repressive Ausrichtung des Strafrechts. Zwar hat die vom Gesetzgeber vorgesehene Verwaltungs akzessorietät infolge der skizzierten, einander widerstreitenden Interessen Auswirkungen auf die Umsetzung des Strafrechts 113. Die Grenze der Einflußnahme ist jedoch dort erreicht, wo prägende Elemente der Strafrechtsdogmatik betroffen sind, die zugleich verfassungsrechtlich abgesichert sind. Das Dogma der Einheit der Rechtsordnung ist jedenfalls nicht geeignet, Vorgaben zu durchbrechen, die sich eindeutig aus Normen des Grundgesetzes ergeben. Dazu zählt das in Art. 103 Abs. 2 GG verankerte absolute Rückwirkungsgebot von Strafgesetzen. Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB verdeutlichen, welch überragende Bedeutung der Zeitpunkt der Tat für die Strafbarkeit und die Schuld des Täters hat. Dem sachlichen Anwendungsbereich des Rückwirkungsverbotes unterfallen folgerichtig alle materiellen Voraussetzungen der Strafbarkeit 114, insbesondere auch Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe 115. Daher ist es der Strafjustiz schon von Verfassungs wegen verwehrt, nach der Aufhebung der behördlichen Genehmigung deren vermeintlich strafbarkeitsausschließende Wirkung zum Tatzeitpunkt zu ignorieren. Daran vermögen verwaltungsrechtliche Rückwirkungsftktionen nichts zu ändern, selbst wenn das Prinzip der Einheit 112 Vgl. die Argumentation Brauers (S. 69) gegen die Rückwirkung einer nachträglichen Genehmigung. 113 s. o. 1. Kapitel C. 114 Vgl. statt aller SK-Rudolphi § 1 Rdn. 9. 115 LK-Hirsch Vor § 32 Rdn. 95; Sch / Sch-Eser § 2 Rdn. 3; SK-Rudolphi § 1 Rdn. 9; Dreher / Tröndle § 1 Rdn. 11 a.

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2. Kap.: Behandlung fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte

der Rechtsordnung deren Übertragung in das Strafrecht intendieren sollte. Die Abhängigkeit des Strafrechts von verwaltungsrechtlichen Vorgaben darf wegen des verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbotes im Strafrecht (Art. 103 Abs. 2 GG) nicht so weit gehen, daß verwaltungsrechtliche Rücknahmewirkungen im Sinne des § 48 VwVfG zu beachten wären 116. Damit wäre eine Grenze der Bindungswirkung verwaltungs behördlicher Entscheidungen umrissen 117. Methodisch läßt sich das gleiche Ergebnis erzielen, wenn die Verwaltungsbehörde im Einzelfall im Wege der Ermessensreduzierung gerade wegen der Akzessorietät des Strafrechts gehalten sein sollte, die Genehmigung nicht ex tunc, sondern ex nunc zurückzunehmen 118; auf diese Weise könnte die Umweltbehörde auch nicht über die Strafbarkeit disponieren. Dogmatisch könnte diese Ermessensreduzierung mit einer aus der verwaltungsakzessorischen Ausgestaltung des Umweltstrafrechts resultierenden Rückwirkung des Strafrechts auf das Verwaltungsrecht 119 begründet werden. Inwieweit derartige Rückwirkungen auf das Verwaltungsrecht anzuerkennen sind, ist bislang weder in der strafrechtlichen noch in der verwaltungsrechtlichen Lehre untersucht worden. Wegen der vom Gesetzgeber vorgesehenen Verknüpfung der beiden Rechtsgebiete im Rahmen der §§ 324 ff. StGB sind derartige Rückwirkungen im Sinne einer bedachten Handhabung des umweltrechtlichen Instrumentariums apriori nicht von der Hand zu weisen, wenn verwaltungsbehördliche und verwaltungsgerichtliche Entscheidungen eine strafrechtliche Dimension erhalten und dadurch von ihrer Eingriffsintensität her in einem anderen Licht erscheinen. Freilich bedarf dies hier keiner abschließenden Erörterung, da im Wege der Ermessensreduzierung dasselbe Ergebnis erzielt würde wie bei Anerkennung einer durchgängigen Verwaltungs aktsakzessorietät, die auf die Fiktionen des Verwaltungsverfahrensrechts verzichtet. Im Ergebnis steht die Verwaltungsverfahrensakzessorietät nicht als eigenständiges Lösungsmodell zur Behandlung fehlerhafter Genehmigungen zur Verfügung.

116 Vgl. Horn NJW 1981, 1,3; Hili GewArch 1981, 183, 186; Rudolphi NStZ 1984, 193,197; Holthausen NStZ 1988,256,257; Rengier ZStW 101, 874, 891; Zeitler S. 117;

ebenso für den umgekehrten Fall der Rückwirkung einer nachträglich erteilten Genehmigung OLG Stuttgart ZfW 1977, 177, 182 und Brauer S. 69. 117 Das Rückwirkungsproblem stellt sich nicht minder gravierend, wenn ein strafbewehrter Verwaltungsakt verwaltungsrechtlich mit Wirkung ex tunc aufgehoben wird. 118 Ob sich die Behörde im Rahmen des § 48 Abs. 3 VwVfG für die Rücknahme, die Rücknahme gegen Entschädigung oder die Nichtrücknahme entscheidet, steht unter Berücksichtigung des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes in ihrem Ermessen, vgl. statt aller Maurer § 11 Rdn. 34. 119 Vgl. Hansmann NVwZ 1989, 9l3, 918, der verwaltungsgerichtliche Entscheidungen für problematisch erachtet, wenn deren strafrechtliche Konsequenzen von den Verwaltungsgerichten mißachtet werden (dort Strafbarkeit nach § 327 Abs. 2 Nr. 1 StGB); stattdessen sollten die Verwaltungsgerichte " ... anerkennen, daß das Strafrecht auch Rückwirkungen auf das Verwaltungsrecht hat" (Hansmann a. a. 0.).

B. Rechtswidrige Genehmigungen

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11. Der strafrechtliche Rechtswidrigkeitsbegriff

1. Argumentation für eine Abkopplung vom Verwaltungsrecht

Als extremes Gegenstück zum Denkmodell der Verwaltungsverfahrensakzessorietät wollen Teile der Literatur einen eigenständigen strafrechtlichen Rechtmäßigkeitsbegriff nach "genuin strafrechtlichen Kriterien" definieren 120. Die Strafverfolgungsorgane sollen mit Hilfe eigenständiger strafrechtlicher Wertungen dariiber befinden, ob und gegebenfalls inwieweit eine nach verwaltungsrechtlichen Maßstäben rechtswidrige Genehmigung im Strafrecht unrechtsausschließende Wirkung entfalten kann. Ist im konkreten Fall eine Bindung des Strafrichters an die (verwaltungs)rechtswidrige Entscheidung mit "maßgeblichen strafrechtlichen Wertungen" 121 nicht vereinbar, so könne die Genehmigung nicht zur Straffreiheit ihres Adressaten führen. Schünemann verzichtet allerdings darauf, dem Strafrichter Maßstäbe für die von ihm geforderte autonome strafrechtsdogmatische Entscheidung an die Hand zu geben. Mit verwaltungsrechtlichen Kategorien verglichen soll es sich um "wirklich gravierende Mängel (... ) unter der Nichtigkeitsschwelle des § 44 VwVfG" handeln 122. Der strafrechtliche Rechtswidrigkeitsbegriff, wie er von Schünemann vermittelt wird, läuft damit darauf hinaus, die Fälle des § 48 Abs. 2 S.3 VwVfG (Täuschung, Bestechung etc.) - auf verwaltungsrechtliche Denkmuster übertragen - für nichtig zu erklären. Hübenett zufolge zieht eine verwaltungsrechtlich wirksame Genehmigung nicht zwangsläufig eine strafrechtliche Rechtfertigung nach sich. Die rechtswidrige, aufzuhebende Genehmigung beinhalte keine materielle Billigung des Verhaltens 123. Für die Rechtswidrigkeit könnten unterschiedliche Gesichtspunkte maßgeblich und daher entsprechend der Zweckrichtung divergierende Entscheidungen denkbar bzw. geboten sein 124. Der strafrechtliche Rechtsgüterschutz komme einer zusätzlichen, stärkeren Sicherung der Umweltgüter gleich, die sich nicht im Falle einer verwaltungsrechtlichen Erlaubnis erübrige, wie die Aufhebungsbestimmungen des Verwaltungsverfahrensrechts zeigten 125. Es sei daher zu prüfen, ob die rechtswidrige Genehmigung derart wesentlich das strafrechtlich geschützte Rechtsgut verletzt, daß sie nach verwaltungsrechtlicher Wertung von der Verwaltungsbehörde aufgehoben werden müßte. Für die Beurteilung der Strafrechtswidrigkeit wird somit einer Differenzierung zwischen aufhebbaren und aufzuhebenden Verwaltungsakten das Wort geredet, die das Verwaltungsverfahrensgesetz in dieser Klarheit bezogen auf die Schwere des der Genehmigung anhaftenden - materiell-rechtlichen - Fehlers nicht kennt 126. Im Ergebnis wird auf diese Schünemann wistra 1986, 235, 239; Hübenett S. 137. Schünemann wistra 1986, 235, 239. 122 Schünemann wistra 1986, 235, 240. 123 Hübenett S. 137. 124 Hübenett S. 79. m Vgl. Hübenett S. 80 f. 120 121

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2. Kap.: Behandlung fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte

Weise weniger die Verwaltungsrechtslage in Bezug genommen 127, als vielmehr der Schutz von Umweltgütern als strafrechtliches Korrektiv zur verwaltungsrechtlichen Rechtmäßigkeitsprüfung eingeführt. Sofern der Rechtsgüterschutz nicht betroffen ist, soll es bei der Anerkennung fehlerhafter Verwaltungsakte im Strafrecht verbleiben. 2. Kritik an der eigenständigen strafrechtlichen Lösung

Die Argumentation, die am Rechtsgutsschutz orientierte Strafrechtsdogmatik gebiete eine Abkopplung von der verwaltungsrechtlichen Lehre, rechtswidrigen Verfügungen stets bis zu deren Aufhebung Wirksamkeit zuzuerkennen, erscheint auf den ersten Blick treffend und in ihren Auswirkungen praktikabel zugleich. Die Strafjustiz könnte in jedem Fall von verwaltungsrechtlichen Dogmen unbelastet ihr eigenes Urteil über die Beachtlichkeit solcher Verwaltungsakte fallen, indem sie auf den Grad der jeweiligen Rechtsgutsverletzung abstellt, der in der Erteilung der rechtswidrigen Erlaubnis zu sehen ist. Aus strafrechtlicher Sicht muß es verlockend sein, den Strafverfolgungsbehörden unter Berufung auf Sinn und Zweck des Strafrechts, den Rechtsgüterschutz zu gewährleisten, eine zweite, im Ergebnis höherrangige Bewertungskompetenz neben den Kontrollaufgaben der Fachbehörden zuzuerkennen. Denn, und darauf muß in aller Klarheit hingewiesen werden, darauf läuft die Anerkennung eines genuin strafrechtlichen Bewertungsmaßstabes hinaus. Wer die Darstellung Schünemanns zum Anlaß nimmt, die Vorzüge eines strafrechtlichen Rechtswidrigkeitsbegriffes zu untersuchen, wird sich nicht des Eindrucks erwehren können, daß die Auffassung Schünemanns ergebnisorientiert und auf die Etablierung einer zweiten, strafrechtlichen Bewertungskompetenz gerichtet ist. Damit ist freilich kein Urteil über die von Schünemann postulierte eigenständige Prüfung der Strafrechtswidrigkeit gesprochen. Gleichwohl sollte die wissenschaftliche Diskussion von Empfindlichkeiten auf Seiten der Verwaltungs- wie der Strafrechtler befreit sein, die sich etwa in der Frage "Umweltschutz-Strafrecht: eine After-Disziplin?" 128 äußert. Demzufolge darf auch die Frage der Bewertungskompetenz allein nach sachgerechten, mit der Strafrechtsdogmatik vereinbaren Gründen entschieden werden, ohne vorschnell das für die Strafjustiz günstige Ergebnis einer an genuin strafrechtlichen Kriterien orientierten Rechtmäßigkeitsprüfung zu befürworten. Diese Methode 126 Zwar ist das Aufhebungsermessen der Verwaltungsbehörde in den Fällen des § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG explizit zugunsten der materiellen Gerechtigkeit reduziert (vgl. statt aller Maurer § 11 Rdn. 23, 31). Diese Fälle knüpfen aber an ein dem Adressaten vorwerfbares Verhalten an, so daß Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes regelmäßig vernachlässigt werden können, nicht aber daran, inwieweit das materielle Recht verletzt worden ist. 127 So aber Rademacher S. 91 ff., der die Lösungsvorschläge Schünemanns und Hübenetts dem verwaltungsrechtsakzessorischen Lösungsweg zuordnet; wie hier Rogall, Amtsträgerstrafbarkeit S. 190. 128 So der Titel des Aufsatzes von Horn UPR 1983,362 ff.

B. Rechtswidrige Genehmigungen

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dürfte zwar im allgemeinen selbstverständlich sein, soll aber angesichts der teilweise emotional geführten Diskussion um das Verhältnis zwischen Verwaltungsrecht und Strafrecht bzw. die Frage, welches Rechtsgebiet den effektiveren Umweltschutz gewährleistet l29 , ausdrücklich hervorgehoben werden. Die Suche nach sachgerechten Gründen für eine genuin strafrechtliche Rechtmäßigkeitsprüfung behördlicher Genehmigungen und die Auseinandersetzung damit gestaltet sich in methodischer Hinsicht bereits deshalb schwierig, weil Schünemann keine konkreten Anhaltspunkte für ein einheitliches Wertungsmuster offenbart. Schünemann läßt offen, wie die von ihm postulierten genuin strafrechtlichen Kriterien im Rahmen der Rechtmäßigkeitsprüfung inhaltlich auszufüllen sind und wie ihre Handhabung in der Praxis erfolgen soll. Der Rechtsanwender selbst ist auf der Basis der Konzeption Schünemanns dazu angehalten, der Leerformel "genuin strafrechtliche Kriterien" in einer methodisch einwandfreien Weise der Strafrechtsdogmatik entsprechend Konturen zu verleihen. Dabei ist der Rechtsanwender bezüglich der Handhabung des Verwaltungsrechts anscheinend vollkommen ungebunden. Das bedeutet aber nicht, daß der Rechtsanwender nach Auffassung Schünemanns nicht der - materiellen - Verwaltungsrechtlage entsprechend entscheiden könnte, er muß es freilich nicht. Auf diese Weise ist der Strafjustiz ein weitgehender Entscheidungsspielraum eröffnet, der für den Genehmigungsinhaber, der sich auf eine verwaltungsrechtlich wirksame Genehmigung beruft, zu einem unzumutbaren, da unkalkulierbaren Strafbarkeitsrisiko führt. Die hierin begründete Gefahr für die Rechtssicherheit, die darin zu sehen ist, daß mangels objektiven Prüfungsmaßstabes derselbe Verwaltungsakt von einem Strafrichter als unrechtsausschließend behandelt wird, von einem anderen hingegen nicht 130, darf nicht gering geschätzt werden. Das Problem, verwaltungsrechtliche und strafrechtliche Bewertungsmaßstäbe zu harmonisieren, ist nicht gelöst, wenn im Rahmen eines prinzipiellen Vorrangs für das Strafrecht das Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit außer Kraft gesetzt wird. Dieser Einwand gilt, wenn auch in abgeschwächter Form, ebenso für die Konzeption Hübenetfs. da sie unter dem Blickwinkel des geschützten Rechtsgutes wenigstens ansatzweise Konturen einer eigenständigen, an den Bedürfnissen der Strafrechtsdogmatik orientierten Rechtmäßigkeitsprüfung zu vermitteln vermag. Daß die Strafrechtsdogmatik durchaus den Grad der Berücksichtigung verwaltungsrechtlicher Vorgaben zu beeinflussen vermag, wurde bereits im Rahmen des verwaltungsverfahrensakzessorischen Lösungsmodells festgestellt. Damit ist aber für die Fragestellung nichts gewonnen, ob der Schutz von Umweltgütern durch das Strafrecht eine eigenständige Prüfung der Strafrechtswidrigkeit gebietet bzw. eine solche Prüfung verfassungsrechtlich vertretbar ist. Dies gilt umso mehr, als Schünemann und Hübenetf nicht nur auf die Verletzung materiellen VerwalVgl. Backes. 12. Strafverteidigertag, S. 154. Sch / Sch-Cramer Vorbem. §§ 324 Rdn. 16 b; ihm folgend Rogall. Amtsträgerstrafbarkeit S. 191. 129

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2. Kap.: Behandlung fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte

tungsrechts abstellen, sondern darüber hinaus auf strafrechtliche, da rechtsgutsspezifische Bewertungsmaßstäbe zurückgreifen, die unabhängig von vorausgehenden verwaltungsrechtlichen Einzelanordnungen allein über die strafrechtliche Billigung der Tat entscheiden sollen. Damit ist die Frage aufgeworfen, inwieweit methodisch im Hinblick auf den vielzitierten Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung von einer Strafrechtswidrigkeit in Abgrenzung zur Verwaltungsrechtswidrigkeit die Rede sein kann. a) Die Lehre von der Einheit der Rechtsordnung Der Strafrechtswissenschaft sind Versuche nicht fremd, einen von den anderen Rechtsgebieten abweichenden Begriff der Strafrechtswidrigkeit zu etablieren J3I. Die Einteilung der Rechtsordnung in einzelne Rechtsgebiete beruhe auf dem Prinzip der sachgerechten Differenzierung. Die Aufgabe der einzelnen Rechtsgebiete bestehe darin, Voraussetzungen für die gebietsspezifischen Rechtsfolgen zu nonnieren, so daß ein einheitlicher Lebenssachverhalt in verschiedenen Rechtsgebieten unterschiedliche Unwerturteile und damit auch unterschiedliche Rechtsfolgen auslösen könne 132. Das strafrechtliche Unwerturteil sei auf tatbestandsmäßiges Verhalten bezogen und könne nicht mit Mißbilligung der gesamten Rechtsordnung gleichgesetzt werden 133. Diese Argumentation hat sich bislang nicht durchsetzen können. Die h. M. hält an einem einheitlichen Rechtswidrigkeitsbegriff fest 134. Ein anderes Ergebnis sei mit dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung unvereinbar. Die Rechtsordnung als einheitliche Sollensordnung könne nicht in einem Teilbereich ein bestimmtes Verhalten erlauben, in einem anderen aber verbieten 135. Freilich wird noch zu erörtern sein, ob damit - die Anerkennung des Prinzips der Einheit der Rechtsordnung unterstellt - eine Aussage über die Art und Weise der Anknüpfung an das Verwaltungsrecht getroffen ist: Wird die Einheit der Rechtsordnung durch die Orientierung am Verwaltungsverfahrensrecht, d. h. an der Wirksamkeit fehlerhafter Verwaltungsakte, oder am Besonderen Verwaltungsrecht hergestellt? In dem hier interessierenden Zusammenhang gilt es jedenfalls festzuhalten, daß selbst die genannten Vertreter eines eigenständigen Begriffes der Strafrechtswidrigkeit davor zurückschrecken, ein Verhalten strafrechtlich zu 131 Vgl. Günther S. 19,124; dahin tendierend auch Jakobs 11 /6 (regelmäßig keine Identität von Bewertungsgegenstand oder Kontext in unterschiedlichen Rechtsgebieten). 132 Vgl. Günther S. 93. 133 Vgl. Günther S. 121 f. 134 RGSt 61, 242, 247; BGHSt 11,241, 244; BGH bei Tiedemann S. 58, 60 f.; OLG Köln NStZ 1986,225,226; OLG Celle ZfW 1987, 126, 128; LK-Hirsch Vor § 32 Rdn. 10,34; SK-Samson Vor § 32 Rdn 19; SK-Horn Vor § 324 Rdn. 3, 16; Sch / Sch-Lenckner Vor § 32 Rdn. 27; Engisch, Einheit der Rechtsordnung S. 58; Baumann / Weber StrafR AT § 19 11 2b, S. 261; Maurach / Zipf StrafR AT 1 § 25 Rdn. 11 ff.; Roxin § 14 Rdn. 31; Schöndorf.NJ 1991,527,529. 135 Vgl. nur SK-Samson Vor § 32 Rdn. 19.

B. Rechtswidrige Genehmigungen

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mißbilligen, das in einer anderen Teilrechtsordnung als erlaubt bewertet worden ist 136. Eine solche für die Strafjustiz verbindliche Bewertung könnte in der behördlichen Genehmigung liegen, sofern man maßgeblich auf die Frage der Bewertungskompetenz abstellt. Hübenett behilft sich diesbezüglich damit, obwohl sie sich ansonsten im wesentlichen den Ausführungen Günthers anschließt, Günther habe das Problem der rechtswidrigen behördlichen Genehmigung nicht bedacht 137. Trotz verwaltungsrechtlicher Zulässigkeit sei das verletzte Rechtsgut schutzbedürftig und daher die Anforderungen an den Unrechts au schluß im Hinblick auf die Wirksamkeit fehlerhafter Verwaltungsakte höher anzusetzen 138. Hübenett folgert somit aus der Funktion des Umweltstrafrechts, dem Menschen die Umweltmedien zu erhalten, die Relativität verwaltungsverfahrensrechtlicher Regelungen in der Strafrechtsordnung. Das Strafrecht ist zweifellos dem Schutz von Individualrechtsgütern und Schutzgütern der Allgemeinheit verpflichtet. Die Argumentation Hübenetts kann daher aus strafrechtlicher Sicht nicht ohne weiteres mit einem Verweis auf die Regelungen des Allgemeinen Verwaltungsrechts abgetan werden, da die Orientierung am Rechtsgüterschutz in diesem Sinne als strafrechtsimmanente Grenze der Übertragung außerstrafrechtlicher Wertungen in die Strafrechtsordnung aufgefaßt werden könnte. Selbst wenn man aber von § 43 VwVfG abweichend - im Grundsatz nur die Bindungswirkung rechtmäßiger Genehmigungen anerkennt, ist erklärungsbedürftig, warum eine Abweichung von der verwaltungsrechtlichen Doktrin der Wirksamkeit fehlerhafter Verwaltungsakte nach Auffassung Schünemanns und Hübenetts unter Berufung auf den Rechtsgüterschutz von strafrechtsspezifischen Wertungsmustern abhängig gemacht wird, nicht aber durchgängig vom materiellen Verwaltungsrecht.

Eine durchgängige Anknüpfung an das Besondere Verwaltungsrecht hat zur Folge, daß der Vorwurf, ein objektiver PTÜfungsmaßstab fehle, nicht aufrechterhalten werden kann. Ein objektiver und verifizierbarer Prüfungsmaßstab liegt in Form der Umweltschutzgesetze vor, was die gesetzlichen Genehmigungsvoraussetzungen angeht. Stattdessen läßt sich die hier vorgeschlagene PTÜfungsfolge dahingehend charakterisieren, die verwaltungsrechtliche Vorgaben solange zu akzeptieren, wie sie aus der Sicht von Schünemann und Hübenett mit dem angestrebten Ziel des Rechtsgüterschutzes im Strafrecht harmonieren. Ob ein solches Vorgehen mit dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung vereinbar ist, wie Hübenett ausdTÜcklich feststellt 139, erscheint mehr als fraglich. Wer die Probleme, die sich aus der Verbindung von Umweltrecht und Strafrecht ergeben, mit strafrechtlichen Wertungen zu lösen versucht, leugnet letztlich die Vorgabewirkung des Verwaltungsrechts, wie sie der Gesetzgeber normiert wissen wollte. 136 Vgl. Günther S. 177 f.; Jakobs 11/ 6 (bei Identität des zu entscheidenden Konflikts). 137 138 139

Hübenett S. 80. Hübenett S. 81. Hübenett S. 155 (zusammenfassend).

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2. Kap.: Behandlung fehlerhafter begünstigender Verwaltungs akte

So hat die Verwaltungs akzessorietät nach der erklärten Intention der B undesregierung die Aufgabe, dem Verwaltungsrecht prinzipiell Vorrang zu verschaffen 140. Nimmt man die Verwaltungsakzessorietät also ernst, so können nur solche Kriterien in die Beurteilung der Bindungswirkung fehlerhafter Verwaltungsakte einfließen, die das Verwaltungsrecht, sei es das Verwaltungsverfahrensrecht, sei es das materielle Umweltschutzrecht, anerkennt. Im Hinblick auf die verwaltungsakzessorische Ausgestaltung des Umweltstrafrechts bestehen keine Anhaltspunkte für eine hiervon abweichende strafrechtsspezifische Beurteilung der Rechtfertigungswirkung fehlerhafter Genehmigungen. Eine originäre Strafrechtswidrigkeit ist daher inkonsequent und zudem widersprüchlich, wenn man deren Vereinbarkeit mit dem von der h. M. vertretenen Prinzip der Einheit der Rechtsordnung herausstellt, wie Hübenett dies tut. Hinzu kommt, daß Schünemann selbst der von ihm vertretenen Prüfung nach "genuin strafrechtlichen Kriterien" keine klaren, praktikablen Konturen zu verleihen vermag, die der wissenschaftlichen Diskussion und einer einheitlichen Handhabung in der Praxis zugänglich wären. Für einen eigenständigen strafrechtlichen Prüfungsmaßstab, wie ihn sich Schünemann vorstellt, ist insoweit kein Raum. b) Die Aussagekraft eines am Rechtsgüterschutz orientierten Rechtmäßigkeitsbegriffes Was die Konzeption Hübenetts angeht, kann zwar nicht im gleichen Maße der Vorwurf der Konturlosigkeit des Prüfungsmaßstabes erhoben werden, da sie wenigstens explizit auf die Verletzung zwingender Umweltschutzbestimmungen abstellt. Gleichwohl gebietet es die Lehre von der Einheit der Rechtsordnung, sofern man sie mit Hübenett anerkennt, nicht allein solche Fehler der Genehmigung im Strafrecht für beachtlich zu erklären, die aus einem Verstoß gegen wesentliche rechtsgutsspezifische Anforderungen resultieren. Das Unwerturteil des materiellen Verwaltungsrechts müßte nach der herkömmlichen Auffassung konsequenterweise in das Strafrecht übertragen werden. Die Lösung Hübenetts offenbart insoweit ein anderes Verständnis von der "Einheit der Rechtsordnung" , dessen Berechtigung es zu untersuchen gilt. Möglicherweise lassen sich aus der Strafrechtsdogmatik die Lösung Hübenetts tragende Gesichtspunkte ableiten, die gegenüber dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung als höherrangig zu bewerten sind. Auf diese Weise könnten die zuvor geäußerten Bedenken im Hinblick auf das von der h. M. getragene Verständnis von der Einheit der Rechtsordnung zurücktreten. Die Argumentation Hübenetts basiert auf der Prämisse, daß eine verwaltungsrechtsakzessorische Lösung, die für den Ausschluß der Rechtswidrigkeit die materielle Rechtmäßigkeit der Genehmigung verlangt, aus strafrechtlicher Sicht auf rechtsgutsspezifische Erwägungen reduziert werden darf. Das heißt, die Schutzfunktion des Straf140

Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs eines 2. UKG BT-Dr 12/192, S. 11.

B. Rechtswidrige Genehmigungen

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rechts müßte eine Differenzierung nach allgemeiner Rechtswidrigkeit und Strafrechtswidrigkeit der behördlichen Genehmigung und demzufolge in der Sache eine Abkehr vom herkömmlichen Verständnis von der Einheit der Rechtsordnung erlauben. Das verwaltungsakzessorische Strafrecht muß in irgendeiner Form auf das materielle Verwaltungsrecht Bezug nehmen, wenn es ein Verhalten als in seinem Sinne rechtswidrig qualifizieren will. Reduziert man nach der Lösung Hübenetts die materielle Rechtswidrigkeit einer Genehmigung im Sinne einer Strafrechtswidrigkeit auf einen Verstoß gegen solche Vorschriften, die das straftatbestandlieh geschützte Rechtsgut betreffen, so ist diese Vorgehensweise aus rein strafrechtlicher Sicht durchaus konsequent. Da die Strafbarkeit eines Täters nach dem Umweltstrafrecht zu beurteilen ist, sollen auch nur wesentliche rechtsgutsbezogene Fehler zu berücksichtigen sein, Fehler also, die das tatbestandsmäßige Unrecht repräsentieren. Das Umweltverwaltungsrecht hingegen stellt weitergehende Anforderungen an die materielle Rechtmäßigkeit einer behördlichen Genehmigung auf. Der Regelungsintention des Gesetzgebers entsprechend, die widerstreitenden Interessen bei der Nutzung von Umweltgütern angemessen zu berücksichtigen 141, sind die in den Umweltgesetzen enthaltenen Genehmigungsvoraussetzungen nicht auf den Schutz umweltschutz spezifischer Belange beschränkt. So macht das Wasserrecht die Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung davon abhängig, daß keine "Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit" (vgl. §§ 6, 12 Abs. 1, 15 Abs. 4 WHG) zu befürchten ist. Die Gemeinwohlverträglichkeit im Sinne des § 6 WHG ist nicht auf wasserwirtschaftliche Belange verkürzt, sondern prinzipiell umfassend auszulegen 142. D. h., die zuständigen Umweltbehörden sind im Rahmen der von ihnen vorzunehmenden Interessenabwägung gehalten, alle Allgemeinwohlbelange einschließlich eventuell bestehender Rechte Dritter 143 in ihre Erwägungen einzubeziehen. In vergleichbarer Weise beinhaltet die Grundsatznorm des § 2 Abs. 1 S. 2 AbfG einen Allgemeinverträglichkeitsvorbehalt für das Abfallrecht, in dem die für die Abfallentsorgung maßgeblichen Gebote zusammengestellt sind. Die Umweltbehörde hat demzufolge bei Genehmigungserteilung u. a. darauf zu achten, daß durch die Abfallentsorgung die Gesundheit der Menschen (§ 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AbfG), die Beschaffenheit von Gewässern und des Bodens (§ 2 Abs. 1 S.2 Nr. 4 AbfG), die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege (§ 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 AbfG) sowie die öffentliche Sicherheit und Ordnung (§ 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AbfG) gewahrt werden. In Form der Umweltschutzgesetze ist somit der im Genehmigungsverfahren einzuhaltende Abwägungsmaßstab gesetzlich determiniert. Die genannten gesetzZur Ausgleichsfunktion des Umweltrechts s. o. 1. Kapitel C. Vgl. BVerwG DVBl 1989, 1048; Gieseke I Wiedemann I Czychowski § 6 WHG Rdn. 21; Breuer, Wasserrecht Rdn. 212; Bender I Sparwasser Rdn. 708 i. V. m. FN 36. 143 Bei Nichtbeachtung von Rechten Dritter ist die erteilte Genehmigung unter Umständen aufzuheben, vgl. § 8 Abs. 3,4 WHG. 141

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2. Kap.: Behandlung fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte

lichen Vorschriften erhellen die Funktion des umweltrechtlichen Genehmigungsverfahrens, eine umfassende Interessenabwägung durchzuführen. Die Umweltbehörde hat im Rahmen der Interessenabwägung alle der Nutzung des jeweiligen Umweltmediums entgegenstehenden Interessen, namentlich Allgemeinwohlbelange zu berücksichtigen und ihrer Genehmigungsentscheidung zugrundezulegen. Mithin wird die Genehmigung erteilt, sofern das Interesse an der Reinhaltung des Umweltmediums und die sonstigen fachgesetzlich zu beachtenden Interessen (Allgemeinwohlbelange, Rechte Dritter) aus der Sicht der Umweltbehörde gegenüber dem Interesse des Antragstellers und eventuell auch der Allgemeinheit an der Nutzung des Umweltmediums zurücktritt. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens können infolgedessen zulasten des AntragssteIlers bereits die sonstigen gegen die Umweltnutzung sprechenden Interessen entscheidend und unter Umständen zwingend gegen die Genehmigungserteilung ins Gewicht fallen und zu einer ablehnenden umweltbehördlichen Entscheidung führen, ohne daß auf das allgemeine Interesse an der Reinhaltung des betroffenen Umweltmediums zur Ablehnung der beantragten Genehmigung zurückgegriffen werden müßte 144. Gleichwohl mangelt es dem Antragsteller in derartigen Fallkonstellationen an einem rechtlich geschützten Interesse an der Nutzung eines Umweltrechtsgutes, so daß dem Schutzzweck der einschlägigen Umweltstrafvorschrift auf der Basis des Lösungsansatzes von Hübenett gerade entsprochen wird, wenn die dennoch und damit rechtswidrig erteilte Genehmigung das tatbestandliehe Unrecht nicht auszuschließen vennag. Aufgrund der in den Umweltverwaltungsgesetzen vorgegebenen umfassenden Interessenabwägung, die gerade dem Schutz des jeweiligen Umweltmediums zu dienen bestimmt ist, ist es inkonsequent, allein herausragende umweltrechtsgutsspezifische Fehler der Genehmigung für beachtlich zu erklären und nur insoweit auf die materielle Rechtmäßigkeit der Genehmigung abzustellen. Dies gilt um so mehr, als die Umweltstraftatbestände die Umweltmedien nicht nur absolut um ihrer selbst willen schützen, sondern - im Hinblick auf ihre grundsätzliche Funktion für den Menschen - auch dessen Lebensbedingungen sichern sollen 145. Diese Funktionsgebundenheit kommt verwaltungsgesetzlich durch die vorgesehenen Gemeinwohlverträglichkeitsvorbehalte zum Ausdruck. Von daher verbietet sich ein Rechtmäßigkeitsbegriff, der sich allein an den Rechtsgütern der §§ 324 ff. StGB orientiert, zumal - von den Schwierigkeiten einer Rechtsgutsbestimmung der §§ 324 ff. StGB einmal abgesehen - die von Hübenett vorgeschlagene Differenzierung nach aufhebbaren und aufzuhebenden Genehmigungen nicht praktikabel erscheint und insoweit mit Unsicherheiten behaftet ist, die nur neue Rechtsanwendungsprobleme schafft, anstatt vorhandene zu lösen. Zutreffend Rademacher S. 128. SK-Horn Vor § 324 Rdn. 2; Lackner Vor § 324 Rdn. 4; weitergehend neuerdings Hohmann S. 188 ff. und ders. GA 1992,76,84, der den Schutzzweck der Umweltdelikte rein anthropozentrisch auf die klassischen Individualrechtsgüter (Leben, Gesundheit und körperliche Integrität) beschränkt. 144

145

B. Rechtswidrige Genehmigungen

49

3. Zusammenfassung

Das Problem, wie fehlerhafte behördliche Genehmigungen strafrechtlich zu behandeln sind, läßt sich nur im Einklang mit den verwaltungsrechtlichen Vorgaben lösen, soweit dies mit der Strafrechtsdogmatik und deren verfassungsrechtlichen Prinzipien vereinbar ist. Das Rückwirkungsverbot verbietet eine Verwaltungsverfahrensakzessorietät im Umweltstrafrecht. Die extreme Gegenposition eines strafrechtlichen Rechtswidrigkeitsbegriffes ist mangels objektiven Prüfungsmaßstabs und wegen der weitgehenden Mißachtung der Regelungsmechanismen der Umweltverwaltungsgesetze ebenfalls nicht akzeptabel. Daher ist eine Lösung angezeigt, die derartige Extreme vermeidet und zugleich das Verhältnis von Verwaltungs- und Strafrecht in verfassungsrechtlich einwandfreier und praktikabler Weise bestimmt.

III. Die verwaltungsrechtsakzessorische Lösung

Im Rahmen der hier unter dem Stichwort eines eigenständigen strafrechtlichen Lösungsweges behandelten Auffassungen ist bereits angeklungen, wie sich ein nicht unerheblicher Teil der Literatur eine Lösung der Problematik fehlerhafter Verwaltungsakte im Strafrecht vorstellt. Nach ihrer Auffassung richtet sich die Beachtlichkeit begünstigender Verwaltungs akte für die Strafjustiz nicht nach deren Wirksamkeit, sondern allein nach deren materieller Rechtmäßigkeit 146. Dabei lassen sich diverse Abweichungen in den Einzelheiten zwischen den Vertretern einer verwaltungsrechtsakzessorischen Lösung feststellen 147. Auffallend ist die zunehmende Kritik an der Verwaltungsaktsakzessorietät gerade in neuerer Zeit. Verfolgt man die Entwicklung dieses Lösungsweges zurück, fällt zunächst die Argumentation Mezgers auf. Eine behördliche Genehmigung könne nur unrechtsausschließende Wirkung entfalten, wenn sie rechtmäßig ist, da die Behörde unter dem Gesetz stehe 148. In der Folgezeit hat Goldmann den Gedanken Mezgers aufgenommen, ohne ihn zu vertiefen oder einer fundamentalen, dogmatischen 146 Grundlegend offenbar Mezger S. 226; Goldrnann S. 153; aus der neueren Literatur Haaf S. 244 ff., 254 ff.; Galonska S. 44; Weber S. 43 ff.; Kühl, FS Laclrner S.815, 843 ff.; Geulen ZRP 1988, 323, 325; Rademacher S. 44 ff., 85 (zusammenfassend); Schall NJW 1990, 1263, 1267; ders. wistra 1992, 1,5; SchöndorfNJ 1991,527,529; neuerdings auch SK-Horn Vor § 324 Rdn. 18 f.; ähnlich im Ansatz OstendorfJZ 1981, 165, 174 f., der in der rechtswidrigen Genehmigung keinen Rechtfertigungsgrund sieht; differenzierend nach der Bedeutung der Genehmigung im Deliktsaufbau Winkelbauer S. 68 ff.; wohl auch Herrnes / Wieland S. 100 f., die entscheidend auf die konkrete Ausgestaltung des Straftatbestandes abstellen; im Ergebnis ebenso für belastende Verwaltungsakte Lorenz DVBl1971, 165, 169 ff.; Arnhold S. 145; Wüterich NStZ 1987, 106, 108 f. 147 Vgl. Weber S. 44 f.; Winkelbauer S. 68 ff. 148 Mezger S. 226.

4 Scheele

50

2. Kap.: Behandlung fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte

Begründung zuzuführen 149. Erst in den 80er Jahren wurde die Behandlung fehlerhafter Verwaltungsakte im Zuge der verwaltungs akzessorischen Ausgestaltung des Umweltstrafrechts zunehmend zum Thema wissenschaftlicher Auseinandersetzung. Dabei kommt Haaf das Verdienst zu, aus der Perspektive des Verwaltungsrechts die Bindungswirkung von Verwaltungsakten untersucht und die gewonnenen Resultate auf das Strafrecht übertragen zu haben 150. Aus strafrechtlicher Sicht hat schließlich Winkelbauer die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes als maßgebliches Kriterium für dessen Behandlung ausgegeben 151. In der Folgezeit haben verschiedene Autoren gerade in neuerer Zeit die Argumentation Winkelbauers aufgegriffen und derart fortentwickelt, daß mittlerweile innerhalb dieser Meinungsgruppe kontroverse Ergebnisse in den Einzelheiten feststellbar sind.

1. Argumentation gegen die Rechtfertigungswirkung rechtswidriger Genehmigungen Die Argumente, die für die Maßgeblichkeit rechtmäßiger Verwaltungs akte vorgebracht werden, lassen sich im wesentlichen auf drei tragende Aspekte reduzieren: a) Die Einheit der Rechtsordnung Die verwaltungsrechtsakzessorische Lösung durchbreche nicht die Einheit der Rechtsordnung, sie wahre sie 152. Ein nach den Vorschriften einer Teilrechtsordnung rechtswidriges Verhalten könne in einer anderen Teilrechtsordnung nicht als rechtmäßig behandelt werden. Darauf laufe die Übertragung der verwaltungsrechtlichen Doktrin von der Wirksamkeit fehlerhafter Verwaltungsakte in das Strafrecht hinaus. Die Anknüpfung an die Wirksamkeit fehlerhafter Verwaltungsakte sei durch den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung nicht zwingend vorgegeben 153. Vielmehr müsse das Strafrecht berücksichtigen, ob die Verbindlichkeit rechtswidriger Genehmigungen, wie sie verwaltungsrechtlichen Kategorien entspricht, im Strafrecht uneingeschränkt Geltung beanspruchen könne. Wenn das Strafrecht schon nicht die rückwirkende Aufhebung fehlerhafter Genehmigungen im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG übernehmen könne, müsse auch der Grundsatz der Wirksamkeit fehlerhafter Verwaltungsakte in seiner Gesamtheit für das Strafrecht in Frage gestellt werden. Da die Wirksamkeit im Sinne des § 43 VwVfG auf Erwägungen der Rechtssicherheit und des Vertrauens-

152

Vgl. Goldmann S. 153. Vgl. Haaf S. 244 ff., 254 ff. Winkelbauer S. 68 ff. Vgl. Galonska S. 44; Kühl, FS Lackner S. 815, 848 f.; SchöndorjNJ 1991,527,

153

Winkelbauer S. 69.

149 150 151

529.

B. Rechtswidrige Genehmigungen

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schutzes basiere, verbiete sich eine ausschließliche Beachtlichkeit rechtswidriger Genehmigungen nach verwaltungsrechtlichen Dogmen für den Bereich des Strafrechts. Der Gesetzgeber habe dies erkannt und im Bereich der Bestechungsdelikte konsequenterweise die Rechtfertigungswirkung der Genehmigung davon abhängig gemacht, daß die Behörde "im Rahmen ihrer Befugnisse" ( §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB ) gehandelt hat. Wenn die ganz h. M. mit Rücksicht auf den Wortlaut die rechtswidrige Genehmigung im Rahmen der §§ 331 und 333 StGB für nicht geeignet erachte, rechtfertigende Wirkung zu entfalten, könne im Hinblick auf die Intention des Gesetzgebers von einer Durchbrechung des Prinzips der Einheit der Rechtsordnung keine Rede sein 154. b) Gründe der materiellen Gerechtigkeit Das Strafrecht sei vorwiegend dem Prinzip materieller Gerechtigkeit verpflichtet. Daher sei schlechterdings nicht einzusehen, weshalb der einzelne strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden solle, wenn er Umweltgüter im Widerspruch zum materiellen Umweltschutzrecht in Anspruch nimmt 155. Dies gelte erst recht, wenn er in Kenntnis der Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung gehandelt oder er diese auf vorwerfbare Weise (etwa durch Täuschung oder Bestechung) erlangt habe. Eine Korrektur der rechtfertigenden Wirkung fehlerhafter Genehmigungen durch das Merkmal des Rechtsrnißbrauchs oder durch eine Eingrenzung der Legalisierungswirkung der Verwaltungsentscheidung sei in Einzelfällen nicht ausreichend, um Widersprüche zum Prinzip der materiellen Gerechtigkeit zu beseitigen 156. c) Verfassungsrechtliche Bedenken Schließlich werden verfassungsrechtliche Gründe gegen eine Beachtlichkeit fehlerhafter Genehmigungen geltend gemacht. Eine strikte Bindung des Strafrichters an verwaltungs behördliche Entscheidungen verstoße gegen das Rechtsprechungsmonopol, das Art. 92 GG den Richtern anvertraut; dadurch sei ferner die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt, wie sie Art. 97 GG festschreibt i57 . Die Garantie effektiven Rechtsschutzes des Art. 19 Abs. 4 GG laufe leer, wenn dem Strafrichter eine Rechtmäßigkeitskontrolle von Verwaltungsentscheidungen verwehrt sejl58.

154 155 156 157

In diesem Sinne Rademacher S. 81 f. Vgl. Schall NJW 1990, 1263, 1267; ders. wistra 1992, 1,5. Vgl. Winkelbauer S. 70. So HaafS. 244 ff.; Kühl, FS Lackner S. 815, 844; Schall NJW 1990, 1263, 1268;

ders. wistra 1992, 1, 5. 158 So etwa Haaf S. 257 ff. 4*

52

2. Kap.: Behandlung fehlerhafter begünstigender Verwaltungs akte 2. Divergierende Ansichten innerhalb der Meinungsgruppe

Die zuvor skizzierte Argumentation spiegelt den in den Grundaussagen bestehenden Konsens innerhalb der Meinungsgruppe wieder. Nachfolgend sollen zur weiteren Analyse der verwaltungsrechtsakzessorischen Lösung die in Einzelheiten abweichenden Auffassungen beleuchtet werden. a) Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Genehmigung Es besteht keine Einigkeit darüber, inwieweit eine behördliche Genehmigung der Verwaltungsrechtslage entsprechen muß, damit sie für die Strafjustiz beachtlich ist. Mezger und ihm folgend Goldmann verlangen neben der materiellen auch die formelle Rechtmäßigkeit der Genehmigung 159. Rademacher hält zwar grundsätzlich die formelle Rechtmäßigkeit für erforderlich, unter bestimmten Voraussetzungen aber könne hierauf verzichtet werden, wenn nämlich die Formerfordernisse nicht dem Schutz des einzelnen dienten 160. Die Einlassungen Winkelbauers lassen nicht eindeutig erkennen, ob er ebenfalls die formelle Rechtmäßigkeit der Genehmigung verlangt. Im Zuge neuerer Untersuchungen stellt er - von seiner Dissertation abweichend - heraus, die Aufhebung gesetzlicher Verbote könne wirksam nur in der gesetzlich vorgeschriebenen Form erfolgen 161. Maßgeblich dürften jedoch die Ausführungen sein, die allein auf die materielle Rechtmäßigkeit abstellen, zumal sie mit der Begründung versehen sind, formelle Fehler könnten auch bei rechts guts schützenden Verwaltungsakten auftreten 162. Insoweit gibt Winkelbauer die Gegenauffassung innerhalb der verwaltungsrechtsakzessorischen Lösung wider, wonach allein die materielle Rechtmäßigkeit der Genehmigung maßgeblich ist 163.

b) Differenzierung hinsichtlich der Einordnung der Genehmigung in den Deliktsaufbau Nach Winkelbauer kann eine Lösung, die die Verbindlichkeit einer behördlichen Genehmigung nach deren Rechtmäßigkeit beurteilt, nicht uneingeschränkte Geltung beanspruchen. Das Kriterium der Rechtmäßigkeit müsse trotz des Schutzzweckes der Strafrechtsnormen auf rechtfertigende Genehmigungen begrenzt werden. Da für tatbestandsausschließende Genehmigungen das Gesetzlichkeits159 Mezger S. 226; Goldmann S. 246; vgl. auch Arnhold S. 145, der für strafbewehrte Verwaltungsakte die Einhaltung sämtlicher Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen verlangt. 160 Rademacher S. 150 ff. 161 Winkelbauer NStZ 1988,201,203. 162 Vgl. Winkelbauer S. 48. 163 Schall NJW 1990, 1263, 1267; ders. wistra 1992, 1,5; unklar insoweit Galonska S.44; Weber S. 44; Geulen ZRP 1988, 323, 325; SchöndorfNJ 1991,527,529.

B. Rechtswidrige Genehmigungen

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prinzip des Art. 103 Abs. 2 GG gelte, müsse bei diesen Genehmigungen auf deren Wirksamkeit abgestellt werden, wie sie das Verwaltungsverfahrensgesetz vorgibt 164. Der natürliche Wortsinn der Begriffe "unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten" (§§ 311 d, 325 StGB) und "ohne Genehmigung" (§ 327 StGB) verlange eine Orientierung an der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes 165, die bei nur rechtfertigenden Genehmigungen (§§ 324, 326 StGB) nicht geboten sei, da § 103 Abs. 2 GG bei Rechtfertigungsgründen keine Anwendung finden könne. c) Strafbarkeitsausschluß trotz rechtswidriger Genehmigung Wenn auch dem begünstigenden Verwaltungs akt nur im Falle seiner Rechtmäßigkeit rechtfertigende Wirkung zugestanden wird, wird dennoch eine strafrechtliche Verantwortung des Genehmigungsempfangers nicht in jedem Falle befürwortet. Vielmehr wird auf dogmatisch unterschiedliche Weise versucht, der verwaltungsverfahrensgesetzlichen Vorgabe Rechnung zu tragen: Nach OstendorJ könne nicht allein auf die materielle Rechtmäßigkeit wie im Falle belastender Verwaltungsakte abgestellt werden, wenn die Strafbarkeit des Genehmigungsinhabers zu beurteilen ist. Da kein Konfliktsfall zwischen Behörde und adressiertem Bürger bestehe, müsse letztlich der Vertrauensschutzgedanke ausschlaggebend sein. Das Verhalten, das der wirksamen Genehmigungslage entspreche, sei sozialadäquat, wenn der Genehmigungsinhaber auf die wirksame Genehmigung vertraue. Daher führe ein Handeln in Einklang mit der wirksamen Genehmigung trotz bestehender materieller Rechtswidrigkeit bereits zu einem Tatbestandsausschluß 166. Weber differenziert zwischen befugtem und rechtswidrigem Handeln. Aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes müsse das Verhalten des Genehmigungsempfangers, das durch die fehlerhafte Genehmigung gedeckt ist, als strafrechtswidrig, zugleich aber als befugt bewertet werden. Der Genehmigungsinhaber könne strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Strafrechtsdogmatisch sei die aus der fehlerhaften Genehmigung folgende Befugnis als persönlicher Strafausschließungsgrund im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB zu behandeln 167. Wer hingegen nicht im Lager des Genehmigungsempfängers stehe, könne wegen seines rechtswidrigen und auch unbefugten Verhaltens strafrechtlich belangt werden, da dieser sich nicht auf den Strafausschließungsgrund berufen könne. 164 Winkelbauer S. 67; ihm folgend Dölling JZ 1985,461,464 FN 43, 469 FN 101; Lenckner, FS Pfeiffer S. 27, 32 f.; Ensenbach S. 107 f. (für § 325); Weber S. 37 f.; wohl auch Herrnes I Wieland S. 100 f. 165 Vgl. statt der Vorgenannten nur Lenckner, FS Pfeiffer S. 27, 33 f. 166 OstendorfJZ 1981, 165, 174f. 167 Weber S. 44 f.

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2. Kap.: Behandlung fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte

Winkelbauer schlägt in ähnlicher Weise vor, der durch das Verwaltungsrecht vorgegebenen Beachtlichkeit rechtswidriger Genehmigungen strafrechtsdogmatisch durch einen Strafausschließungsgrund Rechnung zu tragen. Dadurch werde eine unterschiedliche Beurteilung in Straf- und Verwaltungsrecht vennieden, was der positiven generalpräventiven Wirkung des Strafrechts dienlich wäre 168.

Um Wertungswidersprüche in Einzelfällen zu venneiden, will neuerdings auch Horn 169 zwischen Rechtswidrigkeit und Strafbarkeit differenzieren. Unter Wahrung des Prinzips der Einheit der Rechtsordnung könne die Strafrechtswidrigkeit an das materielle Verwaltungsrecht gebunden und die Beseitigung der fehlerhaften Genehmigung als objektive Bedingung der Strafbarkeit aufgefaßt werden 170. Ein tatbestandsmäßiges Verhalten, das auf eine materiell rechtswidrige Genehmigung gestützt sei, sei rechtswidrig, könne aber erst nach der Beseitigung der Genehmigung bestraft werden. Durch die Konstruktion einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit könnten als grob unbillig empfundene Ergebnisse vennieden werden, sofern die Genehmigung aufgehoben werde 171. Damit setzt sich Horn für die Anerkennung bestandskräftiger, da von der Erlaßbehörde nicht mehr aufhebbarer Verwaltungsakte im Strafrecht ein. Bis zur Bestandskraft soll im Falle der rückwirkenden Aufhebung die Vereinbarkeit mit den zugrundeliegenden materiellrechtlichen Vorschriften über die Beachtlichkeit fehlerhafter Verwaltungsakte im Strafrecht entscheiden. 3. Die abweichende Auffassung der h. M.

Im Gegensatz zum bereits vorgestellten materiellrechtlichen Ansatz stellt die h. M. grundsätzlich auf die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes auch bei dessen Rechtswidrigkeit ab. Als Argumente werden die Einheit der Rechtsordnung und Aspekte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vorgebracht. WertungsWinkelbauer NStZ 1988, 201, 205. Horn (in SK Vor § 324 Rdn. 13) beurteilt die Beachtlichkeit fehlerhafter Genehmigungen grundsätzlich nach dem Allgemeinen Verwaltungsrecht, also nach deren Wirksamkeit. 170 SK-Horn Vor § 324 Rdn. 18 f.; ähnlich bereits ders. UPR 1983,362,366, wobei allerdings auch rechtmäßigen Genehmigungen nur strafausschließende Wirkung zugestanden wird; a. A. aber Horn NJW 1988, 2335, 2338, wo die Anknüpfung an das Besondere Verwaltungsrecht als an der Verwaltung vorbeigehende Anmaßung verstanden wird, die zur Strafrechtsakzessorietät des Besonderen Verwaltungsrechts führe. 171 Der Gedanke, die Aufhebung der Genehmigung als objektive Bedingung der Strafbarkeit aufzufassen, geht auf Lenekner, FS Pfeiffer S. 27, 40 f. zurück. Lenekner hat diese Konstruktion zur Lösung der Fälle der Täuschung und Drohung entwickelt und auf diese beschränkt (ihm folgend Keller, FS Rebmann S. 241, 249 f.; auf den Fall der Bestechung erweiternd Laekner § 324 Rdn. 10). Zugleich hat er aber klargestellt, daß die verwaltungsrechtliche Lehre von der Wirksamkeit fehlerhafter Verwaltungsakte gelte, bis die Genehmigung ex tune aufgehoben sei (vgl. Lenekner aaO S. 39). Horn erweckt hingegen den Eindruck, die von ihm vorgeschlagene Lösung führe stets zu sachgerechten Ergebnissen (vgl. SK-Horn Vor § 324 Rdn. 19). 168

169

B. Rechtswidrige Genehmigungen

55

widersprüche, wie sie die materiellrechtliche Lösung vermittle, seien innerhalb der Rechtsordnung untragbar 172. Der Staat würde entgegen seiner Funktion, Ordnung zu schaffen, mit zweierlei Zungen sprechen, wenn strafrechtlich verboten wäre, was verwaltungsrechtlich erlaubt ist 173. Ungeklärt ist in diesem Zusammenhang jedoch, inwieweit die Wirksamkeit des fehlerhaften Verwaltungsaktes beachtet werden muß und ob nicht aus strafrechtlicher Sicht im Einzelfall Korrekturen hinsichtlich der Rechtfertigungswirkung materiell rechtswidriger Genehmigungen angebracht sind.

172 Vgl. OLG Frankfurt NJW 1987,2753,2756; OLG Celle ZfW 1987, 126, 127 f.; OLG Köln wistra 1991,74,75; LG Bonn NStZ 1988,224,225; LG Hanau NJW 1988, 571,574; Schi Sch-Cramer Vorbem. §§ 324 ff. Rdn. 7, 16 a ff.; LK-Steindorf § 324 Rdn. 75, 92, 106; Dreher / Tröndle § 324 Rdn. 7; Lackner § 324 Rdn. 10; Maurach / Zipf StrafR AT 1 § 29 Rdn. 19; Maurach / Schroeder / Maiwald StrafR BT 2 § 58 Rdn. 6; Tiedemann S. 39; Frank S. 34; lmmel S. 130 ff.; Ensenbach S. 157; Braun S. 65; Lenckner, FS Pfeiffer S. 27 ff.; Rogall, FS Universität Köln, S. 505,525 f.; ders. Amtsträgerstrafbarkeit S. 188 ff.; Rudolphi, FS Lackner S. 863,881; ders. NStZ 1984, 193, 197; Dölling JZ 1985,461,469; Seier JA 1985,23,25; Breuer DÖV 1987, 169, 180; ders. NJW 1988,2072,2080; Dahs / Redeker DVBl. 1988,803,810; Dolde NJW 1988,2329, 2330 f.; Horn NJW 1988, 2335, 2337 f.; ders. NuR 1988, 63, 66; Meurer NJW 1988, 2065,2068; Hauber VR 1989, 109, 110; Hansmann NVwZ 1989,913,917; Heine ÖJZ 1991, 370, 372; Ossenbühl DVBI 1990,963, 972 f.; ders. I Huschens UPR 1991, 161, 167; Schröder VVDStRL 50 (1991), 196,221 ff.; ebenso für die außenwirtschaftliche Genehmigung im Hinblick auf § 34 AWG zuletzt v. Bogdandy VerwArch 1992,53,94. 173 Vgl. Ossenbühl/ Huschens UPR 1991, 161, 166.

