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German Pages 101 [102] Year 2007
JAN DIRK HARKE
Geschäftsführung und Bereicherung
Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungs geschichte Herausgegeben von Prof. Dr. Martin Schermaier, Bonn Prof. Dr. Reiner Schulze, Münster Prof. Dr. Elmar Wadle, Saarbrücken Prof. Dr. Reinhard Zimmermann, Hamburg
Band 53
Geschäftsführung und Bereicherung Von
Jan Dirk Harke
Duncker & Humblot . Berlin
Bibliografische Infonnation Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
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© 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Gennany ISSN 0937-3365 ISBN 978-3-428-12071-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 § Internet: http://www.duncker-humblot.de
Dem Gedenken an Herta Müller
Inhaltsverzeichnis Einleitung Gesetzliche Pflichten im Vertragsgewand
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Erstes Kapitel Die negotiorum gestio des klassischen römischen Rechts
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§ 1 Utilitas und ratihabitio .......................................................................................... '" 13
I. Utilitas im Ergebnis .............................................................................................. 13
II. Utilitas als Zurechnungskriterium ....................................................................... 16 § 2 Fremdgeschäftsführungswille und -bewußtsein ........................................................ 19
I. Objektiv neutrale Geschäfte .................................................................................. 20 H. Schädliche und erfolglose Geschäftsbesorgung ................................................... 23
III. Erfolgreiche Geschäftsführung ........................................................................... 24 IV. Zwischenergebnis ............................................................................................... 34
§ 3 Geschäftsführung und Drittauftrag ........................................................................... 35 I. Vertrag und Willensrichtung ................................................................................. 35 H. Exklusivität der negotiorum gestio ...................................................................... 37 III. Zwei Arten der negotiorum gestio ..................................................................... .40
§ 4 Ergebnis .................................................................................................................... 42 Zweites Kapitel Die Entwicklung bis zur Kodifikation
45
§ 5 Die Lehre der Glossatoren ....................................................................................... .45
I. Das allgemeine Genehmigungserfordernis ........................................................... .45 H. Die vier Arten des negotium alienum und das Bereicherungsverbot ................... 47
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Inhaltsverzeichnis III. Utilitas als Zurechnungskriterium und die Konkurrenz zum Drittauftrag .......... 52
§ 6 Die elegante Jurisprudenz .......................... ............................................... ................ 54 I. Cujaz und die Trennung von actio directa und actio contraria .............................. 54 II. Faber und das allgemeine Bereicherungsverbot ................................................... 57 III. Donellus und der objektive Begriff des negotium alienum ................... .............. 61
§ 7 Naturrechtslehrer und -gesetzbücher ............................... ......................................... 65 I. Grotius .............................................................................. ..................................... 66 II. Christian Wolff .......... ....................... ................... ................................................ 67 III. Der Code civil .... ................................................................................................ 69 IV. ALR und ABGB ......................... ...................... ..... ............................................. 72
§ 8 Die Pandektenwissenschaft und das BGB ............... ................................................. 75 I. Die Tendenz zum Bereicherungsrecht.. ................................................................. 75 II. Der subjektive Geschäftsfilhrungsbegriff des BGB .............................................. 80
§ 9 Ergebnis ........................ ............................................................................................ 84 Drittes Kapitel
Die Folgen des subjektivierten Geschäftsführungsbegriffs
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§ 10 Überforderte Bereicherungsdogmatik ..................................................................... 88 I. Enrichissement sans cause im französischen Recht.. ....... .............................. .......88 II. Der Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB .................................. ................ 89 III. Die Eingriffskondiktion nach § 812 BGB .......................................................... 91
§ 11 Vorteilsabschöpfung beim Drittauftrag ......................... .............................. ........... 93 I. Der Sonderweg der deutschen Rechtsprechung .............. ....................... ............... 93 II. Die deutsche Rechtslehre und ihre Kritik ........... ......................................... ........ 95
§ 12 Die erfolgreiche Geschäftsfilhrung als Rechtsfigur ................................................. 98 I. Ein adäquater Mechanismus rur die Fallösung ..................................................... . 98 II. Die Ableitung aus dem Gesetz ... .. ...................................................................... 100
Einleitung
Gesetzliche Pflichten im Vertragsgewand Daß die Geschäftsführung ohne Auftrag in vielen Rechtsordnungen noch heute, und sei es auch nur dem Namen nach, als Quasikontrakt gilt, liegt nicht nur daran, daß sie sich in lustinians Institutionen unter dem Titel de obligatione quasi ex contractu (11 3.27) findet. Die Ähnlichkeitsbeziehung zum regelrechten Vertrag ist älter und in der Struktur des Rechtsinstituts selbst begründet. Die Geschäftsführung ohne Auftrag, wie sie in der römischen negotiorum gestio erstmals ausgebildet und durch sie fortan geprägt ist, entspricht nicht nur in ihren Rechtsfolgen dem Vertragtyp des mandatum. Mit ihren beiden charakteristischen Elementen: dem FremdgeschäftsführungswiIlen des Geschäftsbesorgers und der Nützlichkeit der Geschäftsführung für den Geschäftsherrn, kommt sie auch dem konsensualen Tatbestand des Auftrags nahe: Auf der einen Seite gibt es eine dem vertraglichen VerpflichtungswiIlen vergleichbare Absicht; und in der anderen Person tritt ein Vorteil ein, der die Verweigerung vertragsähnlicher Rechtsfolgen treuwidrig erscheinen ließe. Die römische negotiorum gestio ist zudem von vornherein oder zumindest schon sehr früh auch zur Bewältigung von Konstellationen eingesetzt worden, die sich von einem regelrechten Vertrag nur unwesentlich unterschieden: Zu ihren ersten Anwendungsfällen gehörte außer der Prozeßvertretung eines in Abwesenheit Beklagen 1 die Vermögenssorge durch einen procurator omnium bonorum? Diese entsprach in ihrem Erscheinungsbild völlig dem eines Konsensualkontrakts. Aus seinem Schema fiel sie nur deshalb heraus, weil man die Weisung des Geschäftsherm an den procurator, der sein ehemaliger Sklave und damit abhängig war, bis zur Hochklassik nicht als Ausdruck eines freien consensus unter den Parteien gelten lassen wollte. 3 Ob dieser oder der Fall freiwilliger Prozeßvertretung eines abwesenden Beklagen und weIche der hierfür jeweils konzipierten Klageformeln äl-
Diese Konstellation erscheint in Ulpians Ediktslaudation in D 3.5.1 Ulp 10 ed. Das anfängliche Nebeneinander dieser beiden grundverschiedenen Konstellationen verwundert Seiler, Der Tatbestand der negotiorum gestio im römischen Recht, 1968, S. 109f., 322. 3 V gl. Seiler (Fn. 2), S. 107f. I
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Einleitung
ter sind, läßt sich heute nicht mehr mit Sicherheit feststellen. 4 Gewiß ist nur, daß die Ähnlichkeit der negotiorum gestio mit einern regelrechten Vertragsverhältnis seit Einfilhrung der auf die Prokuratur passenden zivilen Klage und ihrer der Auftragsklage entsprechenden bona fides-Formel unübersehbar war. Es nimmt daher keineswegs wunder und gibt auch keinen Anlaß filr die Annahme von fremden Texteinflüssens, wenn die klassischen Juristen die negotiorum gestio gelegentlich contractus nennen6 und sie auch unter Labeos bekannte Definition des Vertrags als obligatio ultro citroque7 paßt. Ebenso unverkennbar wie die Kontraktsnähe ist freilich auch, daß die negotiorum gestio, wenn ihr Tatbestand dem eines richtigen Vertrags auch ähnelt, doch ohne consensus auskommt, die erzeugten Rechtsfolgen also von der Rechtsordnung aufoktroyiert sind. Diese Einsicht liegt der Einordnung der negotiorum gestio im Vorgängerwerk der justinianischen Institutionen, den angeblich auf Gaius zurückgehenden res cottidianae oder aurea, zugrunde. Die Geschäftsbesorgung ohne Auftrag erscheint hier als eine der obligationes ex variis causarumfiguris. 8 Für den Autor der res cottidianae ist sie nicht nur vorn Delikt, sondern auch vom Vertrag grundlegend verschieden und allein utilitatis causa recepta. 9 Frucht der Einsicht in den unfreiwilligen Charakter der Verpflichtungen aus Geschäftsfilhrung ohne Auftrag können zwei völlig verschiedene Schlußfolgerungen sein: Entweder man sieht ganz von der Vertragsähnlichkeit ab und vernachlässigt das hierfilr ausschlaggebende Merkmal, nämlich den Fremdgeschäftsfilhrungswillen auf Seiten des Geschäftsbesorgers. Oder man konzentriert sich auf die vertragsähnliche Kombination von Fremdgeschäftsfilhrungswillen und Nützlichkeit und weist die übrigen Fälle einern anderen, zumindest heute eindeutig gesetzlichen Haftungsinstitut: der Verpflichtung aus ungerechtfertigter Bereicherung, zu. Während die römischen Juristen der hoch- und spätklassischen Zeit, wie sich noch zeigen wird, den ersten Weg wählten, ist in der späteren Rechtsentwicklung der Schritt ins Bereicherungsrecht üblich gewor4 Daß die actio in factum rur die spontane Prozeßvertretung älter als die actio in ius concepta ist, glaubt außer Seiler (Fn. 2), S. 318ff. jetzt auch Finazzi, Ricerche in tema di negotiorum gestio I. Azione pretoria ed azione civile, 1999, S. 421ff. Eine umgekehrte Entwicklung nimmt Cenderelli, La negotiorum gestio I. Struttura, origini, azioni, 1997, S. 140ff. an. Wlassak, Zur Geschichte der negotiorum gestio, Jena 1879, S. 25ff., 39ff., 178ff. hält die actio in factum und den von ihr erfaßten Fall der Prozeßvertretung rur älter, glaubt aber, als negotiorum gestio habe zunächst auch das Handeln in Erfiillung einer vertraglichen Verpflichtung gegolten. 5 Diese unterstellt Cenderelli (Fn. 4), S. 71ff. 6 Vgl. D 50.17.23 Ulp 29 Sab, D 3.5.15 Paul 7 Plaut. 7D 50.16.19Ulp 11 ed. 8 D 44.7 .1pr. Gai 2 aur. 9 D 44.7 .5pr. Gai 3 aur.
Einleitung
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den. Das stets wiederkehrende Argument hierfilr lautet, daß das Rechtsverhältnis der Geschäftsfilhrung ohne Auftrag, wenn man es denn über seinen ursprünglichen Geltungsbereich hinaus ausdehnt, "eigentlich", will sagen: funktional, ohnehin ein bereicherungsrechtliches Instrument sei. Denn "eigentlich" gehe es, wenn der FremdgeschäftsfUhrungswille fehle, lediglich darum, eine Bereicherung des Geschäftsbesorgers durch Eingriff in die Vermögenssphäre des Geschäftsherrn und umgekehrt eine Bereicherung des Geschäftsherrn durch unvergoltene Aufwendungen des Geschäftsfilhrers zu vermeiden. Der Geburtsfehler dieser nun schon seit langem herrschenden Ansicht liegt darin, daß sie das allgemeine Ziel, die Begünstigung eines Rechtsgenossen auf Kosten eines anderen zu verhindern, mit der konkreten Aufgabe gleichsetzt, die dem wiederum römisch geprägten Bereicherungsrecht zukommt. Dieses ist jedoch keineswegs exklusiv dafUr zuständig, den Eintritt eines unberechtigten Vorteils zu vermeiden. Auch die GeschäftsfUhrung ohne Auftrag, die von einem FremdgeschäftsfUhrungswilien getragen wird, dient ihm. In ihr wirkt ebenfalls und keineswegs minder das Bestreben, den Geschäftsherrn nicht einseitig auf Kosten des Geschäftsbesorgers und diesen nicht auf Kosten des Geschäftsherrn profitieren zu lassen. Daß dieses Ziel durch eine vertragsähnliche Konstruktion verwirklicht wird, ist keineswegs eine Besonderheit der GeschäftsfUhrung ohne Auftrag. Auch die Verpflichtungen regelrechter Vertragspartner sind, soweit sie über die Erbringung der versprochenen Leistungen hinausgehen, nicht privatautonom begründet, sondern von der Rechtsordnung aufgezwungen. In das Vertragsschema geraten sie erst durch die Fiktion, daß sich die Vertragsparteien nicht nur zur Leistung, sondern auch zur gegenseitigen Rücksicht verpflichten wollen. Diese Fiktion ist seit Einfilhrung der römischen Klageformeln, welche die Vertragspartner auf die bona fides verpflichteten, so tief in das Bewußtsein der Juristen gedrungen, daß sie als solche nur noch im Grenzbereich der vorvertraglichen Pflichten wahrgenommen wird. Weil es hier an einem Vertragsschluß fehlt, wird offenbar, daß in der umfassenden Verpflichtung zur Rücksichtnahme nicht der rechtsgeschäftliehe Wille, sondern allein die Rechtsordnung am Werke ist. Dies gilt fUr die Zeit nach dem Vertragsschluß freilich ebenso wie fUr die Zeit davor und ist weder hier noch dort ein Grund, die Nebenpflichten der Parteien gesetzlich zu nennen. Obwohl sie im Grunde Verhaltensanforderungen der Rechtsgemeinschaft an den einzelnen Rechtsgenossen darstellen, sind sie auf rechtstechnischer Ebene doch einwandfrei vertraglich. Das Beispiel der vertraglichen Nebenpflichten zeigt, daß nicht das übergeordnete Ziel einer Verpflichtung, sondern ihre Ausgestaltung über ihre Einordnung in das Schuldrechtssystem entscheidet. Wenn schon das Ziel, jemanden fUr die Rücksichtslosigkeit gegenüber seinem Vertragspartner haftbar zu machen, durch die Konstruktion einer vertraglichen Nebenpflicht verwirklicht wird, kann erst recht eine vertragsähnliche Rechtsfigur Einsatz finden, um die
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Einleitung
Bereicherung eines Rechtsgenossen auf Kosten eines anderen zu verhindern. Der Schritt ins Bereicherungsrecht ist hier so wenig vorgegeben wie dort der Weg ins Deliktsrecht. Zumindest in vertragsorientierten Schuldrechtsordnungen wie beispielsweise der deutschen liegt es von vornherein näher, das vertragsähnliche Verhältnis der Geschäftsbesorgung ohne Auftrag dem gesetzlichen Tatbestand der ungerechtfertigten Bereicherung vorzuziehen. Aber auch in einem deliktsorientierten Schuldrechtssystem wie dem französischen kann die Entscheidung rur den Quasikontrakt ausfallen. Maßgebend darf in beiden Ordnungen nicht der voreilige Schluß vom Ziel des Bereicherungsverbots auf ein namensgleiches Schuldrechtsinstitut, sondern nur sein, welches Instrument die bessere Ableitung befriedigender Fallösungen ermöglicht.
Erstes Kapitel
Die negotiorum gestio des klassischen römischen Rechts § 1 Utilitas und ratihabitio Daß eine Geschäftsbesorgung, um den Geschäftsfilhrer zum Aufwendungsersatz zu berechtigen, nützlich filr den Geschäftsherrn sein muß, leuchtet ohne weiteres ein, gibt aber noch nicht den Platz vor, der dem Geschäftsnutzen im Anspruchsgefilge der negotiorum gestio zukommt. Ist die utilitas der Geschäftsfiihrung ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal, weIches zu der Grundvoraussetzung, daß überhaupt ein fremdes Geschäft gefilhrt worden ist, erst hinzutritt? Oder kommt der uti/itas schon die Funktion zu, den Fremdbezug selbst, mithin das im prätorischen Edikt geforderte negotium alterius zu konstituieren? Wird die utilitas ausschließlich aus der Sicht beurteilt, die der Geschäftsfilhrer bei der Aufuahme der Geschäftsbesorgung hatte, kann sie als solche keinen Beitrag zu der Frage leisten, ob überhaupt eine Fremdgeschäftsfilhrung vorliegt. Denn der Geschäftsnutzen ist zu diesem Zeitpunkt allenfalls als Vorstellung und Teil eines Fremdgeschäftsfiihrungsbewußtseins des Geschäftsbesorgers vorhanden. Eine objektive Zuordnung des Geschäfts zum Geschäftsherrn müßte nach anderen Kriterien erfolgen oder ganz unterbleiben. Anders verhält es sich, wenn die utilitas einer Geschäftsfilhrung auch nachträglich, nämlich an ihrem Ergebnis, abgelesen werden kann. In diesem Fall könnte sie durchaus eine Rolle bei der Entscheidung spielen, ob der Geschäftsfilhrer überhaupt ein negotium alterius gefiihrt hat. Die richtige Einordnung der utilitas, die unter dem Einfluß modemen Gesetzesverständnisses herkömmlicherweise als zusätzliches Tatbestandsmerkmal neben dem negotium alterius gedeutet wird, hängt also zunächst von dem Zeitpunkt ihrer Bestimmung ab. Sie gelingt durch den Vergleich zur ratihabitio des Geschäftsherrn. I. Utilitas im Ergebnis
Fragen die römischen Juristen nach der utilitas einer Geschäftsfiihrung, konzentrieren sie sich auf den Streitfall, in dem sich die Geschäftsbesorgung im nachhinein als nutzlos herausstellt. Es gilt die Regel, daß die Geschäftsfilhrung, um einen Aufwendungsersatzanspruch zu zeitigen, nur utiliter begonnen, also
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1. Kapitel: Die negotiorum gestio des klassischen römischen Rechts
aus Sicht ex ante nützlich gewesen sein muß. Um die richtige Handhabung dieses Satzes streiten Labeo, Proculus und Celsus: I D 3.5.9 Ulp 10 ed Sed an ultro mihi tribuitur actio sumptuum quos feci? et puto competere, nISl specialiter id actum est, ut neuter adversus alterum habeat actionern. (§ 1) Is autem qui negotiorum gestorum agit non solurn si effectum habuit negotium quod gessit, actione ista utetur, sed sufficit, si utiliter gessit, etsi effectum non habuit negotium. et ideo si insulam fulsit vel servum aegrum curavit, etiamsi insula exusta est vel servus obit, aget negotiorum gestorum: idque et Labeo probat. sed ut Celsus refert, Proculus apud eum notat non semper debere dari. quid enim si eam insulam fulsit, quam dominus quasi inpar sumptui deliquerit vel quam sibi necessariam non putavit? oneravit, inquit, dominum secundum Labeonis sententiam, cum unicuique Iiceat et darnni infecti no mine rem derelinquere. sed istam sententiam Celsus eleganter deridet: is enim negotiorum gestorum, inquit, habet actionern, qui utiliter negotia gessit: non autem utiliter negotia gerit, qui rem non necessariam vel quae oneratura est patrem familias adgreditur. iuxta hoc est et, quod Iulianus scribit, eum qui insulam fulsit vel servum aegrotum curavit, habere negotiorum gestorum actionern, si utiliter hoc faceret, licet eventus non sit secutus. ego quaero: quid si putavit se utiliter facere, sed patri familias non expediebat? dico hunc non habiturum negotiorum gestorum actionern: ut enim eventum non spectamus, debet utiliter esse coeptum.
Daß der Geschäftsführer, der Ersatz seiner Aufwendungen begehrt, das Geschäft nicht im Ergebnis, sondern lediglich in der Ausführung utiliter besorgt haben muß, illustriert Ulpian an zwei Beispielen, die auf Labeo zurückgehen: Wer ein bauflilliges Mietshaus abgestützt oder einen kranken Sklaven gepflegt hat, kann auch dann Aufwendungsersatz verlangen, wenn das Mietshaus später abbrennt oder der Sklave stirbt. Den Fall des Mietshauses nutzt Proculus, um die Allgemeingültigkeit der Regel in Frage zu stellen. Was gilt, so fragt er, wenn der Eigentümer das Haus wegen eines zu hohen Aufwands aufgegeben hat oder er es für entbehrlich hält? Stehe die Gewährung der Geschäftsfuhrungsklage hier nicht im Widerspruch zu dem Grundsatz, daß jedermann sein Eigentum sogar dann aufgeben könne, wenn hiervon die Gefahr eines Schadens ausgehe? Celsus macht sich über Proculus' Bemerkung lustig. Daß die Geschäftsfuhrungsklage in den von Proculus genannten Fällen versagt werden muß, bedeute keine Ausnahme vom Erfordernis des utiliter gerere, folge vielmehr aus ihm. Denn ein Geschäft, das fur den Geschäftsherrn im konkreten Fall nicht erforderlich oder sogar belastend sei, könne von vornherein nicht utiliter besorgt werden? Richtig verstanden, bewährt sich die von Proculus attackierte Regel also auch in den angeführten Fällen. Sie findet offenbar auch die ZuI Ausfilhrlich hierzu und zu D 17.1.50pr. Cels 38 dig Harke, Argumenta Iuventiana, 1999, S. 44ff. mwN. 2 Daß utilitas hier und im übrigen nicht mit der Notwendigkeit der Geschäftsbesorgung gleichgesetzt werden kann, zeigt Ankum, Utiliter gestum, OIR 1 (1993) 19, 32f., 38ff. Anders als Ankum aaO, S. 43f. würde ich noch nicht einmal einen Gegenschluß aus D 3.5.22 (3 ed pro v) ziehen und daraus auf eine Sondermeinung Gaius' schließen.
§ 1 Utilitas und ratihabitio
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stimmung von Julian, der Ulpian zufolge gleichfalls und ohne Einschränkungen auf die von Labeo entworfenen Beispielsflille zurückgreift. Die schlagwortartige Formulierung, das Geschäft müsse bloß utiliter coeptum sein, findet sich erst am Ende des Textes. Ulpian gibt sie zur Antwort auf die Frage, ob es hinreiche, wenn das Geschäft lediglich aus der Perspektive des GeschäftsfUhrers nützlich erscheine. Ulpian verneint dies und verlangt, daß sich die GeschäftsfUhrung aus Sicht eines gewissenhaften pater familias als nützlich ausnehme. Die Begründung lautet: ut enim eventum non spectamus. Nur, wenn die GeschäftsfUhrung bei ihrem Beginn objektiv3 nützlich erscheint, ist es gerechtfertigt, von ihrem Ergebnis abzusehen. Im Umkehrschluß bedeutet dies aber zugleich, daß eine GeschäftsfUhrung auch dann zum Aufwendungsersatz berechtigt, wenn sie sich nicht von Anfang an, sondern erst nachträglich als nützlich herausstellt. Daß die utilitas eines Geschäfts ohne Rücksicht auf seine Beurteilung ex ante auch aus seinem Ergebnis abgelesen werden kann, ergibt auch der Zusammenhang mit der ratihabitio: D 3.5.8 Scaev 1 quaest Pomponius scribit, si negotium a te quamvis male gestum probavero, negotiorum tamen gestorum te mihi non teneri. videndum ergo ne in dubio hoc, an ratum habeam, actio negotiorurn gestorum pendeat: nam quomodo, cum seme! coeperit, nuda voluntate tolletur? sed superius ita verum se putare, si dolus malus a te absit. Scaevola: immo puto et si comprobem, adhuc negotiorum gestorum actionem esse, sed eo dictum te mihi non teneri, quod reprobare non possim semel probatum: et quemadmodum quod utiliter gestum est necesse est apud iudicem pro rato haberi, ita omne quod ab ipso probatum est. ceterum si ubi probavi, non est negotiorum actio : quid fiet, si a debitore meo exegerit et probaverim? quemadmodum recipiam? item si vendiderit? ipse denique si quid impendit, quemadmodum recipiet? nam utique man datum non est. erit igitur et post ratihabitionem negotiorum gestorum actio. 4
Der von Scaevola zitierte Pomponius wirft die rein theoretisch anmutende Frage auf, ob die nachträgliche Genehmigung eines schlecht gefUhrten Geschäfts dazu fuhre, daß eine schon bestehende Haftung des GeschäftsfUhrers mit der actio negotiorum gestio beseitigt werde, oder ob diese Haftung von vornherein bis zur Entscheidung über die Genehmigung in der Schwebe bleibe. Scaevola hält anders als Pomponius dafur, daß die Genehmigung überhaupt nicht die Haftung des Geschäftsfuhrers als solche beseitigt, sondern lediglich bewirkt, daß seine Verpflichtung zum Schadensersatz ausscheidet. Andernfalls fielen mit der actio negotiorum gestorum auch der Herausgabeanspruch des Ge-
Richtig Ankum, OIR 1 (1993) 31. Vgl. zu diesem Text auch den jüngsten Beitrag von de Filippi, Ratihabitio, 2000, S. 112ff. 3 4
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1. Kapitel: Die negotiorum gestio des klassischen römischen Rechts
schäftsherrn und der Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsfilhrers weg, so daß eine prozessuale Abwicklung der Geschäftsfilhrung unmöglich werde. Interessant ist der von Scaevola zur Begründung angestellte Vergleich von ratihabitio und uti/itas. s Die Genehmigung des Geschäfts habe den gleichen Effekt wie sein Nutzen; in beiden Fällen gelte, daß das Geschäft auch vor dem Richter als genehmigt angesehen werden müsse: necesse est apud iudicem pro rato haberi. Wirken utilitas und ratihabitio gleichermaßen genehmigend, kann der Zeitpunkt, zu dem die utilitas festgestellt wird, aber auch nicht auf die Geschäftsaufuahme beschränkt sein. Ebenso wie die Genehmigung kann sich der Geschäftsnutzen noch nachträglich herausstellen und zwar mit der gleichen Wirkung, als ob das Geschäft von Anfang utiliter gefilhrt worden sei. 11. Utilitas als Zurechnungskriterium Ist die uti/itas nicht auf eine Beurteilung aus der Sicht ex ante festgelegt, läßt ihre Gleichstellung mit der ratihabitio noch eine weitere Folgerung zu: Ebenso wie die Genehmigung können der Geschäftsnutzen und sein Gegenstück: der Geschäftsnachteil, darüber entscheiden, ob überhaupt eine Fremdgeschäftsfilhrung im Rechtssinne vorliegt. Bestätigt wird dieser Schluß durch einen weiteren Abschnitt aus dem 10. Buch von Ulpians Ediktskommentar, in dem sich der Spätklassiker an den Ausfilhrungen von Pedius orientiert: D3.5.5.11 Vip 10ed Item quaeritur apud Pedium libro septimo, si Titium quasi debitorem tuum extra iudicium admonuero et is mihi solverit, cum debitor non esset, tuque postea cognoveris et ratum habueris: an negotiorum gestorum actione me possis convenire. et ait dubitari posse, quia nullum negotium tuum gestum est, cum debitor tuus non fuerit. sed ratihabitio, inquit, fecit tuum negotium: et sicut ei a quo exactum est adversus eum datur repetitio qui ratum habuit, ita et ipsi debebit post ratihabitionem adversus me competere actio. sic ratihabitio constituet tuum negotium, quod ab initio tuum non erat, sed tua contemplatione gestum. (§ 12) Idem ait, si Titii debitorem, cui te heredem putabam, cum esset Seius heres, convenero similiter et exegero, mox tu ratum habueris: esse mihi adversus te et tibi mutuam negotiorum gestorum actionem. adquin alienum negotium gestum est: sed ratihabitio hoc conciliat: quae res efficit, ut tuum negotium gestum videatur et a te hereditas peti possit.
Ulpian befaßt sich zunächst mit dem von Pedius untersuchten Fall, daß der Geschäftsbesorger filr den Geschäftsherrn eine Forderung eingezogen hat, die dieser gar nicht hatte. Pedius zweifelt an der Zuständigkeit der actio negotiorum gestorum, weil der Empfang einer nichtgeschuldeten Leistung kein negotium 5 Talamanca, Le fattispecie deli' actio negotiorum gestorum, Labeo 17 (1971) 217, 232 sieht hier noch die beiden ursprünglichen Anwendungsflille der negotiorum gestio am Werk und deutet die ratihabitio als Nachfolger der praepositio des procurator, die utilitas als charakteristisches Merkmal der spontanen Freundschaftshilfe.
§ 1 Utilitas und ratihabitio
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des Geschäftsherrn sei. Er werde hierzu erst durch die nachträgliche Genehmigung des Geschäftsherrn, der den eingezogenen Betrag von dem Geschäftsfilhrer herausverlangen könne und seinerseits dem vermeintlichen Schuldner mit der condictio indebiti hafte. Um ein Rechtsverhältnis reicher wird die Situation, wenn keine einfache Nichtschuld vorliegt, sondern ein vom Geschäftsherrn verschiedener, wahrer Gläubiger vorhanden ist. Dies ist der zweite von Pedius entworfene Fall, in dem der Geschäftsbesorger die Forderung eines Erblassers einzieht, weil er zu Unrecht davon ausgeht, daß er von dem Geschäftsherrn beerbt worden ist. Auch in diesem Fall begründet die ratihabitio einen Anspruch des Geschäftsherrn auf Auskehr des eingezogenen Betrags. Er selbst ist außer der condictio indebiti noch der Erbschaftsklage des wahren Erben und Gläubigers ausgesetzt. Pedius' Zitate und Ulpians Ergänzung lassen offen, ob die Wirkung der ratihabitio im Außenverhältnis zum angeblichen Schuldner oder im Innenverhältnis zwischen Geschäftsherrn und GeschäftsfUhrer ausschlaggebend ist. 6 Die Entscheidung fUr die GeschäftsfUhrungsklage ist unter beiden Umständen folgerichtig: Die auf Auskehr des eingezogenen Betrags gerichtete actio negotiorum gestorum entsteht sowohl durch die Genehmigung der auftrags losen GeschäftsfUhrung im Innenverhältnis als auch dadurch, daß die Zahlung des vermeintlichen Schuldners im Verhältnis zu diesem kraft der ratihabitio zu einer Leistung an den Geschäftsherrn wird. Wirkt der Einzug der Nichtschuld objektiv filr und gegen den Geschäftsherrn, ist diese Wirkung zwar nicht zwingend uti!is. Ob das Vermögen des Geschäftsherrn zu seinem Vor- oder Nachteil betroffen ist - die Wirkung der Geschäftsbesorgung auf sein Vermögen ist jedenfalls Äquivalent zur ratihabitio im Innenverhältnis und gleichermaßen konstitutiv filr das Rechtsverhältnis der negotiorum gestio ist. Bei der Einziehung einer Nichtschuld tritt die Wirkung auf das Vermögen des Geschäftsherrn erst mit der Genehmigung ein. Vorher gibt es entweder überhaupt kein negotium alterius, nämlich dann, wenn wie in der Konstellation von § 11 gar keine Schuld des Zahlenden besteht. Oder es ist nur eine vorläufige Zuordnung möglich: Der Geschäftsfilhrer, der wie im Fall von § 12 eine Erbschaftsforderung einzieht, fUhrt objektiv das Geschäft des Erben und wahren Gläubigers. Da die Zahlung diesem gegenüber ohne Rechtswirkung bleibt, ist seine Stellung indessen lediglich faktisch beeinträchtigt und noch Raum filr eine Zuordnung an den Geschäftsherrn, der das Geschäft durch eine nachträgliche Genehmigung an sich ziehen kann. 7
Daß sie in bei den Verhältnissen wirkt, bemerkt zu Recht de Filippi (Fn. 4), S. 143. De Filippi (Fn. 4), S. 109 trifft mit ihrer Differenzierung nach Sachen- und Schuldrecht dagegen nur einen oberflächlichen Unterschied zur Konstellation im folgenden § 13. 6 7
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1. Kapitel: Die negotiorum gestio des klassischen römischen Rechts
Anders verhält es sich in dem Fall, in dem die Handlung des Geschäftsfiihrers noch vor ihrer Genehmigung schon Rechtswirkungen zugunsten des wahren Erben gezeitigt hat: D 3.5.5.13 Vip 10 ed Quid ergo, inquit Pedius, si, cum te heredem putarem, insulam fulsero hereditariam tuque ratum habueris, an sit mihi adversus te actio? sed non fore ait, cum hoc facta meo alter sit locupletatus et alterius re ipsa gestum negotium sit, nec possit, quod alii adquisitum est ipso gestu, hoc tuum negotium videri. Hat der Geschäftsfiihrer ein zum Nachlaß gehörendes Haus abgestützt, bleibt die Genehmigung des Geschäftsherrn, den der Geschäftsftihrer zu Unrecht fiir den Erben hielt, folgenlos. Denn sein Handeln hat schon automatisch und irreversibel auf das Vermögen des wahren Erben gewirkt, in dessen Eigentum das abgestützte Haus steht: Da er nach dem Grundsatz superjicies solo cedit auch das Eigentum an den Stützbalken erworben hat, ist er re ipsa begünstigt und erwirbt den vom Geschäftsbesorger herbeigefilhrten Vorteil schon ipso gestu. Die Person des Geschäftsherrn ist durch den unwandelbar zugeordneten Nutzen der Geschäftsbesorgung ein filr allemal festgelegt. Betrifft sie das Vermögen einer anderen Person vor- oder nachteilig, liegt ein negotium alterius mit fester Bezugsperson vor. Konstituiert wird es allein durch die Wirkung auf das Vermögen des anderen. 8 Die utilitas einer Geschäftsfilhrung ist also keineswegs zusätzliches Tatbestandsmerkmal neben dem negotium alterius, als Unterfall der Wirkung auf fremdes Vermögen vielmehr hierfilr selbst bestimmend. Vermögensvorteil und Schaden entscheiden nicht erst über das Ziel der Geschäftsfilhrungsklage, sondern schon über die objektive Zuordnung eines vom Geschäftsftihrer besorgten Geschäfts zum Geschäftsherrn. 9 Dies bedeutet noch nicht, daß diese objektive Zuordnung schon hinreichend filr die Feststellung einer negotiorum gestio ist, und schließt auch nicht aus, daß eine Geschäftsbesorgung, die objektiv wirkungslos bleibt, aufgrund der Einstellung der Parteien Gegenstand eines Geschäftsbesorgungsverhältnisses sein kann. Sobald die Geschäftsfiihrung auf das Vermögen einer bestimmten Person wirkt, ist jedoch objektiv die Personenbe-
8 Nicht erschöpfend ist daher die Deutung von Seiler (Ein!. Fn. 2), S. 66 Fn. 26, der hier lediglich den Grundsatz am Werke sieht, daß der Irrtum über die Person des Geschäftsherrn irrelevant ist. Richtig dagegen Reichard, Negotium alienum und ungerechtfertigte Bereicherung, AcP 193 (1993) 567, 573f., der den Begriffnegotium alienum als Breviloquenz fiir ein uti/iter aufgenommenes oder gefiihrtes Geschäft deutet. Ein negotium alterius im Sinne des Edikts liegt freilich auch vor, wenn die Geschäfsfiihrung nachteilig auf das Vermögen eines anderen wirkt. 9 Ankum, OIR 1 (1993) 45f. blendet den Fall nachteiliger Geschäftsfiihrung vollständig aus, indem er die utilitas auch zur Voraussetzung der actio negotiorum directa des Geschäftsherrn erklärt. D 3.5.2 Gai 3 ed prov und IJ 3.27.1 bieten hierfiir jedoch keine hinreichende Grundlage.