3. Kapitel

Eigene Lösung A. Gang der Untersuchung Die vorstehend skizzierten Meinungen verdeutlichen, wie differenziert die Bindung des Strafrechts an das Verwaltungsrecht selbst auf der Grundlage eines im Ansatz einheitlichen - materiellrechtlichen - Lösungsweges gesehen werden kann. Dabei spielen so unterschiedliche Kriterien wie Aspekte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ebenso eine Rolle wie der Typ der fehlerhaften Genehmigung. Die umfangreichen Ergebniskorrekturen, die Vertreter der verwaltungsrechtsakzessorischen Lösung hinsichtlich der Strafbarkeit des Genehmigungsempfängers vornehmen, indizieren bei unvoreingenommener Betrachtungsweise ein gewisses Unbehagen dieser Vertreter, sich vollständig von den Vorgaben des Verwaltungsverfahrensgesetzes zu lösen. Wer die Verbindlichkeit von begünstigenden Verwaltungsakten für die Strafjustiz allein nach deren Rechtmäßigkeit beurteilt, müßte konsequenterweise ein darauf gestütztes Verhalten in jedem Falle für rechtswidrig und damit auch strafwürdig erklären. Da dies nicht durchgängig geschieht, sondern mitunter zusätzlich Aspekte des Allgemeinen Verwaltungsrechts (Rechtssicherheit, Vertrauensschutz, Bestandsschutz) in die Beurteilung einbezogen werden, bedarf der Ansatzpunkt der verwaltungsrechtsakzessorischen Lösung besonders eingehender Betrachtung. Die verwaltungsaktsakzessorische Lösung der h. M. läßt ebenfalls Fragen offen. Sofern das Ergebnis, der Strafrichter sei an die Existenz des rechtswidrigen, aber wirksamen Verwaltungsakts gebunden, überhaupt näher begründet wird, begnügen sich einige Vertreter der h. M. mit dem pauschalen Verweis auf das Dogma der Wirksamkeit von Verwaltungsakten, wie es in den §§ 43,44 VwVfG seinen Ausdruck findet. Andere wiederum folgern aus dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung die Bindung der Strafverfolgungsorgane an behördliche Genehmigungen, ohne das vielzitierte Prinzip der Einheit der Rechtsordnung,inhaltlich zu konkretisieren oder sich mit der Argumentation der Gegenauffassung auseinanderzusetzen. Eine Analyse des Prinzips der Einheit der Rechtsordnung erscheint aber zwingend, insbesondere dann, wenn dieses Prinzip wiederholt zur tragenden Argumentationsfigur der h. M. gerät. Denn nach einigen Verfechtern der materiellrechtlichen Konzeption wird die Einheit der Rechtsordnung gerade dadurch hergestellt, daß das Strafrecht an das Besondere Verwaltungsrecht, d. h. unmittelbar an die Vorschriften der Umweltgesetze anknüpfen soll. Daher soll

B. Das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung

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im folgenden auf das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung und dessen Grundaussagen eingegangen werden, um dessen Aussagekraft für eine verwaltungsakts oder eher verwaltungsrechtsakzessorische Lösung verifizieren zu können.

B. Das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung Auf das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung wird im Rahmen fast aller mit der Verwaltungsakzessorietät zusammenhängenden Fragestellungen als wesentlich Stütze der eigenen Argumentation zurückgegriffen. Daß auch konträre Auffassungen das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung jeweils für sich in Anspruch nehmen, deutet auf Interpretationsfreiräume hin, die entweder aus dem Verständnis des Prinzips selbst oder aber dessen konkreter Anwendung auf das Problem der strafrechtlichen Behandlung verwaltungsrechtlich wirksamer, aber gleichwohl materiellrechtswidriger Genehmigungen resultieren. Günther hat die Funktion des Prinzips der Einheit der Rechtsordnung in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung plakativ als "handliche Allzweckwaffe in juristischer Begründungsnot" bezeichnet 174. Um so mehr gilt es, dem vermeintlich mehrdeutig interpretierbaren Prinzip der Einheit der Rechtsordnung Konturen zu verleihen, die einer wissenschaftlichen Diskussion zugänglich sind. Die Frage, welches Ergebnis das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung in concreto präjudiziert, betrifft lediglich die Folgerungen, die aus dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung zu ziehen sind. Vordringlich ist zu klären, ob und inwieweit das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung anzuerkennen ist, welcher Inhalt und welche Bedeutung ihm zukommt. Daran anschließend können Rückschlüsse auf das präjudizierte Ergebnis gezogen werden. Wegen der Vielschichtigkeit des Prinzips der Einheit der Rechtsordnung und seinen rechtsphilosophischen Bezügen ist eine thematische Eingrenzung des Problemkreises geboten. Im folgenden wird daher unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Auffassungen zum Prinzip der Einheit der Rechtsordnung zu erörtern sein, ob die Strafjustiz aufgrund des Prinzips der Einheit der Rechtsordnung an die Bewertung der Rechtslage durch die Verwaltung gebunden ist, wie sie in Form des erlassenen Gestattungsaktes zum Ausdruck kommt. I. Der Standpunkt der h. M. Die Argumentationsfigur der "Einheit der Rechtsordnung" hat eine lange Tradition. Sie ist im Grundsatz bereits in einer Vielzahl älterer Gerichtsentscheidungen erkennbar, die zu Beginn dieses Jahrhunderts die Einheitlichkeit der Staatsgewalt für unabdingbar erachteten 175. Zur Begründung wird darauf verwiesen, der Staat Günther S. 89. So bereits RGSt 61, 242, 247 zur Einheit der Rechtsordnung; vgl. zur älteren Rechtsprechung Haaf S. 43 ffi. w. N. 174 175

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3. Kap.: Eigene Lösung

könne zu derselben Frage nicht verschiedene Positionen einnehmen, ansonsten sei die Staatsidentität gefahrdet. Mag demnach in der Begründung Übereinstimmung geherrscht haben, so ist keine einheitliche Linie ~rkennbar, was die Forderungen und Folgerungen angeht, die aus der Lehre der Einheit der Rechtsordnung erwachsen. So hat Engisch in seiner Monographie darauf hingewiesen, daß schon zur damaligen Zeit - von der Einheit der Rechtsordnung zwar häufig die Rede sei, jeder sich aber etwas anderes darunter vorstelle 176. Im Anschluß an die traditionelle Lehre geht die überwiegende Meinung im strafrechtlichen Schrifttum von der Einheit der Rechtsordnung und einem daraus resultierenden einheitlichen Rechtswidrigkeitsbegriff aus 177. Das Urteil über die Widerrechtlichkeit eines bestimmten Verhaltens könne nur anhand der gesamten Rechtsordnung getroffen werden. Daher könne das Rechtswidrigkeitsurteil auch nur einheitlich für die gesamte Rechtsordnung ausfallen und Allgemeingültigkeit beanspruchen. Auf das Strafrecht und die Anerkennung außerstrafrechtlicher Rechtfertigungsgründe bezogen bedeutet dies, es dürfe in einer Teilrechtsordnung nicht verboten sein, was eine andere erlaube. Die Rechtfertigungsgründe eines bestimmten Rechtsgebietes könnten in der gesamten Rechtsordnung Geltung beanspruchen. Folglich könnte eine durch das Zivil- oder Verwaltungsrecht erlaubte Handlung im Strafrecht nicht als rechtswidrig bzw. strafbar angesehen werden. Eine weitergehende dogmatische Begründung wird im Regelfall freilich nicht geliefert. Die Ausführungen zur Einheit der Rechtsordnung begnügen sich regelmäßig damit, die Einheit der Rechtsordnung als gegeben hinzustellen und daraus Folgerungen abzuleiten 178. Allenfalls wird herausgestellt, ein abweichendes Rechtswidrigkeitsurteil einer Teilrechtsordnung liefe auf einen unauflösbaren Wertungswiderspruch hinaus 179. Zur Begründung der Lehre von der Einheit der Rechtsordnung wird darauf verwiesen, daß das jeweilige Rechtsgebiet in Form der Tatbestandsfassung darüber entscheidet, ob es an ein bestimmtes Verhalten Rechtsfolgen knüpft; das Rechtswidrigkeitsurteil hingegen bleibe einheitlich. Die Teilrechtsordnungen unterschieden sich lediglich hinsichtlich der Rechtsfolgen (Strafe, Schadensersatz etc.) des als rechtswidrig erachteten Verhaltens 180.

11. Die GegenautTassung

Daß sich Teile der strafrechtlichen Literatur gegen einen einheitlichen Rechtswidrigkeitsbegriff aussprechen, ist bereits bei der Darstellung des originär straf176 177 178 179 180

Engisch, Einheit der Rechtsordnung S. 1. s. o. die Nachweise in FN 134. z. B. Breuer NJW 1988,2072,2077. Vgl. SK-Horn Vor § 324 Rdn. 16. Vgl. LK-Hirsch Vor § 32 Rdn. 10.

B. Das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung

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rechtlichen Lösungsmodells angeklungen. Das Rechtswidrigkeitsurteil sei auf die jeweilige Teilrechtsordnung bezogen und könne nicht auf die Gesamtrechtsordnung erstreckt werden. Die hierin liegende, zunehmende Kritik an einem einheitlichen Rechtswidrigkeitsbegriff ist keinesfalls auf das Strafrecht 181 beschränkt, sondern auch im Zivilrecht 182 und im öffentlichen Recht 183 nachweisbar. So hat insbesondere von öffentlichrechtlicher Seite die Kritik an der Lehre von der Einheit der Rechtsordnung gerade in neuester Zeit zugenommen 184. Übereinstimmend wird auf die unterschiedlichen Funktionen der Teilrechtsordnungen verwiesen, die sich auf das Rechtswidrigkeitsurteil eines Rechtsgebietes auswirkten. Die Beziehungsstrukturen des Rechts seien immer relational und daher die Kategorien der Rechtmäßigkeit und der Rechtswidrigkeit relativ 185. Das jeweilige Rechtsgebiet bestimme eigenständig entsprechend seinem vorgegebenen Aufgabenfeld die Voraussetzungen, an die die rechtsgebietsspezifischen Rechtsfolgen anknüpften. Der Aufgabenteilung entsprechend nehme das jeweilige Rechtsgebiet nur die Normen zum Maßstab einer Rechtmäßigkeitsprüfung, die rechtsgebietsspezifisch die jeweils gültigen Ge- und Verbote beschreiben, d. h. der Begriff der Rechtswidrigkeit sei ein funktionsbestimmter Begriff der einzelnen Rechtsgebiete 186. Das Rechtswidrigkeitsurteil entfalte demnach zwingend nur Wirkung innerhalb der Teilrechtsordnung, in der das Urteil gefällt wurde. Vor diesem Hintergrund besteht jedoch keine Einigkeit hinsichtlich der Behandlung außerstrafrechtlicher Rechtfertigungsgründe. Teilweise wird davon ausgegangen, ein Verhalten, das nach außerstrafrechtlichen Wertungen rechtmäßig ist, könne nicht als strafrechtswidrig angesehen werden 187. Nach anderer Auffassung ist eine abweichende Beurteilung anderweitig erlaubten Verhaltens im Strafrecht denkbar und eine Gleichbehandlung keineswegs indiziert 188. Folglich ist nach dieser Auffassung die Strafjustiz keinesfalls an die Beurteilung der Rechtswidrigkeit eines bestimmten Verhaltens durch die Verwaltung 181 s. o. bereits FN 131 und ferner Stratenwerth AT Rdn. 186; Seebode FS Klug S.359, 371 f.; Hübenett S.82; Hallwaß S.98; Rademacher S. 52 ff.; Brauer S. 118; Engels GA 1982, 109, 120. 182 Vgl. Staudinger-Dilcher § 227 Rdn. 31; Larenz S. 483 f.; Deutsch S. 95, 207 f.; Schmidt-Salzer VersR 1990, 124, 133 ff. 183 Kirchhof S. 10, 32; ders. NJW 1978, 969, 970; Böckenförde NJW 1978, 1881, 1883; gegen die Einheit der Rechtsordnung auch einige Diskussionsbeiträge anläßlich der 50. Staatsrechtslehrertagung, vgl. Rupp VVDStRL 50, 292, 293; Häberle VVDStRL 50, 303; Thieme VVDStRL 50, 304 (,,Leerfonnel"); Meyer VVDStRL 50, 335, 336. 184 Häberle sieht in den Referaten und Diskussionsbeiträgen anläßlich des 50. Staatsrechtslehrertages (1990) eine " ... Entzauberung der meist unreflektiert als vorgegeben fingierten Fonnel der Einheit der Rechtsordnung", Häberle VVDStRL 50, 303. 185 So Rupp VVDStRL 50, 292, 293. 186 In diesem Sinne Larenz S. 483 f. 187 Jakobs 11/6; Günther S. 101; Seebode FS Klug S. 359, 367. 188 Vgl. Hübenett S. 82.

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3. Kap.: Eigene Lösung

gebunden. Es steht der Strafjustiz folgerichtig frei, sich an der Verwaltungsrechtslage zu orientieren und in Anlehnung an das materielle Umweltschutzrecht das Verhalten des Genehmigungsempfängers als strafrechtswidrig zu erklären. III. Eigene Ansicht

Mit dem Problem der Verwaltungsaktsakzessorietät verglichen gibt der Meinungsstand zur Einheit der Rechtsordnung die beiden Grundpositionen zur Lösung der Bindungswirkung fehlerhafter Verwaltungsakte nicht exakt wieder. Zwar setzen sich die Anhänger der materiellrechtlichen Lösung häufig kritisch mit der Einheit der Rechtsordnung auseinander. Es wäre aber zu undifferenziert, aus dem jeweiligen Standpunkt zur Einheit der Rechtsordnung und zur Behandlung fehlerhafter Genemigungen einen direkten Zusammenhang herzustellen 189. So wird, worauf bereits hingewiesen worden ist, die Einheit der Rechtsordnung auch als Stütze der materiellrechtlichen Lösung gesehen 190. Ehe daher zugunsten der einen oder anderen Partei Stellung genommen werden kann, müssen zwei Streitpunkte streng auseinandergehalten werden: -

Inhalt und Berechtigung der herrschenden Lehre von der Einheit der Rechtsordnung und

-

zweitens die hieraus abzuleitenden Konsequenzen für das Verhältnis von Verwaltungsrechts- und Strafrechts widrigkeit in Kollisionslagen.

Diese an sich selbstverständliche Trennung geht in der Auseinandersetzung um die Relevanz der Einheit der Rechtsordnung in der Regel verloren. Das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung betrifft die Frage des Verhältnisses der Teilrechtsordnungen untereinander vor dem Hintergrund der Ordnungsfunktion des Rechts. Das Recht vermittelt ein Ordnungsschema, das zu einem gedeihlichen Zusammenleben innerhalb einer Gemeinschaft unabdingbar ist. In diesem Sinne soll es dem Recht als Summe aller Rechtsnormen obliegen, für Rechtssicherheit einerseits und materielle Gerechtigkeit andererseits als oberste Rechtswerte Sorge zu tragen 191. Canaris folgert aus diesen Prinzipien der Rechtssetzung und Rechtsanwendung den Systemcharakter des Rechts und als dessen Konkretisierung den Gedanken der Einheit der Rechtsordnung, der zum gesicherten Bestand rechtsphilosophischer Einsichten gehöre 192. Der vermeintliche Systemcharakter des Rechts gibt freilich keinen Aufschluß, welches Rechtswidrigkeitsurteil in Kollisionslagen konkret getroffen werden muß. Um eine Kollisionslage handelt es sich aber, wenn Verwaltungsverfahrensrecht und Strafrecht bzw. Verwaltungsbehörde und Strafjustiz gleichermaßen 189 190

191 192

So aber Rademacher S. 40 ff. m. w. N. SchöndorfNJ 1991,527,529 und die Nachweise in FN 152. Vgl. Canaris, S. 16 f. Canaris S. 16; im Ergebnis ebenso jüngst Renzikowski GA 1992, 159, 171.

B. Das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung

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über die Beachtlichkeit von Verwaltungsakten befinden wollen. Der in der Argumentation von Canaris anklingende rechtsphilosphische Aspekt der Einheit der Rechtsordnung ist der wissenschaftlichen Auseinandersetzung nur bedingt zugänglich, nämlich nur insoweit, als die unter dem Schlagwort "Einheit der Rechtsordnung" zusammengefaßten Wertungen auf eine positivrechtliche Basis zurückgeführt werden können. Aus der behaupteten Relevanz der "Einheit der Rechtsordnung" für die Frage der Behandlung fehlerhafter Verwaltungsakte folgt mithin die Perspektive, aus der das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung zu analysieren ist. Folgerungen aus dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung können nur dann zur Auflösung VOn Kollisionslagen zwischen den Teilrechtsordnungen abgeleitet werden, wenn die positivrechtliche Basis des "Prinzips der Einheit der Rechtsordnung" geklärt ist. Auf diese Weise kann auch die Argumentationsfigur "Einheit der Rechtsordnung" inhaltlich konkretisiert werden, sei es als an den Rechtsanwender gerichtetes, bloßes Postulat zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen, sei es als Zustandsbeschreibung der inneren Harmonie der Rechtsordnung mit dem Anspruch einer dogmatischen Dimension. Solange nicht klargestellt ist, was Kritiker und Anhänger inhaltlich unter der "Einheit der Rechtsordnung" verstehen bzw. bei einem objektiven Bewertungsmaßstab darunter verstehen sollten, geht jede wissenschaftliche Erörterung ins Leere. Als objektiver Bewertungsmaßstab bieten sich das Verfassungsrecht an. Sowohl der herrschende einheitliche Rechtswidrigkeitsbegriff alsauch der rechtsgebietsspezifische Rechtswidrigkeitsbegriff und die daran anknüpfenden Vorschläge· zur Behandlung fehlerhafter Verwaltungsakte vermögen nur zu überzeugen, sofern sie mit den verfassungsrechtlichen Prinzipien des Rechtsstaates in Einklang gebracht werden können. Daher soll die Entscheidung für oder gegen die "Einheit der Rechtsordnung" und den daraus abzuleitenden Folgerungen davon abhängig gemacht werden, inwieweit das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung eine verfassungsrechtliche, insbesondere rechtsstaatliche Dimension besitzt. 1. Der Gedanke der materiellen Gerechtigkeit Die Idee der Gerechtigkeit bestimmt maßgeblich unser Rechtsverständnis 193. So selbstverständlich der Gerechtigkeitsgedanke als Maxime des Rechtsstaates auch ist, die Umsetzung des Gerechtigkeitsgedankens muß Schwierigkeiten in sich bergen, solange das Gesetz subjektive Anschauungen und Werturteile zuläßt. Aus der Perspektive des Rechtsanwenders wird der Gedanke der Gerechtigkeit durch eigene Wertungen überlagert, insbesondere dort, wo unbestimmte Rechtsbegriffe oder Generalklauseln infolge Auslegung und Subsumtion einer eigenständigen Wertung zugänglich sind, zumal eine objektive Gerechtigkeit nicht existiert l94 • Ob und inwieweit im Strafrecht von einem strafwürdigen Verhalten auszugehen ist, bestimmt im Rahmen des Art. 103 Abs. 2 GG der Gesetzgeber. 193 194

Statt aller Stern StaatsR I § 20 IV 4 (S. 796). Renzikowski GA 1992, 159, 162.

62

3. Kap.: Eigene Lösung

Unter dem Aspekt der Einheit der Rechtsordnung können insoweit keine anderweitigen allgemeingültigen Vorgaben dafür entwickelt werden, wann ein Verhalten aus strafrechtlicher Sicht zu sanktionieren ist oder nicht. Inhaltlich ist der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung darauf beschränkt, gleichsam im Sinne einer Stimmigkeitskontrolle dem Gerechtigkeitsgedanken als widerstreitend empfundene Aussagen und Ergebnisse der Teilrechtsordnungen untereinander zu verhindern. Die Wahrung materieller Gerechtigkeit ist das übergeordnete Ziel, zu dessen Einhaltung auf das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung zurückgegriffen werden kann, nicht umgekehrt. Als Maßstab ist insoweit auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG zurückzugreifen, das als Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips zu verstehen ist. Danach darf wesentlich Gleiches nicht willkürlich, d. h. ohne sachlichen Grund, ungleich und wesentlich Ungleiches nicht willkürlich gleich behandelt werden 195. Über Art. 1 Abs. 3 GG richtet sich das Gleichbehandlungsgebot an Verwaltung, Rechtsprechung und Gesetzgebung gleichermaßen. Für den Rechtsanwender resultiert daraus im Grundsatz das Gebot der Gleichbehandlung über die Grenzen der Teilrechtsordnungen hinweg.

2. Der Gedanke der Rechtssicherheit Der Gedanke der Rechtssicherheit ist neben dem Gerechtigkeitsgebot ein tragendes Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und damit ein Prinzip von Verfassungsrang 196. Rechtssicherheit ist unabdingbarer Ausdruck der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Der Bürger und die Allgemeinheit müssen in den Fortbestand und die Vorhersehbarkeit staatlicher Akte vertrauen können. Dies gilt nicht nur im Rahmen der jeweiligen Teilrechtsordnung, sondern im Sinne einer verläßlichen Rechtsordnung auch und gerade in Fällen, in denen es zu Überschneidungen mit anderen Teilrechtsordnungen kommt. Der Bürger könnte bei divergierenden Entscheidungsmöglichkeiten apriori nicht erkennen, welche Entscheidung ihm gegenüber letztlich Verbindlichkeit beanspruchen kann. Die daraus resultierende Desorientierung des Bürgers ist grundsätzlich mit dem Rechtssicherheitsprinzip als Einzelelement des Rechtsstaatsprinzips nicht vereinbar. Freilich darf das Gebot der Rechtssicherheit nicht absolut als oberstes Gebot der Rechtsordnung betrachtet werden. Es ist vielmehr durch den Gedanken der materiellen Gerechtigkeit bzw. des Gleichheitsgrundsatzes beschränkt 197. Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob sich einander widersprechende Ergebnisse vor dem Hintergrund der materiellen Gerechtigkeit und des daraus resultierenden Gleichbehandlungsgrundsatzes rechtfertigen lassen.

Statt aller BVerfGE 49, 148, 165; 49, 280, 283. St. Rspr. des BVerfG: BVerfGE 2, 380, 403; 7, 89, 92; 15, 313, 319; 25, 269, 290; vMünch-Schnapp Art. 20 Rdn. 26; Stern StaatsR I § 20 IV 4 (S. 796). 197 Vgl. BVerfGE 7, 194, 196; Stern StaatsR I § 20 IV 4 (S. 797). 195

196

B. Das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung

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3. Der Gedanke der Gewaltenteilung Soweit gegen divergierende Rechtswidrigkeitsurteile von Verwaltung und Strafjustiz unter dem Aspekt der Einheit der Rechtsordnung argumentiert wird, ist als weiteres Element des Rechtsstaatsbegriffs der Gedanke der Gewaltenteilung zu beachten. Dem Gewaltenteilungsgrundsatz kann freilich nur hinsichtlich der Bindung der Gerichte an Verwaltungs akte Bedeutung zukommen, nicht allgemein in bezug auf einen einheitlichen Rechtswidrigkeitsbegriff. Gleichwohl wird das Problem der Einheit der Rechtsordnung gerade im Hinblick auf die Verwaltungsaktsakzessorietät aufgeworfen. Daher muß eine auf die Einheit der Rechtsordnung gestützte Lösung sich auch am Gewaltenteilungsgrundsatz messen lassen. Das Prinzip der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) hat die Begrenzung staatlicher Macht durch gegenseitige Hemmung und Kontrolle zum Zie}l98. Die Gewaltenteilung soll auf organisatorischer Ebene die Berechenbarkeit, Kontrollierbarkeit und Kompetenzmäßigkeit der öffentlichen Gewalt als maßgebliche Grundlage des Rechtsstaates sichern 199. In diesem Sinne läßt sich die Gewaltenteilung als Zuständigkeitssicherung für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung begreifen. Diese Zuständigkeitssicherung könnte aber aus strafrechtlicher Sicht verletzt sein, wenn die Strafjustiz an die Beurteilung der Verwaltungsrechtslage durch die Verwaltung unter dem Aspekt der Einheit der Rechtsordnung gebunden wäre. Auf der anderen Seite läßt sich der Gewaltenteilungsgrundsatz im Sinne von Zuständigkeitssicherung auch von den Anhängern eines einheitlichen Rechtswidrigkeitsurteils ins Feld führen. Wenn die Verwaltung im Rahmen des Verwaltungsverfahrens die Vereinbarkeit der beantragten Nutzung von Umweltgütern beurteilt und zum Abschluß des Verfahrens die Rechte und Pflichten des Antragstellers in Form der umweltrechtlichen Genehmigung konkretisiert, so macht die Verwaltung von der ihr zugewiesenen Bewertungskompetenz Gebrauch, deren Kontrolle allein den Verwaltungsgerichten obliegt könnte. Dementsprechend könnte aus dem verfassungsrechtlichen Gewaltenteilungsgrundsatz zwingend die Bindung der ordentlichen Gerichte an Verwaltungs akte folgen 2°O, wodurch die Lehre von der Einheit der Rechtsordnung bestätigt wäre.

198 Statt aller vMünch-Schnapp Art. 20 Rdn. 33. 199 200

Stern StaatsR I § 20 IV 3 (S. 795 f.). So Erichsen § 12 Rdn. 5; Eyermann / Fröhler § 40 Rdn. 39.

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3. Kap.: Eigene Lösung 4. Folgerungen aus den zu beachtenden Einzelelementen des Rechtsstaatsbegrijfs und deren Relevanz für die Problerniäsung

Wenn die h. M. die verwaltungsaktsakzessorische Lösung mit der Einheit der Rechtsordnung verteidigt, so impliziert dies aus der Sicht der h. M. eine doppelte Funktion der "Einheit der Rechtsordnung", was eine Analyse der "Einheit der Rechtsordnung" unter dem rechtsstaatlichen Aspekt der Gewaltenteilung verdeutlicht. Gegenstand der Lehre der Einheit der Rechtsordnung müßte nicht nur ein inhaltlich präjudiziertes Ergebnis im Sinne eines einheitlichen Rechtswidrigkeitsbegriffs sein, sondern zugleich die Manifestation der kompetenziellen Vorrangstellung der zuerst mit dem konkreten Rechtswidrigkeitsurteil befaßten Teilrechtsordnung, sofern die Rechtfertigung nicht unmittelbar auf einer außerstrafrechtlichen Norm beruht. Dies ist im Falle der hoheitlichen Genehmigungserteilung gleichbedeutend mit dem Vorrang des Verwaltungsrechts bzw. der Verwaltungsrechtsanwendung durch die hierfür berufenen Verwaltungsbehörden gegenüber dem Zivilrecht oder dem Strafrecht. Der Gewaltenteilungsgrundsatz liefert auf funktioneller Ebene keine eindeutige Rechtfertigung für eine kompetenzrechtliche Dimension der Lehre von der Einheit der Rechtsordnung, da die Eigenständigkeit der Verwaltung wie der Justiz gleichermaßen hervorgehoben werden kann. Für die Annahme einer Verwaltungsaktsakzessorietät als Konkretisierung der Einheit der Rechtsordnung ist im Hinblick auf die Kontrollaufgabe der Justiz damit nichts gewonnen. Etwas anderes müßte freilich gelten, wenn ein abweichendes Rechtswidrigkeitsurteil einer anderen Teilrechtsordnung nicht aus funktionellen, wohl aber aus inhaltlichen Gründen verfassungsrechtlich nicht haltbar wäre. Die Verfechter der materiellrechtlichen Lösung stellen als Argument regelmäßig die materielle Gerechtigkeit heraus. Niemand könne sich auf eine rechtswidrige Genehmigung berufen, wenn damit die Beeinträchtigung von Umweltgütern verbunden ist. Sie nehmen damit Bezug auf ein tragendes Prinzip unserer Rechtsordnung, dessen Umsetzung im Sinne des Gleichheitsgebots auch der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung zu dienen verpflichtet ist. Auf diese Weise wird die Berechtigung des Grundsatzes der "Einheit der Rechtsordnung" nicht in Frage gestellt, sofern die Umsetzung dieses Grundsatzes nicht der Gerechtigkeitssicherung widerspricht. Vielmehr wird konstatiert, dieser Grundsatz gebiete nicht die durchgängige Beachtlichkeit fehlerhafter Verwaltungsakte, die Anknüpfung könne unter Betonung von Gerechtigkeitsgesichtspunkten auch an die materielle Verwaltungsrechtslage erfolgen. Diese Argumentation basiert im wesentlichen auf der Prämisse, der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung sei ein "offenes" Rechtsprinzip 201. Die Bedeutung der materiellen Gerechtigkeit verbiete vorgefaßte Wertmaßstäbe, insbesondere wegen der Eigengesetzlichkeiten der Teilrechtsordnungen. 201 Zur Einheit der Rechtsordnung als offenem Rechtsprinzip Hallwaß S. 80 ff. und Wasmuth/ Koch NJW 1990,2434,2440.

B. Das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung

65

Es fragt sich, ob dieser Ansatz so weit von der h. M. entfernt ist, wie die Verfechter einer materiellrechtlichen Lösung behaupten. Die h. M., die sich für die Einheit der Rechtsordnung ausspricht, betont stets, ein Verhalten dürfe nicht strafrechtswidrig sein, wenn es verwaltungsrechtlich erlaubt sei 202. Ein abweichendes Rechtswidrigkeitsurteil liefe auf einen nicht zu rechtfertigenden Wertungswiderspruch hinaus. Folglich soll die Funktion des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung inhaltlich darin bestehen, Wertungswidersprüche zu vermeiden, die zwischen den Teilrechtsordnungen auftreten könnten. Insoweit bewegt sich die h. M. in der Auslegung des Dogmas der Einheit der Rechtsordnung auf der Basis, die gemessen an rechtsstaatlichen Prinzipien aus den o. g. Gründen verfassungsrechtlich angezeigt ist. Der Gleichheitsgrundsatz als Konkretisierung des Gerechtigkeitsgedankens sowie der Rechtssicherheitsgrundsatz gebieten, eine Desorientierung des Bürgers durch einander widersprechende Verhaltensanordnungen zu vermeiden, d. h. im Sinne des Gleichheitsgebots aufeinander abgestimmte und damit gleichartige Verhaltensanordnungen zu erlassen. Es verwundert daher nicht, wenn das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung weitgehend von den Gegnern eines einheitlichen Rechtswidrigkeitsbegriffes bzw. der Einheit der Rechtsordnung anerkannt wird 203. Ein Bezug zur Rechtsstaatlichkeit wird allerdings zu Unrecht nicht durchgehend hergestellt 204. So wird in der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung lediglich ein "ganz erheblicher Wert" gesehen 205, ohne auf die genannten verfassungsrechtlichen Vorgaben an Gesetzgeber und Rechtsanwender abzustellen, widersprüchliche Ergebnisse zu vermeiden. Der Gegenauffassung, wonach die Rechtsordnung eines modemen Rechtsstaates ein außerordentlich widersprüchliches System darstelle, in dem Widersprüche hingenommen werden müßten 206 , kann nach dem Gesagten nicht gefolgt werden. Der Gedanke der Rechtssicherheit und der Gleichheitssatz sind tragende Elemente des Rechtsstaatsprinzips und damit unserer Rechtsordnung, die nicht mit dem Argument der Komplexität des Rechts abgetan werden dürfen. Gerade im Hinblick auf die vielfältigen Verhaltensanordnungen in einem modemen Rechtssystem ist die Einhaltung grundlegender Ordnungsprinzipien unerläßlich. Kirchhof spricht daher zu Recht von der Widerspruchsfreiheit als dem "Geltungsgrund . der Rechtsordnung" 207. In dem hier interessierenden Vgl. exemplarisch Breuer NJW 1988, 2072, 2080. Vgl. Günther S. 95,97 f.; Deutsch, FS Wahl S. 339,347; Seebode, FS Klug S. 359, 367; Kirchhof S. 8; Peine S. 99 ff.; ferner die Diskussionsbeiträge an1äßlich der 50. Staatsrechtslehrertagung von Thieme VVDStRL 50, 304; Breuer VVDStRL 50, 320, 321; Schachtschneider VVDStRL 50,325. 204 Vgl. Breuer VVDStRL 50,320,321, der die Einheit der Rechtsordnung nicht als vorgegebenes Ideal ansieht, wohl aber gehöre es " ... zu den rechtsstaatlichen Prinzipien, daß die Rechtsordnung widerspruchsfrei zu sein hat.". 205 Thieme VVDStRL 50, 304 (im Gegensatz zum Topos der Einheit der Rechtsordnung, die Thieme a. a. O. als Leerformel bezeichnet). 206 Meyer VVDStRL 50, 335, 336. 207 KirchhofS. 8; ähnlich Ossenbühl DVB11990, 963, 967. 202 203

5 Scheele

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3. Kap.: Eigene Lösung

Zusammenhang ist es der Sache nach somit treffender, schlagwortartig statt von "Einheit" von der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als einem rechtsstaatlichen Gebot zu sprechen 208 , das Dogma der Einheit der Rechtsordnung mithin auf den darin enthaltenen Aspekt der Widerspruchsfreiheit zu reduzieren. Damit ist freilich keine Aussage darüber getroffen, ob das Dogma der Einheit der Rechtsordnung über den Aspekt der Widerspruchsfreiheit hinaus anzuerkennen ist und dementsprechend weiterreichende Folgerungen indiziert. Mit der Betonung des rechtstaatlichen Gebots, widersprüchliche Ergebnisse im Rahmen der Normgebung und Rechtsanwendung zu vermeiden, wird vorgezeichnet, worauf bei der Beurteilung und Auflösung divergierender Entscheidungen von Teilrechtsordnungen besonderes Augenmerk zu richten ist. Die verfassungsrechtliche Herkunft des Gebots der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung ist für die Problematik, wie verwaltungsrechtlich wirksame Genehmigungen strafrechtlich zu beurteilen sind, von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Am Gebot der Beseitigung auftretender Widersprüche müssen sich alle Lösungsvorschläge messen lassen, die zur Vorgabewirkung umweltrechlicher Genehmigungen vorgebracht werden. Die Frage, ob dem Dogma der Einheit der Rechtsordnung über das Gebot der Widerspruchsfreiheit hinaus selbständige Bedeutung zukommt, ist in dem hier interessierenden Zusammenhang lediglich dann relevant, wenn der rechtsstaatlich verankerte Grundsatz der Widerspruchsfreiheit nicht bereits ein bestimmtes Ergebnis zur Auflösung von Kollisionslagen vorzeichnet. D. h., der Gedanke der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung ist daraufhin zu untersuchen, ob er im Hinblick auf die umstrittene Beachtlichkeit rechtswidriger behördlicher Genehmigungen im Strafrecht ein bestimmtes Ergebnis in die eine oder andere Richtung präjudiziert. Vor diesem Hintergrund könnte die prinzipielle Kritik an dem weitergehenden Topos der "Einheit" der Rechtsordnung mangels Relevanz für die Rechtfertigungswirkung rechtswidriger Genehmigungen dahinstehen. Sofern eine verwaltungsaktsakzessorische Lösung kritisiert wird, wird dagegen argumentiert, das Dogma der Einheit der Rechtsordnung erfordere zwingend, fehlerhafte Verwaltungsakte für das Strafrecht als verbindlich zu erklären. Nicht das Ziel, eine widerspruchsfreie Rechtsordnung zu schaffen, wird in Frage gestellt, sondern die Tauglichkeit dieses Dogmas, einen Beitrag für Problemlösungen zu leisten, die sich im Zusammenspiel der Teilrechtsordnungen ergeben. So wird in neuerer Zeit gerade von öffentlichrechtlicher Seite betont, der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung sei ein zu pauschaler Maßstab zur Beurteilung von Wertungsdifferenzen 209 • Demselben Einwand sei auch die Argumentationsfi208 In diesem Sinne auch J arass VVDStRL 50, 238, 260, der die Einheit der Rechtsordnung als ihre Widerspruchsfreiheit verstanden wissen will; vgl. auch Wesseis AT § 8 I 1, der das Prinzip der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung anerkennt. 209 Gerhardt BayVBI 1990, 549, 550; Schröder VVDStRL 50, 196, 206; ebenso Samson JZ 1988, 800, 801.

B. Das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung

67

gur der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung ausgesetzt; das Problem liege in der Feststellung, wann mißbilligenswerte Wertungswidersprüche vorliegen 21O • Zur Verdeutlichung wird regelmäßig auf Entscheidungen des Gesetzgebers und der Gerichte verwiesen, die bei strikter Einhaltung des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung konsequenterweise so nicht hätten getroffen werden dürfen, sofern sie als Wertungswidersprüche aufgefaßt werden. Die Reichweite und Aussagekraft des Dogmas der - hier zunächst als Widerspruchsfreiheit verstandenen - Einheit der Rechtsordnung ist damit auf die Frage der Definition bzw. Bewertung vermeintlicher Widersprüche unter den Teilrechtsordnungen hin umgedeutet. Sind nur Gebots- bzw. Normwidersprüche generell zu mißbilligen oder darüber hinaus auch Wertungswidersprüche 211 im Sinne einer pauschalen Umsetzung des Gebots der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung? Alternativ wäre daran zu denken, Wertungswidersprüche im Einzelfall zu tolerieren, wenn sie von sachgerechten Erwägungen getragen sind. Nach der Argumentation der herrschenden verwaltungsaktsakzessorischen Lösung dürfte es keinen mißbilligenswerten Wertungswiderspruch darstellen, einer materiellrechtswidrigen Genehmigung im Umweltstrafrecht rechtfertigende Wirkung beizumessen. Um die im Sinne des Rechtsstaatsprinzips zu mißbilligenden Wertungswidersprüche analysieren und, soweit angezeigt, taugliche Differenzierungskriterien bestimmen zu können, sei im folgenden auf einige vermeintliche Norm bzw. Wertungswidersprüche eingegangen, die zur Relativierung des Dogmas der Einheit der Rechtsordnung angeführt werden. Die Analyse soll Klarheit darüber verschaffen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Wertungsdivergenzen vor dem Hintergrund der gebotenen Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung akzeptabel sind. 5. Analyse von vermeintlichen Norm- und Wertungswidersprüchen innerhalb der Rechtsordnung a) Wertungsdivergenzen des Steuerrechts zu anderen Teilrechtsordnungen Wenn das Problem der Wertungsdivergenzen zwischen verschiedenen Teilrechtsordnungen angesprochen wird, wird nicht zuletzt das Steuerrecht als Beispiel genannt. Unterschiedliche Wertungen anderer Teilrechtsordnungen im Verhältnis zum Steuerrecht lassen sich insbesondere an einer Vielzahl von gleichlautenden Rechtsbegriffen festmachen, die im Steuerrecht abweichende Inhalte haben. Als Beispiel sei auf den im Vergleich zum Zivilrecht weiteren Schenkungsbegriff des § 7 Abs. 1 ErbStG verwiesen. In dem hier in Rede stehenden Zusammenhang fallen insbesondere steuerrechtliche Tatbestände auf, die mit Tatbeständen anderer Teilrechtsordnungen übereinstimmen, gleichwohl un210

211

S*

So Schröder VVDStRL 50, 196, 206. Zur Abgrenzung von Norm- und Wertungswidersprüchen Peine S. 102 ff.

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3. Kap.: Eigene Lösung

terschiedliche Rechtsfolgen auslösen. So erscheint im Hinblick auf den Grundsatz der Einheit bzw. Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung die Besteuerung von Rechtsgeschäften problematisch, die gegen die guten Sitten oder ein gesetzliches Verbot verstoßen. Nach zivilrechtlichen Kategorien sind solche Geschäfte nichtig (§§ 134, 138 BGB) und eine steuerrechtliche Unbeachtlichkeit auf den ersten Blick nur folgerichtig 212. § 40 AO legt nunmehr gesetzlich fest, daß nach §§ 134, 138 BGB nichtige Rechtsgeschäfte gleichwohl für die Besteuerung erheblich sind 213. Das Steuerrecht setzt sich somit über zivilrechtliche Rechtsnormen und Strafgesetze, die das betreffende Rechtsgeschäft mißbilligen, ausdrücklich hinweg. Es verwundert daher nicht, wenn gerade § 40 AO angeführt wird, um die Untauglichkeit des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung als Argumentationsfigur für ein bestimmtes Ergebnis zu belegen 214. Das jeweils erzielte Ergebnis sei in jedem Fall begründungsbedürftig und folge nicht schlicht aus dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung 2I5. Dieser Ansicht ist insoweit zuzustimmen, als nach dem hiesigen Verständnis der Einheit der Rechtsordnung Wertungsdivergenzen nicht von vorneherein die Einheit der Rechtsordnung zu relativieren vermögen. Das Beispiel des § 40 AO verdeutlicht, daß der Gesetzgeber die Wertung anderer Rechtsgebiete nicht zwangsläufig auf das Steuerrecht übertragen hat, aber nicht mehr, zumal die Besteuerung zivilrechtlich mißbilligter Rechtsgeschäfte aus nachvollziehbaren Gründen erfolgt. Dem Steuerrecht liegt das Prinzip der Leistungsfähigkeit zugrunde 216 • Die Steuerlast soll gerecht auf die Staatsbürger verteilt werden. Aus Gründen der Gerechtigkeit darf der Staat bereits gezogene Vorteile, auch wenn sie aus zu mißbilligenden Geschäften stammen, nicht unberücksichtigt lassen, da sonst der seiner Steuerlast nachkommende Staatsbürger benachteiligt wäre 217. Auf diese Weise eröffnen das im Steuerrecht geltende Prinzip der Leistungsfähigkeit und damit zugleich der Gerechtigkeitsgedanke keinen Raum für rechtsethische Erwägungen, die vordergründig die "Einheit der Rechtsordnung" einklagen 2I8 • Dieses Ergebnis ist dem Ziel einer widerspruchsfreien Rechtsordnung nicht abträglich. Der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung basiert von seinen Grundaussagen her auf dem Gerechtigkeits- bzw. Gleichheitsgebot. Sofern der Gerechtigkeitsgedanke es aus spezifisch steuerrechtlichen Gesichtspunkten gebietet, außersteuerrechtliche Wertungen im Steuerrecht nicht weiter zu verfolgen, steht dies mit dem Gedanken der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung im Einklang. Das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung besteht nicht 212 So in der Tat das PrOVG in seiner Entscheidung vom 20.3.1893, OVGSt 1,283 (zitiert nach Vogel NJW 1985, 2986, 2987). 2I3 In diesem Sinne bereits RGZ 60, 379, 387; RGSt 54, 68, 7l. 214 So Wagner S. 94; Schröder VVDStRL 50, 196,206. 215 Wagner S. 95. 216 Vgl. BVerfGE 61, 319, 343 f.; 66, 214. 217 Vgl. RGZ 60, 379, 387; Vogel NJW 1985,2986,2987. 218 Ebenso Vogel NJW 1985,2986,2987.

B. Das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung

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um seiner selbst willen, sondern nur nach Maßgabe anderer Prinzipien des Rechtssystems, namentlich des Gerechtigkeits- und des Rechtssicherheitsgrundsatzes, so daß zugegebenermaßen im Einzelfall "Durchbrechungen" der postulierten Rechtseinheit, d. h. Wertungsdivergenzen nicht auszuschließen sind. Das Beispiel des § 40 AO hat gezeigt, daß Wertungsdivergenzen vor dem Hintergrund für die Teilrechtsordnung spezifischer Gesichtspunkte beurteilt werden müssen. b) Die Behandlung der Einwilligung in Zivil- und Strafrecht Um Wertungsdivergenzen zwischen Teilrechtsordnungen aufzuzeigen, wird ferner die Rechtsfigur der Einwilligung angeführt 219. Dabei werden die unterschiedlichen Anforderungen betont, die Zivil- und Strafrecht an die Beachtlichkeit der Einwilligung stellen. Die Einwilligung ist zivilrechtlich eine Willenserklärung, deren Wirksamkeit sich nach den §§ 104 ff. BGB beurteilt. Die zivilrechtliche Einwilligung hat als Genehmigung rückwirkende Kraft (§ 184 Abs. 1 BGB). Die h. M. bewertet die Beachtlichkeit einer Einwilligung im Strafrecht aber nicht nach zivilrechtlichen Kategorien. Rechtfertigende (oder tatbestandausschließende) Wirkung wird der Einwilligung bereits bei Einsichtsfähigkeit des Verletzten zugebilligt, wobei eine Geschäftsfähigkeit nach § 104 BGB nicht erforderlich ist, wenn und soweit dem Einwilligendem nur die Bedeutung des Rechtsgutes und die Schwere des Eingriffs erkennbar war 220 • Der Einwand, das Strafrecht entwickle in Abkehr vom Zivilrecht und damit vom Dogma der Einheit der Rechtsordnung eigene Kriterien zur Behandlung einer Einwilligung, erscheint aber in einem anderen Licht, wenn man sich das ganze Spektrum der zur Einsichtsfähigkeit vertretenen Auffassungen vergegenwärtigt. Einige Stimmen wollen mit beachtlichen Gründen differenzieren und eine Einwilligung in die Verletzung von Vermögensrechten als Rechtshandlung nur bei Geschäftsfähigkeit anerkennen 221 und sich somit sehr wohl an der Zivilrechtslage orientieren. Entscheidend aber ist der Umstand, daß die strafrechtliche Einwilligung nicht als rechtsgeschäftliche Willenserklärung qualifiziert werden kann 222 , mithin auch den Vorschriften der §§ 104 ff. BGB nicht unterliegt. Die Frage, ob eine wirksame Einwilligung vorliegt, ist tatsächlicher und nicht rechtsgeschäftlicher Natur im Sinne des BGB. Im übrigen erscheint eine Abweichung von den Bestimmungen des BGB günstiger für den Straftäter, der sich auf eine ihm erteilte Einwilligung beruft, sofern von der h. M. im Strafrecht geringere Vgl. Rademacher S. 52 ff. Vgl. RGSt 41, 392, 394; BGHSt 4, 88; 12, 379, 383; LK-Hirsch Vor § 32 Rdn. 118; Welzel § 14 VII 2a (S. 96); Jescheck § 34 IV (S. 343); Maurach / Zipf StrafR AT I § 17 Rdn. 57; Wesseis AT § 9 I 2c. 221 Sch / Sch-Lenckner Vor § 32 Rdn. 39; SK-Samson Vor § 32 Rdn. 41. 222 Allg. Meinung, vgl. statt aller Sch / Sch-Lenckner Vor § 32 Rdn. 39 ffi. w. N.; dieser Aspekt bleibt bei Rademacher unerwähnt. 219 220

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3. Kap.: Eigene Lösung

Anforderungen an die Einwilligungsfähigkeit des Opfers und damit die Beachtlichkeit der Einwilligung gestellt werden. Im Hinblick auf die dogmatische Einordnung der strafrechtlichen Einwilligung durch die h. M. kann von einem Wertungs widerspruch innerhalb der Rechtsordnung nicht die Rede sein. Vielmehr ist eine Abweichung von der Rechtsgeschäftslehre des BGB im Strafrecht sachgerecht und auch geboten, da nicht die Sicherheit des Rechtsverkehrs, sondern die tatsächlichen Gegebenheiten ausschlaggebende Bedeutung haben. Insoweit liegt keine Konkurrenzlage zwischen Zivil- und Strafrecht vor, die mit Vorrang für das eine oder andere Rechtsgebiet aufgelöst werden müßte 223. Folgerichtig ist eine strafrechtlich wirksame Einwilligung nicht notwendig im Zivilrecht als wirksam zu behandeln und damit eine Durchbrechung der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung nicht feststellbar. c) Die Beurteilung der Rechtswidrigkeit beim polizeilichen Schußwaffengebrauch Ein weiterer, vieldiskutierter Fall, der vermeintlich mit dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung nicht vereinbar ist 224, beleuchtet das Verhältnis von Strafrecht und Polizeirecht. Als Sachverhalt sei unterstellt, ein Polizeibeamter schieße in einer Nothilfesituation auf den Angreifer 225 • Der Angreifer wird tödlich verletzt. Der Polizeibeamte ist strafrechtlich nach ganz h. M. gemäß § 32 StGB gerechtfertigt 226 • Dennoch muß er sich für sein Verhalten unter Umständen diziplinarrechtlich wegen Verstoßes gegen polizeirechtliche Vorschriften verantworten 227 • Die Unterschiede zwischen Nothilfe und polizeilichem Schußwaffengebrauchsrecht bestehen im wesentlichen darin, daß der Schußwaffengebrauch polizeirechtlich grundsätzlich angedroht werden muß (vgl. § 61 Abs. 1 PolG NW), nur mit dem Ziel der Angriffs- oder Fluchtunfähigkeit (vgl. § 63 Abs. 2 PolG NW) und insbesondere - und das ist der entscheidende Unterschied - nur zu einem der abschließend aufgezählten Zwecke (v gl. § 64 PolG NW) gegen Personen erfolgen darf. Die strengeren polizeirechtlichen Regelungen sind Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der im Hinblick auf das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) erforderlichen Kontrolle des 223 a. A. Günther S. 51 ff. und Rademacher S. 52 ff., die eine der Einheit der Rechtsordnung widersprechende Konkurrenzlage sehen. 224 Vgl. Rademacher S. 56 f. 225 Rademacher (S. 56) spricht in diesem Zusammenhang mehrdeutig von einer Notwehrsituation. Damit kann nicht der Fall der Selbstverteidigung gemeint sein. Handelt ein Polizeibeamter zur Selbstverteidigung, stehen ihm strafrechtlich uneingeschränkt die Notwehrbefugnisse des § 32 StGB zur Verfügung, zumal er insoweit keiner hoheitlichen Befugnisse bedarf, vgl. Götz Rdn. 324 a. E. 226 BGHSt 27, 260 ff.; LK-Spendel § 32 Rdn. 275; Sch / Sch-Lenckner § 32 Rdn. 42 a ff.; Dreher I Tröndle Vor § 32 Rdn. 6; Lackner § 32 Rdn. 17; a. A. Jakobs 12/41 ff. m. w. N. (Vorrang derpolizeirechtlichen Vorschriften); ausführlich zu dieser Problematik zuletzt Rogall JuS 1992,551,557 m. w. N. zum Streitstand. 227 KirchhojNJW 1978,969.

B. Das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung

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Schußwaffengebrauchs. Der Schußwaffengebrauch ist als Diensthandlung Vollstreckungsakt, der dem Prinzip des Gesetzesvorbehaltes entsprechend einer öffentlichrechtlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf. Wenn das Polizeirecht klarstellt, die Vorschriften über Notwehr und Nothilfe blieben unberührt (§ 57 Abs. 2 PolG NW), sind damit keine über die polizeirechtlichen Befugnisse hinausgehenden Eingriffsbefugnisse verliehen. Eingriffsnormen, die für das öffentlichen Recht Geltung beanspruchen, müssen eine hoheitliche, hinreichend bestimmte Eingriffsbefugnis beinhalten, was bei § 32 StGB nicht der Fall ist 228 • Konsequenterweise ist unter Umständen strafrechtlich erlaubt, was polizei- oder verwaltungsvollstreckungsrechtlich verboten ist. Dieses Beispiel erhellt, daß mit der Argumentationsfigur der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung nicht Normwidersprüche in Frage gestellt werden, die von Verfassungs wegen, in concreto wegen des Gesetzesvorbehaltes, vorgezeichnet sind. d) Die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung nach § 113 StGB Desweiteren könnte für das Problem der Verwaltungsaktsakzessorietät von Bedeutung sein, wie in Rechtsprechung und Lehre der Begriff der Rechtmäßigkeit der Diensthandlung in § 113 StGB ausgelegt wird. Nach § 113 Abs. 3 StGB ist Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nur strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig war. Die h. M. vertritt in diesem Zusammenhang einen eigenständigen strafrechtlichen Rechtmäßigkeitsbegriff. Danach handelt der Vollstrekkungsbeamte rechtmäßig, wenn er sachlich und örtlich zuständig ist, die wesentlichen Förmlichkeiten beachtet und sein Ermessen pflichtgemäß ausübt 229 • Somit ist nicht die materielle, sondern allein die formale Rechtmäßigkeit entscheidend. Die Gegenauffassungen stellen hingegen den Charakter der Diensthandlung als hoheitliche Maßnahme heraus. Im Gegensatz zur h. M. setzt ein Teil der Literatur Rechtswidrigkeit im Sinne des § 113 StGB mit verwaltungsrechtlicher Nichtigkeit gleich 230; solange die Vollstrekkungsmaßnahme nicht nichtig entsprechend § 44 VwVfG sei, sei sie im Rahmen des § 113 StGB als rechtmäßig anzusehen. Nach a. A. ist die Rechtmäßigkeit nach vollstreckungsrechtlichen Kriterien zu bestimmen. Vollstreckungsmaßnahmen seien nur dann schutzwürdig, wenn sie den öffentlichrechtlichen Eingriffsvoraussetzungen entsprechen. Demnach soll es - auf das Verwaltungsrecht übertragen - nicht auf die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung, sondern allein auf deren Vollstreckbarkeit ankommen 231, da das Strafrecht streng verwaltungsakzessorisch sei 232. 228 So mit Recht im Hinblick auf das Verfassungsrecht Kirchhof NJW 1978, 969, 970; Riegel NVwZ 1985,639,640; Rogall JuS 1992,551,558. 229 BGHSt 4, 161, 164; BayObLG JR 1989, 24, 25; LK-v. Bubnoff § 113 Rdn. 25; Sch I Sch-Eser § 113 Rdn. 21; SK-Horn § 113 Rdn. 11. 230 Wagner JuS 1975,224,227; Meyer NJW 1972, 1845, 1846 f. 231 AK-Zielinski § 113 Rdn. 22 ff.; Ostendorf JZ 1981, 165, 170 ff.; Amelung JuS 1986,329,336; Backes / Ransiek JuS 1989,624,627 f. m. w. N.

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3. Kap.: Eigene Lösung

Eine Entscheidung des Meinungsstreites ist im Rahmen der hier interessierenden Fragestellung entbehrlich. Allerdings gilt es festzuhalten, daß die h. M. die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung nicht im Sinne der Verwaltungsakzessorietät bestimmt. Der strafrechtliche Rechtmäßigkeitsbegriff wird damit begründet, der Gesetzgeber sei davon ausgegangen und habe ihn zumindest um des Beamtenschutzes willen nicht ändern wollen. Der Beamte, der oftmals in Kürze die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens beurteilen müsse, verdiene umfassenden strafrechtlichen Schutz 233 . Ob derartige kriminalpolitische Erwägungen im Widerspruch zum strengeren verwaltungsrechtlichen Rechtmäßigkeitsbegriff auch die Behandlung fehlerhafter umweltrechtlicher Genehmigungen zu beeinflussen vermögen, wird im folgenden mit Rücksicht auf das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung zu untersuchen sein. 6. Die Bedeutung des Dogmas von der Einheit der Rechtsordnung für die Auflösung von Wertungswidersprüchen

Die hier untersuchten Fälle haben gezeigt, daß unterschiedliche Ergebnisse trotz gleichlautenden Tatbestandes in den Teilrechtsordnungen unseres Rechtssystems durchaus nachzuweisen sind. Es drängt sich daher die Frage auf: Ist damit das Prinzip der Einheit bzw. Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung für die Auflösung von Wertungswidersprüchen untauglich, da es Durchbrechungen der Rechtseinheit zuläßt? Von Anhängern der verwaltungsrechtsakzessorischen Lösung, die die Beachtlichkeit von Verwaltungs akten nach deren Rechtmäßigkeit beurteilen, wird die Frage bejaht. Wenn das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung für einzelne Teilrechtsordnungen aus ,,rechtsgebietsteleologischen Gründen"234 durchbrachen werde, müsse dies aus Gründen der materiellen Gerechtigkeit auch für den Problemkreis der Auswirkungen fehlerhafter Verwaltungsakte gelten. Jedenfalls könne einer am Besonderen Verwaltungsrecht orientierten Lösung nicht die Verletzung der Einheit der Rechtsordnung vorgehalten werden. Diese Argumentation hebt allein auf den Umstand ab, daß Wertungsdivergenzen in unserem Rechtssystem festzustellen sind. Unberücksichtigt bleibt indessen im wesentlichen, warum solche Abweichungen unter den Teilrechtsordnungen möglich sind. Die Verfechter der materiellrechtlichen Lösung begnügen sich mit einem pauschalen Verweis auf rechtsgebietsteleologische Erwägungen, die die h. M. bisweilen zu einer Durchbrechung der behaupteten Einheit der Rechtsordnung veranlassen. Daran ist zutreffend, daß die Rechtsordnung nach dem Gesagten jedenfalls nicht durchgehend als einheitlich bzw. widerspruchsfrei beschrieben werden kann. Infolgedessen kann nicht pauschal und undifferenziert mit der 232 So ausdrücklich Backes / Ransiek JuS 1989,624,629. 233 Vgl. LK-v. Bubnoff § 113 Rdn. 32 ff. 234 So durchgängig Rademacher S. 52 ff.

B. Das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung

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Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als Zustandsbeschreibung argumentiert werden. Im Gegenteil, es können - wie gesehen - Fallgruppen nachgewiesen werden, die bei konsequenter Umsetzung außerstrafrechtlicher Vorgaben im Strafrecht anders behandelt werden müßten, etwa die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung im Rahmen des § 113 StGB. Es wäre aber vorschnell, daraus auf das Fehlen eines Ordnungsprinzips zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen in unserer Rechtsordnung zu schließen. Dies verdeutlichen die skizzierten rechtsstaatlichen Anforderungen an Gesetzgeber und Rechtsanwender zur Vermeidung widersprüchlicher Ergebnisse. Das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung repräsentiert nach seinen Grundaussagen den Gedanken der Gerechtigkeit und damit als dessen Ausprägung das Gleichbehandlungsgebot. Sofern sachgerechte Gründe nachgewiesen werden können, sind auf der Grundlage des Art. 3 GG Differenzierungen zulässig, unter Umständen sogar geboten, beispielsweise im Steuerrecht (§ 40 AO) wegen des Grundsatzes der Leistungsfähigkeit. Sachgerechte Gründe sind solche, und dies ist ausdrücklich zuzugestehen, die in rechtsgebietsspezifischen Überlegungen wurzeln. Sie herauszuarbeiten und in der jeweiligen Teilrechtsordnung umzusetzen, ist ein Gebot der Einzelfallgerechtigkeit. Auf diese Weise können Wertungsdivergenzen innerhalb der Rechtsordnung erklärt werden, ohne daß das rechtsstaatlich gebotene Ziel, eine widerspruchsfreie Rechtsordnung zu schaffen, in Frage gestellt werden müßte. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung darüber zu fällen, ob die Strafjustiz an materiellrechtswidrige Genehmigungen der Umweltbehörden gebunden sein soll. Obwohl sich ein pauschaler Verweis auf die Widerspruchsfreiheit verbietet, kann eine differenzierende Analyse von Kollisionslagen nur auf dem Boden rechtsstaatlicher Prinzipien erfolgen. Auch wenn Ergebnisse und Wertungen einzelner Teilrechtsordnungen in Widerspruch zueinander treten können, darf der Blick auf das Recht in seiner Gesamtheit nicht verstellt sein. Die Rechtsordnung kann nur als System begriffen werden 235, will sie ihrem Anspruch gerecht werden, im Rechtsstaat ein taugliches Instrumentarium zur Durchsetzung der Gerechtigkeitsidee zu liefern. Das Rechtsstaatsprinzip könnte nicht als herausragendes Prinzip staatlicher Organisation verfassungsrechtlich verankert werden, wenn es sich nicht bei der Rechtsordnung, auf die es Bezug nimmt, zumindest der Zielsetzung nach um ein ausgewogenes, widerspruchsfreies System handelte statt eines willkürlichen "Konglomerats"236 einzelner Gesetzesbefehle. Insoweit hat der System- bzw. Ordnungsgedanke - bezogen auf das Rechtsstaatsprinzip - verfassungsrechtliche Dimension, nicht zuletzt deshalb, weil die Widerspruchsfreiheit den wesentlichen Kern des Grundsatzes der Systemgerechtigkeit darstellt 237. 235 Vgl. Canaris S. 62 ff.; Raiser NJW 1964, 1201, 1204; im Ergebnis ebenso jüngst Renzikowski GA 1992, 159, 171. 236 Engisch. Einheit der Rechtsordnung S. 83 f. 237 Treffend Peine S. 99 ff.

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3. Kap.: Eigene Lösung

Systemgerechtigkeit und Widerspruchsfreiheit können jedenfalls im Grundsatz dadurch erzielt werden, daß das Strafrecht an die Normen des Verwaltungsrechts anknüpft. Daher verwundert es nicht, wenn die Teilnehmer des 57. DIT ganz überwiegend die Verwaltungsakzessorietät des Strafrechts als rechtsstaatlich geboten erachten 238. Im übrigen wird erklärlich, warum - bezogen auf das Problem der Verwaltungsaktsakzessorietät - die Vereinbarkeit einer materiellrechtlichen Lösung von einigen ihrer Verfechter mit dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung ausdrücklich betont wird. Die Geister scheiden sich jedoch bekanntlich an der Frage, ob das Prinzip der Einheit bzw. Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung inhaltlich ein bestimmtes Ergebnis in Konfliktfällen vorgibt. Von seinem verfassungsrechtlichen Gehalt her ist inhaltlich nur eine Lösung vertretbar, die Gerechtigkeit und Rechtssicherheit gleichermaßen wahrt. Dies gilt insbesondere, wenn man das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung zutreffend als rechtsstaatlich gebotenes Ordnungsschema begreift. Insofern müssen Bestrebungen mit Skepsis betrachtet werden, die die Eigengesetzlichkeiten der Teilrechtsordnung unter Berufung auf ihr jeweiliges Instrumentarium als maßgeblich erachten, um damit abweichende Rechtswidrigkeitsurteile zu rechtfertigen. Wenn ein bestimmtes Verhalten in der einen Teilrechtsordnung erlaubt ist, diese Erlaubnis in der anderen Teilrechtsordnung hingegen keine Beachtung finden soll, ist dies ein Wertungswiderspruch, der zumindest begrundungsbedürftig ist. Die Annahme, die Erlaubnis nehme nicht für die Gesamtrechtsordnung, sondern nur für seinen Anwendungsbereich das Rechtswidrigkeitsurteil zurück 239, ist mit den genannten Grundsätzen der Systemgerechtigkeit und der Widerspruchsfreiheit in einem Rechtsstaat nicht vereinbar. Die Regel ist im Sinne eines am Gleichbehandlungsgrundsatz orientierten Rechtssystems die Gleichbehandlung, nicht eine abweichende Interpretation. Daher bedarf jede Abweichung einer eingehenden Darlegung der Gründe, die eine Abweichung als sachgerecht rechtfertigen sollen. Anders ausgedrückt indiziert das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung die Richtigkeit jeder Problemlösung, die die Wertung einer Teilrechtsordnung in die andere überträgt. In diesem Sinne kommt dem Grundsatz der Widerspruchsfreiheit sehr wohl präjudizielle Wirkung zu 240, wenn auch nur in beschränktem Umfang. Mithin ist grundsätzlich strafrechtlich erlaubt, was auch verwaltungsrechtlich erlaubt ist. Auf das Problem der Verwaltungsaktsakzessorietät übertragen fällt ins Gewicht, daß die behördliche Genehmigung im Sinne einer Interessenabwägung, die den Schutz der Umweltressourcen als herausragendes Kriterium kennt, nach Maßgabe des § 43 VwVfG einen Erlaubnissatz darstellt, und zwar unabhängig von ihrer materiellen Rechtmäßigkeit. Diese staatliche Genehmigung, die s. o. FN 67. Vgl. Wagner S. 97. 240 Dies verkennen Schröder (VVDStRL 50, 196, 206) und bezogen auf die Rechtfertigungswirkung öffentlichrechtlicher Genehmigungen im Zivilrecht - Wagner (S. 98 f.). 238

239

B. Das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung

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aufgrund einer für den Antragsteller positiven Interessenabwägung ergeht, steht einem Rechtswidrigkeitsurteil insofern entgegen, als die Umweltbehörde ihrer Erstzuständigkeit entsprechend den Rechts- und Pflichtenkreis der Bürgers zu konkretisieren vermag. Die Auflösung des Wertungswiderspruchs hat daher der Kompetenzverteilung entsprechend von der behördlichen Einzelfallentscheidung auszugehen, die als wirksam und damit als Erlaubnissatz zu behandeln ist. Der Gegenauffassung, die eine Auflösung des Widerspruchs in Richtung auf die Erlaubnis nicht für zwingend erachtet 24 1, kann im Hinblick auf die Kompetenzverteilung und den Aufgabenbereich der Erlaßbehörde nicht gefolgt werden. Sachgerecht ist vor diesem kompetenziellen Hintergrund allein die Auflösung des Wertungswiderspruchs in Richtung auf die staatliche Erlaubnis. Freilich ist damit nur vorläufig die Richtung festgelegt, in die die Auflösung des Wertungswiderspruchs im Zweifel zu erfolgen hat. Demnach stützt das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung - nur - apriori und bis auf weiteres die von der h. M. vertretene Anknüpfung an die Wirksamkeit von Verwaltungsakten, wie sie in § 43 VwVfG zum Ausdruck kommt. Da aber sachgerechte Gründe - wie gesehen - durchaus eine Ungleichbehandlung gemessen an § 43 VwVfG dem Inhalte nach erfordern können und der Grundsatz der Rechtssicherheit in Einklang mit Gesichtspunkten der materiellen Gerechtigkeit zu bringen ist 242 , kann eine abschließende Beurteilung nicht erfolgen, ohne auf § 43 VwVfG und seine Übertragbarkeit in das Strafrecht einzugehen. Aufschluß über die bei dieser Prüfung zu beachtenden Kriterien liefern die zuvor angeführten Wertungsdivergenzen innerhalb der Gesamtrechtsordnung. Als gegenläufige Gesichtspunkte, die den apriori vorhandenen Widerspruch beseitigen könnten, kommen der Gesetzeswortlaut, wie etwa in den Fällen des § 40 AO und des polizeilichen Schußwaffengebrauchs, und die Zielsetzung des Umweltstrafrechts 243 in Betracht. Somit wird im Hinblick auf das vom Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung intendierte Ergebnis besonderes Augenmerk darauf zu richten sein, -

ob die Verfechter der materiellrechtlichen Lösung hinreichende Gründe dafür anführen können, die Regelung des § 43 VwVfG sei spezifisch verwaltungsrechtlicher Natur und auf den Bereich des Verwaltungsrechts zu beschränken,

-

ob kriminalpolitische Erwägungen es stattdessen rechtfertigen, auf das materielle Umweltschutzrecht abzustellen, und

-

ob die materiellrechtliche Lösung mit den erklärten Intentionen des Gesetzgebers in Einklang zu bringen ist.

241

242

Wagner S. 98 f. s. o. FN 197.

243 Vgl. den Standpunkt der h. M. zur Rechtmäßigkeit der Diensthandlung in § 113 StGB, der im wesentlichen mit dem Schutzzweck des Strafrechts begründet wird.

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3. Kap.: Eigene Lösung IV. Zusammenfassung

Der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung ist kein inhaltsleeres, überpositivistisches Prinzip. Er läßt sich auf mehrere im Grundgesetz verankerte Rechtsprinzipien zurückführen und ist auf dieser Basis zu Problemlösungen geeignet, die aus dem Zusammenspiel verschiedener Teilrechtsordnungen resultieren. Inhaltlich spricht der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung die Vermutung aus, daß gleiche Tatbestände in den verschiedenen Teilrechtsordnungen in rechtlicher Hinsicht gleiche Bewertung verlangen. Die innerhalb der Rechtsordnung im Ergebnis festzustellenden Wertungsdivergenzen offenbaren jedoch, daß es sich um eine durch sachgerechte Gründe widerlegliehe Vermutung handelt. Auf dieser Grundlage ist der Problemkreis der Behandlung fehlerhafter Genehmigungen einer Lösung zuzuführen, die derartigen sachgerechten Gründe für eine Wertungsdivergenz nachgeht. Gleichwohl intendiert das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung nach dem bisherigen Ergebnis die Anerkennung wirksamer Genehmigungen im Umweltstrafrecht.

c. Die Übertragbarkeit der Regelung des § 43 VwVfG in das Strafrecht I. Die Geltungsgründe des § 43 VwVfG

Bevor die Übertragbarkeit des verwaltungsrechtlichen Dogmas der Wirksamkeit fehlerhafter Verwaltungsakte in Form des § 43 VwVfG in das Strafrecht problematisiert werden kann, ist auf die Geltungsgründe dieses Dogmas im Verwaltungsrecht einzugehen. Sofern die Untersuchung dessen Übertragbarkeit in das Strafrecht ergibt, liegen keine sachgerechten bzw. rechtsgebietsteleologischen Gründe vor, die eine verwaltungsrechtsakzessorische Lösung in Abweichung zum Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung rechtfertigen würden. 1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz als Geltungsgründe

In erster Linie basiert die Wirksamkeit fehlerhafter Verwaltungsakt auf dem Grundsatz der Rechtssicherheit und dessen Konkretisierungen 244. Bei belastenden Verwaltungsakten erfordert deren Ordnungsfunktion die grundsätzliche Gültigkeit auch rechtswidriger Anordnungen, da die Wahrung der Ordnung gefahrdet wäre, wenn der Adressat stets befugt wäre, die Rechtmäßigkeit der Anordnung in Zweifel zu ziehen und zu überprüfen. Im Falle begünstigender Verwaltungsakte kommt der aus dem Rechtssicherheitsprinzip abzuleitende Gedanke des Vertrau244 BVerfGE 60, 253, 269 f.; Stelkens / Bonk / Leonhardt-Stelkens / Sachs § 43 Rdn. 7 m. w. N.; Forsthoff § 12 (S. 224); Wolff / Bachof VerwR I § 50 Ib (S. 414); Maurer § 11 Rdn. 22.

C. Die Übertragbarkeit der Regelung des § 43 VwVfG in das Strafrecht

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ensschutzes zum Tragen. Soweit der Genehmigungsempfänger im Vertrauen auf die Genehmigung Dispositionen getroffen hat, mithin einen Fall der Vertrauensbetätigung verwirklicht, ist der Adressat jedenfalls grundsätzlich schutzwürdig 245. Dabei ist es für das Verständnis des § 43 VwVfG von besonderer Bedeutung, den Bezugspunkt des betätigten Vertrauens herauszustellen. Rademacher ist der Auffassung, das Vertrauen des Genehmigungsempfängers beziehe sich auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes 246 ; dies ergebe aus der Ermächtigung zur Aufhebung rechtswidriger Verwaltungs akte (§ 48 VwVfG), die Vertrauensschutz in Abhängigkeit von dem tatsächlich vorhandenen Vertrauen in die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes definiere. Zwar wird de facto die Ausübung des genehmigten Verhaltens regelmäßig mit dem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit einhergehen. Rademacher verkennt jedoch, daß § 48 VwVfG nicht die Gültigkeit rechtswidriger Verwaltungsakte beschränkt, sondern lediglich die Aufhebung eines Verwaltungsaktes in Form einer weiteren behördlichen Entscheidung unter der Voraussetzung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes erlaubt. Trotz des Vorbehalts der Aufhebung stellt selbst der rechtswidrige Verwaltungsakt eine nicht ohne weiteres entziehbare Grundlage für die Dispositionen des Bürgers dar. Auch der eventuell aufhebbare Verwaltungsakt kommt bis zu seiner Aufhebung in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Aufgabe zu, ein Verwaltungsverfahren zum Abschluß zu bringen und in materiellrechtlicher Hinsicht die Rechte und Pflichten zwischen Bürger und Behörde im Sinne der Rechtssicherheit im einzelnen festzulegen 247. Das Vertrauen des Adressaten wird sich dementsprechend weniger auf die Rechtmäßigkeit der Genehmigung beziehen als vielmehr darauf, daß der ihm bekanntgegebene Verwaltungsakt die ihm zuzurechnenden Funktionen im Sinne der Rechtssicherheit erfüllt. Speziell für den Bereich des Umweltrechts wird der Genehmigungsempfanger darauf vertrauen, daß das umweltrechtliche Verfahren in Form der Genehmigung seinen Abschluß gefunden hat und hoheitlich die Unbedenklichkeit der beantragten Nutzung von Umweltgütern festgestellt ist. Das Vertrauen des Genehmigungsempfängers, dessen Schutz aus dem Rechtstaatsprinzip und speziell aus dem Rechtssicherheitsgedanken abgeleitet werden muß, läßt sich sachlich als das Interesse am Bestand der einmal verliehenen hoheitlichen Befugnis begreifen. Daß das Bestandsinteresse geschützt ist, verdeutlicht die Aufhebungsvorschrift des § 48 VwVfG. Nach § 48 Abs. 2 S. 1 VwVfG darf ein Leistungsbescheid nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. D. h., die Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes ist nur zulässig, wenn die Abwägung zwischen Bestandsinteresse und dem Gesichtspunkt der Gesetzmäßigkeit zulasten des Begünstigten ausfällt. In welchen Vgl. statt aller Maurer § 11 Rdn. 29. Rademacher S. 67. 247 Vgl. zu den Funktionen des Verwaltungsaktes Stelkens/Bonk/Leonhardt-Stelkens § 35 Rdn. 14 ff. 245

246

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3. Kap.: Eigene Lösung

Fällen diese Abwägung zwingend zulasten des Begünstigten ausfällt, ist § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG entnehmen, wo u. a. auf die Kenntnis oder die grobfahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes abgestellt wird (§ 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 VwVfG). Der Umstand der Rechtswidrigkeit der Genehmigung kommt folglich erst bei deren Aufhebung zum Tragen. Bis dahin verlangt die Regelung des § 43 VwVfG, das Bestandsinteresse aus Gründen der Rechtssicherheit zu schützen. Die Argumentation, der rechtswidrige Verwaltungsakt könne keine legalisierende Wirkung im Strafrecht entfalten, muß sich folglich daran messen lassen, in welchem Maße sie dem Genehmigungsempfänger den seitens des § 43 VwVfG intendierten Vertrauensschutz zugesteht. Der fehlende Vertrauensschutz kann nicht damit begründet werden, ein schützenswertes Vertrauen bestehe bei nachweislicher Rechtswidrigkeit der Genehmigung nicht, da der Genehmigungsempfänger in jedem Fall an die regulierende Funktion der Genehmigung glaubt. Diese Funktion besteht gerade darin, das Nutzungsvorhaben nach umweltverwaltungsrechtlichen Kriterien zu erlauben. Demnach muß der Rechtssicherheits- und Vertrauenschutzgedanke, der der Regelung des § 43 VwVfG zugrundeliegt, aus der Perspektive des Genehmigungsempfangers sehr wohl berücksichtigt werden, wenn es über die Bindung des Strafrichters an rechtswidrige Genehmigungen im Umweltstrafrecht zu befinden gilt. 2. Der Verwaltungsakt als obrigkeitsstaatliches Machtmittel

Die Lehre von der fehlerunabhängigen Rechtswirksarnkeit von Verwaltungsakten gehört traditionell zu den Theoremen, die die Bedeutung des Verwaltungsaktes in unserem Rechtssystem umschreibt. Bereits vor der Normierung des § 43 VwVfG war weitgehend anerkannt, daß der Verwaltungsakt vorbehaltlich seiner Anfechtung mit der Bekanntgabe rechtswirksam ist, und zwar ohne Rücksicht auf seine Rechtmäßigkeit. Nach herkömmlicher Auffassung sollte darin das staatsautoritative Element des Verwaltungsakts zum Ausdruck kommen 248. Damit korrespondiert das auch heute noch vertretene Verständnis, der Verwaltungsakt lasse seine Rechtmäßigkeit aus sich heraus vermuten 249. Allerdings bedarf diese These, der Verwaltungsakt umfasse ein staatsautoritatives Element, vor dem Hintergrund des Art. 20 Abs. 3 GG der Präzisierung. Da die Exekutive im Rechtsstaat an Recht und Gesetz gebunden ist, kann der Verwaltungsakt nicht mehr als obrigkeitsstaatliches Machtmittel begriffen werden, das allein aufgrund der Autorität staatlichen Handeins Geltung gegenüber dem Bürger beanspruchen kann 250. Ein reines Unterordnungsverhältnis des Bürgers zum Staat 248 Vgl. Forsthoff § 12 (S. 224): "Der Verwaltungsakt ist unbeschadet seiner Ordnungsmäßigkeit oder Feh1erhaftigkeit - in jedem Fall eine Bekundung der Staatsautorität ... "; Wolffl BachofVerwR I § 50 Ib (S. 414); Goldmann S. 153. 249 Vgl. Winkelbauer S. 41.

C. Die Übertragbarkeit der Regelung des § 43 VwVfG in das Strafrecht

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ist der rechtsstaatlichen Demokratie fremd. Im Rechtsstaat ist der Bürger hoheitlichen Anordnungen nicht bedingungslos unterworfen, sondern aufgrund der ihm gewährten Freiheitsräume und Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt (Art. 19 Abs. 4 GG) abgesichert 251 • Auf der anderen Seite ist im Sinne der Effizienz einer modemen Verwaltung ein Regelungselement unentbehrlich, daß die Rechte und Pflichten des einzelnen klar umschreibt und dadurch die anfallenden Massenvorgänge in kurzer Zeit zu bewältigen hilft; diesbezüglich trägt die Wirksamkeit von Verwaltungsakten zur Funktionsfahigkeit und Effizienz der Verwaltung bei 252. Der Verwaltungsakt nimmt folglich im Rechtsstaat in dem Maße eine staatsautoritative Funktion wahr, wie die Beachtung eines Hoheitsbefehles zur Wahrung der Funktionsfähigkeit und Effizienz der Verwaltung vonnöten ist. Dies gilt insbesondere für belastende Verwaltungsakte, die den Pflichtenkreis des Bürgers zum Zwecke deren Durchsetzung festlegen. Für begünstigende Verwaltungsakte wird die Bedeutung der Staatsautorität abgestritten, da der Staat nur bei belastenden Verwaltungsakten darauf angewiesen sei, seine Anordnungen durchzusetzen 253. Fraglich erscheint indes, wie diese Auffassung mit der verfahrensbeendenden Funktion des Verwaltungsakts in Einklang gebracht werden kann. Auch der begünstigende Verwaltungs akt stellt eine behördliche Entscheidung dar, die zum Abschluß eines Verwaltungsverfahrens getroffen wird. Auf das Umweltrecht bezogen ist eine behördliche Genehmigung gleichbedeutend mit der Feststellung, daß Interessen der Allgemeinheit oder etwaiger Drittbetroffener durch die beantragte Nutzung eines Umweltgutes nicht beeinträchtigt sind. Damit kommt gerade gegenüber Drittbetroffenen das staatsautoritative Element des Verwaltungsaktes zum Tragen. Zusammenfassend beinhaltet der begünstigende Verwaltungsakt ein staatsautoritatives Element. Dementsprechend darf das staatsautoritative Element - als Charakteristikum des Verwaltungsakts - nicht verlorengehen, wenn die Rechtswirkungen einer fehlerhaften Genehmigung im Umweltstrafrecht in Rede stehen. Etwas anderes könnte nur gelten, falls das staatsautoritative Element darauf beschränkt wäre, Rechtswirkungen gegenüber dem einzelnen Bürger zu entfalten, nicht aber gegenüber anderen Behörden oder Gerichten. Sofern man den begünstigenden Verwaltungsakt allerdings zutreffend als Hoheitsentscheidung begreift, die zur Effizienzsicherung einer modemen Verwaltung unentbehrlich ist, intendiert dies eine Bindung anderer Hoheitsträger. Somit unterstützt der Aspekt der So zutreffend Maurer § 9 Rdn. 41; Vogel BayVBI 1977,617 f. Zu den Einzelelementen des Rechtsstaatsbegriffes statt aller vMünch-Schnapp Art. 20 Rdn. 23. 252 Vgl. Kopp, VwVfG, Vor § 35 Rdn. 2; Wolffl BachojVerwR I § 46 Ia (S. 370); Maurer § 9 Rdn. 40 f. 253 Hübenett S. 86; ebenso Rademacher S. 65, ohne zwischen begünstigenden und belastenden Verwaltungsakten zu differenzieren. 250 251

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3. Kap.: Eigene Lösung

Staats autorität, der durch die Effektivität der Verwaltung bedingt ist, das durch das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung im Sinne der Gleichbehandlung vorläufig gewonnene Ergebnis, fehlerhafte Verwaltungsakte auch im Strafrecht zu beachten. 11. Die aus § 43 VwVfG abzuleitenden verfahrensübergreifenden Bindungswirkungen

Zuvor standen die Gründe im Mittelpunkt der Erörterung, die zu der gesetzlichen Anordnung der Wirksamkeit fehlerhafter Verwaltungsakte im Verwaltungsverfahrensrecht geführt haben und die aus der Sicht des Genehmigungsempfängers bedeutsam sind. Regelmäßig werden in der Diskussion um die Behandlung rechtswidriger Verwaltungs akte aber diejenigen Gesichtspunkte vernachlässigt, die das Verhältnis des Verwaltungsakts zu anderen, in den Staatsautbau eingegliederten Rechtsanwendern beschreiben. Eine Lösung des Problems allein auf der Basis, inwieweit der Adressat schutzwürdig ist, wird der Funktion des Verwaltungsakts bei der Ausübung der Staatsgewalt nicht gerecht. Dies ist bereits anläßlich der Untersuchung angeklungen, in welchem Maße die Genehmigung staatsautoritative Züge aufweist. So wird von den Verfechtern der materiellrechtlichen Lösung zwar auf die Geltungsgründe des § 43 VwVfG verwiesen, nicht jedoch auf die Folgerungen für Adressaten, Behörden und Gerichte, die aus der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes resultieren könnten 254 . Da nach dem bereits Gesagten Wertungswidersprüche aus sachgerechten Gründen durchaus rechtfertigt bzw. aufgelöst werden können, bedarf es neben der Analyse der Geltungsgründe des § 43 VwVfG auch einer näheren Betrachtung der verfahrensrechtlichen Folgerungen, die aus der gesetzlich angeordneten Wirksamkeit von Verwaltungsakten abgeleitet werden können. Wenn und soweit aus Existenz und Inhalt eines wirksamen Verwaltungsakts Bindungswirkungen für Behörden und Gerichte resultieren, ist zu klären, inwieweit derartigen Bindungswirkungen im Rahmen eines am Rechtsgutsschutz orientierten Strafrechts Anerkennung zu schenken ist. Auf dieser Grundlage kann darüber befunden werden, ob die Geltungsgründe des Verwaltungsrechts und die daraus gezogenen Konsequenzen von der Strafjustiz im Sinne einer Verwaltungsaktsakzessorietät akzeptiert werden müssen. Die Bindungswirkungen des Verwaltungsaktes sind Gegenstand einer Vielzahl verwaltungsrechtswissenschaftlicher Beiträge, die gleichsam Ausdruck der "Schwierigkeit und Komplexität der Thematik"255 sind. Die Schwierigkeiten 254 Anders für die h. M. neuerdings Rogall, Amtsträgerstratbarkeit S. 180 und Schröder VVDStRL 50 (1991),196,221 f., ohne aber die Übertragbarkeit dieser Bindungswirkungen in das Umweltstrafrecht zu untersuchen. 255 Schenke DÖV 1983, 320 mit zahlreichen Nachweisen einschlägiger Schriften; weitere Nachweise, insbesondere aus neuerer Zeit bei Randak JuS 1992, 33 FN 1.

C. Die Übertragbarkeit der Regelung des § 43 VwVfG in das Strafrecht

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einer genaueren Analyse der einzelnen Bindungswirkungen folgt bereits aus dem "Gestrüpp der Begriffe"256, die in diesem Zusammenhang zur näheren Bezeichnung der Bindungswirkungen verwendet werden, z. B. materielle Bestandskraft, Unanfechtbarkeit, Maßgeblichkeit, Tatbestands- und Feststellungswirkung, Verbindlichkeit 257 . Trotz uneinheitlicher Terminologie besteht darüber Konsens, daß Bindungswirkungen von Verwaltungsakten über die Fälle gesetzliche Anordnung hinaus im Sinne der Einheitlichkeit der Staatsgewalt sinnvoll sind 258 • Auf die einzelnen Erklärungen und Definitionsversuche kann im Rahmen der hier gewählten Problemstellung freilich nicht eingegangen werden. Vielmehr sollen im folgenden die hier relevanten Ergebnisse der Verwaltungsrechtswissenschaft dargestellt und auf das Problem der Behandlung umweltrechtlicher Genehmigungen im Strafrecht übertragen werden. Inhaltlich können Bindungswirkungen in zweierlei Richtung von einmal getroffenen staatlichen Entscheidungen ausgehen, nämlich in Form von Abweichungsund Aufhebungsverboten. Letztere können für die Fragestellung der Verwaltungsaktsakzessorietät vernachlässigt werden, da der Strafjustiz dem materiellrechtlichen Lösungsansatz zufolge nicht die Aufhebung, sondern die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von staatlichen Genehmigungen ermöglicht sein soll. Von Relevanz können hingegen die in Rechtsprechung und Literatur diskutierten Abweichungsverbote sein. Unter Abweichungsverboten sind Verbote an Behörden und Gerichte zu verstehen, vom Gegenstand der im Verwaltungsakt beinhalteten Regelung bei erneuter Befassung abzuweichen 259 . Abweichungsverbote sind gesetzlich nicht geregelt und infolgedessen in den Einzelheiten in Wissenschaft und Praxis umstritten. Trotz aller Differenzen lassen sich dem Typ nach zwei Abweichungsverbote unterscheiden, die materielle Bestandskraft (1) und bestandskraftunabhängige Bindungswirkungen von Verwaltungsakten (2)260.

1. Die materielle BestandskraJt Der Begriff der materiellen Bestandskraft ist prozessualer Herkunft 261 . Auf Verwaltungsakte übertragen wird darunter ein Abweichungsverbot verstanden, das regelmäßig mit der formellen Bestandskraft eintritt 262. Formelle Bestandskraft bedeutet nach h. M. Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts, die mit Ablauf der verwaltungsprozessualen Klagefrist des § 74 VwGO bzw. mit Erlaß einer unanIpsen, Die Verwaltung 1984, 169, 170. 257 Vgl. Knöpfte BayVBI 1982,225; Ipsen, Die Verwaltung 1984, 169, 170. 258 Knöpfte BayVBI 1982,225. 259 Vgl. statt aller Stelkens/Bonk/Leonhardt-Stelkensl Sachs §43 Rdn. 12. 260 Vgl. Stelkens / Bonk / Leonhardt-Stelkens I Sachs § 43 Rdn. 35 ff., 100 ff. 261 Vgl. Ipsen, Die Verwaltung 1984, 169, 179. 262 Stelkens / Bonk / Leonhardt-Stelkens I Sachs § 43 Rdn. 35 ff.; Knöpfte BayVBI 1982, 225, 227 f.; Kopp DVBI 1983, 392, 397 f.; Ipsen, Die Verwaltung 1984, 169, 178 f.; Randak JuS 1992, 33, 34. 256

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3. Kap.: Eigene Lösung

fechtbaren Entscheidung im Rechtsbehelfsverfahren eintritt 263. Nach Ipsen soll von Bestandskraft nur die Rede sein, wenn neben der Unanfechtbarkeit auch die Unaufhebbarkeit des Verwaltungsakts seitens der Erlaßbehörde eingetreten ist, was bei rechtswidrigen Verwaltungsakten nach Maßgabe des § 48 Abs. 4 VwVfG zu beurteilen ist 264 • Inhaltlich beschreibt die materielle Bestandskraft das an einen hoheitlichen Entscheidungsträger gerichtete Verbot, in einer späteren Entscheidung die Rechtmäßigkeit des bestandskräftigen Verwaltungsakts trotz dessen Vorgreiflichkeit einer erneuten Überprüfung zu unterziehen, um nicht den früheren Verwaltungs akt der eigenen Entscheidung zugrundelegen zu müssen 265 • Ein solches Abweichungsverbot wird in der Praxis allerdings nicht durchgehalten. So bekräftigte der BGH unlängst seine Rechtsprechung, in Amtshaftungsprozessen ohne gerichtliche Erkenntnis bestandskräftig gewordene Verwaltungsakte auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu dürfen 266 • Für die im Umweltstrafrecht problematische Anerkennung fehlerhafter Genehmigungen stellt sich mithin die Frage nach den Grenzen der als Abweichungsverbot verstandenen materiellen Bestandskraft. Insbesondere ist klärungsbedürftig, ob der Rechtsgüterschutz eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes verlangt, auch wenn dieser bestandskräftig geworden ist. Daß eine Rechtmäßigkeitsprüfung trotz Bestandskraft nicht zwangsläufig ausgeschlossen sein muß, belegt die Rechtsprechung des BGH in Amtshaftungsprozessen. 2. Bestandskraftunabhängige Abweichungsverbote , insbesondere die Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten

Bindungswirkungen werden freilich nicht allein an unanfechtbare oder unaufhebbare Verwaltungsakte geknüpft. Vielmehr sollen Verwaltungsakte allseitige rechtliche Verbindlichkeit bereits mit ihrem Erlaß entfalten. Differenziert wird hierbei überwiegend zwischen der Tatbestands- und der Feststellungswirkung von Verwaltungsakten 267 , wobei allerdings die Begriffe der Tatbestandswirkung und der Feststellungswirkung selbst uneinheitlich verwendet werden. Unter Feststellungswirkung wird überwiegend die Bindung von Gerichten und Behörden an die Beurteilung bzw. Feststellung der Rechts- und Sachlage durch 263 Stelkens / Bonk / Leonhardt-Stelkens / Sachs § 43 Rdn. 15; Maurer § II Rdn. 4; Jeromin NVwZ 1991,543,545. 264 Ipsen, Die Verwaltung 1984, 169, 184 f.; ähnlich Erichsen-Knoke NVwZ 1983, 185, 188. 265 Vgl. Stelkens / Bonk / Leonhardt-Stelkens / Sachs § 43 Rdn. 36 ff.; Kopp DVBI 1983,392,398; Jeromin NVwZ 1991,543,545; Randak JuS 1992,33,34. 266 st. Rspr.: BGHZ 2, 209, 214; 9, 129, 131 ff.; 86, 356, 359; zuletzt BGH NJW 1991,1168; aA Berkemann DVBl1986, 183, 184; OrtloffNJW 1987, 1665, 1670; Broß VerwArch 1987,91, 106; ders. VerwAreh 1991,593,598; Jeromin NVwZ 1991, 543, 544f. 267 Vgl. Knöpfte BayVBl 1982,225; Kollmann DÖV 1990, 189 m. w. N.

c. Die Übertragbarkeit der Regelung des § 43 VwVfG in das Strafrecht

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die feststellungsberechtigte Instanz verstanden 268. Ob die Feststellungsberechtigung auf eine gesetzliche Regelung gegründet sein muß, wie häufig geäußert wird 269, kann in dem hier interessierenden Zusammenhang dahinstehen. Die behördliche Genehmigung entfaltet bereits mit ihrem Vorliegen im Umweltrecht legalisierende Wirkung, so daß eine etwaige Bindung der Strafjustiz an die dem Verwaltungsakt zugrundeliegenden rechtlichen Beurteilungen und Sachverhaltsfeststellungen für die Strafbarkeit des Genehmigungsinhabers bedeutungslos ist. Stattdessen kommt es darauf an, inwieweit die Strafverfolgungsbehörden von dem Tatbestand einer umweltrechtlichen Genehmigung auszugehen haben. Die Pflicht aller rechtsanwendenden Instanzen, die durch einen Verwaltungsakt bewirkten Rechtsänderungen zu beachten und keine widersprechende Entscheidung zu treffen, wird vielfach als Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts bezeichnet 270 • In neuerer Zeit mehren sich die Stimmen, die unter Tatbestandswirkung (im engeren Sinne) spezifiziert nur die Fälle verstehen, in denen der wirksame Verwaltungs akt nach materiellem Recht eine der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine auszusprechende Rechtsfolge darstellt271 • Das weitergehende Abweichungsverbot, das allein auf die mit dem Erlaß des Verwaltungsakts einhergehenden Rechtsfolgen, nicht aber auf die Gesetzesfassung abstellt, wird demgegenüber als ,,Beachtlichkeit" 272, "Bindungswirkung" 273, "Maßgeblichkeit" 274 oder "Verbindlichkeit" 275 von Verwaltungsakten bezeichnet. Die vom herkömmlichen Begriff der Tatbestandswirkung abweichende Terminologie erhellt, auf welch unterschiedliche Art und Weise andere staatliche Stellen an einen Verwaltungsakt, nicht zuletzt aufgrund der Gesetzeslage gebunden sein sollen. Daher soll im folgenden das letztgenannte Abweichungsverbot unter dem Aspekt der "Verbindlichkeit" von Verwaltungsakten analysiert werden, zumal der Erlaß einer behördlichen Genehmigung im geltenden Umweltstrafrecht sowohl als Tatbestandsmerkmal (z. B. bei den §§ 325, 327 StGB: "ohne die erforderliche Genehmi268 Stelkens / Bonk / Leonhardt-Stelkens I Sachs § 43 Rdn. 114; Maurer § 11 Rdn. 9; Seibert S. 129 f.; Knöpfte BayVBl1982, 225, 229; zu abweichenden Defmitionen Knöpfte BayVBI 1982, 225, 227; gegen eine Feststellungswirkung von Verwaltungsakten Kollmann DÖV 1990, 189, 192. 269 Stelkens / Bonk / Leonhardt-Stelkens I Sachs § 43 Rdn. 114; Maurer § 11 Rdn. 9; Knöpfte BayVBI 1982,225,229 f.; Randak JuS 1992,33,36. 270 Vgl. BVerwGE 4,317,331; 59, 310, 315; BVerwG NJW 1983,1387,1388; Kopp, VwVfG, Vor § 35 Rdn. 26; Obermayer § 43 Rdn. 14; Maurer § 11 Rdn. 8. 271 Stelkens / Bonk / Leonhardt-Stelkens I Sachs § 43 Rdn. 112; Knöpfte BayVBI 1982,225,230; Ipsen, Die Verwaltung 1984, 169, 177 f.; Fluck VerwArch 1988,406, 411 f.; Kollmann DÖV 1990, 189, 190; Peine JZ 1990,201,207 f.; Randak JuS 1992, 33,37. 272 Stelkens / Bonk / Leonhardt-Stelkens I Sachs § 43 Rdn 102; Randak JuS 1992, 33, 37. 273 Seibert S. 169 ff.; Fluck VerwArch 1988,406,412 f. 274 Knöpfte BayVBI 1982,225,228. 275 Ipsen, Die Verwaltung 1984, 169, 176 f.; Peine JZ 1990,201,208.

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3. Kap.: Eigene Lösung

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gung"), d. h. ganz im Sinne der Lehre von der Tatbestandswirkung, als auch auf Unrechtsebene (z. B. bei § 324 StGB: "unbefugt") von Bedeutung ist. Voraussetzung der Tatbestandswirkung bzw. Verbindlichkeit ist die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes, so daß auch rechtswidrige Verwaltungsakte eine Bindung anderer Rechtsanwender herbeiführen können; der Erlaß des Verwaltungsakts allein genügt hingegen nicht, da von einem nichtigen Verwaltungsakt keine Verbindlichkeit ausgehen soll 276. Die Verbindlichkeit soll nicht mit der Existenz des Verwaltungsaktes, der sog. äußeren Wirksamkeit, sondern mit dessen sog. inneren Wirksamkeit einhergehen, d. h. mit dem Eintritt der von dem Verwaltungsakt intendierten Rechtswirkungen, was freilich im Regelfall mit dem Erlaß des Verwaltungsakts zusammenfällt, sofern nicht ausdrücklich durch Nebenbestimmungen (Bedingung, Befristung) etwas anderes festgelegt ist 277 • Folglich müßte bei konsequenter Umsetzung der Lehre von der Tatbestandswirkung bzw. Verbindlichkeit von Verwaltungsakten die rechtswidrige Genehmigung für andere Behörden und Gerichte mit ihrem Erlaß verbindlich sein.

111. Die Bedeutung der Geltungsgründe des § 43 VwVfG und der daraus abgeleiteten Bindungswirkungen im Umweltstrafrecht

Die Verfechter der materiellrechtlichen Lösung bestreiten die Übertragbarkeit der Geltungsgründe des § 43 VwVfG mit der Begründung, dem Gesichtspunkt der materiellen Gerechtigkeit sei der Vorrang einzuräumen. Die bisherigen Untersuchungen haben freilich ergeben, daß das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung eine Gleichbehandlung von Verwaltungsakten in Verwaltungsrecht und Strafrecht indiziert. Dieses Ergebnis wird vom Grundsatz der Vermutung der Gültigkeit von Staatsakten unterstützt, als dessen einfachgesetzliche Ausprägung § 43 Vw VfG anzusehen ist. Außerdem führt die pauschale Übertragung der im Verwaltungsrecht entwickelten Bindungswirkungen zu einer weitgehenden Bindung des Strafrichters an den Verwaltungsakt. Entscheidend ist damit, ob der oben skizzierte Gedanke der Rechtssicherheit, wie ihn das Dogma von der Wirksamkeit fehlerhafter Verwaltungsakte und die daran anknüpfenden Bindungswirkungen des Verwaltungsakts vermitteln, im Strafrecht im Hinblick auf den Gedanken der materiellen Gerechtigkeit Eingang finden kann oder muß. 1. Die unaufhebbare Genehmigung

Das Strafrecht ahndet ein dem Täter vorwerfbares Verhalten. Wegen der damit verbundenen einschneidenden Sanktionen gegen den Täter ist das Strafrecht in besonderer Weise rechts staatlichen Anforderungen unterworfen, was durch die 276 277

37.

Statt aller Knöpfte BayVBI 1982, 225, 229. Erichsen § 13 (S. 218 f.); Knöpfte BayVBI 1982,225,229; Randak JuS 1992,33,

C. Die Übertragbarkeit der Regelung des § 43 VwVfG in das Strafrecht

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Regelungen des Grundgesetzes verdeutlicht wird, namentlich durch Art. 103 Abs. 2 GG. Zu den rechts staatlichen Prinzipien gehört der Gedanke der Rechtssicherheit, der im Strafrecht in doppelter Hinsicht zu beachten ist: Rechtssicherheit ist gleichbedeutend mit der hirneichend sicheren Umschreibung der Rechtssphäre des Bürgers. Die Normbefehle müssen für den Adressaten hirneichend klar und bestimmt, die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit verläßlich sein. Das Gebot der Klarheit und Bestimmtheit von Normen ist für den Bereich des Strafrechts speziell in Art. 103 Abs. 2 GG verankert. Darüber hinaus erfolgt individueller Vertrauenschutz bei der Beurteilung der persönlichen Vorwerfbarkeit des strafbewehrten Verhaltens. Die Irrtumsregelungen der §§ 16, 17 StGB legen fest, inwieweit einer Fehlvorstellung des Täters bzw. dessen Vertrauen in eine nicht gegebene Rechts- oder Sachlage umechtsausschließende Wirkung beizumessen ist. Auf die Problematik der Verwaltungs akts akzessorietät übertragen ist damit die Frage aufgeworfen, ob es nicht im Interesse des Rechtsgüterschutzes und der materiellen Gerechtigkeit ausreicht, Rechtssicherheits- und Vertrauensschutzaspekte auf Schuldebene zu berücksichtigen. Da Kriminalstrafe nur bei individueller Vorwerfbarkeit des strafbewehrten Verhaltens verhängt werden kann, könnte das konkrete Vertrauen auf die erteilte, aber rechtswidrige Genehmigung als Verbotsirrtum zu werten sein. Bevor der Frage der persönlichen Vorwerfbarkeit auf Schuldebene jedoch nachgegangen werden darf, muß die Rechtswidrigkeit des strafbewehrten Verhaltens objektiv festgestellt werden. Dies ist insbesondere notwendig, wenn in Form einer behördlichen Genehmigung ein Rechtfertigungsgrund vorliegen könnte. Die behördliche Genehmigung stellt das Ergebnis einer Interessenabwägung dar, wie sie auch im Rahmen des rechtfertigenden Notstandes (§ 34 StGB) vorzunehmen wäre. Die Genehmigung begründet damit einen objektiven Vertrauenstatbestand, den die Behörde allerdings unter den Voraussetzungen des § 48 VwVfG wieder beseitigen kann, sofern die Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG nicht abgelaufen ist. Mit Ablauf bzw. Verstreichenlassen der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG hat sich die Behörde der Möglichkeit begeben, den Rechts- und Pflichtenkreis des Genehmigungsempfangers in einer der materiellen Verwaltungsrechtslage entsprechenden Weise zu beschreiben, wenn die ursprüngliche Genehmigung materiell rechtswidrig gewesen ist. Infolgedessen stellt die unaufhebbare staatliche Genehmigung abschließend und endgültig die Vereinbarkeit der Ressourcennutzung mit den Interessen der Allgemeinheit an der Reinhaltung der Umweltgüter fest. Diese Rechtsposition kann selbst durch verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage eines eventuell Drittbetroffenen dem jeweiligen Inhaber nicht mehr entzogen werden, da die Klagefrist von einem Monat selbst bei zeitlich unterschiedlicher Bekanntgabe (vgl. §§ 70, 74 VwGO) im Hinblick auf die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG abgelaufen sein wird. Wenn aber selbst das zur Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen berufene Verwaltungsgericht die staatliche Genehmigung nach deren Bestandskraft nicht mehr zu beseitigen vermag, dürfte eine weitergehende Prüfungskompetenz der Strafjustiz im Interesse der Rechts-

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3. Kap.: Eigene Lösung

sicherheit und insbesondere des Vertrauensschutzes des Genehmigungsinhabers im allgemeinen nicht akzeptabel sein. Dagegen könnte freilich eingewandt werden, daß sich die ordentliche Gerichtsbarkeit nicht durchgängig an bestandskräftige Verwaltungs akte gebunden sieht 278, etwa in Amtshaftungsprozessen, soweit der Verwaltungsakt keiner verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterzogen worden ist. Eine ohne gerichtliche Erkenntnis eingetretene Bestandskraft eines Verwaltungsaktes könne nicht mit der Rechtskraft eines Urteils gleichgesetzt werden könne. Dies würden die bedeutsamen Unterschiede zwischen Verwaltungsverfahren und gerichtlichem Urteil mit Rücksicht auf deren Funktionen verbieten 279. An der Argumentation des BGH zur Prüfungskompetenz im Amtshaftungsrecht fällt auf, daß der Aspekt der Rechtssicherheit nicht explizit gewürdigt wird. Dies verwundert um so mehr, als das BVerfG, auf dessen Entscheidung der BGH jüngst ausdrücklich Bezug nimmt 280, die Institute der Rechtskraft von Urteilen und der Bestandskraft von Verwaltungsakten gleichermaßen aus dem rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit herleitet 281 • Die verfassungsrechtliche Basis der Bestandskraft von Verwaltungsakten herauszuarbeiten, hätte es aber nicht bedurft, wenn es ohnehin nur darauf ankäme, ob der bestandskräftig gewordene Verwaltungsakt gerichtlich überprüft worden ist, die Bindung des Zivilgerichts mithin nur Folge der Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils ist. Zutreffend ist daher die Ansicht, die unter Berufung auf das BVerfG in der Verfassung keine Basis dafür sieht, zwischen "einfacher" Bestandskraft und Bestandskraft nach gerichtlicher Sachprüfung zu differenzieren 282 , wie der BGH dies tut, zumal die "einfache" Bestandskraft darauf beruht, daß der Betroffene die Möglichkeit verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes bewußt nicht in Anspruch genommen hat. Der BGH hat sich diesbezüglich damit beholfen, den beschränkten Entscheidungsgegenstand des zitierten Urteils des BVerfG herauszustellen, der keine Rückschlüsse auf das Amtshaftungsrecht zulasse 283. Der Verweis auf die Eigenge278 Im Hinblick auf § 48 IV VwVfG soll im folgenden unter Bestandskraft im Anschluß an Ipsen (Die Verwaltung 1984, 169, 184 f.) - die Unaufhebbarkeit des Verwaltungsakts verstanden werden. 279 Vgl. zuletzt BGH NJW 1991, 1168, 1169 bezüglich einer Amtshaftung bei Erlaß eines rechtswidrigen Verwaltungsakts. 280 BGH NJW 1991, 1168, 1169. 281 Vgl. BVerfGE 60, 253, 269 f.: " ... Zwar ist es nach der Verfassungsordnung des Grundgesetzes vorrangig Sache der Gerichte, die Rechtsordnung durch letztverbindliche Feststellung dessen, was im konkreten Fall rechtens ist, zu sichern. Das Erfordernis der Rechtssicherheit gilt indes nicht minder in anderen Wirkungsbereichen der Rechtsordnung und insbesondere im Vorfeld möglicher Befassung der Gerichte. Dieses Erfordernis gebietet es auch, daß überall dort, wo Akte mit dem Anspruch rechtlicher Verbindlichkeit gesetzt werden, den Betroffenen möglichst schnell Gewißheit über das für sie Verbindliche zuteil werde. Dies gilt zumal im Verwaltungsrecht. Es ist weithin von der Möglichkeit hoheitlichverbindlicher Rechtsgestaltung und - feststellung gekennzeichnet ... 282 Vgl. Stelkens / Bonk / Leonhardt-Stelkens / Sachs § 43 Rdn. 95 f.; Broß VerwArch 1987,91, 106; Jeromin NVwZ 1991,543,545. H.

C. Die Übertragbarkeit der Regelung des § 43 VwVfG in das Strafrecht

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setzlichkeiten des Amtshaftungsrechts scheint letztlich der entscheidende Grund für die Rechtmäßigkeitsprüfung in Amtshaftungsprozessen zu sein 284. Schließlich hat der BGH an anderer Stelle ausdrücklich offengelassen, ob das Zivilgericht an die "einfache", d. h. ohne gerichtliche Prüfung eingetretene Bestandskraft von Verwaltungsakten gebunden ist 285 • Für den Standpunkt des BGH wird man allein ins Feld führen können, daß der Gesetzgeber den Zivilgerichten im Amtshaftungsrecht eine umfassende Kontrollbefugnis übertragen wollte, wie sich aus Art. 34 GG und § 839 BGB ergibt, die eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines bestandskräftigen Verwaltungsakts rechtfertigen könnte. Hinzu kommt, daß Tatbestandsvoraussetzung des Schadensersatzanspruchs eine drittbezogene Amtspflichtverletzung ist; deren objektive gerichtliche Feststellung könnte deswegen zugunsten des Geschädigten angezeigt sein, weil die Rechtsfolge "Schadensersatz" nur an die persönliche Pflichtverletzung eines Amtswalters geknüpft werden kann, deren Feststellung dogmatisch wiederum nur durch einschränkende Auslegung von § 839 Abs. 3 BGB erreicht werden kann, wenn der Geschädigte den Verwaltungsakt nicht verwaltungsgerichtlich angefochten hat 286 • Letztlich braucht der Streit, ob diese Auslegung von § 839 Abs. 3 BGB dem Naßauskiesungsbeschluß des BVerfG zuwiderläuft 287 , nicht abschließend entschieden zu werden. Im vorliegenden Zusammenhang sollte lediglich verdeutlicht werden, daß die eingangs geschilderte Differenzierung des BGH zwischen "einfacher" und gerichtlich bestätigter Bestandskraft nicht verallgemeinerungsfähig ist und auf spezifisch amtshaftungsrechtlichen Erwägungen beruht, die wiederum im wesentlichen aus der Ausgestaltung des Art. 34 GG und § 839 BGB resultieren 288 • Gegen eine Verallgemeinerungsfähigkeit spricht entscheidend der im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gedanke der Rechtssicherheit, der die dogmatische und zugleich verfassungsrechtliche Basis der Bestandskraft von Verwaltungsakten ist, und zwar unabhängig von einer gerichtlichen Sachprüfung. Dementsprechend ist auch im Strafrecht das Abweichungsverbot der materiellen Bestandskraft in vollem Umfang anzuerkennen. Dieses auf die Rechtssicherheit gestützte Ergebnis wird noch durch eine weitere Erwägung bestätigt. Könnte das Strafgericht auch die bestandskräftige Genehmigung auf ihre materielle Rechtmäßigkeit hin untersuchen, so liefe dies auf eine Negierung der umweltbehördlichen Kontroll- und Konkretisierungskompetenz BGH NJW 1991, 1168, 1169. Vgl. auch die spezifisch amtshaftungsrechtlichen Argumente, die der BGH (NJW 1991, 1168, 1169 f.) der in der Literatur vertretenen Auffassung entgegenhält. 285 Vgl. BGHZ 95, 28, 37. 286 In diesem Sinne die Argumentation des BGH NJW 1991, 1168, 1169 f. 287 So Jeromin NVwZ 1991,543,545 mit Verweis auf BVerfGE 58, 300. 288 Dies verkennt BGH NJW 1992, 1384, 1386, wo sich der BGH pauschal und ohne Auseinandersetzung mit den Eigengesetzlichkeiten des Amtshaftungsrechts für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts durch die Zivilgerichte ausspricht, ohne daß es in dem konkreten Fall hierauf ankäme. 283

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3. Kap.: Eigene Lösung

hinaus. Die Umweltbehörde ist von Gesetzes wegen damit beauftragt, den Rechtsund Pflichtenkreis des Bürgers in bezug auf die Nutzung von Umweltgütern zu konkretisieren. Sie entscheidet in erster Linie über die Umweltverträglichkeit eines beantragten Nutzungsvorhabens, freilich unter der Kontrolle der Verwaltungsgerichte. Mit Eintritt der Bestandskraft können aber weder die Erlaßbehörde noch die zu ihrer Kontrolle berufenen Verwaltungsgerichte die aufgrund einer Interessenabwägung ausgesprochene Umweltverträglichkeit außer Kraft setzen. Auf diese Weise steht verwaltungsrechtlich endgültig die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Umweltrecht fest. Ein Rückgriff auf das materielle Umweltschutzrecht ist infolge der bestandskräftigen Erlaubnis gesperrt. Dieses Ergebnis kann gemessen an der Intention des Umweltstrafrechts, die Umweltgüter zu schützen, auch nicht als unbillig angesehen werden, da der Staat selbst mittels der Umweltbehörde den Eintritt der Bestandskraft durch Aufhebung der rechtswidrigen Genehmigung hätte verhindern können. Dementsprechend kann die daraus resultierende Bindungswirkung nicht aus Gründen der materiellen Gerechtigkeit dem Genehmigungsempfänger zum Nachteil gereichen. Vielmehr müßte es als unauflösbarer Wertungswiderspruch angesehen werden, wenn die Strafjustiz entgegen dem endgültigen Ergebnis der Verwaltungsbehörde der beantragten Nutzung die festgestellte Unbedenklichkeit aufgrund einer weiteren, eigenen Güterabwägung versagen könnte, ein Ergebnis, das vor dem Hintergrund einer widerspruchsfreien Rechtsordnung dem Rechtsfrieden eher schadet, denn der Einzelfallgerechtigkeit nützt. Mithin ist in jedem Fall die verwaltungsrechtlich zu beurteilende Bestandskraft von Verwaltungsakten durch die Strafjustiz zu beachten. Damit ist allerdings keine abschließende Aussage darüber getroffen, ob eine vergleichbare Bindungswirkung vom noch nicht bestandskräftigen Verwaltungsakt ausgeht. Es ist lediglich klargestellt, daß das Strafrecht dem Gedanken der materiellen Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit verpflichtet ist und die Wertungsdivergenz zwischen staatlicher Erlaubnis und materieller Rechtswidrigkeit im Falle der Bestandskraft in Richtung auf die Erlaubnis, d. h. im Sinne der Rechtssicherheit aufzulösen ist. Schließlich kann ein prinzipieller Vorrang der materiellen Gerechtigkeit bei der Beurteilung eines Verhaltens, das ein strafrechtlich geschütztes Rechtsgut verletzt hat, angesichts der verfassungsrechtlichen Vorgaben im Interesse der Rechtssicherheit nicht ohne weiteres konstatiert werden. Von daher spricht nichts gegen eine Übertragung der verwaltungsrechtlichen Wertung von der Beachtlichkeit fehlerhafter Verwaltungsakte, wenn dadurch der Aspekt der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes herausgestellt wird.