§ 2 FremdgeschäftsfilhrungswiJIe und -bewußtsein
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ziehung festgelegt, in der das Rechtsverhältnis der negotiorum gestio zur Entstehung gelangen kann. Gelangt man aber nicht in einen gedanklichen Zirkel, wenn sich die Wirkung auf das Vermögen des Geschäftsherrn vollends erst durch Gewährung der actiones negotiorum gestorum realisiert? Ausgeschlossen ist dies von vornherein bei der Geschäftszurechnung kraft nachteiliger Einwirkung auf das fremde Vermögen. Sie kann nur ohne Rücksicht auf die Sanktion mit der Geschäftsfilhrungsklage festgestellt werden. Denn ihr Zweck ist gerade, einen eingetretenen Schaden wieder ungeschehen zu machen. Anders verhält es sich, wenn es darum geht, eine erfolgreiche Geschäftsfilhrung festzustellen, die dem Geschäftsherrn einen Vorteil bringt. Da Ziel der actio negotiorum gestorum filr den Geschäftsherrn nicht die Revision, sondern gerade die Sicherung dieses Vorteils ist, kann sie durchaus bei der Beurteilung der utilitas berücksichtigt werden. Um zu verhindern, daß jedes erfolgreiches Geschäft einem beliebigen anderen zugerechnet werden kann, der nach Erfilllung der Geschäftsfilhrungsansprüche natürlich besser steht als vorher, bedarf es lediglich einer einfachen Einschränkung: Ist der Vorteil, der sich kraft der actio negotiorum gestorum realisieren soll, ein solcher, der filr jedermann erreichbar gewesen wäre, oder so beschaffen, daß er ohne die Tätigkeit des Geschäftsfilhrers nur im Vermögen des Geschäftsherrn eintreten konnte? Der Fall ist dies, wenn das Medium der Geschäftsbesorgung, also das eingesetzte Mittel oder der Gegenstand, in dem sich die Folgen manifestieren, dem Vermögen des Geschäftsherrn angehören. Ein unter diesen Umständen erzielter Vorteil ist unabhängig davon, ob er zu seiner Verwirklichung noch der Auskehr und eines darauf gerichteten Anspruchs bedarf, objektiv einem Geschäftsherrn zugewiesen. Ein filr jedermann erreichbarer Vorteil ist dagegen das Produkt eines neutralen Geschäfts, das sich nicht objektiv, sondern nur über die Absicht der Parteien zuordnen läßt.
§ 2 FremdgeschäftsfUhrungswille und -bewußtsein Die Frage, welche Rolle der Vorstellung des Geschäftsfilhrers und seinem Willen, filr einen anderen zu handeln, zukommt, gehörte zu den Spielbällen der Interpolationenjäger: Während Partsch lO 1913 einen rein objektiven Geschäftsfiihrungstatbestand filr rein klassisch und jeglichen Hinweis auf eine subjektive Komponente rur das Werk der Kompilatoren erklärte, kam Riccobono ll schon 1917 zu dem entgegengesetzten Ergebnis: Für ihn war der animus negotia aliena gerendi das zentrale Merkmal der klassischen negotiorum gestio, das erst 10 Studien zur negotiorum gestio I, Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse, 1913, S. 37. 11 Dal diritto Romano classico aI diritto moderno (zuerst in: Ann. Pa!. 3-4 (1917), in: Scritti di diritto Romano, 1964, Bd. 2, S. 73ff.
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I. Kapitel: Die negotiorum gestio des klassischen römischen Rechts
von den Kompilatoren zugunsten objektiver Kriterien aus den Quellen verdrängt worden sei. Den Versuch einer Vermittlung zwischen diesen beiden Extrempositionen unternahm 1930 Rabel. 12 Er verließ sich beim Urteil über das Erfordernis von FremdgeschäftsfilhrungswiIIen und -bewußtsein weniger auf Quellenzeugnisse als vielmehr auf PlausibiIitätserwägungen: Gegen ein striktes Erfordernis des animus negotia aliena gerendi fiihrte er den Wortlaut des prätorischen Edikts an, das mit dem Begriff des negotium alterius einen objektiven Begriff vorgibt. Der FremdgeschäftsftlhrungswiIIe könne, so folgerte er, daher von vornherein kein zweites Tatbestandselement neben dem fremden Geschäft, sondern lediglich Moment bei seiner Bestimmung sein. Die hier wirksame Grundidee, daß das Geschäft bewußt und gewollt als fremdes geftlhrt worden sein mUs se, sei aber nicht stets verwirklicht, komme vielmehr vor allem dann zum Tragen, wenn es um die Zuordnung von objektiv neutralen Geschäften gehe. 13 So unscharf Rabels Ergebnis auch sein mag, gibt die von ihm beschrittene Methode doch den Weg vor: Die Funktion, die FremdgeschäftsfiihrungswiIIen und -bewußtsein im System der negotiorum gestio einnehmen, erschließt sich überwiegend schon aus schlichten PlausibiIitätserwägungen. I. Objektiv neutrale Geschäfte Der Wille, ftlr einen anderen tätig zu werden, muß den Ausschlag geben bei Geschäften, die mangels Wirkung auf das Vermögen des Geschäftsherrn objektiv nicht zurechenbar sind, und zwar unabhängig davon, ob sich die Geschäftsfiihrung nach der Zurechnung an den Geschäftsherrn als utilis erweist oder nicht. Nur wenn der Geschäftsftlhrer das objektiv neutrale Geschäfte mit der Vorstellung und in dem Willen betreibt, ftlr einen anderen zu handeln, ist es überhaupt gerechtfertigt, das Ergebnis der Geschäftsbesorgung einem anderen zuzuweisen und den Geschäftsfiihrer zur Herausgabe, den Geschäftsherrn zum Aufwendungsersatz zu verpflichten. Hat der Handelnde das allein in seiner Person wirksame Geschäft ohne Rücksicht auf einen anderen gefiihrt, kann er sich hierftlr nicht nachträglich einen Schuldner schaffen, der ihm durch Aufwendungsersatz die Lasten des Geschäfts abnimmt. Umgekehrt darf ihm auch nur unter der Voraussetzung einer Fremdgeschäftsfiihrungsabsicht der Vorteil eines günstigen Geschäfts streitig gemacht werden; und sogar ein Geschäft, das inutilis ist, braucht sich der Geschäftsftlhrer nur dann durch ratihabitio entziehen zu lassen, wenn er es fiir einen anderen geftlhrt hat.
Negotium alienum und animus, St. Bonfante, Bd. 4, 1930, S. 281fT. Rabel (Fn. 12), S. 299, 302; ebenso Zimmermann, The Law ofObligations, 1990, S.441f. 12 13
§ 2 Fremdgesehäftsfilhrungswille und -bewußtsein
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Ein Quellenzeugnis hierfilr bietet Ulpians abschließende Bemerkung zur Genehmigung des Einzugs einer Nichtschuld im schon untersuchten Text D 3.5.5.11. Die Entscheidung des Pedius filr eine aetio negotiorum gestorum zur Auskehr des eingezogenen Betrags kommentiert er mit den Worten: sie ratihabitio eonstituet tuum negotium, quod ab initio tuum non erat, sed tua eontemplatione gestum. Der Geschäftsherr kann sich das gleichermaßen zuordnungsneutrale und unnütze Geschäft im Wege der Genehmigung nur deshalb zu eigen machen, weil sich die eontemplatio des Geschäftsfilhrers auf ihn richtete. Daß diese Voraussetzung auch bei einem Geschäft gilt, das aus Sicht des Geschäftsherrn nützlich ist, ergibt nicht nur der Erst-recht-Schluß aus der Rechtslage beim unnützen Geschäft, sondern auch Afrikans Entscheidung in D 3.5.45pr. Afr 7 quaest: Mandasti filio meo, ut tibi fundum emeret: quod eum eognovissem, ipse eum tibi emi. puto referre, qua mente emerim: nam si propter ea, quae tibi neeessaria esse seirem, et te eius voluntatis esse, ut emptum habere velles, agemus inter nos negotiorum gestorum, sieut ageremus, si aut nullum omnino mandatum intereessisset, aut Titio mandasses et ego, quia per me eomrnodius negotium possim confieere, emissem. si vero propterea emerim, ne filius mandati iudicio teneatur, magis est, ut ex persona eius et ego teeum mandati agere possim et tu meeum aetionem habeas de peeulio, quia et si Titius id mandatum suseepisset et, ne eo nomine teneretur, ego emissem, agerem eum Titio negotiorum gestorum, et ille teeum et tu eum illo mandati. idem est, et si filio meo mandaveris, ut pro te fideiuberet, et ego pro te fideiusserim.
Hat der Vater ein Grundstück gekauft, mit dessen Erwerb ein noch seiner Gewalt unterworfener Sohn beauftragt worden ist, richtet sich das Rechtsverhältnis, das aus diesem objektiv ambivalenten Geschäft erwächst,14 allein nach der mens des Vaters: Hatte er zuvörderst das Interesse des Auftraggebers im Blick, entsteht zu diesem ein direktes Geschäftsbesorgungsverhältnis, und zwar ebenso wie in dem Fall, daß der Grundstücksinteressent nicht den Sohn des Käufers, sondern irgendeinen gewaltfreien Dritten beauftragt hat. Hier wie dort liegt eine nützliche Geschäftsfiihrung ohne Auftrag mit regulären Rechtsfolgen vor. Anders verhält es sich, wenn der Käufer nur tätig geworden ist, um der von seinem Sohn übernommenen Mandatsverpflichtung genüge zu tun. Hier entsteht ebenso wie in dem Parallelfall, daß der Käufer filr einen gewaltfreien Mandatar handelt, ein Geschäftsfiihrungsverhältnis allein zum Auftragnehmer und keine unmittelbare Schuldbeziehung zum Auftraggeber. Dieser kann sich daher im Ausgangsfall des gewaltunterworfenen Auftragnehmers gegen den Vater nur mit der adjektizischen aetio de peeulio wenden und keine Herausgabe des Grundstücks mit der aetio negotiorum gestorum verlangen; und der Anspruch des Va14 Die Neutralität des Grundstüekskaufs verkennt Seiler (Ein!. Fn. 2), S. 32, der den Text als Zeugnis filr ein generelles Erfordernis des animus negotia aliena gerendi wertet.
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1. Kapitel: Die negotiorum gestio des klassischen römischen Rechts
ters gegen seinen Sohn auf Aufwendungsersatz findet nur Eingang in die Abrechnung des ihm überlassenen Sonderguts. Ein direkter Anspruch gegen den an dem Grundstück interessierten Geschäftsherrn scheitert daran, daß der Vater nicht sein Geschäft, sondern das seines Sohnes ruhren wollte. Dieser Umstand steht auch einem Aufwendungsersatzanspruch in dem von Afrikan am Schluß angerugten Vergleichsfall entgegen, daß sich der Vater anstelle des beauftragten Sohnes rur den Auftraggeber verbürgt. Mit der gleichen Erwägung versagen Labeo, Pomponius und Ulpian die Aufwandsersatzklage in der umgekehrten Konstellation, daß ein Außenstehender die Geschäfte eines Gewaltunterworfenen geruhrt hat: D 3.5.5.8 VIp 10 ed Sed si ego tui filii negotia gessero vel servi, videamus, an tecum negotiorum gestorum habeam actionern. et mihi videtur verum, quod Labeo distinguit et Pomponius libro vicensimo sexta probat, ut si quidem contemplatione tui negotia gessi peculiaria, tu mihi tenearis: quod si amicitia filii tui vel servi, vel eorum contemplatione, adversus patrem vel dominum de peculio dumtaxat dandam actionern. idemque est et si sui iuris esse eos putavi. nam et si servum non necessarium emero filio tuo et tu ratum habueris, nihil agitur ratihabitione eodem loco Pomponius scribit hoc adiecto, quod putat, etsi nihil sit in peculio, quoniam plus patri dominove debetur, et in patrem dandam actionern, in quantum locupletior ex mea administratione factus sit.
Da das Handeln des Geschäftsfilhrers sowohl dem Gewaltunterworfenen als auch dessen Gewalthaber zugerechnet werden kann, kommt eine volle Haftung des Gewalthabers gegenüber dem Geschäftsbesorger nur dann in Betracht, wenn dieser mit Blick auf die Interessen des Gewalthabers tätig geworden ist. 15 Hat er die Geschäfte aus Freundschaft zu dem Gewaltunterworfenen oder aus sonstiger Rücksicht auf ihn geruhrt, kann er Aufwendungsersatz von dem Gewalthaber nur mit Hilfe der adjektizischen Rechtsbehelfe, insbesondere der actio de pecu/io, begehren. Hieran ändert sich nichts, wenn die Geschäftsruhrung im Kauf eines nicht benötigten Sklaven bestand, aber die Genehmigung des Gewalthabers fand. Die Zuordnung des objektiv ambivalenten Sklavenkaufs ist mit der Absicht des Geschäftsfilhrers, rur den Gewaltunterworfenen zu handeln, auf das Verhältnis zu diesem festgelegt. Nur hier kann noch ein Aufwendungsersatzanspruch entstehen, entweder durch die utilitas der Geschäftsbesorgung filr den Gewaltunterworfenen oder durch seine Genehmigung. Im Verhältnis zum Gewalthaber bleibt es bei der actio de pecu/io, der bei einer Bereicherung des Gewalthabers freilich die actio de in rem verso zur Seite steht.
IS Seiler (Ein!. Fn. 2), S. 34 bemerkt hier zu Recht, daß sich ein anderes Differenzierungskriterium als die Absicht des Geschäftsfiihrers vernünftigerweise gar nicht finden läßt.
§ 2 FremdgeschäftsfUhrungswille und -bewußtsein
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11. Schädliche und erfolglose Geschäftsbesorgung Daß sich die subjektiven Voraussetzungen der negotiorum gestio im Regelfall schon aus Plausibilitätserwägungen ergeben, gilt nicht nur filr objektiv neutrale Geschäfte. Es trifft auch filr solche Geschäfte zu, deren Zuordnung zum Rechtskreis des Geschäftsherm aus der Wirkung des Geschäftsfilhrungsakts auf das Vermögen des Geschäftsherm folgt. Die Bedeutung des subjektiven Elements läßt sich hier nicht schon ohne weiteres mit der Begründung in Abrede stellen, daß bekanntermaßen der Irrtum über die Person des Geschäftsherm unschädlich ist. 16 Hat eine Fehlvorstellung über die Zuständigkeit des gefilhrten Geschäfts keine Auswirkungen auf das objektiv bestimmte Geschäftsbesorgungsverhältnis, bedeutet dies lediglich, daß statt eines Willens, der sich auf einen bestimmten Geschäftsherrn richtet, das Bewußtsein genügt, daß das gefilhrte Geschäft fremd ist. 17 Dieses Fremdgeschäftsfilhrungsbewußtsein ist wiederum nach allgemeinen Erwägungen unter bestimmten Umständen unabdingbar: Ist das Vermögen des Geschäftsherm durch die Geschäftsfilhrung nachteilig betroffen, muß die Verpflichtung des Geschäftsbesorgers zum Schadensersatz davon abhängen, daß er von der Fremdwirkung seines Handeins Kenntnis hatte. Genügten in diesem Fall schon die objektive Zuordnung des Geschäfts oder auch nur die fahrlässige Verkennung dieser Zuordnung, böte die actio negotiorum gestorum eine umfassende Grundlage filr den außervertraglichen Schadensersatz und machte die deliktische Haftung zumindest, was das Sachverfolgungsinteresse anbelangt, vollkommen überflüssig. Es versteht sich daher von selbst, wenn Paulus die Haftung des Geschäftsbesorgers, der eine Sache des Geschäftsherm ersessen hat, davon abhängig macht, daß der Geschäftsfilhrer die Zugehörigkeit der Sache zum Vermögen des Geschäftsherm erkannt hat: 03.5.18.3 Paul2 Ner eum me ab sente negotia mea gereres, imprudens rem meam emisti et ignorans usucepisti: mihi negotiorum gestorum ut restituas obligatus non es. sed si, antequam usucapias, cognoscas rem meam esse, subicere debes aliquem, qui a te petat meo nomine, ut et mihi rem et tibi stipulationem evictionis committat: nec videris dolum mal um facere in hac subiectione: ideo enim hoc facere debes, ne actione negotiorum gestorum tenearis. 18
Auch die lediglich aus der Sicht ex ante nützliche Geschäftsfilhrung kann, um einen Aufwendungsersatzanspruch zu begründen, nicht ohne subjektive Komponente auskommen. Zu dem Fremdgeschäftsfilhrungsbewußtsein, das filr 16 Vg\. 0 3.5.5.1 Ulp 10 ed: Sed et si, cum putavi Titii negotia esse, cum essent Sempronii, ea gessi, solus Sempronius mihi actione negotiorum gestorum tenetur. 17 So zu Recht Seiler (Ein\. Fn. 2), S. 27f. gegen Rabel (Fn. 12), S. 293. 18 Seiler (Ein\. Fn. 2), S. 22 überstrapaziert diesen Text, indem er ihn als Zeugnis rur ein allgemeines Erfordernis des Fremdgeschäftsfiihrungswillens wertet.
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I. Kapitel: Die negotiorum gestio des klassischen römischen Rechts
die Verpflichtung zum Schadensersatz hinreicht, muß in diesem Fall sogar noch der Wille treten, filr einen anderen tätig zu werden. Es bestünde sonst kein Anlaß, den Geschäftsherrn, dessen Interessen im Ergebnis nicht gedient worden ist, dem anderen zum Aufwendungsersatz verbindlich zu machen. Wer nutzlos tätig wird, ohne überhaupt das Wohl eines anderen bellirdern zu wollen, muß die Lasten seiner Handlung selbst tragen. IH. Erfolgreiche Geschäftsführung
Der Bereich, in dem das Erfordernis des Fremdgeschäftsfilhrungswillens überhaupt zweifelhaft sein kann, schrumpft damit auf eine einzige Konstellation zusammen. Es geht um den Fall, in dem die Geschäftsfilhrung nicht nur in der Vorausschau, sondern auch im Ergebnis filr das Vermögen des Geschäftsherrn utilis ist. Sollen unter diesen Umständen die Herausgabe- und Aufwandsersatzklage ohne Rücksicht darauf gewährt werden, ob der Geschäftsfilhrer das fremde Interesse kannte und befOrdern wollte? Für die Voraussetzung von Fremdgeschäftsfilhrungswillen und -bewußtsein ist hier kein zwingender Grund erkennbar. Das Interesse des GeschäftsfUhrers auf Aufwendungsersatz findet Rechtfertigung und Maß in dem Vermögensvorteil, den der Geschäftsherr erworben hat. Dessen Anspruch auf Herausgabe des durch die Geschäftsfilhrung Erlangten hat seine zureichende Grundlage in der Wirkung des Geschäftsfilhrerhandelns auf das eigene Vermögen. Was könnte einer Abwicklung mit Hilfe der Geschäftsfilhrungsklage entgegenstehen? Denkbar sind allein Folgerungen aus der Struktur der negotiorum gestio oder aus ihrer Stellung im römischen Obligationensystem. Daß diese durchaus gezogen werden, zeigen die maßgeblichen Quellenzeugnisse, die wir zur Rolle des FremdgeschäftsfUhrungswiliens bei einer Geschäftsfilhrung mit nützlichem Ausgang haben. Sie ergeben ein kontroverses Bild, das sich bei näherem Hinsehen jedoch auf den Widerstreit zwischen einer älteren und einer jüngeren Auffassung reduziert. Für ein striktes Erfordernis des animus negotia aliena gerendi scheinen zunächst Ausfiihrungen des Spätklassikers Paulus zum Aufwendungsersatz unter Miteigentümern zu sprechen: D 10.3.14.1 Paul3 Plaut Impendia autem, quae dum proprium meum fundum existimo feci, quae scilicet, si vindicaretur fundi pars, per exceptionem doli retinere possem, an etiam, si communi dividundo iudicio mecum agetur, aequitate ipsius iudicii retinere possim, considerandum est. quod quidem magis puto, quia bonae fidei iudicium est communi dividundo : sed hoc ita, si mecum agatur. ceterum si alienavero partem meam, non erit unde retinere possim. sed is, qui a me emerit, an retinere possit, videndum est: nam et si vindicaretur ab eo pars, impendiorum nomine, quae ego fecissem, ita ut ego poterat retentionem facere: et verius est, ut et in hac specie expensae retineantur. quae cum ita sint, rectissime dicitur etiam impendiorum no mine utile iudicium dari debere mihi in socium etiam manente rei communione. diversum est enim, cum quasi in rem
§ 2 FremdgeschäftsfiihrungswiJIe und -bewußtsein
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meam impendo, quae sit aliena aut communis: hoc enim casu, ubi quasi in rem meam impendo, tantum retentionem habeo, quia neminem mihi obligare volui. at cum puto rem Titii esse, quae sit Maevii, aut esse mihi communem cum aHo quam est, id ago, ut alium mihi obligem, et sicut negotiorum gestorum actio datur adversus eum cuius negotia curavi, cum putarem aiterius ea esse, ita et in proposito. igitur et si abaiienavero praedium, quia in ea causa fuit, ut mihi actio dari deberet, dan da mihi erit, ut Iulianus quoque scribit, negotiorum gestorum actio.
Paulus geht von dem Fall aus, daß ein Miteigentümer Aufwendungen auf ein gemeinschaftliches Grundstück gemacht hat, während er sich fälschlich filr dessen alleinigen Inhaber hielt. Den Ersatz der Aufwendungen kann er bei einer vindicatio der anderen pars fundi im Wege der exceptio do/i, bei Erhebung der actio communi dividundo kraft der Inhärenz dieser Einrede im bonae fidei iudicium erzwingen. Genießt er aber auch Schutz, wenn nicht gegen ihn geklagt wird? Hat er seinen Miteigentumsanteil an einen Käufer veräußert, kann sich dieser gegen die Klage des anderen Miteigentümers ebenfalls unter Berufung auf die Verwendungen mit der exceptio doli verteidigen. Hat er den Miteigentumsanteil nicht veräußert und wird auch weder mit einer vindicatio noch mit einer Teilungsklage überzogen, kann er die Aufwendungen nur im Wege einer actio uti/is während des laufenden Gemeinschaftsverhältnisses einfordern. Die actio negotiorum gestorum hält Paulus deshalb filr ausgeschlossen, weil den Verwendungen keine voluntas ob/igandi, keine Absicht zugrunde lag, einen anderen zu verpflichten. Unschädlich filr den Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsfilhrers sei lediglich ein Irrtum über die Person des wahren Geschäftsherrn. Fehle dagegen mangels Kenntnis des Fremdbezugs schon die Absicht, überhaupt einen anderen zu verpflichten, könne der Aufwendungsersatz nur im Wege der retentio, also per exceptionem do/i, verlangt werden. Paulus' Stellungnahme ist unzweideutig. Er fordert einen regelrechten Fremdgeschäftsfilhrungswillen als Voraussetzung der actio negotiorum gestorum l9 und verweigert einen Aufwendungsersatzanspruch ansonsten auch dann, wenn das Geschäft objektiv von Nutzen fiir den Sacheigentümer oder Mitinhaber und ihm daher zweifellos zuzurechnen ist. Rabel, der die Funktion des Fremdgeschäftsfilhrungswillens auf die Zuordnung objektiv neutraler Geschäfte beschränkt sieht, muß zur Erklärung dieser Entscheidung auf die Überlegung zurückgreifen, daß Paulus nicht selten als Vorläufer der byzantinischen Willensdoktrin auftrete, seine Lösung mithin bereits den klassischen Rechtszustand transzendiere. 20 Die Allgemeingültigkeit von Paulus' Entscheidung schwindet freilich schon mit der Einsicht in das Konkurrenzproblem, das sich im konkreten Fall stellt. Ließe man den Eigenbesitzer einer ganz oder teilweise fremden Sache ohne 19 20
Richtig Finazzi (Ein!. Fn. 4), S. 364. Rabel (Fn. 12), S. 294.
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1. Kapitel: Die negotiorum gestio des klassischen römischen Rechts
weiteres zum Aufwendungsersatz mit der actio negotiorum gestorum zu, unterliefe man das Regime von rei vindicatio und exceptio doli. Dem Verwendungsersatzbegehren des Besitzers wird darin nur durch ein Zurückbehaltungsrecht Rechnung getragen. Macht Paulus den Aufwendungsersatz mit der actio negotiorum gestorum vom Verpflichtungsswillen des Besitzers abhängig, gewinnt er ein taugliches Kriterium, um einen offenen Widerspruch zwischen Vindikations- und Geschäftsfilhrungsrecht zu vermeiden. Durch dieses Kriterium werden nahezu alle Besitzer von der Aufwandsersatzklage ausgenommen, nicht nur die redlichen, sondern auch alle unredlichen, die eine fremde dem Eigentümer vorenthalten wollen. Übrig bleiben nur die Besitzer, die das fremde Eigentum kennen und respektieren, indem sie zur Herausgabe an den Eigentümer bereit sind. Ihnen erspart Paulus, sich nur deshalb auf einen Eigentumsherausgabeprozeß einzulassen, um Aufwandsersatz zu erlangen. Begnügte er sich dagegen mit dem Fremdgeschäftsfilhrungsbewußtsein, privilegierte er statt dessen alle Besitzer, die sich der Vindikationslage bewußt sind, also auch solche, die das fremde Eigentum gerade nicht respektieren wollen. Verzichtete er deshalb ganz auf das subjektive Geschäftsfilhrungselement, um die redlichen Besitzer nicht zu benachteiligen, wäre das Zurückbehaltungsrecht gegenüber der Eigentumsherausgabeklage völlig funktionslos. Paulus' Entscheidung reicht daher, filr sich genommen, keineswegs zwingend über den Fall der Vindikationslage hinaus, läßt sich vielmehr gerade aus deren Besonderheiten erklären. Sie trifft demnach auch die Auffassung Julians, den wir noch als Gegner einer strikten Willenserfordernisses kennen lernen werden. Dieser Jurist will den Besitzer, der Verwendungen auf die fremde Sache gemacht hat, ebenfalls nur zur retentio, nicht zu einer Aufwandsersatzklage zulassen: D 12.6.33 Jul 39 dig ... et ideo constat, si quis, cum existimaret se heredem esse, insulam hereditariam fulsisset, nullo alio modo quam per retentionem impensas servare posse.
läßt Paulus' Entscheidung in D 10.3 .14.l also noch keinen Schluß auf seine Ansicht über die allgemeinen Voraussetzungen der negotiorum gestio zu, gilt dies doch rur die folgende Aussage zur Haftung eines curator bonorum: D 17.1.22.10 Paul32 ed Si curator bonorum venditionem quidem fecerit, pecuniam autem creditoribus non solverit, Trebatius Ofilius Labeo responderunt his qui praesentes fuerunt competere adversus eum mandati actionem, his autem qui absentes fuerunt negotiorum gestorum actionem esse. atquin si praesentium mandatum exsecutus id egit, negotiorum gestorum actio absentibus non est nisi forte adversus eos qui mandaverunt curatori, tamquam si negotia absentium gesserint: quod si, cum soli creditores se esse existimarent, id mandaverint, in factum actio absentibus danda est in eos qui mandaverint.
Hat der Verwalter der Konkursmasse den Erlös aus seinen Geschäften nicht an die Gläubiger des Gemeinschuldners ausgezahlt, hängt die Wahl der Klage,
§ 2 Fremdgeschäftsfiihrungswille und -bewußtsein
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mit der er haftet, nach der Auffassung Trebatius', Ofilius' und Labeos davon ab, ob die einzelnen Gläubiger bislang am Verfahren teilgenommen haben oder nicht: Den schon aufgetretenen Gläubigem soll der curator mit der actio mandati, den abwesenden mit der actio negotiorum gestorum haften. Paulus widerspricht und will den curator allein mit der actio mandati und nur den anwesenden Gläubigem, diese wiederum den abwesenden mit der actio negotiorum gestorum haftbar machen. Voraussetzung filr die Geschäftsfilhrungsklage im Innenverhältnis der Gläubiger soll freilich sein, daß sie sich bei Erteilung des Auftrags nicht filr die einzigen Gläubiger des Gemeinschuldners hielten. Andernfalls sei den abwesenden Gläubigem nur mit einer actio in factum gegen die aufgetretenen Gläubiger zu helfen. Der Text gilt zu Recht als Zeugnis filr die allgemeine Voraussetzung eines Fremdgeschäftsfilhrungsbewußtseins. 21 Paulus läßt die actio negotiorum gestorum auf Auskehr des utiliter erzielten Erlöses gegen die anwesenden Gläubiger nur unter der Bedingung zu, daß diese die Vorstellung hatten, mit dem Auftrag an den curator zugleich ein fremdes Geschäft zu filhren?2 Der Spätklassiker weicht so allerdings nur in der Beurteilung des Auftrags,23 nicht auch zwingend in der Frage des Fremdgeschäftsfilhrungsbewußtseins von den zitierten Juristen der Republik und frühen Kaiserzeit ab: Gestehen sie den abwesenden Gläubigem ohne weiteres die actio negotiorum gestorum zu, müssen sie nicht von der Vorstellung des curator abgesehen, sondern lediglich unterstellt haben, daß dieser allgemein mit der Möglichkeit weiterer Gläubiger rechnen muß und rechnet. 24 Zumindest filr Labeo ist denn auch andernorts, namentlich in einem Zitat in Ulpians Ediktskommentar, belegt, daß er ebenso wie Paulus bei einem Auftrag von dritter Seite nicht auf das Erfordernis eines Fremdgeschäftsfilhrungsbewußtseins verzichten will: 2s 03.5.5.6 Ulp 10 ed Si quis ita simpliciter versatus est, ut suum negotium in suis bonis quasi meum gesserit, nulla ex utroque latere nascitur actio, quia nec fides bona hoc patitur. quod si et suum et meum quasi meum gesserit, in meum tenebitur: nam et si cui
2\ Vg!. Sei/er (Ein!. Fn. 2), S. 23, Mayer-Maly, Probleme der negotiorum gestio, SZ 86 (1969) 416, 426, Finazzi (Ein!. Fn. 4), S. 358. 22 Daß diese Klage dagegen, wie Partsch (Fn. 10), S. 40f. meint, stets am Eigeninteresse der mandatierenden Gläubiger scheitern soll, steht nicht nur im Widerspruch zum überlieferten Text, sondern ist auch auch aus allgmeinen Erwägungen nicht nachvollziehbar. 23 Dazu unten § 3 II. 24 Zutreffend Seiler (Ein!. Fn. 2), S. 24, 77, Mayer-Maly, SZ 86 (1969) 426. 25 Als Beleg hierfiir wertet den folgenden Text schon Köllner, Die Grundzüge der obligatio negotiorum gestorum, Göttingen 1856, 31 f.
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1. Kapitel: Die negotiorum gestio des klassischen römischen Rechts mandavero, ut meum negotium gerat, quod mihi tecum erat commune, dicendum esse Labeo ait, si et tuum gessit sciens, negotiorum gestorum eum tibi teneri.