2. Tatbestandswirkung von rechtswidrigen Genehmigungen im Umweltstrafrecht? Rechtssicherheit und Vertrauensschutz des Täters genießen im Strafrecht einen hohen Stellenwert. Dies erkennen im Grundsatz die Vertreter der materiellrechtli-

C. Die Übertragbarkeit der Regelung des § 43 VwVfG in das Strafrecht

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chen Lösung an, die dem Rechtssicherheitsgedanken und seinen Konkretisierungen Rechnung tragen wollen, wenn auch nicht auf Unrechtsebene 289 • Nach dem bisherigen Ergebnis ist rechtsstaatlichen Anforderungen nur Genüge getan, wenn der bestandskräftige bzw. unaufhebbare Verwaltungsakt im Strafrecht anerkannt wird. Die bereits aufgeworfene Frage, ob nicht Rechtssicherheit und Vertrauensschutz erst im Rahmen der Schuld oder der Strafausschließung statt auf Rechtswidrigkeitsebene berücksichtigt werden können, stellt sich erst recht, wenn im Verwaltungsrecht noch keine endgültige Entscheidung über die beantragte Umweltnutzung gefallen ist. Dem noch aufhebbaren Verwaltungsakt könnte im Strafrecht eine entsprechend geringere Beachtlichkeit zukommen. Dafür könnte erneut sprechen, daß der Gedanke des Vertrauens schutzes im Strafrecht vor allem durch die Irrtumsregelungen zum Ausdruck kommt 290 • Vertrauensschutz indiziert eine auf den Einzelfall abgestimmte Beurteilung von Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit, d. h. der persönlichen Vorwerfbarkeit des Verhaltens. Nimmt der Täter etwa eine ihn anerkanntermaßen rechtfertigende Sachlage an, so führt dieser Erlaubnistatbestandsirrtum bei Unvermeidbarkeit nach allen Ansichten zur Straflosigkeit des Täter im Hinblick auf ein Vorsatzdelikt 291 • Dennoch wird sein Verhalten in diesem Fall als objektiv rechtswidrig angesehen. Im Falle des Erlaubnistatbestandsirrtums resultiert die Straflosigkeit des Täters allein aus dessen subjektiver Vorstellung, obwohl sein Verhalten materiell rechtswidrig ist. Dementsprechend wird dafür plädiert, dem Vertrauen des Genehmigungsempfangers in die ihm erteilte, materiell rechtswidrige Genehmigung in Form des Erlaubnistatbestandsirrtums erst auf der Ebene der Schuld Rechnung zu tragen 292 • Sollte der Genehmigungsempfanger die materielle Unrichtigkeit der Genehmigung erkannt haben, müßte folgerichtig wegen eines vermeidbaren Verbotsirrtum bestraft werden 293. Auch wenn unaufhebbarer und wirksamer Verwaltungsakt im Hinblick auf § 48 VwVfG unterschieden werden können, die Ausgangssituation ist dennoch identisch. Die alleinige Anwendung strafrechtlicher Irrtumsregelungen impliziert das Verständnis, die strafrechtliche Bedeutung einer staatlichen Erlaubnis allein anhand subjektiver Kriterien, nämlich der konkreten Tätervorstellung im Zeitpunkt der Tat beurteilen zu können. Daß darüber hinaus auch objektive, verfassungsrechtliche Kriterien Eingang finden müssen, ist bezüglich des Abweichungsverbotes der materiellen Bestandskraft bereits erwiesen. Was die Anwendung s. o. sub 2. Kapitel B. III. 2. c). Für die Anwendung der Irrtumsregeln bei Unkenntnis des Täters von der Rechtswidrigkeit der Genehmigung Winkelbauer S. 73; Hübenett S. 154 f.; Schünemann wistra 1986,235,240. 291 Vgl. die Meinungsübersicht zum Erlaubnistatbestandsirrtum bei SK-Rudolphi § 16 Rdn. 10 ff. 292 Für einen "unvermeidbaren Erlaubnistatbestandsirrtum" Winkelbauer S.73; für Vorsatzausschluß analog § 16 StGB Hübenett S. 154. 293 So Winkelbauer S. 73; Hübenelt S. 117 f. 289 290

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3. Kap.: Eigene Lösung

der Irrtumsregeln angeht, müßte zunächst die Rechtswidrigkeit der Umweltnutzung festgestellt werden. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, daß die Verwaltungsbehörde dem Genehmigungsempfänger ausdrücklich ein Verhalten erlaubt hat, dessen strafrechtliche Relevanz es zu beurteilen gilt. Der Täter, der sich in einem Erlaubnistatbestandsirrtum befindet, glaubt hingegen lediglich, Umstände im Einzelfall erkannt zu haben, die ein tatbestandsmäßiges Verhalten zu rechtfertigen vermögen. Demgegenüber kann grundsätzlich jeder Empfänger einer materiellrechtswidrigen Genehmigung auf deren Wirksamkeit nach Maßgabe des § 43 VwVfG verweisen; das Vorliegen der rechtswirksamen Genehmigung kann objektiv nachgewiesen werden. Auf die Unaufhebbarkeit kommt es hingegen nicht an, solange der Verwaltungsakt nur wirksam ist. Insofern liegt - wie im Falle des unaufhebbaren Verwaltungsakt - ein weitergehender Vertrauensschutz des Genehmigungsempfängers nahe, der bereits objektiv und generalisierend beachtet werden müßte, wenn der Genehmigungstatbestand der Strafjustiz ein Abstellen auf das materielle Verwaltungsrecht verwehrt. Die identische Ausgangssituation bei einer unaufhebbaren und bei einer wirksamen Genehmigung allein vermag freilich nicht abschließend zu überzeugen. Vielmehr ist entscheidend, ob eine von der Genehmigung ausgehende Tatbestandswirkung bzw. Verbindlichkeit als bestandskraftunabhängiges Abweichungsverbot einer einzelfallbezogenen Betrachtungsweise entgegensteht. Schließlich wird sich die Anerkennung einer Tatbestandswirkung daran zu orientieren haben, ob nicht dadurch die gebotene Einzelfallgerechtigkeit unterlaufen wird. a) Die Verbindlichkeit des Verwaltungsakts aus verfassungsrechtlicher Sicht aa) Die Vorfragenkompetenz der Gerichte Für die Verbindlichkeit von noch nicht bestandskräftigen Verwaltungsakten zu plädieren, wie es die Verwaltungswissenschaft gemeinhin tut, ist nicht unproblematisch, wenn darunter eine Bindungswirkung der Gerichte verstanden wird. Verwaltungsakte können keine Verbindlichkeit entfalten, sofern das jeweilige Gericht zu deren Überprüfung, Änderung oder Aufhebung berufen ist. Insoweit ist die Bindungswirkung eines Verwaltungsakts gesetzlich bzw. kompetenzrechtlich begrenzt. Dies könnte aber nicht nur für die Gerichte gelten, die ausdrücklich für die Prüfung des Verwaltungsakts zuständig sind, sondern für alle Gerichte, vergegenwärtigt man sich die Vorschriften des Prozeßrechts, die die Behandlung von Vorfragen betreffen. So steht es gemäß § 262 Abs. 2 StPO im Ermessen des Gerichts, ob es das Verfahren bei einer außerstrafrechtlichen Vorfrage aussetzt. Im Grundsatz soll der Strafrichter über eine außerstrafrechtliche Vorfrage selbst entscheiden können (§ 262 Abs. 1 StPO); dies gilt insbesondere für verwaltungsrechtliche Vorfragen, da § 262 StPO, wie ein Vergleich mit § 154 d StPO und § 148 ZPO ergibt, insoweit analog anzuwenden ist 294. Die anderen Prozeßord-

C. Die Übertragbarkeit der Regelung des § 43 VwVfG in das Strafrecht

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nungen enthalten mit § 148 ZPO und § 94 VwGO vergleichbare Vorschriften zur Aussetzung des Verfahrens. Die Befugnis der Gerichte jedes Rechtszweiges, über alle erheblich werdenden rechtlichen Vorfragen inzidenter entscheiden zu dürfen, wird als Vorfragenkompetenz bezeichnet 295 • So hat jüngst der BGH die Befugnis, in Amtshaftungsprozessen die Rechtmäßigkeit von - bestandskräftigen - Verwaltungsakten beurteilen zu dürfen, auf die den Zivilgerichten zufallende Vorfragenkompetenz gestützt 296 • Die sog. Vorfragenkompetenz, wie sie in den genarmten prozessualen Regelungen zum Ausdruck kommt, kennzeichnet die Gerichtsorganisation unseres Rechtssystems 297. Damit ist zugleich ein Wesensmerkmal der Rechtsordnung dahingehend beschrieben, daß eine prinzipielle Bindung der Gerichte an Verwaltungsentscheidungenjeglicher Art einfachgesetzlich nicht vorgesehen ist. Ansonsten müßten die Prozeßordnungen eine Aussetzungspflicht hinsichtlich entscheidungserheblicher Vorfragen normieren. Vielmehr beschreibt die Bindung der Gerichte vor diesem prozessualen Hintergrund die Ausnahme. Die Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten und daran eventuell anknüpfend die Verwaltungsaktsakzessorietät im Umweltstrafrecht sind dementsprechend nur als Durchbrechungen der gerichtsorganisatorisch vorgegebenen Vorfragenkompetenz zu begreifen und als solche legitimierungsbedürftig. bb) Zur verfassungsrechtlichen Dimension der Lehre von der Verbindlichkeit von Verwaltungsakten Der Verwaltungsakt ist das zentrale Regelungsinstrument der Verwaltung zur Verfahrensbeendigung. In Form des Verwaltungsakts konkretisiert die Behörde den Rechts- und Pflichtenkreis des Adressaten. Die Funktion des Verwaltungsakts wäre aber unvollständig beschrieben, stellte man allein aus Sicht des Adressaten auf die mit dem Verwaltungsakt verbundenen Rechtswirkungen ab. Der Verwaltungsakt repräsentiert zugleich die Entscheidungskompetenz der Verwaltung bezüglich des ihr kraft Gesetzes übertragenen Aufgabenbereichs. Besonders augenfallig wird dieser Umstand, sofern der Verwaltung Ermessen eingeräumt worden ist, wie etwa bei der Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis (vgl §§ 2, 6 WHG). Die Erlaubniserteilung verdeutlicht die Betätigung des der zuständigen Behörde eingeräumten Ermessens, d. h. die der Behörde anvertrauten Kompetenz zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Insoweit kommt dem Verwaltungsakt eine kompetenzielle Bedeutung gegenüber anderen in die gesetzliche Kompetenzordnung eingegliederten Rechtsanwendern (Behörden und Gerichte) zu 298. KK / StPO-Hürxthal § 262 Rdn. 2; Kleinknecht I Meyer § 262 Rdn. 1. So ausdrücklich BGHZ 95, 28, 35; Eyermann I Fröhler § 40 Rdn. 23; Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, § 3 11 (S. 59); vgl. auch LR-Gollwitzer § 262 Rdn. 8; KK / StPO-Hürxthal § 262 Rdn. I; Kleinknecht I Meyer § 262 Rdn. I. 296 BGH NJW 1991, 1168, 1169 = JZ 1992,206. 297 Zutreffend Badura VVDStRL 50, 289, 290. 298 Zur kompetenzrechtlichen Funktion des Verwaltungsakts Erichsen § 12 Rdn. 4; Knöpfte BayVBI 1982, 225, 228. 294

295

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3. Kap.: Eigene Lösung

Die kompetenzielle Bedeutung des Verwaltungsakts könnte sich freilich in der bloßen Abgrenzung behördlicher Tätigkeit von anderen rechtsanwendenden Organen erschöpfen, ohne daß daraus Bindungswirkungen für andere Rechtsanwender resultierten, die konsequenterweise kompetenzsichernde Bedeutung hätten. So könnte man argumentieren, das Verwaltungsverfahren müsse zwar im Hinblick auf die der Verwaltung übertragenen Kompetenzen als selbständiges staatliches Verfahren begriffen werden, darüber hinaus könne aber keine Bindung der Gerichte an Verwaltungsentscheidungen, insbesondere nicht an rechtswidrige Verwaltungsentscheidungen abgeleitet werden, da die Gerichtsbarkeit gerade zur Kontrolle der anderen Staatsgewalten berufen sei. In diesem Sinne wäre den Gerichten eine umfassende Kontrollkompetenz hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von noch nicht bestandskräftigen Verwaltungsakten eröffnet. Daran ist zutreffend, daß der Rechtsstaatsgedanke eine Kontrolle der Exekutive durch die Gerichte erfordert, wie Art. 19 Abs. 4 GG verdeutlicht. Der Rechtsstaatsgedanke umfaßt jedoch auch den Gewaltenteilungsgrundsatz 299 , der in Art. 20 Abs. 2 GG insoweit verfassungsrechtlich verankert ist, als das Grundgesetz eine grundsätzliche Unterscheidung der Staatsgewalten vorsieht. Das Grundgesetz versteht die Gewaltenteilung damit nicht im Sinne von strikter Gewaltentrennung, sondern als ausgewogenes System gegenseitiger Hemmung und Kontrolle, ohne die Eigenständigkeit der einzelnen Staatsgewalten in Frage zu stellen 300. Demnach können Bindungswirkungen von noch nicht bestandskräftigen Verwaltungsakten nicht gegenüber Gerichten ausgehen, die zur Kontrolle der Verwaltung ermächtigt sind; dies sind ausweislich § 40 Abs. 1 VwGO grundsätzlich die Verwaltungsgerichte. Darüber hinaus läßt sich dem Gewaltenteilungsgrundsatz keine umfassende Kontrollbefugnis entnehmen. Im Gegenteil, die Verselbständigung der Staats gewalten und die ihnen zugewiesenen Kompetenzbereiche sprechen dafür, der Verwaltung eigenständige Entscheidungsbefugnisse zu belassen und nicht durch umfassende Kontrollkompetenzen anderer rechtsanwendender Organe - mit Ausnahme der Verwaltungsgerichtsbarkeit - zu unterlaufen. Folgerichtig sieht Knöpfte den Grund für die Verbindlichkeit von Verwaltungsakten " ... in einem ungeschriebenen kompetenzrechtlichen Rechtsgrundsatz ... " insofern, als ein homogenes System der Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt verlange, daß Gerichte und Verwaltungsbehörden im Verhältnis zueinander kompetenzgerechte Hoheitsakte in der Weise zu respektieren, daß sie die in ihnen getroffenen Regelungen ihren eigenen Entscheidungen zugrundelegen 301. Es ist ein fundamentales Anliegen des Rechtsstaats, keine einander widersprechende Verhaltensanordnungen zu erlassen. Der Gedanke der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung ist aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Basis 302 gerade in den 299

300

301 302

Vgl. statt aller vMünch-Schnapp Art. 20 Rdn. 23. Vgl. vMünch-Schnapp Art. 20 Rdn. 33; Stern StaatsR I § 20 IV. Knöpfte BayVBl 1982,225,228. s. o. 3. Kapitel B. III.

C. Die Übertragbarkeit der Regelung des § 43 VwVfG in das Strafrecht

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Fällen heranzuziehen, wenn und soweit innerhalb der Staatsorganisation bei der Rechtsanwendung Wertungswidersprüche auftreten können, da der Staat gegenüber dem Bürger nicht in Form verschiedener Organe sondern als Einheit aufzutreten hat. Daraus resultiert nicht nur inhaltlich die verfassungsrechtliche Vorgabe, im Regelfall zu einheitlichen Ergebnissen zu gelangen, sondern auch kompetenzrechtlich das Erfordernis, die Entscheidungen eines anderen in die gesetzliche Kompetenzordnung eingegliederten Organs grundsätzlich und solange zu respektieren, wie nicht eine (verwaltungs)gerichtliche Kontrolle der Verwaltungstätigkeit angezeigt ist. In bezug auf die Prüfungskompetenz der Gerichte läßt sich dieses Ergebnis-zusätzlich unmittelbar aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz des Art. 20 GG herleiten, da die vom Grundgesetz vorgegebene Gewaltenteilung unterlaufen würde, sollten alle Gerichte uneingeschränkt die Entscheidungen der Verwaltungs behörden kontrollieren dürfen 303. ~c)

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Bindung des Strafrichters?

Allerdings ist der Gewaltenteilungsgrundsatz nicht die einzige Vorschrift des Grundgesetzes, die die Befugnisse der Gerichte festschreibt. Art. 92 GG enthält ein Rechtsprechungsmonopol zugunsten der Gerichte aller Gerichtsbarkeiten. Das abschließende Unwerturteil über ein bestimmtes Verhalten und dessen Vereinbarkeit mit der Strafrechtsordnung könnte somit trotz wirksamer Genehmigung dem Strafrichter obliegen. D. h., das Rechtsprechungsmonopol könnte in Form der Verbindlichkeit wirksamer Verwaltungs akte beeinträchtigt sein, wenn die Strafjustiz unbesehen von der Existenz einer behördlichen Genehmigung ausgehen müßte und den Umweltdelinquenten aus diesem Grunde nicht bestrafen könnte 304 • Außerdem sieht Art. 97 GG die sachliche Unabhängigkeit des Richters vor. Daher wird in die Diskussion eingeführt, der Richter solle gemäß Art. 97 GG seine Entscheidung nicht aufgrund von Weisungen der Exekutive oder Einflußnahmen der Legislative treffen, sondern auf der Grundlage eigener Wertung und Beweiswürdigung. Die Zuständigkeit des Richters, in der Sache aufgrund eigener Erkenntnisse zu entscheiden, werde nur durch die Bindung an gerichtliche Entscheidungen beschränkt. Die Bindung des Strafrichters im eine umweltrechtliche Genehmigung könne folglich zu einer Einschränkung der richterlichen Unabhängigkeit führen, die gemessen an Art. 97 GG nicht gerechtfertigt werden könnte 305 • Davon ausgenommen wird teilweise allerdings die Tatbestandswirkung Im Ergebnis ebenso Erichsen § 12 Rdn. 5; Fluck VerwArch 1988,406,413. Für eine Verletzung von Art. 92 GG Rademacher S. 82 ff.; Schall NJW 1990, 1263, 1268; ders. wistra 1992, 1,5; für belastende Verwaltungsakte ebenso Mohrbotter JZ 1971,213,216; ferner HaafS. 241, 245 f. bei Verwaltungsakten, auf deren Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Straftatbestand ausdrücklich abhebt. 305 Vgl. Rademacher S. 82 ff.; Schall NJW 1990, 1263, 1268; allgemein für Verwaltungsakte ebenso Mohrbotter JZ 1971, 213, 216; ferner für die o. g. Verwaltungsakte HaafS. 246; in diesem Sinne auch Stein § 18 V 4, der lediglich die Bindung des Richters an andere Gerichtsentscheidungen für zulässig erachtet. 303

304

94

3. Kap.: Eigene Lösung

im weiteren Sinne, soweit die Tatsache der hoheitlichen Entscheidung in Form des Verwaltungsakts berücksichtigt werden soll, da der Verwaltungs akt diesbezüglich für den Strafrichter eine Wirkung zeitige 306 . Den Verfechtem der materiellrechtlichen Lösung, die ihre Ansicht auf Art. 92 und 97 GG stützen, ist zuzugeben, daß die verfassungsrechtlich geschützte Position des Strafrichters es apriori verbietet, ein generelles Überprüfungsverbot für den Richter auf den Gewaltenteilungsgrundsatz zu stützen. Vielmehr bezeichnen das Rechtsprechungsmonopol und die richterliche Unabhängigk(!it Konkretisierungen dessen, wie das Grundgesetz die Gewaltenteilung bzw. Gewaltenhemmung verstanden wissen will. Die Bindung des Strafrichters an die Entscheidung der Verwaltung ablehnen zu können, setzt aber voraus, daß die Genehmigungserteilung als Rechtsprechung im Sinne des Art. 92 GG anzusehen ist. Der Verwaltungsakt ist im Sinne des Gesetzesvollzugs auf das Setzen einer allseits zu beachtenden Rechtsfolge gerichtet; Rechtsfolge der Genehmigung ist dementsprechend eine hoheitlich verliehene Rechtsposition. Die Erlaßbehörde konkretisiert in Form des Verwaltungsakts den Rechtskreis des Adressaten im Rahmen der Umweltgesetze. Der Erlaß des Verwaltungsakts, der die Rechtsposition formalisiert, ist Rechtstatsache, die als solche der richterlichen Entscheidungsfindung zugrundegelegt werden muß307. Für den Strafprozeß folgt dies bereits aus dem Ermittlungsgrundsatz (§ 244 Abs. 2 StPO). Das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen ist in diesem Zusammenhang aus Sicht der Behörde lediglich Ursache für den Erlaß des Verwaltungsakts und für die Bindungswirkungen des Verwaltungsakts irrelevant. Wer hingegen die aus der Rechtsanwendung resultierende Bindung zum Wesensmerkmal von umweltrechtlichen Genehmigungen erhebt, vermengt gesetzesvollziehende Verwaltung und Rechtsprechung in unzulässiger Weise. Konsequenterweise müßte im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG jedes staatliche Handeln mit Bindungswirkung als Rechtsprechung qualifiziert werden. Dies ist indes nicht der Fall. So gilt im Rahmen der Rechtsbeugung das wasserrechtliche Genehmigungsverfahren zutreffend gerade nicht als "Rechtssache" im Sinne des § 336 StGB308. Von einer Rechtssache kann nur ausgegangen werden, wenn der Amtsträger wie ein Richter Entscheidungen zu treffen hat 309. Die insoweit erforderliche Rechtsverwirklichung liegt aber bei Erlaubniserteilungen im Rahmen des Verwaltungsverfahrens trotz des zu entscheidenden Interessenwiderstreits nicht vor, da die Verwaltung diesbezüglich im Sinne des Gesetzesvollzugs Verwaltungsinteressen verfolgt, hier den der Verwaltung obliegenden Schutz der Umweltgüter 31O . Die Verwaltung ist kraft 306 Mohrbotter JZ 1971,213,216 f. 307 Zutreffend Kollmann DÖV 1990, 189, 192. 308 OLG Frankfurt JR 1988, 168, 172; SK-Rudolphi § 336 Rdn. 8; Dreher/ Tröndle § 336 Rdn. 4; Seier JA 1985,23,25; ebenso für das atomrechtliche Genehmigungsverfahren Bickel NStZ 1988, 181, 182 im Gegensatz zu LG Hanau NStZ 1988,179, 18l. 309 Vgl. BGHSt 24,326,327; SK-Rudolphi § 336 Rdn. 7; Behrendt JuS 1989,945,947. 310 Ebenso Bickel NStZ 1988, 181, 182 und Behrendt JuS 1989,945,947.

C. Die Übertragbarkeit der Regelung des § 43 VwVfG in das Strafrecht

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Gesetzes mit der Auflösung von Interessenkollisionen im Umweltrecht bzw. mit der Erteilung von Genehmigungen befaßt. Mithin liegt nicht eine im Rahmen der Art. 92, 97 GG beachtliche Rechtsprechung, sondern lediglich der Vollzug des Gesetzes vor, wie er in den Umweltverwaltungsgesetzen vorgesehen ist. Im übrigen ist die Verwaltung der Kontrolle der Verwaltungsgerichte unterworfen 3l1 • Insofern kommt der Verwaltung gerade keine von richterlicher Kontrolle unabhängige Stellung zu. Eine zusätzliche Kontrolle der Verwaltung durch die Strafgerichte, kann Art. 92 und 97 GG nicht entnommen werden. Der Einwand Rademachers, die umweltrechtliche Genehmigung unterliege regelmäßig mangels Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO keiner verwaltungsgerichtlichen Kontrolle 312 , geht fehl, wenn man die postulierte Prüfung durch den Strafrichter näher betrachtet. Der Verwaltung obliegt es, unter Ausübung ihres Ermessens eine rechtswidrige Genehmigung aufzuheben; diese Aufhebungsentscheidung ist von dem Genehmigungsinhaber anfechtbar, unterliegt also der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Mit der Prüfung der Genehmigung nähme der Strafrichter folglich die Aufgaben von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit zugleich wahr. Eine derartige Stellung des Strafrichters läßt sich aus Art. 92 und 97 GG nicht ableiten.

b) Konsequenzen für die Prüfungskompetenz des Strafrichters Die Kontroverse um die Prüfungskompetenz des Strafrichters verdeckt das eigentliche Problem einer Rechtmäßigkeitsprüfung durch die ordentlichen Gerichte, nämlich das Verhältnis von Verwaltung und Rechtspflege, wie es der Gesetzgeber verstanden wissen wollte und wie es im Falle einer staatlichen Genehmigung aufzulösen ist. Die behördliche Genehmigung begründet ein staatliches, ein subjektiv-öffentliches Recht des Adressaten, die beantragte Umweltnutzung vorzunehmen. Gegenstand des Strafprozesses ist, ob der Genehmigungsinhaber aus strafrechtlicher Sicht die Nutzung der Umwelt zu verantworten hat. Umweltverwaltungs- wie Umweltstrafrecht haben damit einen identischen Entscheidungsgegenstand, die Erlaubnis des Staates zu der in concreto durchgeführten Umweltnutzung. Regelungsgegenstand der staatlichen Genehmigung ist im Rahmen der Umweltdelikte die strafbewehrte Handlung, so daß die Straflosigkeit des vermeintlichen Umweltdelinquenten außer Frage stünde, wenn die Genehmigung im Einklang mit dem Umweltverwaltungsrecht ergangen wäre 313 •

311

312

Hierauf weisen zutreffend auch Eyermann / Fröhler § 40 Rdn. 40 hin.

Rademacher S. 83 f.

313 Daß die tatsächlich durchgeführte Umweltnutzung eventuell nicht dem beantragten und damit genehmigten Vorhaben entspricht, soll hier ausgeblendet bleiben, da es nur um die rechtliche Zulässigkeit der Differenzierung nach rechtmäßiger und rechtswidriger, aber wirksamer Genehmigung geht.

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3. Kap.: Eigene Lösung

Gleichwohl läßt sich daraus nicht ohne weiteres eine Bindung des Strafrichters an die fehlerhafte Genehmigung ableiten. Vielmehr ist entscheidend, inwieweit die behördliche Genehmigung Bindungswirkungen entfaltet. Die Bindung des Strafrichters ist unproblematisch, wenn der Verwaltungsakt seine Rechtmäßigkeit verbindlich feststellt. Eine derartige Bindung wird mitunter in besonders gelagerten Fällen bejaht. Beispielsweise wird solchen Genehmigungen ein die Rechtslage verbindlich feststellender Gehalt zugeschrieben, die ein Investitionsrisiko zum Schutze des Investors in für andere Entscheidungsträger verbindlicher Weise auf den Staat übertragen sollen, namentlich Genehmigungen zur Errichtung von Anlagen, nicht aber bloße Betriebsgenehmigungen 314 • Dem Regelungsgehalt der Genehmigung entsprechend sollen in derartigen Fällen die in das Kompetenzgefüge integrierten Organe an die Feststellung der Rechtslage gebunden sein 315 • Auf diese Weise werden die sachlichen Grenzen der Bindungswirkungen von Verwaltungsakten auf der Grundlage des konkreten Entscheidungsgegenstandes bestimmt. Weitergehend spricht sich Knöpfte dafür aus, auch den dem Verwaltungsakt zugrundeliegenden Feststellungen als Entscheidungsgegenstand Bindungswirkung beizumessen 316. Nach anderer Ansicht sind feststellende Teilgehalte von Verwaltungsakten generell nicht geeignet, Bindungswirkungen gegenüber rechtsanwendenden Organen zu entfalten 317. Insbesondere erscheine es jedenfalls zweifelhaft, ob der Entscheidungsgegenstand des Verwaltungsakts die Feststellung seiner eigenen Rechtmäßigkeit umfaßt 318 • Mit der h. M. wird man regelmäßig nicht von einer konstitutiven Feststellung der Rechtmäßigkeit und damit des Vorliegens der Genehmigungsvoraussetzungen ausgehen können. Die materielle Genehmigungsfahigkeit ist in der Regel Ursache einer entsprechenden behördlichen Gestattung, nicht aber von der Bindungswirkung erlaBte Genehmigungsvoraussetzung 319 • Vielmehr läßt der Verwaltungsakt seine Rechtmäßigkeit allenfalls vermuten. Daraus aber auf die Prüfungsbefugnis des Strafrichters zu schließen, wird der Funktion des Verwaltungsakts im Regelfall nicht gerecht. Die Genehmigung ist Hoheitsakt und insoweit auf allseitige Verbindlichkeit angewiesen. Die Verbindlichkeit ist einem Verwaltungsakt immanent, soll er als Hoheitsakt gelten. Die Verbindlichkeit setzt als Folge der 314 Gaentzsch NJW 1986, 2787, 2790 f.; ebenso für die Baugenehmigung Ortloff NJW 1987, 1665, 1669 f.; Ossenbühl (Referat 57. DJT, L 36, 46) bejaht ein derartiges Schutzbedürfnis im Hinblick auf Investionen nach Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung. 315 Vgl. OVG Münster BauR 1973, 308, 311; Gaentzsch NJW 1986, 2787, 2791; OrtloffNJW 1987, 1665, 1669 f. 316 Knöpfte BayVBI 1982, 225, 228; ebenso Kopp, VwVfG, Vor § 35 Rdn. 26. 317 Stelkens / Bonk / Leonhardt-Stelkens / Sachs § 43 Rdn. 50, 103; verallgemeinernd auch Kollmann DÖV 1990, 189, 196, der die Rechtmäßigkeit im Hinblick auf Art. 92 GG zutreffend als Entscheidungsvoraussetzung, nicht aber als Entscheidungsgegenstand begreift; ebenso Scherzberg DVBI 1991, 84, 92. 318 Stelkens / Bonk / Leonhardt-Stelkens / Sachs § 43 Rdn. 98, 108. 319 Wie hier Kollmann DÖV 1990 189, 193; Scherzberg DVBI 1991, 84,92.

c.

Die Übertragbarkeit der Regelung des § 43 VwVfG in das Strafrecht

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Existenz des Hoheitsakts ein, und zwar bereits mit dessen Wirksamkeit. Der Strafgerichtsbarkeit das Recht zuzubilligen, die Rechtmäßigkeit der Genehmigung zu überprüfen, kommt einer Beseitigung der hoheitlich verliehenen Rechtsposition durch das Strafgericht gleich. Insofern wird der Strafjustiz nicht eine abweichende Entscheidung erlaubt, sondern de facto die Negierung des formalisierten Vertrauenstatbestandes, der aus der staatlichen Gestattung resultiert. Im Hinblick auf die zuvor festgestellte Identität des Regelungsgehalts der Genehmigung mit der strafbewehrten Handlung wird in der Sache nicht ein Abweichungs-, sondern ein Aufhebungsgebot unter Bezugnahme auf den Gedanken der materiellen Gerechtigkeit vertreten. Folglich wird die Bindung der Strafjustiz an die Tatsache der Existenz der Genehmigung unterlaufen, wenn dem Strafrichter der Rückgriff auf das materielle Umweltverwaltungsrecht gestattet wird, obwohl die Verbindlichkeit des Verwaltungsakts unabhängig von seiner materiellen Rechtmäßigkeit eintritt. Eine derartige Kontrollbefugnis der Strafjustiz widerspricht dem vorgegebenen Kompetenzgefüge, das allein die Verwaltungsgerichte die Befugnis zur Aufhebung von Verwaltungsakten verleiht bzw. zur Kontrolle der Aufhebungsentscheidung der Verwaltung beruft (§ 113 VwGO); die Prüfungskompetenz des Strafrichters käme somit einer Vermengung von Kompetenzen der Verwaltung und der Verwaltungsgerichtsbarkeit gleich. Im Zweifel ist daher von einer Bindung des Strafrichters an die behördliche Genehmigung auszugehen. Die Bindung des Strafrichters an die fehlerhafte behördliche Genehmigung wird nicht zuletzt durch das Prinzip der Rechtssicherheit intendiert, das eine Desorientierung des Bürgers durch einander widersprechende staatliche Verhaltensanordnungen verbietet. Der verfassungsrechtlich abgesichterte Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung ist auf der Grundlage einer solchen Konzeption verletzt. Um Rechtsunsicherheit und Desorientierung zu vermeiden, geht die Verwaltungsrechtswissenschaft zutreffend von der Verbindlichkeit bzw. Bindungswirkung für alle in den Staatsaufbau einbezogenen Organe aus. Die Verbindlichkeit von Verwaltungsakten ist das verwaltungsverfahrensrechtliche Instrument zur Vermeidung widersprüchlicher Ergebnisse 320; die Verbindlichkeit von Verwaltungs akten stellt die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung erst her, die wiederum als rechtsstaatliches Gebot begriffen werden muß. Daran vermag auch der Aspekt der materiellen Gerechtigkeit nichts zu ändern, auf den die materiell rechtliche Lösung rekurriert. Mit der Genehmigung verleiht der Staat ein subjektiv-öffentliches Recht, Handlungen oder Unterlassungen dem Regelungsgegenstand des Verwaltungsakts entsprechend vorzunehmen. Inwieweit das subjektiv-öffentliche Recht im Einklang mit den zugrundeliegenden Gesetzen steht, ändert nichts an der Tatsache, daß der Staat dem Genehmigungsinhaber in formalisierter Weise ein subjektiv-öffentliches Recht zugesprochen hat. Der Staat kann dieses subjektiv-öffentliche Recht dementsprechend nur in einem 320 In diesem Sinne zutreffend Peine JZ 1990,201,210 (bezogen auf die Tatbestandswirkung als Spezialfall der Verbindlichkeit); ihm folgend Scherzberg DVB11991, 84, 92.

7 Scheele

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3. Kap.: Eigene Lösung

formalisierten Verfahren wieder entziehen. Ein solches staatliches Verfahren sehen die Verwaltungsverfahrensgesetze mit den Rücknahme- und Widerrufs bestimmungen vor. Sinn der Genehmigung ist es, von staatlicher Seite die Unbedenklichkeit und Erlaubnisfähigkeit des beantragten Vorhabens zu dokumentieren, eines Vorhabens, das strafrechtlich und damit ebenfalls von staatlicher Seite zum Anlaß einer persönlichen Verantwortung des Genehmigungsinhabers gemacht werden soll. Der Staat würde folglich mit "zwei Zungen sprechen" 321, wollte er durch die Verwaltung als Teil der öffentlichen Hand etwas erlauben, was die Strafjustiz, ebenfalls der öffentlichen Hand zugehörend, unter Strafe stellt. Anderenfalls geriete der Staat und die ihn repräsentierenden Organe in den Ruf, willkürlich mit dem Recht und wirksam erteilten Rechtspositionen zu verfahren, eine Vorstellung, die in einem Rechtsstaat als unerträglich empfunden werden muß. Der Grundsatz, was verwaltungsrechtlich erlaubt sei, dürfe strafrechtlich nicht verboten sein, ist daher im Ergebnis zutreffend. Gleichwohl trifft er vor dem geschilderten Hintergrund, daß der Staat nicht mit "zwei Zungen sprechen" darf, nicht den Kern der Sache. Vielmehr gilt: Was der Staat dem Bürger erlaubt hat, kann er nicht bestrafen. Dem Gedanken der Rechtssicherheit, der gerade im Strafrecht ausweislieh Art. 103 Abs. 2 GG überragenden Stellenwert genießt, vermag die materiellrechtliche Lösung kein adäquates Argument entgegenzusetzen. Mag die hier vertretene Lösung im Einzelfall zu Friktionen führen, was die materielle Gerechtigkeit angeht. Sie gewährleistet aber eine gerade im Strafrecht als ultima ratio staatlichen Handeins gebotene Systemgerechtigkeit, in dem sie dem Aspekt der Rechtssicherheit, konkretisiert in dem Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, ausschlaggebende Bedeutung zuweist und ein widersprüchliches Verhalten des Staates ausschließt. Um dies zu gewährleisten, bedarf es der im Verwaltungsrecht anerkannten und rechtsstaatlich gebotenen Verbindlichkeit des Verwaltungsakts auch im Umweltstrafrecht. Abweichungen von der Wertung des § 43 VwVfG können vor dem Hintergrund der fehlenden konstitutiven Feststellung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts nur akzeptiert werden, wenn der Gesetzgeber eine Wertungsdivergenz zwischen Verwaltungs und Strafrecht ausdrücklich zuläßt. Insoweit wäre die erklärte gesetzgeberische Wertung vorrangig. So erscheint eine Befugnis zur Prüfung der Rechtmäßigkeit in Amtshaftungsfällen im Hinblick auf Art. 34 GG, § 839 BGB vertretbar, da eine Amtshaftung die Feststellung der Amtspflichtwidrigkeit voraussetzt, mithin die Zivilgerichte insoweit zu einer Rechtrnäßigkeitsprüfung ermächtigt sein könnten 322. Daher kann im Rahmen des Umweltstrafrechts nur dann eine Bindung des Strafrichters an die fehlerhafte behördliche Genehmigung verneint werden, wenn eine Rechtmäßigkeitsprüfung spezialgesetzlich vorgesehen ist. Treffend Ossenbühl/ Huschens UPR 1991, 161, 166. In diesem Sinne die Begründung von Scherzberg DVBI 1991, 84, 92 für die Befugnis der Zivilgerichte, in Amtshaftungsprozessen die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten zu überprüfen. 321

322

C. Die Übertragbarkeit der Regelung des § 43 VwVfG in das Strafrecht

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3. Ergebniskontrolle: Die Übertragbarkeit des § 43 VwVjG trotz fehlender rückwirkender Aujhebungsmöglichkeit fehlerhafter Verwaltungsakte ? Das Verwaltungsrecht hat sich aus Gründen der Rechtssicherheit dafür entschieden, auch rechtswidrige Verwaltungsakte für gültig zu erklären. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber der Exekutive die Befugnis eingeräumt, rechtswidrige Verwaltungsakte mit Rückwirkung aufzuheben. Diese Befugnis könnte gleichsam als Korrektiv zur Wirksamkeit fehlerhafter Verwaltungsakte verstanden werden: Wenn behördlichen Anordnungen so weitreichende Gültigkeit zugesprochen wird, sollten wenigstens ebenso weitreichende Korrekturmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die den rechtswidrigen Verwaltungsakt ex tunc zu beseitigen vermögen. Da im Strafrecht eine Rückwirkung der Aufhebungsentscheidung an Art. 103 Abs. 2 GG scheitert 323 , könne die Regelung des § 43 VwVfG allein nicht in das Strafrecht übernommen werden 324 • Diese Argumentation steht unter der Prämisse, daß die Gültigkeit rechtswidriger Verwaltungsakte und deren Aufhebung ex tunc (§ 48 VwVfG) in einem untrennbaren Zusammenhang stehen; die positive Regelung des zu weitreichenden Grundsatzes der Wirksamkeit rechtswidriger Verwaltungsakte bedinge geradezu die Möglichkeit rückwirkender Aufhebung. An der Realität geht dieser Ansatz oftmals vorbei, sobald eine rückwirkende Aufhebung faktisch nicht möglich ist, wie etwa im Umweltschutzrecht bei Abwassereinleitungen o. ä. Sofern eine Gewässernutzung im Sinne des § 3 WHG durch Verwaltungsakt gestattet wird, scheidet eine Rückabwicklung im Regelfall von vorneherein aus, was Rademacher zutreffend einräumt. Etwas anderes kann nur gelten, wenn die Nutzung auf eine revisible Umgestaltung des Gewässers abzielt. Möglicherweise ist eine Aufhebung ex tunc nicht nur durch tatsächliche Gegebenheiten ausgeschlossen. § 48 VwVfG regelt eine im Vergleich zum Erlaß des - rechtswidrigen - Verwaltungsaktes eigenständige Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde, die nicht zwangsläufig in der Rücknahme eines Verwaltungsaktes ex tunc besteht. Da umweltrechtliche Genehmigungen § 48 Abs. 3 VwVfG unterfallen, stehen der Verwaltungsbehörde drei Möglichkeiten der Reaktion zur Verfügung: Rücknahme, Rücknahme gegen Entschädigung und Nichtrücknahme. Für welche Reaktion sich die Behörde entscheidet, hängt wesentlich vom Umfang des Vertrauensinteresse des Begünstigten ab. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle wie die Folgen der Rücknahme für den Begünstigten, die Folgen der Nichtrücknahme für die Allgemeinheit, die Schwere der Rechtswidrigkeit oder die seit dem Erlaß des Verwaltungsaktes verstrichene Zeit 325 • D. h., das in § 43 VwVfG festgelegte Prinzip der Wirksamkeit fehlerhafter 323 324 325

7'

s. o. 2. Kapitel B I. So Rademacher S. 79 f. Statt aller Maurer § 11 Rdn. 33 f.

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3. Kap.: Eigene Lösung

Verwaltungsakte ist in seiner Gültigkeit nicht durch Rücknahmeregelungen beschränkt, sondern gilt davon unabhängig. Die Rücknahmevorschriften sollen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und dem Vertrauens interesse des Adressaten Rechnung tragen. Wäre § 48 VwVfG als Korrektiv eines vermeintlich zu weit geratenen Prinzips - der Regelung des § 43 VwVfG - konzipiert, müßte der Gedanke, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung herzustellen, derart eindeutig im Vordergrund stehen, daß rechtswidrige Verwaltungs akte per se aufzuheben sind. Dies ist indes nicht der Fall, da der Erlaßbehörde diesbezüglich Ermessen zukommt. Wenn somit die Ermessensentscheidung der Umweltbehörde in jedem Fall der rückwirkenden Aufhebung der fehlerhaften Genehmigung vorgelagert ist, kann es auf die im Strafrecht unzulässige Rückwirkung als Korrektiv eines zu weit geratenen Grundsatzes nicht entscheidend ankommen, da eine rückwirkende Aufhebung nicht von vorneherein feststeht. Vielmehr liefe es auf eine Negierung der Verbindlichkeit eines Verwaltungsakts hinaus, stellt man die fehlende rückwirkende Aufhebungsmöglichkeit von Verwaltungsakten im Strafrecht derart entscheidend in den Vordergrund. Die Verbindlichkeit von Verwaltungsakten für Gerichte ist ein Gebot der Zuständigkeitsordnung und der Rechtsstaatlichkeit und zwar unabhängig von einer eventuellen rückwirkenden Aufhebung des Verwaltungsakts. Für den Tatzeitpunkt hat der Strafrichter die Existenz einer verwaltungsbehördlichen Befugnis zu beachten. Wenn auf der Grundlage des Rechtsstaatsprinzips die Verbindlichkeit von Verwaltungsakten angezeigt und auf der anderen Seite eine abweichende Beurteilung der Rechtslage im Tatzeitpunkt infolge einer Rückwirkung dem Strafrichter verwehrt ist, ist nicht einsichtig, wie eine Anknüpfung an die materielle Rechtslage gerade wegen der fehlenden Aufhebungsmöglichkeit ex tune dem Rechtsstaatsprinzip entsprechen soll. Die Verfechter der materiellrechtlichen Konzeption wollen zwei Gebote der Rechtsstaatlichkeit gleichsam gegeneinander ausspielen, damit sie sich im Ergebnis gegenseitig aufheben. Dabei wird übersehen, daß die Verbindlichkeit wirksamer Verwaltungsakte und das Rückwirkungsverbot nicht alternative Gebote des Rechtsstaats sind, sondern erst kumulativ eine rechtsstaatliehe Strafrechtsanwendung gewährleisten. Solange das Verwaltungsrecht auch fehlerhaften Verwaltungsakten aus Gründen des Vertrauensschutzes bzw. der Rechtssicherheit Bestandsschutz zubilligt, mithin dem in § 43 VwVfG normierten Prinzip uneingeschränkte Geltung verleiht, darf das Strafrecht nicht dem Prinzip des § 43 VwVfG die Geltung versagen, zumal das Strafrecht selbst im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip und Art. 103 Abs. 2 GG den Gedanken der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verpflichtet ist. Wegen der rechtsstaatlichen Dimension des Rechtssicherheitsprinzips muß der Wirksamkeit fehlerhafter Genehmigungen im Strafrecht trotz fehlender rückwirkender Aufhebungsmöglichkeit Rechnung getragen werden.

D. Die Bindung des Strafrichters an rechtswidrige Genehmigungen

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IV. Zwischenergebnis Die Geltungsgründe des § 43 VwVfG sind in das Strafrecht übertragbar, auch wenn das Strafrecht eine rückwirkende Aufhebung der Genehmigung verbietet. Die in § 43 VwVfG enthaltene Wertung, Rechtssicherheit und Vertrauensschutz den Vorrang gegenüber materieller Gerechtigkeit einzuräumen, ist mit dem Strafrecht ohne weiteres vereinbar, zumal das Strafrecht von Verfassungs wegen den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verpflichtet ist. Die von der Genehmigung als Hoheitsakt ausgehende Bindungwirkung spricht jedoch entscheidend für eine Verwaltungsaktsakzessorietät im Umweltstrafrecht. Die Vorstellung, der Staat könnte mittels eines Hoheitsakts ein Verhalten einerseits rechtswirksam erlauben, andererseits aber mit Kriminalstrafe tJelegen, ist in einem Rechtsstaat untragbar. Die Verbindlichkeit behördlicher Genehmigung gewährleistet widerspruchsfreie Ergebnisse in der Rechtsordnung und stellt insoweit eine Ausprägung des verfassungsrechtlich unterfangenen Prinzips der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung dar.

D. Die Bindung des Strafrichters an rechtswidrige Genehmigungen im Hinblick auf die gesetzgeberische Ausgestaltung der §§ 324 tT. StGB I. Die Behandlung von Wertungsdivergenzen durch den Gesetzgeber Bislang ist festgestellt, daß allein die Bindung des Strafrichters an eine rechtswidrige behördliche Genehmigung deren Einordnung als Hoheitsakt gerecht wird. Gleichwohl ist es dem Gesetzgeber unbenommen, Wertungswidersprüche gesetzlich festzuschreiben. Hieran ist der Rechtsanwender in jedem Fall gebunden. Beispiele für derartige gesetzlich legitimierte Wertungswidersprüche sind bereits benannt. So sind im Steuerecht vergleichbare Aspekte unter dem Gesichtpunkt der Leistungsfähigkeit zu beurteilen; abweichende Ergebnisse sind gesetzlich, etwa durch § 40 AO, vorgezeichnet. Die disziplinarrechtliche Verantwortlichkeit des Beamten gründet auf dem im Vergleich zu den §§ 32, 34 StGB engeren Schußwaffengebrauchsrecht der Polizeigesetze, das den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz umsetzen muß. In beiden Fällen liegt ein einheitlicher Sachverhalt vor, der aus rechtsgebietsimmanenten Gründen in den Teilrechtsordnungen unterschiedlich hinsichtlich der Rechtsfolgen behandelt wird. Dabei resultieren die unterschiedlichen Rechtsfolgen aus den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen, die eine Wertungsdivergenz vor dem Hintergrund einer einheitlichen Rechtsordnung gestatten. Demzufolge darf die Bedeutung des Gesetzeswortlautes in der jeweiligen Teilrechtsordnung nicht außer Acht gelassen werden, gilt es, Wertungen der einen Teilrechtsordnung auf ihre Übertragbarkeit in eine andere zu untersuchen. D. h., die Gesetzesfassung und die dadurch zum Ausdruck gekom-

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3. Kap.: Eigene Lösung

mene Intention des Gesetzgebers entscheidet in der in Rede stehenden Teilrechtsordnung letztendlich darüber, ob bzw. inwieweit Vorgaben anderer Rechtsgebiete Folge zu leisten ist. Dabei legt der Gesetzgeber über die Gesetzesfassung das Ausmaß der eigenständigen Beurteilungskompetenz für die jeweilige Teilrechtsordnung fest. Teilweise wird die Auffassung vertreten, die Rechtmäßigkeitsprüfung eines rechtsverbindlichen Verwaltungsakts müsse nicht notwendig auf einem entsprechenden Rechtssatz gegründet sein 326 • Dieser Ansicht kann nach den bisherigen Ergebnissen nicht gefolgt werden. Da eine solche beschränkte Verbindlichkeit inhaltlich dem Rechtssicherheitsgedanken und der auf widerspruchsfreie Ergebnisse angelegten Zuständigkeitsordnung zuwiderläuft, ist sie zum Ausgleich in formeller Hinsicht in besonderem Maße legitimierungsbedürftig. Dies gilt insbesondere bei Genehmigungen, die ein bestimmtes Verhalten aus hoheitlicher Sicht rechts wirksam erlauben, gleichwohl im Bereich des Strafrechts unbeachtlich sein sollen. In diesen Fällen bedarf es eines Rechtssatzes dahingehend, die Verbindlichkeit einer behördlichen Genehmigung von deren Rechtmäßigkeit abhängig zu machen. Daß der Verwaltungsakt seine eigene Rechtmäßigkeit nicht konstitutiv begründet, steht dem Rechtssatzerfordernis nicht entgegen, da eine andere Beurteilung der Legalisierungswirkung einer Genehmigung im Sinne eines formalisierten Vertrauens tatbestandes mit deren Aufhebung gleichzusetzen ist, die aber den Verwaltungsgerichten obliegt 327 • Der Gesetzgeber könnte den Strafrichter ausdrücklich mit der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Genehmigung beauftragen. Die Verbindlichkeit wäre infolgedessen kraft Gesetzes auf rechtmäßige Verwaltungsakte beschränkt. Daß der Gesetzgeber durchaus Einfluß auf den Umfang der Verbindlichkeit von Verwaltungsakten nimmt, verdeutlicht ein außerstrafrechtliches Beispiel. So hat der Gesetzgeber eine befristete Bindung der Baugenehmigungsbehörde an die tragenden Gründe der Erteilung einer Teilungsgenehmigung etabliert (§ 21 Abs. 1 BauGB). Statt einer Erweiterung steht dem Gesetzgeber selbstverständlich die Möglichkeit offen, auch eine Einschränkung der Verbindlichkeit gesetzlich vorzusehen. In diesem Zusammenhang sei auf die §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB verwiesen, die darauf abstellen, daß die Behörde bei Genehmigungserteilung "im Rahmen ihrer Befugnisse" handelt 328 • 326 So Stelkens / Bonk / Leonhardt-Stelkens I Sachs § 43 Rdn. 108 unter Bezugnahme auf Wolffl BachofI § 20 V c 2 (S. 93); Wolffl Bachofa. a. O. bejahen eine Rechtmäßigkeitsprüfung der Strafgerichte bei einem materiellen Ordnungsinteresse oder entsprechender Tatbestandsfassung, den Zivilgerichten soll aber die Prüfung der Rechtmäßigkeit nur im Falle der gesetzlichen Anordnung gestattet sein. 327 Vgl. Knöpfte BayVBI 1982,225,228; Erichsen § 12 Rdn. 5; im Ergebnis ebenso Redeker Iv. Oertzen § 40 Rdn. 36 bezüglich der fehlenden Befugnis der Zivilgerichte, die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten zu prüfen. 328 Im Hinblick auf die §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB wird die Auffassung vertreten, im Rahmen der Umweltdelikte könne für die Verbindlichkeit von Genehmigungen nichts anderes gelten, vgl. Rademacher S. 81 f. Hierauf wird zurückzukommen sein.

D. Die Bindung des Strafrichters an rechtswidrige Genehmigungen

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Es ist daher abschließend zu prüfen, ob die Umweltdelikte nur die Verbindlichkeit rechtmäßiger Genehmigungen anerkennen und dem Strafrichter insoweit eine Prüfungskompetenz eingeräumt ist. Als "lex posterior" oder "lex specialis" gebührt dem jeweiligen Umweltstraftatbestand der Vorrang gegenüber der die Wirksamkeit rechtswidriger Verwaltungsakte anordnenden Vorschrift des § 43 VwVfG. Der Rückgriff auf den Gedanken eines "lex specialis" stellt sicher, daß Wertungswidersprüche, die nach der hier vertretenen Auffassung dem Rechtsstaats- und Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufen, bei der Rechtsanwendung in einer für den Bürger nachvollziehbaren Weise nicht auftreten können. Da aber die Rechtmäßigkeitskontrolle eines Verwaltungsakts im Verhältnis von Verwaltung und Strafrichter die Ausnahme beschreibt, ist im Zweifel, wenn die Auslegung der Umweltstraftatbestände zu keinem eindeutigen Ergebnis führen sollte, von der Bindung des Strafrichters an die Existenz des Verwaltungsakts auszugehen. 11. Gesetzgeberische Wertungen für die Behandlung wirksamer Genehmigungen im geltenden Umweltstrafrecht

1. Die Relevanz der behördlichen Genehmigung auf Tatbestandsebene Im Rahmen der §§ 324 ff. StGB kommt der behördlichen Genehmigung tatbestands- oder unrechtsausschließende Wirkung zu. Die dogmatische Einordnung der Genehmigung in den Deliktsaufbau hängt von der gesetzlichen Ausgestaltung des konkreten Umweltstraftatbestandes ab. Die Merkmale "ohne die erforderliche Genehmigung" bzw. "unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten" (vgl. §§ 311 d, 325, 327, 328 Abs. 1,330 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB auf der Grundlage des 1. UKG von 1980) bezeichnen den gesetzlichen Tatbestand, so daß eine rechtmäßige behördliche Genehmigung zum Tatbestandsausschluß führt. Soweit der Umweltstraftatbestand das Tatbestandsmerkmal "ohne die erforderliche Genehmigung" enthält, ist nicht erkennbar, daß der Gesetzgeber von der Verbindlichkeit des Verwaltungsakts für die Strafjustiz abweichen wollte. Eine Rechtmäßigkeitsprüfung soll ausweislich des gesetzlichen Tatbestandes nicht gestattet sein. Mangels ausdrücklicher abweichender gesetzlicher Regelung ist demnach die Existenz der erteilten staatlichen Erlaubnis dahingehend bindend, daß dem vermeintlichen Umweltdelinquenten ein subjektiv-öffentliches Recht zur Umweltnutzung rechtswirksam (§ 43 VwVfG) eingeräumt ist. Diese Rechtsposition soll nicht auf materiell rechtmäßig erlangte Genehmigungen beschränkt sein, d. h. die Verbindlichkeit des wirksamen Verwaltungsakts, die aus dem Kompetenzgefüge und dem Rechtssicherheitsgedariken resultiert, in dem Umfang gelten, wie sie das Verwaltungsverfahrensrecht kennt. Zu demselben Ergebnis gelangt, wer statt auf die Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten auf das verfassungsrechtliche Gebot der Bestimmtheit von

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3. Kap.: Eigene Lösung

Strafrechtsnonnen (Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB) abstellt. Der Wortlaut "ohne die erforderliche Genehmigung" schließt eine Gleichstellung von fehlerhafter und fehlender Genehmigung aus, sofern die Genehmigung nicht nichtig, sondern lediglich rechtswidrig und damit nach Maßgabe des § 43 VwVfG wirksam ist. Die Existenz einer hoheitlichen Erlaubnis allein soll nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut bereits ausreichen, den gesetzlichen Tatbestand auszuschließen. Daher ist der Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG verletzt, wenn man das Merkmal der ,,Erforderlichkeit" in "Rechtswidrigkeit" uminterpretiert 329 und damit bereits bei Vorliegen einer rechtswidrigen Genehmigung Kriminalstrafe ausspricht 33o •

2. Die durch das Merkmal "unbefugt" vermittelte Relevanz der behördlichen Genehmigung auf Rechtfertigungsebene Die Umweltdelikte messen der behördlichen Genehmigung freilich nicht allein tatbestandsausschließende Bedeutung bei. Die Strafrechtswissenschaft hat sich weitaus intensiver mit der Fragestellung beschäftigt, ob und inwieweit die fehlerhafte behördliche Genehmigung als Rechtfertigungsgrund zu behandeln ist. Anknüpfungspunkt ist das Merkmal "unbefugt" in den §§ 324, 326 StGB, das mit der ganz h. M. als allgemeines Deliktsmerkmal die Rechtswidrigkeit kennzeichnet 33l • Die Diskussion wird noch an Bedeutung gewinnen, sollte das 2. UKG, wie von der SPD-Fraktion vorgeschlagen, im Sinne einer verstärkt verwaltungsrechtsakzessorischen Ausgestaltung des Umweltstrafrechts die Fonnulierung "unbefugt" als einheitliches Merkmal zur Kennzeichnung der Verwaltungsakzessorietät im Rahmen der §§ 324 ff. StGB einführen 332. Auf der Grundlage der zuvor erzielten Ergebnisse wird zu untersuchen sein, ob der Wortlaut "unbefugt" eine Rechtmäßigkeitsprüfung seitens der Strafjustiz zuläßt; die Verbindlichkeit der behördlichen Genehmigung als Hoheitsakt kann nur durch einen entsprechenden Rechtssatz im Sinne einer Prüfungsbefugnis des Strafrichters durchbrochen werden. Zu diesem Zweck ist eine Analyse des Merkmals "unbefugt" Voraussetzung, die Aufschluß über die gesetzgeberischen Wertungen geben soll, wie fehlerhafte Genehmigungen strafrechtlich zu erfassen sind 333. Ebenso die Vertreter der differenzierenden Ansicht, vgl. die Nachweise in FN 164. Hieran wird sich im Ergebnis selbst auf der Grundlage des SPD-Entwurfs eines 2. UKG nichts entscheidend ändern, der überwiegend das Merkmal "unbefugt" verwendet; in einigen Strafvorschriften (vgl. §§ 327 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3, 328 Abs. 1 StGB) soll es bei der Wendung "ohne die erforderliche Genehmigung / Zulassung" verbleiben, vgl. BT-Dr 12/376, S. 4 f. Zu der von § 325 Abs. 4 StGB abweichenden Legaldefinition des Tatbestandsmerkmals "unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten" im Sinne von § 330d Nr. 4 StGB des Regierungsentwurfs eines 2. UKG soll im Zusammenhang mit der rechtsmißbräuchlich erlangten Genehmigung umfassend eingegangen werden, s. u. 4. Kapitel B H. 33l Vgl. die Nachweise in FN 97. 332 Vgl. den SPD-Entwurf BT-Dr 12/376, S. 12. 329

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D. Die Bindung des Strafrichters an rechtswidrige Genehmigungen

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a) Grammatische Auslegung des Merkmals "unbefugt" Die Auslegung eines Gesetzes hat zunächst vom natürlichen Wortsinn auszugehen. Ein "unbefugtes" Verhalten läßt sich ohne weiteres als nicht erlaubtes Handeln begreifen. Von einer "Befugnis" ist im verwaltungsrechtlichen Sinne auf der Grundlage der §§ 43 ff. VwVfG bereits die Rede, wenn die Genehmigung rechtswirksam erteilt worden ist. Von daher steht der Wortlaut nicht einer Auslegung entgegen, die die verwaltungsverfahrensrechtliche Diktion in das Umweltstrafrecht überträgt, wenn durch das Merkmal "unbefugt" ohnehin auf das Umweltverwaltungsrecht und den daraus abzuleitenden Erlaubnisakten Bezug genommen werden soll; in diesem Sinne ist "unbefugt" als "ohne Erlaubnis" zu verstehen. Auf der anderen Seite darf nicht vernachlässigt werden, daß das Merkmal "unbefugt" in einer Reihe von Straftatbeständen als allgemeines Rechtswidrigkeitsmerkmal verwendet wird, bei denen ein Bezug zum Verwaltungsrecht nicht hergestellt werden kann. So findet sich das Merkmal "unbefugt" beispielweise in den §§ 201 ff. StGB, ohne daß in diesen Fällen mit einer einschlägigen verwaltungsrechtlichen Diktion argumentiert werden könnte, sondern nur - verallgemeinernd - mit dem Vorliegen die Rechtswidrigkeit des Verhaltens ausschließender Umstände. Daraus aber die Irrelevanz formeller Genehmigungen abzuleiten, liefe darauf hinaus, das Charakteristikum des Verwaltungsverfahrensrechts, nur nach wirksamen und unwirksamen Hoheitsentscheidungen zu differenzieren, ohne konkrete Anhaltspunkte im Gesetzeswortlaut zu mißachten, zumal das Merkmal "unbefugt" eine Anpassung an die verwaltungsverfahrensrechtlichen Kategorien zumindest hinsichtlich des Wortstamms "Befugnis" indiziert. Zusammenfassend liegt eine Orientierung an den verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorgaben nahe. In welchen Fällen der Strafrichter von einem Handeln ohne Erlaubnis auszugehen hat, läßt sich allein aus der Perspektive des Strafrechts ohne Rückgriff auf die verwaltungsrechtliche Diktion aus dem Wortlaut nicht zweifelsfrei bzw. eindeutig herleiten, da sowohl auf die materielle Rechtslage als auch auf die Existenz einer formellen Erlaubnis abgestellt werden könnte 334. Nach der hier vertretenen Auffassung müßte sich aus der Strafvorschrift bei Vorliegen einer formellen Genehmigung allerdings eine Prüfungskompetenz des Strafrichters ergeben. Dies ist indes nicht der Fall, da der Wortlaut der §§ 324, 326 StGB eher ein Abstellen auf die verwaltungsrechtlichen Vorgaben rechtfer333 Soweit ersichtlich hat bislang lediglich Ensenbach (S. 146 ff.) das Merkmal "unbefugt" auf seine inhaltliche Bedeutung hin für die Behandlung fehlerhafter Genehmigungen untersucht. Der Ansatz Ensenbachs weicht allerdings insoweit ab, als nach der hier vertretenen Ansicht sich aus der Gesetzesfassung eine Befugnis zur RechtrnäßigkeitspTÜfung herleiten lassen muß; vgl. auch Gentzcke S. 162 f., der das Merkmal "unbefugt" inhaltlich im Hinblick auf informelle Verwaltungsentscheidungen untersucht. 334 a. A. Ensenbach S. 146 f., der die Wertung des § 43 VwVfGmangels abweichender Regelung in Bezug genommen sieht.

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3. Kap.: Eigene Lösung

tigt, wenn auch nicht ausdrücklich bestimmt, keinesfalls aber eine Rechtmäßigkeitsprüfung der Genehmigung vom Wortlaut her vorsieht. Dieses Ergebnis wird anhand weiterer Auslegungsmethoden zu verifizieren sein. b) Systematische Auslegung Bei der systematischen Auslegungsmethode steht der Bedeutungszusammenhang eines bestimmten gesetzlichen Regelungsbereichs im Mittelpunkt der Analyse. Daher soll im folgenden das Verhältnis der Umweltstrafvorschriften zueinander beleuchtet werden, wobei besonderes Augenmerk auf das jeweilige Verhältnis der Strafvorschrift zum Umweltverwaltungsrecht zu richten ist. Die Umweltstraftatbestände zeichnen sich durch eine unterschiedliche Art und Weise der Anknüpfung an das Umweltverwaltungsrecht aus. Die engste Anlehnung an das Verwaltungsrecht weisen die Tatbestände auf, die die strafbewehrte Tat nach verwaltungsrechtlichen Kriterien bestimmen, vermittelt durch das Merkmal "unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten". Eine derart enge Verzahnung zwischen verwaltungs- und strafrechtlichen Kategorien läßt sich den §§ 324, 326 StGB im Hinblick auf das Merkmal "unbefugt" nicht entnehmen, da das Merkmal "unbefugt" nicht den gesetzlichen Tatbestand umschreibt, sondern erst im Rahmen der Rechtfertigung des Täters Bedeutung gewinnt. Diese Feststellung bedeutet allerdings noch nicht, daß aus gesetzessystematischer Sicht das Merkmal "unbefugt" eine auf rechtmäßige Genehmigungen beschränkte Verwaltungsakzessorietät gebietet. Gleichwohl könnte man argumentieren, die Anknüpfung des Strafrechts an das Verwaltungsrecht könne in unterschiedlicher Intensität erfolgen, was in der Gesetzgebungstechnik der Umweltstraftatbestände zum Ausdruck komme. Vergleicht man zur Verifizierung dieser These die Elemente der Umweltstraftatbestände, die den Bezug zum Verwaltungsrecht herstellen, so fällt in der Tat hinsichtlich der Gesetzgebungstechnik ein Umstand auf: Wenn der Gesetzgeber ausdrücklich an das Vorliegen eines Verwaltungsakts anknüpft, geschieht dies nur auf Tatbestandsebene, während das Merkmal "unbefugt" generalklauselartig auf Rechtfertigungsgründe und Genehmigungen verweist. So verlangt § 325 StGB der Legaldefinition des § 325 Abs. 4 StGB entsprechend ein Handeln unter Verletzung einer vollziehbaren Anordnung oder Auflage, ein Handeln ohne die erforderliche Genehmigung oder entgegen einer erlassenen vollziehbaren Untersagung. Ähnliches gilt für die §§ 327, 328 StGB ("ohne die erforderliche Genehmigung oder entgegen einer vollziehbaren Untersagung"). Dabei setzen die genannten Umweltstraftatbestände Vollziehbarkeit der belastenden Verwaltungs akte (wie Auflagen, Anordnungen und Untersagungen) im Gegensatz zu den begünstigenden Verwaltungs akten voraus.

Ensenbach untersucht in diesem Zusammenhang, inwieweit die Art und Weise der Anknüpfung an belastende und begünstigende Verwaltungs akte unter dem Aspekt der Vollziehbarkeit differenzierend beurteilt werden kann. Dabei mißt

D. Die Bindung des Strafrichters an rechtswidrige Genehmigungen

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Ensenbach im Ergebnis dem Erfordernis der Vollziehbarkeit keine maßgebliche Bedeutung für die Verwaltungsakzessorietät bei, da es bei Genehmigungen wegen deren Regelungsgehalt, ein subjektives Recht des Adressaten zu begründen, einer Vollziehbarkeit nicht bedürfe. Daher bestünden keine gesetzessystematischen Anhaltspunkte, begünstigende Verwaltungsakte im Rahmen der §§ 324 ff. StGB anders zu behandeln als belastende, die, Vollziehbarkeit vorausgesetzt, unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit aufgrund der Tatbestandswirkung strafrechtlich relevant seien 335. Dieser Argumentation kann ohne weiteres gefolgt werden, solange fehlerhafte Genehmigungen in Rede stehen, auf deren Vorliegen der gesetzliche Tatbestand maßgeblich abstellt. Diesbezüglich ergibt eine gesetzessystematische Auslegung der §§ 324 ff. StGB das Gebot an den Rechtsanwender, belastende und begünstigende Verwaltungsakte auf der Grundlage ihrer Tatbestandswirkung in gleicher Weise zu behandeln, zumal der Gesetzgeber mit der Vollziehbarkeit belastender Verwaltungs akte als Tatbestandsvoraussetzung lediglich die Regelung des Suspensiveffekts in § 80 VwGO umsetzt. Ensenbach berücksichtigt hingegen nicht, daß es sich bei den wasser- bzw. abfallrechtlichen Genehmigungen um rechtfertigende, nicht aber tatbestandsausschließende Genehmigungen handelt. Es bleibt unbeantwortet, warum der Gesetzgeber im Bereich der §§ 324, 326 StGB im Gegensatz zu den übrigen Umweltstrafvorschriften nicht bereits auf Tatbestandsebene ausdrücklich auf das Vorliegen behördlicher Entscheidungen Bezug nimmt und ob nicht daraus Folgerungen für die Verwaltungsakzessorietät auf Rechtfertigungsebene gezogen werden müssen, wie sie durch das Merkmal "unbefugt" in den §§ 324,326 StGB vermittelt wird. Eine eingeschränkte Verwaltungsakzessorietät auf Rechtfertigungsebene in dem Sinne, nur rechtmäßigen Erlaubnissen rechtfertigende Wirkung zuzusprechen, ist daher nicht ausgeschlossen; sie setzt freilich im Rahmen der Umweltstraftatbestände eine die Vorgabewirkung verwaltungsrechtlicher Entscheidungen reduzierende Funktion des Merkmals "unbefugt" voraus. Demzufolge müßte mit der Gesetzessystematik ein Stufenverhältnis zwischen Tatbestands- und Rechtfertigungsebene einhergehen, das es erlaubt, eine beschränkte Verwaltungsakzessorietät aufUnrechtsebene anzusiedeln. Insoweit ließe sich der strafrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) ins Feld führen, der eine strikte Verwaltungsakzessorietät nur auf Tatbestandsebene erfordern könnte. Es ist aber durchaus zweifelhaft, ob eine differenzierende Einordnung eines Merkmals in den Deliktsaufbau eine Ungleichbehandlung in der Sache bedingt. Das Merkmal "unbefugt" weist den Rechtsanwender auf eventuell vorhandene Rechtfertigungsgründe hin, die gerade in Form von behördlichen Genehmigungen vorliegen können. Diesbezüglich nimmt das Merkmal "unbefugt" dieselbe Funktion wahr wie die zuvor genannten Formulierungen des 28. Abschnitts des Strafgesetzbuchs, die die Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts begründen. 335

Ensenbach 151 f.

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3. Kap.: Eigene Lösung

In welcher Weise und auf welcher Ebene die verfassungsrechtlich notwendige Anknüpfung des Strafrechts an das Verwaltungsrecht erfolgt, entscheidet letztlich die Bestimmung des zu schützenden Rechtsguts durch den Gesetzgeber. Wählt der Gesetzgeber einen betont ökologisch ausgerichteten Rechtgutsschutz, sei es als Umsetzung eines verwaltungsrechtlichen repressiven Verbots mit Befreiungsvorbehalts 336, sei es unter freier Abwägung eines ökologischen mit einem an der Nützlichkeit der Tätigkeit orientierten Rechtsgüterschutzes 337, kann eine Anknüpfung gesetzestechnisch auf Unrechtsebene erfolgen. Für die Relevanz von Rechtfertigungsgründen bzw. deren Anerkennung ist mit Blick auf die Gesetzessystematik nichts gewonnen. Sie kann differieren, sie ist aber - gemessen an einem besonderen Wortlaut - nicht zwingende Konsequenz. Zu Recht stellt daher Larenz klar, die an der Systematik der Gesetze orientierte Auslegung dürfe nicht überbewertet werden, da sich der Gesetzgeber mitunter nicht an die Systematik hält, ohne damit zugleich abweichende Regelungsgehalte anzeigen zu wollen 338 • Festzuhalten ist vielmehr, daß der Bedeutungszusammenhang einer Auslegung des Merkmals "unbefugt" im Sinne der übrigen Merkmale, die der Gesetzgeber zur Etablierung der Verwaltungsakzessorietät verwendet, nicht entgegensteht. Dies gilt jedenfalls solange, wie nicht gesichert ist, ob der abweichende Wortlaut der §§ 324, 326 StGB auf Absicht oder Zufall im Rahmen der dem Gesetzgeber zur Verfügung stehenden Gestaltungsmöglichkeiten basiert. Im übrigen spielt es für das strafbewehrte Unrecht im Ergebnis, von den Irrtumsregelungen abgesehen, keine Rolle, ob eine behördliche Genehmigung den gesetzlichen Tatbestand oder den Vorwurf der Rechtswidrigkeit zu beseitigen vermag; in beiden Fällen ist eine Bestrafung wegen desselben Sachverhalts ausgeschlossen. Damit wird nicht einem zweistufigen Deliktsaufbau das Wort geredet 339, sondern auf die prinzipielle Möglichkeit des Gesetzgebers hingewiesen, gesetzestechnisch eine andere als die gegenwärtige Lösung im Rahmen der §§ 324,326 StGB festzulegen. Da die Verwaltungsakzessorietät aus verfassungsrechtlichen Gründen ohnehin hergestellt werden muß, steht es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, ob die Verbindungselemente zum Verwaltungsrecht als un336 Winkelbauer (S. 20 ff.) geht davon aus, ein präventives umweltrechtliches Verbot mit Erlaubnisvorbehalt erfordere im Umweltstrafrecht Verwaltungsakzessorietät auf Tatbestandsebene, ein repressives normatives Verbot mit Befreiungsvorbehalt Verwaltungsakzessorietät auf Rechtfertigungsebene. 337 So der SPD-Entwurf eines 2. UKG, der sich gegen eine Differenzierung nach repressivem und präventivem Verbot und stattdessen für eine durchgängige Berücksichtigung des Verwaltungsrechts auf der Rechtfertigungsebene ausspricht, allerdings auch ein Abstellen auf die Gesamtschau der Nützlichkeit der Tätigkeit für zulässig erklärt, vgl. BT-Dr. 12/376, S. 12. 338 Vgl. Larenz S. 344. 339 So aber SK-Samson Vor § 32 Rdn. 9 ff. m. w. N.; Otto, Jura 1991,308,313, der daraus trotz des Gesetzlichkeitsprinzips des Art. 103 Abs. 2 GG eine durchgängige Anknüpfung des Umweltstrafrechts an das materielle Umweltrecht ableitet; a. A. die h. M. (dreistufiger Deliktsaufbau), vgl. Sch / Sch-Lenckner Vor § 13 Rdn. 18 m. w. N.; LK-Hirsch Vor § 32 Rdn. 5 ff.; Dreher I Tröndle Vor § 13 Rdn. 27; Welzel § 10 (S. 48).

D. Die Bindung des Strafrichters an rechtswidrige Genehmigungen

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rechtsbegründende oder als unrechtsausschließende Merkmale formuliert werden. Der Argumentation Winkelbauers, repressive verwaltungsrechtliche Verbote seien im Strafrecht zwingend unrechtsbegründend, d. h. im gesetzlichen Tatbestand zu berücksichtigen, kann nicht gefolgt werden, da die Differenzierung nach repressivem und präventivem Verbot im Hinblick auf die Grundrechte des einzelnen bzw. das Übermaßverbot, das Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung und insbesondere Art. 3 GG nicht durchgehalten werden kann; diese Bindung der Verwaltung hat zur Folge, daß eine Erlaubniserteilung trotz repressiven Verbots apriori nicht verweigert werden darf 340• Hinzu kommt, daß der Gesetzgeber zu einer Tatbestandslösung gehalten sein kann, weil ansonsten mangels hinreichend konkreter Verhaltens vorschriften im Umweltrecht der gesetzliche Tatbestand den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG nicht genügt 341. Folglich ist auch eine Lozierung des Verwaltungsmerkmals auf Tatbestands oder Rechtfertigungsebene nicht von vorneherein der gesetzgeberischen Gestaltungsbefugnis entzogen. Wenn aber die konkrete Ausgestaltung der Umweltstrafvorschriften im Sinne einer Tatbestands- oder einer Rechtfertigungslösung auswechselbar und nicht vorgegeben ist, besteht aus gesetzessystematischer Sicht keine Veranlassung, von einer im Ausgangspunkt unterschiedlichen sachlichen Bedeutung der Verwaltungsmerkmale auszugehen. Von daher spricht der Bedeutungszusammenhang trotz der abweichenden Ausgestaltung der §§ 324, 326 StGB nicht entscheidend dafür, der Strafjustiz auf der Grundlage des Merkmals "unbefugt" eine Kontrollkompetenz gegenüber hoheitlichen Gestattungsakten zu eröffnen. Dies gilt insbesondere für die hier vertretene Ansicht, daß sich aus der jeweiligen Gesetzesfassung eine Prüfungsbefugnis der Strafjustiz hinsichtlich der Rechtmäßigkeit behördlicher Genehmigungen ergeben muß, um eine Abweichung von der rechts staatlich unterfangenen Verbindlichkeit von Verwaltungsakten rechtfertigen zu können; eine derartige Befugnis läßt sich der im Rahmen der §§ 324, 326 StGB vorgesehenen Verwaltungsakzessorietät auf Rechtfertigungsebene nicht entnehmen. Eine abschließende Klärung dieser Frage bleibt jedoch einer historischen und teleologischen Auslegung des Merkmals "unbefugt" vorbehalten. c) Historische Auslegung Auf der Grundlage der klassischen Auslegungsmethoden bedarf das Merkmal "unbefugt" zusätzlich einer Interpretation, die maßgeblich an die Gesetzgebungsgeschichte des § 324 StGB anknüpft. Zu diesem Zweck sei auf die amtliche Begründung des 1. UKG von 1980 verwiesen, wonach von einer "befugten" Gewässernutzung auszugehen ist, wenn das Handeln ". . . durch einen der im 340 Vgl. Gieseke / Wiedemann / Czychowski § 6 Rdn. 9; aus diesem Grunde sieht sich die SPD-Fraktion nicht gehindert, die Verwaltungsakzessorietät im Rahmen der §§ 324 ff. StGB in der Fassung eines 2. UKG stets auf Rechtfertigungsebene herzustellen, vgl. BT-Dr 12/376, S. 12. 341 s. o. 1. Kapitel B.

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Wasserhaushaltsgesetz oder in den Landeswassergesetzen oder auch anderen Gesetzen bezeichneten Fälle der rechtmäßigen Benutzung eines Gewässers (wie Erlaubnis, Bewilligung, alte Rechts und Befugnisse, Gemeingebrauch)" gedeckt ist 342 • Das Merkmal "unbefugt" stellt damit nach der Intention des Gesetzgebers die Abhängigkeit von Verwaltungs- und Strafrecht auf Rechtfertigungsebene her. Die Erlaubnis gilt als einer der gesetzlich bezeichneten Fälle der rechtmäßigen Benutzung eines Gewässers. Nach den einschlägigen verwaltungsrechtlichen Bestimmungen entfaltet die wasserrechtliche Erlaubnis bereits mit ihrer Wirksamkeit rechtfertigende Wirkung, so daß unter Einbeziehung des Verwaltungsverfahrensgesetzes insoweit bereits ein Fall der rechtmäßigen Benutzung gesetzlich bezeichnet ist. Daß der Gesetzgeber auf eine Rechtmäßigkeitsprüfung abstellen wollte, kann jedenfalls der Begründung des 1. UKG diesbezüglich nicht entnommen werden. Gleichwohl wird im Schrifttum unter Berufung auf den Wortlaut die Auffassung vertreten, der Gesetzgeber gehe in den §§ 324 ff. StGB, insbesondere im Rahmen der Gewässerverunreinigung von einer Prüfungs befugnis aus. Der Gesetzgeber selbst halte eine Differenzierung nach wirksamer und materiell rechtmäßiger Genehmigung und damit eine Rechtmäßigkeitsprüfung für selbstverständlich, wie den §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB zu entnehmen sei 343. In den genannten Fällen seien Wirksamkeit der Genehmigung und Ausschluß der Rechtswidrigkeit nicht gleichgesetzt; gleiches habe im Bereich der Umweltstraftatbestände zu gelten 344 • Demzufolge müßte die Beurteilungskompetenz der Verwaltung als beschränkt angesehen werden. Der Argumentation aus den §§ 331, 333 StGB ist zuzugeben, daß die h. M. in bezug auf die Delikte der Vorteils annahme nur der rechtmäßigen Genehmigung unrechtsausschließende Wirkung zubilligt, die fehlerhafte, gleichwohl wirksame Genehmigung hingegen für unbeachtlich erklärt 345 • Begründet wird dieses Ergebnis mit dem Wortlaut der §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB, die ein Handeln der die Genehmigung erteilenden Behörde "im Rahmen ihrer Befugnisse" verlangen. Auf diese Weise hat der Gesetzgeber klargestellt, daß im Rahmen der Bestechungsdelikte eine Genehmigung rechtfertigt, die unter Achtung des öffentlichen Dienstrechts von der sachlich und örtlich zuständigen Behörde erteilt worden ist 346. BT-Dr 8 I 2382, S. 14. In den §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB wird die Tat für nicht strafbar erklärt, sofern" ... die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme 342

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(des Vorteils) vorher genehmigt hat ... " oder sie nach unverzüglicher Anzeige genehmigt. . 344 Vgl. Rademacher S. 81 f. 345 LK-Jescheck § 331 Rdn. 18; SK-Rudolphi § 331 Rdn. 46; Dreher/ Tröndle § 331 Rdn. 19; Lackner § 331 Rdn. 17; Maiwald JuS 1977,353,356; aA Schi Seh-eramer § 331 Rdn. 53, der auf die Bestandskraft der Genehmigung abstellt. 346 So auch SK-Rudolphi § 331 Rdn. 46.

D. Die Bindung des Strafrichters an rechtswidrige Genehmigungen

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Fraglich erscheint aber, ob diese Regelung den Verfechtern der materiellrechtlichen Lösung als Argumentationsstütze zu dienen vennag. Dazu müßte sie verallgemeinerungsfahig sein und die behauptete gesetzgeberische Wertung, die Rechtfertigungswirkung einer Genehmigung von deren Rechtrnäßigkeit abhängig zu machen, in die Fonnulierung der §§ 324, 326 StGB Eingang gefunden haben. Aus der Regelung der §§ 331, 333 StGB ergibt sich zunächst nur, daß in diesem Regelungszusammenhang ein von den Grundsätzen der Beachtlichkeit von Verwaltungsakten abweichender Maßstab angelegt werden soll, um die rechtfertigende Wirkung der behördlichen Genehmigung zu beurteilen. Im Rahmen der Vorteilsannahme und der Vorteilsgewährung wird in einer auf die zuständige Behörde bezogenen Fonnulierung auf die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Genehmigung, nicht aber auf deren bloße Existenz abgestellt. In diesem Zusammenhang sei auch auf § 113 Abs. 3 StGB hingewiesen, wonach Strafbarkeit nur bei Widerstand gegen eine rechtmäßige Diensthandlung anzunehmen ist. In vergleichbarer Weise konkretisiert § 113 OWiG die Anforderungen an Verwaltungshandeln, das Anknüpfungspunkt vorwerfbaren Verhaltens ist; danach muß ein Träger von Hoheitsbefugnissen die Menge dreimal "rechtmäßig" aufgefordert haben, auseinanderzugehen (§ 113 Abs. 1 OWiG). Damit ist freilich für die Fragestellung nichts gewonnen, ob der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der §§ 324, 326 StGB die anderweitigen Wertungen, wie sie den §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB zu entnehmen sind, in das Umweltstrafrecht mittels des Merkmals "unbefugt" übertragen wollte. Der Gesetzgeber sieht die Ausgestaltung des § 324 StGB ausweislich der Gesetzesmaterialien in der Tradition des § 38 WHG in der Fassung vom 1.10.1976 347 • Hinsichtlich des Vorgängers des § 324 StGB entsprach es aber der h. M., daß fehlerhafte, jedoch nicht nichtige wasserrechtliche Erlaubnisse und Bewilligungen die Strafbarkeit nach § 38 WHG (a. F.) auszuschließen vennochten 348 • Hätte der Gesetzgeber von der ihm bekannten, herrschenden Interpretation des Merkmals "unbefugt" abweichen und eine Rechtmäßigkeitsprüfung etablieren wollen, so hätte er ohne weiteres auf die Fonnulierung "im Rahmen ihrer Befugnisse" oder ein vergleichbares Merkmal zurückgreifen können. In Kenntnis dieser behördenbezogenen Fonnulierung zieht es der Gesetzgeber stattdessen vor, in Anlehnung an § 38 WHG (a. F.) tatbezogen auf ein "unbefugtes" Verhalten abzustellen. Auf eine speziell auf die materiellrechtliche Zulässigkeit der Umweltnutzung abstellende Fonnulierung wird verzichtet. Daß der Gesetzgeber eine der §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB entsprechende Regelung schaffen wollte, läßt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Bezugspunkte der Regelung, die Behörde einerseits und die Tat im Sinne der §§ 324, 326 StGB andererseits, kann von einer, auch nur entfernten Orientierung des Gesetzgebers an den genannten Amtsdelikten keine Rede sein. 347 348

BT-Dr 8/2382, S. 13. Vgl. Gieseke / Wiedemann / Czychowski. 3. Aufl. 1979, § 38 WHG Rdn. 10.

112

3. Kap.: Eigene Lösung

Die historische Auslegungsmethode bestätigt das zuvor gewonnene Ergebnis, wonach das Merkmal "unbefugt" keine - ausdrückliche - Ermächtigung an den Strafrichter enthalten sollte, die Rechtfertigungswirkung einer behördlichen Genehmigung nach deren Rechtmäßigkeit zu beurteilen. Insbesondere verfängt aus historischer Sicht nicht der Hinweis auf die zum Zeitpunkt der Gestaltung der Umweltdelikte bereits im Strafgesetzbuch enthaltene Regelung der §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB. d) Objektiv-teleologische Auslegung Möglicherweise folgt aus der teleologischen Auslegung des Merkmals "unbefugt" eine Befugnis der Strafjustiz, statt auf den formalen Gestattungsakt auf die materielle Rechtslage zur Beurteilung der Strafbarkeit des Genehmigungsinhabers abzustellen. Von besonderer Bedeutung ist insoweit, in welchem Maße von strafrechtlich schützenswerten Umweltgütern im Rahmen der §§ 324, 326 StGB auszugehen ist. Die Untersuchung soll sich daher im folgenden an dem vermeintlich extrem ökologisch ausgerichteten Straftatbestand der Gewässerverunreinigung orientieren. Das von § 324 StGB geschützte Rechtsgut wird bekanntlich nicht einheitlich beurteilt. Die im wesentlichen von Papier vertretene sog. wasserwirtschaftliche oder materiell administrative Auffassung sieht das Gewässer in seiner durch die Wasserbehörden bewirtschafteten Gestalt als geschützt an 349. Den Tatbestand des § 324 StGB verwirklicht demnach nur, wer die verwaltungsrechtlichen Zweckbestimmungen durch die Abwassereinleitung beeinträchtigt. Eine andere Sichtweise setzt sich nach Auffassung Papiers in Widerspruch zu den Wassergesetzen, die die wirtschaftliche Nutzung der Gewässer zum Wohle der Allgemeinheit, nicht aber deren strikte Reinhaltung zum Ziele hätten. Anderenfalls würden sozialadäquate Gewässernutzungen mit dem Verdikt der Tatbestandsmäßigkeit belegt. Die im Wasserrecht angelegten Zielkonflikte seien im Sinne des Gesetzgebers durch exekutivische Ermessensentscheidungen aufzulösen, die neben Bewirtschaftungsplänen nach § 36 b WHG auch in der Erteilung von Erlaubnissen, Bewillungen und Verboten bestünden 350 • Konsequenterweise beurteilt Papier die Legalisierungswirkung von Verwaltungsakten nach deren Wirksamkeit im Sinne des § 43 VwVfG, ohne allerdings ausdrücklich auf das Schutzgut des § 324 StGB Bezug zu nehmen 351 •

349 Papier, Gewässerverunreinigungen S. 10,28; ders. NuR 1986, 1,2; ebenso Sehendei, Probleme des Umweltstrafrechts S. 247; vgl. auch Wernieke NJW 1977, 1662, 1666

zu dem Vorläufer des § 324 StGB, wonach eine konkrete oder behördlich angestrebte Gewässernutzung das geschützte Rechtsgut des § 38 WHG darstelle. 350 Papier NuR 1986, 1,2. 351 Papier NuR 1986, 1,3 f.

D. Die Bindung des Strafrichters an rechtswidrige Genehmigungen

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Weitergehend postuliert Rickel in neuerer Zeit einen sog. formell administrativen Rechtsgutsbegriff352 . Rickel sieht - unter ausdrücklicher Ablehnung der Konzeption Papiers - das in § 324 StGB geschützte Rechtsgut in dem staatlichen Bewirtschaftungs- und Zuteilungsmonopol selbst 353, so daß eine konkrete Beeinträchtigung des behördlichen Bewirtschaftungskonzepts, etwa eines Bewirtschaftungsplans gemäß § 36 b WHG, nicht notwendig sei. Eine der wichtigsten praktischen Konsequenzen dieser Auffassung liegt in der Neubestimmung des Verhältnisses von Umweltbehörden und Strafverfolgungsorganen. Wenn das Zuteilungsmonopol der Behörde das im Rahmen des § 324 StGB geschützte Rechtsgut ist, ist eine Bindung des Strafrichters an den nicht nichtigen Verwaltungsakt selbstverständlich, da die Behörde in Form des Verwaltungsakts ihr Zuteilungsmonopol wahrgenommen und sich insoweit eines strafrechtlichen Schutzes begeben hat. Folgerichtig erachtet Rickel alle Überlegungen hinsichtlich der Bindung des Strafrichters an den Verwaltungsakt als "obsolet", die Bindung selbst als "trivial" 354. Demgegenüber vertritt die ganz h. M. eine ökologisch orientierte Sichtweise. Nach der herrschenden ökologischen Auffassung ist eine nachteilige Veränderung im Sinne des § 324 StGB anhand des Naturzustandes des jeweiligen Gewässers zu beurteilen. Trotz im Detail abweichender Formulierungen innerhalb der h. M. lassen sich keine praktisch relevanten Unterschiede feststellen 355, die eine nähere Auseinandersetzung verlangten. Eine Gewässerverunreinigung sei bei jeder Verschlechterung der natürlichen Gewässereigenschaften im physikalischen, chemischen oder biologischen Sinn gegeben, die über unbedeutende, vemachlässigbar kleine Beeinträchtigungen hinaus gehe 356. Die ökologische Konzeption erscheint vor dem Hintergrund eines umfassenden strafrechtlichen Umweltschutzes konsequent. Gleichwohl hält der Gesetzgeber eine ökologische Konzeption im Rahmen der §§ 324 ff. StGB nicht in gleicher Intensität durch. Der Gesetzgeber formuliert in § 325 StGB das tatbestandliehe Unrecht als Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten und nicht als Verletzung des ökologischen Rechtsguts "Reinheit der Luft"357. Die Gesetzesfassung des 352 Die Differenzierung nach einer materiell administrativen und einer formell administrativen Sichtweise geht auf Rengier (NJW 1990, 2506, 2508 f.) zurück. 353 Bickel, Anwendungsprobleme, S. 274 f. 354 Bickel, Anwendungsprobleme, S. 276. 355 Vgl. Möhrenschlager, Gewässerstrafrecht S. 34; Rengier NJW 1990, 2506, 2507; Kuhlen WuV 1991, 181, 191. 356 BGH NStZ 1987,323,324; OLG Köln ZfW 1989,46,47; OLG Stuttgart wistra 1989,276; Schi Sch-Cramer § 324 Rdn. 8 f.; SK-Horn § 324 Rdn. 2; Möhrenschlager,

Gewässerstrafrecht S. 34 ff.; Rengier NJW 1990,2506,2510; Kuhlen WuV 1991, 181, 189 ff.

357 Diese Inkonsequenz will der SPD-Entwurf eines 2. UKG durch eine durchgängige Etablierung ökologischer Rechtsgüter beseitigen und etwaigen Erlaubnissen aufRechtfertigungsebene Bedeutung beimessen, vgl. BT-Dr 12 I 376, S. 9, 12. 8 Scheele

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3. Kap.: Eigene Lösung

§ 325 StGB in Verbindung mit der Konzeption der Wassergesetze, den Verwaltungsbehörden die Aufgabe der Bewirtschaftung der Gewässer zum Wohle der Allgemeinheit zu übertragen, mag der Anlaß zu einer administrativ orientierten Auslegung des Schutzguts des § 324 StGB sein. Die Konzeption der Wassergesetze vermag aber nicht im Sinne einer Vereinheitlichung der Umweltstraftatbestände die in der Gesetzesfassung intendierte Bestimmung des Rechtsguts des § 324 StGB zu beeinflussen. Der Gesetzgeber bezweckt laut den Gesetzesmatieralien im Rahmen des § 324 StGB einen umfassenden Schutz gegen Verunreinigungen 358 • Aus der unterschiedlichen Ausgestaltung der Umweltstrafvorschriften und damit de lege lata leitet sich das Gebot der differenzierenden Bestimmung des jeweils geschützten Rechtsguts ab, nicht das Gebot eines einheitlich administrativen Ansatzes, auch wenn die Wassergesetze einen Bewirtschaftungsauftrag an die Verwaltungsbehörden enthalten.

Dennoch bedarf es im Hinblick auf das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung einer Harmonisierung von Wassergesetzen und Gewässerstrafrecht in irgendeiner Form. Neuerdings möchte Nisipeanu 359 ausgehend von der h. M. scheinbare Friktionen zu der Erkenntnis, Verunreinigungen mit behördlicher Erlaubnis könnten nicht strafrechtlich verboten sein, und zum Regelungsinhalt der Wassergesetze durch eine vermittelnde und zugleich harmonisierende Interpretation des in § 324 StGB geschützten Rechtsguts vermeiden. Geschützt sei das ökologische Rechtsgut ,,Reinheit des Wassers", aber nur in dem Maße, wie dies eine optimale Bewirtschaftung der Gewässer durch die Wasserbehörden bedinge. Ob eine derartige Definition des Schutzguts erforderlich ist, um Regelungswidersprüche aufzulösen, erscheint angesichts der entgegenstehenden gesetzgeberischen Intention fragwürdig. In dem hier interessierenden Zusammenhang erscheint eine unmittelbar am Verwaltungsmerkmal "unbefugt" orientierte Auslegung in jedem Falle vorzugswürdig. Eine teleologische Auslegung hat auf der Grundlage des objektiven Gesetzeszwecks zu erfolgen. Wie die übrigen Merkmale stellt das Merkmal "unbefugt" die Verbindung von Verwaltungsrecht und Strafrecht mit dem Ziel der Harmonisierung der beiden Rechtsgebiete her. Daß die beiden Rechtsgebiete nicht isoliert voneinander betrachtet werden können, verdeutlicht gerade der Fall der Genehmigungserteilung. Denn unbestritten ist die rechtmäßig erteilte Genehmigung zumindest ein Rechtfertigungsgrund und ein darauf gestütztes Handeln befugt 360 • Mit anderen Worten, eine vollständige Ignorierung des Wasserrechts und seiner Vorgaben ist ausgeschlossen. Ein anderes Ergebnis wäre ein nicht zu rechtferti358

Vgl. die amtliche Begründung BT-Dr. 8/2382, S. 10.

Nisipeanu S. 330 f. mit Verweis auf Rudolphi ZfW 1982,197,200 und ders. NStZ 1984, 193, 195. Auf die Schwierigkeit, die Auffassung Rudolphis wegen gewisser administrativer Anklänge den eingefahrenen Konzeptionen einzuordnen, weist Kuhlen (WuV 1991, 181, 189 FN 56) hin; in der Ansicht Rudolphis einen eigenständigen relativierenden 359

Ansatz zu sehen, dürfte letztlich zutreffend sein. 360 Nachweise s. o. FN 93.

D. Die Bindung des Strafrichters an rechtswidrige Genehmigungen

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gender Wertungswiderspruch. Die Vermeidung von Wertungswidersprüchen ist aber wegen des Gerechtigkeits- und Gleichbehandlungsgedankens Sinn und Ziel einer teleologischen Gesetzesauslegung 361. Auf diese Weise findet das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung Eingang in die klassischen Auslegungsmethoden. Daher ist auch die Argumentation Schalls zugunsten einer durch das Merkmal "unbefugt" vermittelten Verwaltungsrechtsakzessorietät nicht zwingend. Schall geht gestützt auf die ökologische Ausrichtung der §§ 324, 326 StGB davon aus, der Rechtsgüterschutz müsse auf Rechtfertigungsebene fortgesetzt werden, indem die Genehmigung nur als Unbedenklichkeitsbescheinigung aufzufassen ist, die einen Durchgriff auf die materiellen Betreiber- und Verhaltenspflichten des Umweltrechts nicht sperrt 362 • Inwieweit diese Bedeutung des Merkmals "unbefugt" der Konkretisierungsfunktion des Verwaltungsakts beim Gesetzesvollzug gerecht werden soll, führt Schall nicht aus. Sinn und Zweck des Merkmals "unbefugt" kann es jedenfalls nicht allein sein, auf eventuell unbestimmte Verhaltensanordnungen der Wassergesetze zu verweisen. Schließlich ist die Alternative zur Verwaltungsaktsakzessorietät die Inbezugnahme eventuell für den Anlagenbetreiber o. ä. nicht hinreichend bestimmter Verhaltenspflichten. Vielmehr kommt auch das Gewässerstrafrecht aus Gründen der Harrnonisierung mit dem Wasserrecht nicht daran vorbei, die verwaltungsbehördlichen Entscheidungen zu respektieren, zumal die Harrnonisierung rechts staatlich im Sinne der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung geboten ist. Dieser Umstand ist im Entwurf der SPD-Fraktion eines 2. UKG berücksichtigt, der das Merkmal "unbefugt" als Regelungselement fast aller Umweltstraftatbestände vorsieht und zugleich die Funktion dieses Merkmals umschreibt bzw. im Rahmen der dort favorisierten "Rechtfertigungslösung" als deren Charakteristikum herausstellt, keine dem Postulat der Einheit der Rechtsordnung zuwiderlaufenden Ergebnisse zu erzielen 363. Zwar erfolgt wegen der vergleichsweise stärkeren ökologischen Orientierung des Tatbestands der Gewässerverunreinigung die Harrnonisierung mit dem Wasserrecht, wie bereits bei der systematischen Auslegung angeklungen, erst auf Rechtfertigungsebene. Dies bedingt aber nicht eine Auflösung des Wertungswiderspruchs im Sinne der materiellen Rechtslage, da in diesem Falle das widersprüchliche Verhalten des Staates, Erlaubniserteilung einerseits und Bestrafung andererseits, erhalten bliebe. Selbst auf der Grundlage der ökologischen Auffassung ist somit Sinn und Zweck des Merkmals "unbefugt", als Regulativ die Verbindung von Umweltrecht und Strafrecht herzustellen. Eine spezielle ökologische Ausrichtung des Merkmals "unbefugt" kann aus der ökologisch orientierten Rechtsgutsbestimmung nicht zwingend hergeleitet werden. Folglich ist der ökologische Ansatz nicht per se geeignet, ein Abstellen auf das materielle Umweltschutzrecht unzweifelhaft 361 362

363

8*

Zutreffend Larenz S. 334 ff. Schall NJW 1990, 1263, 1268. BT-Dr. 12/376, S. 12.

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3. Kap.: Eigene Lösung

zu begründen und eine Abkehr von der verfassungsrechtlich unterfangenen Verbindlichkeit von Verwaltungsakten zu rechtfertigen. Aus diesem Grunde verbleibt es bei der allseits zu beachtenden Verbindlichkeit der behördlichen Gestattungsakte. Gleiches gilt im Ergebnis für den Tatbestand der umweltgefahrdenden Abfallbeseitigung (§ 326 StGB), dessen Schutzbereich Indivdualrechts- und Umweltgüter gleichermaßen umfaßt 364 • Damit ist das Merkmal "unbefugt" auch aus teleologischer Sicht jedenfalls nicht geeignet, rechtssatzmäßig eine Prüfungsbefugnis des Strafrichters zu begründen, soweit die Rechtmäßigkeit einer behördlichen Genehmigung zweifelhaft erscheint. 111. Zusammenfassung

Die gegenwärtige Fassung der §§ 324 ff. StGB erlaubt es nicht, statt auf die Wirksamkeit maßgeblich auf die materielle Rechtmäßigkeit einer behördlichen Genehmigung abzustellen. Die Tatbestandswirkung bzw. Verbindlichkeit der Gestattungsakte entscheidet auf der Grundlage des Prinzips der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung darüber, inwieweit die Strafverfolgungsorgane von einem formalisierten Vertrauenstatbestand zugunsten des Genehmigungsinhabers auszugehen haben. Die §§ 324 ff. StGB begründen für die Strafjustiz keine rechtssatzmäßige Ermächtigung, abweichend von der formal erteilten hoheitlichen Erlaubnis die konkrete Umweltnutzung auf ihre Vereinbarkeit mit dem materiellen Umweltverwaltungsrecht hin zu überprüfen. Für das Merkmal "unbefugt" ist dies durch eine grammatische, systematische und historische Auslegung nachgewiesen; die gleichfalls durchgeführte teleologische Auslegung vermag dieses Ergebnis unter dem Aspekt der Vermeidung von Wertungswidersprüchen nicht in Zweifel zu ziehen, zumal die Verbindlichkeit von Verwaltungsakten für die Strafverfolgungsbehörden nur durch einen entsprechenden Rechtssatz ausgeschlossen wäre. Ansonsten würde sich der Staat in rechtsstaatlich unerträglicher Weise dem Vorwurf aussetzen, mit zweierlei Zungen bezogen auf einen einheitlichen Sachverhalt zu sprechen. E. Weitere Argumente für die Verwaltungsaktsakzessorietät des Umweltstrafrechts Neben der Verbindlichkeit von Verwaltungsakten bedingen zwei weitere Aspekte, die unmittelbar auf das Rechtsssicherheitsprinzip zurückzuführen sind, die Verwaltungsaktsakzessorietät im Umweltstrafrecht. Das Verwaltungsrecht kennt in erster Linie wirksame und nichtige Verwaltungsakte. Mithin ist von Seiten des Gesetzgebers gleichsam ins Kalkül gezogen, 364

Vgl. SK-Horn § 326 StOB Rdn. 2; Rengier NJW 1990,2506,2512.

E. Weitere Argumente für die Verwaltungsaktsakzessorietät

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daß die Verwaltungsbehörde trotz der ihr auferlegten Rechtmäßigkeitsprüfung rechtswidrige Entscheidungen nicht wird vermeiden können. Dennoch ordnet das Verwaltungsverfahrensgesetz deren Beachtlichkeit an. Der Bürger indes verfügt im Regelfall nicht über eine der Behörde auch nur annähernd vergleichbare Sachkompetenz. Auf der Grundlage der materiellrechtlichen Lösung müßte der Bürger mithin die materielle Rechtmäßigkeit einer Genehmigung hinterfragen und selbständig beurteilen, obwohl der dafür zuständige und kompetente Amtsträger nicht zu dem Ergebnis der Rechtswidrigkeit gekommen ist und dieses Ergebnis vor dem Hintergrund des § 43 VwVfG rechtlich - zumindest vorerst Bestand hat. D. h., von dem Genehmigungsadressaten wird eine Sachkompetenz verlangt, die nicht einmal bei den zuständigen Amtsträgern im Zeitpunkt der Entscheidung eine materiell richtige Entscheidung garantiert. Die Prüfungsanforderungen an den Genehmigunginhaber wären demzufolge im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überspannt, wollte man die Rechtfertigungswirkung einer Gestattung leugnen, die die Umweltbehörde aufgrund ihrer Fachkompetenz bezogen auf die konkret beantragte Umweltnutzung ausspricht, zumal dem Strafrecht im Bereich des Umweltschutzes ohnehin die Funktion einer ultima ratio zukommt. Die Verfechter der materiell-rechtlichen Lösung werden sich in Zukunft mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob die gegenwärtige, im Zuge der Wiedervereinigung entstandene Verfassungsrechtslage nicht bereits explizit eine Ablehnung der Verwaltungsaktsakzessorietät verbietet. Eine Auseinandersetzung mit der im Zuge der deutschen Wiedervereinigung entstandenen Rechtslage ist bislang, soweit ersichtlich, nicht geschehen. Gleichwohl liegt es auf der Hand, die Regelungen des Einigungsvertrags auf ihre Bedeutung für die materiellrechtliche Lösung zu hinterfragen. In Art. 19 Einigungsvertrag 365 wird die Wirksamkeit von DDR-Verwaltungsakten festgelegt und der bundesdeutschen Justiz nur ein beschränkter Prüfungsspielraum gewährt (Art. 19 S. 2 Einigungsvertrag). Zutreffend geht Heine davon aus, daß demzufolge in den neuen Bundesländern der Strafjusitz die Überprüfung von DDR-Verwaltungsakten verwehrt ist 366: Ausweislich Art. 19 Einigungsvertrag hat der Einigungsvertrag eine kontinuierliche, dem Gedanken der Rechtssicherheit verpflichtete Rechtsanwendung zum Ziele, die durch eine umfassende Kontrollbefugnis bundesdeutscher Gerichte unterlaufen würde; daher käme es, folgt man der materiellrechtlichen Lösung, zu dem nicht wünschenswerten Ergebnis einer Bindung des Strafrichters an einen (DDR)Verwaltungsakt in den fünf neuen Bundesländern einerseits und einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle durch die Strafjustiz in den alten Bundesländern 365 Art. 19 Einigungsvertrag lautet: "Vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Verwaltungsakte der Deutschen Demokratischen Republik bleiben wirksam. Sie können aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen dieses Vertrages unvereinbar sind. Im übrigen bleiben die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten unberührt.". 366 Heine ÖJZ 1991, 370, 372 FN 16; ders. DtZ 1991, 423, 425.

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3. Kap.: Eigene Lösung

andererseits. Die mißliche Folge wäre eine unterschiedliche Rechtslage innerhalb der Bundesrepublik, die nicht durch Übergangsvorschriften zeitlich limitiert ist.

F. Zu den Möglichkeiten der Berücksichtigung der fehlerhaften Genehmigung außerhalb der Unrechtsebene Die Untersuchung hat ergeben, daß der Strafrichter an rechtswidrge behördliche Genehmigungen im Rahmen der §§ 324 ff. StGB gebunden ist. Damit ist aber keine abschließende Aussage darüber getroffen, ob die verwaltungsrechtliche Wirksamkeit fehlerhafter Verwaltungsakte auf Unrechtsebene zu berücksichtigen ist. Die rechtmäßige Genehmigung wird zwar als Rechtfertigungsgrund behandelt, so daß gleiches für die wirksame, wenn auch rechtswidrige Genehmigung gelten könnte. Möglicherweise erlaubt die Strafrechtsdogmatik aber, den Rechtssicherheits- bzw. Vertrauensschutzgedanken auf andere Weise Rechnung zu tragen. Alternativ kommt ein persönlicher Strafausschließungsgrund des Genehmigungsempfängers in Betracht. Konstruktiv ließe sich der Rechtssicherheitsgedanke auch dadurch erfassen, eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Genehmigungsempfängers erst nach Beseitigung der fehlerhaften Genehmigung zuzulassen, d. h. deren Beseitigung als objektive Bedingung der Strafbarkeit einer von Anfang an strafrechtswidrigen Tat anzusehen. I. Die Autbebung der Genehmigung als objektive Bedingung der Strafbarkeit

Wer die Beseitigung der Genehmigung als objektive Bedingung der Strafbarkeit versteht, will das Verhalten des Genehmigungsinhabers als von Anfang an strafrechtswidrig und im Sinne der positiven Generalprävention auch als strafbedürftig verstanden wissen 367 • Die Bedeutung der Genehmigung ist danach dahingehend zu interpretieren, die strafrechtliche Verfolgbarkeit der Tat bis zu deren Beseitigung zu sperren, ohne daß die Genehmigung Einfluß auf die Beurteilung der Tat als strafrechtswidrig gehabt hätte. Denn ohne Einschreiten der zuständigen Umweltbehörde bestehe kein Strafbedürfnis. D. h., die verwaltungsrechtlich wirksame Genehmigung hätte auf der Grundlage dieser Ansicht lediglich vorläufig strafrechtliche Relevanz, obwohl sie zum Zeitpunkt der Tat rechtswirksam war. Fraglich ist aber, ob der Rechtsfigur der objektiven Bedingung der Strafbarkeit strafrechtsdogmatisch eine Funktion beigemessen werden kann, die Legalisierungswirkung der Genehmigung zeitlich, nämlich bis zu ihrer rückwirkenden Aufhebung zu begrenzen. Objektive Strafbarkeitsbedingungen umschreiben außerhalb von Handlungsunrecht und Schuld zusätzliche Umstände, aus denen die 367

Vgl. SK-Horn Vor § 324 Rdn. 19.

F. Möglichkeiten der Berücksichtigung der fehlerhaften Genehmigung

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Strajbedürftigkeit erst resultierP68. Auf die Beachtlichkeit fehlerhafter Genehmigungen übertragen würde kriminalpolitisches Stratbedürfnis gleichsam mit der rückwirkenden Beseitigung des fehlerhaften Verwaltungs aktes begründet. Eine von vorneherein strafrechtswidrige und strafwürdige Tat liegt auch nach der hier zu untersuchenden Ansicht nur vor, wenn im Zeitpunkt der Tat eine Genehmigung fehlt. Damit bedarf es einer rückwirkenden Aufhebung im Sinne des § 48 VwVfG zur Begründung der Stratbarkeit 369 , eine Rückwirkung, deren Übertragung in das Strafrecht Horn selbst bezogen auf die Strafrechts widrigkeit für unvereinbar mit der Strafrechtsdogmatik erklärt hat 370• Folglich soll mittels einer objektiven Bedingung der Stratbarkeit doch eine Rückwirkung auf den Tatzeitpunkt ermöglicht werden. Lenckner hält die Rückwirkung im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG für unproblematisch, da die Stratbarkeitsbedingung zugleich stratbarkeitseinschränkend und damit "in bonam partern" wirke 37l • Mit Hilfe der Rechtsfigur einer objektiven Stratbarkeitsbedingung soll aber nach der Intention Lenckners und Horns die von der Genehmigung ausgehende Bindungswirkung überwunden werden, eine Bindungswirkung also, die für einen Verwaltungsakt selbstverständlich ist und keiner speziellen strafrechtsdogmatischen Fixierung bedarf. Auf diese Weise zielt die Konzeption Lenckners und Horns allein auf eine rückwirkende Stratbarkeit ab, die zum Nachteil des Genehmigungsinhabers die Wirksamkeit der Genehmigung außer Kraft setzt, nicht aber zugleich auf eine Stratbarkeitseinschränkung. Mögen andere objektive Stratbarkeitsbedingungen des StGB sich regelmäßig zugleich im Sinne einer Stratbarkeitseinschränkung zugunsten des Täters auswirken, die rückwirkende Aufhebung der Genehmigung soll erst die Stratbarkeit zu Lasten des Genehmigungsinhabers ermöglichen, weil ansonsten im Zeitpunkt der Tat ein Rechtfertigungsgrund vorliegt. Daher muß bereits bezweifelt werden, ob es sich bei der - rückwirkenden - Aufhebung der Genehmigung strafrechtsdogmatisch um eine Stratbarkeitsbedingung handelt.