Während der bloße FremdgeschäftsfilhrungswiIIe nichts auszurichten vermag, filhrt der bewußte Betrieb eines gemeinsamen Geschäfts von Geschäftsfilhrer und Geschäftsherr zur Haftung des Geschäftsfilhrers mit der actio negotiorum gestorum, bezogen auf den fremden Geschäftsteil. 26 Hat der Geschäftsfilhrer einen Auftrag erhalten, ein Geschäft zu filhren, das dem Geschäftsherrn und einem Dritten zu eigen ist, hängt die Haftung des Geschäftsbesorgers gegenüber dem Dritten davon ab, ob er dessen Beteiligung an dem Geschäft kannte?7 Nur wenn er sich die Drittbeteiligung bewußt war, ist er dem Geschäftspartner des Auftraggebers mit der actio negotiorum gestorum haftbar. Labeo fordert demnach ebenso wie Paulus das Bewußtsein eines Fremdbezugs jenseits des Mandatsverhältnisses. 28 Nicht eindeutig kommt Labeos Auffassung in dem vorangehenden Abschnitt in U1pians Ediktskommentar zum Ausdruck: D 3.5.5.5 Ulp 10 ed Sed et si quis negotia mea gessit non mei contemplatione, sed sui lucri causa, Labeo scripsit suum eum potius quam meum negotium gessisse (qui enim depraedandi causa accedit, suo lucro, non meo commodo studet): sed nihilo minus, immo magis et is tenebitur negotiorum gestorum actione. ipse tarnen si circa res meas aliquid impenderit, non in id quod ei abest, quia improbe ad negotia mea accessit, sed in quod ego locupletior factus sum habet contra me actionern.
Hat jemand ein fremdes Geschäfte nicht im Interesse des Geschäftsherrn, sondern aus Eigeninteresse gefilhrt, liegt nach Ansicht von Labeo eher eine Eigen- denn eine Fremdgeschäftsfilhrung vor. Zumindest nach U1pians Ansicht 26 Die ideelle Aufspaltung des gemeinsamen Geschäfts und die Zuordnung der Teile zu bestimmten Geschäftsherrn sind nichts Ungewöhnliches. Sie begegnet auch in einer kaiserlichen Entscheidung zum Auftrag eines Ehemannes für ein ihm und seiner Gattin gemeinsam gehörendes Geschäft; vg!. CI 2.18.14 (a. 234): Alex. A. Rufo. Si mandatum sollus mariti secutus tam ipsius quam uxoris eius negotia gessisti. tam tibi quam mulieri invicem negotiorum gestorum competit actio. ipsi sane qui mandavit adversus te mandati actio est: sed et tibi adversus eum contraria. si quid forte supererogasti. Die besondere Bedeutung, die der Geschäftsspaltung unter diesen Umständen zukommt, liegt im Ehegattenschenkungsverbot. Bei Anerkennung eines umfassenden Auftrags eines Ehegatten bestünde die Gefahr, daß es per interpostam personam unterlaufen wird. Für den Interpolationsverdacht von Partsch (Fn. 10), S. 19 Fn. 3 und Solazzi, Sulla gestione per conto d'altri, in: Scritti di diritto Romano H, 1957, S. 528 besteht jedenfalls kein Anlaß. 27 Richtig Kreller, SZ 59 (1939) 413, Seiler (Ein!. Fn. 2), S. 24, 77. 28 Was er nicht fordert, ist ein Rechtsbindungswille; vg!. D 3.5.18.2 Paul 2 Ner und dazu unten § 2 IIl. Die affectio, die Labeo zwar für die Geschäftsführungsklage genügen läßt, aber noch vom freien Willen zum Vertrag unterscheidet, genügt Celsus sogar, um einen wirksamen Vertrag anzunehmen; vg!. D 13.6.13.2 Pomp 11 Sab und dazu Seiler (Ein!. Fn. 2), S. 95ff.
§ 2 Fremdgeschäftsfilhrungswille und -bewußtsein
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haftet der Geschäftsfilhrer gleichwohl, ja sogar gerade wegen seines Eigeninteresses mit der actio negotiorum gestorum; und Aufwendungsersatz kann er wegen seines unziemlichen Eingriffs nur insoweit verlangen, als der Geschäftsherr bereichert ist. Der Text gilt gewöhnlich als Zeugnis einer Klassikerkontroverse über eine wertgebundene Ausnahmeentscheidung: Während Labeo strikt einen Fremdgeschäftsfilhrungswillen voraussetze und die Geschäftsftlhrungsklage im vorliegenden Fall daran scheitern lasse,29 breche Ulpian aus dem Konzept der negotiorum gestio aus, um dem Geschäftsftlhrer die Möglichkeit zu nehmen, sich unter Berufung auf seine eigennUtzige Absicht der Haftung zu entziehen. Durch seinen Erst-recht-Schluß vermeide Ulpian nicht nur einen Wertungswiderspruch, sondern schließe im Dienste des Bereicherungsrechts30 auch Lücke, die der Mangel an Rechtsbehelfen filr die Gewinnabschöpfung hinterlasse?! Der exzeptionelle und wertungsbestimmte Charakter von Ulpians Entscheidung filr die actio negotiorum gestorum zeige sich gerade an der Beschränkung des Aufwendungsersatzanspruchs auf die im Vermögen des Geschäftsherrn vorhandene Bereicherung. Dieses hergebrachte Textverständnis kann nur insoweit überzeugen, als die klassischen römischen Juristen neben der actio negotiorum gestorum in der Tat kein Mittel zur Gewinnabschöpfung kannten. Ansonsten weckt es Bedenken: Zunächst ist keineswegs ausgemacht, daß Labeo im vorliegenden Fall die actio negotiorum gestorum verweigert32 und daß Ulpian sie nur ausnahmsweise gewährt. Schon Labeo muß die Geschäftsfilhrungsklage gewährt haben, weil er sich mit dem bloßen Bewußtsein des Fremdbezugs begnügt. Dies ergibt ein Zitat bei Paulus, das auch filr dessen Auffassung aufschlußreich ist: D 3.5.18.2 Paul 2 Ner Si libero homini, qui bona tide mihi serviebat, mandem, ut aliquid agat, non fore cum eo mandati actionem Labeo ait, quia non libera voluntate exsequitur rem sibi mandatam, sed quasi ex necessitate servili: erit igitur negotiorum gestorum actio, quia et gerendi negotii mei habuerit affectionem et is fuit, quem obligare possem.
Labeo und Paulus gilt es nicht als Hindernis filr die actio negotiorum gestorum, wenn der Geschäftsfilhrer nicht aus freien Stücken, sondern als fiber homo bonafide serviens in dem Glauben tätig wird, er sei kraft des vermeintlichen Gewaltverhältnisses zum Geschäftsherrn zu der Geschäftsbesorgung verpflichtet. Statt eines animus obligandi, den Paulus nur im Eigentümer-Besitzer29 So Seiler (Ein!. Fn. 2), S. 29f., Mayer-Maly, SZ 86 (1969) 428, Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsftihrung ohne Auftrag, 1981, S. 39,45, 47f. der in Labeos ratio dubitandi gar das tragende Prinzip des Geschäftsftihrungsrechts erkennen will. 30 Van Zyl, Negotiorum gestio, in: Feenstra/Schrage (Hg.), Das römisch-holländische Recht, 1992, S. 329, 365. 31 So Reichard, AcP 193 (193) 582. 32 Dies glaubt auch Cenderelli (Ein!. Fn. 4), S. 172.
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1. Kapitel: Die negotiorum gestio des klassischen römischen Rechts
Verhältnis fordert, reicht beiden Juristen hier also ein bloßes Fremdgeschäftsfilhrungsbewußtsein. Daher sind in D 3.5.5.5 auch lediglich Labeos Zweifel an der Zuordnung der Geschäfte überliefert, nicht Labeos Entscheidung selbst. Sie ist trotz der Bedenken, die Labeo der eigennützige Antrieb des Geschäftsbesorgers bereitet, sicher nicht anders ausgefallen als die Ulpians. Dieser nimmt die Zuordnung des zum Eigennutz gefilhrten Geschäfts schon vorweg, indem er von vornherein von negotia mea spricht. Diese Formulierung, die im Schlußsatz erneut erscheint, erhellt, daß schon die Zuordnung des Geschäfts filr Ulpian nicht ausnahmsweise, sondern ganz regelmäßig gelingt. Das gleiche gilt filr den Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsfilhrers: Seine Begrenzung auf die im Vermögen des Geschäftsherrn vorhandene Bereicherung ergibt sich ohne weiteres aus dem Kriterium, das der Zuordnung der Geschäftsfilhrung zum Geschäftsherrn zugrundeliegt. Da der Fremdgeschäftsführungswille fehlt, kann nur die Wirkung auf das Vermögen des Geschäftsherrn ausschlaggebend sein. Ist sie positiv, gibt der Vorteil im Vermögen des Geschäftsherrn auch die Grenze für den Aufwendungsersatzanspruch vor. Einen weitergehenden Anspruch zu gewähren bedeutete, die utititas des Geschäftsfilhrerhandelns aus der Perspektive ex ante und ohne Rücksicht auf sein Ergebnis zu beurteilen. Dieses Privileg kann jedoch nur der Geschäftsfilhrer mit Fremdgeschäftsfilhrungswillen in Anspruch nehmen. Genau dies meint Ulpian mit seiner Bemerkung, der Geschäftsfilhrer sei improbe vorgegangen. Hierin liegt kein Werturteil über sein Handeln, sondern ein schlichter Hinweis darauf, daß es mangels Fremdgeschäftsfilhrungswillen aus der Sicht ex ante nicht utitis war. Wer ohne Kenntnis des Fremdbezugs oder trotz dieser Kenntnis allein im eigenen Interesse tätig wird, muß sich am Ergebnis seiner Handlungen messen lassen. Er kann nicht mehr ersetzt verlangen, als er selbst, wenn auch unfreiwillig, an Vermögensvorteil filr den anderen geschaffen hat. Bestimmt man die utititas erst nachträglich und mit ihr die Qualität des gefilhrten Geschäfts als negotium alterius, versteht sich die Beschränkung des Aufwendungsersatzes von selbst. Daß die Juristen der Hochklassik nicht nur auf den Fremdgeschäftsfilhrungswillen, sondern auch auf die Kenntnis des Fremdbezugs verzichten, belegt ein Auszug aus dem 8. Buch von Afrikans Quästionen, der neben D 3.5.5.5 bis zu den Kodifikationen des 18. und 19. Jahrhunderts im Zentrum des rechtwissenschaftlichen Interesses stehen wird: D 3.5.48 Afr 8 quaest Si rem, quam servus venditus subripuisset a me venditore, emptor vendiderit eaque in rerum natura esse desierit, de pretio negotiorum gestorum actio mihi danda sit, ut dari deberet, si negotium, quod tuum esse existimares, cum esset meum, gessisses: sicut ex contrario in me tibi daretur, si, cum hereditatem quae ad me pertinet tuam putares, res tuas proprias legatas solvisses, quandoque de ea solutione liberarer. Der Käufer eines Sklaven hat eine Sache verkauft, die der Sklave seinem ehemaligen Herrn, dem Verkäufer, noch vor seiner eigenen Veräußerung ge-
§ 2 Fremdgeschäftsfilhrungswille und -bewußtsein
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stohlen hatte. Nach dem Untergang der Sache steht ihrem ehemaligen Eigentümer, dem Verkäufer des Sklaven, die actio negotiorum gestorum gegen den Sklavenkäufer zu, der den Kaufpreis, den er fUr Sache erlangt hat, auskehren muß. Daß der Sklavenkäufer die Sache fUr eine eigene hielt, schadet nicht. Afrikan zufolge soll vielmehr ganz allgemein gelten, daß eine Geschäftsbesorgung in der Fehlannahme, das betriebene Geschäft sei ein eigenes, eine Haftung des GeschäftsfUhrers mit der actio negotiorum gestorum und umgekehrt einen Aufwendungsersatzanspruch mit dem iudicium contrarium zeitigt. Als Beispiel fUhrt er den Fall an, daß ein Scheinerbe Vermächtnisforderungen durch Übereignung eigener Sachen erfUlIt und so den wahren Erben befreit. Die herkömmliche Interpretation, die dieser Text erflihrt, ähnelt der des Ulpianfragments mit dem Labeozitat: Soweit die dem Afrikan zugeschriebene Aussage überhaupt fUr echt gehalten wird,33 soll er eine Ausnahmeentscheidung von Afrikans Lehrer Julians bezeugen, dem es darum gehe, eine Anspruchslükke im römischen Obligationenrecht zu schließen: 34 Julian verzichte auf das übliche Erfordernis eines FremdgeschäftsfUhrungswillens, um eine Rechtsfortwirkung zugunsten des bestohlenen Sacheigentümers zu erzeugen. Dieser verliere mit dem Sachuntergang die rei vindicatio und könne nur geschützt werden, indem ihm eine Klage zur Abschöpfung des Gewinns gewährt werde, den der Sklavenkäufer durch die Sachveräußerung erzielt habe. Die zugestandene actio negotiorum gestorum habe die Funktion eines Bereicherungsanspruchs,3s zu dessen Gewährung sich Julian bei anderer Gelegenheit auch durchringe: D. 12.1.23 Afr 2 quaest Si eum servum, qui tibi 1egatus sit, quasi mihi legatum possederim et vendiderim, mortuo eo posse te mihi pretium condicere Iulianus ait, quasi ex re tua locupletior factus sim.
Richtig ist an dieser Deutung wiederum nur, daß allein mit Hilfe der actio negotiorum gestorum ein außervertraglicher Anspruch auf Gewinnauskehr begründet wird. Besondere Bedeutung erlangt dieser Anspruch im Fall von 33 Im Anschluß an Riccobono (Fn. 11), S. 76ff. bezweifelt Seiler, Tatbestand (Ein!. Fn.2), S. 26f. und FG Kaser, 1986, S. 256 die Echtheit des Textes und verweist auf D 19.1.30pr. Afr 8 quaest, wo der gleiche Jurist statt einer actio negotiorum gestorum eine condictio gewährt. Diese ist jedoch eine Leistungskondiktion und deshalb zuständig, weil anders als im Fall von D 3.5.48pr. ein peculium verkauft wird, das sich durch den Sklavendiebstahl automatisch vermindert und bei vollständiger Auskehr an den Sklavenkäufer eine teilweise ungeschuldete Leistung ist; ausfilhrlich hierzu demnächst Harke, Das klassische römische Kondiktionensystem, in: JURA. 34 So Mayer-Maly, SZ 86 (1969) 417, 427, Wittmann (Fn. 29), S. 46, Seiler, FG Kaser (Fn. 33), S. 255f., Muscheler, JuS 1988, 633, van Zy/ (Fn. 30), S. 366, Jansen, SZ 120 (2003), 108, 128 ff. 3S Ausgehend vom mittelalterlichen Recht so ganz allgemein auch Schrage, Qui in fundo alieno aedificavit. Die actio negotiorum gestorum utitis als Vorstufe einer allgemeinen Bereicherungsklage, RIDA 36 (1989) 401ff.
1. Kapitel: Die negotiorum gestio des klassischen römischen Rechts
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D 3.5.48pr. jedoch nicht deshalb, weil es überhaupt an einem Rechtsbehelfzum Schutz des ehemaligen Sacheigentümers fehlt. Ihm steht nach dem Verlust der rei vindicatio stets eine Eingriffskondiktion zu. Sie ist condictio furtiva und auf den vollen Sachwert gerichtet, wenn die Sache durch einen Diebstahl oder Unterschlagung abhanden gekommen ist. Fällt dem Sachveräußerer kein furtum zur Last, haftet er mit der condictio ex iniusta causa, allerdings - und hier liegt das Gewicht der Entscheidung von D 12.1.23 - beschränkt auf den erzielten Kaufpreis, falls dieser den Sachwert unterschreitet. Eine mit der actio negotiorum gestorum zu schließende Schutzlücke entsteht so erst, wenn der erlangte Kaufpreis den Sachwert überschreitet. Die condictio ist nämlich ein reiner Rückgewähranspruch und läßt keine Abschöpfung des Gewinns zu, der durch Eingriff in fremdes Vermögen erlangt worden ist. Die Abhilfe, welche die actio negotiorum gestorum in diesem Fall schafft, geschieht freilich nicht ausnahmsweise, sondern in Anwendung einer Regel. Für Afrikan steht es völlig außer Zweifel, daß die Führung eines objektiv fremden Geschäfts, das der Geschäftsfilhrer filr sein eigenes hält, das Rechtsverhältnis der negotiorum gestio begründet. Die dem ehemaligen Sacheigentümer gegen den Sklavenkäufer zugestandene Klage gilt ihm als solche, wie sie in Fällen vermeintlicher Eigengeschäftsfilhrung stets zu geben ist: ut dari deberet, si negotium, quod tuum esse existimares, cum esset meum, gessisses. Mit der Annahme einer exzeptionellen Lösung zum Schutz des ehemaligen Sacheigentümers ist dieser Satz allenfalls dann vereinbar, wenn man unterstellt, Afrikan habe einen von Julian gegebenen Vergleichsfall stenographisch verkürzt dargestelle 6 oder gar Julians Entscheidung des Ausgangsfalles vorschnell verallgemeinert37 • Für keine dieser beiden Vermutungen bietet der überlieferte Text aber einen hinreichenden Anhaltspunkt. Über einen einfachen Subsumtionsschluß geht Afrikans Argumentation überhaupt nur insoweit hinaus, als er das Zustandekommen des Geschäftsfilhrungsverhältnisses am umgekehrten Fall des nach Aufwendungsersatz strebenden Scheinerben plausibel machen will. Warum erscheint dieser Fall Afrikan geeignet, den allgemeinen Satz von der Zuständigkeit der actiones negotiorum gestorum nachzuvollziehen? Anders als in der Ausgangskonstellation sind im Fall des Scheinerben die utilitas und damit die Fremdwirkung der Geschäftsfiihrung evident: Im Gegensatz zur gewöhnlichen Erfiillung einer vermeintlich eigenen, in Wahrheit fremden Schuld38 So Wittman (Fn. 29), S. 45. So Muscheler, JuS 1988, S. 629, 631. 38 Vgl. zu diesem Fall beispielsweise D 46.3.38.2 Afr 7 quaest. Daß hier der mangelnde Fremdgeschäftsfiihrungswille eine Rolle spielt, behauptet Wittmann (Fn. 29), S. 45, wird aber widerlegt durch D 3.5.42 Iav 6 Lab post: Cum pecuniam eius nomine so/veres, qui tibi nihil mandaverat, negotiorum gestorum actio tibi competit, cum ea solutione debitor a creditore liberatus sit: nisi si quid debitoris interfuit eam pecuniam non so/vi. Wer bewußt auf eine fremde Schuld leistet, ist deshalb zum Aufwendungser36 37
§ 2 Fremdgeschäftsfilhrungswille und -bewußtsein
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entsteht bei der Befriedigung eines Vermächtnisnehmers durch einen Scheinerben kein Rückforderungsanspruch. Denn nach einer auf die veteres zurückgehenden Regel ist die condictio nach Leistung auf ein nichtgeschuldetes Damnationslegat ausgeschlossen. 39 Die von Afrikan ausdrücklich erwähnte Rechtsfolge ist, daß der wahre Erbe von seiner Verpflichtung befreit wird. Das Handeln des Scheinerben ist utilis, die Verpflichtung des wahren Erben zum Aufwendungsersatz ohne weiteres nachvollziehbar. Eine nützliche Geschäftsfilhrung liegt auch im Fall des Verkaufs der vom Sklaven gestohlenen Sache vor: Hätte der neue Herr des Sklaven sie einfach behalten, wäre der Eigentümer ihrer mit dem Sachuntergang endgültig verlustig gegangen. Der Verkauf hat jedoch bewirkt, daß an die Stelle der Sache ein Surrogat in Form des Kaufpreises getreten ist. Dieser muß nicht wieder an den Käufer der Sache zurückgezahlt werden, da er nach der Regel periculum est emptoris die Gefahr des Sachuntergangs trägt und dieser auch die Eviktionsverpflichtung des Verkäufers entfallen läßt. 40 Der Verkauf der fremden Sache ist filr ihren Eigentümer also im Ergebnis utilis. Aus der Perspektive ex ante war er zunächst neutral, auf lange Sicht sogar schädlich, weil er die Rechtsstellung des Eigentümers nicht nur faktisch, sondern wegen der Begründung eines Ersitzungstitels rechtlich beeinträchtigen würde. Die Annahme einer negotiorum gestio hätte unter diesen Umständen sogar zu einer Schadensersatzverpflichtung des Verkäufers filhren können. Sie scheitert jedoch an dem fehlenden Bewußtsein der Fremdheit des Geschäfts. Mit dem Sachuntergang hat sich die Situation jedoch grundlegend geändert. Rückblickend ist das Vermögen des Eigentümers und Geschäftsherrn nicht negativ, sondern positiv betroffen, weil ein die Sachexistenz überdauernder Wert geschaffen wurde. Daß der Geschäftsfiihrer ihn herausverlangen kann, versteht sich nun ebenso von selbst wie die am Fall des Scheinerben exemplifizierte Rechtsfolge des Aufwendungsersatzes. Sie tritt im Ausgangsfall lediglich deshalb nicht ein, weil der Sachverkäufer durch die Verfilgung über die fremde Sache keinen Vermögensnachteil erlitten hat. Dieser Umstand verdunkelt zunächst den Zusammenhang des Falles mit dem Recht der negotiorum gestio und veranIaßt Afrikan dazu, seine Entscheidung fiir die actio negotiorum gestorum an einem Fall mit umgekehrter Rechtsfolge zu verdeutlichen: Ist der Geschäftsfilhrer, der ein vermeintlich eigenes, in Wahrheit fremdes Geschäft utiliter filhrt, zum Aufwendungsersatz be-
satz mit der actio negotiorum gestorum zugelassen, weil er den Schuldner befreit. Daraus folgt: Wer auf eine vermeintlich eigene, in Wahrheit fremde Schuld leistet, kann nur darum keinen Aufwendungsersatz verlangen, weil von seiner Leistung keine befreiende Wirkung ausgeht. 39 Vgl. IJ 3.27.7, Gai 2.282, 283. Hierauf verweist schon Kohler, JhJb 25 (1887) 103; ebenso neuerdings Muscheler, JuS 1988,627,632. 40 Vgl. D 21.2.21pr., CJ 8.44.26.
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1. Kapitel: Die negotiorum gestio des klassischen römischen Rechts
rechtigt, tritt auch die reziproke Rechtswirkung, die Verpflichtung zur Herausgabe des durch die Geschäftsfilhrung Erlangten, ein. Daß der Anspruch des Schein- gegen den wahren Erben auf Aufwendungsersatz auch nach der Ansicht Papinians nicht am fehlenden Fremdgeschäftsfilhrungsbewußtsein scheitert, zeigt D 5.3.50.1 Pap 6 quaest: Si defuncto monumentum condicionis implendae gratia bonae fidei possessor fecerit, potest dici, quia voluntas defuncti veI in hoc servanda est, utique si probabilern modum faciendi monumenti sumptus, vei quantum testator iusserit, non excedat, eum, cui aufertur hereditas, impensas ratione doli exceptione aut retenturum aut actione negotiorum gestorum repetiturum, veluti hereditario negotio gesto: quamvis enim stricto iure nulla teneantur actione heredes ad monumentum faciendum, tamen principali veI pontificali auctoritate compelluntur ad obsequium supremae voluntatis.
Hat der gutgläubige Erbschaftsbesitzer in Befolgung einer testamentarischen Auflage ein Grabmal errichtet und dabei keine übermäßigen Aufwendungen gemacht, stehen ihm zur Durchsetzung seines Ersatzanspruchs zwei Mittel zur Verfilgung: Er kann dem Erbschaftsanspruch mit der exceptio doli begegnen oder selbst in die Offensive gehen und die actio negotiorum gestorum erheben. 4 \ Ihre Zuständigkeit steht filr Papinian nicht deshalb in Frage, weil dem Erbschaftsbesitzer das Fremdgeschäftsfilhrungsbewußtsein fehIte. 42 Zweifel hat er lediglich deshalb, weil die Auflage zur Errichtung des Grabmals keine durchsetzbare zivilrechtliche Verpflichtung des Erben begrilndet. 43 Daß das Handeln des Erbschaftsbesitzers im Ergebnis gleichwohl utilis war, folgt filr Papinian daraus, daß der Erbe zur ErfilIIung der Auflage öffentlich- oder sakralrechtlich, nämlich durch kaiserlichen oder priesterlichen Befehl, unmittelbar hätte gezwungen werden können. IV. Zwischenergebnis FremdgeschäftsfilhrungswiIIe und -bewußtsein sind regelmäßig, aber keineswegs zwingend erforderlich, damit das Rechtsverhältnis der negotiorum gestio entsteht. Der FremdgeschäftsfilhrungswiIIe sorgt filr die Zurechnung objektiv neutraler Geschäftsfilhrungsakte, die der Geschäftsfilhrer auch im eigenen Interesse oder in dem eines Dritten vornehmen kann. Der Fremdgeschäftsbesor-
41 Für die Interpolationsvermutung von Riccobono (Fn. 11), S. 55, 76 besteht kein Anlaß. 42 Entgegen Seiler (Ein!. Fn. 2), S. 25 gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß der Erbschaftsbesitzer in diesem Fall damit rechnen mußte, in Wahrheit nicht Erbe zu sein. 43 Daher läßt sich auch Papinians Lösung entgegen Mayer-Ma/y, SZ 86 (1969) 426f. nicht als einzelfall bedingte Ausnahme vom Erfordernis des FremdgeschäftsfiihrungswilIens deuten.
§ 3 Geschäftsführung und Drittauftrag
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gungswille gibt ferner den Ausschlag, ob ein Geschäftsfilhrer filr eine aus Sicht ex ante nützliche Geschäftsfilhrung auch dann Aufwendungsersatz erhält, wenn sein Handeln erfolglos war. Das Bewußtsein, ein objektiv fremdes Geschäft zu fuhren, entscheidet schließlich darüber, ob ein Geschäftsfuhrer zum Schadensersatz verpflichtet ist, dessen Verhalten sich nachteilig auf das Vermögen des Geschäftsherrn ausgewirkt hat. Entbehrlich sind Fremdgeschäftsfilhrungswille und Bewußtsein des Fremdbezugs nach einer verbreiteten Auffassung in der Hoch- und Spätklassik dagegen, wenn sich eine Geschäftsfilhrung im Ergebnis vorteilhaft auf das Vermögen des Geschäftsherrn auswirkt. Für Afrikan, Papinian und Ulpian entstehen in diesem Fall automatisch die Geschäftsfilhrungsklagen auf Herausgabe des Erlangten und auf Aufwendungsersatz, soweit der Vorteil im Vermögen des Geschäftsherrn reicht. Die Gegenposition beziehen Labeo und auch noch Paulus. Sie beharren darauf, daß der Geschäftsbesorger den Fremdbezug seines HandeIns kennen muß, fordern aber außerhalb des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses keinen Fremdgeschäftsfilhrungswillen in Form eines animus obligandi. Der Wille, einen anderen durch die Förderung seines Wohls zu verpflichten, dient nur dazu, das hergebrachte Schema des Aufwendungsersatzes per retentionem bei der Vindikationslage nicht zu unterlaufen.
§ 3 Gescbäftsf"übrung und Drittauftrag I. Vertrag und Willens richtung Ist der Fremdgeschäftsfuhrungswille ein regelmäßiges, aber kein striktes Erfordernis der actiones negotiorum gestorum, kann er auch nicht über ihre Konkurrenz zu vertraglichen Rechtsbeziehungen entscheiden. Er müßte zum Ausschluß der Geschäftsfilhrungsklagen selbst dann filhren, wenn das Vertragsverhältnis, in dessen Ausfilhrung der Geschäftsfilhrer tätig werden will, in Wahrheit gar nicht besteht. Auch in diesem Fall und nicht nur bei einem wirksamen Vertragsverhältnis trifft nämlich zu, daß der Geschäftsfilhrer mit seinem Handeln in aller erster Linie seiner eigenen Verpflichtung genüge tun und nicht das Wohl eines anderen befördern will. Daß die actio negotiorum gestorum bei einem vermeintlichen Vertragsverhältnis zum Geschäftsherrn begründet ist, bezeugt dagegen D 3.5.5pr. Ulp 10 ed: 44 Item si, cum putavi a te mihi mandatum, negotia gessi, et hic nascitur negotiorum gestorum actio cessante mandati actione. idem est etiam, si pro te fideiussero, dum puto mihi a te mandatum esse.
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Vg\. zu diesem Text auch Finazzi (Ein\. Fn. 4), S. 387ff.
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1. Kapitel: Die negotiorum gestio des klassischen römischen Rechts
Glaubt der Geschäftsfilhrer lediglich, vom Geschäftsherrn beauftragt zu sein, während es in Wahrheit an einem wirksamen mandatum fehlt, wird der Mangel der Auftragsklage durch die actio negotiorum gestio ausgeglichen. Daß dies auch im Mehrpersonenverhältnis, nämlich beim Auftrag durch einen vom Geschäftsherrn verschiedenen Dritten gilt, zeigt eine Katene, welche die Kompilatoren aus einem Papinianzitat in Ulpians Ediktskommentar und dem zugrunde liegenden Original aus Papinians Quästionen gefertigt haben: D 16.1.6 Ulp 29 ed
Si fideiussores pro defensore absentis filii ex mandate matris eius intercesserint, quaeritur, an etiarn his senatus consuIto subveniatur. et ait Papinianus libro none quaestionum exceptione eos usuros: nec multum facere, quod pro defensore fideiusserunt, cum contemplatione mandati matris intervenerunt. plane, inquit, si qui accepit eos fideiussores, matrem eis mandasse ignoravit, exceptionem senatus consulti replicatione doli repellendarn. D 16.1.7 Pap 9 quaest Quarnquarn igitur fideiussor doli replicatione posita defensionem exceptionis arnittit, nullam tarnen replicationem adversus mulierem habebit, quia facti non potest ignorationem praetendere. sed non erit iniquum dari negotiorum gestorum actionem in defensorem, quia mandati causa per senatus consultum constituitur irrita et pecunia fideiussoris Iiberatur.
Es geht um die exceptio aus dem senatus consultum Velleianum. Kommt sie auch den Bürgen zu gute, die im Auftrag der Mutter eines Beklagten filr dessen Prozeßvertreter Sicherheit geleistet haben? Papinian hält nach Ulpians Zitat dafilr. Es sei unschädlich, daß die Bürgen lediglich filr einen männlichen Prozeßvertreter tätig geworden sind, weil ihr Antrieb der Auftrag der Mutter des Beklagten gewesen sei. Wisse der Prozeßgegner dies nicht, könne er die exceptio senatus consulti Velleiani allerdings mit einer replicatio doli entkräften. Die Konsequenzen, die sich hieraus filr den Bürgenrückgriff ergeben, sind Thema des Originalauszugs aus Papinians Quästionen: Anders als dem Prozeßgegner nützt den Bürgen, die keiner Fehlvorstellung über die Interzession der Mutter unterlagen, im Verhältnis zu ihrer Auftraggeberin die replicatio doli nicht. Sie sollen sich jedoch mit der actio negotiorum gestorum an den Prozeßvertreter halten können, dessen Vermögen in Ausfilhrung des unwirksamen Auftrags von einer Verpflichtung entlastet worden ist. Daß das mandatum kraft der im bonae fidei iudicium inhärenten exceptio senatus consulti Velleiani ungültig ist, gilt Papinian als Auslöser und regelrechte Begründung rur die Zuständigkeit der actio negotiorum gestorum. Er filhrt aus, was in Ulpians Bemerkung zum Zweipersonenverhältnis, die Geschäftsfiihrungsklage entstehe cessante mandati actione, nur verkürzt zum Ausdruck kommt: Über die Zuständigkeit der actiones negotiorum gestorum entscheidet allein die Wirksamkeit des konkurrierenden Vertragsverhältnisses und nicht die Vorstellung der Parteien. 45 Daß diese statt in dem Willen, durch freiwilliges Eintreten eine neue Verpflichtung
§ 3 Geschäftsfilhrung und Drittauftrag
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zu begründen, auch in der Annahme einer eigenen Rechtspflicht zum Handeln liegen kann, sagt U1pian schließlich ganz allgemein in D 3.5.3.10 Ulp 10 ed: 46 Hanc actione tenetur non solum is qui sponte et nulla necessitate cogente immiscuit se negotiis alienis et ea gessit, verum et is qui aliqua necessitate urguente vel necessitatis suspicione gessit. Obwohl diese und beiden zuvor aufgefUhrten Stellungnahmen von Juristen stammen, die auch auf FremdgeschäftsfilhrungswiIlen oder -bewußtsein als Voraussetzung der negotiorum gestio bei nachträglich festgesteIlter utilitas verzichten, können Labeo und Paulus, welche in dieser Frage die Gegenposition beziehen, nicht anders urteilen. Aus dem schon untersuchten Text D 3.5.18.2 folgt nämlich, daß auch diese Juristen jenseits des Eigentnmer-BesitzerVerhältnisses keinen animus ob/igandi verlangen, sondern sich mit dem Bewußtsein des Fremdbezugs begnügen. Da Paulus in D 10.3.14.1 zudem ausdrücklich den Irrtum über die Person des Geschäftsherm fUr unerheblich erklärt, kann es ihm auch im Dreiecksverhältnis nicht darauf ankommen, ob der GeschäftsfUhrer statt zum Wohle des Geschäftsherm nur in AusfUhrung eines vermeintlichen Auftrags zu einem Dritten tätig wird. Denn die nach D 3.5.18.2 erforderliche affectio negotia a/iena gerendi könnte durch den Drittauftrag allenfalls insofern berührt werden, als sie sich auf den venneintlichen Auftraggeber und damit auf eine andere Person richtet als den eigentlich betroffenen Geschäftsherrn.
11. Exklusivität der negotiorum gestio Scheitert die actio negotiorum gestorum bei der AusfUhrung eines Drittauftrags erst an dessen Gültigkeit, stellt sich die Frage, welche Wirkung von diesem Rechtsphänomen, und allein von ihm, ausgeht. Die Antwort ergibt sich aus den einschlägigen Quellen: D 3.5.27 Iav 8 Cass Si quis mandatu Titii negotia Seii gessit, Titio mandati tenetur lisque aestimari debet, quanta Seii et Titii interest: Titii autem interest, quantum is Seio praestare debet, cui vel mandati vel negotiorum gestorum nomine obligatus est. Titio autem actio
4S Richtig Finazzi (Ein!. Fn. 4), S. 339ff., 385; anders noch Solazzi (Fn. 26). S. 534f. und wohl auch Seiler (Ein!. Fn. 2), S. 127f. 46 Vg!. Wlassak (Ein!. Fn. 4), S. 141f., 150 und Seiler (Ein!. Fn. 2), S. 40f.; dagegen nicht überzeugend Mayer-Ma/y, SZ 86 (1969) 429, der die necessitas auf die Situation des Geschäftsherrn beziehen wil!.
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I. Kapitel: Die negotiorum gestio des klassischen römischen Rechts competit cum eo, cui mandavit aliena negotia gerenda, et antequam ipse quicquam domino praestet, quia id ei abesse videtur in quo obligatus est.
Ist jemand von Titius damit betraut worden, die Geschäfte des Seius zu ruhren, haftet er nicht diesem, sondern seinem Auftraggeber Titius, und zwar noch vor Abwicklung seines Innenverhältnisses zu Seius und auf das Interesse, das Titius und Seius an der Geschäftsbesorgung haben. Dreh- und Angelpunkt dieser Lösung ist, daß Titius dem Seius seinerseits aus Mandat oder mit der actio negotiorum gestorum verbindlich ist. Das gleiche gilt rur Paulus' Entscheidung in D 3.5.20.3 Paul 9 ed: Mandatu tuo negotia mea Lucius Titius gessit: quod is non recte gessit, tu mihi actione negotiorum gestorum teneris non in hoc tantum, ut actiones tuas praestes, sed etiam quod imprudenter eum elegeris, ut quidquid detrimenti neglegentia eius fecit, tu mihi praestes.
EGO, dessen Geschäfte Lucius Titius im Auftrag des TU besorgte, hat keine Klage gegen Lucius Titius, sondern allein gegen den Auftraggeber TU, der EGO mit der actio negotiorum gestorum außer auf Abtretung seiner Ansprüche gegen Lucius Titius auf Schadensersatz haftet. Besonders aufschlußreich ist schließlich der schon untersuchte47 Text D 17.1.22.10 Paul32 ed: Si curator bonorum venditionem quidem fecerit, pecuniam autem creditoribus non solverit, Trebatius Ofilius Labeo responderunt his qui praesentes fuerunt competere adversus eum mandati actionem, his autem qui absentes fuerunt negotiorum gestorum actionem esse. atquin si praesentium mandatum exsecutus id egit, negotiorum gestorum actio absentibus non est nisi forte adversus eos qui mandaverunt curatori, tamquam si negotia absentium gesserint: quod si, cum soli creditores se esse existimarent, id mandaverint, in factum actio absentibus danda est in eos qui mandaverint.
Während die älteren Juristen das Handeln des curator bonorum rur ein Geschäft halten, das teilweise den auftraggebenden, teilweise den abwesenden Gläubigem des Gemeinschuldners zuzurechnen ist, erkennt Paulus ein umfassendes Mandat der auftraggebenden Gläubiger. 48 Allein sie können im Rahmen der actio negotiorum gestorum passivlegitimiert sein. Durch ihren Auftrag sind die von dem curator besorgten Angelegenheiten automatisch zu ihren geworden. Der wirksam beauftragte Geschäftsftihrer ruhrt stets nur ein negotium seines Auftraggebers aus, weil diesen von Rechts wegen die Wirkungen des Ge-
Siehe oben § 2 III. Entgegen Seiler (Ein!. Fn. 2), S. 119f. und Mayer-Maly, SZ 86 (1969) 431 gibt es also keine Kontroverse über den Vorrang des Auftrags, sondern lediglich über dessen Reichweite. 47
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§ 3 GeschäftsfUhrung und Drittauftrag
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schäfts treffen. 49 Durch seinen gültigen Auftrag ist der Auftraggeber selbst zum negotiorum gestor geworden, das Rechtsverhältnis der negotiorum gestio in der Beziehung zwischen ihm und dem eigentlichen Geschäftsherm begründet. Es kann nun nicht mehr in das Verhältnis zwischen diesen und den Auftragnehmer verlegt werden. Die Wirkungen, die von einem wirksamen Auftrag ausgehen, sorgen filr eine objektive Zuordnung der betriebenen Geschäfte und so filr eine abschließende Ortung der negotiorum gestio. Daß das Rechtsverhältnis der negotiorum gestio, einmal eingetreten, nicht mehr verrückbar ist, trennt es freilich noch nicht von seinem vertraglichen Pendant, dem mandatum. Der maßgebliche Unterschied zwischen den beiden Schuldverhältnissen besteht, darin, daß das mandatum anders als die negotiorum gestio Sicherungsmittel sein und daher ohne weiteres zusätzlich zu einer schon bestehenden Schuldbeziehung hinzutreten kann: D 3.5.3.11 Ulp 10 ed Apud Marcellum libro secundo digestorum quaeritur, si, cum proposuissem negotia Titii gerere, tu mihi mandaveris ut geram, an utraque actione uti possim? et ego puto utramque locum habere. quemadmodum ipse Marcellus scribit, si fideiussorem accepero negotia gesturus: nam et hic dicit adversus utrumque esse actionern.
Ist der Geschäftsfilhrer schon dazu entschlossen, filr den Geschäftsherrn Titius tätig zu werden, steht dies der Wirksamkeit eines Auftrags hierzu von dritter Seite nicht entgegen. Der von Ulpian zitierte Marcell läßt den Geschäftsftlhrer sowohl zur actio negotiorum gestorum gegen den Geschäftsherrn als auch zur actio mandati gegen den Auftraggeber zu. Die bürgschaftsähnliche Funktion,so die der Auftrag unter diesen Umständen hat, verdeutlicht er durch einen Vergleichsfall. Eine solche Funktion ist bei der negotiorum gestio, die eigentlich nur den Mangel eines sonstigen Schuldverhältnisses ausgleichen und dieses nicht ergänzen soll, undenkbar. Folglich muß das im Verhältnis von Auftraggeber und Geschäftsherrn zunächst festgestellte Geschäftsftlhrungsverhältnis, sei
49 Dies und nicht der Satz vom Vorrang des Drittauftrags ist der eigentliche Punkt, an dem die Entscheidung von CI 2.18.4 (a. 201) mit dem herkömmlichen Recht bricht: Sev. et Ant. AA. C/audio. Qui pupi//ae negotia tutoris mandato suscepit, pro tutore negotia non videtur gessisse, sed negotiorum gestorum actione pupil/ae tenebitur. WeIche Motive auch immer die kaiserliche Kanzlei dazu bewegen, eine Direkthaftung des vom Tutor beauftragten GeschäftsfUhrers gegenüber dem Mündel zu statuieren; sie stellt jedenfalls nicht den Satz in Frage, daß der wirksame Drittauftrag das Rechtsverhältnis der negotiorum gestio ausschließt. Statt dessen verneint sie fUr den vorliegenden Fall, daß der GeschäftsfUhrer in AusfUhrung des Mandats tätig geworden ist, und weist sein Handeln unmittelbar dem Mündel zu. Es bedarf daher gar nicht dem von Bas. 17.2.4 nahegelegten Verständnis der Klage als actio uti!is, wie es Partsch (Fn. 10), S. 20ff., 37f., Kre//er, SZ 59 (1939) 422f. und Sei/er (Ein!. Fn. 2), S. 137 favorisieren. Zweifel an dieser Deutung hat auch Mayer-Ma/y, SZ 86 (1969) 432. 50 Sie hält auch Kre//er, SZ 59 (1939) 411 rur entscheidend. Solazzi (Fn. 26), S. 535 mißt dagegen nur dem zeitlichen Vorrang der negotiorum gestio Bedeutung zu.
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1. Kapitel: Die negotiorum gestio des klassischen römischen Rechts
es vertraglich, sei es auftragslos, das einzige bleiben. Es kann, wenn sich der Auftraggeber zur Ausfilhrung seiner Tätigkeit einer weiteren Person bedient, nicht mehr um eine weitere negotiorum gestio im Verhältnis zwischen der ausfiihrenden Person und dem Geschäftsherrn ergänzt werden.
III. Zwei Arten der negotiorum gestio Zur Kumulation eines einmal begründeten Geschäftsfiihrungsverhältnisses mit einer zusätzlichen negotiorum gestio kann es nur kommen, wenn man als deren Unterart die erfolgreiche und allein durch utilitas im Ergebnis konstituierte Geschäftsfilhrung kennt. Sie kann durchaus mit einem schon zustande gekommenen Geschäftsbesorgungsverhältnis konkurrieren. Julian nimmt dies filr den Fall an, daß jemand die Geschäfte eines Mündels geftlhrt hat, um dessen Tutor zu entlasten: D 3.5.5.2 VIp 10 ed Iulianus \ibro tertio digestorum scribit, si pupilli tui negotia gessero non mandato tuo, sed ne tutelae iudicio tenearis, negotiorum gestorum te habebo obligatum: sed et pupillum, modo si locupletior fuerit factus. Die Geschäftsftlhrung ftlr den Tutor begründet ohne weiteres eine actio negotiorum gestorum im Verhältnis zu diesem. Daneben - und nur hierfilr kann Ulpian eines Julianzitats bedürfen - soll jedoch auch eine Verpflichtung des Mündels entstehen, soweit es durch die Geschäftsbesorgung bereichert ist. Zur Erklärung der Haftungsbeschränkung bedarf es gar nicht erst des Rückgriffs auf die Piusreskripte zur begrenzten Mündelhaftung,51 die Ulpian in D 3.5.3.4 erwähnt. 52 Die Entscheidung ergibt sich ohne weiteres aus den allgemeinen Regeln der negotiorum gestio: Im Verhältnis zwischen Geschäftsftlhrer und Mündel kommt das Geschäftsftlhrungsverhältnis erst durch die nachträgliche Feststellung einer utilitas zustande und ist in ihren Wirkungen hierdurch auf die im Vermögen des Mündels eingetretene Bereicherung beschränkt.53 Ein weiterreichender Aufwendungsersatz setzte eine Beurteilung der utilitas aus der Sicht ex ante und dies wiederum einen Fremdgeschäftsftlhrungswillen voraus. Die ratio der Entscheidung ftlr die beschränkte Bereicherungshaftung entspricht also der 51 So Labruna, Rescriptum divi Pii, 1962, S. 186ff.; dagegen Niederländer, Die Bereicherungshaftung im klassischen römischen Recht, 1953, S. 118, der den Schlußpassus des Textes im Anschluß an Partsch (Fn. 10), S. 39 Fn. 4 und Solazzi (Fn. 26), S. 528, kurzerhand tur interpoliert erklärt. Zurückhaltend gegenüber dem Interpolationsverdacht ist Seiler (Ein\. Fn. 2), S. 30 Fn. 42, S. 128ff., der sich freilich auch nicht dazu durchringen kann, den Text tur echt zu halten und als Zeugnis tur eine Durchbrechung des Satzes vom Vorrang des zuerst begründeten Rechtsverhältnisses zu werten. 52 Sie läßt sich anders als vielleicht die Entscheidungen in D 3.5.30.5 und D 27.3.18 Pap 25 quaest auch nicht aus dem Gedanken des Mündelschutzes erklären. 53 Dies verkennt auch Kohler, JhJb 25 (1887) 44 bei seiner massiven Kritik an Julian.
§ 3 Geschäftsfilhrung und Drittauftrag
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zur Geschäftsanmaßung in D 3.5.5.5. 54 Ihre Grundlage ist die nachträgliche Feststellung eines Geschäftsfilhrungsverhältnisses, das sich von der durch Fremdgeschäftsfilhrungswillen konstituierten Beziehung zum Tutor hinreichend unterscheidet, um hiermit konkurrieren zu können. Ihr Zweck ist es zu verhindern, daß das Mündel einen Vermögens vorteil auf Kosten des Geschäftsbesorgers erlangt, wenn der Tutor als Schuldner filr den Aufwendungsersatzanspruch ausfiillt. Die Konkurrenz zweier verschiedener Arten der negotiorum gestio ist auch der Schlüssel zu einer Entscheidung Papinians: D 3.5.30.1 Pap 2 resp Inter negotia Sempronii, quae gerebat, ignorans Titii negotium gessit: ob eam quoque speciem Sempronio tenebitur, sed ei cautionem indernnitatis officio iudicis praeberi necesse est adversus Titium, cui datur actio. idem in tutore iuris est.
Der Geschäftsfilhrer, der die Geschäfte des Sempronius betrieben und in diesem Rahmen versehentlich auch ein Geschäft gefilhrt hat, das objektiv dem Titius gehört, ist zunächst kraft seines Fremdgeschäftsfilhrungswillens dem Sempronius verpflichtet. Im Gegenzug zur Auskehr des Erlöses hat dieser jedoch eine Sicherheit dafilr zu leisten, daß er den Geschäftsfilhrer von einem Anspruch des Titius freistellt. Das gleiche soll gelten, wenn ein Tutor aus Anlaß seiner Geschäftsfilhrung filr das Mündel versehentlich das Geschäft eines Dritten betrieben hat. Daß ein Anspruch des Dritten, dessen Geschäft versehentlich gefilhrt worden ist, überhaupt besteht, kann nur daran liegen, daß Papinian der Wirkung des Geschäftsbesorgung auf das Vermögen des Dritten ein zweites Geschäftsfilhrungsverhältnis entnimmt, das ohne Fremdgeschäftsfilhrungswillen und sogar ohne Bewußtsein der Drittbeteiligung auskommt. 55 Die von Sempronius geforderte cautio ist Papinians Weg, um die Konkurrenz dieser beiden Verhältnisse zu bewältigen. Die Gruppe der Juristen, die eine Konkurrenz verschiedener Geschäftsfiihrungsbeziehungen im Dreiecksverhältnis annehmen, ist nahezu identisch mit der Gruppe der Juristen, die auch vom Fremdgeschäftsfilhrungswillen als Voraussetzung der negotiorum gestio bei nachträglich festgestellter utilitas absehen: In beiden Fällen stoßen wir auf Papinian und Ulpian sowie auf Afrikan oder seinen Lehrer Julian. Diese Hoch- und Spätklassiker schöpfen das Potential des Rechtsinstituts voll aus, indem sie als Unterfall der negotiorum gestio die erfolgreiche Geschäftsfilhrung herausbilden, die ohne Absicht oder Kenntnis des Geschäftsbesorgers auskommt und mit einem schon begründeten Geschäftsfiihrungsverhältnis konkurrieren kann.
Siehe oben § 2 III. ss Solazzi (Fn. 26), S. 530 kann dies nur um den Preis einer Interpolationsvermutung leugnen. S4
1. Kapitel: Die negotiorum gestio des klassischen römischen Rechts
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§ 4 Ergebnis Die negotiorum gestio des klassischen römischen Rechts läßt sich nicht auf die Kombination von FremdgeschäftsfilhrungswiIIen und Fremdnutzen reduzieren. Die Absicht, ein Geschäft rur einen anderen zu besorgen und ihn so zu verpflichten, ist nur in drei Fällen unentbehrlich: zum einen, wenn das besorgte Geschäft objektiv neutral ist und sich gar nicht anders als durch den Willen des Geschäftsfilhrers auf einen anderen als ihn selbst beziehen kann,s6 zum anderen, wenn die Geschäftsbesorgung nur aus der Sicht ex ante und nicht auch im Ergebnis nützlich ist,S7 und schließlich, wenn es um das Verhältnis von Eigentümer und unberechtigtem Sachbesitzer geht. s8 Hier kollidiert das Rechtsinstitut der negotiorum gestio mit dem Mechanismus von rei vindicatio und exceptio doli, der den Sachbesitzer zum Verwendungsersatz nur per retentionem zuläßt. Um dieses Schema nicht zu unterlaufen, fordern die klassischen Juristen filr die Gewährung einer Aufwandsersatzklage wegen negotiorum gestio einen animus ob/igandi des Sachbesitzers, wie er auch in den Fällen des objektiv neutralen Geschäfts und der erfolglosen Geschäftsbesorgung notwendig ist. Die Voraussetzung des FremdgeschäftsfilhrungswiIIens folgt hier ganz selbstverständlich daraus, daß sich ohne die Absicht, das Wohl eines anderen zu befOrdern, sich einerseits niemand den Nutzen eines Geschäfts entziehen zu lassen braucht, anderseits aber auch keinen Schuldner schaffen darf, in dessen Person kein Vorteil eingetreten ist. Wer ein neutrales Geschäft gefilhrt hat, das im Ergebnis nachteilig ist, kann dessen Folgen allenfalls dann auf einen anderen abwälzen, wenn er von vornherein nur in dessen Interesse tätig geworden ist. Das gleiche gilt, wenn das gefilhrte Geschäft zwar objektiv einem anderen zuzuordnen, seine Besorgung aber erfolglos war: Der Geschäftsherr, der keinen Vorteil erlangt hat, kann dem Geschäftsfilhrer überhaupt nur kraft dessen animus ob/igandi verpflichtet sein. Nicht zwingend ist das Erfordernis des Fremdgeschäftsfilhrungswillens in den verbleibenden Konstellationen, in denen das besorgte Geschäft objektiv einem anderen zuzurechnen, die Geschäfsfilhrung im Ergebnis vor- oder nachteilhaft ist. Hier stellt sich lediglich die Frage, ob der Geschäftsbesorger den Fremdbezug seines Handeins kennen mußte. Unentbehrlich ist dies bei einem Geschäft, dessen Besorgung rur den Geschäftsherrn schädlich, und zwar wiederum aus Konkurrenzgründen. s9 Sollen die Regeln des Deliktsrechts nicht überflüssig werden, darf den Geschäftsruhrer eine Schadensersatzverpflichtung
Siehe oben § 2 1. Siehe oben § 2 II. 58 Siehe oben § 2 IIl. 59 Siehe oben § 2 II.
56 57
§ 4 Ergebnis
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aus negotiorum gestio nur treffen, wenn er die Zugehörigkeit des besorgten Geschäfts zu einem fremden Vermögenskreis kannte. Nicht vorgegeben ist die Entscheidung dagegen in dem Fall, daß sich eine Geschäftsfilhrung im Ergebnis als günstig filr den Geschäftsherrn erweist. 6o Die Kenntnis des Fremdbezugs verlangen auch unter diesen Umständen Labeo und Paulus. Von ihr abzusehen ist die Entscheidung von Papinian, Ulpian, Afrikan und vermutlich auch seines Lehrers Julian. Diese Juristen dehnen den Anwendungsbereich der negotiorum gestio erheblich aus. Sie gewähren die Geschäftsfilhrungsklagen nicht nur, wenn sich der Geschäftsfilhrer aus Eigennutz in den fremden Geschäftskreis eingemischt hat. Um ihm hier die Berufung auf sein egoistisches Motiv abzuschneiden, genügt es schon, wenn man wie Labeo und Paulus das Fremdgeschäftsfilhrungsbewußtsein hinreichen läßt. Für Papinian, Ulpian und Afrikan sind die Geschäftsfilhrungsklagen dagegen auch das geeignete Instrument, die unbewußte Produktion eines Geschäftsgewinns zu bewältigen. Sie fiUIt aus dem klassischen Bereicherungsrecht deshalb heraus, weil es auf die bloße Rückgängigmachung von Vermögensverschiebungen gerichtet ist und als Ergebnis maximal eine Haftung auf den Wert des zum Kondiktionsschuldner gelangten Gegenstands auswirft. Erst die negotiorum gestio gewährt dem Geschäftsherrn einen Anspruch auf Gewinnauskehr, dem Geschäftsfilhrer eine Kompensation durch Aufwendungsersatz. Daß die negotiorum gestio mit der Gewinnabschöpfung in Wahrheit eine Funktion des Bereicherungsrechts übernimmt, wäre ein ahistorisches Urteil und vom Standpunkt moderner Bereicherungsdogmatik aus gefallt. Für die römischen Juristen, die vom Erfordernis des Fremdgeschäftsfilhrungsbewußtseins absehen, ist die Geschäftsfilhrung ohne Auftrag das nächstliegende Mittel, weil es zuverlässig dafilr sorgt, daß ein Gewinn zur Bezugsperson des zugrunde liegenden Geschäfts gelangt, ohne daß der, welcher den Gewinn erzeugt hat, einen Vermögensnachteil erleidet. Der hierfilr ausgewählte Mechanismus soll nach der Ansicht von Julian, Papinian und Ulpian auch dann eingreifen, wenn der Geschäftsbesorger im Drittauftrag und damit in Erfilliung einer vertraglichen Verpflichtung tätig geworden ist. Sie steht einer Gewährung der actio negotiorum gestio im Verhältnis zum Geschäftsherrn eigentlich deshalb entgegen, weil die Geschäftsfilhrungsbeziehung gerade durch den Auftrag in das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Geschäftsherr gelegt ist und die negotiorum gestio anders als das mandatum nicht die Funktion einer zusätzlichen Sicherheit haben kann. 61 Dieses Hindernis verschwindet, wenn man die erfolgreiche und vom Erfordernis des Fremdgeschäftsfilhrungsbewußtseins befreite Geschäftsbesorgung anerkennt und als eine besondere Art der negotiorum gestio begreift. So kann sie durchaus in Konkurrenz mit einer vertraglich durch Auftrag oder vertragsähnlich durch Fremdge60
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Siehe oben § 2 III. Siehe oben § 3 II.
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1. Kapitel: Die negotiorum gestio des klassischen römischen Rechts
schäftsfiihrungswillen konstituierten Geschäftsfiihrungsbeziehung im Verhältnis von Auftraggeber und Geschäftsherm treten. 62 Unabdingbare Voraussetzung dieser Ausdehnung des Geltungsbereichs der negotiorum gestio ist die objektive Bestimmung der Geschäftszuständigkeit. Ohne sie läßt sich noch nicht einmal die auch von Labeo und Paulus befiirwortete Haftung des Geschäftsbesorgers begründen, der bewußt, aber im eigenen Interesse ein fremdes Geschäft fiihrt. Diese objektive Zurechnung gelingt aber gerade über das Ergebnis der Geschäftsbesorgung. Fehlt der Fremdgeschäftsfiihrungswille, entscheidet es nicht nur über die Rechtsfolgen der negotiorum gestio, sondern schon darüber, ob überhaupt ein Geschäftsfiihrungsverhältnis zustande gekommen ist: 63 Der Geschäftsfiihrer ohne Fremdgeschäftsbesorgungswillen haftet nur dann auf Schadensersatz, wenn das Vermögen des Geschäftsherrn durch seine Tätigkeit nachteilig betroffen ist; und er ist bloß dann zur Gewinnauskehr verpflichtet und zum Aufwandsersatz berechtigt, wenn er einen Vorteil fiir das Vermögen des Geschäftsherm produziert hat. Anders als der Schaden kann sich der Vermögensvorteil auch durchaus erst durch Gewährung der actio negotiorum gestorum realisieren. Denn diese Klage dient ja gerade der Sicherung des erwirtschafteten Gewinns fiir den Geschäftsherm. Um zu verhindern, daß mit ihr der Gewinn aus einem jeglichen vorteilhaften Geschäft abgeschöpft werden kann, muß man nur fragen, ob er fiir jedermann erreichbar gewesen wäre oder ohne die Tätigkeit des Geschäftsbesorgers nur im Vermögen des Geschäftsherm eintreten konnte, sei es, daß ihm das eingesetzte Mittel gehört, sei es, daß ihm der Gegenstand gehört, in dem sich der Geschäftserfolg manifestiert.
62 63
Siehe oben § 3 III. Siehe oben § 1 11.
Zweites Kapitel
Die Entwicklung bis zur Kodifikation § 5 Die Lehre der Glossatoren Die Lehre der Glossatoren und der nachfolgenden Juristengenerationen prägen zwei Eigentümlichkeiten: das allgemeine Erfordernis einer Genehmigung der Geschäftsbesorgung durch den Geschäftsherrn und die Einteilung der Geschäftsllihrungsfälle in vier Kategorien. Grundlage ist jeweils die justinianische Quasikontraktslehre. In ihrer konsequenten Umsetzung durch die Glossatoren läßt sie ft1r den Verzicht der hoch- und spätklassischen römischen Juristen auf Fremdgeschäftsllihrungswillen und -bewußtsein nur den Platz einer Anomalie.
I. Das allgemeine Genehmigungserfordernis Quelle des allgemeinen Genehmigungszwangs llir die auftrags lose Geschäftsllihrung ist die schon untersuchte Bemerkung Scaevolas, das utiliter geführte Geschäft gelte vor Gericht als genehmigt.' In D 3.5.8 dient sie nur zur Begründung einer Entscheidung über die Reichweite der ratihabitio und dazu, die Funktionsäquivalenz von utilitas und Genehmigung zum Ausdruck bringen. Ebenso wie schon die byzantinischen Juristen 2 nehmen die Glossatoren Scaevolas Aussage dagegen wörtlich. Für sie bedarf jede Geschäftsllihrung, auch die nützliche, einer ratihabitio, die jedoch im Streitfall erzwungen werden kann. Das strikte Genehmigungserfordernis ist in der mittelalterlichen Jurisprudenz im Grundsatz unumstritten. Lediglich über Einzelfragen setzt man sich auseinander: Wie soll der Geschäftsherr zur Genehmigung gezwungen werden, officio iudicis oder mit einer condictio ex lege? Kann er sich durch Leistung des Interesses befreien, oder ist der Anspruch auf Genehmigung stets in natura zu erfiHlen, praecise durchsetzbar? Gilt etwas Besonderes llir den Fall, daß das gellihr-
I
2
Siehe oben § 1 I. Vg\. Bas. 17.1.8 und hierzu Sei/er (Ein\. Fn. 2), S. 72.
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2. Kapitel: Die Entwicklung bis zur Kodifikation
te Geschäft erst durch die außergerichtliche Genehmigung des Geschäftsherrn zu seinem eigenen geworden ist? Einen Überblick über den Streitstand bietet der Bericht von Odofredus, der sich von der bisherigen Lehre selbst freilich insofern distanziert, als er klarstellt, daß die eigentliche actio negotiorum gestorum nicht erst der ratihabitio, sondern bereits der Geschäftsfilhrung entspringt: Negotium meum utiliter gestum cogor habere ratum actione negotiorum gestorum et judex me condemnabit perinde ac si ratum habuissem. ... quaero litera ista dicit negotium meum utiliter gestum cogor habere ratum, sed quomodo cogor? dicunt quidam judicis officio, scilicet captis pignoribus et mulcta indicta ... et hoc dicit litera, et postea agam actione negotiorum gestorum. alii dicunt, quod cogor condictione ex lege ... . nos dicimus secundum Joannem et Azonem, quod cogor habere ratum, quia actione negotiorum gesotrum in eo, quod utiliter negotium meum gestum est, judex me condemnabit perinde ac si ratum habuissem, ... Secundo quaero nunquid si negotium mecum est gestum utiliter, cogor habere ratum an sufficit si presto ei interesse? ad quod quidam dicunt, quod praecise cogor captis pignoribus et mulcta indicta ... alii dicunt, si gestor gessit negotium meum utiliter, quod est meum cura et sollicitudine vel re ipsa vel ipso gestu cogor praecise ratum habere; sed si gessit negotium meum, quod est meum ratihabitatione tune non cogor precise habere ratum sed ad interesse condemnabor ... 3 Beruht das allgemeine Genehmigungserfordernis auch auf dem Mißverständnis eines klassischen Textes, ist es doch nicht zuflillig entstanden, sondern aus der justinianischen Quasikontraktslehre zu erklären: 4 Dem Partner eines vertragsähnlichen Verhältnisses dürfen die Rechtsfolgen nicht ohne positiven Willensakt aufgenötigt werden. Er muß sich vielmehr erst, wenn auch unter Zwang, rechtsgeschäftlich erklären, bevor die negotiorum gestio wirken kann. Seine Erklärung vervollständigt den schon in der Geschäftsfilhrung manifestierten Willen des Geschäftsfilhrers zu einer konsensähnlichen Konstellation. Die negotiorum gestio entspricht damit nicht nur in ihren Rechtsfolgen, sondern auch in ihrem Begründungstatbestand nahezu vollständig einem regelrechten
contractus.
Es ist offensichtlich, daß in diesem Schema kein Platz filr die Entscheidungen der Klassiker ist, die bei einer erfolgreichen Geschäftsfilhrung von Fremdgeschäftsfiihrungswillen und -bewußtsein absehen. Hätten die Glossatoren diese Lösung unverändert übernommen, wäre das Komplementärstück zum allgemeinen Genehmigungserfordernis und damit die zweite Säule weggebrochen, auf der die Quasikontraktslehre ruht.
3 Lectura super Digesto veteri, zu D 3.5 .9pr. Ausg. Lyon 1550 (= Neudruck Bologna 1967), fol. 133. 4 So zutreffend Aarons, Beiträge zur Lehre von der negotiorum gestio I. Dogmengeschichtliche Erörterungen, Schwerin 1860, S. 61.
§ 5 Die Lehre der Glossatoren
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11. Die vier Arten des negotium alienum und das Bereicherungsverbot Ein Mittel, mit dem die Glossatoren den in den klassischen Quellen vorgefundenen Verzicht auf das subjektive Geschäftsfilhrungselement gleichwohl zu bewältigen suchen, ist wiederum die ratihabitio des Geschäftsherm. In ihrer gewöhnlichen Form als nicht erzwungene, sondern freiwillige außergerichtliche Erklärung ist sie eine der vier Kategorien, mit denen die Glossatoren und ihre Nachfolger die Gesamtheit der Geschäftsfilhrungsverhältnisse erfassen wollen. Ihre Unterteilung nach der Art und Weise, wie ein negotium alienum festgestellt und einem bestimmten Geschäftsherm zugerechnet werden kann, bestimmt den Gang der Darstellung in Azos Summa Codicis, die Vorlage filr die in weiten Teilen gleichlautende GI. ipso gestu zu D 3.5.5.13 ist: Aliena autem dicuntur negocia quattuor modis, cura et soIIicitudine, re ipsa, ratihabitatione, ipso gestu. Sunt autem negotia mea cura et soIIicitudine ut si spectant ad me, velut ad tutorem vel curatorem vel procuratorem meorum negotiorum et teneor ita demum si gesta sunt mei contemplatione .... 5
Die Liste der vier Zurechnungsmodi, die Bartolus später um die mos civitafis, die naturalis ratio und die virtus consequentiae ergänzen will,6 beginnt mit dem Fall von cura et sollicitudo. Sie bewirken die Zuordnung eines Geschäfts zu Personen, deren Amt die Vermögenssorge filr einen anderen ist. Azo nennt tutor, curator und procurator. Damit sie als Geschäftsherr aus der negotiorum gestio berechtigt und verpflichtet werden, muß der Geschäftsbesorger mit Fremdgeschäftsfilhrungsbewußtsein handeln. Das gleiche gilt, wenn sich die Zurechnung re ipsa ergeben soll: Re ipsa meum est negocium cum in rem mearn aliquid impendis vel necessario vel utiliter aliquid facis et hic teneor si gessisti nomine meo. Si vero gesseris nomine alterius ad quem nullo modo pertinebat negocium et hoc similiter teneor et non iIIe . ... Si autem negocium quod meum est re ipsa gesseris nomine tuo, ut quia rem mearn possidebas in quarn necessario vel utiliter impendisti non datur contra me ibi actio quia neminem obligare voluisti. sed retentio si tu eras bonae fidei possessor alioquin donasse videris ... Martinus tarnen dicebat semper dari possessori actionem negotiorum gestorum. Etiarn si suo nomine impenderit quia non debet dominus locupletari cum aIiena iactura ... 7
Das re ipsa fremde Geschäft bestimmt Azo in Anlehnung an das Pediuszitat in 0 3.5.5.13 durch den Fall, daß der Besitzer einer Sache auf diese notwendige 5 Zu Azo, Summa Codicis, zu CJ 2.18, Ausg. Turin 1564 (= Corpus Glossatorum Bd. II, Turin 1966), S. 36. 6 Bartolus, Commentaria in primam Digesti veteris partem, zu D 3.5.5.11, Ausg. Basel 1589, S. 379. Bartolus' Ergänzung ist der einzige Beleg rur die These von Aarons (Fn. 4), S. 85, die Kategorien der Glossatoren seien später beibehalten worden, ohne daß ihr Prinzip verstanden worden wäre. 7 Azo (Fn. 5), zu Cl 2.18, S. 36.