Wenn man davon absieht, daß diese Lösung als Umgehung des Rückwirkungsverbots verfassungsrechtlich äußerst bedenklich erscheint, enthält der Gesetzeswortlaut zudem keine Stütze für die Annahme, die Genehmigungserteilung erst auf Stratbarkeitsebene als objektive Stratbarkeitsbedingung zu erfassen. Objektive Stratbarkeitsbedingungen enthalten zumeist Risikomerkmale, die nicht dem Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB unterfallen sollen 372 , sachlich aber stratbegründenden Tatumständen nahestehen. Die von der StrafrechtswissenStatt aller LK-Hirsch Vor § 32 Rdn. 213; SK-Rudolphi Vor § 19 Rdn. 12. SK-Horn Vor § 324 Rdn. 17 f.; ebenso Lenckner. FS Pfeiffer S. 27, 40, 42 f. für die objektive Stratbarkeitsbedingung als Korrektiv der von der h. M. vertretenen Wirksarnkeitslösung. 370 SK-Horn Vor § 324 Rdn. 13, 17; ders. NJW 1981, 1,3. 37l Lenckner FS Pfeiffer S. 27, 41 FN 56. 372 Sch / Sch-Lenckner Vor § 13 Rdn. 124 ff.; Wesseis AT § 5 IV 1 m. w. N. 368

369

120

3. Kap.: Eigene Lösung

schaft überwiegend als objektive Strafbarkeitsbedingungen behandelten Merkmale sind demzufolge bislang stets im gesetzlichen Tatbestand der Strafvorschrift enthalten, so etwa die Nichterweislichkeit der Tatsache in § 186 StGB, der Eintritt der schweren Folge bei der Beteiligung an einer Schlägerei (§ 227 StGB), die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Sinne des § 323 a StGB oder das Bestehen diplomatischer Beziehungen und Verbürgung der Gegenseitigkeit (104 a StGB)373. Die Umweltstraftatbestände stellen weder ausdrücklich noch implizit darauf ab, ob eine dem Umweltdelinquenten erteilte Genehmigung zwischenzeitlich und vor Eintritt der Bestandskraft aufgehoben worden ist. Die rückwirkende Aufhebung einer umweltrechtlichen Genehmigung als Strafbarkeitsbedingung zu behandeln, ist strafrechtsdogmatisch im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut ("unbefugt") nicht nachvollziehbar. Auch insoweit müssen Bedenken im Hinblick auf das Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG erhoben werden. Außerdem vermögen die Verfechter dieser Konzeption den Vorwurf nicht zu entkräften, die Strafrechtsdogmatik den bezweckten Ergebnissen, nämlich der Bestrafung des Umweltdelinquenten, anzupassen, nicht aber den gesetzlichen Vorgaben des Umweltstrafrechts. Zwar ist es durchaus aus kriminalpolitischen Gründen verständlich, dem Täter das Risiko der Beseitigung einer rechtswidrigen Genehmigung in Form der Strafbarkeitsbedingung aufzubürden. Auf eine gesetzliche Grundlage können derartige Erwägungen jedoch nicht gestützt werden. Wer sich dafür ausspricht, die Legalisierungswirkung einer staatlichen Genehmigung erst im Bereich der Strafbarkeit zu erörtern, um bei Aufhebung der Genehmigung rückwirkend die Strafbarkeit der Tat feststellen zu können, vernachlässigt ferner die durch das Verwaltungsrecht vorgegebene Risikoverteilung. Schließlich wird die strafrechtliche Verantwortung des Täters im Falle der Strafbarkeitsbedingung regelmäßig von einem weiteren Umstand abhängig gemacht, für dessen Eintritt oder Vorliegen der Täter für jedermann erkennbar das Risiko übernehmen soll 374. Eine Risikoübernahme ist in den anerkannten Fällen der Strafbarkeitsbedingung auch gerechtfertigt, da der Täter selbst entweder kausal für den Eintritt der Strafbarkeitsbedingung war, so etwa im Falle der Schlägerei oder der Rauschtat im Sinne des § 323 a StGB, oder wenigstens deren Bestehen theoretisch ex ante hätte aufklären können, etwa die Nichterweislichkeit der Tatsache (§ 186 StGB) oder das Bestehen diplomatischer Beziehungen (§ 104 a StGB). Im Regelfall liegt es dem Täter aber vollkommen fern, das Risiko für den Bestand der Genehmigung zu übernehmen, zumal er auf die Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde keinerlei Einfluß ausüben und nicht ex ante vorhersehen kann, wie die Ermessensbetätigung ausfällt. Vielmehr darf er zu Recht im Hinblick auf § 43 VwVfG - für jedermann erkennbar - auf den 373 Vgl. statt aller die Zusammenstellung der objektiven Strafbarkeitsbedingungen bei

SK-Rudolphi Vor § 19 Rdn. 13. 374 Vgl. Wesseis AT § 5 IV l.

F. Möglichkeiten der Berücksichtigung der fehlerhaften Genehmigung

121

Bestand der Genehmigung vertrauen. Diese Risikoverteilung muß auch das Strafrecht akzeptieren, zumal anderenfalls der Täter für die Nichteinhaltung von Vorschriften durch die Behörde einstehen müßte, deren Beurteilung ihm nicht abverlangt werden kann. Etwas anderes kann allenfalls in den Fällen gelten, in denen von schutzwürdigem Vertrauen regelmäßig nicht ausgegangen werden kann, namentlich in den Fällen des § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG37s. Dieser Gesichtspunkt soll an dieser Stelle jedoch ausgeklammert und später gesondert behandelt werden, da es hier allgemein um die Rechtfertigungswirkung einer rechtswidrigen Genehmigung gehen soll. Im übrigen hat der hier erörterte Lösungsweg eine verfahrensrechtliche Auswirkung, die auf die Inkonsequenz dieses Lösungsweges schließen läßt. Die Anfechtung der Aufhebung der Genehmigung müßte folgerichtig zu einer Aussetzung des Strafverfahrens analog § 262 StPO führen 376, wenn die Wirksamkeit der rückwirkenden Aufhebung abschließend über die Strafbarkeit des Genehmigungsinhabers entscheiden soll. Die Klärung der Strafbarkeit wäre infolge des regelmäßig gegebenen Suspensiveffekts der Anfechtungsklage mithin auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben, so daß der verfolgte Strafzweck einer positiven Generalprävention, den die Verfechter der hier in Rede stehenden Konzeption als deren besonderen Vorzug würdigen, infolge des Zeitablaufs nicht erreicht werden kann 377. Die Berücksichtigung des Vertrauensschutzgedankens kann demnach nicht generell in der Form erfolgen, die Beseitigung der Genehmigung zur objektiven Strafbarkeitsbedingung zu erklären, da der Genehmigungsinhaber für Fehler der Umweltbehörde einzustehen hätte und das Ausnutzen der verwaltungsrechtlich wirksamen Genehmigung mit einem unkalkulierbaren Strafbarkeitsrisiko verbunden wäre. Der Sache nach wäre bei genereller Anwendung die Aufhebung der Genehmigung weniger Strafbarkeitsbedingung als vielmehr Strafverfolgungsvoraussetzung, da das Risiko der Verwirklichung des Tatbestandes von vorneherein beim Genehmigungsempfanger läge und die Strafbarkeit von einer verfahrensrechtlichen Vorfrage, der verwaltungsverfahrensrechtlichen Behandlung der erteilten Genehmigung, abhinge. Die Konstruktion, die Aufhebung der Genehmigung als objektive Strafbarkeitsbedingung zu behandeln, ist zu verwerfen. 11. Die Genehmigung als Strafausschließungsgrund

Unter dem Vorbehalt einer verwaltungsrechtlichen Vorgabe ist auch die Auffassung zu betrachten, die die Genehmigung als Strafausschließungsgrund ver375 So beschränkt Lenckner im Gegensatz zu Horn die Anwendbarkeit seiner Lösung ausdrücklich auf die Fälle der Täuschung und der Gewaltanwendung, Lenckner FS Pfeiffer S. 27, 37 f. 376 Auf die Konsequenz der Verfahrensaussetzung weist auch Horn hin, SK-Horn Vor § 324 Rdn. 20. 377 Zutreffend Heine ÖJZ 1991,370,374.

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3. Kap.: Eigene Lösung

steht 378. Ebenso wie die objektive Stratbarkeitsbedingung knüpft der Strafausschließungsgrund an das kriminalpolitische Bedürfnis an der Stratbarkeit an 379 • Ein Stratbedürfnis wird im Interesse der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes abgelehnt, wenn der Täter sein Verhalten auf eine wirksame Genehmigung stützen kann. Im Gegensatz zur Konzeption über die Stratbarkeitsbedingung wird hierdurch vermieden, dem Genehmigungsempfänger generell das Stratbarkeitsrisiko aufzubürden 380. Insofern ist diese Lösung nicht dem o. g. Einwand ausgesetzt, der durch das Verwaltungsrecht vorgegebenen Risikoverteilung nicht Rechnung zu tragen. Vielmehr ist nach dieser Ansicht der Genehmigungsempfanger trotz Rechtswidrigkeit der Genehmigung generell straflos. Dieses Ergebnis entspricht der Wertung, wie sie durch das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung in Verbindung mit dem Rechtssicherheitsprinzip indiziert ist. Diskussionswürdig erscheint in diesem Zusammenhang lediglich, ob allen, d. h. auch den vorwertbar erlangten Genehmigungen strafausschließende Wirkung verliehen werden kann, worauf noch einzugehen sein wird. Trotz Konformität in der Wertung, die auf eine behördliche Genehmigung gestützte Ressourcennutzung nicht zu bestrafen, ist festzuhalten, daß die Konzeption Webers die Rechtswidrigkeit der Tathandlung voraussetzt. Auf der Grundlage der verwaltungsrechtlichen Wirksamkeit einer fehlerhaften Genehmigung kommt der Genehmigung aber bereits rechtfertigende oder - eine entsprechende Ausgestaltung des Straftatbestandes vorausgesetzt - tatbestandsausschließende Wirkung zu. Die rechtmäßige Genehmigung ist ein Erlaubnissatz. Mithin ist erklärungsbedürftig, warum nicht bereits die Rechtswidrigkeit des Handelns entfällt und stattdessen zwischen Befugnisbegriff im Sinne der §§ 324, 326 StGB und Rechtswidrigkeitsbegriff differenziert wird. Weber argumentiert vorwiegend mit dem Wortlaut der §§ 324,326 StGB, die auf ein "unbefugtes" Verhalten abstellen. Nun ist das Merkmal "unbefugt" kein spezifisch umweltstrafrechtlicher Ausdruck. Soweit der Gesetzgeber den Begriff "unbefugt" verwendet, z. B. in den §§ 127, 132, 188,201,202,202 a, 203, 204, 353 b, 353 d, 354, 355 StGB, wird die Frage nicht immer einheitlich beantwortet, ob es sich bei dem Merkmal "unbefugt" um ein allgemeines Deliktsmerkmal zur Kennzeichnung der Rechtswidrigkeit oder um ein Tatbestandsmerkmal handelt 381 • Eine Differenzierung zwischen rechtswidrigem und unbefugtem Verhalten wird bei den genannten Tatbeständen jedoch nicht vertreten; anders ausgedrückt, das Wort "unbefugt" soll kein Merkmal zur Bezeichnung der Stratbarkeit darstellen. Letztere Bedeutung weist Weber dem Begriff "unbefugt" in den §§ 324, 326 StGB zu, ohne So Weber S. 44 f. Vgl. SK-Rudolphi Vor § 19 Rdn. 12. 380 Vgl. Weber S. 45: "Das Stratbarkeitsrisiko des Privaten wäre zu groß, würde man trotz wirksamer Genehmigung unbefugtes Handeln annehmen ... ". 381 Vgl. etwa Sch / Sch-Lenckner Vor § 13 Rdn. 65, der dem Merkmal "unbefugt" keine einheitliche Bedeutung beimißt; im Hinblick auf § 201 StGB geht Sch / SchLenckner § 201 Rdn. 29 zudem von einer Doppelfunktion des Merkmals aus. 378

379

G. Ergebnis

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daß das Umweltstrafrecht explizit diese Interpretation in irgendeiner Form intendiert oder erfordert. Stattdessen drängt sich der Eindruck auf, daß die von Weber vorgeschlagene Lösungskonzeption im gleichen Maße ergebnisorientiert ist wie die zuvor behandelte. Wer Wertungswidersprüche über das Merkmal der Strafbarkeitsbedingung aufzulösen versucht, verfolgt das Ziel der Bestrafung des Genehmigungsempfangers; im Falle eines Strafausschließungsgrundes soll die Möglichkeit eröffnet bleiben, den Amtsträger strafrechtlich zur Rechenschaft zu ziehen, der die fehlerhafte Genehmigung erteilt hat. Dies stellt Weber ausdrücklich als Vorteil seiner Lösungskonzeption heraus: Da die Genehmigungserteilung persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB sei und Dritte in jedem Falle unbefugt handelten, könnten genehmigende Amtsträger wegen Mittäterschaft, Anstiftung oder Beihilfe bestraft werden 382. Damit ist der strafrechtsdogmatische Zweck verdeutlicht, den die hier erörterte Konzeption - die fehlerhafte Genehmigung als Strafausschließungsgrund - hat. Inwieweit eine Genehmigung als besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB nur die Strafbarkeit des Genehmigungsempfangers auszuschließen vermag, ist ausgehend von den Rechtsfolgen einer fehlerhaften Genehmigung zu beurteilen. Legt man die aus der Existenz der Genehmigung resultierende Verbindlichkeit für Gerichte zugrunde, hat das Gericht - als Rechtsfolge der Genehmigung - von der Erlaubnis des Nutzungsvorhabens auszugehen, d. h. konsequenterweise von der strafrechtlichen Rechtfertigung des verwaltungsrechtlich genehmigten Verhaltens. Die Konzeption Webers wird daher den verwaltungsrechtlichen Regelungen und dem daraus resultierenden Gebot widerspruchsfreier Wertungen nicht gerecht.

G. Ergebnis Der Strafrichter ist an eine behördliche Genehmigung gebunden, soweit diese wirksam im Sinne des § 43 VwVfG ist. Die Bindung des Strafrichters ist Folge der Verbindlichkeit der Genehmigung, die dieser als Hoheitsakt gegenüber allen anderen in das staatliche Kompetenzgefüge eingegliederten Organen zukommt. Die Strafgerichte beschreiben insoweit keine Ausnahme. Das Recht, die Genehmigung auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu dürfen, ist mit der Kompetenzordnung und dem rechtsstaatlichen Gebot, Wertungswidersprüche zu vermeiden, nicht vereinbar. Nur auf diese Weise entgeht der Rechtsstaat dem Vorwurf, ein von ihm erlaubtes Verhalten strafrechtlich zu verfolgen. Die Fassung der §§ 324 ff. StGB durch den Gesetzgeber gibt keinen Anlaß, von der vorgegebenen Auflösung von Wertungswidersprüchen abzugehen. Der Kompromiß, die fehlerhafte Genehmigung im Rahmen der Strafbarkeit zu berücksichtigen, mißachtet die Legalisierungswirkung der Genehmigung im Tatzeitpunkt, wie sie durch die verwaltungsrechtliche Wertung des § 43 VwVfG vorgegeben ist. 382

Vgl. Weber S. 45.

4. Kapitel

Die Reichweite der Verwaltungsaktsakzessorietät A. Problemstellung Die h. M., die die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes auf Unrechtsebene beachtet, müßte konsequenterweise entsprechend der verwaltungsrechtlichen Vorgabe des § 43 VwVfG unabhängig von dem Grad der Rechtswidrigkeit und der Art und Weise, wie der Genehmigungsempfänger die behördliche Erlaubnis erlangt hat, rechtfertigende Wirkung der Genehmigung annehmen, solange die Genehmigung rechtswirksam ist. Etwas anderes gilt freilich, wenn der begünstigende Verwaltungsakt nichtig im Sinne des § 44 VwVfG ist. Gleichwohl hat sich eine Vielzahl von Fallkonstellationen herausgebildet, in denen eine Legalisierungswirkung rechts wirksamer Genehmigungen als unbillig und nicht akzeptabel empfunden wird. Eine einheitliche Linie, inwieweit inhaltlich von der verwaltungsrechtlichen Vorgabe der §§ 43, 44 VwVfG abgewichen werden kann, ist ebensowenig feststellbar wie eine allgemein akzeptierte Begründung oder die dogmatische Einordnung des als geboten angesehenen Korrektivs. Im wesentlichen lassen sich sechs Lösungsmodelle zur Einschränkung der von der h. M. zu Recht vertretenen rechtfertigenden Wirkung fehlerhafter Verwaltungsakte unterscheiden. B. Konzeptionen einer beschränkten Verwaltungsaktsakzessorietät I. Der Gedanke des Rechtsmißbrauchs

Unter den Verfechtern der Beachtlichkeit fehlerhafter, aber wirksamer Verwaltungsakte im Strafrecht wird vorwiegend auf den Gedanken des Rechtsmißbrauchs zurückgegriffen, um die rechtfertigende Wirkung der fehlerhaften Genehmigung einzuschränken 383. Den Lösungsweg, den Rechtsmißbrauchsgedanken 383 Vgl. LG Hanau NJW 1988, 571, 576; LK-Steindorf § 324 Rdn. 92; Sack § 324 Rdn. 62 a; Dreher I Tröndle Vor § 324 Rdn. 4 c; Maurach I Schröder I Maiwald BT 2 § 58 I Rdn. 7; Wesseis BT 1 § 24 I 5; Horn NJW 1981,1,3 (gegen die Rechtsmißbrauchslösung nunmehrSK-Horn Vor § 324 Rdn. 15 f.); HillGewAIch 1981, 181, 188; Rudolphi ZfW 1982, 197,203; ders. NStZ 1984, 193, 197; Seier JA 1985,23,27; Meurer NJW 1988,2065,2069; Bloy ZStW 100,485,504; Ensenbach S. 158 ff.

B. Konzeptionen einer beschränkten Verwaltungsaktsakzessorietät

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zur Korrektur des durch § 43 VwVfG vorgegebenen Ergebnisses anzuführen, hat der BGH im sog. ,,Flaschenverschluß"-Urteil gewiesen 384 • Der BGH hält in dieser Entscheidung die Einschränkung der rechtfertigenden Wirkung einer fehlerhaften umweltrechtlichen Genehmigung wegen Rechtsrnißbrauchs für möglich, ohne jedoch eine Begründung zu geben oder die Voraussetzungen eines rechtsmißbräuchlichen Verhaltens zu umschreiben 385. Der Rechtsmißbrauchsgedanke wird in unterschiedlichen Fallkonstellationen als Argumentationsfigur bemüht, und zwar nicht nur im Strafrecht. Lenckner erachtet den Rechtsmißbrauchsgedanken als Korrektiv selbst in einem modernen Rechtssystem für unverzichtbar, damit Rechtsanwendung sich nicht zu formaler Gesetzesanwendung entwickelt 386 • Es verwundert angesichts der von Lenckner beschriebenen Funktion des Rechtsmißbrauchsgedankens nicht, wenn aufgrund diverser Wertaspekte ein bestimmtes Verhalten im Ergebnis übereinstimmend als rechtsmißbräuchlich definiert wird. So werden in der Literatur unter Bezugnahme auf den Rechtsmißbrauchsgedanken in erster Linie die Fallgruppen des § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG erörtert; darüber hinaus dient der Rechtsmißbrauchsgedanke auch in Anlehnung an den sog. Flaschenverschlußfall des BGH der Eingrenzung der Legalisierungswirkung des Verwaltungsaktes. Zum besseren Verständnis und zur Vertiefung der Problematik soll im folgenden in Überstimmung mit Lenckner hinsichtlich des dem Genehmigungsempfängers vorwerfbaren Verhaltens differenziert werden 387.

1. Rechtsmißbrauch infolge vorwerfbarer Erlangung der Genehmigung Als rechtsmißbräuchlich wird nicht nur die eigentliche Rechtsausübung angesehen 388, der Vorwurf rechtsmißbräuchlichen Verhaltens kann ebenso an ein der Ausnutzung der fehlerhaften Genehmigung vorgelagertes Handeln des Genehmigungsinhabers anknüpfen 389 • Die rechtsmißbräuchliche Erlangung der Genehmigung wird regelmäßig im Hinblick auf die in § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1,2 i. V. m. Abs. 3 S. 2 VwVfG genannten Fälle behandelt.

384

BGH, Urt. v. 13.3.1975 - 4 StR 28/75, vollständig abgedruckt bei Tiedemann

S. 58 ff.

385 Der BGH läßt ausdrücklich dahinstehen, ob " ... selbst bei behördlicher Genehmigung der Anlage (... ) die Weiterführung des Betriebes rechtsrnißbräuchlich wäre, wenn sie erkennbar zu erheblichen Gesundheitsschädigungen unter Umständen sogar mit lebensgefahrlichen Folgen für die Anwohner führt ... ", BGH bei Tiedemann S. 61. 386 Vgl. Lenckner, FS Pfeiffer S. 27,35. 387 Vgl. Lenckner, FS Pfeiffer S. 27, 35 f.; ihm folgend Rogall, Amtsträgerstrafbarkeit S.179. 388 Lenckner (FS Pfeiffer S. 27, 35) spricht in Anlehnung an zivilrechtliehe Kategorien von einem Fall der exceptio doli praesentis. 389 Lenckner, FS Pfeiffer S. 27,36 (Fall der exceptio doli praeteriti).

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4. Kap.: Die Reichweite der Verwaltungsaktsakzessorietät a) Die durch Täuschung, Bedrohung oder Bestechung erlangte Genehmigung (§ 48 Abs. 2 S. 3 Nr. I, Abs. 3 S. 2 VwVfG)

Herkömmlich werden die in § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 VwVfG genannten Fälle gleichermaßen als rechtsmißbräuchlich definiert. Der Täter, der eine Genehmigung durch Täuschung, Drohung oder Bestechung für sich erwirkt habe, habe lediglich eine formale Rechtsposition erlangt, der strafrechtlich keine rechtfertigende Wirkung zugesprochen werden könne 390. Daran könne die Regelung des Verwaltungsrechts nichts ändern, auch wenn verwaltungsrechtlich das vorwerfbare Vorverhalten des Genehmigungsinhabers nur die Aufhebung des Verwaltungsaktes ex tunc gemäß § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. I, Abs. 3 S. 2 VwVfG erlaube, da von einem schutzwürdigen Interesse am Bestand des Verwaltungsaktes in diesen Fällen regelmäßig nicht ausgegangen werden könne. Die Diskussion um die Behandlung der in § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 VwVfG bezeichneten Fälle ist allerdings noch keineswegs abgeschlossen. Die Gleichbehandlung von Täuschung, Drohung und Bestechung wird in neuerer Zeit zunehmend in Zweifel gezogen, wobei mitunter strengere Anforderungen an ein rechtsmißbräuchliches Verhalten gestellt werden. Von den Verfechtern des Rechtsmißbrauchsgedankens wird aus heutiger Sicht lediglich allgemein anerkannt, soweit ersichtlich, daß die Berufung auf eine durch Gewalt oder Drohung erwirkte Genehmigung rechtsmißbräuchlich ist. Bei der Täuschung hingegen soll nach Auffassung eramers eine Fehlvorstellung des genehmigenden Amtsträgers über entscheidungsrelevante Tatsachen allein nicht ausreichen 391 • Die Täuschung müsse sich auf eine umweltrelevante Tatsache beziehen und der Amtsträger insoweit einem für seine Entscheidung erheblichen Irrtum erliegen. Die Ausnutzung eines vorhandenen Irrtums des Amtsträgers sei nicht rechtsmißbräuchlich. Auch die Bewertung einer durch Bestechung erwirkten Genehmigung ist nicht einheitlich. Lenckner sieht in der Ausnutzung einer durch Bestechung erwirkten Genehmigung kein rechtsmißbräuchliches Verhalten, da auf den Sinn des Genehmigungserfordernisses abgestellt werden müsse und im Falle der Bestechung eine autonome Entscheidung der Behörde nicht ausgeschlossen sei. Der Vorwurf des Rechtsrnißbrauchs könne im Hinblick auf die Erlangung der Genehmigung nur erhoben werden, wenn der Staat sich das Fehlverhalten seiner Organe nicht zurechnen lassen müsse. Im Falle der Bestechung sei der Amtsträger jedoch nicht daran gehindert, nach Recht und Gesetz zu entscheiden. Der Wortlaut des § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 VwVfG stehe einer Ungleichbehandlung von Täuschung 390 So LG Hanau NStZ 1988, 179, 180 f.; OLG Celle ZfW 1987, 126, 128; Schi Sch-Cramer Vorbern. §§ 324 ff. Rdn. 17; Lackner § 324 Rdn. 10; Sack § 324 Rdn. 62 a; Roxin § 17 Rdn. 47; Wesseis BT 1 § 24 I 5; Horn NJW 1981, 1,3; Hill GewArch 1981, 183, 185; Rudolphi ZfW 1982, 197,203; ders. NStZ 1984, 193, 197. 391 Sch I Sch-Cramer Vorbem. §§ 324 ff. Rdn. 17; aA Lenckner, FS Pfeiffer S. 27, 35; Hüwels S. 42 ff.

B. Konzeptionen einer beschränkten Verwaltungsaktsakzessorietät

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und Drohung einerseits und Bestechung andererseits nicht entgegen, da dort eine ganz andere Frage des Vertrauensschutzes in Rede stehe 392. Die Anwendbarkeit des Rechtsmißbrauchsgedankens auf die in § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 geregelten Fälle wird von Teilen der Literatur von Umständen abhängig gemacht, die über die Verwirklichung der Tatbestände Täuschung, Drohung oder Bestechung hinausgehen. Nach Rudolphi muß die Genehmigung ungeachtet der Umstände ihrer Erlangung durch Täuschung, Drohung oder Bestechung rechtsfehlerhaft sein, damit der Vorwurf rechtsmißbräuchlichen Verhaltens erhoben werden könne 393 • Noch strenger stellt Zeitler darauf ab, ob die rechtfertigende Wirkung der Genehmigung mit den Grundprinzipien des Umweltverwaltungsrechts vereinbar sei. Die Art und Weise der Erlangung allein genüge zur Einschränkung der rechtfertigenden Wirkung der fehlerhaften Genehmigung nicht. Entscheidend sei, wie gravierend sich das genehmigte Vorhaben auf die Umwelt und damit das Allgemeinwohl auswirke; die Anwendung des Rechtsmißbrauchsgedankens müsse daher auf Ausnahmefalle beschränkt bleiben 394. b) Die aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben erwirkte Genehmigung (§ 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 VwVfG) Gemäß § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 VwVfG kann der Genehmigungsempfanger Vertrauensschutz nicht beanspruchen, wenn er die Genehmigung aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben erwirkt hat. Daraus wird im strafrechtlichen Schrifttum bisweilen die Folgerung gezogen, die auf diese Weise erlangte Genehmigung könne gleichfalls nicht rechtfertigende Wirkung entfalten 395. Dabei sei positive Kenntnis von der Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Angaben nicht erforderlich. Es genüge, wenn die Behörde aufgrund fahrlässiger Falschangaben die Genehmigung erteile, da bei rechtsgutsbezogenen falschen Angaben das Genehmigungsverfahren seinen vorgesehenen Zweck, ein Unbedenklichkeitsurteil zu treffen, nicht zu erfüllen vermöge. Nach anderer Ansicht kann dem Genehmigungsempfanger nicht vorgehalten werden, fahrlässig falsche Angaben gemacht zu haben, die zur Genehmigungserteilung führten. Anderenfalls sei dem Genehmigungsempfänger das verwaltungsrechtliche Ermittlungsrisiko in vollem Umfang aufgebürdet. Das Untersuchungs392 Vgl. Lenckner, FS Pfeiffer S. 27, 38; ihm folgend Dolde NJW 1988,2329,2334; neuerdings auch Schi Sch-Cramer (24. Aufl.) Vorbem. §§ 324 ff. Rdn. 17 im Gegensatz zur Vorauflage; a. A. die h. M., die den Fall der Bestechung ebenso dem Bereich strafrechtlichen Rechtsmißbrauchs zuordnet, vgl. LG Hanau NJW 1988,571,576; Lackner § 324 Rdn. 10; Horn NJW 1981, 1,3; Rudolphi ZfW 1982, 197,203; ders. NStZ 1984, 193, 197. 393 Rudolphi ZfW 1982, 197, 203; ders. NStZ 1984, 193, 197; ebenso SK-Samson Vor § 32 Rdn. 61. 394 Vgl. Zeitler S. 120 f. 395 Winkelbauer S. 70; SchuckMDR 1986,811,812; vormals auch SK-Horn (3. Aufl.) Vor § 324 Rdn. 7.

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4. Kap.: Die Reichweite der Verwaltungsaktsakzessorietät

risiko trage ausweislich § 24 VwVfG die Verwaltungsbehörde, wobei sie nicht an das Vorbringen der Beteiligten gebunden sei. Daher falle ein Aufklärungsmangel, der nicht zugleich eine Täuschung darstelle, in das Ermittlungsrisiko der Behörde. Unrichtige oder unvollständige Angaben könnten nur als Täuschung im Sinne des § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 VwVfG erfaßt und aus diesem Grunde zur Einschränkung der Rechtfertigung fehlerhafter Verwaltungs akte herangezogen werden 396. c) Positive Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit der Genehmigung (§ 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 VwVfG) Ferner wird rechtsmißbräuchliches Handeln angenommen, wenn der Adressat der Genehmigung ". . . selbst annimmt, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig ist"397. Die Genehmigung als Unbedenklichkeitsbescheinigung habe ihre vertrauensbildende Funktion verloren, wenn und soweit der Bürger über anderweitige, bessere Kenntnisse verfüge. Die h. M. lehnt eine derartige Ausdehnung des Anwendungsbereiches des Rechtsmißbrauchsgedankens ab 398 . Das bloße Ausnutzen einer beim Amtsträger vorhandenen Fehlvorstellung könne nicht als rechtsmißbräuchlich bewertet werden; insoweit treffe den Genehmigungsempfänger keinerlei Verantwortung für die Behördenentscheidung, wie auch dem verwaltungsrechtlichen Untersuchungsgrundsatz zu entnehmen sei. Mit Rechtsmißbrauch könne nicht argumentiert werden, wenn der Genehmigungsempfanger nicht selbst die Rechtfertigungsgrundlage herbeigeführt habe, sondern der Rechtfertigungsgrund einer autonomen Behördenentscheidung entstamme 399. d) Kollusives Zusammenwirken Auch wenn der Aspekt des Rechtsmißbrauchs vorwiegend im Hinblick auf die in § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG genannten Fälle herangezogen wird, sind vereinzelt Bestrebungen erkennbar, den Rechtsmißbrauchsgedanken über den Wortlaut dieser Vorschrift hinaus inhaltlich allgemeiner zu fassen. Danach müsse die Rechtfertigungswirkung der fehlerhaften, aber wirksamen Genehmigung weitergehend zurückgedrängt werden, wenn und soweit Verwaltung und Genehmigungsempfanger ,,kollusiv zusammenwirken" 400. Der Täter könne sich nicht auf eine ErlaubEnsenbach S. 168 f.; Papier NuR 1986, 1,4. 397 LG Hanau NJW 1988, 571, 576 im Anschluß an Winkelbauer S. 70 ff.; ebenso

396

Schuck MDR 1986, 811, 812. 398 Schi Sch-CramerVorbem. §§ 324 Rdn. 17; RudolphiZfW 1982, 197,203; Dölling JZ 1985,461,469; Ensenbach S. 170; Rogall. Amtsträgerstrafbarkeit S. 183. 399 So Ensenbach S. 170. 400 Vgl. LG Hanau NJW 1988, 571, 576; Dölling JZ 1985, 461, 469; Bloy ZStW 100,485,504 hält ein solch weitergehendes Verständnis des Rechtsmißbrauchsgedankens

für "zumindest diskussionswürdig" .

B. Konzeptionen einer beschränkten Verwaltungsaktsakzessorietät

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nis berufen, wenn er sich die Genehmigung im bewußten Zusammenwirken mit der pflichtwidrig handelnden Behörde unter beiderseitiger vorsätzlicher Mißachtung des geltenden Rechts verschafft habe. Insofern verdiene sein Vertrauen auf die strafrechtliche Wirksamkeit der fehlerhaften Genehmigung keinen Schutz. Dagegen wird eingewandt, der Vorwurf der rechtsmißbräuchlichen Erlangung der Genehmigung könne nur erhoben werden, falls Entscheidungsmöglichkeiten der Behörde ausgeschaltet wurden. Im Falle bloßer Kollusion seien der Behörde jedoch weder rechtlich noch faktisch Entscheidungsmöglichkeiten genommen. Der Fall der Kollusion sei nicht dem Genehmigungsempfanger rechtlich anzulasten, solange er sich dabei keiner unlauterer Mittel bediene, sondern allein der pflichtwidrig handelnden Behörde 40l • 2. Die rechtsmißbräuchliche Ausnutzung der Genehmigung

Der Rechtsmißbrauchsgedanke wird nicht auf das frühere Verhalten des Genehmigungsempfangers beschränkt, um die aus § 43 VwVfG resultierende Beachtlichkeit fehlerhafter Verwaltungs akte zu korrigieren, auch wenn im Mittelpunkt der Diskussion die rechtsmißbräuchliche Erlangung der Erlaubnis steht. Die Rechtfertigungswirkung der fehlerhaften Genehmigung wird inhaltlich auch dahingehend eingeschränkt, daß erhebliche Verletzungen strafrechtlich geschützter Rechtsgüter als nicht mehr von der erteilten Genehmigung erfaßt gelten. Insoweit dient das obiter dictum des BGH im Flaschenverschlußfall als Ansatzpunkt 402 • In diesem Zusammenhang ist allerdings ungeklärt, um welche Rechtsgüter es sich handeln soll und ob bereits die Beeinträchtigung von Umweltgütern infolge veralterter und überholter Genehmigungen dem Genehmigungsempfanger strafrechtlich vorgeworfen werden muß. a) Verletzung von Individualrechtsgütern Im Ergebnis besteht Einigkeit darüber, daß eine behördlich genehmigte Handlung als nicht gerechtfertigt angesehen werden kann, sofern sie zu einer erheblichen Verletzung oder konkreten Gefährdung von hochrangigen Individualrechtsgütern führt, d. h. Tötungen oder schweren Körperverletzungen 403 • Der Behörde fehle das Recht, Eingriffe von solcher Tragweite zu gestatten. In jedem Falle sei das Vertrauen in die Rechtfertigungswirkung der Erlaubnis zerstört, wenn 401 So Lenckner, FS Pfeiffer S. 27, 38 f.; im Ergebnis ebenso Rogall, Amtsträgerstrafbarkeit S. 182. 402 Vgl. BGH bei Tiedemann S. 61. 403 Vgl. SK-Horn Vor § 324 Rdn. 12, § 330a Rdn. 9; Dreher / Tröndle § 324 Rdn. 7; Lackner § 324 Rdn. 13; Sack § 324 Rdn. 62 b; Laufhütte / Möhrenschlager ZStW 92, 912, 920; Tiedemann S. 27; Triffterer S. 185; Rogall JZ-GD 1980, 101, 114; Dölling JZ 1985,461,469; Breuer DÖV 1987, 169, 178; ders. NJW 1988,2072,2080; Meurer NJW 1988, 2065, 2070; Heine I Meinberg, 57. DJT, D 51; Schall NJW 1990, 1263, 1267; Otto Jura 1991,308, 313.

9 Scheele

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4. Kap.: Die Reichweite der Verwaltungsaktsakzessorietät

der Genehmigungsinhaber die schwerwiegenden Auswirkungen seines Handeins erkenne. Allerdings könne ein Irrtum über die Auswirkungen bis zur hinreichenden Aufklärung des Sachverhaltes eine Bestrafung des Genehmigungsinhabers ausschließen 404. Umstritten ist, wie die eingeschränkte Rechtfertigungswirkung der wirksamen, aber fehlerhaften Genehmigung dogmatisch begründet werden kann. In diesem Zusammenhang wird vertreten, die Genehmigung entfalte von vorneherein keine Rechtfertigungswirkung 405 • Weitergehend gehen Teile der Literatur davon aus, die Genehmigung sei bei Offensichtlichkeit der schwerwiegenden Auswirkungen nach § 44 Abs. 1 VwVfG oder analog § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG nichtig 406 • Dabei stützen sie sich auf die h. M. im Verwaltungsrecht, die § 44 Abs. 1 VwVfG oder § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG analog auf die Erlaubnis einer strafbaren Handlung anwendet, wenn die Rechtswidrigkeit der Erlaubnis offensichtlich ist 407 • Die wohl h. M. will konkrete Gefährdungen im Sinne der §§ 212, 224, 330 a StGB über den Rechtsmißbrauchsgedanken erfassen. Die Berufung auf die fehlerhafte Genehmigung sei rechtsmißbräuchlich, wenn für den Genehmigungsempfanger erkennbar ist, daß sein Verhalten zu Tötungen oder schweren Körperverletzungen führen kann 408. Teilweise wird über die Fälle von Tötungen und schweren Körperverletzungen hinaus die Rechtfertigungswirkung beschränkt, wenn irgendwelche Individualrechtsgüter betroffen sind, namentlich bei einfachen Körperverletzungen und Sachbeschädigungen. Es könne nicht hinsichtlich der Schwere der Auswirkungen des auf die fehlerhafte Genehmigung gestützten Handeins differenziert werden, da der Staat nicht durch Verwaltungsakt einem Bürger erlauben könne, einen anderen Bürger zu schädigen 409. Nach anderer Auffassung darf die von der genehmigenden Behörde getroffene Interessenabwägung nicht unberücksichtigt Otto Jura 1991,308, 313. SK-Horn Vor § 324 Rdn. 12, § 330a Rdn. 9; Sch / Sch-Cramer § 330a Rdn. 8; Lackner § 324 Rdn. 13; Heine / Meinberg, 57. DJT, D 51; Tiedemann S.27; ebenso 404

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offenbar StA Landau NStZ 1984, 553, 554; vgl. auch BT-Dr 8/2382, S. 25, wonach es eine die in § 330a StGB vorausgesetzten schweren Gefährdungen rechtfertigende Genehmigung nicht geben könne. 406 Vgl. Lenckner, FS Pfeiffer S. 27,36; Winkelbauer NStZ 1988,201,206. 407 Vgl. für § 44 Abs. 1 VwVfG bei Offensichtlichkeit Stelkens / Bonk / LeonhardtStelkens / Sachs § 44 Rdn. 77; Knack-Klappstein § 44 Rdn. 5.5; ebenso Hüwels S. 40; weitergehend für § 44 Abs. 2 Nr. 5 analog Kopp, VwVfG, § 44 Rdn. 43; Ostendorf JZ 1981, 165, 179; aA Obermayer § 44 Rdn. 96, der bei der Anwendung des § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG aufVerwaltungsakte, die eine strafbare Handlung nur gestatten, aber nicht verlangen, Gesetzeswortlaut und Schutzzweck der Norm verletzt sieht. 408 Vgl. BGH bei Tiedemann S. 61 passim; LG Bonn NStZ 1987,461; StA Mannheim NJW 1976, 586; Horn NJW 1981, 1, 3; Dölling JZ 1985,461,469; Bloy ZStW 100, 485, 501 f.; Otto Jura 1991, 308, 313; Lenckner, FS Pfeiffer S.27, 36, sofern die Nichtigkeitsschwelle nicht erreicht ist. 409 Vgl. SK-Horn Vor § 324 Rdn. 12; Tiedemann S. 25; Triffterer S. 180; Rudolphi, FS Lackner S. 863, 881; Winkelbauer NStZ 1988,201,204.

B. Konzeptionen einer beschränkten Verwaltungsaktsakzessorietät

131

bleiben. Einfache Körperverletzungen und Sachbeschädigungen sollen von der Rechtfertigungswirkung der fehlerhaften Genehmigung jedenfalls dann nicht ausgenommen sein, soweit die Behörde diese Risiken bedacht habe und der abschließenden Entscheidung zugrundelegen dürfe 41O • b) Verletzung von überindividuellen Rechtsgütern Die Reichweite der Legalisierungswirkung der fehlerhaften Genehmigung soll nach Ansicht von Teilen der Rechtsprechung und der Literatur nicht allein durch die Beeinträchtigung von Individualrechtsgütern begrenzt sein. Eine Grenze ergebe sich insbesondere aus dem mit Hilfe des Strafrechts erstrebten Schutz der Umwelt. Der Verwaltungsakt sei dahingehend auszulegen, daß er nicht gleichsam entgegen dem mit dem Genehmigungsverfahren intendierten Zweck die Beeinträchtigung wesentlicher Umweltrechtsgüter rechtfertigen könne, namentlich die Beschädigung lebenswichtiger Eigenschaften eines Gewässers oder des Wasserhaushaltes 411 • Dölling sieht bezogen auf § 324 StGB zudem eine mißbräuchliche Rechtsausübung in Form übermäßigen Eigennutzes verwirklicht, wenn der Genehmigungsinhaber Vorteile erlangt, die zu den Nachteilen anderer Benutzer des Gewässers außer Verhältnis stehen 412 • Unter dem Blickwinkel des Schutzes der Umweltrechtsgüter ist auch die Auffassung zu sehen, die eine Berufung auf offensichtlich veraltete und überholte Genehmigung als rechtsmißbräuchlich bezeichnet, da eine solche Genehmigung den mit ihr verfolgten Zweck nicht mehr erfülle 413 • 11. Das subjektive Rechtfertigungselement

Teile der Literatur wollen eine Korrektur der strikten Verwaltungsaktsakzessorietät bereits unmittelbar auf Unrechtsebene anbringen. Auf das Rechtsmißbrauchsprinzip als ultima ratio könne verzichtet werden, wenn der Rechtfertigungsgrund der behördlichen Genehmigung schon nicht Platz greife, sei es von objektiver, sei es von subjektiver Seite her. Da entsprechend der ganz h. M. ein Rechtfertigungsgrund auch eine subjektive Kompetente habe, müsse namentlich bei dolos erlangten Genehmigungen auf das subjektive Rechtfertigungselement abgestellt werden 414. Das subjektive Rechtfertigungselement fehle, wenn der Bürger im Zeitpunkt des Erlasses der Genehmigung positive Kenntnis von der 410 Vgl. StA Landau NStZ 1984,553,554; Lackner § 324 Rdn. 13; Brandts JA 1985, 306,307. 411 Vgl. LG Bonn NStZ 1987,461; StA Mannheim NJW 1976,585,586; Dölling JZ 1985,461,469; wohl auch Winkelbauer JuS 1988,691,694, der es für "erwägenswert" hält, auf den Gedanken der unzulässigen Rechtsausübung auch bei einer Beeinträchtigung von überindividuellen Rechtsgütem zurückzugreifen. 412 Dölling JZ 1985, 461, 469. 413 StA Mannheim NJW 1976,585,586; Heine I Meinberg, 57. DJT, D 50. 414 LK-Steindorf § 324 Rdn. 92; Gröger S. 23; Mumberg S. 62 ff., 86.

9*

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4. Kap.: Die Reichweite der Verwaltungsaktsakzessorietät

Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes hatte, namentlich bei durch Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkten Genehmigungen. Denn insoweit übe er das genehmigte Verhalten nicht im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Genehmigung aus 415 • Zu anderen Ergebnissen als die Rechtsmißbrauchslösung der h. M. führt dieser Lösungsweg freilich nicht, zumal SteindorJhilfsweise auf den Rechtsmißbrauchsgedanken abstellt, sollte man einen Rechtfertigungswillen des Genehmigungsinhabers bejahen 416 •

111. Die Beschränkung der Rechtfertigungswirkung unter dem Vorbehalt der Rücknahme der Genehmigung

Eine im Vordringen begriffene Meinung will die Möglichkeit, die Rechtfertigungswirkung der Genehmigung einzuschränken, von der Rücknahme der Genehmigung durch die Verwaltungsbehörde abhängig machen. Im Ansatz folgt sie der Rechtsmißbrauchslösung, so daß sich hinsichtlich der Anwendungsfalle keine Unterschiede ergeben. Die Einschränkung der Rechtfertigungswirkung wird im Unterschied zur herkömmlichen Auffassung erst auf der Ebene der Strafbarkeit berücksichtigt. Der Vorwurf rechtsmißbräuchlicher Berufung auf die Genehmigung könne nur erhoben werden, wenn die Verwaltungsbehörde die Erlaubnis mit Wirkung ex tunC zurückgenommen hat, da dem Verwaltungsrecht, das eine fehlerhafte Genehmigung als wirksam ansieht, Rechnung getragen werden müsse. Der Widerspruch, das das Strafrecht etwas verbiete, was das Verwaltungsrecht bis zur Rücknahme der Genehmigung erlaube, könne in seinen praktischen Konsequenzen nur durch einen Kompromiß abgemildert werden. Dieser Kompromiß drücke sich strafrechtssystematisch dadurch aus, daß die Rücknahme der Genehmigung als objektive Bedingung der Strafbarkeit zu behandeln sei 417. IV. Umfassende Nichtigkeitsgründe im Strafrecht

Einen derartigen Kompromiß lehnt Rengier ebenso ab wie die Rechtsmißbrauchslösung. Aus verfassungsrechtlichen Gründen komme nur eine strenge Akzessorietätslösung in Betracht. Die Rechtsmißbrauchslösung verstoße gegen Art. 103 Abs. 2 GG, der nicht nur für tatbestandsausschließende, sondern auch für rechtfertigende Genehmigungen gelte 418 • Dadurch würden entgegen den BeVgl. Gröger S. 23. LK-Steindorf § 324 Rdn. 92. 417 Grundlegend Lenckner, FS Pfeiffer S.27, 39 ff.; Schi Sch-Lenckner Vorbern. §§ 32 ff. Rdn. 63; ihm folgend Breuer NJW 1988,2072,2080; Dolde NJW 1988,2329, 2334; Winkelbauer NStZ 1988,201,205; Tiedemann / Kindhäuser NStZ 1988,337, 344; Bloy ZStW 100,485,504 FN 78; Keller, FS Rebmann S. 241, 249 ff.; neuerdings auch Sch I Sch-Cramer (24 Aufl.) Vorbem. §§ 324 Rdn. 17 und Lackner § 324 Rdn. 10. 418 Rengier ZStW 101, 874, 888 ff. 415

416

B. Konzeptionen einer beschränkten Verwaltungsaktsakzessorietät

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denken der h. M. keine Stratbarkeitslücken entstehen, da Abhilfe über die Nichtigkeitsregelungen der § 44 Abs. 2 Nr. 5 und 6 VwVfG oder die Reichweite der Legalisierungswirkung der Genehmigung geschaffen werden könne. Aus § 44 Abs. 2 Nr. 5 und 6 VwVfG folge, daß ein Verwaltungsakt bei einem besonders schwerwiegenden Fehler und bei Kenntnis der Beteiligten bezüglich der Rechtswidrigkeit der Genehmigung nichtig sei. Insbesondere die Fälle der Drohung und Bestechung, darüber hinaus aber auch jeglicher Fall kollusiven Zusammenwirkens habe die Nichtigkeit der Genehmigung zur Folge. Der Wortlaut des § 48 VwVfG stehe nicht entgegen, da das Verwaltungsrecht das Konkurrenzverhältnis zwischen § 48 VwVfG und den Nichtigkeitsgründen des § 44 VwVfG offengelassen habe 419 • Das Sanktionsbedürfnis bei der erschlichenen Genehmigung werde dadurch relativiert, daß die Täuschung die Reichweite der Genehmigung beeinflussen könne. Die erschlichene Genehmigung könne nicht rechtfertigen, wo sich ihr Regelungsgegenstand ausdrücklich oder konkludent in hinreichend bestimmter Weise auf die (falschen) Antragsangaben beziehe 420 • Zusammenfassend redet Rengier einer weitgehend an den Kategorien des Verwaltungsrecht (Nichtigkeit, Legalisierungswirkung) orientierten Problemlösung im Strafrecht das Wort. V. Beteiligung an der Straftat des Amtsträgers

Nach Jakobs entfaltet auch die durch Täuschung oder sonst auf verwerfliche Weise erlangte Genehmigung rechtfertigende Wirkung 421 • Gleichwohl bleibe der Genehmigungsinhaber nicht straflos. Indem der Genehmigungsinhaber auf die Genehmigungserteilung durch den Amtsträger aufgrund Täuschung oder Drohung hinwirkt, bediene er sich eines Werkzeugs, so daß der Genehmigungsinhaber als mittelbarer Täter zu bestrafen sei. Nicht der Gebrauch der Genehmigung, sondern deren Erzeugung sei tatbestandsmäßig und rechtswidrig 422 • VI. Keine strafrechtliche Korrektur der durch § 43 VwVfG vorgegebenen Rechtfertigungslösung

Vereinzelt wird Rengier vorgeworfen, er halte den von ihm eingeschlagenen Lösungsweg nicht konsequent durch, wenn er die Rechtsmißbrauchslösung für verfassungsrechtlich untragbar hält. Die Etablierung von Nichtigkeitsgründen zur Vermeidung von Stratbarkeitslücken lasse sich mit dem Wortlaut des § 48 VwVfG nicht vereinbaren. Eine Lösung habe allein von den Vorgaben des Verwaltungsrechts auszugehen, insbesondere von der Reichweite der Legalisie419

420 421 422

Rengier ZStW 101,874, 897 f. Vgl. Rengier ZStW 101, 874, 900 ff. Jakobs 16/29 a; ähnlich bereits Hüwels S. 46. Jakobs 16/29a i. V. m. FN 50.

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4. Kap.: Die Reichweite der Verwaltungsaktsakzessorietät

rungswirkung der Genehmigung. Im übrigen könne dem Sanktionsbedürfnis auf der Grundlage der §§ 240, 331 ff. StGB Rechnung getragen werden 423.

c. Eigene Lösung I. Methodische Analyse der zur Einschränkung der Rechtfertigungswirkung fehlerhafter Verwaltungsakte vorgetragenen Lösungen

Die ganz h. M. geht von der Prämisse aus, das Strafrecht müsse aus Gründen der Billigkeit Korrekturen an dem Grundsatz anbringen, die Wirksamkeit fehlerhafter Verwaltungsakte infolge der verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorgabe des § 43 VwVfG anzuerkennen. Aus diesem Grunde werden diverse Konstruktionen herangezogen, die die Einschränkung der Rechtfertigungswirkung der Genehmigung strafrechtsdogmatisch absichern sollen, insbesondere der Rechtsmißbrauchsgedanke. Methodisch erfolgt die Problemlösung damit aus strafrechtlicher Sicht und mit strafrechtlichen oder zumindest interdisziplinären Rechtsinstituten. Vor diesem Hintergrund bleibt regelmäßig unerörtert, ob und bejahendenfalls inwieweit das Verwaltungsverfahrensrecht eine im Strafrecht bevorzugte Korrektur der Reichweite der behördlichen Genehmigung zuläßt. Gleiches gilt, wenn auch nicht in demselben Maße, für die verfassungsrechtliche Determinierung der Wirksamkeit fehlerhafter Verwaltungsakte; insoweit dient Art. 103 Abs. 2 GG als Prüfungsmaßstab, ob eine Rechtsmißbrauchslösung oder vergleichbare Erwägungen im Hinblick auf das verwaltungsrechtliche Wirksamkeitsdogma fehlerhafter Verwaltungsakte deren Funktion in verfassungsrechtlich akzeptabler Weise zu reduzieren vermögen. Wenn die angestrebte Korrektur von vorneherein mit strafrechtlichen Mitteln versucht wird, ist der Ansatz methodisch angreifbar. Der Gesetzgeber hat die Verwaltungsakzessorietät, insbesondere die Verwaltungsaktsakzessorietät im Umweltstrafrecht etabliert. Mithin kann zunächst nur das Verwaltungsrecht daraufhin untersucht werden, ob in den von der h. M. angeführten Rechtsmißbrauchsfällen die Reichweite der Genehmigung berührt ist. Eine Korrektur hat auf der Basis des Verwaltungsverfahrensrechts zu erfolgen. Wenn dann positiv festgestellt ist, daß von verwaltungsverfahrensrechtlicher Seite die Reichweite der Genehmigung einer - strafrechtlichen - Korrektur zugänglich ist, kann der Frage nachgegangen werden, in welchen Fällen die Rechtfertigungswirkung der Genehmigung eingeschränkt werden kann und wie dies dogmatisch einwandfrei im Deliktsaufbau zu berücksichtigen ist. Zuvorderst muß geklärt werden, ob das

423 Vgl. Rogall. FS Universität Köln S.505, 527; ders., Amtsträgerstrafbarkeit S. 180 ff.; Ossenbühl DVBI 1990, 963, 972 f.; ders. / Huschens UPR 1991, 161, 167; im Ergebnis ebenso Schröder VVDStRL 50, 196,225; kritisch zur Rechtsmißbrauchslösung auch SK-Horn Vor § 324 Rdn. 16; ders. / Hoyer JZ 1991,703.

C. Eigene Lösung

135

Verfassungsrecht als oberste Rechtsquelle im Rahmen der Normenhierarchie einen Beitrag zur Problemlösung zu leisten vermag. 11. Die Bedeutung des Bestimmtheitsgrundsatzes (Art. 103 Abs. 2 GG) für die Korrektur der Reichweite fehlerhafter Genehmigungen

Die herkömmliche Auffassung 424 hält die Unterscheidung zwischen tatbestandsauschließender und rechtfertigender Genehmigung für irrelevant für die Fragestellung, ob die Wirksamkeit rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte aufgrund der Lehre vom Rechtsrnißbrauch begrenzt werden kann. Otto verweist hierzu darauf, es sei kein qualitativer Unterschied zwischen den unrechtstypischen Merkmalen des gesetzlichen Tatbestandes und den Merkmalen eines Rechtfertigungsgrundes erkennbar. Vielmehr seien Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit als einheitliche Wertungsstufe im Unrechtstatbestand anzusehen, wobei letztlich der Zufall in Form der gesetzgeberischen Formulierungskunst über die Zuordnung zum Tatbestand oder der Rechtswidrigkeit entscheide 425 • Im übrigen werden im Schrifttum mitunter ohne nähere Begründung tatbestandsauschließende und rechtfertigende Genehmigung im Hinblick auf den Mißbrauchsgedanken gleichbehandelt 426. Der vorgenannten Argumentation ist zuzugeben, daß es gemessen an der entscheidenden Frage, ob ein bestimmtes Verhalten gesetzlich vertyptes und damit strafbares Unrecht darstellt, die Einordnung der behördlichen Genehmigung von untergeordneter Bedeutung ist. Für die Unrechtsverwirklichung, nicht für das Unwerturteil, spielt es keine Rolle, ob sich die behördliche Genehmigung auf Tatbestands- oder Rechtfertigungsebene auswirkt. Insofern ist der herkömmliche Lösungsansatz durchaus konsequent. Gleichbehandlung indiziert jedoch, daß die in Rede stehenden Fallgruppen nicht aus sachgerechten Gründen notwendigerweise unterschiedlich eingeordnet werden müssen. Eine unterschiedliche Einordnung könnte aus dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) resultieren. Sofern im Rahmen der §§ 324 ff. StGB die Verbindung von Strafrecht und Verwaltungsrecht auf Tatbestandsebene hergestellt wird, gilt uneingeschränkt das Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG. Winkelbauer und Lenckner haben aus der Gesetzesfassung der §§ 325 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4, 327 Abs. 1 StGB, die ausdrücklich ein Handeln "ohne erforderliche Genehmigung" verlangen, die Verletzung des Gesetzlichkeitsprinzips gefolgert, wenn über die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes hinaus zusätzliche Anforderungen an die Beachtlichkeit tatbestandsausschließen424 LG Hanau NStZ 1988, 179, 180; Horn NJW 1981, 1,3; Hili GewAreh 1981, 183, 185; Rudolphi ZfW 1982, 197,203; ders. NStZ 1984, 193, 197. 425 Vgl. Ouo Jura 1991,308,313. 426 SK-Samson Vor § 32 Rdn. 61; Sack § 32~ Rdn. 62a.

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4. Kap.: Die Reichweite der Verwaltungsaktsakzessorietät

der Genehmigungen gestellt werden, sei es hinsichtlich ihrer materiellen Rechtmäßigkeit, sei es hinsichtlich der Art und Weise ihrer Erlangung 427 • Sofern auf die unlautere Erlangung einer tatbestandsausschließenden Genehmigung abgestellt wird, sieht Lenckner darin eine die Grenzen des Wortlauts überschreitende teleologische Reduktion zu Lasten des Täters 428. Der vorgenannten Auffassung ist insoweit zuzustimmen, als die Grenze zulässiger Auslegung des Gesetzes der noch mögliche Wortsinn ist 429 • Der noch mögliche Wortsinn ist überschritten, wenn im Rahmen eines Tatbestandes, der explizit ein Handeln ohne Genehmigung unter Strafe stellt, nicht die Existenz einer Genehmigung genügen soll, um den Tatbestand auszuschließen. Der Gesetzgeber gibt mit der Formulierung "ohne die erforderliche Genehmigung" zu verstehen, daß eine erteilte Genehmigung den Tatbestand ausschließen soll, und zwar unabhängig von ihrer materiellen Rechtmäßigkeit oder der Art und Weise ihrer Erlangung. Dies folgt nicht zuletzt aus der amtlichen Begründung, in der klargestellt wird, daß die aus dem Verwaltungsrecht entlehnten Begriffe in ihrem Bedeutungsgehalt ihrer Herkunft entsprechend bestimmt sind 430. Gerade die Existenz des Verwaltungsaktes ist angesichts der Regelungen des Verwaltungsverfahrensrechtes (§§ 43, 48 VwVfG) aber unabhängig davon zu bestimmen, auf welche Weise der Adressat die Genehmigung erwirkt hat; die bloße Aufhebbarkeit ist diesbezüglich irrelevant. Wenn die Genehmigung nach verwaltungsrechtlichen Kategorien wirksam ist, liegt nach dem allein entscheidenden Wortsinn kein Handeln ohne Genehmigung vor. Eine Gleichstellung der mißbräuchlich erlangten Genehmigung und des Fehlens einer Genehmigung kann daher wegen des Gesetzlichkeitsprinzips im Strafrecht (Art. 103 Abs. 2 GG) nicht erfolgen. Eventuelle ergebnisorientierte Bedenken, der Umweltdelinquent werde trotz Umweltgefährdung aufgrund einer erschlichenen, materiell rechtswidrigen Genehmigung von Strafe freigestellt, vermögen angesichts der Formulierung der Straftatbestände daran nichts zu ändern. Festzuhalten ist jedoch, daß damit ohne weiteres nur die Straftatbestände des Umweltstrafrechts erfaßt sind, die nach Inkrafttreten des 2. UKG noch explizit auf ein Handeln ohne die erforderliche Genehmigung als Tatbestandsvoraussetzung abstellen. Im Gegensatz zu § 325 Abs. 4 StGB ist in der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Legaldefinition der verwaltungsrechtlichen Pflicht (§ 330 d Nr. 4 StGB) das Handeln gegen die erforderliche Genehmigung nicht ausdrücklich enthalten 431 ; ein Handeln ohne die erforderliche Genehmigung wird mit 427 Vgl. Winkelbauer S. 67; Lenckner, FS Pfeiffer S. 27,33 f.; ihnen folgend Schi Sch-Cramer Vor § 324 Rdn. 17; Rengier ZStW 101, 874, 885; Ensenbach S. 115 f. 428 Lenckner, FS Pfeiffer S. 27, 34. 429 BGHSt 3, 259, 262; 14, 116, 118; Sch I Sch-Eser § 1 Rdn. 37; SK-Rudolphi § 1 Rdn. 29 m. w. N. 430 Vgl. BT-Dr 8/2382, S. 10. 431 Zur Legaldefinition der Bundesregierung s. o. FN 32.