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2. Kapitel: Die Entwicklung bis zur Kodifikation
oder zumindest nützliche Verwendungen macht. Die Zurechnung des Geschäfts an den Grundstückseigentümer ist durch die dingliche Zuständigkeit der betroffenen Sache unmittelbar vorgegeben. Die Gewährung der actio negotiorum gestorum soll jedoch nach dem Muster von Paulus' Entscheidung in D 10.3.14.1 davon abhängig sein, daß der Geschäftsftlhrer im Bewußtsein der Sachfremdheit und mit dem Willen gehandelt hat, durch seine Tätigkeit einen anderen zu verpflichten. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist der Geschäftsftlhrer auf ein Zurückbehaltungsrecht gegen die rei vindicatio des Sacheigentümers beschränkt. Azo widerspricht so dem Martinus, der auch den Sachbesitzer zum Verwendungsersatz mit Hilfe der actio negotiorum gestorum zulassen will, 8 weil sich niemand durch fremden Aufwand bereichern solle. 9 Zumindest formal vom Erfordernis des Fremdgeschäftsftlhrungswillens befreit ist dagegen auch nach Azos Ansicht der Betrieb eines Geschäfts, das dem Geschäftsherrn ipso gestu zugeordnet ist. Mit ihm beschäftigt sich die Summa Codicis zuletzt: Superest ut videamus quid juris sit in quarta specie alieni negocii que dicit doctrinae causa ipso gestu. ... Habet autem locum hec species, cum quis creditori solvit no mine meo, etiam me invito vel ignorante, et liberat me licet a meo debitore me invito exigere non possit, naturalis enim et civilis ratio suasit. ... liberat autem me si solvit nomine meo vel si solvit nomine alterius quem putabat debitorem esse ... Si autem credibori meo solveris nomine tuo credens te deberi, et hic visum est domino Bulgaro et domino meo quod tenear tibi negotiorum gestorum postquam in animo tuo statueris ut quod solveris cedat pro meo .,. Ego contra puto cum enim solveris no mine tuo tibi nata est condictio indebiti. ... nec obstat quod legit ff. eo. 1. ult. quia ibi solvit non no mine suo sed hereditario vel alteri qui non erat heres .... 10 Der Begriff des ipso gestu fremden Geschäfts ist wiederum dem Pediuszeitat in D 3.5.5.13 entnommen, wo er freilich den gleichen Fall wie das re ipsa fremde Geschäfts bezeichnet. Azo betont denn auch, daß die begriffliche Differenzierung nicht in Anlehnung an die Quellen, sondern doctrinae causa erfolge. Näher bestimmt wird das ipso gestu fremde Geschäft durch die Drittleistung mit befreiender Wirkung. Folgt man der älteren Auffassung von Bulgarus und Azos Lehrer Johannes Bassanius, gehört hierzu auch die Leistung auf eine vermeintlich eigene Schuld bei nachträglicher Änderung der Tilgungsbestimmung. 8 Azo hat allerdings selbt die Gewährung einer actia negotiorum gestorum utilis erwogen, sich mit diesem Vorschlag aber gegen seinen Lehrer Johannes Bassanius gestellt. Vom Disput bei der Juristen handelt die GI. servare posse zu D 12.6.33: Haec lex loquitur secundum Azonem de stricto jure: sed de aequitate dabitur isti, qui impendit, utilis actio negotiorum gestorum ad impensas. ... sed illa loquitur quando alieno nomine impendit: hic sua proprio . ... Jo. autem dicit, non posse repeti, sed retineri, ... 9 Weitere Quellen rur Martinus' Ansicht stellt Schrage, RlDA 36 (1989) 41lff. zusammen, der auch zeigt, daß Martinus mit seiner Auffassung wahrscheinlich zunächst nicht allein stand, sich vielleicht sogar aufirnerius berufen konnte. 10 Azo (Fn. 5), zu CJ 2.18, S. 37.
§ 5 Die Lehre der Glossatoren
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Schon in diesem Fall liegt eigentlich eine Geschäftstuhrung mit Fremdgeschäftstuhrungswillen vor, weil der maßgebliche Geschäftsakt nicht die Zahlung, sondern die nachträgliche Änderung der Tilgungsbestimmung ist. Nachdem Azo gezeigt hat, daß sie keine Befreiung des wahren Schuldner bewirken kann, weil der Leistende mit der Leistung automatisch eine condictio erwirbt, schrumpft der Kreis der ipso gestu fremden Geschäfte von vornherein auf Drittleistungen im Namen des Schuldners oder eines Dritten zusammen. Um dennoch nicht in einen Widerspruch mit Afrikans Entscheidung tur die actio negotiorum gestorum zugunsten des Scheinerben in D 3.5.48 zu geraten, greift Azo zu einem Trick: Er erklärt die Leistung, die Afrikan ungeachtet des fehlenden Fremdgeschäftstuhrungsbewußtseins als befreiend und Gegenstand einer regelrechten negotiorum gestio ansieht, kurzerhand tur eine solche im Namen der Erbschaft. 1I Vorbild tur diese Lösung ist der Wortlaut von D 5.3.50.1, worin Papinian vom Betrieb eines negotium hereditarium spricht. Nach der zu diesem Text gehörigen GI. gesto soll damit ebenfalls ein ipso gestu fremdes Geschäft gemeint sein: ... narn hic negotium ipso gestu fuit hereditarium, quia tenebatur iIlud facere, cogendus prineipis vel pontificis auctoritate: ut hic subiicit: et ideo merito actio negotiorum gestorum datur.
Das Konstrukt einer Zahlung nomine hereditario erklärt zum einen, warum es trotz der Annahme des Scheinerben, selbst verpflichtet zu sein, zur Tilgung der Forderung gegen den wirklichen Erben und nicht zu einem Bereicherungsanspruch des Scheinerben kommt. Zum anderen vermeidet sie den offenen Widerspruch zu dem Satz, daß der Betrieb eines ipso gestu fremden Geschäfts anders als die übrigen GeschäftsfUhrungsarten ohne FremdgeschäftsfUhrungswillen auskommt. Auf ihm beharrt noch die GI. cum esset meum zu D 3.5.48: Credebas ergo tuum, quod erat meum ipso gestu: ut quia creditori meo solvebas: ut statim ponit exemplum: '" Aliter enim si esset meum negotium vel ratihabitatione, vel ipsa re, vel eura et solicitudiene et tu feeisti tuo nomine, non datur aetio: ...
Daß der Verzicht auf FremdgeschäftsfUhrungswillen und -bewußtsein der Kategorie des ipso gestu fremden Geschäfts in Wahrheit nicht wesentlich ist, erhellt, wenn man sich den vor Johannes Bassanius üblichen Namen der vier Fremdgeschäftsarten zuwendet, wie sie beispielsweise bei Cinus überliefert sind: ... et ideo pro delearatione eius seiendum est, quod negotium alieuius dieitur quatuor modi, secundum antiquos Doetores utilitate et voluntate, necessitate et officio. Sed istis verbis glossatores non fuerunt usi. Sed dicunt sie, re ipsa, ipso gestu, ratihabitatione, eura et solicitudine. Et magistraliter dictum est re ipsa et ipso gestu. '" Si colarn vinearn tuarn, hic gero negotium tuum re ipsa, et istum modum antiqui appellabant utilitate. Ipso gestu, ut si solvo creditoribus tuis, et istum 11
Vgl. auch die GI. solvisses zu D 3.5.48: scilicet nomine hereditario, secus si suo ...
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2. Kapitel: Die Entwicklung bis zur Kodifikation appellabant antiqui negotium alicuius necessitate. Cura et solicitudine, ut si gere negotium eius, cuius est tutor, quod antiqui appellabant alicuius officio. Ratihabitatione: ut si pecuniam tibi debitam a debitore tuo exigo, quod appellabant antiqui negotium alicuius voluntate. Istis quatuor modis negotium alienum dicitur, 12
Wurde das re ipsa fremde Geschäft früher durch seine utilitas, das ipso gestu fremde Geschäft durch seine necessitas bezeichnet, kann zwischen beiden Kategorien kein grundlegender Unterschied, sondern nur ein Stufenverhältnis bestehen: Während das re ipsa fremde Geschäft hierzu durch seinen im Einzelfall bestimmten Nutzen rur den Geschäftsherrn wird, versteht sich dieser beim ipso gestu fremden Geschäft von selbst. Das Geschäft gilt hier ohne Rücksicht auf die individuellen Wünsche des Geschäftsherrn 13 als notwendig, ist also zwangsläufig nützlich und daher von vornherein auf den FaIl beschränkt, daß jemand mit befreiender Wirkung auf fremde Schuld leistet. So versteht diese Kategorie zumindest Baldus, der sie durch die necessitas obligationis bestimmt sieht, während bei den re ipsa fremden Geschäften die necessitas rei walte: Quaero hic primo: quot sunt genera negotiorum? Respondeo quatuor: unum, quod pertinet ad nos necessitate obligationis, quod dicitur nostrum ipso gestu. Secundum, quod pertinet ad nos necessitate rei, quod dicitur nostrum re ipsa. Tertium, quod pertinet ad nos necessitate officii, quod dicitur nostrum cura et sollicitudine. Quartum, quod pertinet ad nos voluntate, non ex necessiate, et istud dicitur nostrum ratihabitatione. 14
Das buchstäbliche Verständnis von res und die oberflächliche Unterscheidung danach, ob es um Verwendungen auf eine Sache oder um die Befreiung von einer Forderung geht, mag nicht mehr im Sinne der Glossatoren sein. Der dogmatische Wert ihrer Lehre ist jedoch nicht größer als der ihrer Interpretation durch Baldus. 1s Unabhängig davon, ob sich die Kategorie des ipso gestu fremden Geschäfts von dem re ipsa fremden Geschäft durch seinen Gegenstand oder durch den Grad seines Nutzens unterscheidet, ist durch sie nichts gewonnen, insbesondere nicht der quellenmäßige Verzicht auf Fremdgeschäftsruhrungswillen und -bewußtsein erklärt. 16 Afrikans Entscheidung rur den Aufwendungser12 Cinus de Pistoia, Lectra super codice, zu Cl 2.18.14, Ausg. Frankfurt a.M. 1578 (=Neudruck Rom 1998), Bd. 1, fo1. 87f. 13 Richtig Aarons (Fn. 4), S. 18. 14 Baldus, Commentaria in primum et secundum Codicis libris, zu Cl 2.18.9, Ausg. Lyon 1545, fo1. 140. 15 Auch Wittmann (Kop. 1 Fn. 29), S. 49 attestiert der Glosse eine leere Subtilität funktions loser Unterscheidungen. 16 Daher kann Cinus ihn auch im Gegensatz zu den Glossatoren bei der Kategorie des re ipsa fremden Geschäfts rur zulässig erklären; vg1. Lectura super codice (Fn. 12), zu Cl 2.18.14, fo1. 88: Ubi es! negotium alicuius reipsa licet non geram sui contemplatione, tamen habeo contra ipsum negotiorum gestorum actionem ... Keinen Unterschied zwischen dem re ipsa und ipso gestu fremden Geschäft macht auch Fulgo-
§ 5 Die Lehre der Glossatoren
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satzanspruch des Scheinerben, der eine Vermächtnisforderung erfiUIt, läßt sich mit der Zuordnung zur Kategorie des ipso gestu fremden Geschäfts weder deuten noch auch nur systematisch erfassen. Mit der Figur einer Zahlung im Namen der Erbschaft bedarf es sogar eines interpretatorischen Kunststücks, um zu verschleiern, daß auch die Kategorie des ipso gestu fremden Geschäfts eigentlich nicht ohne FremdgeschäftsfilhrungswiIlen auskommt. Läßt sich die Leistung des Scheinerben nur formal und gerade nicht wegen des mangelnden Fremdgeschäftsfilhrungswillens der Kategorie des ipso gestu fremden Geschäfts zuordnen, nimmt es nicht wunder, daß Azo die andere Konstellation von D 3.5.48: den Verkauf der fremden Sache vor ihrem Untergang, der noch verbliebenen Kategorie einer Fremdgeschäftsfilhrung kraft ratihabitio zuordnet: Est autem ratihabitatione meum negocium quod nomine meo gessisti et ego ratum habui vel ratum vel ratum fingit ius me habuisse ... Ut si rem tuarn nomine meo ex lucrativa causa quesita vendarn, tunc tibi domino ne locupleter cum aliena iactura teneor ad precium in subsiduum cum non habeas ad rem recursum. Sed si re extante cum ad rem habes regressum me non convenires ... quia negocium non tuo nomine gestum ratum habere non potes. ... Martinus autem dixi videbat quando ad rem superest recursus nihilominus tarnen agi posse actione negotiorum gestorum pro precio ... 17 Auch diese Einordnung ist regelwidrig, weil die Feststellung eines ratihabitatione fremden Geschäfts eigentlich ebenfalls Fremdgeschäftsfiihrungsbewußtsein voraussetzt. 18 Da Afrikan eine Genehmigung des Sacheigentümers nicht erwähnt, kann die ratihabitio, welche die Zuweisung zu der Geschäftskategorie tragen soll, zudem nur eine fingierte sein, wie Azo sie eingangs seiner Darstellung dieser Geschäftsfiihrungsart auch erwähnt. Baldus stellt sie später ausdrücklich der regelrechten ratihabitio mit ihrer konsensähnlichen Wirkung gegenüber: Primum est, quod sit gestum no mine domini, secundum, quod ratificet, ut quasi utriusque consensu negotium fiat ratificantis et ad eum principaliter spectet ... sed cum tu vendisti rem mearn tuo nomine, hic deficit primum, quia non est meo nomine gestum. Ergo impossibile est, quod ista gestio pertineat ad me, quia in hoc non est sius, der, wie Aarons (Fn. 4), S. 123f. bemerkt, die Gewährung der actiones negotiorum gestorum ohne Rücksicht auf den Fremdgeschäftsfilhrungswillen in beiden Fällen auf die Ausübung einer fremden Befugnis stützt; vgl. seinen Kommentar zu D 12.1.23 (zitiert nach Aarons, S. 131): Sed glossa hic dubitavit, quia meo nomine non est gestum, quomodo possum habere actionem negotiorum gestorum. Jurisconsultus dicit, quod ipsa re, vel ipso gestu, quasi negotium meum gesseris re ipsa, non autem ratihabitatione: sed propter ipsam rem meam habeo actionem negotiorum gestorum: quod ad me pertinet rem meam vendere et pretium habere, non ad non dominum . ... 17 Azo (Fn. 5), zu CJ 2.18, S. 36. 18 Dies beobachtet Aarons (Fn. 4), S. 72f.
2. Kapitel: Die Entwicklung bis zur Kodifikation
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consensum. Non obstat haec lex, quia debet intellegi in ratihabitatione subsidiaria, nam tunc fingit lex, negotium esse domini negotiorum re ipsa, ut de leg. finali Dig. h.t. 19
Der Verzicht auf den Fremdgeschäftsfilhrungswillen beim Verkauf einer fremden Sache ist so als Ausnahmeentscheidung ohne systematische Berechti~ gung gekennzeichnet. Anders als bei der Zahlung des Scheinerben erfahren wir jedoch einen Grund filr die Anomalie: Azo macht sich das schon von Martinus aus anderem Zusammenhang bekannte Argument zu eigen, niemand dürfe auf Kosten eines anderen bereichert sein. Im Unterschied zu Martinus sieht Azo filr eine so motivierte actio negotiorum gestorum freilich nur dann Raum, wenn der Zugriff auf die verkaufte Sache selbst versagt. Ansonsten bestehe kein Anlaß filr die Durchbrechung der Regel, daß nur eine absichtliche Fremdgeschäftsfilh~ rung der ratihabitio durch den Geschäftsherrn zugänglich ist. Die Entscheidung der hoch~ und spätklassischen römischen Juristen, bei ei~ ner im Ergebnis nützlichen Geschäftsfilhrung vom Fremdgeschäftsbesorgungs~ willen und ~bewußtsein abzusehen, ist in der Lehre der Glossatoren demnach gleich doppelt isoliert: Zunächst findet sie keinen rechten Platz im System der vier Zurechnungsmodi: Das ipso gestu fremde Geschäft kommt nur theoretisch ohne Fremdgeschäftsfilhrungswillen aus, setzt diesen wegen seiner Beschränkung auf die befreiende Drittleistung aber praktisch voraus und kann die Leistung des Scheinerben nur notdürftig wegen der Erfindung einer Leistung hereditario nomine aufnehmen. Das kraft ratihabitio fremde Geschäft setzt schon theoretisch einen Fremdgeschäftsfilhrungswillen voraus und kann von diesem Erfordernis nur im Wege einer Fiktion befreit werden. Grundlage dieser Fiktion - und hierin liegt die folgenträchtigste Veränderung - ist das allgemeine Bereicherungsverbot. Der Verzicht auf den Fremdgeschäftsfilhrungswillen erscheint so nicht nur als systemfremd, sondern auch als Ausfluß eines Prinzips, das seine Umsetzung gewöhnlich in einem anderen Rechtsgebiet erflihrt. Mit dieser Deutung geben die Glossatoren der künftigen Rechtsentwicklung die Richtung vor.
III. Utilitas als Zurechnungskriterium und die Konkurrenz zum Drittauftrag Respektieren die Glossatoren den Verzicht der römischen Juristen auf Fremdgeschäftsbesorgungswillen und -bewußtsein auch nur formal, konservieren sie in ihrer Lehre der vier Geschäftsfilhrungsarten doch eine seiner Voraussetzungen: die Bestimmung des negotium alienum aus seinem Nutzen filr den
19
Baldus zu Cl 3.32.3.
§ 5 Die Lehre der Glossatoren
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Geschäftsherrn. 20 Wird ein Geschäft re ipsa oder ipso gestu, also utilitate oder necessitate, zu einem negotium alienum, gibt filr die Feststellung des Fremdbezugs in diesen Fällen allein die Wirkung auf das Vermögen den Geschäftsherrn den Ausschlag. Daher nehmen die Glossatoren auch unbefangen die Aussagen der Klassiker hin, die das Rechtsverhältnis der negotiorum gestio trotz wirksamen Drittauftrags entstehen lassen. Sie korrigieren sogar die gegenläufigen Entscheidungen der römischen Juristen, die dem wirksamen Auftrag eines Dritten eine Ausschlußwirkung filr die Annahme einer negotiorum gestio zwischen Auftragnehmer und begünstigtem Geschäftsherrn beimessen. Zu diesen gehört, wie schon gesehen,21 Paulus, der in D 17.2.22.10 die Haftung des curator bonorum auf das Verhältnis zu den anwesenden Gläubigem des Gemeinschuldners beschränkt und die abwesenden Gläubiger auf eine actio in factum gegen diese. Die GI. infactum zu D 17.2.22.10 hebt diese Begrenzung auf und läßt die abwesenden Gläubiger außer zum Anspruch gegen die auftraggebenden Gläubiger zur direkten GeschäftsfUhrungsklage gegen den curator bonorum zu: immo negotiorum gestorum in curatore gerentem: ...
Als Argument verweist Accursius aufD 3.5.5.2, wo sich Julian filr eine Kumulation der aus Fremdgeschäftsfilhrungswillen und utilitas entstandenen Geschäftsfilhrungsverhältnisse und damit indirekt auch gegen den von Paulus befolgten Satz vom Vorrang des wirksamen Drittauftrags entscheidet. Diesen durchbricht auch die GI. si cum proposuissem zu D 3.5.3.11: sed quid si non proposuissem, tarnen tu mihi mandaveras? Rn. distingue secundum Ioannem aut scivi cuius essent negotia, et contemplatione domini gessi: et tune ipse dominus tenetur mihi: ... Ideoque etsi mandantis tantum putavit negotia, non agit contra dominum: et est ratio, quia mandans gessisse videtur, non gestor. ideoque gestor non agit contra dominum: ...
Hat sich der Geschäftsbesorger anders als in Marcells Ausgangsfa1l 22 vor Erteilung des Drittauftrags noch nicht angeschickt, die Geschäfte des Geschäftsherrn zu filhren, soll die actio negotiorum gestorum nach Ansicht von Johannes Bassanius zumindest dann begründet sein, wenn der Geschäftsfilhrer weiß, daß er nicht die Geschäfte des Auftraggebers fUhrt. Für eine solche Lösung wäre kein Platz, wenn der wirksame Drittauftrag stets Vorrang hätte.
20 Dies ist vermutlich auch Auslöser der unberechtigten Kritik von Aarons (Fn. 4), S. 69,71 und Wittmann (Kap. 1 Fn. 29), S. 48, die meinen, die Glossatoren setzten bei ihrem System der vier Zurechnungsmodi die Feststellung eines objektiv fremden Geschäfts voraus, statt ihn zu definieren. 21 Vgl. oben § 3 II. 22 Vgl. dazu oben § 3 II.
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§ 6 Die elegante Jurisprudenz Einen Entwicklungsschub erhält die Theorie der negotiorum gestio in den Werken der drei großen Gelehrten des ausgehenden Humanismus: Cujaz, Donellus und Faber. Sie decken Widersprüche im System der Glosse auf und bilden deren tragflihige Ansätze mit Wirkung ftlr die weitere Gemeinrechtswissenschaft fort. Während Cujaz neben Detailkritik an der Vierteilung der Zurechnungsmodi vor allem die actio directa des Geschäftsherrn und die actio contraria des Geschäftsftlhrers in ihren Voraussetzungen trennt, baut Faber die seit der Glosse bekannte Verbindung mit dem Bereicherungsgedanken aus. Anders als Donellus, der das System der Glosse überwindet, indem er sich wieder dem klassischen römischen Standpunkt nähert, nehmen die Lehren der beiden anderen Humanisten nicht nur die Ansichten der kommenden Gemeinrechtswissenschaft, sondern sogar die Entwicklung des Naturrechts vorweg. I. Cujaz und die Trennung von actio directa und actio contraria
Bei der Erläuterung von D 3.5.48 in seinem Tractatus ad Africanum wendet sich Cujaz gegen die glossatorische Lehre von den vier Fremdgeschäftsftlhrungsarten: Et ex his quidem intellegimus non flüsse cur interpretes quidem uterentur iIla quadripertita divisione, cuius fit saepe ab Accursio mentio, ut dicatur scilicet negotium meum vel alienum quatuor mo dis, cura et sollicitudine, reipsa, ratihabitatione, ipso gestu: non flüsse cur petita venia re ipsa et gestu ipso quae sunt idem, facerent diversa, et ipso gestu meum statuerunt esse negotium, si solveretur pecunia creditori meo: nam si ne distinctione ulla quoquo modo sit meum quod alter gessit, vera haec definitio est. Si suo nomine gessit, ei non esse actionem negotiorum gestorum quia neminem sibi obligare voluit. Si meo nomine gessit vel hereditario vel si quo alio nomine gessit non suo, ei esse actionem. Et Ioannis ac Bulgari falsa sententia est, qui si is suo nomine solverit creditori meo, putant teneri me negotiorum gestorum si modo in animo meo postea decreverim ut mihi ea solutio prosit. quia nec propter propositum animi meum ea mihi solutio profuerit, ea me solutio liberaverit. et in posteriori specie huius legis si liberer, liberor, quia ille hereditario nomine solvit, non suo. Igitur re ipsa et ipso gestu sunt idem, non orationis sensu tantum, sed etiam effectu juris, ut nec ea separandi ulla fuerit causa.... 23
Cujaz deckt die fehlende Berechtigung der Unterscheidung zwischen re ipsa und ipso gestu fremdem Geschäft auf: Auch im Fall der befreienden Drittleistung, die dem Geschäftsherrn ipso gestu zugerechnet werden soll, sei ein Fremdgeschäftsftlhrungswillen nötig. Denn die Drittleistung könne nur befreiend wirken und einen Rückgriff mit der actio negotiorum gestorum zeitigen,
23
1475.
Tractatus ad Africanum, zu D 3.5.48, Opera omnia, Paris 1658, Bd. 1 prior., Sp.
§ 6 Die elegante Jurisprudenz
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wenn sie Leistung auf fremde Schuld sei. Eine nachträgliche Umwidmung der auf eine vermeintlich eigene Schuld erbrachten Leistung, wie sie Bulgarus und Johannes Bassanius vorgeschlagen haben, lehnt Cujaz ebenso wie schon AZ0 24 ab. Anders als dieser zieht Cujaz hieraus jedoch den naheliegenden Schluß, daß auch das ipso gestu fremde Geschäft durch ein Handeln mit FremdgeschäftsfUhrungswillen gekennzeichnet und daher vom re ipsa fremden Geschäft nicht zu trennen ist. Auf Cujaz' Konstruktion von Afrikans Entscheidung wirkt sich die Einsicht in die Inkonsequenz der glossatorischen Vierteilung freilich nicht aus: Ebenso wie Azo und Accursius deutet Cujaz die Leistung des Scheinerben, der Afrikan befreiende Wirkung beimißt, als eine solche hereditario nomine, also als Leistung im Namen eines abstrakten, vom Scheinerben verschiedenen Verpflichtungssubjekts. Der künstlich erzeugte Fremdbezug der Leistung besteht sowohl objektiv als auch in der Vorstellung des Leistungen, so daß der von Afrikan gewährte Aufwendungsersatzanspruch einer Geschäftsfiihrung mit Fremdgeschäftsfuhrungswillen entspringt. Nicht weit vom Stand der glossatorischen Theorie entfernt erscheint auch Cujaz' Verständnis von Afrikans Lösung im Fall des Verkaufs der fremden Sache. Den Anspruch des Sacheigentümers auf Auskehr des erzielten Kaufpreises sieht Cujaz ebenfalls durch eine ratihabitio ausgelöst, der er jedoch nicht die Wirkung zuspricht, auch einen Aufwendungsersatzanspruch des Verkäufers zu erzeugen: Sed et priori specie non potest ulla ex causa esse actio contraria: Vendidisti rem quam existimabas esse tuam cum esset mea, mihi est directa actio negotiorum gestorum, tibi non est contraria, quia neminem tibi obligare yoluisti, ... Non obligamur ni si yolenti. 25
Cujaz verallgemeinert Paulus' Entscheidung fUr das Eigentümer-BesitzerVerhältnis in D 10.3.14.1 und entnimmt ihr eine allgemeine Aussage über den Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsbesorgers aus der actio negotiorum gestorum contraria. Er soll stets an eine voluntas obligandi gebunden sein und sich dadurch von dem auf Erlösauskehr gerichteten Anspruch des Geschäftsherrn aus der actio directa unterscheiden. Warum soll dieser aber ohne FremdgeschäftsfUhrungswillen, ja sogar ohne Bewußtsein des Fremdbezugs auskommen? Cujaz bleibt eine befriedigende Antwort schuldig. Er übernimmt lediglich die schon von der Glosse entwickelte Lösung über eine stillschweigende oder fingierte Genehmigung und versucht, sie durch einen Vergleich zum objektiv neutralen Geschäft zu untermauern:
24
25
Siehe oben § 5 11. Tractatus ad Africanum, zu D 3.5.48 (Fn. 23), Sp. 1474.
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an saltem de pretio Iiceat mihi agere adversus Titium actione negotiorum gestorum. Et ait Iicere, videlicet quia ratum habeo quod Titius gessit, et ratihabitio meum negotium constituit omnimodo, quod etiam erat re vera meum, sed non mei contemplatione gestum, ut e contrario ratihabitio meum negotium constituit quod fuit mei contemplatione gestum, Iicet non fuerit meum, si modo ex eo verus dominus non sit locupletus, ... 26 Die Genehmigung zu einem ohne voluntas ob/igandi, aber objektiv dem Geschäftsherrn gehörenden Geschäft soll so wirken wie die nachträgliche Zustimmung zu einem objektiv neutralen, aber mit Fremdgeschäftsfilhrungswillen gefiihrten Geschäft. Dieser Vergleich geht Uber einen vordergrUndigen Chiasmus nicht hinaus: Beim objektiv neutralen Geschäft ist die Genehmigung des Geschäftsherrn erforderlich, um diesen Uberhaupt verpflichten zu können, und vom Fremdgeschäftsfiihrungswillen abhängig, weil sich der Geschäftsbesorger sonst nicht gefallen lassen mUßte, der Vorteile des Geschäfts beraubt zu werden. Beim objektiv fremden Geschäft kann man dagegen nur entweder dessen objektive Zuständigkeit genügen lassen, um den Geschäftsfilhrer zum Erlösauskehr zu verpflichten; oder man verlangt hierfilr gleichfalls einen Fremdgeschäftsfilhrungswillen. Die Genehmigung könnte allenfalls Uber die in Afrikans Verkaufsfall gar nicht in Rede stehende Verpflichtung des Geschäftsherrn zum Aufwendungsersatz entscheiden. Ansonsten kann sie nur eine fehlende objektive Geschäftszuständigkeit ersetzen. In der ergänzenden Funktion, die Cujaz ihr zuschreibt, unterscheidet sie sich nicht mehr VOn der rein prozessualen Entscheidung, aus einer festgestellten negotiorum gestio Rechte herzuleiten. Trotz dieser BegrUndungsmängel wird die Unterscheidung der beiden Geschäftsfilhrungsklagen nach der Voraussetzung des Fremdgeschäftsfilhrungswillens 27 in der Gemeinrechtswissenschaft noch bis ins 19 . Jahrhundert wirksam bleiben. 28 Für GlUck unterliegt es beispielsweise nicht dem geringsten Zweifel, daß der Anspruch des Geschäftsherrn auf Auskehr des Geschäftserlöses keiner besonderen Einstellung des Geschäftsbesorgers bedarf: ,,zwar ist der animus obligandi keineswegs dazu erforderlich, um den Geschäftsfiihrer zu verpflichten. Denn dieser ist aus der negotiorum gestione allemal verpflichtet, seine Absicht mag gewesen sein, welche sie wolle; weil die Intention des Geschäftsfiihrers das Recht des Eigenthümers nicht ändern noch vermindern kann.,,29
26 Tractatus ad Africanum, zu D 3.5.48 (Fn. 23), Sp. 1473 . 27 Riccobono (Kop. 1 Fn. 11), S. 327f. spricht hier von einer Mischung aus objektiver und subjektiver Anknüpfung. 28 Vgl. unten § 8 I. 29 Glück, Ausfiihrliehe Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld, 5. Teil, 2. Abteilung, Erlangen 1799, § 421, S. 346.
§ 6 Die elegante Jurisprudenz
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11. Faber und das allgemeine Bereicherungsverbot Weiter vom Schema der Glosse entfernt, ihr in den Grundzügen aber nach wie vor ähnlich ist die Lehre Anton Fabers. Er verzichtet auf die noch von Cujaz übernommene, künstliche Erklärung, der Scheinerbe, den Afrikan in D 3.5.48 zum Aufwendungsersatz zuläßt, habe nomine hereditario geleistet. Statt dessen nimmt er an, der wahre Erbe werde durch die Leistung, die der Scheinerbe auf eine vermeintliche eigene Schuld erbringt, wenn auch nicht zivilrechtlieh, so doch per exceptionem doli befreit und zum Schuldner einer actio negotiorum utilis: Solutio a te facta me liberat, non quidem ipso iure, sed per oppositam exceptionem doli, cum dolo faciat, et improbus sit qui bis idem consequi velit ... . Hoc vero sufficit ad inducendam actionem negotiorum saltem utilem, ... Et ita accipi debet, quod hic Africanus ait, quandoquidem ea solutione Iiberor, non etiam de Iiberatione quae contingat ipso iure, ... 30
Faber bringt damit die Leistung des Scheinerben erstmals wieder auf einen Nenner mit dem Verkauf der fremden Sache, den er ebenfalls mit einer actio negotiorum gestorum utilis sanktioniert glaubt: Non competit hoc casu negotiorum gestorum actio, si res subtraeta non desierit esse in rerum natura, quia indemnitate mea aliter consultum esse potest, scilicet per vindicationem .. , . Sed si extare desierit, necessaria est negotiorum gestorum actio utilis, quoniam aliter non possum indemnis servari, nec tarnen aequum est emptorem fieri ex iactura mea locupletiorem, ... 31
Der Auswahl der actio utilis liegt eine dogmatische Sonderung der Fälle ohne Fremdgeschäftsfilhrungswillen zugrunde. Faber sieht hier ebenso wie schon Azo das allgemeine Bereicherungsverbot am Werke. Ihm muß durch Analogie zum Recht der negotiorum gestio Geltung verschafft werden, wenn, wie beim Untergang der veräußerten Sache, andere Rechtsbehelfe versagen. Dies gilt nicht nur bei der vermeintlichen Eigengeschäftsfilhrung, sondern auch im FaJl der Geschäftsanmaßung, in dem der Geschäftsbesorger das Bewußtsein der Geschäftsfremdheit, aber nicht den Willen hat, das Wohl eines anderen zu befördern und ihn so zu verpflichten: Non consequitur hic gestor actionem ex dolo suo, sed ex sua gestione quatenus ea fuit utilis domino, et ipsum fecit locupletiorem. Vincit enim semper ratio iIIa aequitatis naturalis, tanquam potentissima quod nemini unquam permittendum sit ut cum aliena iactura locupletur ... Huius autem iuris aequitas ex eo proficiscitur, quod
30 Rationalia in tertiarn partern pandectarurn, zu D 3.5.48, Ausg. Lyon 1659, Bd. 1, S.429. 31 Rationalia in tertiam partem pandectarum, zu D 3.5.48 (Fn. 30), S. 429.
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2. Kapitel: Die Entwicklung bis zur Kodifikation cum aga negotiorum gestorum adversus eum qui depraedandi animo negotia mea invasit, hoc ipso videor ratarn habere ipsius gestionern, ...32
Daß der jeweilige Schuldner der Geschäftsfilhrungsklage zu Unrecht bereichert ist, gibt sowohl der actio directa des Geschäftsherrn als auch der actio contraria des Geschäftsfilhrers das Fundament. Fehlt es an Fremdgeschäftsbesorgungswillen oder Bewußtsein des Fremdbezugs, unterliegt die Anwendung der Regeln über die negotiorum gestio allein dem Bereicherungsverbot. Mit diesem kann Faber auch mühelos Julians Entscheidung filr eine Verpflichtung des Mündels neben dem vom Geschäftsfilhrer eigentlich bedachten Tutor begründen: Ratio dubitandi. Non gessi negotia pupilli, contemplatione ipsius, nec ut ei prodessem, sed contemplatione tutoris ne is tutelae iudicio teneretur. Ergo non possum negotiorum gestorum habere pupillum obilgatum, nec si locupletior factus est. ... Ratio decidendi. Non tarnen cuius contemplatione gesserim negotia inspici debet, quarn cuius negotia, et cui ea gestio bono sit. Atqui non tantum tutoris fuerunt negotia, sed etiarn et multo magis pupilli, cuius patrimonium administraturn proponitur, et ea gestione pupillus locupletior factus est. Ergo pupillum quoque teneri aequum est, inquantum saltern locupletior factus fuit, ne alioquin contra naturalem aequitatem ex iactura mea locupletur.... 33
Fabers Lehre ist charakteristisch filr die folgende Gemeinrechtswissenschaft, vor allem in Deutschland. Sie entspricht beispielsweise der des jüngeren Lauterbach. Dieser hält sich strikt an die justinianische Quasikontraktslehre und macht als Grundlage der negotiorum gestio eine vermutete conventio aus: Dicitur quasi contractus, qui est modus ex ficta et praesumta conventione efficaciter obligandi; praedicatur enim modus obligandi de hoc quasi contractu in quid, et aliis specie differentibus, ut contractu et delicto; per fictarn autem et praesumtarn hanc conventionem distinguitur a delictis, in quibus obligatio oritur ex ipsis factis; item a veris contractibus, qui sunt modi, ex vera conventione per se et sua natura obligandi; qualis conventio vera hic non intercedit, sed saltem fingitur et praesumitur ... 34
Folgerichtig gilt Lauterbach der Fremdgeschäftsfilhrungswille als striktes Erfordernis der actio negotiorum gestio und notwendige Ergänzung zu den von der Glosse entwickelten Zurechnungsarten: cura et so/licitudine, re ipsa, ratihabitatione und ipso gestu. Jenseits des ius strictum soll jedoch ex aequitate ein Ausgleich mit Hilfe einer actio utitis möglich sein, und zwar wie bei einer gewöhnlichen negotiorum gestio, wenn der Geschäftsfilhrer gutgläubig ist, und auf Auskehr der beim Geschäftsherrn eingetretenen Bereicherung begrenzt, wenn der Geschäftsbesorger bösgläubig ist:
Rationalia in tertiarn partem pandectarum, zu D 3.5.5.3 (Fn. 30), S. 381. Rationalia in tertiarn partem pandectarum, zu D 3.5.5.1 (Fn. 30), S. 379. 34 Collegium theoretico-practicum, § II zu D 3.5, Ausg. Tübingen 1763, Bd. 1, S.262. 32 33
§ 6 Die elegante Jurisprudenz
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Objectum sunt negotia aliena. ' " Aliena dicuntur multis modis: Scilicet cura et sollicitudine, re ipsa, ratihabitatione, ipsu gestu, ... Si quis alienum, non ut alienum; sed in suam utilitatem gerat, an locum habeat? ... ; verum stricti juris ratione, sive bona, sive mala tide gerat, dicendum, quod nulla competat actio; ... Ex aequitate tarnen bona tide gerenti utilis haec actio datur... , Si vero mala tide gesserit, gestor quidem domino obligatur in solidum, ipse vero contra dominum in id tantum, in quantum dominus locupletior est factus, habet actionem ... 3S
Das zweispurige Modell, bestehend aus willenstheoretisch konstruierter negotiorum gestio und bereicherungsrechtlich motivierter Ergänzungsklage, liegt auch dem bayrischen Codex Maximilianeus zugrunde. Sein § 2 IV 13 macht den Fremdgeschäftsführungswillen zum Merkmal des negotiorum gestor. Ihn soll charakterisieren, daß er "ein außergerichtliches fremdes Geschäft nicht aus Schuldigkeit, sondern freiwillig, zwar ohne Befehl und Vorwissen des Principals, jedoch demselben zum Besten auf sich nimmt".
Diese gesetzliche Beschränkung soll nach Ansicht ihres Urhebers v. Kreittmayr jedoch nicht der Gewährung von actiones utiles entgegenstehen, um bei Fehlen eines Fremdgeschäftsführungswillens der aequitas und insbesondere dem allgemeinen Bereicherungsverbot gerecht zu werden: "Die sogenannte actio negociorum gestorum utilis ... wird auf dem Fall eingeräumt, wann sich der casus etwann aus Mangel eines Requisiti zwar nicht de stricto jure und ex verbis legis, gleichwohl aber e~ mente et aequitate dahin qualiticirt.. .. es fUhrt einer z. B. ein fremdes Geschäft zu seinem eignen Nutzen, weil er glaubt, daß es sein eignes seye. Hier hat die actio utilis auf beiden Seiten Platz. Hat er hingegen gewußt, das solches fremde seye, und sich gleichwohl den Nutzen davon zuzueignen getrachtet, so haftet er zwar dem Prinzipalen actione utili, nicht aber dieser ihm, ausser soweit er reicher dadurch worden ist, dann so weit muß er ihn auch e~ aequitate indemnisiren. .. . Obgedachte actiones und obligationes ... gründen sich von Seiten des negociorum gestoris auf seinem selbst eignen facto, womit er zugleich alles auf sich nimmt, was das vertretene Geschäft sua natura mit sich bringt ... von Seiten des Principalens aber auf dem Nutzen, welchen er davon hat, mithin auf der Billigkeitsregel, daß niemand mit anderer Leut Schaden bereichert werden soll, et quod officium suum nemini damnosum esse debeat . .. .,,36
Um eine Integration von Bereicherungsgedanke und positiver Regelung der negotiorum gestio bemUht sich GlUck. Er erklärt die Billigkeit zum Fundament des Rechtsinstituts und setzt sie an die Stelle des vermuteten Konsenses von Geschäftsherr und Geschäftsführer: ,;Zwar giebt es bey der negotiorum gestione mehre Fälle, wo sich die Einwilligung des Eigenthümers aus vernünftigen Gründen vermuthen läßt. Allein deswegen ist
Lauterbach (Fn. 34), § IX, S. 264. Kreittmayr, Anmerkungen über den Codicem Maximilianeum Bavaricum Civilem, Anm. 7 zu § 2 IV 13, Ausg. München 1765, S. 1704. 35
36
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2. Kapitel: Die Entwicklung bis zur Kodifikation doch nicht zu behaupten, daß der vermuthete Consens bey der negotiorum gestione nothwendig anzunehmen sey, um die Verbindlichkeit zu begründen. Denn die Gesetze gedenken dieses Grundes nicht, und solchen anzunehmen, ist auch darum unnöthig, weil hier schon nach der natürlichen Billigkeit, welche die Gesetze anerkennen, eine vollkommene Verbindlichkeit entsteht. ,,37
So kann Glück den Verzicht auf das Fremdgeschäftsfiihrungsbewußtsein beim Aufwendungsersatzanspruch des vermeintlichen Eigengeschäftsfilhrers systemimmanent begründen. Auf die natürliche Billigkeit gestützt, teilt sich die negotiorum gestio in die gleiche Basis wie das allgemeine Bereicherungsverbot, das eine Abschöpfung des beim Geschäftsherrn eingetretenen Vermögensvorteils im Wege der actio negotiorum gestorum utilis erzwingt: "Auf Seiten des Geschäftsführers wird ferner 6) erfordert, daß er die Absicht gehabt, sich den Herm des Geschäfts verbindlich zu machen, oder doch wenigstens in der Absicht, ihm seine Kosten und Auslagen zu schenken, die Geschäfte desselben übernommen habe . ... Allein wenn von der Verbindlichkeit des Geschäftsherrn zur Entschädigung des negotiorum gestoris die Frage ist, so hat die demselben dieserwegen zustehende Klage nach der Subtilität des römischen Rechts eigentlich nur denn Statt, wenn dieser die Absicht gehabt hat, den Herrn des Geschäfts verbindlich zu machen .... Da jedoch das Gesetz der Billigkeit, welches hier bey der negotiorum gestione, wie bereits oben bemerkt worden ist, den Hauptentscheidungsgrund ausmacht, nicht erlaubt, sich mit dem Schaden eines Andern zu bereichern, so gestatten die Gesetze in dem Falle, da ein Dritter, wenngleich wider mein Wissen und Willen durch das von mir übernommene Geschäft von einer Verbindlichkeit befreyet worden ist, welche ihm den Rechten nach zu erfüllen oblag, in Ermangelung eines anderen Rechtsmittels, billig die actionem negotiorum gestorum utilem gegen denjenigen, dessen Nutzen dadurch wirklich befördert worden ist.,,)8
Das allgemeine Bereicherungsverbot kann auch zugunsten des bösgläubigen Geschäftsfilhrers ausschlagen, der sich die Fremdgeschäftsbesorgung anmaßt. Auch er soll nicht rechtlos bleiben, sondern kraft des in der negotiorum gestio inhärenten Billigkeitsgebots die Bereicherung des Geschäftsherrn abschöpfen können. ,,zwar ist auch ein solcher negotiorum gestor, und zwar noch mehr als ein anderer, zur Verantwortung verpflichtet, weil es in Ansehung der Klage, die dem Eigenthümer deshalb zusteht, nicht auf die Absicht des negotiorum gestoris, sondern nur darauf ankommt, daß Jemand die Geschäfte desselben übernommen hat. Allein die Klage, die sonst auch der negotiorum gestor wegen seiner Entschädigung gegen den Eigenthümer anstellen kann, wenn gleich der Nutzen durch Zufall wieder verlohren gegangen ist, flillt hier weg. Nur insofern der Eigenthümer durch eine solche GeschäftsfUhrung würklich bereichert worden ist, gestatten die Gesetze dem negotiorum gestori der Billigkeit wegen, welche überhaupt in dieser Lehre gleichsam
37 38
Glück (Fn. 29), §§ 416-418, S. 323 . Glück (Fn. 29), § 421, S. 346f.
§ 6 Die elegante Jurisprudenz
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den ersten Hauptgrund ausmacht, eine Klage, welche ... die meisten Rechtsgelehrten aber, der Natur der Sache gemäßer, fUr die actionem negotiorum gestorum contrariam halten, welche nun aber hier freylich zur Strafe des Eigennutzes sehr beschränkt ist. ,,39
Der schon bei Azo nachweisbare und von Faber ausgebaute Gedanke, daß die Gewährung der Geschäftsftlhrungsklagen der Umsetzung des Bereicherungsverbots dient, hat sich damit in Glücks Theorie zu einem umfassenden Erklärungsmuster verstärkt. Es dient nicht mehr bloß zur Rechtfertigung von Ausnahmeflillen, sondern als Grund ftlr die actiones negotiorum gestorum selbst und ist so Vorgabe filr ihre Zuständigkeit im Einzelfall.
IH. Donellus und der objektive Begriff des negotium alienum Am weitesten von der Lehre der Glossatoren entfernt sich Donellus. Er wendet sich entschieden gegen die Erfindung der Glosse, der gutgläubige Verkäufer einer fremden Sache hafte mit der actio negotiorum gestorum nur kraft der ratihabitio des Sacheigentümers. Diese herkömmliche Deutung von D 3.5.48 attackiert er aus Anlaß der Interpretation von D 12.1.23 besonders scharf: Nec quisquam dixerit, quod Africanus ait negotiorum gestorum actionem domino dari adversus venditorem, sic accipiendum esse: si dominus venditionem ratam habuerit. Nulla enim ejusmodi conditio adjicitur in d. I. ult. non magis quam hoc loco, tantumque utrobique actio datur de pretio sub conditione, si res vendita in rerum natura desierit. ... Et cur in hac specie domino rei non negotiorum gestorum actio, si in re vendenda negotium ejus est? Est autem negotium ejus hoc ipso, quod res ejus est, in qua negotium emtionis gestum est, propter quod et pretium est acceptum. Existimavit quidem venditor, se suam rem vendere, eoque opinione sua atque animo negotium suum gessit. Sed re vera ut aliena res, ita et alienum negotium fuit, quod in ea gestum est. Hanc veritatem gerentis opinio non mutat: ideo et hanc ipsam veritatem sequimur, contempta ejus opinione, ut fit et in aliis causis similibus . .. Cur ergo si re aliena vendita statim negotium domini gestum est, non et statim agi potest adversus venditorem negotiorum gestorum; sed expectamus, donec res in rerum natura esse desierit? Quia ut competat negotiorum gestorum actio, non est satis negotium ejus qui agit, gestum esse, sed ad eum cum quo agitur, in quo nulla culpa sit, etiam aliquid ex eo negotio pervenerit, oportet, ut si quod inde domino restitutere debeat. ... Ibi enim de re vendita existente agebatur; quod cum fit necessarius est domini consensus, ut venditor fiat locupletior, atqe ita locum habeat negotiorum gestorum actio. Re autem exstincta, de qua hic agitur, statim venditor locupletior efficitur; ... 40
Daß der Eigentümer den Kaufpreis mit der actio negotiorum gestorum erst nach dem Sachuntergang herausverlangen darf, kann Donellus nur mühsam damit erklären, daß zuvor kein Anspruchsgegenstand vorhanden sei: Der Verkäu39 40
Glück (Fn. 29), § 421, S. 343f. Opera Omnia, Florenz 1841, Bd. X, Sp. 398f.
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fer, der mangels culpa nicht auf Schadensersatz haftet, habe vor dem Untergang der verkauften Sache gar nichts erlangt, was er an den Eigentümer auskehren könne. Diese Argumentation ist deshalb fragwürdig, weil der Kaufpreis dem Verkäufer schon vor dem Sachuntergang durchaus endgültig zugewiesen und allenfalls bei Entwehrung der Sache später zurückzuerstatten ist. Donellus bedient sich seines zweifelhaften Arguments nur, um einen Widerspruch zu seiner These zu vermeiden, das Rechtsverhältnis der negotiorum gestio entstehe schon durch den Sachverkauf und nicht erst mit der ratihabitio des Sacheigentümers. Für diese seit der Glosse gängige und auch von Cujaz übernommene Deutung vermißt Donellus jeglichen Anhalt im Text. Er sieht die actio negotiorum gestorum allein deshalb zustande gekommen, weil der gutgläubige Verkäufer mit der Veräußerung der fremden Sache das Geschäft des Sacheigentümers fUhre. Dieser objektive Befund wiege schwerer als die Vorstellung des Verkäufers, welche die Wirklichkeit der Dinge nicht verdrängen könne: hanc veritatem gerentis opinio non mutat. Mit dieser klaren Absage an eine willenstheoretische Konstruktion der negotiorum gestio folgt Donellus noch seinem Programm aus den älteren Commentarii de jure civili. Hier unterscheidet er zwei Arten des negotium alterius: das re ipsa und das durch Parteiwillen begründete: Negotium cujusque fit aut re ipsa, aut gerentis contemplatione cum voluntate ejus cujus nomine agitur conjuncta.41
Auf den Willen von GeschäftsfUhrer und Geschäftsherr soll es nur ankommen, wenn das Geschäft nicht schon ipso gestu zugewiesen ist. Fremdgeschäftsbesorgungswille des Geschäftsfiihrers und Interesse oder Genehmigung des Geschäftsherrn entscheiden bloß über die Zuständigkeit des objektiv neutralen Geschäfts, das ohne sie nur dem Handelnden zugerechnet werden könnte:42 Voluntas gerentis cum voluntate nostra conjuncta, non res ipsa negotium nostrum facit; cum quis a!iquid gerit nostro nomine, cujus commodum aut incommodum ipso gestu ad nos nullum pertinet: solum ad eum pertinere postest, qui gerit, si sibi rem gereret. Quod quis sibi gerendo suum facere potuit, id nostro nomine gerendo in nos 4\ Commentarii dejure eiviU, !ib. XV cap. XVII § 11, Opera omnia (Fn. 40), Bd. IV, Sp. ISS. 42 Auf die Willensrichtung des Geschäftsbesorgers fUhrt Donellus auch die Entscheidung Ju!ians aus D 3.5.5.1 zurück, derzufolge dem GeschäftsfUhrer, der fUr einen Tutor tätig werden will, auch das Mündel haftet. Der Wille, dieses zu begünstigen, sei von der auf den Tutor gerichteten contemplatio zwangsläufig mitumfaßt; vgl. Commentarii de jure eivili (Fn. 41), lib. XV cap. XVII § IX, Sp. 161 : ... quia non potest utilitas hujus negotii ad tutorem et proeuratorem pertinere, nisi prius in persona domini eonstiterit, unde postea ad tutorem et proeuratorem perveniat per eonsequentiam. Ita cum qui consequentis euram gerit, vi ipsa etiam prienipalis rem gerere etiam ab animo suo habeat: apparet eum qui id faciat quasi in re utriusque gratia et eontemplatione gesta, jure etiam adversus utrumque aetionem habere; quamvis, si licuisset, maluisset soli tutori et proeuratori negotium gerere.
§ 6 Die elegante Jurisprudenz
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velut transferre, et nostrum facere potest, si voluntas nostra accesserit, vel quae praecederet, vel quae sequeretur ratum habendo .... 43
Mit seinem Begriff des re ipsa fremden Geschäfts leugnet Donellus anders als Cujaz also nicht nur den Unterschied zum ipso gestu fremdem Geschäft. Er gibt dieser synonym bezeichneten Kategorie auch einen neuen Inhalt: Es ist das objektiv fremde Geschäft, dessen Betrieb das Rechtsverhältnis der negotiorum gestio ohne jede Rücksicht auf die Parteivorstellungen auslöst. 44 Anders als bei Faber ist es filr Donellus keine Ausnahmeerscheinung, die einer Sanktion mit Hilfe von actiones utiles bedarf. Es steht der durch Willenszusammenspiel begründeten Geschäftsfilhrung gleichberechtigt zur Seite und macht Afrikans Entscheidungen in D 3.5.48 zum Produkt einer regelmäßigen Anwendung der Grundsätze über die negotiorum gestio. Wie aber wird das objektiv fremde Geschäft bestimmt? Im Kommentar zu D 12.1.23 knüpft Donellus die Entstehung der negotiorum gestio ohne nähere Erläuterung an den Verkauf der fremden Sache. Ein theoretisches Konzept zur Bestimmung des objektiv fremden Geschäfts findet sich nur in den Commentarii de jure civili. Hiernach ist filr die Zurechnung re ipsa oder ipso gestu entscheidend, ob die Geschäftsfilhrung ein commodum oder incommodum filr das Vermögen des Geschäftsherrn bedeutet, das sich schon bei ihrer Aufnahme oder wenigstens im Ergebnis feststellen läßt: Re ipsa negotium nostrum esse recte dixeris, cujus gesti commodum aut incommodum vere et re ipsa ad nos pertinet, ... Quod negotium ita re ipsa nostrum est, id aut nostrum est ipso gestu, id est jam ab initio cum geritur, ... aut nostrum fit postea eventu. 45
Den Verkauf der fremden Sache ordnet Donellus in seinem Zivilrechtskommentar noch den Fällen einer im Ergebnis nachteiligen Geschäftsfilhrung zu. Nicht die Veräußerung als solche, sondern erst der hierdurch bewirkte Untergang der Sache mache ihren Verkauf zum Geschäft ihres Eigentümers: At eventu potest incommodum rei venditae ~d me pervenire; quod fit, per eam venditionem res vendita mihi pereat, dum ejus vindicandae facultatem per eam occasionem amitto. ... Quidquid ergo istorum eveniet, ut incommodum ejus venditionis meum fit, ita exinde negotium meum fieri incipiet ex superiore definitione. 46
Der offenkundige Widerspruch zum Kommentar von D 12.1.23, wo Donellus den Anspruch auf Preisauskehr schon mit dem Verkauf entstehen läßt, muß nicht darauf beruhen, daß Donellus seine im Zivilrechtskommentar ausgefilhrte 43
Commentarii dejure civili (Fn. 41), !ib. XV cap. XVII § X, Sp. 161.
Als Vertreter einer objektiven Theorie bezeichnet Donnellus daher nicht zu Unrecht Riccobono (Kap. 1 Fn. 11), S. 322f. 45 Commentarii de jure civili (Fn. 41), lib. XV cap. XVII § IlI, Sp. 156. 46 Commentarii dejure civili (Fn. 41), !ib. XV cap. XVII § V, Sp. 157. 44
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2. Kapitel: Die Entwicklung bis zur Kodifikation
Lehre später aufgegeben hat. 47 Sein Meinungswechsel wird eher darauf zurückzufUhren sein, daß er in dem Verkauf selbst schon ein incommodum fUr den Eigentümer erkennt. Dessen Herausgabeanspruch wird nämlich zumindest faktisch beeinträchtigt, wenn mit dem Sachkäufer ein neuer Anwärter auf den Sachbesitz auftritt. Falls die Sache einer Ersitzung zugänglich ist, wird mit der Veräußerung zudem die Basis fUr den späteren Verlust des Eigentumsherausgabeanspruch gelegt. Der Grund fUr die vorverlagerte Feststellung des incommodum liegt vermutlich darin, daß Donellus nach Abschluß seines Zivilrechtskommentars Zweifel bekommen hat, ob Afrikan in D 3.5.48 wirklich den Fall meint, daß die Sache gerade wegen des Verkaufs untergeht. Da hierauf in der Tat nichts hindeutet, läßt sich die Entscheidung des klassischen Juristen mit der im Zivilrechtskommentar vorgeschlagenen Deutung nicht befriedigend erklären. Der hier entworfene Begriff des negotium alterius wird so freilich noch nicht in Frage gestellt. Zwar hätte Donellus ihm einen größeren Dienst erwiesen, wenn er statt eines nachteiligen ein im Ergebnis vorteilhaftes Geschäft angenommen hätte, weil der Sachbesitzer durch den Verkauf die Gefahr des Sachuntergangs auf den Käufer abgewälzt hat. 48 Will man die negotiorum gestio nicht zu einem allgemeinen Haftungstatbestand, die Deliktshaftung entbehrlich machen, kann die Verpflichtung einer ungünstigen Geschäftsbesorgung nämlich nicht ohne FremdgeschäftsfUhrungsbewußtsein auskommen. Mit der Zuordnung des Geschäfts aufgrund seiner Wirkungen ist Donellus jedoch annähernd zum Standpunkt der römischen Juristen und Ausgangspunkt der Lehre zurückgekehrt, die auf FremdgeschäftsfUhrungswillen und -bewußtsein verzichtet. 49 Die Haltung der spät- und hochklassischen römischen Juristen, wie sie sich in D 3.5.48 niederschlägt, wird erst nachvollziehbar, wenn man die utilitas als Element zur Bestimmung des negotium alterius begreift und darüber hinaus nicht nur aus der Sicht ex ante, sondern auch und vorrangig am Ergebnis der GeschäftsfUhrung abliest. Nur so ist es möglich, den Geschäftsfilhrer ohne Fremdgeschäftsfilhrungswillen und -bewußtsein auf Erlösauskehr zu verpflichten. Trotz der Unsicherheiten, die Donellus im Umgang mit seiner eigenen Theorie erkennen läßt, verschwindet sie später nicht vollständig. Die Bestimmung des objektiv fremden Geschäfts aus seinen Wirkungen findet sich auch im Werk von Gerhardt Noodt. Anders als Donellus spricht er sich freilich filr eine Zurechnung des fremden Geschäfts re et affectione, also grundsätzlich nicht ohne So aber Aarons (Fn. 4), S. 216ff. Siehe oben § 2 III. 49 Unberechtigt ist daher die gerade an diesem Punkt ansetzende Kritik von Chambon, Die negotiorum gestio, Leipzig 1848, S. 10, Aarons (Fn. 4), S. 155, von Monroy, Die vollmachtlose Ausübung fremder Vermögensrechte, Rostock 1878, S. 22 und Wittmann (Kap. I Fn. 29), S. 51. 47
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§ 7 Naturrechtslehrer und -gesetzbücher
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Fremdgeschäftsfilhrungsbewußtsein aus. 50 Die objektive Zuordnung soll aber danach erfolgen, ob die Geschäftsfilhrung dem Geschäftsherrn zum Vorteil (commodum) oder Schaden (damnum) gereicht, und zwar entweder von vornherein oder ex postfacto: Vu1t igitur Praetor ... ut sit locus actioni negotiorum gestorum, gestum esse alterius negotium. Hoc vero turn fit; cum gestum ad ejus damnum aut commodum spectat: sive ipso gestu ab initio, sive ex postfacto. Ab initio id evenit; si aegrun curavi servum alienum, domino constitutum non inuti1em; statim eo ipso illi profuturus ... Simile exemp1um est, si quis creditori meo, quod ei debeo, solvat; et me ab illo 1iberet ... SI
Der folgende Verweis auf CJ 2.18.9 zeigt, daß Noodt beim ex postfacto fremden Geschäft vor allem an eine ratihabitio durch den Geschäftsherrn denkt. Sie bewirkt nach dem in Bezug genommenen Reskript, daß die nachträgliche Genehmigung des Gläubigers zum Einzug einer Forderung eine Haftung des auftrags losen Geschäftsfilhrers mit der actio negotiorum gestorum zeitigt. Der Genehmigung des Geschäftsherrn scheint Noodt jedoch nicht so sehr wegen ihrer Wirkung im Innenverhältnis, sondern vor allem deshalb Bedeutung zuzumessen, weil sie im Außenverhältnis gegenüber dem Schuldner auf das Vermögen des Gläubigers und Geschäftsherrn wirkt. Es ist ex postfacto, also im Ergebnis der Geschäftsbesorgung, um die eingezogene Forderung vermindert und um das Insolvenzrisiko des Schuldners erleichtert. 52
§ 7 Naturrechtslehrer und -gesetzbücher An die seit der Glosse verbreitete Einsicht in die bereicherungshindernde Funktion der negotiorum gestio knüpft die Naturrechtsbewegung eine konkrete Folgerung: Sie weist ihre Grenzfiille einem anderen Rechtsinstitut: der actio de in rem verso, zu. In ihrer gemeinrechtlichen Verallgemeinerung als Ausgleichsmechanismus filr unbeabsichtigte Verrnögensverschiebungen erscheint sie geeignet, um dem im Geschäftsfilhrungsrecht wirksamen Bereicherungsverbot direkten Ausdruck zu geben.
50 Mit Ausnahme von Voet fordern die holländischen Juristen nach dem Vorbild von D 10.3.14.1 (siehe oben § 2 III) darüber hinaus auch einen regelrechten animus obligandi; vgl. van Zyl (Kap. 1 Fn. 30), S. 342 Fn. 77. 51 Commentarius ad Digesta seu Pandectas, zu D 3.5, Opera Omnia, Leiden 1767, Bd. 2, S. 75. 52 Den Konstellationen von D 3.5.48 haben die holländischen Juristen wenig Beachtung geschenkt; van Zyl (Kap. 1 Fn. 30), S. 367.
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2. Kapitel: Die Entwicklung bis zur Kodifikation
I. Grotius
Grotius spricht der negotiorum gestio kurzerhand die naturrechtliche Legitimation ab. Die entscheidende Aussage flillt nur beiläufig im Zusammenhang der Frage, ob einen Aufwendungsersatzanspruch hat, wer wissentlich eine fremde Sache in der Absicht kauft, sie dem Eigentümer zu übergeben. Grotius will hier allein nach der aequitas entschieden wissen und zitiert eine Entscheidung U1pians zur actio funeraria: Neque hic requiro ut emta res sit cum animo ut domino restituerentur, quo casu negotiorum actionem nasci sunt qui ajant, sunt qui negent. Nam negotiorum gestorum actio ex lege civili nascitur: nullum enim habet eorum fundamentorum ex quibus obligationem inducit. Nos autem id quod naturale est hic quaerimus. Non dissimile est quod de funeraria scripsit Ulpianus, justum judicem in ea non meram negotiorum gestorum actionem imitari, sed solutius aequitatem sequi, cum hoc ei actiones natura indulgeat. 53
Anders urteilt Grotius über das allgemeine Bereicherungsverbot, das er zum Fundament der Eigentumsrechte erklärt. Er hält es auch in dem Fall von D 16.1.754 rur wirksam, in dem Papinian den Prozeßbürgen, die im Auftrag der Mutter des Beklagten rur dessen Prozeßvertreter Sicherheit leisten, den Regreß gegen den Prozeßvertreter zugesteht: De rebus non exstantibus hoc humano generi placuit, ut si tu ex re mea factus es locupletior, me rem non habente, in tantum tenearis, in quantum es factus locupletior; quia quatenus ex meo lucratus es, plus habes, cum ego minus habeam: introducta autem sunt dominia ad servandam aequalitatem in eo scilicet, ut quisque suum haberet. ... Ex actu servi institutoris tenetur qui praeposuit, ita nisi denunciaverit ne ei crederetur: At etiam si sit facta denunciatio, et servus ex eo contractu peculium habereat, aut in rem domini versum sit, replicabitur de dolo. Videtur enim, inquit Proculus, dolum malum facere qui ex aliena jactura lucrum quaerat. Ubi doli mali vox id ornne significat, quod naturali juri et aequitate repugnat. Qui matre jubente pro filii defensore fide jussit, adversus defensorem mandati actionem non habet, nec proprie ejus gessit negotium, quia contemplatione matris fidejussit: Attamen ex Papiniani sententia dabitur actio negotiorum gestorum (utilis ni fallor) in defensorern; quia pecunia fidejussoris Iiberatur. 55
Grotius hält die von Papinian gewährte Klage nicht rur eine gewöhnliche actio negotiorum gestorum contraria, sondern rur eine actio utilis, weil die Bürgen nicht rur den Prozeßvertreter, sondern aus Rücksicht auf die Mutter des 53 De jure bel/i ae pacis, Iib. II cap. X § IX, Ausg. Amsterdam 1646 (Nachdruck NewYork 1995), S. 217. 54 Siehe oben § 3 I. 55 De jure belli ae pacis (Fn. 53), Iib. II cap. X § II, S. 215; vgl. .~ierzu und zu Grotius' Bereicherungslehre auch Jansen, SZ 120 (2003) 108, 138ff. Uberaus ähnlich und auch mit Hinweis auf Papinians Entscheidung Pufendorf, De jure naturae et gentium , !ib. IV cap. XIII § 6, Ausg. Amsterdam 1688 (Nachdruck New York 1995), S. 453 .
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Beklagten tätig geworden sind. Die erforderliche contemplatio des Geschäftsftlhrers beschränkt sich ftlr ihn also nicht auf die Kenntnis vom Fremdbezug, sondern besteht in der Absicht, das Wohl einer bestimmten Person zu befördern. Grotius konstruiert die negotiorum gestio, die ohne naturrechtliehe Basis auskommen muß, also willenstheoretisch, sieht in der Ausdehnung ihres Anwendungsbereichs jedoch das allgemeine Bereicherungsverbot am Werke, dem er die naturrechtliehe Grundlage nicht absprechen will. Bemerkenswert ist zudem die Zusammenstellung mit dem Proculuszitat aus D 14.3.17.4 (Paul 30 ed). Daß dolos handelt, wer sich auf Kosten anderer bereichert, dient dem klassischen Juristen zur Entkräftung einer Einrede, die ein Gewalthaber gegen seine Haftung mit der actio institutoria hat, wenn er die Kreditgewährung an den als Geschäftsleiter eingesetzten Sklaven zuvor öffentlich verboten hat. Grundlage der von Proculus gewährten replicatio doli ist, daß die Darlehensvaluta in das Sondergut des Sklaven oder in das übrige Vermögen seines Gewalthabers gelangt sind. So stellt Grotius die Verbindung von Geschäftsftlhrung und versio in rem her, die das Schicksal der negotiorum gestio in der Naturrechtslehre und den aus ihr erwachsenen Kodifikationen bestimmen wird.
11. Christian Wolff Willenstheoretisch konstruiert und in Kombination mit der versio in rem erscheint die negotiorum gestio auch bei Christian Wolff. Er macht mit der Quasikontraktslehre ernst und bezieht das Ähnlichkeitsurteil nicht nur auf die Rechtsfolgen der negotiorum gestio, sondern auch auf ihren Tatbestand. Das ihm erwachsende Rechtsverhältnis folge aus dem unterstellten Konsens zwischen Geschäftsftlhrer und Geschäftsherr: Eteinim cum negotiorum gestio sit quasi contractus .. . , consensu praesumto domini perficitur .... Quamobrem cum negotiorum gestor in se suscipiat negotium domini gerendum animo eundem sibi obligandi ... ; perinde omnino est ac si dominus negotium suum gerendum gestori ejusdem committeret et hic idem susciperet. Quodsi itaque conventum esset consensu expresso, mandatum contractum fuisset, et dominus foret mandans, negotium gestor mandatarius .. .. Quoniam itaque ex quasi contractu alter nobis obligatur ad id, ad quod obligatus fuisset, si revera contraxisset, et nos eidern vicissim obligamur tanquam ex contractu vero .. . 56
Könne auf den Willen des Geschäftsherrn aus der necessitas oder utilitas der Geschäftsbesorgung geschlossen werden,57 bestehe ihr subjektives Pendant auf Seiten des Geschäftsftlhrers in dem Willen, sich den Geschäftsherrn verbindlich zu machen. Wo dieser Wille fehle, mangele es zugleich auch an dem unterstell56 Jus naturae, pars V cap. III, § 514, Ausg. HallelMagdeburg 1743 (= Gesammelte Werke 1968, Bd. 21), S. 350. 57 Jus naturae (Fn. 56), § 545, S. 373 .