C. Eigene Lösung

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Inkrafttreten des 2. UKG lediglich in den §§ 326 Abs. 2, 327 Abs. 1, 2, 328 Abs. 1 StGB ausdrücklich unter Strafe gestellt. Der These, die neue Legaldefinition der "verwaltungsrechtlichen Pflichten" müsse im Vergleich zur alten Fassung abweichend beurteilt werden, könnte man entgegengehalten, die Genehmigungspflicht eines bestimmten Vorhabens folge aus den Umweltverwaltungsgesetzen und deren Einhaltung sei mithin eine verwaltungsrechtliche Pflicht im Sinne des vorgeschlagenen § 330 d Nr. 4 StGB. Indes, ob das Handeln ohne die erforderliche Genehmigung eine Verletzung einer verwaltungsrechtlichen Pflicht darstellt, ist eine Frage der Umsetzung der Umweltschutzgesetze. Zwar ist in diesem Zusammenhang an die verwaltungsrechtliche Wirksamkeit fehlerhafter Verwaltungsakte anzuknüpfen, was die Rechtsmißbrauchslehre nicht in Abrede stellt. Die Neufassung "unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten" leistet jedoch keinen Beitrag zu der Fragestellung, inwieweit die strafrechtliche Relevanz der fehlerhaften Genehmigung mittels Rückgriff auf den Rechtsmißbrauchsgedanken begrenzt werden kann. Wenn gegen die Rechtsmißbrauchslehre auf Tatbestandsebene argumentiert wird, so soll damit allein der Wortlaut "ohne die erforderliche Genehmigung" umgesetzt werden. Fehlt diese Formulierung, ist es auf der Grundlage des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht verwehrt, rechtsmißbräuchlich erlangten Genehmigungen auf Tatbestandsebene die strafrechtliche Anerkennung zu versagen. Die im Vordringen begriffene Auffassung, der Rechtsmißbrauchsgedanke könne bei einem strafbewehrten Handeln "ohne erforderliche Genehmigung" nicht zur Anwendung gelangen, kann folglich nicht auf das Merkmal "unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten" in der Fassung des Regierungsentwurfs (§ 330 d Nr. 4 StGB) erstreckt werden. Gleiches gilt für das allgemeine Rechtswidrigkeitsmerkmal "unbefugt" im Rahmen der §§ 324, 326 StGB. Das Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG ist nicht verletzt. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob bereits die Anwendung auf die behördliche Genehmigung daran scheitert, daß es sich um einen außerstrafrechtlichen Rechtfertigungsgrund handelt 432 , oder ob Art. 103 Abs. 2 GG generell auf Rechtfertigungsgründe unanwendbar ist 433 • In jedem Falle steht Art. 103 Abs. 2 GG einer wie auch immer gearteten Korrektur der Rechtfertigungswirkung der behördlichen Genehmigung nicht entgegen, wenn eine Strafbarkeit des Genehmigungsinhabers nach den §§ 324, 326 StGB in Rede steht. Daran ändert auch die unlängst von Rengier vertretene Lösung nichts. Rengier plädiert dafür, das Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG entgegen der h. M. auch auf rechtfertigende behördliche Genehmigungen zu erstrecken und die Mißbrauchsthese bereits aus diesem Grunde zu verwerfen 434 • Die Argumenta432 Vgl. zur Unanwendbarkeit des Art. 103 Abs. 2 GG auf außerstrafrechtliche Rechtfertigungsgründe LK-Hirsch Vor § 32 Rdn. 39; SK-Rudolphi § 1 Rdn. 25 a; Sch / SchEser § 1 Rdn. 14 a; Engels GA 1982, 109, 120. 433 LK-Tröndle § 1 Rdn. 38; Sch / Sch-Lenckner Vorbem. §§ 32 ff. Rdn. 25.

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4. Kap.: Die Reichweite der VerwaItungsaktsakzessorietät

tion Rengiers ist indes nicht auf das Merkmal "unbefugt" im Sinne der §§ 324, 326 StGB übertragbar, wie er selbst einräumt 435 • Über die Anwendbarkeit des Rechtsmißbrauchsgedankens in Anbetracht des strafrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzips entscheidet allein der Gesetzeswortlaut. Die Formulierung "unbefugt" läßt durchaus eine Interpretation zu, die unbefugtes Verhalten mit einer rechtsmißbräuchlichen Erlangung oder Ausnutzung einer umweltrechtlichen Genehmigung gleichsetzt. Die Konzeption Rengiers ist daher allenfalls außerhalb des Umweltstrafrechts von Bedeutung. Zusammenfassend ist im gegenwärtigen Umweltstrafrecht kein Raum für eine Ablehnung der herrschenden Rechtsmißbrauchslehre wegen des Gesetzlichkeitsprinzips (Art. 103 Abs. 2 GG), sofern rechtfertigende Genehmigungen in Rede stehen. Art. 103 Abs. 2 GG muß aber bei tatbestandsausschließenden Genehmigungen beachtet werden, falls der Gesetzgeber explizit ein Handeln ohne die erforderliche Genehmigung unter Strafe gestellt hat. In allen übrigen Fällen leistet Art. 103 Abs. 2 GG keinen Beitrag dazu, ob die strafbarkeitsauschließende Wirkung einer fehlerhaften Genehmigung beschränkt werden kann.

III. Die Übertragbarkeit des Rechtsmißbrauchsgedankens in das Umweltstrafrecht

Die h. M. geht ohne nähere Erörterung davon aus, daß der Rechtsmißbrauchsgedanke als Korrektiv der Beachtlichkeit fehlerhafter Erlaubnisse herangezogen werden kann. Sie stützt sich dabei auf die Anwendung des Rechtsmißbrauchsgedankens zur Begrenzung des Notwehrrechts und folgert daraus die Allgemeingültigkeit des Rechtsmißbrauchsprinzips für das Strafrecht. Ob diese These in dieser Form für das Umweltstrafrecht aufrechterhalten werden kann bzw. ob nicht ein verwaltungsakzessorisches Umweltstrafrecht eine andere, differenzierte Sichtweise erfordert, soll im folgenden erörtert werden. Zu diesem Zweck soll vorab die Bedeutung und Funktion des Rechtsmißbrauchsgedankens in den einzelnen Teilrechtsordnungen dargestellt werden. 1. Die Bedeutung des Rechtsmißbrauchsgedankens als Korrektiv in den Teilrechtsordnungen

a) Die zivilrechtliehe Herkunft des Rechtsmißbrauchsgedankens Der Rechtsmißbrauchsgedanke ist zivilrechtlicher Herkunft und wird dort von der h. M. als Fallgruppe des § 242 BGB behandelt 436 • Im einzelnen haben sich Rengier ZStW 101, 874, 888 ff. Vgl. Rengier ZStW 101, 874, 890 zu § 324 StGB ("unbefugt"). 436 MünchKomm-Roth § 242 Rdn. 224 ff.; Palandt-Heinrichs § 242 Rdn. 38 ff.; aA Soergel-Teichmann § 242 Rdn. 12 ff. (eigenständiges Rechtsinstitut neben Treu und 434 435

Glauben).

C. Eigene Lösung

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verschiedene Fallgruppen und vielfältige Untergruppen herausgebildet, die für die Anwendung des Rechtsmißbrauchsgedankens kennzeichnend sind und zum Teil auch auf die Beurteilung einer behördliche Genehmigung übertragen werden 437 • Zu nennen sind in dem hier interessierenden Zusammenhang insbesondere der unredliche Erwerb der eigenen Rechtsstellung und das Fehlen eines schutzwürdigen Eigeninteresses 438 • Typisch für den Umgang des Zivilrechts mit dem Gedanken des Rechtsrnißbrauchs ist, daß das konkrete Ergebnis mit dem Rechtsmißbrauchsgedanken oder einer daraus abgeleitenden Fallgruppe begründet wird, das jeweilige Ergebnis im wesentlichen aber aus einer eigenen Wertung des Rechtsanwenders resultiert. Mit anderen Worten, der Gedanke des Rechtsrnißbrauchs vermittelt die allgemein anerkannte Wertung, daß ein Rechtsrnißbrauch mißbilligenswert und damit zivilrechtlich keine anerkannte Re"~htsposition begründen kann, nicht aber, wann in concreto von einem Rechtsrnißbrauch auszugehen ist. So stellt die Rechtsprechung bezeichnenderweise klar, daß es keinen Rechtsgrundsatz mit dem Inhalt gebe, nur derjenige könne Rechte geltend machen, der sich selbst rechtstreu verhalten habe 439. Auch wenn das Zivilrecht unterschiedliche Fallgruppen zu systematisieren vermag, ist damit für eine transparente Zuordnung eines bestimmten Verhaltens in den Bereich des Rechtsrnißbrauchs nichts gewonnen. Es stehen keine subsumtionsfähigen Tatbestände zur Verfügung, die namentlich für das Strafrecht eine vorhersehbare Handhabung der Fallgruppen gewährleisten. Vielmehr ist die Anwendung des Rechtsmißbrauchsgedankens Wertungen im Einzelfall unterworfen. b) Der Rechtsmißbrauchsgedanke im öffentlichen Recht Da die Frage der auf den Rechtsmißbrauchsgedanken gestützten Beschränkung der Rechtfertigungswirkung fehlerhafter Genehmigungen nicht isoliert vom Verwaltungsrecht beurteilt werden kann, darf die Bedeutung des Rechtsmißbrauchsgedankens im öffentlichen Recht nicht vernachlässigt werden. Allgemein wird der Rechtsmißbrauchsgedanke als ein in der gesamten Rechtsordnung geltendes Rechtsinstitut angesehen 440. Das BVerwG greift auf den Rechtsmißbrauchsgedanken insbesondere im Rahmen der Beurteilung verwaltungsrechtlicher Verträge zurück 441 • Die Auseinandersetzung des BVerwGs mit dem Mißbrauchsgedanken 437 Vgl. zur Übertragung zivilrechtlicher Denkmuster auf die behördliche Genehmigung Lenckner, FS Pfeiffer S. 27, 35 f.; Dölling JZ 1985,461,465. 438 Vgl. zu den einzelnen Fallgruppen die Übersicht bei Palandt-Heinrichs § 242 Rdn. 42 ff. 439 BGH NJW 1971, 1747; BAG DB 1974, 2355, 2357; Palandt-Heinrichs § 242 Rdn.46. 440 Vgl. MünchKomm-Roth § 242 Rdn. 242; Soergel-Teichmann § 242 Rdn. 97; zur Geltung des Rechtsmißbrauchsgedankens im Verfassungsrecht NdsStGH NJW 1985, 2319,2320 f. 441 Vgl. BVerwG NJW 1974,2247,2248; BVerwGE 55,337; ebenso OVG Münster DVBl. 1978, 305.

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4. Kap.: Die Reichweite der Verwaltungsaktsakzessorietät

ist in diesem Zusammenhang allerdings nicht richtungsweisend für das gesamte öffentliche Recht, da sich die Rechtmäßigkeit öffentlichrechtlicher Verträge ausweislich § 59 Abs. 1 VwVfG nach zivilrechtlichen Vorschriften richtet, so daß auch der zivilrechtliehe Rechtsmißbrauchsgedanke Eingang finden kann. Bemerkenswert in dem hier interessierenden Problemkreis ist die Auffassung Kopps zur Reichweite der Bindungswirkung von Verwaltungsakten. Kopp verneint die Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten in Fällen des Rechtsrnißbrauchs, worunter er namentlich den durch Täuschung erlangten Verwaltungsakt subsumiert 442 • Soweit die Bedeutung des Rechtsmißbrauchsgedankens im öffentlichen Recht untersucht wird,owird auch unterstrichen, das Mißbrauchsverbot könne im öffentlichen Recht keine absolute Geltung beanspruchen. Vielmehr seien die Eigengesetzlichkeiten des öffentlichen Rechts zu berücksichtigen, insbesondere das rechts staatliche Gebot, die öffentlichrechtlichen Kompetenzen exakt einzuhalten; daraus resultiere mitunter eine engere Handhabung des Rechtsmißbrauchsgedankens 443. Der - vermeintliche - eingeschränkte Anwendungsbereich des Rechtsmißbrauchsgedankens findet in einer Entscheidung des Niedersächsichen Staatsgerichtshofs aus dem Jahre 1985 ihren Niederschlag. Das Gericht hatte über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines kollektiven Mandatsverzichtes zum Zwecke der Rotation innerhalb einer Landtagsfraktion zu befinden. Der Niedersächsische Staatsgerichtshof sah in der Inanspruchnahme des verfassungsmäßigen Rechts auf Mandatsverzicht einen Rechtsrnißbrauch; gleichwohl stellte es fest, "eine wegen Rechtsrnißbrauchs unzulässige Rechtsausübung (sei) nicht stets unwirksam"444. In der Tat wird man die Eigengesetzlichkeiten des öffentlichen Rechts berücksichtigen müssen, wenn man den Anwendungsbereich des Mißbrauchsprinzips untersucht. Das öffentliche Recht stellt Regelungen für das Zusammenleben aller Staatsbürger auf. Selbst die Umsetzung des Verwaltungsrechts geht nicht in bilateralen Rechtsbeziehungen zwischen Bürger und Staat auf. So konkretisiert die Genehmigung den Pflichtenkreis des Bürgers für und gegen jedermann im Rahmen eines Subordinationsverhältnisses, so daß betroffene Bürger auf den Klageweg verwiesen sind. Der Rechtsmißbrauchsgedanke hingegen ist wegen seiner zivilrechtlichen Herkunft zunächst auf bilaterale Rechtsverhältnisse ausgerichtet, wobei die Vertragspartner einander individuelle Rechtspositionen begründen. Der Anwendung des Rechtsmißbrauchsgedankens kommt insoweit eine Schutzfunktion gegenüber den Parteien zu, als diese nicht an den privatrechtlichen Anspruch der anderen Partei gebunden sein sollen. Es stellt sich aber die Frage, ob der Staat eines solchen Schutzes bedarf, wenn er allseits verbindliche und eventuell aufhebbare Rechtspositionen verleiht, zumal deren Verbindlichkeit aus 442

443

Kopp, VwVfG, Vorbem. § 35 Rdn. 27. Vgl. Soergel-Teichmann § 242 Rdn. 97, 99.

444 NdsStGH NJW 1985,2319,2321.

C. Eigene Lösung

141

dem verfassungsrechtlich unterfangenen Prinzip der Rechtssicherheit resultiert. Aus diesem Grunde steht nicht apriori fest, daß die auf Rechtsrnißbrauch gegründete Einschränkung eines zwischen Privatpersonen begründeten Rechts auch bei hoheitlich erteilten Rechten durchgreift, auch wenn dies in der Sache dem Gerechtigkeitsgedanken entspricht. Vielmehr ist im Einzelfall zu entscheiden, ob aus der Anwendung des Rechtsmißbrauchsgedankens notwendig die Unbeachtlichkeit des als mißbräuchlich bezeichneten Verhaltens im öffentlichen Recht folgt. Wer die Eigengesetzlichkeiten des öffentlichen Rechts und ihre Auswirkungen auf das Rechtsmißbrauchsprinzip anerkennt, wird sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, inwieweit in einem verwaltungsakzessorischen Umweltstrafrecht mit dem Rechtsmißbrauchsgedanken argumentiert werden kann. Da die h. M. darauf nicht eingeht, ist sie vorab auf dieser Grundlage zumindest dem methodischen Einwand ausgesetzt, ihre Auffassung in dieser Hinsicht argumentativ nicht abgesichert zu haben. Freilich ist damit keine Aussage über die dogmatische Berechtigung getroffen, die Reichweite der behördlichen Genehmigung mittels des Rechtsmißbrauchsgedankens zu bestimmen. c) Der Rechtsmißbrauchsgedanke im Strafrecht Im materiellen Strafrecht wird der Gedanke des Rechtsrnißbrauchs seit langem, aber - soweit ersichtlich - nur in einem einzigen Fall als Argumentationsfigur verwendet. Der BGH in ständiger Rechtsprechung und die h. L. gehen davon aus, daß das Notwehrrecht unter Rückgriff auf den Gedanken des Mißbrauchsverbots eingeschränkt werden kann 445 • So soll es rechtmißbräuchlich sein, sich auf Notwehr (§ 32 StGB) zu berufen, wenn der Verteidiger den Angriff schuldhaft veranIaßt hat 446. Dasselbe soll gegenüber schuldlos handelnden Angreifern gelten, insbesondere Kindern, Geisteskranken oder über die Rechtswidrigkeit ihres Angriffes schuldlos Irrenden 447. Schließlich wird mißbräuchliches Verhalten bei einem krassen Mißverhältnis zwischen dem angegriffenen Rechtsgut und der aus der Verteidigung drohenden Schädigung angenommen 448 • Die von der h. M. vertretene Mißbrauchslösung im Bereich des Notwehrrechts könnte dazu verleiten, die Reichweite der behördliche Genehmigung gleichfalls 445

BGH NJW 1962, 308, 309; BGHSt 24, 356, 359; 26, 143, 146; BGH NJW 1983,

2267; Dreher/ Tröndle § 32 Rdn. 18; Welzel § 14 11 2c (S. 87); WesseIs AT § 8 V 3; Lenckner GA 1961,299,302; Roxin ZStW 93,68,79 f. 446 Vgl. BGHSt 24, 356, 359; 26, 143, 146; BGH NJW 1983,2267; Dreher / Tröndle § 32 Rdn. 23 f.; WesseIs AT § 8 V 3. 447 BGHSt 5, 245, 249; Sch I Sch-Lenckner § 32 Rdn. 52; Dreher / Tröndle § 32 Rdn. 19; Roxin ZStW 93, 68, 81; Samson (in SK § 32 Rdn. 21) hält daruberhinaus das Notwehrrecht nicht für eingeschränkt, sondern für ausgeschlossen; völlig aA LK-Spendel § 32 Rdn. 309, der eine Einschränkung des Notwehrrechts ablehnt.

448 Vgl. RGSt 23, 116, 117; BGH NStZ 1981,22,23; Sch I Sch-Lenckner § 32 Rdn. 50; Dreher / Tröndle § 32 Rdn. 20; Roxin ZStW 93, 68, 94; im Ergebnis ebenso SKSamson § 32 Rdn. 22 f.

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4. Kap.: Die Reichweite der Verwaltungsaktsakzessorietät

der Rechtsmißbrauchskontrolle zu unterwerfen. Diese Sichtweise erhält besonderes Gewicht, vergegenwärtigt man sich zusätzlich die Anerkennung des Mißbrauchsprinzips im öffentlichen Recht. Eine pauschale Übertragung in das verwaltungsakzessorische Umweltstrafrecht verbietet sich jedoch aus den genannten Gründen, solange nicht die Übertragbarkeit des Rechtsmißbrauchsgedankens auf das Strafrecht positiv festgestellt ist. Selbst wenn der Rechtsmißbrauchsgedanke zur Einschränkung von Rechtsfertigungsgründen als geeignet erschiene, ist damit nicht zwingend seine Relevanz in einem verwaltungsaktsakzessorischen Umweltstrafrecht verbunden. Anlaß zu einer differenzierten Analyse bietet die Diskussion über die Anerkennung des Rechtsmißbrauchsprinzips, wie sie im Bereich der Notwehr geführt wird. Der Rechtsmißbrauchsgedanke ist als dogmatische Lösung zur Begrenzung des Notwehrrechts keineswegs so unumstritten, wie es die historische Entwicklung dieser Argumentation vermuten ließe. Das Reichsgericht hat im Sinne der letztgenannten Fallgruppe 1892 erstmals wegen Rechtsrnißbrauchs das Notwehrrecht eingeschränkt 449 • Seitdem ist der Gedanke des Rechtsrnißbrauchs immer wieder von Rechtsprechung und Lehre aufgegriffen worden, um den Anwendungsbereich der Notwehr zu begrenzen 450 , ohne daß aber Einigkeit in der Begründung der Notwehrbegrenzung erzielt worden wäre. Die Kritik richtet sich nicht nur gegen die Anwendung der Rechtsmißbrauchslehre auf die einzelnen Fallgruppen zur Einschränkung des Notwehrrechts, sondern allgemein gegen den ursprünglich zivilrechtlichen Rechtsmißbrauchsgedanken als Korrektiv strafrechtlicher Rechtfertigungsgründe. Wenn aber schon die Domäne des Rechtsmißbrauchsgedankens, die Grenzen des Notwehrrechts, erheblichen Bedenken unterliegt, bedarf es einer eingehenden Betrachtung, ob die herkömmliche Rechtsmißbrauchs lösung zur Einschränkung von strafrechtlichen Rechtfertigungsgründen allgemein und von behördlichen Genehmigungen im besonderen tauglich ist.

2. Die Geeignetheit des Rechtsmißbrauchsgedankens zur Einschränkung von strafrechtlichen Rechtfertigungsgründen a) Die Anwendbarkeit des Rechtsmißbrauchsgedankens auf das Notwehrrecht Die Geeignetheit des Rechtsmißbrauchsgedankens wird im materiellen Recht, soweit ersichtlich, nur im Hinblick auf die Einschränkung des Notwehrrechts erörtert 451 • Dabei besteht im wesentlichen Einigkeit, daß das Notwehrrecht eingeschränkt werden kann. Umstritten ist hingegen, in welchen Fällen dies möglich ist und wie die Einschränkung dogmatisch begründet werden kann. 449 RGSt 23, 116, 117 in bezug auf die Verteidigung des Eigentums an Gläsern mittels Revolverschüssen. 450 Vgl. zur historischen Entwicklung des Rechtsmißbrauchsgedankens beim Rechtfertigungsgrund der Notwehr Mumberg S. 33 ff. 451 Vgl. zum Mißbrauch des Strafantrags Naucke, FS Hellmuth Mayer S. 565, 566 ff.

c. Eigene Lösung

143

Im Gegensatz zur herrschenden Mißbrauchslösung leitet Schroeder die Einschränkbarkeit des Notwehrrechtes aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Ausdruck des Rechtsstaatsprinzip ab 452 • Eine im Vordringen befindliche Meinung verweist auf die immanenten Schranken des Notwehrbefugnis. Das Recht zur uneingeschränkten Notwehr entfalle, wenn das Interesse an der Bewährung der Rechtsordnung in den Hintergrund trete, da das Notwehrrecht auf dem Schutzund dem Rechtsbewährungsgedanken beruhe 453 • Das Notwehrrecht basiere auch auf der Verteidigung der Rechtsordnung im Ganzen. Mithin könne ein unbeschränktes Notwehrrecht nur gegeben sein, wenn die Rechtsordnung im Ganzen angegriffen wird und der persönlich Angegriffene zu deren Verteidigung befugt ist. Ausgangspunkt dieser Argumentation ist eine Analyse des Schutzbereiches des § 32 StGB, der nicht nur ein Individualrechtsgut, sondern zugleich die Geltung der Rechtsordnung insgesamt schütze 454 • Auf diese Weise wird der Anwendungsbereich des § 32 StGB auf den Schutz der Rechtsordnung hin konkretisiert und eine immanente Grenze des Notwehrrechts aufgezeigt. Der herrschenden Rechtsmißbrauchslösung wird vorgeworfen, ein Rechtfertigungsgrund liege entweder vor oder nicht, er könne aber nicht mißbraucht werden 455. Daher müsse beim Notwehrrecht selbst angesetzt werden und eine Notwehrbefugnis verneint werden, wenn der Angegriffene zur Verteidigung der Rechtsordnung berufen ist. Nur vereinzelt wird generell eine Einschränkung des Notwehrrechts abgelehnt 456 • Gerade diese immanente Grenze des Notwehrrechts, die aus der Verteidigung der Rechtsordnung resultiert, wird von der ganz h. M. und damit auch von Verfechtern des Rechtsmißbrauchsgedankens herausgestellt, wenn es um die Abgrenzung der Notwehr zum rechtfertigenden Notstand geht. Danach ist die durch § 32 StGB intendierte Verteidigung der Rechtsordnung der maßgebliche Aspekt, um die primär fehlende Güterabwägung in § 32 StGB zu erklären 457. Schroeder, FS Maurach S. 127, 139 ff. Vgl. Sch / Sch-Lenckner § 32 Rdn. 43, 47 m. w. N.; Jescheck § 32 III 3; Roxin ZStW 93, 68, 70 f. 454 Vgl. Lenckner GA 1961,299,302,309, der zwar einen Rechtsmißbrauch bejaht, zugleich aber zur Erklärung der Einschränkung und damit eines Rechtsmißbrauchs auf die doppelte Zielrichtung der Notwehrbefugnis, die Verteidigung rechtswidrig angegriffener Rechtsgüter und die Bewährung der Rechtsordnung, zurückgreift; der BGH (BGHSt 24, 356, 359) betont ebenfalls die Funktion der Notwehr, die Rechtsordnung zu verteidigen. 455 So Schmidhäuser, FS Honig S. 185, 189; ähnlich Hassemer, FS Bockelmann S. 225, 241 f.; Krause, FS H.-J. Bruns S. 71,79; Berz JuS 1984,340,343; im Ergebnis ebenso Ouo S. 129 f. 456 Schmidhäuser, FS Honig S. 185, 189 ff.; ebenso für die Einschränkung des Notwehrrechtes des Provokateurs Bockelmann, FS Honig S. 19, 30; Hassemer, FS Bokkelmann S. 225,243. 457 Vgl. Sch/Sch-Lenckner § 32 Rdn. 1; SK-Samson § 32 Rdn. 2; Dreher I Trändle § 32 Rdn. 2; Wessels AT § 8 V 2; Lenckner GA 1961,299,309; aA Hoyer JuS 1988, 89, 91, der der h. M. einen Zirkelschluß vorwirft, da Angreifer und Verteidiger nach seiner Auffassung gleichermaßen intensiv die Rechtsordnung beeinträchtigen. 452 453

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4. Kap.: Die Reichweite der Verwaltungsaktsakzessorietät

§ 32 StGB schütze zwei Rechtsgüter, das Individualrechtsgut und die Geltung der Rechtsordnung, im Rahmen des § 34 StGB falle hingegen nur das Individualrechtsgut als geschütztes Rechtsgut ins Gewicht. Mithin bedürfe die Notstandshandlung einer weiterreichenden Rechtfertigung. Diesem Umstand habe der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung der Notwehrbefugnis Rechnung getragen.

Der Umstand, daß der in Notwehr Handelnde zugleich für den Bestand der Rechtsordnung eintritt, ist demnach in zweierlei Weise in die strafrechtliche Diskussion um die Reichweite der Notwehrbefugnis eingeflossen: Zum einen wird darin ganz überwiegend die Erklärung für das Fehlen einer einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung in § 32 StGB gesehen, so daß etwa eine Leib oder Leben des Angreifers gefährdende Notwehrhandlung auch zur Verteidigung von Sachwerten zulässig ist. Zum anderen wird der zivilrechtlichen Herkunft des Rechtsmißbrauchsgedankens eine Absage erteilt, da sachgerechte Ergebnisse stets im Hinblick auf den vom Notwehrrecht auch bezweckten Schutz des Bestandes der Rechtsordnung zu erzielen seien. Gleichwohl zieht die h. M. daraus nicht die Konsequenz, wenn sie die Funktion der Notwehr anerkennt, die Rechtsordnung zu bewahren, eine Berufung auf das Notwehrrecht mit der Begründung zu versagen, der Täter handele nicht zur Verteidigung der Rechtsordnung. Stattdessen wird auf die zivilrechtlich orientierte Formel des Rechtsrnißbrauchs zurückgegriffen, ohne daß eine Erklärung dafür gegeben wird, warum im konkreten Fall ein Mißbrauch der Notwehrbefugnis vorliegen soll. Eine dogmatisch nachvollziehbare Begründung liefert der Gedanke der Rechtsbewährung, wenn man ihn zutreffend als Grundprinzip der Notwehr versteht. Inwieweit Billigkeitserwägungen im Rahmen des § 32 StGB zu berücksichtigen sind, läßt sich dem nahezu allgemein vertretenen Verständnis entnehmen, der in Notwehr Handelnde schütze zugleich den Bestand der Rechtsordnung, ohne auf zivilrechtliche Argumentationsmuster zurückgreifen zu müssen. Die Verteidigung der Rechtsordnung als zusätzliches Schutzgut der Notwehr allein vermag die Ausgestaltung des § 32 StGB zu erklären: Der Aspekt der Verteidigung der Rechtsordnung erhellt, warum Güterabwägungen nicht von vorneherein obsolet sind, um von einer "gebotenen" Verteidigungshandlung ausgehen zu können. Es sind Extremfälle denkbar, in denen trotz der in § 32 StGB vorgesehenen pauschalierten Interessenabwägung das zusätzliche Schutzgut der Verteidigung der Rechtsordnung die Notwehrhandlung nicht per se rechtfertigen kann. So ist eine Beschränkung des Notwehrrechtes bei krassem Mißverhältnis zwischen verteidigtem und beeinträchtigtem Rechtsgut anerkannt. In diesem Sinne ist die Verteidigung der Rechtsordnung nicht nur - fast allgemein anerkanntes - Schutzgut, sondern auch Grenze des Notwehrrechts. Sofern sich der Verteidiger im Einzelfall nicht auf den Schutz der Rechtsordnung berufen kann, steht ihm das Notwehrrecht nur eingeschränkt zu. Mit anderen Worten, wenn die h. M. das Wesen des Notwehrrechts zutreffend in der Verteidigung der Rechtsordnung sieht, verweist sie damit zugleich implizit auf die Gren-

c. Eigene Lösung

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zen des Notwehrrechts. Sie setzt diese Erkenntnis nur nicht konsequent um. Die Rechtsprechung und die ihr folgende Literatur bezeichnet die interne, aus dem Gedanken der Verteidgung der Rechtsordnung resultierende Einschränkung des Notwehrrechtes als "Rechtsmißbrauch", ohne daß damit außerstrafrechtliche Wertungen bzw. ein eigenständiges Korrektiverfaßt wären. In der Qualifizierung solcher Ausnahmefälle als Fälle unzulässiger Rechtsausübung ist weniger die Übertragung zivilrechtlicher Kategorien (§§ 228, 826, 242 BGB) zu sehen, als vielmehr die Umschreibung der immanenten, strafrechtsinternen Grenze des Notwehrrechts. Die Rechtsprechung füllt lediglich die Generalklausel ,,Rechtsrnißbrauch" mit dem Inhalt, der sich aus dem Grundprinzip der Notwehr, der Verteidigung der Rechtsordnung, und damit aus dem Strafrecht selbst ergibt. Die Formel "Rechtsmißbrauch" ist ohne konkrete Bezüge zu der sie begrenzenden Rechtsposition ein inhaltsleeres und ausfüllungsbedürftiges Argumentationsmuster, das nicht mehr besagt, als daß ein bestimmtes Ergebnis für nicht akzeptabel erachtet wird 458 • b) Die Anwendbarkeit des Rechtsmißbrauchsgedankens im Umweltstrafrecht Das zuvor gewonnene Ergebnis hat nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Frage, inwieweit der Rechtfertigungsgrund der behördlichen Genehmigung einer Einschränkung durch den Rechtsmißbrauchsgedanken zugänglich ist. Die h. M. hat die Übertragung des Rechtsmißbrauchsgedankens in das Umweltrecht damit begründet, eine solche Einschränkung sei bei der Notwehr zulässig; gleiches müsse für den Rechtfertigungsgrund der behördlichen Genehmigung gelten, da der Rechtsmißbrauchsgedanke ein allgemeines interdisziplinäres Prinzip darstelle. In dem einzigen Fall, in dem das Mißbrauchsverbot auf einen Rechtfertigungsgrund angewendet wird, ist eine solche Korrektur der Rechtfertigungswirkung bereits im Wesen des Rechtfertigungsgrundes angelegt; das Verdikt ,,Rechtsrnißbrauch" ergeht - jedenfalls zur Beschränkung des Notwehrrechts - aufgrund von Gerechtigkeitserwägungen, die auf der Funktion des Notwehrrechts gründen, die Rechtsordnung zu verteidigen. Konsequenterweise müßten sich die Vertreter einer eingeschränkten Verwaltungsaktsakzessorietät mit der Fragestellung auseinandersetzen, inwieweit der Rechtfertigungsgrund "behördliche Genehmigung" einer Einschränkung zugänglich ist, die sodann mit der Formel ,,Rechtsrnißbrauch" als Argumentationsfigur in die Diskussion eingeführt werden könnte. Wer hingegen auf einen allgemeinen Rechtsgrundsatz zurückgreifen will, müßte dessen Anwendbarkeit auf die behördliche Genehmigung - in Abweichung vom Notwehrrecht - belegen. Dies geschieht aber regelmäßig nicht 459 • In jedem Fall 458 Zutreffend Hirsch, FS Dreher S. 211, 217 FN 23 ("eine lediglich formelhafte, die Begrenzung des Notwehrrechts völlig dem Richter überlassende Generalklausel"); Jescheck § 32 III 2; Naucke, FS Hellmuth Mayer S. 565, 572. 459 Eine Ausnahme bildet allein Lenckner, FS Pfeiffer S. 27, 29 ff., der in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die mangelnde Aussagekraft der Anwendung des

10 Scheele

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4. Kap.: Die Reichweite der Verwaltungs akts akzessorietät

verbietet sich die pauschale Anwendung des Rechtsmißbrauchsgedankens im Bereich des Umweltstrafrechts parallel zum Notwehrrecht. Der Anwendungsbereich der Verwaltungsaktsakzessorietät läßt sich nur mit Hilfe des Rechtsmißbrauchsgedankens bestimmen, wenn der Rechtsmißbrauchsgedanke mit den verwaltungsrechtlichen Wertungen in Einklang gebracht werden kann, sei es als rechtsgebietsübergreifendes Prinzip, sei es - der Handhabung des Notwehrrechts vergleichbar - zur Beschreibung von im Umweltstrafrecht angelegten Ergebnissen. Im Vordergrund muß daher stehen, inwieweit das Umweltstrafrecht und wegen dessen grundsätzlich akzessorischer Ausgestaltung das Verwaltungsrecht einer Einschränkung der Rechtfertigungswirkung einer behördlichen Genehmigung zugänglich ist. aa) Die Kriterien für einen Rechtsmißbrauch im Umweltstrafrecht Innerhalb der h. M. besteht Einigkeit darüber, daß der Rechtsmißbrauchsgedanke im Grundsatz auf behördliche Genehmigungen angewendet werden kann. Man sollte daher meinen, die h. M. beurteile dementsprechend auch die Sachverhalte übereinstimmend, die dem Rechtsmißbrauchsgedanken zugeordnet werden sollen. Dies ist indes nicht der Fall 460; in welchen Konstellationen ein Rechtsmißbrauch vorliegt, ist innerhalb der h. M. überaus umstritten. Auf diese Weise verdeutlicht die h. M. selbst die fehlende inhaltliche Aussagekraft des Rechtsmißbrauchsgedankens. So räumt Lenckner die Gefahr allgemeiner Billigkeitserwägungen ein, wenn man den Gedanken des Rechtsmißbrauchs als allgemeingültigen Rechtsgrundsatz herausstellt 46l • Um so mehr stellt sich aus strafrechtsdogmatischer Sicht das Erfordernis, Kriterien für die Anwendung des Rechtsmißbrauchsgedankens im Umweltstrafrecht herauszuarbeiten, die einer differenzierenden Betrachtung zugänglich sind. Denn das Strafrecht darf sich nicht als Instrument verstehen, das jeweilige Rechtsempfinden des einzelnen umzusetzen, sondern es muß anband objektiver Kriterien die Strafbarkeit eines konkreten Verhaltens feststellen. Zu diesem Zwecke knüpft Lenckner in der Sache nur scheinbar an zivilrechtliche Kategorien zur Eingrenzung des Rechtsmißbrauchs an. Lenckner bezeichnet die aufgrund Täuschung, Drohung oder Gewalt erwirkte Genehmigung als rechtsmißbräuchlich erlangte Rechtspositionen, denen die strafrechtliche Anerkennung versagt werden müsse 462 • Nimmt man den Rechtsmißbrauchsgedanken in seiner Funktion, Rechtfertigungsgründe zu beschränken, ernst, müßte entsprechendes Rechtsmißbrauchsgedankens auf die Notwehr verweist, da dieser Gedanke lediglich die immanenten Grenzen des Notwehrrechts aktualisiere. 460 Vgl. die Zusammenstellung der Fallgruppen, auf die der Rechtsmißbrauchsgedanke anwendet werden soll, sub 4. Kapitel B. I. 1., 2. 461 Lenckner, FS Pfeiffer S. 27, 35. 462 Lenckner, FS Pfeiffer S. 27,37.

C. Eigene Lösung

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für eine dem Täter vorwerfbare und strafbare Bestechung gelten. Gleichwohl, und diesen Widerspruch gibt Lenckner explizit zu, sollen weder Bestechung noch kollusives Zusammenwirken ein rechtsmißbräuchliches Verhalten des Genehmigungsempfangers begründen, da in diesen Fällen eine autonome staatliche Entscheidung vorliege 463 • Lenckner wendet sich damit von der klassischen Argumentation, der Rechtsmißbrauchsgedanke sei allgemeingültige Wertkategorie jeder Rechtsordnung, in der Sache und zur Begründung einer eingeschränkten Verwaltungsaktsakzessorietät ab, ohne dies freilich klarzustellen. Indem er zwischen Täuschung und Bestechung differenziert, führt er das Merkmal der Zurechenbarkeit als entscheidenden Maßstab für die Ablehnung eines Mißbrauchs ein. Solange die konkret erteilte Genehmigung dem Staat zuzurechnen ist, soll die Legalisierungswirkung der hoheitlichen Genehmigung nicht entfallen. In der Sache kann folglich auf dieser Grundlage auf die Generalklausel "Rechtsrnißbrauch" verzichtet werden, zumal mit dem Kriterium der Zurechenbarkeit ein konkreter und nachvollziehbarer Maßstab zur Verfügung stünde. Der Auffassung Lenckners ist uneingeschränkt zuzustimmen, was die Fälle der Bestechung und des kollusiven Zusammenwirkens angeht. In beiden Fällen liegt eine dem Staat zuzurechnende Entscheidung vor. Das Vorverhalten des Genehmigungsempfangers legt in keiner Weise die nachfolgende Entscheidung des Amtsträgers inhaltlich fest. Ob der zuständige Amtsträger auf das Ansinnen des Genehmigungsempfangers eingeht oder nicht, ist das Ergebnis seiner autonomen Entscheidung. Da der Amtsträger staatliche Funktionen, hier den Schutz der Umwelt, wahrnimmt, handelt es sich um eine rechtswirksame hoheitliche Maßnahme, die aufgrund ihrer Wirksamkeit Verbindlichkeit gegenüber anderen Hoheitsträgern entfaltet. Lenckner leitet die fehlende Zurechenbarkeit in den Fällen einer aufgrund Täuschung bzw. Gewalt oder Drohung erwirkten Genehmigung aus dem Umstand ab, der Amtsträger treffe keine eigenständige Entscheidung. Der Amtsträger könne im strafrechtlichen Sinne nur Werkzeug, nicht aber - wie im Falle der Bestechung - Täter sein 464. Die Frage der strafrechtlichen Verantwortung sagt allerdings per se nichts darüber aus, inwieweit nach verw~ltungsrechtlichen Kriterien nach außen eine hoheitliche Maßnahme vorliegt, die allseits Verbindlichkeit beansprucht. Dies gilt insbesondere für eine täuschungsbedingt erteilte Genehmigung. Nach § 24 VwVfG ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Sie ist damit nicht an das Vorbringen eines Interessenten für eine umweltrechtliche Erlaubnis gebunden. Wenn die Behörde die Angaben in den Antragsunterlagen ungeprüft übernimmt, macht sie sich diese Angaben zu eigen, obwohl sie zu deren Überprüfung kraft des geltenden Untersuchungsgrundsatzes berechtigt, wenn nicht gehalten ist. Das Risiko, eine materiell rechtswidrige Genehmigung

463 464

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Lenckner, FS Pfeiffer S. 27,38 f. Lenckner, FS Pfeiffer S. 27, 38.

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4. Kap.: Die Reichweite der Verwaltungsaktsakzessorietät

zu erteilen, trägt mithin die Erlaßbehörde bzw. der Staat. Das Vorverhalten des Interessenten begründet demgegenüber nur eine erleichterte Form der Aufhebung der Genehmigung, vermag aber an der Tatsache einer der Behörde zuzurechnenden Entscheidung vor dem Hintergrund des Untersuchungsgrundsatzes nichts zu ändern. Folgerichtig entfaltet auch die durch Täuschung erlangte Genehmigung rechtfertigende Wirkung, stellt man mit Lenckner auf den Aspekt der Zurechenbarkeit der konkreten behördlichen Entscheidung ab. Bei Drohung oder gar Gewalt spricht indes vieles für eine unfreie, nicht eigenständige Entscheidung des zuständigen Amtsträgers. Inhaltlich wird die konkrete Maßnahme dem Amtsträger vorgegeben. Formell handelt es sich dennoch um einen Hoheitsakt, der im Falle einer Genehmigung regelmäßig unter Einhaltung der Formvorschriften der §§ 37 ff. VwVfG erlassen wird, insbesondere mit einer schriftlichen Begründung (§ 39 VwVfG). Selbst wenn derartige Förmlichkeiten nicht eingehalten sind, ergeht die Genehmigung als staatliche Einzelfallentscheidung, wobei es allein deren Rechtswirksamkeit zu beurteilen gilt. Den Charakter einer Amtshandlung verliert das Verhalten des Amtsträgers nicht dadurch, daß er möglicherweise unter Zwang oder in einem Nötigungsnotstand handelt. Die Zuordnung zum staatlichen Verwaltungshandeln entfällt nur unter den Vorausetzungen des § 44 VwVfG. Stellt man konsequent auf das Kriterium der Zurechenbarkeit des Amtsträgerverhaltens im Verhältnis zum Staat ab, müßte man, vorbehaltlich der Regelung des § 44 VwVfG, die Legalisierungswirkung unabhängig von ihrem Zustandekommen anerkennen. Lenckner hingegen gelangt zu widersprüchlichen Ergebnissen, die die Zielrichtung der Rechtsmißbrauchslehre offenbaren, vorgefaßte Wertvorstellungen unter Berufung auf die Einzelfallgerechtigkeit und die an sich inhaltsleere Formel ,,Rechtsrnißbrauch" in das Strafrecht einfließen zu lassen. Gleichwohl handelt es sich in der Sache nicht um die Übertragung eines rechtsgebietsübergreifenden Prinzips, sondern lediglich um eine andere Bezeichnung des Merkmals ,,zurechenbarkeit". bb) Die Vereinbarkeit einer eingeschränkten Verwaltungsaktsakzessorität mit den Wertungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes Den Vertretern der Rechtsmißbrauchslösung müßte trotz ihrer ergebnisorientierten Konzeption im Ergebnis zugestimmt werden, wenn die Fehler der Genehmigung in den untersuchten Fallgruppen derart gravierend sind, daß aus verwaltungsrechtlicher Sicht von einer nach § 44 VwVfG nichtigen Genehmigung ausgegangen werden muß. Zu denken wäre an einen Rückgriff auf § 44 Abs. 2 Nr 5 VwVfG oder die Evidenzklausel des § 44 Abs. 1 VwVfG465. Nach § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, der die Begehung einer rechtswi465 In diesem Sinne Rengier ZStW 101 (1989),874,897 ff., der unter den Voraussetzungen eines besonders schwerwiegenden Fehlers und bei Kenntnis der Beteiligten von der Rechtswidrigkeit die Nichtigkeitsfolge eintreten läßt.

C. Eigene Lösung

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drigen Tat verlangt, die einen Straf oder Bußgeldtatbestand verwirklicht. Vom Wortlaut sind danach Verwaltungsakte nicht erfaßt, die die strafbewehrte Handlung nur erlauben, nicht aber verlangen. Von einer Regelungslücke, die durch entsprechende Anwendung des § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG geschlossen werden könnte, kann angesichts des klaren Wortlauts nicht ausgegangen werden. Außerdem ist im Falle der Erlaubnis der Schutzzweck der Norm nicht berührt, da es dem Staat verwehrt sein soll, eine Verpflichtung zu rechtswidrigem und strafbewehrten Verhalten auszusprechen 466 • Im übrigen führt eine auf § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG gestützte Argumentation zu einer endlosen Verweisungskette zwischen Verwaltungsrecht und verwaltungsakzessorischen Umweltstrafrecht 467 • Das Umweltstrafrecht verweist auf die verwaltungsrechtlichen Wertungen. Wäre § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG einschlägig, wäre für die Beurteilung der Strafbarkeit nichts gewonnen, da das Verwaltungsrecht insoweit zurückverweist. Mithin wäre eine Verweisung in das Verwaltungsrecht im Rahmen der §§ 324 ff. StGB entgegen der gesetzgeberischen Intention von vorneherein obsolet. Etwas anderes kann allenfalls im Rahmen nicht verwaltungsakzessorischer Straftatbestände gelten 468. Sowohl der Auffassung Rengiers, Bestechung, Drohung und kollusives Zusammenwirken begründe die Nichtigkeit der daraufhin erteilten Genehmigung, als auch der herrschenden Rechtsmißbrauchslösung steht der eindeutige Wortlaut des § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1, 2 VwVfG entgegen. Der Gesetzgeber stellt mit der Ausgestaltung des § 48 VwVfG klar, in welchen Fällen von einem rechtswidrigen Verwaltungsakt auszugehen ist. Diese KlarsteIlung erschien offenbar angesichts der vor Erlaß des Verwaltungsverfahrensgesetzes geführten Kontroverse um die Behandlung erschlichener und durch Drohung erwirkter Verwaltungsakte 469 erforderlich. Dagegen kann nicht angeführt werden, der Gesetzgeber habe das Verhältnis von § 44 VwVfG zu § 48 VwVfG bewußt offengelassen 47o • Zwar können auch nichtige Verwaltungsakte a maiore ad minus nach § 48 VwVfG aufgehoben werden, um einen etwaigen Rechtsscheinstatbestand zu beseitigen. § 48 Abs. 2 Vw VfG hat aber gleichwohl insofern eine materiellrechtliche Qualität, als der Vergleich mit § 44 VwVfG zeigt, daß die in § 48 VwVfG genannten 466 Wie hier Stelkens I Bonk I Leonhardt-Stelkens / Sachs § 44 Rdn. 77; Obermayer § 44 Rdn. 96; Knack-Klappstein § 44 Rdn. 5.5; aA Kopp, VwVfG, § 44 Rdn. 43 (Analogie

bei Erlaubnis). 467 Zutreffend Hüwels S. 37 f.; Rogall, Amtsträgerstrafbarkeit S. 185; ebenso Winkelbauer NStZ 1988,201,206, der die Nichtigkeit von Genehmigungen bejaht, die auf die Verletzung von Individualrechtsgütern gerichtet sind, da insoweit eine Zirkelschluß nicht vorliegen könne. 468 Eine abschließende Klärung der Relevanz des § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG bleibt der - nachfolgenden - Untersuchung vorbehalten, inwieweit die Genehmigung die Verletzung von Individualrechtsgütem zu rechtfertigen vermag. 469 Vgl. zur Diskussion vor Erlaß des VwVfG die Nachweise bei Stelkens/Bonkl Leonhardt-Stelkens / Sachs § 44 Rdn. 57; die Regelung des § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 VwVfG ist keinen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt, BVerfG NJW 1983, 103, 108. 470 So aber Rengier ZStW 101 (1989), 874, 898.

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4. Kap.: Die Reichweite der Verwaltungsaktsakzessorietät

Verwaltungsakte - nur - als rechtswidrig zu behandeln sind. § 44 VwVfG erklärt einen Verwaltungsakt für nichtig, soweit er - d. h. der Verwaltungsakt - an einem schwerwiegenden und offensichtlichen Fehler leidet. Auf ein Vorverhalten der Behörde oder gar des Adressaten soll es gerade nicht ankommen 471 • Außerdem ist ein Verwaltungsakt, der durch Täuschung o. ä. erwirkt wurde, zwangsläufig noch nicht einmal per se rechtswidrig, da der Verwaltungsakt trotz der Einflußnahme des Adressaten durchaus rechtmäßig im materiellrechtlichen Sinne erlassen worden sein kann. Daher greift § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 VwVfG erst ein, wenn die Rechtswidrigkeit des in vorwerfbarer Weise erlangten Verwaltungsakts positiv festgestellt ist 472. Das Zustandekommen des Verwaltungsakts vermag daher erst recht nicht dessen Nichtigkeit zu begründen. Die Konzeption Rengiers läuft in der Sache auf einen eigenständigen strafrechtlichen Nichtigkeitsbegriff im Hinblick auf das Zustandekommen der Genehmigung hinaus, der mit der lex lata unvereinbar ist und auf diese Weise den Grundsatz der Widerspruchslosigkeit der Rechtsordnung negiert, obwohl Rengier diesen Grundsatz gerade als Leitidee seiner Konzeption herausstellt 473 • Der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung ist für Rengier das tragende Argument, die herrschende Mißbrauchslösung abzulehnen. Gleichwohl versucht Rengier zu dem gleichen Ergebnis zu kommen, indem er für die Nichtigkeit einer vorwerfbar erlangten Genehmigung plädiert. Erkennt man die präjudizielle Wirkung des Grundsatzes der Einheit bzw. Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung entsprechend ihrer verfassungsrechtlichen Basis an, ist der von Rengier eingeschlagene Weg gegenüber der Mißbrauchslösung freilich vergleichsweise geringeren Bedenken ausgesetzt. Mit dem - erweiterten - Nichtigkeitsbegriff wird wenigstens die Abhängigkeit des Strafrechts vom Verwaltungsrecht im Ansatz nicht in Frage gestellt; das Strafrecht kann einem nichtigen Verwaltungsakt nicht stratbarkeitsausschließende Relevanz verleihen. Die h. M. hingegen bejaht entsprechend der verwaltungsrechtlichen Regelung des § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG die Wirksamkeit der Genehmigung, zieht daraus aber nicht die Konsequenz, derartigen Genehmigungen rechtfertigende Wirkung zuzusprechen. Die grundsätzliche und - wie gesehen - zutreffende Anknüpfung der h. M. an die Wirksamkeit von Verwaltungsakten verliert an Überzeugungskraft, wenn der Grundsatz mit der verwaltungsverfahrensrechtlichen Rechtslage (§§ 43, 48 VwVfG) begründet wird, gleichwohl aber Ausnahmen zugelassen werden, obwohl in diesen Fällen der Verwaltungsakt nach verwaltungsrechtlichen Kategorien ebenfalls rechtswirksam ist. Insoweit müßte in der Tat die Frage aufgeworfen werden, ob nicht dann schon aus vorrangigen Gründen der materiellen Gerechtigkeit der Grundsatz als solcher nicht mehr aufrecht erhalten werden kann 474. Es ist nicht einzusehen, 471 Zutreffend BVerwG NJW 1985,2658,2659 bezogen auf einen täuschungsbedingt erlangten Verwaltungsakt. 472 Stelkens / Bonk / Leonhardt-Stelkens / Sachs § 48 Rdn. 109 ID. w. N. 473 Rengier ZStW 101, 874, 894. 474 So Rademacher S. 43 ff.; Schall NJW 1990, 1263, 1268 f.

C. Eigene Lösung

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warum die h. M. den Verfechtem der materiellrechtlichen Lösung ohne Not eine derartige Angriffsfläche bietet. Die Fälle erschlichener oder allgemein in verwerflicher Weise erlangter Genehmigungen sind von geringer praktischer Relevanz. Umso mehr verwundert die Inkonsequenz der h. M., diesen Genehmigungen die strafrechtliche Anerkennung zu versagen. Diese Genehmigungen sind, auch auf der Grundlage der h. M., wirksam; wirksame Verwaltungsakte entfalten aber Bindungswirkungen gegenüber anderen in die Staatsorganisation eingebundenen Organe. Eine Einschränkung der Verwaltungsaktsakzessorietät ist daher dogmatisch nur akzeptabel, wenn sie von öffentlichrechtlicher Seite aus und auf der Grundlage verwaltungsrechtlicher Wertungen erfolgt. Dies verkennt die h. M., wenn sie sich damit begnügt, die Anwendbarkeit des Rechtsmißbrauchsgedankens im Strafrecht festzustellen. Stattdessen sollte die h. M. die allein richtige Konsequenz aus der von ihr selbst vertretenen Verbindlichkeit der fehlerhaften Genehmigung ziehen und alle Genehmigungen anerkennen, die verwaltungsrechtlich wirksam sind und dementsprechend als Hoheitsakte im Kompetenzgefüge Gültigkeit und Beachtung beanspruchen können. Im übrigen wird diese Konsequenz an anderer Stelle durchaus gezogen. Im Rahmen des § 132 StGB entspricht es der ganz h. M., daß auch derjenige "befugt" im Sinne des § 132 Abs. 1 StGB handelt, der das Amt erschlichen hat. Auch hier liegt auf der Grundlage des Rechtsmißbrauchsgedankens im Vorfeld ein verwerfliches Verhalten vor, das der Täter durch Amtshandlungen ausnutzt. Die Rechtmäßigkeit des Verhaltens wird damit begründet, daß im Außenverhältnis von wirksamen Amtshandlungen ausgegangen werden müsse, auch wenn der Täter sich die Übertragung des Amtes erschlichen hat 475 • Die Strafrechtswissenschaft setzt auf diese Weise die Vorschrift des § 14 BBG um, ohne deren Übertragbarkeit in das Strafrecht in Frage zu stellen. Insoweit ist nicht einsichtig, warum dies nicht auch im Hinblick auf die ebenfalls verwaltungsgesetzlich angeordnete Wirksamkeit von Verwaltungs akten nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 VwVfG geschieht, zumal § 14 BBG das beamtenrechtliche Äquivalent zu den §§ 43,48 VwVfG darstellt. Etwas anderes kann allenfalls gelten, wenn die Verbindlichkeit eines Verwaltungsakts auch im Rahmen des Verwaltungsverfahrensrechts unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmißbrauchs beurteilt werden muß. So spricht sich Kopp dafür aus, Verwaltungsakten bei Rechtsmißbrauch keine Tatbestandswirkung zuzuerkennen 476. In diesem Zusammenhang verweist Kopp auf Entscheidungen des VGH München und des Bundessozialgerichts, die jedoch beide den Aspekt des Rechtsmißbrauchs nicht behandeln 477 und daher nicht als Beleg für die Auffassung 475 LK-Herdegen § 132 Rdn. 12; SK-RudoZphi § 132 Rdn. 11; Sch / Sch-Cramer § 132 Rdn. 11; Lackner § 132 Rdn. 5; Maurach / Schröder / Maiwald BT 2 § 79 Rdn. 9. 476 Kopp, VwVfG, Vorbem. § 35 Rdn. 27. 477 VGH München BayVBl 1982,242 f.; BSG DVBI 1990,218 f. (bei Kopp a. a. O. fälschlich als BVerwG zitiert); die übrigen Nachweise nehmen die Zivilrechtslage in Bezug.