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2. Kapitel: Die Entwicklung bis zur Kodifikation
ten Willen des Geschäftsherrn und mit ihm an der quasikontraktlichen Beziehung: Si quis alienum negotium gerit tanquam suum, cum domino non quasi contrahit. Etenim qui negotium a1ienum gerit tanquam suum, id non gerit ex praesumto domini consensu, consequenter nec dum ipso convenissse fingi potest de eo gerendo, quasi scilicet idem gerenti a domino fuerit commissum. Enimvero quando ob consensum a1terius praesumtum fingi nequit conventio de negotio gerendo, cum de domino qausi contractum non est ... . Quamobrem nec cum eodem quasi contrahit, qui a1ienum negotium gerit tanquam suum. S8
Das Bereicherungsverbot, rur das neben dem willenstheoretischen Fundament der negotiorum gestio kein Platz als Grundlage des Rechtsinstituts ist, bemüht Wolff erst, wenn es um die Rückabwicklung einer Bereicherung durch Drittauftrag geht: Si gestor negotii, quod gerit, causa cum alio contrahit, eidern se, non dominum obligat: hic tarnen obligatur, quatenus id, quod ex contractu acceptum, in rem domini versum, ni si a gestore consequi possit is, cui debetur. Etenim ex quasi contractu seipsum quidem domino et ex consensu praesumto dominum sibi obligat ... ; quoniam tarnen dominus nullum in ipsum contulit jus contrahendi cum a1ii, nec ejus nomine cum aliis contrahere potest ... . Quando itaque negotii causa cum alii contrahit, suo nomine contrahit, aeqoque se alteri, qui cum eo contrahit, non vero dominum obligat. Quod erat unum.... Enimvero si rem domini versum est, quod ex contractu accepit, adeoque in negotium impensum; dominus hoc restituere tenetur gestori .... Quamobrem cum perinde sit, sive id domino restituatur, sive ei solvatur, cui ex contractu debetur, neque etiam quis locupletior fieri possit cum damno alterius ... ; si a gestore consequi nequeat qui cum eo contraxit, quod in rem domini versum, dominus ad id solvendum ob ligatur. Quod erat alterum. S9
Eigentlich bewirkt der Drittauftrag zur Geschäftsbesorgung, daß das Rechtsverhältnis der negotiorum gestio nur zwischen Geschäftsherr und Auftraggeber entsteht. Ist dieser insolvent, soll der Auftragnehmer jedoch unmittelbar gegen . den Geschäftsherrn vorgehen können, weil er sich nicht auf Kosten eines anderen bereichern dürfe. Ob der so begründete Durchgriffsanspruch noch dem Recht der negotiorum gestio angehört60 oder Ergebnis einer völlig selbständigen Versionsklage ist, läßt Wolff offen. Mit der Fusion der beiden Institute, bestehe sie nun in Integration oder in bloßer Zusammenstellung, folgt Wolff einer Einsicht von Christian Thomasius, der actio negotiorum gestorum und actio de in rem verso rur funktionsgleich und nur durch die subtilitas des römischen Forrnelwesens geschieden hält:
Jus naturae (Fn. 56)§ 538, S. 366f. Jus naturae (Fn. 56)§ 549, S. 376. · 60 So Kupisch, Die Versionsklage. Ihre Entwicklung von der gemeinrechtlichen Theorie des 17. Jahrhunderts bis zum österreichischen ABGB, 1965, S. 28. S8
S9
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Actione autem de in rem verso ... apud Romanos ideo fuit opus, quia formula negotiorum gestorum non putabatur esse sufficiens, cum creditor ipse non gessisset negotium patris, sed is, cum quo contractus esset initus; (etiamsi non esset in potestate ... ) sublata formularum subtilitate vel ea certe apud Germanos null um usum habente, cum nihil intersit, utrum quis immediate an per alium negotia alicujus gerat, et haec actio a negotiorum gestorum actione omnino non differat quoad effectus, non magnus etiam ejus usus erit. 61
Der Bereicherungsgedanke, den die Gemeinrechtswissenschaft noch in actiones utiles zur Ergänzung der negotiorum gestio aufgehen läßt und später als deren Fundament begreift, erhält bei Christian Wolff mit dem Versionsanspruch einen eigenen Wirkungsbereich zugewiesen. So bereitet er den Weg rur seine durchgängig willenstheoretische Konstruktion der negotiorum gestio. IH. Der Code civil
Eine praktische Entsprechung findet Wolffs Lehre im Geltungsbereich des Code civil, dessen positive Regelung sich auf eine wilIenstheoretisch konstruierte negotiorum gestio beschränkt und später durch die richterrechtlich wiedereingefilhrte actio de in rem verso ergänzt wird: Art. 1372 CC, der die Regelung der gestion de l'affaire d'autrui einleitet, beschränkt den Anwendungsbereich dieser Vorschriften auf die vom Fremdgeschäftsfilhrungswillen getragene Geschäftsbesorgung: Lorsque volontairement on gere l'affaire d'autrui, soit que le proprietaire connaisse la gestion, soit qu'ill'ignore, celui qui gere contracte l'engagement taeite de continuer la gestion qu'il a commencee, et de l'achever jusqu'a ce que le proprietaire soit en etat d'y pourvoir lui-meme ; il doit se charger egalement de toutes les dependances de cette meme affaire. Il se soumet a toutes les obligations qui resulteraient d'un mandat expres que lui aurait donne le proprietaire. 62
61 Thomasius, Notae ad Institutiones Justinianeas, HallelMagdeburg 1712, zu IJ 4.7, S.267. 62 Zu Unrecht meint Cenderelli, Sulla valutazione dell'utilitä dell'intervento gestorio, in: Me!. Cannata (1999), S. 265, 266ff., Art. 1375 CC verlange tur den Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsbesorgers eigentlich eine erfolgreiche Geschliftstuhrung und sei erst nachträglich in der Tradition der römsichen Juristen so umgedeutet worden, daß es auf das utiliter coeptum ankomme. Muß das Geschäft nach dem Wortlaut der Vorschrift bien administree sein, spricht diese Vergangenheitsform keineswegs tur eine Beurteilung ex post, sondern liillt ebenso, ja geradezu eher das von der französischen Praxis ohne weiteres zugrunde gelegte Verständnis zu, daß die Geschäftsbesorgung im Moment ihrer Ausführung sinnvoll erscheinen muß; vgl. AynesIMalaurieIStoJfel-Munck, Droit eivi!. Les obligations, 2004, n. 1030; zur Gesetzgebungsgeschichte eingehend Baut, La gestion d'affaires en droit franyais contemporain, 1972, Nr. 346ff., S. 419ff.,
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2. Kapitel: Die Entwicklung bis zur Kodifikation
Daß die Geschäftsbesorgung volontairement erfolgen soll, ergibt sich filr die Urheber des Code civil ohne weiteres aus Sinn und Zweck der gestion d'affaires, mit der actes de bienjaissance63 als Ausfluß eines sentiment de bienveillance 64 oder mouvement de generosite-6S sanktioniert werden sollen. 66 Besonders aufschlußreich filr die gesetzgeberischen Vorstellungen vom Anwendungsgebiet der gestion d'affaires ist die Begründung, die man filr die richterliche Moderationsbefugnis im späteren Art. 1374 CC findet: Cependant les sentiments d'affection ou d'humanite, qui seuls peuvent inspirer cette enterprise delicate, meritent aussi quelque indulgence; et I'on a dO craindre qu'un exces de severite n' en etouffiit le germe dans les coeurs bienfaisans. Cet sage circonspection a fait confier au juge le pouvoir de moderer, suivant les circonstances, les dommages et interets qui resulteraient de fautes ou de la negligence du gerant. 67
Die dem Leitbild der großzügigen Menschenhilfe entspringende Begrenzung auf die bewußte und gewollte Fremdgeschäftsfilhrung reißt eine Lücke, die noch Pothier gerade durch Ausdehnung des Geltungsbereichs der negotiorum gestio schließen wollte. Er sieht die negotiorum gestio bloß durch die subtilite du droit auf den Fall der absichtlichen Fremdgeschäftsfilhrung beschränkt. Einen Aufwendungsersatzanspruch, der auf die equite und das ihr entspringende Bereicherungsverbot gestutzt ist, will Pothier auch dem Geschäftsbesorger zugestehen, der keine Kenntnis vom Fremdbezug seines Handeins hat: ... lorsque je fais votre affaire, croyant ne faire que la mienne. Dans ce cas cette gestion ne forme pas entre nous le quasi-contrat negotiorum gestorum; et a ne consulter que la subtilite du droit, n'ayant pas eu intention de faire votre affaire, ni par consequent de vous obliger a me rembourser les frais de ma gestion, je ne puis avoir contre vous I'action contraria negotiorum gestorum pour m'en faire rembourser, quoique ce soit vous qui en ayez profite. Mais l'equite, qui ne permet pas qu'on s'enrichisse aux depens d'autrui, m'accorde en ce cas, contre la subtilite du droit, une action contre vous, po ur repeter de vous les frais de ma gestion, jusqu'a concurrence de ce que vous en avez profite. 68
der den Zusammenhang zwischen dem Erfordernis des Fremdgeschäftsfiihrungswillens und dem caractere initial de I 'uti/ite erkennt. 63 Treihard, Expose de motift vom 30.1.1803, in: Locre, La legislation civile, commerciale et criminelle de la France, Paris 1828, Bd. 13, S. 29, Tarrible, Discours vom 9.2. 1803, aaO, S. 51. 64 Bertrand de GreuiIle, Rapport vom 6.2.1803, Locn5(Fn. 63), Bd. 13, S. 37f. 65 Tarrible, Discours vom 9.2. 1803, Locre (Fn. 63), Bd. 13, S. 52; vgl. auch die Beschreibung des Unterschieds zur condictio indebiti, aaO, S. 54: La gestion des affaire d 'autrui a pour moti[ un devoument genereux: une erreur est la cause du paiement de la chose non due. 66 Vgl. dazu die treffende Analyse von Bout (Fn. 62), Nr. 192ff., S. 236ff. 67 Tarrible, Discours vom 9.2.1803, Locre (Fn. 63), Bd. 13, S. 53. 68 Traite du contrat de mandat. Appendice: Du quasi-contrat negotiorum gestorum, Nr. 189, Oeuvres de Pothier, Paris 1861, Bd. V, S. 248.
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Wenn Pothier dem Geschäftsbesorger ohne Fremdgeschäftsfilhrungsbewußtsein die Früchte seiner Tätigkeit zugestehen will, spricht dies auf den ersten Blick filr eine Bereicherungsklage jenseits der Rechtsfigur der negotiorum gestio. Daß die Umsetzung des allgemeinen Bereicherungsverbots aber durchaus auch mit Hilfe der Geschäftsfilhrungsklagen erfolgen kann und soll, zeigt Pothiers Lob filr Afrikans Entscheidungen in D 3.5.48. In ihnen habe sich der klassische Jurist in Verfolg der equite über die subtiliM du droit hinweggesetzt: Au contraire, Africain a considere I'equite plutöt que la subtilite du droit, dans les especes de la loi demiere, ff. de neg. gest., en accordant de part et d'autre, contre la subtilite du droit, les actions negotiorum gestorum, quoique, dans ces especes, celui qui a fait mon affaire, n' eut pas eu intention de faire mon affaire, mais eut cru faire la sienne: ... 69
In der Tradition von Pothiers Lehre steht zunächst auch die Praxis zum Code civil, welche die vermeintliche Eigengeschäftsfilhrung als gestion d'affaires anormale den Regeln der art. 1372ff. unterwirft. 70 Grundlage dieser Rechtsprechung ist der Satz, das Rechtsverhältnis der gestion d'affaires entstehe kraft Gesetzes und allein aus dem Geschäftsfilhrungshandeln und seinen Wirkungen, nicht dagegen aus den Absichten der Parteien, was auch eine Kombination von Eigen- und Fremdinteresse möglich mache. So heißt es noch 1872: Le quasi-contrat de gestion d'affaires nait du fait meme de la gestion et de la loi, et non de I'intention des parties; il importe donc peu que le gerant ait intendu agir tant dans son interet que dans I' interet d' un tiers si, en reaIite, ce tiers etait interesse a l'acte de gestion et en a profite. 7 !
Dem Analogieprodukt der gestion d'affaires anormale erwächst jedoch schon bald ein Konkurrent in der Versionsklage. Obgleich im Gesetz nicht vorgesehen, erscheint sie zunächst in der Wissenschaft72 , seit dem Arret BoudieriPatureau-Mirand von 189273 auch in der Rechtsprechung als allgemeine Sanktion eines enrichissement sans cause. 74 Der Geltungsbereich der Vorschriften über die gestion d'affaires wird in der Folgezeit wieder auf die Geschäftsbesorgung mit FremdgeschäftsruhrungswiIlen beschränkt, das Merkmal ,volontairement' in art. 1372 wieder emstgenommen und als Ausdruck einer gesetz-
Pothier (Fn. 68), S. 250. Vgl. beispielsweise Cass. Req. 16.7.1890, D.P. 1891.1.49, zu der älteren Rechtsprechung Marx, Die Abschöpfung der Bereicherung aus Eingriff in fremde Rechtsgüter im französischen und deutschen Recht, 1999, S. 50f., 88f. 7! Cass. Req. 18.6.1872, D.P. 1872.1.471. 72 Vgl. vor allem AubrylRau, Cours de droit civil francais, 4. Aufl., Paris 1871, Bd. VI, § 578, S. 246f. 73 Cass. Req. 15.7.1892, D. P. 1893.1.281. 74 Zu den Einzelheiten vgl. Kupisch (Fn. 60), S. 116ff. und Baut (Fn. 62), Nr. 35ff., S.29ff. 69
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geberischen Ausschlußentscheidung verstanden. 75 Mit dem so entstandenen Nebeneinander von absichtlicher Fremdgeschäftsfilhrung und actio de in rem verso hat die Praxis zum Code civil im Ergebnis den Rechtszustand geschaffen, der Christian Wolffals naturgegeben erschien.
IV. ALR und ABGB Die Regelungsmuster im preußischen ALR und österreichischen ABGB unterscheiden sich von Wolffs Modell darin, daß sie den Bereicherungsgedanken nicht im Versionsanspruch ausgliedern, sondern ebenso wie der jüngere usus modernus76 auch zur Grundlage der Rechte aus Geschäftsfilhrung ohne Auftrag machen. Zum deutlichen Ausdruck kommt dies besonders in den "Grundsätzen" der §§ 228 - 230 I 13 ALR, die den Einzelbestimmungen zur "Uebernehmung fremder Geschäfte ohne vorhergegangenen Auftrag" vorangehen: ,,§ 228. In der Regel ist niemand befugt, sich in die Geschäfte eines Andern ohne dessen Auftrag oder ein andres besondres durch ausdrückliche Gesetze ihm beygelegtes Recht zu mischen.
§ 229. Wer dieses thut, macht sich sowohl dem Eigenthümer; als dem Dritten, welcher sich mit ihm eingelassen hat, verantwortlich. § 230. Doch darf sich niemand die Vortheile fremder Sachen oder Handlungen ohne besonderes Recht zueignen, und sich also mit dem Schaden des Andern bereichern."
Der erste Grundsatz, daß die Geschäftsfilhrung ohne Auftrag nur ausnahmsweise zulässig ist, wird in §§ 234ff. insoweit durchgefilhrt, als der Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsbesorgers lediglich bei einer Notgeschäftsfilhrung zur Schadensabwehr ohne Genehmigung des Geschäftsherrn auskommt. Liegen weder Notfall noch Genehmigung vor, wird das Verhältnis der Parteien vor allem von dem dritten Grundsatz: dem allgemeinen Bereicherungsverbot, beherrscht. Bei einer lediglich nützlichen Geschäftsfilhrung ohne nachfolgende Genehmigung kommt § 240 I 13 ALR zum Zuge: "So weit der, dessen Geschäft besorgt worden, die Genehmigung versagt, muß er sich des aus der Besorgung entstandenen Vortheils begeben."
Diese Bestimmung gilt dem in § 238 I 13 beschriebenen Fall, daß jemand tätig wird, um den Vorteil eines anderen zu befördern. Fehlt das Fremdgeschäftsfilhrungsbewußtsein, greift an ihrer Stelle die Parallel vorschrift des § 231 I 13 ALRein: 7S Vgl. vor allem Cass. Civ. 25.6.1919, D.P. 1923.1.223. Zum Wandel und seinem Zusammenhang mit der Anerkenntung der allgemeinen actio de in rem verso Bout (Fn. 62), Nr. 47ff., S. 37ff., Marx (Fn. 70), S. 87f. sowie AyneslMalaurielStoffel-Munck (Fn. 62), Nr. 1024, 1057, 1060. 76 Siehe oben § 6 11.
§ 7 Naturrechtslehrer und -gesetzbücher
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"Wer also aus dem ohne Vollmacht von einem Andern besorgten Geschäfte einen wirklichen Vortheil genießt, muß den Andern, soweit als dieser Vortheil hinreicht, schadlos halten."
Haben sich die VeIfasser des ALR damit im Ergebnis gegen eine bestimmte Einstellung des Geschäftsfilhrers als Voraussetzung seines Ausgleichsanspruchs entschieden, versucht die spätere Lehre zum ALR dies dadurch umzukehren, daß sie das Rechtsverhältnis der aufuagslosen Geschäftsfilhrung wieder willenstheoretisch konstruiert. Handgreiflich wird der Gegensatz von Gesetz und Auslegungsergebnis bei FörsterlEccius: "Wenn man diese Obligation einen Quasikontrakt oder ReaImandat, oder lnnominatRealvertrag nennt, so ist dadurch nichts bezeichnet. Das sind begriffiose Namen. Das positive Recht gebietet in Anerkennung jenes Grundsatzes, der Billigkeit, daß aus solcher Geschäftsfilhrung Ansprüche erwachsen sollen; kein Vertrag, sondern ein Schuldverhältniß aus dem Gesetz ist es, welches seine verbindliche Kraft darin hat, daß der einseitige Wille des Geschäftsfiihrers den Herrn verpflichten, ihm nicht schenken, ihm keine Bereicherung mit eigenem Schaden zuwenden will. Diese verbindliche Kraft hat der einseitige Wille, weil der Geschäftsfilhrer nicht fiir sich, sondern als Organ des Willens des Geschäftsherrn (contemplatione domini) handelt, dessen Einwilligung voraussetzt und nach den gegebenen Umständen voraussetzen darf."n
Die Erklärung der negotiorum gestio aus dem einseitigen Willen des Geschäftsfilhrers ist nicht nur schwer abgrenzbar von der Quasikontraktslehre, die FörsterlEccius ausdrücklich verwerfen. Sie widerspricht auch den im ALR aufgestellten Grundsätzen, an weIche die Darstellung allenfalls noch durch den Hinweis auf Billigkeit erinnert. Danach soll die Anwendung der Regeln über die aufuagslose Geschäftsfilhrung weniger von der willenstheoretischen Konstruktion als vom allgemeinen Bereicherungsverbot gesteuert sein. Die Einschränkung des Geltungsbereichs der Geschäftsfilhrungsklagen hat aber lediglich zur Folge, daß sich der Zuständigkeitsbereich des benachbarten Versionsanspruchs (§ 262 I 13 ALR) vergrößert. 78 Er kommt schon nach der gesetzlichen Regelung zum Zuge, wenn der Geschäftsfilhrer in Erfilllung einer Verpflichtung gegenüber einem Dritten gehandelt und so den Ausschlußtatbestand des § 233 I 13 ALR verwirklicht hat. Daß der Verwendungsanspruch und die Rechte wegen aufuagsloser Geschäftsfilhrung eine einheitliche Basis im Bereicherungsverbot haben, ist die erklärte Auffassung des Gesetzesverfassers Svarez, der die bei den Rechtsinstitute keineswegs zufällig in einem Abschnitt zusammengefaßt hat: FörsterlEccius, ALR, Bd. 2, 4.A. Berlin 1882, S. 488. Daß er, wie Kupisch (Fn. 60), S. 86f. annimmt, auf den Fall festgelegt ist, daß die Bereicherung durch die Handlung eines vom Versionskläger verschiedenen Zwischenmannes eintritt, entspricht zumindest nicht der Praxis des ALR. Diese wandte sich sogar zunächst gerade von diesem Fall ab, indem sie den Verwendungsanspruch auf eine unmittelbare Bereicherung aus dem Vermögen des Versionsklägers beschränkte; dazu Kupisch (Fn. 60), S. 59ff. 77
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2. Kapitel: Die Entwicklung bis zur Kodifikation "Dieser Titel enthält eigentlich zweierlei Materien, nämlich die Lehre de negotiis gestis, und de versione in rem. Beide kommen darin überein, daß sie aus dem gemeinschaftlichen principio entspringen: quod nemo locupletior jieri debet cum damno alterius, und daß also derjenige, cujus negotium gestum, und in cujus rem versum est, dem geren ti oder vertenti in quantum locupletior tactus est gerecht werden muß. Beide sind aber auch von einander verschieden ......79
Der Regelung des ALR in Inhalt und Aufbau nachgebildet ist die des österreichischen ABGB. 80 Dessen §§ 1037, 1038 gelten allerdings von vornherein nur filr eine vom Fremdgeschäftsfilhrungswillen getragene Geschäftsfilhrung: 81 ,,§ 1037. Wer fremde Geschäfte bloß, um den Nutzen des Andern zu befOrdern, übernehmen will, soll sich um dessen Einwilligung bewerben. Hat der Geschäftsftlhrer zwar diese Vorschrift unterlassen, aber das Geschäft auf seine Kosten zu des andern klaren, überwiegenden Vortheile geftlhrt, so müssen ihm von diesem die darauf verwendeten Kosten ersetzt werden. § 1038. Ist aber der überwiegende Vortheil nicht klar; oder hat der Geschäftsftlhrer eigenmächtig so wichtige Veränderungen in einer fremden Sache vorgenommen, daß die Sache dem andern zu dem Zwecke, wozu er sie bisher benUtzte, unbrauchbar wird, so ist dieser zu keinem Ersatze verbunden; er kann vielmehr verlangen, daß der GeschäftsfUhrer auf eigene Kosten die Sache in den vorigen Stand zurück setze, oder, wenn das nicht möglich ist, ihm volle Genugtuung leiste."
Der nicht von diesen Regeln bewältigte Ausgleich ist dem Versionsanspruch aus § 1041 ABGB überlassen: "Wenn ohne Geschäftsftlhrung Jemandens Sache zum Nutzen eines Andern verwendet worden ist, so kann er sie in Natur, oder, wenn dieß nicht mehr geschehen kann, den Werth verlangen, den sie zur Zeit der Verwendung gehabt hat, obgleich der Nutzen in der Folge vereitelt worden ist."
Die Einschränkung, die Verwendung müsse "ohne Geschäftsfilhrung" erfolgt sein, bedeutet, daß der Verwendungserfolg ohne Fremdgeschäftsfilhrungsabsicht eingetreten sein muß. 82 Geschäftsfilhrungs- und Versionsklage sind so ausdrücklich zu Komplementärinstrumenten gemacht. Daß sie auch nach Ansicht des österreichischen Gesetzgebers eine gemeinsame Wurzel im Bereicherungsverbot haben, enthüllt die Bestimmung, mit der von Zeiller ursprünglich die lediglich nützliche Fremdgeschäftsfilhrung bewältigen wollte:
79 Suarez bei Koch, ALR, Anm. 1 zu I 13 2. Abschn., 2. Aufl., Berlin 1853, Bd. 1, S.208f. 80 Richtig Meissel, GeschäftsfUhrung ohne Auftrag: zwischen Quasikontrakt und aufgedrängter Bereicherung, 1993, S. 25 gegen Swoboda, Das ABGB im Lichte der Lehren Kants, 1926, 234f., der einen direkten Einfluß Kants vermutet. 81 Vgl. Meissel (Fn. 80), S. 79. 82 Vgl. Apathy, Der Verwendungs anspruch, 1988, S. 57ff., Meissel (Fn. 80), S. 83, 212ff. gegen Kupisch (Fn. 60), S. IOlff.
§ 8 Die Pandektenwissenschaft und das BGB
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"Aus dem Grundsatze, daß Niemand aus dem Vermögen, oder aus Handlungen eines andern, ohne dessen Willen, oder ohne besondere Vorschrift der Gesetze einen Vortheil ziehen, und sich mit dem Schaden des andem bereichern soll, kann auch derjenige, welcher fremde Geschäfte, bloß um den Nutzen des Eigenthümers zu befOrdem, ohne Auftrag besorget, den Aufwand rur noch fortdauernde Nutzungen fordern.,,83
Das Programm ist also das gleiche, wie im ALR ausdrücklich festgeschrieben: Die Ansprüche aus Geschäftsfilhrung ohne Auftrag dienen der Umsetzung des allgemeinen Bereicherungsverbots und sind Geschwister des funktionsgleichen Versionsanspruchs. 84
§ 8 Die Pandektenwissenschaft und das BGB Auch die pandektistische Lehre zur negotiorum gestio ist von einer Tendenz zur Subjektivierung des Geschäftsfilhrungstatbestands geprägt. Der Unterschied zur Naturrechtsschule beschränkt sich darauf, daß Fluchtpunkt filr die Bewältigung der Grenzftille, in denen Fremdgeschäftsfilhrungswille oder -bewußtsein fehlen, statt der actio de in rem verso die Eingriffskondiktion ist. Daß sie einen Rückgriff auf das Institut der auftragslosen Geschäftsfilhrung weithin entbehrlich macht, erweist allerdings, wenn auch nur ansatzweise, schon der zweite Entwurf des BGB als Trugschluß. I. Die Tendenz zum Bereicherungsrecht
Die Pandektenwissenschaft will einerseits die Berechtigung der Geschäftsfiihrung im Anschluß an ALR und ABGB nicht mehr an die bloße utilitas, sondern an die Notwendigkeit der Geschäftsbesorgung knüpfen 85 und gelangt so schließlich zu einem subjektiven Nützlichkeitsbegriff. 86 Andererseits konserviert sie die Ansicht des usus modernus, die ac/io negotiorum gestorum directa des Geschäftsherrn setze im Gegensatz zur actio contraria kein Fremdge-
83 Ofner, Der Ur-Entwurf und die Berathungs-Protokolle des Österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, Wien 1889 (Neudruck 1976), Bd. 2, S. 273. 84 In der älteren österreichischen Literatur erscheint der Verwendungsanspruch denn auch zuweilen als actio negotiorum gestorum utitis; vgl. Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach österreichischem und deutschem Recht, 1934, S. 59f. und unlängst Kupisch, FS Wiegand, 2005, S. 469, 489f. 85 Wächter, Pandecten, Bd. II, 1881, § 203 Beilage I Nr. 1.2, S. 455f., Vangerow, Lehrbuch der Pandecten, 6. Aufl., Marburg 1856, Bd. III § 664 II 3, S. 523. 86 Köllner, Die Grundzüge der obligatio negotiorum gestorum, Göttingen 1856, S.81f. Dernburg, Pandekten, Bd. II, § 122, 6. Aufl., Berlin 1900, S.335f., WindscheidlKipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, § 430, 8. Auf., 1900, S. 859ft'.
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schäftsfilhrungsbewußtsein voraus. 87 Die Einstellung zur Ausdehnung der negotiorum gestio über den Bereich bewußter und gewollter Förderung fremder Interessen hinaus wird jedoch zunehmend kritischer, die pandektistische Auffassung der negotiorum gestio dem naturrechtlichen Modell, wie es Christian Wolff entworfen hat, immer ähnlicher: Schon Puchta wendet sich gegen die Gewährung einer actio uti/is filr den Geschäftsbesorger, der Aufwendungen filr ein vermeintlich eigenes Geschäft gemacht hat. Die Rechtslage im Vindikationsfall, in dem der Besitzer nur eine exceptio doli gegen den Herausgabeanspruch des Eigentümers hat, dient ihm als Beleg filr die Regel, daß der Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsfilhrers nicht ohne Fremdgeschäftsftlhrungswillen auskommt: "Mit Unrecht haben die älteren Praktiker eine actio negotiorum gestorum utilis überall annehmen wollen, wo jemand ein fremdes Geschäft gefilhrt hat, in der Meinung, es sei sein eigenes, ' " . Diese Ansicht streitet gegen das Wesen der in Rede stehenden Obligatio. Es ist die Absicht des Gestors, zu verpflichten, durchaus erforderlich; wäre jene Ansicht richtig, so müßte jeder Besitzer einer fremden Sache diese Klage wegen Verwendungen haben, er hat aber nur die exceptio doli."n
Auch Vangerow89 und Demburg90 gilt die Entscheidung Afrikans ftlr einen Aufwendungsersatzanspruch des Scheinerben in D 3.5.48 als systemwidrige Ausnahme. Brinz findet ftlr sie und die Gewährung der Geschäftsfilhrungsklage bei Geschäftsanmaßung eine entwicklungsgeschichtliche Erklärung. Er glaubt, die actiones negotiorum gestorum seien ursprünglich nur filr eine Geschäftsbesorgung mit Fremdgeschäftsftlhrungswillen gedacht gewesen und erst nachträglich eingesetzt worden, um eine unstatthafte oder eigennützige Einmischung in fremde Vermögenskreise zu sanktionieren. 91 Triffi diese Annahme wahrscheinlich auch die historische Wahrheit,92 legt die Gegenüberstellung von hilfsbereiter Fürsorge und Einmischung doch den Schluß nahe, daß die Fälle der letzteren Art Fremdkörper im Gefilge der negotiorum gestio und eigentlich einem anderen Rechtsgebiet zugehörig sind. Die Konsequenz hieraus zieht Wächter. Er sieht den Fremdgeschäftsftlhrungswillen ftlr die Feststellung einer negotiorum
87 Puchta, Pandekten, §§ 327-329, 2. Aufl., Leipzig 1849, Bd. 2, S. 174f., Arndts, Pandekten, 10. Aufl., Stuttgart 1879, §§ 297f., S. 564f., Vangerow (Fn. 85), § 664 II 1, S. 520, Brinz, Lehrbuch der Pandecten, I. Abt., Erlangen 1857, S. 450ff., Windscheid, § 430, S. 858. 88 Puchta (Fn. 87), §§ 327-329, S. 175 . 89 Lehrbuch der Pandecten (Fn. 85), § 664 11 I, S. 520. 90 Pandekten (Fn. 86), § 122, S. 340f. 91 Demburg (Fn. 86), § 107, S. 447. 92 Sie wird jedenfalls durch D 3.5.5.5 nahegelegt; vgl. dazu oben § 3 III.