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4. Kap.: Die Reichweite der Verwaltungsaktsakzessorietät

Kopps tauglich sind. Wegen der fehlenden Begründung drängt sich der Verdacht auf, daß Kopp, ohne die Hintergründe der Verbindlichkeit von Verwaltungsakten bedacht zu haben, undifferenziert die Zivilrechtslage in das Verwaltungsverfahrensrecht übertragen hat. Dies widerspricht nicht nur der eindeutigen Gesetzesfassung des § 44 Abs. 1 VwVfG (" ... soweit er an einem schwerwiegenden Fehler leidet ... ")478 und des § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG, sondern auch dem Sinn und Zweck der Verbindlichkeit von Verwaltungs akten, als verfahrensrechtliche Sicherung die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung zu gewährleisten 479. Im übrigen werden, wie im Strafrecht, keine Kriterien angegeben, die eine Nachprüfung des Urteils "Rechtsmißbrauch" erlaubten; "Rechtsmißbrauch" ist wiederum eine inhaltsleere Formel, deren Auslegung lediglich die Billigkeitserwägungen des einzelnen Rechtsanwenders offenbart, die der Gesetzesfassung zuwiderlaufen. Vielmehr gebietet die Verwaltungsrechtslage, die gleichen Anforderungen an die Beachtlichkeit von Genehmigungen im Strafrecht zu stellen, auch wenn die Genehmigungen auf unlautere Art und Weise zustandegekommen sind. Eine Abweichung von der Verbindlichkeit von Verwaltungsakten, ihre Wirksamkeit vorausgesetzt, bedarf für den Bereich des Strafrechts eines Rechtssatzes, der gegenüber § 48 Abs. 2 S.3 VwVfG vorrangig wäre 480. Dagegen kann nicht vorgebracht werden, eine solche Regelung sei gesetzestechnisch nicht durchführbar und rechtspolitisch verfehlt, da sie sich auch außerhalb des Umweltstrafrechts stelle 481 • Wer in diese Richtung argumentiert, muß sich darüber im klaren sein, daß bei folgerichtiger Umsetzung der verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen eine Regelungslücke in den Fällen einer auf verwerfliche Weise erworbenen Genehmigung besteht. Hier soll nicht in Abrede gestellt werden, daß eine gesetzliche Regelung rechtspolitisch sinnvoll ist, die einer auf verwerfliche Weise erworbenen Genehmigung die strafrechtliche Anerkennung versagt. Es ist jedoch Aufgabe des Gesetzgebers darüber zu befinden, ob in derartigen Fällen das Stratbedürfnis durch die §§ 240, 331 ff. StGB abgedeckt ist. Jedenfalls ist es mangels entsprechender Legitimation nicht Aufgabe des Rechtsanwenders, die aufgezeigte Regelungslücke zu schließen, mag dies nach dem Gerechtigkeitsempfinden des einzelnen auch angezeigt sein. Die Strafverfolgungsbehörden sind zur Aufrechterhaltung der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung, insbesondere der Rechtssicherheit, darauf verwiesen, das Verwaltungsverfahrensrecht anzuwenden, nicht aber, es neu zu gestalten 482. Ebensowenig überzeugend ist 478 479 480

In diesem Sinne auch BVerwG NJW 1985, 2658, 2659.

Hierzu bereits 3. Kapitel C. III. 2. b). s. o. 3. Kapitel C. III. 2. b); wie hier auch der SPD-Entwurf eines 2. UKG BT-

Dr 12/376, S. 11.

481 So die Argumentation des Regierungsentwurfs eines 2. UKG gegen eine gesetzliche Lösung der Mißbrauchsproblematik. 482 Der Gedanke, die Verwaltungsaktsakzessorietät des Umweltstrafrechts könnte langfristig Anlaß sein, das Verwaltungsverfahrensrecht, namentlich die §§ 43 ff. VwVfG zu reformieren (so Möhrenschlager, Reformansätze S. 293), erscheint hingegen überzogen, solange eine Problemlösung durch eine vorrangige Norm des Strafrechts möglich ist.

C. Eigene Lösung

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es, die Verantwortung des Strafrichters für die Strafrechtspflege als Argument gegen die Verwaltungsakzessorität anzuführen 483 • Eine Verantwortung des Strafrichters besteht nicht gegenüber dem Gerechtigkeitsprinzip, sondern nur soweit, wie der Gesetzgeber die mißbilligenswerten Verhaltensweisen des Menschen in Straftatbeständen erfaßt hat. In Form der vorliegenden Regelungslücke hat der Gesetzgeber den Strafrichter gerade aus der Verantwortung entlassen. Der Vorschlag Lenckners, die Aufhebung der rechtsmißbräuchlich erlangten Genehmigung als objektive Bedingung der Strafbarkeit zu erfassen 484, vermag die bestehende Regelungslücke nicht zu beseitigen. Anhaltspunkte für eine derartige objektive Bedingung der Strafbarkeit sind dem Wortlaut der Umweltstraftatbestände nicht zu entnehmen, zumal diese Konstruktion dogmatisch im Widerspruch zu der Einordnung der Genehmigung als Rechtfertigungsgrund steht. Wenn der Erlaß einer Genehmigung das darauf gestützte Verhalten rechtfertigt, ist nicht einsichtig, warum - umgekehrt - ihre Aufhebung Strafbarkeitsbedingung ist; die Strafbarkeitsbedingung vermag als solche das Rechtswidrigkeitsurteil im Zeitpunkt der Tat nicht zu beeinflussen, wohl aber die zu diesem Zeitpunkt existente behördliche Genehmigung. Da sich die Strafbarkeitsbedingung auch zu Lasten des Genehmigungsinhabers auswirkt, erscheint die Konzeption schon im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG verfehlt 485. Inkonsequent ist auch die Beschränkung auf rechtsmißbräuchlich erlangte Genehmigungen. Die Konstruktion einer objektiven Strafbarkeitsbedingung erlaubt es auch, generell auf die rückwirkende - Aufhebung der Genehmigung abzustellen 486. Dennoch sollen nur die rechtsmißbräuchlich zustandegekommenen Gestattungsakte erfaßt sein. Insoweit offenbart sich die Intention, in als mißbilligenswert erkannten Fallgruppen die vorhandene Regelungslücke zu überwinden. Die Figur der objektiven Strafbarkeitsbedingung ist somit nichts anderes als die GeneralklauseI ,,Rechtsrnißbrauch" , eine dogmatische Zauberformel, mit der einzelfallbezogene Gerechtigkeitserwägungen in das Strafrecht transponiert werden sollen. Abhilfe kann jedoch nur der hierzu legitimierte Gesetzgeber schaffen, etwa in Form einer Legaldefinition der Merkmale "ohne die erforderliche Genehmigung" bzw. "unbefugt" im Anschluß an die Umweltstraftatbestände, wie sie der SPD-Entwurf eines 2. UKG kennt 487. Die bestehende Gesetzeslücke muß akzeptiert werden, mag dies auch dem Gerechtigkeitsempfinden des einzelnen widersprechen.

483 Vgl. Pitschas VVDStRL 50 (1991),308,309 zum Schutze der Zuständigkeit des Strafrichters. 484 Nachweise s. o. FN 417. 485 s. O. 3. Kapitel F. I. 486 So SK-Horn Vor § 324 Rdn. 18, 19; hierzu ist bereits kritisch Stellung genommen worden, s. o. 3. Kapitel F I. Die dort angeführten Kritikpunkte gelten bezogen auf die Mißbrauchsproblematik entsprechend. 487 Vgl. die Fassung des § 330d StGB des SPD-Entwurfs in FN 47.

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4. Kap.: Die Reichweite der Verwaltungsaktsakzessorietät IV. Einschränkung der Verwaltungsaktsakzessorietät ohne Rückgriff auf den Rechtsmißbrauchsgedanken?

Soweit die Rechtfertigungswirkung unter Rückgriff auf den subjektiven Rechtfertigungswillen korrigiert wird, können dieselben Einwände erhoben werden, falls - hilfsweise - auf den Rechtsmißbrauchsgedanken abgestellt wird. Ansonsten stellt sich die Frage, ob bei einer Korrektur bereits im Rahmen der Anwendbarkeit der Genehmigung als Rechtfertigungsgrund dem Umstand Rechnung getragen werden muß, daß der Genehmigungsinhaber Kenntnis von den näheren Umständen hat, die zur Genehmigungserteilung geführt haben. In diesem Zusammenhang ist entscheidend, worauf sich der Wille desjenigen beziehen muß, der einen Rechtfertigungsgrund für sich in Anspruch nimmt. Das subjektive Rechtfertigungselement liegt vor, wenn der Täter die Rechtfertigungslage gekannt und in Ausübung seines Rechtes gehandelt hat 488 • Nach der Gesetzeslage ist der Genehmigungsinhaber aber objektiv gerechtfertigt, da die Legalisierungswirkung der Genehmigung unabhängig von deren Zustandekommen besteht. Der Rechtfertigungsgrund "Genehmigung" entfällt nicht bereits deshalb, weil die Genehmigung in verwerflicher Weise erlangt worden ist; dies räumt schließlich auch die herrschende Rechtsmißbrauchslehre ein, die sich lediglich gegen die Berufung auf die erteilte Genehmigung wendet. Mithin reicht es im Rahmen des subjektiven Rechtfertigungselements bereits aus, wenn der Genehmigungsinhaber die bestehende - Rechtfertigungswirkung der Genehmigung kennt und dementsprechend sein Verhalten auf die Genehmigung stützen will. Weitergehende Anforderungen können an das subjektive Rechtfertigungselement nicht gestellt werden, da ein Äquivalent in den objektiven Rechtfertigungsvoraussetzungen, auf das sich die Kenntnis beziehen müßte, nicht vorhanden ist. Die Auffassung von Jakobs, die behördliche Genehmigung rechtfertige in jedem Fall, jedoch sei der Genehmigungsempfanger wegen ihres Erwirkens als - mittelbarer - Täter strafbar, anerkennt im Grunde die umfassende Legalisierungswirkung der behördlichen Genehmigung. Die Strafbarkeit des Genehmigungsempfangers soll aber aus dessen Vorverhalten resultieren. Ohne dies explizit klarzustellen, wendetJakobs auf diese Weise in der Sache die bereits im Rahmen der Notwehr umstrittene Figur der actio illicita in causa an 489 • Auf die Untauglichkeit der actio illicita in causa, die Rechtfertigungswirkung der behördlichen Genehmigung zu beschränken, hat schon Winkelbauer zutreffend hingewiesen 490 • Auch wenn das Vorverhalten selbst rechtswidrig und strafbar ist, so ist es, 488 Vgl. RGSt 54,196,199; 61, 400; BGHSt 2,111,114; 11,241,257; LK-Hirsch Vor § 32 Rdn. 50, 57; Sch / Sch-Lenckner Vor § 32 Rdn. 13 ff.; Welzel § 14 I 3 b (S. 83 f.); Jescheck § 31 IV 1; Wesseis AT § 8 I 2; generell gegen subjektive Rechtfertigungselemente LK-Spendel § 32 Rdn. 138. 489 Vgl. zur Kritik an der actio illicita in causa zur Einschränkung des Notwehrrechts SK-Samson § 32 Rdn. 26 und Neumann S. 149 ff. 490 Winkelbauer S. 70 ff.; ihm folgend Rogall, FS Universität Köln S. 505, 527.

C. Eigene Lösung

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jedenfalls nach der gegenwärtigen Gesetzeslage, im Hinblick auf die §§ 324 ff. StGB auf ein rechtmäßiges Verhalten nach Genehmigungserteilung gerichtet. Kraft der behördlichen Genehmigung ist der Genehmigungsempfanger zumindest gerechtfertigt. Eine Strafbarkeit nach den §§ 324 ff. StGB ist demnach allenfalls unter der Voraussetzung gegeben, daß das auf die Genehmigungserteilung abzielende Verhalten bereits eine nach den §§ 324 ff. StGB zu bestrafende Rechtsgutsverletzung bzw. -gefahrdung darstellt. Im Falle der mittelbaren Täterschaft veraniaßt der Hintermann ein nicht strafbares Werkzeug zur Verwirklichung eines bestimmten Straftatbestandes. Wird der Amtsträger bei Erwirken der behördlichen Genehmigung getäuscht oder bedroht, ist er nach der Konzeption von Jakobs Werkzeug, der Genehmigungsempfanger mittelbarer Täter und zugleich selbst Werkzeug, da er wegen der erteilten Genehmigung bei deren Nutzung rechtmäßig handelt. Mit anderen Worten, der Genehmigungsempfanger bedient sich seiner selbst, eine Situation, die der Berufung auf das Notwehrrecht nach einem provoziertem Angriff vergleichbar ist. Diesbezüglich wird zutreffend die Provokationshandlung noch nicht als Rechtsgutsangriff angesehen, da es an der notwendigen Rechtsgutsgefahrdung fehlt, solange der Provozierende den Geschehensablauf nicht steuern kann 491 • Im Falle des Erwirkens einer behördlichen Genehmigung kann ebenfalls noch nicht von einem Angriff auf die nach den §§ 324 ff. StGB geschützten Rechtsgütern ausgegangen werden. Selbst wenn der Amtsträger die Genehmigung erteilt, hat sich der Genehmigungsempfanger nicht des Amtsträgers bedient, um den Tatbestand zu verwirklichen. Denn, wie Jakobs selbst einräumt, muß das nachfolgende Verhalten des Genehmigungsempfangers zur Tatbestandsverwirklichung hinzutreten 492 • Allein das Verhalten des Amtsträgers reicht nicht aus, um den Vorwurf einer Straftat nach §§ 324 ff. StGB zu begründen, da der Genehmigungsempfanger nicht notwendig die Genehmigung nutzen muß, auch wenn sein Verhalten darauf angelegt ist; die hier allein relevanten §§ 324, 326 StGB verlangen aber eine Verunreinigung bzw. einen tatbestandsmäßigen Erfolg. Aus demselben Grund scheidet eine Strafbarkeit des Amtsträgers und dementsprechend des Genehmigungsinhabers als Teilnehmer an der Straftat des Amtsträgers bei kollusivem Zusammenwirken bzw. im Falle der Bestechung aus, da dem Amtsträger im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung die notwendige Tatherrschaft fehlt 493. Das Vorverhalten bereits zum Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit nach den §§ 324 ff. StGB zu erklären, wäre mit einer Vorverlagerung des gesetzlichen Tatbestandes verbunden. Eine derartige Auslegung des Tatbestandes widerspricht dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG bzw. des § 1 StGB (nulla poena sine lege). Den Genehmi491 Vgl. im Hinblick auf die Beherrschung des Geschehensablaufs als Abgrenzungskriterium zwischen Versuch und Vorbereitungshandlung Roxin ZStW 75, 541, 554 und Neumann S. 150. 492 Jakobs 16/29a. 493 Zutreffend Tröndle NVwZ 1989, 918, 921; a. A. OLG Frankfurt NJW 1987,2753, 2757; SK-Hom Vor § 324 Rdn. 22 f. m. w. N.

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4. Kap.: Die Reichweite der Verwaltungsaktsakzessorietät

gungsinhaber als mittelbaren Täter und zugleich als Werkzeug anzusehen, läuft im Ergebnis darauf hinaus, die Rechtfertigungswirkung der Genehmigung entgegen der verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorgabe zu negieren. Das Vorverhalten des Genehmigungsempfängers kann lediglich nach Maßgabe der §§ 331 ff., 240 und eventuell § 263 StGB strafrechtlich verfolgt werden. Im übrigen besteht eine Regelungslücke, die die Konzeption Jakobs' nicht zu überwinden vermag.

V. Die Legalisierungswirkung der behördlichen Genehmigung im Hinblick auf die Verletzung von Individualrechtsgütern

Neben der mißbräuchlichen Ausnutzung der Genehmigung wird unter dem Gesichtspunkt des Rechtsrnißbrauchs erörtert, ob und bejahendenfalls in welchen Fällen die Legalisierungswirkung einer behördlichen Genehmigung eingeschränkt werden kann, wenn das auf sie gestützte Verhalten zu Verletzungen von Individualrechtsgütern führt. Nach dem Gesagten ist eine auf "Rechtsrnißbrauch" gestützte Argumentation nicht aussagekräftig, solange nicht dahinterstehende nachvollziehbare Kriterien aufgezeigt werden, die eine eingeschränkte Legalisierungswirkung rechtfertigen. Ferner kann rein logisch von einem Rechtsrnißbrauch nur die Rede sein, wenn überhaupt ein Recht existiert, das mißbraucht werden könnte. Vorrangig ist daher die Frage, ob eine Genehmigung nichtig ist, die die Verletzung von Individualrechtsgütern erlauben soll. Der entsprechende Vorschlag Winkelbauers, gestützt auf § 44 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 5 VwVfG494, erscheint zunächst plausibel, wenn man die Funktion der Verwaltung bedenkt, die ihr anvertrauten Rechtsgüter der Allgemeinheit zu schützen. Außerdem verfängt der bei der rechtsmißbräuchlichen Erlangung der Genehmigung zutreffende Einwand nicht, die Nichtigkeit der Genehmigung nach § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG münde in einen Zirkelschluß, da die in Rede stehenden Individualrechtsgüter gerade nicht in Abhängigkeit vom Verwaltungsrecht geschützt sind 495 . Einen Maßstab bilden insoweit nicht nur die §§ 223 ff. StGB, sondern auch § 330 a StGB, der nicht verwaltungsakzessorisch ausgestaltet ist 496. Die Auffassung Winke/bauers wirft jedoch Probleme auf, vergegenwärtigt man sich die damit verbundene Rechtsfolge, die Nichtigkeit der Genehmigung. Nach dem bisherigen Ergebnis rechtfertigt die wirksame Genehmigung die hierauf gestützte Beeinträchtigung von. Umweltgütern; aus einem Verstoß gegen die §§ 324 ff. StGB resultiert nicht die Nichtigkeit der Genehmigung. Wenn anderes im Hinblick auf die Individualrechtsgüter gelten soll, kann dies nur eine TeilnichWinkelbauer NStZ 1988,201,206. 495 Insoweit zutreffend Winkelbauer NStZ 1988,201,206. 496 Nachweise s. o. FN 7.

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C. Eigene Lösung

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tigkeit der Genehmigung zur Folge haben. Die Teilnichtigkeit ist zwar in § 44 Abs. 4 VwVfG vorgesehen, wonach grundsätzlich der wirksame Teil des Verwaltungsakts aufrecht erhalten bleibt. Teilnichtigkeit setzt aber eine Teilbarkeit des Verwaltungsakts voraus 497 . Es fragt sich, wie der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts aufgeteilt werden kann, wenn er als Rechtsfolge etwa die Nutzung eines Gewässers oder einer bestimmten Anlage beinhaltet. Dieser Einwand besteht nicht, wenn man den Regelungsgehalt der Genehmigung von vorneherein auf die Umweltgüter beschränkt sieht. Den Umweltbehörden kommt keine Dispositionsbefugnis über Individualrechtsgüter zu. Da sie dementsprechend nicht in die Güterabwägung zum Nachteil des einzelnen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens einbezogen werden können, kann die Genehmigung als Resultat der Interessenabwägung keine rechtfertigende Wirkung entfalten, soweit Individualrechtsgüter betroffen sind. Dies gilt auch bei einfachen Körperverletzungen im Sinne des § 223 StGB oder Sachbeschädigungen nach § 303 StGB498. Die Rechtsmacht der Behörde endet dort, wo private Rechte des einzelnen betroffen sind. Etwas anderes wird im Bereich der fahrlässigen Körperverletzung gelten müssen, wenn die Behörde im Rahmen ihrer Interessenabwägung unter Berücksichtigung und in Kenntnis des Gefährdungsrisikos für das private Rechtsgut die Genehmigung erteilt hat. Denn insoweit hat der Genehmigungsempfanger ein erlaubtes Risiko verwirklicht, das eine objektive Pflichtwidrigkeit ausschließt 499 . Mit anderen Worten, die immanenten Grenzen der Legalisierungswirkung einer Genehmigung sind Ausfluß der konkreten Interessenabwägung, die die Behörde vor Erlaß der Genehmigung vornimmt. Dies erscheint auch konsequent, sofern man - zutreffend - die behördliche Genehmigung als formalisiertes Resultat einer hoheitlichen Güterabwägung begreift. Die immanenten Grenzen der Legalisierungswirkung machen damit eine Heranziehung des Rechtsmißbrauchsgedankens ebenso obsolet wie die direkte oder analoge Anwendung des § 44 VwVfG, die nur zu einer Teilnichtigkeit führen kann. VI. Die Reichweite der Legalisierungswirkung gegenüber den Umweltgütern Da die umweltrechtliche Genehmigung nicht die Verletzung von Individualrechtsgütern wie Leben oder Gesundheit rechtfertigt, wird die Frage aufgeworfen, ob nicht dann auch die Beeinträchtigung von Umweltgütern in jedem Fall von strafrechtlicher Verantwortung ausgenommen ist. Hierzu ließe sich anführen, der Schutz der Umweltgüter bestehe gerade im Hinblick auf den Schutz von Leben 497 Ob ein Verwaltungsakt teilbar ist, hängt allein von dessen Regelungsgehalt ab, vgl. Stelkens / Bonk / Leonhardt-Stelkens / Sachs § 43 Rdn. 138. 498 Wie hier Rudolphi, FS Lac1mer S. 863, 881; Winkelbauer NStZ 1988,201,204. 499 Im Ergebnis ebenso StA Landau NStZ 1984, 553, 554; Lackner § 324 Rdn. 13; Heinz NStZ 1981,253,256.

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4. Kap.: Die Reichweite der Verwaltungsaktsakzessorietät

und Gesundheit des Menschen, so daß hinsichtlich der einzelnen Rechtsgüter nicht differenziert werden könne 5OO . Eine Differenzierung verbiete sich zudem vor dem Hintergrund der Umweltverwaltungsgesetze, die regelmäßig die Integrität der Individualrechtsgüter als Prüfungsmaßstab festschreiben, so etwa § 6 WHG (Wohl der Allgemeinheit)501 und § 1 BImSchG. Gleichwohl besteht der wesentliche Unterschied zu der zuvor behandelten Verletzung von Individualrechtsgütern darin, daß die Umweltbehörden zum Schutz der Umweltgüter berufen sind und auf der Grundlage Dispositionen treffen dürfen und sollen. Schließlich kann die Verwaltung der ihr durch das WHG übertragenen Aufgabe, ein Bewirtschaftungskonzept für die Gewässer aufzustellen, ohne Eingriffe in den Wasserhaushalt nicht gerecht werden. Daß sich in diesem Zusammenhang Eingriffe in Leben, Gesundheit oder Eigentum Dritter verbieten, folgt bereits aus den Grundrechten, ohne daß es dazu einer Erwähnung in dem jeweiligen Fachgesetz bedarf. Schutz und Verwaltung der Umweltgüter unterliegen einem staatlichen Entscheidungsmonopol. Selbst wenn im Strafrecht die Gefährdung von Leib oder Leben im Sinne des § 330 StGB qualifizierend gegenüber den §§ 324 ff. StGB wirkt, ist damit nicht der Individualrechtsschutz dermaßen in den Vordergrund gerückt, daß eine Differenzierung nach dem konkret betroffenen Rechtsgut geboten wäre, um die Reichweite der Rechtfertigungswirkung einer Genehmigung zu bestimmen 502 . Die Strafbarkeit nach § 330 StGB knüpft an die Intensität der Verletzung eines Umweltgutes an. Die Gefährdung von Leib oder Leben ist in diesem Sinne Folge einer gegen ein eigenständiges Universalrechtsgut gerichteten Handlung, deren Beeinträchtigung in Form von staatlichen Gestattungsakten die Umweltgesetze unter bestimmten Voraussetzungen ausdrücklich vorsehen. Die Eigenständigkeit ökologischer oder wenigstens ökologisch-anthropozentrischer Rechtsgüter im Umweltstrafrecht würde unterlaufen, wollte man jede Rechtsgutsverletzung im Sinne einer rein anthropozentrischen Rechtsgutslehre primär als Verletzung von Individualrechtsgütern begreifen 503 . Im Anwendungsbereich der §§ 324 ff. StGB ist damit ein Rückgriff auf Individualrechtsgüter gesperrt. Demzufolge ist im Rahmen der erforderlichen Güterabwägung die wirksame hoheitliche Genehmigung grundsätzlich ohne Einschränkung maßgeblich 500 Vgl. Triffterer S. 185; Galonska S. 21 f. 501 Hierzu zählen insbesondere Belange der menschlichen Gesundheit, vgl. BVerwG DVBI 1989, 1048 = NuR 1990, 25 f. 502 in diesem Sinne aber Galonska S. 20 im Anschluß an Triffterer S. 226. 503 Eine rein anthropozentrische Bestimmung der Rechtsgüter im Umweltstrafrecht wird neuerdings von Hohmann S. 188 ff., ders. GA 1992, 76, 84 vertreten. Dagegen spricht entscheidend, daß der Mensch zunehmend das Ideal von der intakten Umwelt betont, was die Diskussion um die Etablierung des Umweltschutzes als Staatsziel im Grundgesetz verdeutlicht. Ein rein anthropozentrischer Ansatz ist auch mit den §§ 324 ff. StGB unvereinbar (vgl. zu den heute vertretenen Sichtweisen bezüglich der Rechtsgutsbestimmung im Umweltstrafrecht auf der Grundlage der einzelnen Vorschriften die Zusammenstellung bei Rengier NJW 1990,2506 ff. und zu § 324 StGB oben 3. Kapitel D 11 2d). Nicht ohne Grund sieht Hohmann von seinem Ansatz her folgerichtig das Umweltschutzstrafrecht besser im Nebenstrafrecht aufgehoben.

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und damit eine Strafbarkeit wegen Beeinträchtigung von Umweltstrafrechtsgütern ausgeschlossen. In neuerer Zeit wird eine Begrenzung der Legalisierungswirkung in Fällen vorgeschlagen, in denen die Verwaltung zur Vermeidung besonders nachhaltiger Schädigungen eingreifen mußS04. In vergleichbarer Weise will Heine den Umfang der Legalisierungswirkung der Genehmigung in Abstimmung mit dem Verwaltungsrecht nach deren Regelungsgehalt bestimmen 505. Eine Grenze sei in den Fällen zu ziehen, in denen die Verwaltungsbehörde kraft der polizeirechtlichen Generalklausel zu einem Einschreiten gegen unmittelbar drohende Gefahren befugt sei. Außerdem erfolge das Betreiben einer Arilage ohne Genehmigung, wenn und soweit falsche Angaben Regelungsinhalt der Genehmigung geworden seien, da die Genehmigung insoweit keine Legalisierungwirkung zukomme. Die Ariknüpfung an den Regelungsgehalt der Genehmigung, die Heine im letztgenannten Fall fordert, ist bei strenger Umsetzung der verwaltungsrechtlichen Vorgabe eine Selbstverständlichkeit. Eine strafrechtliche Rechtfertigung kann nur insoweit ausgesprochen werden, wie der Regelungsgehalt der Genehmigung reicht. Die Problematik besteht vielmehr darin zu unterscheiden, ob der fragliche Umstand, z. B. falsche Angaben des Antragstellers, Inhalt der Genehmigung geworden oder lediglich deren Entscheidungsgründen zuzuordnen ist 506 • Ebenso wie nur der Tenor des - zivilgerichtlichen - Urteils der Rechtskraft fähig ist, entfaltet der Verwaltungsakt nur hinsichtlich seines Regelungsgehalts Bindungswirkungen, die der Rechtsanwender beachten muß. Soweit also falsche Auskünfte des Antragstellers Eingang in den Regelungsgehalt der Genehmigung finden, steht die Genehmigung einer Bestrafung des Genehmigungsinhabers nicht entgegen, wodurch die Täuschungsproblematik partiell entschärft ist. Problematisch erscheint aber, ob der Regelungsgehalt der Genehmigung bei akuten Gefahrenlagen für Umweltgüter nicht berücksichtigt werden kann. Wenn eine Korrelation zwischen polizeirechtlich zu beseitigender Gefahrenlage und strafrechtlicher Verantwortlichkeit hergestellt wird, klingt dies vor der Prämisse überzeugend, strafrechtlich könne sanktioniert werden, was verwaltungsrechtlich unterbunden werden könne 507 • Der Verweis Heines auf eine akute Gefahrenlage findet in der verbreiteten Auffassung im Verwaltungsrecht seine Stütze, wonach die Grenze der Legalisierungswirkung einer Genehmigung dort gezogen werden müsse, wo aufgrund einer unmittelbar drohenden Gefahr die ordnungsbehördliche Generalklausel ein Einschreiten gestatte 508. Diese Auffassung ist aber keineswegs Rogall, Amtsträgerstrafbarkeit S. 185. Heine NJW 1990,2425,2433; ders. ÖJZ 1991,370,374. 506 Dies räumt Heine selbst ein (NJW 1990,2425,2433; weniger dezidiert ders. ÖJZ 1991, 370, 374); ebenso Rengier ZStW 101 (1989), 874, 900. 507 Vgl. Heine ÖJZ 1991, 370, 374. 504 505

508 BVerwGE 55, 118, 123; im Ergebnis ebenso OVG Münster NVwZ 1985, 355, 356, das generell eine Legalisierungswirkung einer Genehmigung im Ordnungsrecht verneint; ähnlich Kloepfer NuR 1987, 7, 14 und Staupe DVBI 1988, 606, 609 f., die

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4. Kap.: Die Reichweite der Verwaltungsaktsakzessorietät

unumstritten. Unter Berufung auf das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung wird es als Widerspruch empfunden, einen Anlagenbetreiber ordnungsrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, obwohl er eine staatliche Genehmigung vorweisen kann. Dies könne selbst dann nicht gelten, wenn die Gefahrenlage unmittelbar verursacht worden sei 509. Die Legalisierungswirkung einer Genehmigung ist nichts anderes als ein Ausdruck für ihre Verbindlichkeit gegenüber anderen staatlichen Organen 510. Das BVerwG läßt insoweit eine Ausnahme zu, als die allgemeinen Ordnungsbehörden zur Abwehr von unmittelbar drohenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit zum Einschreiten ermächtigt sein sollen. Selbst wenn man eine derartige Ermächtigung im Verwaltungsrecht akzeptierte, bleibt begründungsbedürftig, warum entsprechendes für die Strafverfolgungsbehörden in vergleichbaren akuten Gefahrenlagen bzw. - wie Heine formuliert - atypischen Situationen 51l gelten soll. Sinn und Zweck des Ordnungsrechts ist die Beseitigung der unmittelbar drohenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, während das Strafrecht die persönliche Verantwortung des einzelnen für ein bestimmtes Verhalten zum Ziele hat. Den Ordnungsbehörden die Möglichkeit zum Einschreiten zu eröffnen, mag im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr durchaus angezeigt sein. Mit einem Rechtswidrigkeitsurteil im Sinne des Strafrechts ist dies allerdings nicht vergleichbar, zumal die ordnungsrechtliche Störerhaftung lediglich die unmittelbare Verursachung der Gefahr, nicht aber deren rechtswidrige Verursachung voraussetzt 512• Selbst wenn der Genehmigungsinhaber als Verhaltensstörer angesehen werden sollte, können im Polizei- und Ordnungsrecht auf der Rechtsfolgenseite im Sinne der Billigkeit Korrekturen vorgenommen werden, etwa bei der Störerauswahl oder unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der angezeigten Gefahrenabwehrmaßnahmen. Im übrigen erscheint es zumindest erwägenswert, ob der Legalisierungswirkung der Genehmigung nicht auf Sekundärebene Rechnung getragen werden kann, indem der Genehmigungsinhaber von der Kostentragungspflicht freigestellt wird 513 • Diese Regelung erscheint angebracht,

übereinstimmend nicht vorhersehbare Gefahren vom Bescheidungsgegenstand der Genehmigung ausnehmen. 509 Rietdorf / Heise / Böckenjörde / Strehlau § 17 aBG NW Rdn. 7: keine polizeiliche Pflichtwidrigkeit bei von einer Gestattung erfaßten Verhalten; ebenso Friauf Rdn. 79; Martens DVBl. 1981,597,605; Schink DVBI 1985, 1149, 1155; Papier NVwZ 1986, 256, 258 f.; ferner Rengier ZStW 101, 874, 894. 510 Zutreffend Peine JZ 1990, 201, 210, 212, der auf die fehlende eigenständige Bedeutung des Begriffs ,,Legalisierungswirkung" verweist. 5ll Heine NJW 1990, 2425, 2431. 512 aVG Münster NVwZ 1985, 335, 356; VGH Kassel NJW 1986, 1829; aVG Lüneburg NVwZ 1988, 638, 639; Rietdorf / Heise / Böckenjörde / Strehlau § 17 aBG NW Rdn. 5; Wagner vor §§ 4-6 PolG Rdn. 19 ff.; FriaufRdn. 76. 513 Vgl. zur Beschränkung der Kostentragungspflicht des Zustandsstörers Papier NVwZ 1986,256,261.

C. Eigene Lösung

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um den Widerspruch abzumildern, der sich darin äußert, die Voraussetzungen der Generalklausel trotz Vorliegens einer hoheitlichen Erlaubnis zu bejahen. Derartige Korrekturmöglichkeiten stehen, von dem fehlenden Rechtswidrigkeitsurteil im Ordnungsrecht ganz abgesehen, im Strafrecht nicht zur Verfügung. Eine Übertragung der speziell zum Gefahrenabwehrrecht ergangenen Rechtsprechung des BVerwGs in das Umweltstrafrecht ist daher weder angezeigt noch interessengerecht, solange sich der Adressat auf eine wirksame und damit allseits verbindliche hoheitliche Entscheidung berufen kann. VII. Zusammenfassung Einer Beschränkung der Verwaltungsaktsakzessorietät muß entgegengetreten werden. Das Mißbrauchskriterium der h. M. umschreibt lediglich Billigkeitserwägungen oder aufgrund anderweitiger Kriterien, z. B. dem Merkmal der Zurechenbarkeit, gefundene Ergebnisse. Eine eigenständige dogmatische Begründung liefert die h. M. nicht. Insbesondere legt sie nicht fundiert dar, warum die Verbindlichkeit eines Verwaltungsakts, die auf dem Gewaltenteilungsgrundsatz basiert, in den Fällen des sog. Rechtsrnißbrauchs nicht akzeptiert werden soll, obwohl die Wirksamkeit und damit auch die Beachtlichkeit des Verwaltungsakts in den diskutierten Fällen gesetzlich (§ 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG) angeordnet ist. Wer aber - zutreffend - die Verbindlichkeit des Verwaltungsakts als tragenden Grund der Verwaltungsakzessorietät versteht, zumal die Verbindlichkeit das verfahrensrechtliche Instrument auf dem Weg zu einer widerspruchsfreien Rechtsordnung ist, setzt sich nicht nur dem Vorwurf der Inkonsequenz aus. Er setzt sich auch in Widerspruch zur gegenwärtigen Gesetzeslage. Mangels spezieller strafrechtlicher Vorschriften sind die Strafverfolgungsorgane gehalten, im Rahmen eines bewußt verwaltungsakzessorischen Strafrechts das Verwaltungsrecht anzuwenden, nicht aber, es zu reformieren. Vielmehr ist der Gesetzgeber aufgerufen, de lege ferenda für das Strafrecht akzeptable Korrekturen an den verwaltungsrechtlichen Wertungen vorzunehmen. Der SPD-Entwurf zu einem 2. UKG leistet einen Beitrag, wie eine solche, originär strafrechtliche Regelung aussehen kann. Die Verbindlichkeit der nicht nichtigen Genehmigung ist auch Ausgangspunkt, sofern die inhaltliche Reichweite ihrer Rechtfertigungswirkung in Zweifel gezogen wird. In Form der Genehmigung entscheidet die Umweltbehörde über die Vereinbarkeit des beantragten Nutzungsvorhabens mit den Umweltgütern, die ihrem Schutz anvertraut sind. Die Verletzung von Individualrechtsgütern berührt die Genehmigungserteilung nicht. Eine Begrenzung der Legalisierungswirkung bei akuten Gefahrenlagen, wie sie von der Rechtsprechung für die ordnungsrechtliche Gefahrenabwehr vertreten wird, ist nicht in das Strafrecht übertragbar, solange der Genehmigungsinhaber auf ein - wirksames - subjektiv öffentliches Recht auf Umweltnutzung verweisen kann. Eine Grenze bildet lediglich eine in Evidenzfällen bestehende Nichtigkeit der Genehmigung nach § 44 VwVfG. 11 Scheele

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4. Kap.: Die Reichweite der Verwaltungsaktsakzessorietät

D. Konsequenzen einer strengen Verwaltungsaktsakzessorietät in der Praxis I. Die Relevanz informellen VerwaItungshandelns Die Umweltbehörden nehmen die ihnen übertragenen Aufgaben nicht durchweg im Rahmen eines formalisierten Verwaltungsverfahrens wahr. Sie greifen vielmehr in erheblichem Umfang auf informelle Erledigungsmethoden zurück, die kraft der gesetzlich angeordneten Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts strafrechtliche Bedeutung gewinnen könnten. Zu nennen sind die behördliche Duldung und der der Genehmigungserteilung vorgelagerte Zustand der bloßen - Genehmigungsfähigkeit eines konkreten Vorhabens. Die Rechtfertigungswirkung der Duldung wird unter erheblichem argumentatorischen Aufwand kontrovers diskutiert, ohne daß eine Einigung in Aussicht stünde 514 • Eine Auseinandersetzung mit den einzelnen hierzu vertretenen Positionen und deren Argumenten kann und soll hier nicht erfolgen. Die gebotene strenge Verwaltungsaktsakzessorietät kann nur daraufhin untersucht werden, inwieweit sie als Maßstab für eine generelle Orientierung an verwaltungsrechtlichen Vorgaben geeignet ist. Nach der hier vertretenen Auffassung ist die strenge Verwaltungsaktsakzessorietät im wesentlichen auf die umfassende Bindung anderer Hoheitsträger an die hoheitliche Entscheidung der Umweltbehörde gegründet. Derartige Bindungswirkungen entfalten informelle Maßnahmen, insbesondere Duldungen seitens der Verwaltung, nicht, es sei denn, die Duldung ist nach ihrer Art und den Umständen des Einzelfalls aus der Sicht des Adressaten mit einem gestattenden Verwaltungsakt gleichzusetzen 515. Dementsprechend kann aus der Verwaltungsaktsakzessorietät nicht zwingend gefolgert werden, der behördlichen Duldung müsse ebenfalls und in vergleichbarem Umfang Rechtfertigungswirkung zugebilligt werden. Im Gegenteil, da der Duldung nicht eine allseits zu beachtende Verbindlichkeit zukommt und damit der tragende Grund für die Bindung des Strafrichters fehlt, wird man insoweit nicht von einer Bindung des Strafrichters ausgehen können. Ob stattdessen aus dem Vertrauensschutzgedanken die Akzep514 Die Rechtfertigungswirkung einer aktiven Duldung bejahend OLG Celle ZfW 1987, 126, 127; LG Bonn NStZ 1988, 224, 225; Papier Strafrechtliche Probleme S. 66; Tiedemann HdUR 11 Sp. 852; ohne Differenzierung nach der Art der Duldung Dahs / Pape NStZ 1988, 393, 395 f.; Wüterich UPR 1988, 248, 251; Samson JZ 1988, 800, 804; einschränkend auch Wasmuth / Koch NJW 1990,2434,2439 ff.; Gentzcke S. 154 ff.; a. A. LK-Steindorf§ 324 Rdn. 88; Schi Sch-Cramer Vorbem. §§ 324 ff. Rdn. 20; Odersky, FS Tröndle S. 291, 298; Breuer DÖV 1987, 169, 181; ders. AöR 115, 448, 465; Schröder VVDStRL 50, 196, 226 f.; Ouo Jura 1991, 308, 313 f.; zuletzt Alleweldt NuR 1992,312, 314 ff. m. w. N. 515 Insoweit stellt sich das Problem der Abgrenzung von Duldung und gestattendem Verwaltungsakt, vgl. hierzu Odersky, FS TröndleS. 291,300 ff.; Odersky (a. a. O. S. 303) will die Problematik dadurch entschärfen, daß sich der Adressat im Zweifel in einem den Vorsatz oder die Vorsatzstrafe ausschließenden Irrtum befindet, wenn er das Behördenverhalten als Verwaltungsakt qualifiziert.

D. Konsequenzen einer strengen Verwaltungsaktsakzessorietät

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tanz der behördlichen Genehmigung im Strafrecht hergeleitet werden kann, bedürfte auch im Hinblick auf das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung einer eingehenderen Erörterung. Gleiches gilt im Ergebnis für die Konstellation eines in concreto genehmigungsfähigen Verhaltens 516; eine hoheitliche Entscheidung, die allseits Verbindlichkeit beanspruchen kann, liegt nicht vor. Zwar mag das Vorhaben der materiellen Verwaltungsrechtslage entsprechen. Eine Bindung der Strafverfolgungsorgane daraus abzuleiten, läßt sich mit den aufgezeigten Geltungsgründen nicht vereinbaren, die der Bindungswirkung eines Verwaltungsakts zuzuordnen sind. Es fehlt eine hoheitliche Entscheidung, der nach Maßgabe des Verwaltungsverfahrensgesetzes Wirksamkeit zukommt und die infolge ihrer Wirksamkeit einen formalisierten, d. h. schutzwürdigen Tatbestand schafft. Solange ein förmlicher Gestattungsakt nicht ergangen ist, trägt allein der Antragsteller das Risiko strafrechtlicher Verfolgung. Ansonsten liefe das gesetzlich angeordnete Genehmigungserfordernis leer, wenn der Täter sich ohnehin auf die GenehmigungsHihigkeit berufen könnte.

11. Die Beachtlichkeit rechtswidriger, belastender Verwaltungsakte

Im Mittelpunkt der Untersuchung haben bislang begünstigende Verwaltungsakte gestanden. Das gefundene Ergebnis ist gleichwohl auf belastende, d. h. strafbewehrte Verwaltungsakte übertragbar. Die Bindungswirkungen sind wesensimmanente Folgen eines wirksamen Hoheitsaktes. Dementsprechend ist es unzulässig, zwischen begünstigenden und belastenden Verwaltungsakten zu differenzieren. Der Adressat eines belastenden, wenn auch rechtswidrigen Verwaltungsakts muß sich des Strafbarkeitsrisikos bewußt sein, zumal die Strafverfolgungsorgane an die verwaltungsrechtliche Vorgabe gebunden sind. Etwaige Bedenken, der Adressat werde trotz einer rechtswidrigen Anordnung strafrechtlich zur Verantwortung gezogen, werden dadurch berücksichtigt, daß die Umweltstraftatbestände die Vollziehbarkeit des Verwaltungs akts verlangen. Auf diese Weise wird der Verwaltungsakt nicht nur einer weiteren Rechtmäßigkeitsprüfung unterzogen. Mit § 80 Abs. 5 VwGO steht dem Betroffenen auch ein Verfahren zur Verfügung, mit dessen Hilfe er unter Umständen auf schnelle und rechtsstaatlich einwandfreie Weise eine Korrektur der Verwaltungsentscheidung herbeiführen kann. 516

Für die Unbeachtlichkeit der Genehmigungsfähigkeit OLG Köln wistra 1991,74,

75; LK-SteindorJ § 325 Rdn. 43; Sch / Sch-Cramer Vorbem §§ 324 Rdn. 19; SK-Horn Vor § 324 Rdn. 20; ders. / Hoyer JZ 1991,703 m. w. N.; Roxin § 17 Rdn. 49; Tiedemann HdUR 11 Sp. 852; Heine / Meinberg, 57. DJT, D 51; Schröder VVDStRL 50, 196,226; a. A. bei Ermessensreduzierung auf Null Rudolphi NStZ 1984, 193, 198 und Papier

Strafrechtliche Probleme S. 66; im Ergebnis ebenso bei nachweislicher Ungefährlichkeit

Winkelbauer S. 60 f.; Tiessen S. 163; weitergehend Brauer S. 90 ff. (Tatbestandsaus-

schluß bei Genehmigungsfähigkeit). 11*

164

4. Kap.: Die Reichweite der Verwaltungsaktsakzessorietät 111. Die Kontrolle strafrechtlich relevanter VerwaItungsakte durch die Verwaltungsgerichte

Nach der hier vertretenen Lösung ist von besonderer Bedeutung, inwieweit die verwaltungsgerichtliche Kontrolle Einfluß auf die Strafbarkeit des Umweltdelinquenten hat. Hiervon sind stratbewehrte Verwaltungs akte und Genehmigungen gleichermaßen betroffen, da der Genehmigungsinhaber gegen einen auf § 48 VwVfG gestützten Aufhebungsverwaltungsakt vorgehen kann, indem er Widerspruch einlegt bzw. Klage erhebt oder vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO begehrt. Ein verwaltungsrechtlicher Rechtsbehelf entfaltet grundsätzlich Suspensivwirkung (§ 80 Abs. 1 VwGO). Von Bedeutung für die Strafverfolgung ist somit, welche Reichweite dem Suspensiveffekt zukommt. Bekanntlich ist im Verwaltungsrecht umstritten, ob die Einlegung eines Rechtsbehelfs die Wirksamkeit- oder die Vollziehbarkeit eines Verwaltungs akts hemmt 5I7 • Soweit das Umweltstrafrecht ausdrücklich auf die Vollziehbarkeit des - belastenden - Verwaltungsakts abstellt, kann der Streit freilich dahinstehen. Dasselbe gilt im Falle der für sofort vollziehbar erklärten Aufhebung der behördlichen Genehmigung. Wenn die Behörde die Aufhebungsverfügung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt und damit Widerspruch und Anfechtungklage keine aufschiebende Wirkung zukommt, kommt eine Strafbarkeit nach den §§ 324 ff. StGB in Betracht, da der Täter sich nunmehr nicht auf die behördliche Genehmigung berufen kann. Wird aber eine behördliche Genehmigung mittels entsprechenden Verwaltungsakts aufgehoben und dessen Vollziehbarkeit nicht ausdrücklich nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet, stellt sich die Frage nach dem Inhalt des Suspensiveffekts. Der Wortlaut des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO offenbart, daß der Suspensiveffekt allein mit der Anordnung der sofortigen Voll ziehung wiederhergestellt werden kann. Hat der Suspensiveffekt nach § 80 Abs. 1 VwGO die Wirkung, die Wirksamkeit des Aufhebungsverwaltungsakts zu hemmen 518, so existiert die behördliche Genehmigung nach wie vor; demnach sind die Strafverfolgungsbehörden weiterhin an die Genehmigung gebunden. Wird aber - nur - die Vollziehbarkeit des Aufhebungsverwaltungsakts gehemmt 519 , bleibt der Aufhebungsverwaltungsakt rechtswirksam. Gleichwohl darf bei Verwaltungsakten, die auf eine Rechtsgestaltung gerichtet sind, der vorläufige Rechtsschutz nicht ins Leere gehen. Die Rechtsprechung versteht daher zu Recht Vollziehbarkeitshemmung in einem umfassenden Sinne; die aufschiebende Wirkung verbietet, aus dem angefochtenen Verwaltungs akt unmittelbare oder mittelbare, tatsächliche oder rechtliche Folgerungen zu ziehen 520. Eine derartige Folgerung würde es aber darstellen, wenn Vgl. zum Streitstand Kopp, VwGO, § 80 Rdn. 15 m. w. N. In diesem Sinne Eyermann / Fröhler § 80 Rdn. 7 m. w. N. 519 So die h. M.: BVerwGE 13, 1, 5 ff.; 18, 72, 75; Redeker / v. Oertzen § 80 Rdn. 4; Finkeinburg / Jank Rdn. 486 ff.; Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, § 6 11 1. 517

518

D. Konsequenzen einer strengen Verwaltungsaktsakzessorietät

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die Strafverfolgungsbehörden trotz Eintritts des Suspensiveffekts die behördliche Genehmigung ignorieren könnten. Mithin ist der Streit um die Bedeutung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 1 VwGO irrelevant, sofern ein Verhalten nach Eintritt des Suspensiveffekts strafrechtlich verfolgt werden S01l521. Zusammenfassend kann auf eine Zuwiderhandlung nach Eintritt der aufschiebenden Wirkung nicht abgestellt werden. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs oder der Anfechtungsklage sperrt eine strafrechtliche Verfolgung. Sollte der Widerspruch oder die Anfechtungsklage erfolglos bleiben, ist erst für die Zeit nach Zurückweisung des Rechtsbehelfs die strafrechtliche Verfolgung eröffnet. Handlungen, die nach Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen den Aufhebungsverwaltungsakt und vor dessen Zurückweisung vorgenommen worden sind, können wegen des aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Rückwirkungsverbots nicht strafrechtlich nach den §§ 324 ff. StGB verfolgt werden, da im Zeitpunkt der Tat die Rechtfertigungswirkung der behördliche Genehmigung infolge des Suspensiveffekts nicht beseitigt war.

520 Vgl. BVerwGE 13, 1, 8 f.; BVerwG DÖV 1973, 785, 786; Finkeinburg / fank Rdn. 488; Odenthai NStZ 1991,418,419. 521 Zutreffend Odenthai NStZ 1991, 418, 419; kritisch Wüterich NStZ 1987, 106, 107, der aber die umfassende Auslegung der Vollziehbarkeitshemmung durch die h. M. verkennt.

5. Kapitel

Ergebnisse der Untersuchung Die behördliche Genehmigung ist ein wesentliches Instrument der Umweltbehörden, die Nutzung der Umweltressourcen zu steuern. Im Wege der in den Umweltgesetzen vorgeschriebenen Interessenabwägung befindet die Umweltbehörde darüber, inwieweit eine konkret beantragte Nutzung der Umweltmedien mit den Interessen der Allgemeinheit an der Reinhaltung der Umweltgüter vereinbar ist. Die behördliche Genehmigung konkretisiert den jeweiligen Rechts- und Pflichtenkreis des Bürgers in formalisierter Weise. Der Gesetzgeber hat sich bei der Etablierung der §§ 324 ff. StGB die Konkretisierungsfunktion der umweltrechtlichen Verwaltungs akte in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise zu eigen gemacht und zum Teil die Tathandlung als strafbewehrten Verstoß gegen umweltbehördliche Einzelanordnungen beschrieben. Die daraus resultierende Verwaltungsaktsakzessorietät des geltenden Umweltstrafrechts ist Ausdruck des prinzipiellen Vorrangs des Verwaltungsrechts gegenüber dem Strafrecht, das als ultima ratio zum Schutze der Umwelt begriffen werden muß. Für die Behandlung der fehlerhaften behördlichen Genehmigung im Umweltstrafrecht gelten im wesentlichen und vorrangig die Vorschriften des Verwaltungsrechts. Ein eigenständiger strafrechtlicher Rechtswidrigkeitsbegriff ist nicht akzeptabel, da er der Funktion der behördlichen Genehmigung und der Verwaltungsakzessorietät widerspricht und mangels verifizierbaren Prüfungsmaßstabs nicht praktikabel ist. Die insoweit gebotene Abhängigkeit vom Verwaltungsrecht kann nur durch eine Anknüpfung an die materiellrechtlichen Bestimmungen der Umweltgesetze oder an das Allgemeine Verwaltungsrecht hergestellt werden. Das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung spricht dafür, die Kollision zwischen materieller Rechtswidrigkeit und verwaltungsverfahrensrechtlicher Wirksamkeit der fehlerhaften behördlichen Genehmigung in Richtung auf die Wirksamkeit der Genehmigung und damit deren Rechtfertigungswirkung im Strafrecht aufzulösen. Die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung ist als Unterfall der Einheit der Rechtsordnung kein Postulat oder gar eine Leerformel, sondern ein verfassungsrechtlich unterfangenes Rechtsprinzip, das die Strafrechtsdogmatik zu berücksichtigen hat, um Wertungsdivergenzen zwischen Verwaltungs- und Strafrecht zu vermeiden. Die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung intendiert eine Orientierung an der von der zuständigen Verwaltungsbehörde

5. Kap.: Ergebnisse der Untersuchung

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rechts wirksam vorgenommenen Bewertung der Interessenlage. Die der Regelung des § 43 VwVfG zugrundeliegende Wertung, Hoheitsakte grundsätzlich als wirksam zu behandeln, ist im Hinblick auf den auch im Strafrecht zu beachtenden Grundsatz der Rechtssicherheit in das Strafrecht übertragbar. Die Genehmigung als hoheitliche Entscheidung entfaltet kraft ihrer gesetzlich angeordneten Wirksamkeit eine Bindungswirkung gegenüber allen in das staatliche Kompetenzgefüge eingebundenen Organen. Mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar wäre, wenn der Staat mit zwei Zungen spräche, indem er dieselbe Handlung verwaltungsrechtlich erlaubte, strafrechtlich aber verfolgte. Insoweit tritt der Gedanke der materiellen Gerechtigkeit zurück, zumal nach der gegenwärtigen Fassung der §§ 324 ff. StGB dem Strafrichter keine Befugnis zur Prüfung der materiellen Rechtrnäßigkeit der behördlichen Genehmigung eingeräumt ist. Die Bindung des Strafrichters an die Existenz einer behördlichen Genehmigung kann nicht durch Rückgriff auf die Argumentationsfigur des Rechtsrnißbrauchs oder vergleichbare Konstruktionen in bestimmten Fällen aufgehoben werden. Die allseitige Verbindlichkeit der behördlichen Genehmigung besteht ausweislieh § 48 Abs. 2 VwVfG, der insoweit eine materiellrechtliche Dimension besitzt, auch im Falle ihrer Erlangung infolge Täuschung, Drohung oder Bestechung. Die Rechtfertigungswirkung auch der vorwerfbar erlangten Genehmigung ist zwingende Konsequenz ihrer verwaltungsrechtlichen Wirksamkeit, zumal die zu ihrer Korrektur angeführten Kriterien, insbesondere der Gedanke des Rechtsrnißbrauchs untauglich und dogmatisch angreifbar sind. Wer zutreffend auf die Wirksamkeit, nicht aber auf die materielle Rechtmäßigkeit der Genehmigung abstellt, wird durch die Verbindlichkeit der vorwerfbar erlangten Genehmigung und die gegenwärtige Gesetzeslage daran gehindert, nach Billigkeitserwägungen das vorgegebene Ergebnis der Rechtfertigungswirkung zu korrigieren. Insbesondere kann die rückwirkende Aufhebung der Genehmigung nicht als objektive Bedingung der Strafbarkeit angesehen werden, da durch diese Konstruktion das im Strafrecht geltende Rückwirkungsverbot mißachtet und die im Zeitpunkt der Tat bestehende Rechtfertigungswirkung der Genehmigung negiert wird, obwohl der Wortlaut der §§ 324 ff. StGB keine Anhaltspunkte für eine Strafbarkeitsbedingung enthält. Die bestehende Regelungslücke hinsichtlich der Behandlung vorwerfbar erlangter Genehmigungen kann durch eine spezielle Regelung im Strafrecht geschlossen werden; der SPD-Entwurf eines 2. UKG beinhaltet eine derartige Vorschrift, wodurch eine Wertungsdivergenz zwischen Verwaltungs- und Strafrecht gesetzlich legitimiert wird. Die Rechtfertigungswirkung der umweltrechtlichen Genehmigung richtet sich im übrigen nach deren Regelungsgehalt und der von der Umweltbehörde vorgenommenen Interessenabwägung. Da die Umweltbehörde nur mit dem Schutz der Umweltgüter beauftragt ist und nicht zugleich über Individualrechtsgüter disponieren kann, bleibt die Verletzung von Individualrechtsgütem durch den Genehmigungsinhaber und dessen daraus resultierende Strafbarkeit von der Genehmi-

168

5. Kap.: Ergebnisse der Untersuchung

gung unberührt. Soweit die Rechtfertigungswirkung der Genehmigung reicht, ist eine Bestrafung des Genehmigungsinhabers nach Einlegung eines Rechtsbehelfs, der gegen die Aufhebung der Genehmigung gerichtet ist, bis zu dessen Zurückweisung ausgeschlossen.

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