§ 8 Die Pandekten wissenschaft und das BGB
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gestio schlechthin als unablässig an und versieht Afrikans Entscheidungen in D 3.5.48 kurzerhand mit dem Attribut "unpassend".93 Die Tendenz zur Ausgrenzung der Fälle ohne Fremdgeschäftsfilhrungsbewußtsein zeigt sich auch in monographischen und vergleichbaren ausfilhrlichen Bearbeitungen des Geschäftsfiihrungsthemas. 94 Noch vergleichsweise zurückhaltend ist Chambon in seiner ,civilistischen Abhandlung,95 über die negotiorum gestio. 96 Er stellt den hergebrachten Satz, daß die actio directa anders als die actio contraria kein Fremdgeschäftsfiihrungsbewußtsein voraussetzt, lediglich indirekt in Frage, indem er ihm den Anwendungsbereich entzieht. 97 Chambon sieht den Geschäftsherrn stets nur aufgrund seiner ratihabitio, zu dieser aber nur bei einer interessengemäßen Geschäftsbesorgung mit FremdgeschäftsfUhrungswillen verpflichtet. 98 Die Entscheidungen Afrikans und Papinians filr den Aufwendungsersatzanspruch des Scheinerben in D 3.5.48 und D 5.3.50.1 kann er folglich nur als billigkeitsgesteuerte Sonderlösungen filr Erbschaftsfiille ansehen. 99 Nicht anders beurteilt er Afrikans Lösung im Fall des Verkaufs einer fremden Sache. lOo Da diese rechtlich ohne Wirkung gegen den Eigentümer ist, widerspricht eine Erlösauskehrpflicht des Verkäufers mit der actio negotiorum directa unter diesen Umständen Chambons eigenem Begriff des objektiv fremden Geschäfts. Seine Zuordnung soll sich nämlich daraus ergeben, daß den Geschäftsherrn mit den Rechtsfolgen der Geschäftstätigkeit auch das periculum negotiationis trim. lol Wenn Afrikan ohne Rücksicht hierauf dem Eigentümer einer veräußerten Sache die Geschäftsbesorgungsklage gegen den Verkäufer zugesteht, kann Chambon dies wiederum nur als Produkt der Billigkeit und als reine Alternativlösung zur Gewährung der eigentlich zuständigen condictio sine causa verstehen. So entwertet Chambon das wichtigste Quellenzeugnis filr die Ausnahme der actio directa vom Erfordernis des Fremdgeschäftsfilhrungswillens. Entschiedener ist Köllner. I02 In seiner Schrift über die "Grundzüge der obligatio negotiorum gestorum"I03 leugnet er eine Differenz in den Vorausset-
Wächter (Fn. 85), § 143 Beilage II B LI b, S. 184, § 203 Beilage I Nr. 1.2, S. 456. Richtig Reichard, AcP 193 (1993) 589ff.; dagegen wendet sich zu Unrecht Ebert, Die Geschäftsanmaßung. Zur Funktion des § 687 Abs. 2 BGB im privatrechtlichen Anspruchssystem, 2000, S. 293ff. 9S Leipzig 1848. 96 Jherings Einfluß auf seine Lehre erkennt Wittmann (Kap 1 Fn. 29), S. 55ff. 97 Chambon (Fn. 95), S. 42ff. 98 Chambon (Fn. 95), S. 51ff., 71ff. 99 Chambon (Fn. 95), S. 154ff. 100 Chambon (Fn. 95), S. 40f. 101 Chambon (Fn. 95), S. 26ff. 102 Sein Einsatz findet das Lob von Reichard, AcP 193 (1993) 591. 103 V gl. oben Fn. 86. 93
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zungen von actio directa und contraria überhaupt. Daß der Fremdgeschäftsfilhrungswille in beiden Fällen gleichermaßen anspruchsbegründend wirkt, folgt filr ihn aus dem Begriff der negotiorum gestio, die sich nur durch ihre subjektive Komponente von der unbefugten Einmischung unterscheide, und daraus, daß die Verpflichtungen des Geschäftsbesorgers zu Geschäftsruhrung und Rechnungslegung ohne Fremdgeschäftsfilhrungswillen einfach nicht denkbar seien. 104 Der Quellenzeugnisse filr die Zuständigkeit der actiones negotiorum gestorum in Fällen ohne Fremdgeschäftsfilhrungsbewußtsein will sich Köllner durch Umdeutung ihrer Aussage oder Annahme einer Textverflilschung entledigen: Bei der von Papinian entschiedenen Konstellation in D 5.3.50.1 liege ein Fremdgeschäftsruhrungswille deshalb vor, weil der Scheinerbe in der Absicht tätig werde, den Willen des Testators zur Ausfilhrung zu bringen. lOS Afrikans Aussage in D 3.5.48 sei dagegen entweder verflilscht oder bloß hypothetisch. Der Klassiker gehe nicht weiter als bis zu der Feststellung, daß beim Verkauf einer fremden Sache die actio negotiorum gestorum nur dann Platz greifen könne, wenn man auf den Fremdgeschäftsfiihrungswillen verzichte. 106 Hierzu hätten sich Afrikan und die übrigen römischen Juristen aber allenfalls bei der der Geschäftsanmaßung durchringen können, die eigentlich kein Fall der negotiorum gestio und lediglich aus Gründen der Billigkeit gleichgestellt sei. Weniger radikal, aber in der Tendenz gleich sind die Ergebnisse, zu denen Dankwardt in seiner nahezu zeitgleich entstandenen Arbeit über "die negotiorum gestio,,107 gelangt. Für Dankwardt gehören die Konstellationen ohne Fremdgeschäftsfilhrungsbewußtsein noch zum Geltungsbereich der negotiorum gestio, haben jedoch einen eigenen, von den gewöhnlichen Anwendungsflillen dieses Rechtsinstituts verschiedenen "Schuldgrund". Er liege im Eingriff in die vermögensrechtIichen Verhältnisse eines anderen Rechtssubjekts l08 und hat demnach nichts mit den übrigen, vertragsähnlichen Konstellationen gemein, in denen die gegenseitigen Verpflichtungen dem übereinstimmenden Willen der Parteien entspringen. Dieser Wille sei wirklich, wenn die Geschäftsfilhrung nachträglich genehmigt wird,109 nur vermutet und Anknüpfungspunkt filr einen von der Rechtsordnung fingierten Vertrag, wenn die Verweigerung der Genehmigung einer nützlichen Geschäftsbesorgung rechtsmißbräuchlich wäre. I 10 Mit dieser Differenzierung bereitet Dankwardt den Boden rur die einflußreiche Arbeit von v. Monroy über die "vollmachtslose Ausübung fremder VermöKöllner (Fn. 86), S. 26f., 29f., 41 ff. Köllner (Fn. 86), S. 50. 106 Köllner (Fn. 86), S. 53. 107 Rostock 1855. 108 Dankwardt (Fn. 107), S. 35ff. 109 Dankwardt (Fn. 107), S. 23f. 110 Dankwardt (Fn. 107), S. 23, 26ff. 104
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gensrechte" .111 Für das Rechtsverhältnis der negotiorum gestio in seiner überkommenen Ausgestaltung erkennt v. Monroy ebenso wie Dankwardt zwei verschiedene Anknüpfungspunkte: die Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen und die Ausübung fremder Vermögensrechte. 112 Den Grund der Verpflichtungen, die aus der Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen entstehen, sieht er in der Übereinstimmung des Willens von Geschäftsbesorger und Geschäftsherrn. \13 Die Rechtsfolgen der Ausübung fremder Vermögensrechte sanktionierten dagegen die Anmaßung der Willensherrschaft über einen fremden Vermögensgegenstand." 4 Ebenso wie Köllner glaubt v. Monroy, daß die Anspruche aus einer negotiorum gestio eigentlich nicht auf die unwissentliche Ausübung fremder Vermögensrechte paßten." S Veräußerung, Verbrauch und Gebrauch fremder Sachen seien, fUr sich genommen, Fälle der condictio sine causa und stünden der negotiorum gestio allenfalls nahe. 116 Vollends aus dem Konzept der negotiorum gestio herausfallen müssen die Fälle ohne FremdgeschäftsfUhrungswillen schließlich, wenn man die Aufgabe des Rechtsinstituts in der Unterstützung und Förderung erwünschter Menschenhilfe sieht. Dies ist die bekannt gewordene Ansicht von Josef Kohler. 1I7 Dem Ziel einer Begünstigung sozialen Altruismus, das Kohler der individualistischen Konstruktion aus dem Willen der beteiligten Rechtssubjekte entgegensetzt,118 ist natürlich nicht gedient, wenn auch das egoistische Handeln im eigenen Interesse sanktioniert wird. 119 Die actio negotiorum gestorum contraria, welche die Klassiker dem Scheinerben gewähren, gilt Kohler lediglich als "fremde Hülle" fUr den mangels FremdgeschäftsfUhrungswillen eigentlich zuständigen Bereicherungsanspruch. 12o Die actio directa gegen den eigensüchtigen Geschäftsbesorger erscheint ihm teils ebenfalls als Kondiktion, teils als besondere Sanktion fUr ein Delikt.121 Auf einen subjektiven Geschäftsfiihrungsbegriff ist auch das große Abschlußwerk der Pandektistik, WindscheidsPandektenlehrbuch, festgelegt. Windscheid bekundet Zweifel, ob sich ein objektiver Begriff des negotium
AaO (Fn. 49). v. Monroy (Fn. 49), S. 22. 113 v. Monroy (Fn. 49), S. 34. 114 v. Monroy (Fn. 49), S. 59, 66f. IIS v. Monroy (Fn. 49), S. 157. 116 v. Monroy (Fn. 49), S. 91f. 117 ,Die Menschenhülfe im Privatrecht', JhJb 25 (1887), 1, 42f. 118 JhJb 25 (1887) 43 , 122. 119 JhJb 2S (1887) 94ff. 120 JhJb 2S (1887) 99ff. 121 JhJb 2S (1887) 124. 111
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2. Kapitel: Die Entwicklung bis zur Kodifikation
alienum überhaupt bilden lasse. 122 Eine Geschäftsfilhrungsklage ohne Fremdgeschäftsfilhrungswillen ist filr ihn jedenfalls nur als Anomalie denkbar: Lediglich formal respektiert Windscheid die Entscheidungen Afrikans und Papinians in D 3.5.48 und 5.3.50.1 und erklärt die Beschränkung des Sachbesitzers auf ein Zurückbehaltungsrecht sogar als Ausnahme von der durch sie statuierten Regel. Er deklariert die actio negotiorum gestorum in diesen und in den Fällen der Geschäftsanmaßungjedoch filr "eine andere Form der condictio sine causa,,123 und kommt zu dem Ergebnis, daß Geschäftsherr und -filhrer untereinander nur "nach dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung" verpflichtet sind. 124 Den Entscheidungen der spätklassischen römischen Juristen ist so in Wahrheit die Treue aufgekündigt, die Ausgliederung von Geschliftsanmaßung und vermeintlicher Eigengeschäftsfilhrung in das Bereicherungsrecht vollzogen. Schwer flillt sie deshalb nicht mehr, weil die condictio filr Windscheid nicht mehr Rückforderungsklage im strengen Sinne, sondern auch beim Einsatz eines fremden Mittels zuständig und damit durchaus als Instrument filr eine Gewinnabschöpfung geeignet ist: 125 "Die Bereicherung ist eine Bereicherung aus fremden Vermögen nicht bloß dann, wenn durch den Inhalt der Thatsache, welche die Bereicherung begründet, die Verminderung des fremden Vermögens von selbst gegeben ist, sondern auch dann, wenn sie durch Mittel des fremden Vermögens, durch Gebrauch, Verbrauch, Hingabe, Belastung, Nichtvermehrung des fremden Vermögens, bewirkt worden ist.,,126
11. Der subjektive Geschäftsführungsbegriff des BGB Windscheids Haltung nimmt im wesentlichen die Regelung der negotiorum gestio im ersten Entwurf des BGB vorweg, dessen endgültige Gestalt freilich auch eine gegenläufige Tendenz aufuimmt: Da es an befriedigenden Vorbildern in der Pandektenwissenschaft fehlt, verzichtet schon der Vorentwurf zum Geschäftsfilhrungsrecht auf eine Definition des negotium alienum. 127 Der zuständige Redaktor von Kübel setzt gleichwohl 122 WindscheidlKipp, Lehrbuch der Pandekten, § 430, 8. Aufl., Frankfurt a.M. 1900, Bd. 2, S. 853 Fn. 1. 123 WindscheidlKipp (Fn. 122), § 431, S. 870 Fn. 18. 124 WindscheidlKipp (Fn. 122), § 431, S. 869. Bei der Geschäftsanmaßung spricht Windscheid aaO Fn. 17 vorsichtiger davon, daß die improba negotiorum gestio eine besondere Behandlung erfahren muß. 125 Vgl. hierzu Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung als Grundlagen und Grenzen des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung, 1973, S. 40ff., der Windscheids Lehre schon bei Savigny vorbereitet findet (vgl. auch aaO, S. 32). 126 WindscheidlKipp (Fn. 122), § 421, S. 812. 127 Schubert (Hg.), Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzebuchs, Schuldrecht, Teil 2, 1980 S. 938f.
§ 8 Die Pandektenwissenschaft und das BGB
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ihre Möglichkeit voraus und versieht Geschäftsanmaßung und vermeintliche Eigengeschäftsfiihrung mit bestimmten Rechtsfolgen. Dies gilt nicht erst fiir den Aufwendungsersatzanspruch, sondern schon fiir die Haftung des Geschäftsbesorgers gegenüber dem Geschäftsherm: Sie soll zwar ohne animus obligandi auskommen, jedoch vom Bewußtsein der Fremdheit des Geschäfts abhängig l28 und ohne sie auf die im Vermögen des Geschäftsfiihrers entstandene Bereicherung beschränkt sein. Der maßgebliche § 236 des Teilentwurfs lautet: "Hat Jemand in dem guten Glauben, sein eigenes Geschäft zu besorgen, ein fremdes besorgt, so haftet er dem Geschäftsherm nur insoweit, als er aus der Geschäftsfilhrung bereichert ist."
Daß der Geschäftsbesorger ohne Fremdgeschäftsfiihrungswillen vom regulären Aufwendungsersatzanspruch nach § 238 des Teilentwurfs ausgeschlossen ist, ergibt sich nicht aus dieser Vorschrift selbst. Es folgt aus § 243, der rur Geschäftsanmaßung und vermeintliche Eigengeschäftsfiihrung auf die Rechtsfolgen der unberechtigten Geschäftsfiihrung verweist. Um einen regelrechten Aufwendungsersatzanspruch zu zeitigen, bedarf sie gemäß § 242 Abs. 1 des Teilentwurfs der Genehmigung des Geschäftsherrn. Wird sie versagt, ist der Geschäftsfiihrer zum Aufwendungsersatz nach Abs. 1 S. 3 der gleichen Vorschrift nur insoweit berechtigt, als das Vermögen des Geschäftsherm bereichert ist: "Erfolgt die Genehmigung nicht, so hat der Geschäftsfilhrer auf Ersatz seiner Verwendungen und Auslagen und Befreiung von den übernommenen Verbindlichkeiten nur insoweit Anspruch, als sich Etwas aus der Geschäftsfilhrung in dem Vermögen des Geschäftsherm befindet."
Der beiderseitigen Beschränkung auf die im Vermögen des jeweils anderen vorhandenen Bereicherung liegt nicht die Einsicht zugrunde, daß ein solches Ergebnis schon durch die Antwort auf die Frage nach der utilitas der Geschäftsfiihrung vorgibt. Statt auf die inneren Gesetzmäßigkeiten der negotiorum gestio greift von Kübel auf eine externe Rechtfertigung zurück, wie sie in der Pandektenwissenschaft herrschend geworden ist: Als "Rechtsgrund" des Aufwendungsersatzanspruchs ist rur von Kübel neben dem Zusammenspiel der Willen von Geschäftsbesorger und Geschäftsherm nur noch die "Bereicherung" denkbar. \29 Daß der Begriff technisch, die Bereicherung im Sinne des Kondiktionenrechts gemeint ist, zeigt das Zitat von Windscheid, demzufolge ein dem Geschäftsfiihrer zustehender Anspruch auf Auskehr der beim Geschäftsherm eingetretenen Bereicherung nur "eine andere Form der condictio sine causa" sei. 130 Hält von Kübels Vorentwurf zumindest im Ansatz noch ein auf Bereicherungsfiißen stehendes Geschäftsfiihrungsrecht bereit, ist der bevorstehende Vgl. §§ 233, 235 TE und Schubert (Fn. 127), S. 956ff. Schubert (Fn. 127), S. 987. 130 Schubert (Fn. 127), S. 987. 128
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2. Kapitel: Die Entwicklung bis zur Kodifikation
Schritt ins Kondiktionenrecht so doch schon vorprogrammiert. Unternehmen wird ihn die erste BGB-Kommission. Ihr ist der naturrechtliche Weg zur actio de in rem verso versperrt. Den noch im Vorentwurf vorgesehenen Verwendungsanspruch beim Eintritt eines Vermögensvorteils aufgrund des unautorisierten Geschäftsabschlusses eines Zwischenmannes mit einem Dritten verwirft die Kommission aus "Kondiktionsgrundsätzen", nämlich weil die Rückabwicklung nicht auf andere Weise als in den Leistungsverhältnissen erfolgen soll. I3I Die Kommission erkennt zwar durchaus ein praktisches Bedürfuis für den Verwendungsanspruch, wenn der Mittelsmann, an den sich der Entreicherte wenden muß, zahlungsunflihig ist. \32 Ein Durchgriff gegen den Bereicherten ergäbe ,jedoch ein verwickeltes und äußerst unklares Verhältniß, ohne daß für den Dritten eine volkommene Hülfe erreicht würde. Jede positive Vorschrift müßte hiernach unzweckmäßig und unzureichend ausfallen.,,133 Dem beabsichtigten Vorrang der Bereicherungsdogmatik will die erste BGBKommission auch im hergebrachten Anwendungsbereich der negotiorum gestio Geltung verschaffen. Den Anspruch des Geschäftsführers, der entgegen dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn und ohne dessen nachträglich Genehmigung tätig geworden ist, nennt die Kommission nicht länger einen auf die vorhandene Bereicherung begrenzten Aufwendungsersatzanspruch. Nach § 758 E I hat der Geschäftsft1hrer unter diesen Umständen vielmehr nur einen regelrechten ,,Anspruch auf Herausgabe der Bereicherung". Die Kommission deutet ihn als condictio ob rem, weil der Geschäftsbesorger mit dem Ziel handele, eine Genehmigung seiner Geschäftsfilhrung durch den Geschäftsherrn zu erwirken. 134 Ist die nur im Ergebnis nützliche Geschäftsfilhrung so schon dem eigentlichen Geschäftsfilhrungsrecht entrückt, müssen Geschäftsanmaßung und vermeintliche Eigengeschäftsführung vollends ausgegliedert werden. Die Geschäftsanmaßung soll nach der ausdrücklichen Verweisung in § 761 Abs. 2 EI dem Deliktsrecht überlassen sein, dessen Regeln durch eine Haftung wegen Geschäftsfilhrung ohne Auftrag nicht unterlaufen werden dürften. 135 Auch die vermeintliche Eigengeschäftsfilhrung führt nicht mehr zu Geschäftsfilhrungsansprüchen, sondern erzeugt gemäß § 761 Abs. 2 E I eine Verpflichtung zur "Herausgabe der dem Einen oder Anderen aus der Geschäftsbesorgung zugegangenen Bereicherung", mithin einen gleichartigen Kondiktionsanspruch auf beiden Seiten. Mot. II, S. 872 = Mugdan II, S. 487. Mot. II, S. 872 = Mugdan II, S. 487. \33 Mot. II, S. 872 = Mugdan II, S. 488. 134 Mot. II, S. 866 = Mugdan II, S. 484. \35 Mot. II, S. 871 = Mugdan 487; vgl. auch die Protokolle bei Jakobs/Schubert (Hg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse II, 1983, S. 159. 13\
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§ 8 Die Pandektenwissenschaft und das BGB
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Das auf die Kombination von Fremdgeschäftsfuhrungswille und Interesse oder Genehmigung des Geschäftsherrn zusammengeschrumpfte Anwendungsfeld der negotiorum gestio läßt sich nun, wiederum in Abweichung von dem Vorentwurf, problemlos durch einen rein subjektiven Geschäftsfilhrungstatbestand erfassen. Auf Windscheids Antrag wird aus dem "Geschäft eines anderen", dessen Betrieb im Vorentwurf noch konstitutiv filr die Haftung des Geschäftsführers sein sollte, in § 749 E I die Geschäftsbesorgung "für einen anderen".136 Vermieden werden sollen dadurch eigentlich nur gewisse "objektive Beziehungen", die über den Fall der bewußten und vom Fremdgeschäftsführungswillen getragenen Geschäftsbesorgung hinausfuhren. 137 Da sich die erste Kommission bei der Feststellung eines "objektiv fremden Geschäfts" aber zugleich vor "große und kaum zu besiegende Schwierigkeiten" gestellt sieht,138 läßt sich die Entscheidung für die von Windscheid vorgeschlagene Formulierung nicht anders als eine solche für einen rein subjektiven Geschäftsführungstatbestand begreifen. 139 Dieser setzt sich auch bei der Beurteilung der Geschäftsführung im Drittauftrag durch. Gemäß § 760 E I soll sie anders als nach § 235 Abs. 2 des Vorentwurfs den Geschäftsbesorger dem Geschäftsherrn nur dann unmittelbar verbindlich machen, wenn dieser in der ,,Absicht gehandelt hat, als Geschäftsfuhrer des Geschäftsherrn" tätig zu werden. Durch diese Vorschrift, die eine Distinktion Windscheids aufhimmt l40 und von der zweiten Kommission später wegen ihrer vermeintlich geringen Relevanz ersatzlos gestrichen werden wird,141 ist die zentrale Bedeutung des Fremdgeschäftsführungswillens noch zusätzlich herausgestellt. Im offenbar unentdeckt gebliebenen Widerspruch hierzu steht dagegen die bedenkenlos aus dem Vorentwurf übernommene Vorschrift des § 757 E I. Sie erklärt den Irrtum des Geschäftsfilhrers über die Identität des Geschäftsherrn für unerheblich und setzt die Bestimmung des ausdrücklich so genannten "wirklichen Geschäftsfuhrers" voraus. Sie kann nur unabhängig von der Vorstellung des Geschäftsbesorgers erfolgen und bedingt damit eine objektive Festlegung der Geschäftszuständigkeit. Zu dieser Durchbrechung des Prinzips rein subjektiver Anknüpfung tritt im zweiten Entwurf des BGB eine andere: Während die vermeintliche Eigengeschäftsführung weiterhin vom Anwendungsbereich der Regeln über Geschäfts136 Vgl. Jakobs/Schubert (Fn. 135), S. 115. 137 Vgl. Jakobs/Schubert (Fn. 135), S. 116. 138 Mot. II, S. 856 = Mugdan II, S. 478. 139 So richtig Wittmann (Kap 1 Fn. 29), S. 60ff. und Reichard, AcP 193 (1993) 594ff. 140 141
WindscheidlKipp (Fn. 122), § 431 S. 865. Prot. Il, S. 741 = Mugdan II, S. 1202.
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2. Kapitel: Die Entwicklung bis zur Kodifikation
filhrung ohne Auftrag ausgenommen bleibt, sieht § 618 Ellwieder vor, daß die Geschäftsanmaßung, zumindest dann, wenn der Geschäftsherr dies wünscht, wie eine unberechtigte Geschäftsfilhrung ohne Auftrag behandelt wird. Ausschlaggebend filr die Rückkehr vom Delikts- in das Geschäftsfilhrungsrecht ist nicht nur die Beseitigung der deliktischen Generalklausel. Ihre Abschaffung hätte einen Geschäftsherrn, dem allein das Deliktsrecht zu Gebote. steht, mit dem Nachweis der Verletzung eines absoluten Rechts oder der Absicht sittenwidriger Schädigung belastet. 142 Hinzu kommt die Einsicht, daß das Recht der negotiorum gestio anders als das Deliktsrecht die Herausgabe eines vom Geschäftsbesorger erzielten Gewinns auch dann ohne weiteres zuläßt, wenn der Geschäftsherr ihn nicht selbst erwirtschaftet hätte. 143 Die Umsetzung dieser Erkenntnis im späteren § 687 Abs. 2 BGB macht ebenso wie die als § 673 BGB beibehaltene Regel von der Irrelevanz einer Fehlvorstellung über die Geschäftsherrnidentität die Feststellung eines objektiv fremden Geschäfts notwendig, den rein subjektiven Begriff der "Geschäftsbesorgung filr einen anderen" unzureichend. Der zweite Entwurf und die endgültige Fassung des BGB haben die pandektistische Tendenz zur Konzentration auf die willensgetragene Geschäftsfilhrung also bereits überwunden.
§ 9 Ergebnis Seit dem Mittelalter wendet sich die Rechtswissenschaft zunehmend von der Lehre der hoch- und spätklassischen römischen Juristen ab. Sie beschränkt den Anwendungsbereich der negotiorum gestio immer mehr auf die Geschäftsbesorgung mit Fremdgeschäftsfilhrungswillen und überweist die übrigen Fälle dem Bereicherungsrecht. Die Weichen hierfilr werden schon von den Glossatoren gestellt: Unverändert übernehmen sie lediglich die klassische Vorstellung, daß sich die Fremdheit eines Geschäfts aus seinen Wirkungen auf das Vermögen des Geschäftsherrn ergibt, sowie die Folgerung, daß das Rechtsverhältnis der negotiorum gestio mit einem Drittauftrag konkurrieren kann. l44 Nicht richtig rezipiert wird dagegen der Verzicht auf Fremdgeschäftsfilhrungswillen und -bewußtsein bei der erfolgreichen Geschäftsfilhrung. Zwar halten die Glossatoren mit dem ipso gestu zurechenbaren Geschäft filr die unbewußte oder angemaßte Fremdgeschäftsfilhrung sogar eine eigene Kategorie bereit. Sie filllen diese jedoch nicht aus, sondern deuten die Entscheidungen, in denen die klassischen Juristen von Fremdgeschäftsfilhrungswillen oder -bewußtsein absehen, so um, daß sich die
Prot. 11, S. 742 = Mugdan 11, S. 1202. Prot. 11, S. 743 = Mugdan 11, S. 1203. 144 Siehe oben § 5 111.
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§ 9 Ergebnis
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Lösungen entweder doch aus einer absichtlichen Fremdgeschäftsbesorgung oder aus einer unterstellten Genehmigung des Geschäftsherrn ergeben. 14S Dies geschieht keineswegs zufiillig, entspringt vielmehr der justinianischen Quasikontraktslehre. Ihr tragen die Glossatoren nicht nur durch ein allgemeines Genehmigungserfordernis auf Seiten des Geschäftsherrn, 146 sondern auch dadurch Rechnung, daß sie die Fälle, in denen das Willenselement auf der Seite des Geschäftsbesorgers fehlt, wenn nicht gar zu eliminieren, so doch zumindest zu isolieren trachten. Dabei gehen sie nicht nur konstruktiv zu Werke. Mit dem allgemeinen Bereicherungsverbot finden sie eine Entscheidungsgrundlage, welche die actiones negotiorum gestorum jenseits der absichtlichen Fremdgeschäftsruhrung als bloße Hülle rur ein Prinzip aus einem anderen Rechtsgebiet erscheinen läßt. 147 Bevor Naturrecht und Pandektenwissenschaft hieraus praktische Konsequenzen ziehen können, kommt die hoch- und spätklassische römische Lehre noch einmal ansatzweise im Werk von Donellus zur Geltung. Er entwickelt einen rein objektiven Begriff des fremden Geschäfts, das dem Geschäftsherrn durch die Wirkung auf sein Vermögen zugeordnet ist, und stellt ihn als regelmäßigen Anwendungsfall dem Willenszusammenspiel von Geschäftsbesorger und Geschäftsherrn zur Seite. 148 Die Unsicherheiten, die Donellus im Umgang mit dieser Kategorie zeigt, mögen der Grund dafilr gewesen sein, warum sich seine Lehre nicht durchgesetzt hat. Wirkungsträchtiger ist die Arbeit Cujaz'. Zwar ruhrt ihn seine Kritik am System der Glosse nur geringfUgig darüber hinaus. Er stellt jedoch den bis ins 19. Jahrhundert beachteten Satz auf, daß der Erlösauskehranspruch des Geschäftsherrn anders als seine Verpflichtung zum Aufwendungsersatz keiner absichtlichen FremdgeschäftsfUhrung bedarf. 149 Dieser Satz kann als Geltungsgrund von vornherein nur eine falsche Abstraktion aus den Quellen fUr sich in Anspruch nehmen. Da ihm zudem die Basis im Konzept der negotiorum gestio fehlt, muß er allmählich den Folgerungen weichen, welche die spätere Rechtswissenschaft aus der gedanklichen Verbindung mit dem Bereicherungsverbot zieht. Schon in der Glosse hergestellt, kommt diese Verknüpfung zur vollen Ausprägung im Werk von Faber. lso Er erklärt die Geschäftsruhrungsklagen, die ohne FremdgeschäftsfUhrungswille oder -bewußtsein auskommen, zu actiones utiles und Produkten des Satzes, daß sich niemand auf Kosten eines anderen bereichern darf. Damit begründet er nicht nur eine einflußreiche
Siehe oben § 5 H. Siehe oben § 5 I. 147 Siehe oben § 5 H. 148 Siehe oben § 6 III. 149 Siehe oben § 6 I. 150 Siehe oben § 6 II. 145
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2. Kapitel: Die Entwicklung bis zur Kodifikation
Tradition in der gemeinrechtlichen Lehre, sondern weist der gesamten künftigen Rechtswissenschaft die Richtung ins Bereicherungsrecht. Den Umweg über die actio de in rem verso nimmt die profane Naturrechtsbewegung. Während ihr Wegbereiter der negotiorum gestio noch den naturrechtlichen Gehalt abspricht,ISI findet Christi an Wolff diesen wieder in dem vertragsähnlichen Zusammenspiel der Absichten und Interessen von Geschäftsbesorger und Geschäftsherrn. ls2 Ihm ist auch die Regelung der gestion d'ajJaires im Code civil ls3 und ABGB verpflichtet, während das ALR dem Bereicherungsverbot durch einen verobjektivierten Begriff der Geschäftsbesorgung Rechnung tragen Will. IS4 Gemeinsam ist allen naturrechtlichen Lehren und Gesetzbüchern der Zusammenhang mit der actio de in rem verso. Sie erscheint bei Grotius mit einem klassischen Anwendungsfall der negotiorum gestio verbunden und wird in der Folge der Fluchtpunkt rur die Bewältigung aller hiervon nicht mehr abgedeckten Konstellationen. Im Geltungsbereich des Code civil kann sie diese Rolle allerdings erst nach ihrer richterrechtlichen Wiedereinfilhrung gegen Ende 19. Jahrhunderts übernehmen, filllt sie dann aber ebenso aus wie in den übrigen naturrechtlichen Systemen. Die gemeinrechtliche Wissenschaft, die zunächst hinterherhinkt, kommt bald zu einem ähnlichen Ergebnis: Sie differenziert zwischen dem eigentlichen Anwendungsbereich der negotiorum gestio, der in der absichtlichen Fremdgeschäftsbesorgung liege, und den Fällen, in denen die Geschäftsfilhrungsklagen nur die äußere Form filr einen bereicherungsrechtIichen Mechanismus bilden. ISS Um diese Erkenntnis umzusetzen, kann die Pandektenwissenschaft anders als das Naturrecht direkt auf die Bereicherungsklage zugreifen. Als fortentwickelte condictio sine causa deckt sie auch den unberechtigten Eingriff ab und ist nicht mehr auf die bloße Rückabwicklung einer Vermögensverschiebung vom Gläubiger zum Schuldner festgelegt, so daß sie sich auch als Mittel zur Gewinnabschöpfung eignet. Die unbewußte und eigennützige Fremdgeschäftsllihrung wird im ersten Entwurf des BGB folglich aus dem Geschäftsbesorgungsrecht verbannt. Sein rein subjektiver Begriff der Geschäftsfilhrung "filr einen anderen" wird zunächst nur durch die Regel von der Irrelevanz des Irrtums über die Geschäftsherrnidentität, im zweiten Entwurf des BGB und seiner endgültigen Fassung dann auch durch die reintegrierte Bestimmung über die Geschäftsanmaßung relativiert. 1s6 Hierin kommen erstmals die Unzulänglichkeit des subjektiven Geschäftsfilhrungsbegriffs und des voreiligen Schlusses von der bereicheSiehe oben § 7 I. Siehe oben § 7 11. IS3 Siehe oben § 7 III. IS4 Siehe oben § 7 IV. ISS Siehe oben § 8 I. I S6 Siehe oben § 8 11. ISI
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§ 9 Ergebnis
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rungsabwehrenden Aufgabe auf die systematische Stellung des Geschäftsfilhrungsrechts zum Ausdruck.
Drittes Kapitel
Die Folgen des subjektivierten Geschäftsführungsbegriffs § 10 Überforderte Bereicherungsdogmatik Durch die Kodifikation von den Fällen mangelnden Fremdgeschäftsbesorgungswillens befreit, bleibt die GeschäftsfUhrung ohne Auftrag natürlich ein lebensfähiges Rechtsinstitut. Die Verwerfungen, die seine Bindung an den FremdgeschäftsfUhrungswillen hervorruft, zeigen sich weniger in seinem fortbestehenden Anwendungsbereich als vielmehr im Bereicherungsrecht. Um mit seiner Hilfe die aus dem GeschäftsfUhrungsrecht ausgegrenzten Fälle bewältigen zu können, mUs sen der jeweils zuständige Kondiktions- oder Versionsanspruch von RUckforderungsrechten zu Abschöpfungsinstrument gemacht werden. Befriedigen können die Ergebnisse weder im Geltungsbereich des französischen Code civil noch unter ABGB oder BGB. I. EnTichissement sans cause im französischen Recht
Kein ausgeprägtes Bewußtsein fUr das Transformationsproblem hat die Praxis zum Code civil entwickelt: Die richterrechtlich aus der actio de in rem verso entwickelte Haftung fUr enrichissement sans cause, die an die Stelle der gestion d'affaires anormale getreten ist, J deckt nur einen Teil der hiervon ursprUnglich erfaßten Fälle ab. Seitdem die actio de in rem verso zu einem streng subsidiären Institut ausgebildet wurde,2 tritt sie regelmäßig hinter der Deliktshaftung zurück, die im Fall des Verkaufs einer fremden Sache sogar exklusiv zuständig ise und eine Gewinnabschöpfung mit Hilfe einer am Verletzergewinn orientierten Schadensberechnung ermöglicht4 • Nur die verbleibenden Fälle schuldloser Bereicherung durch Nutzung oder Verbrauch fremder RechtsgUter werden als enrichissement sans cause sanktioniert. Voraussetzung sind außer dem rechts-
Siehe oben § 7 III. Cass. civ. 12.5.1914, S. 1918.1.11. 3 Marx (Kap. 2 Fn. 70), S. 141fT. 4 Marx (Kap. 2 Fn. 70), S. 107fT. J
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§ 10 Überforderte Bereicherungsdogmatik
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grundlosen Vermögensvorteil des Schuldners eigentlich die Entreicherung des Klägers und die Kausalität von enrichissement und appauvrissement. Beide Merkmale gelten, von den Fällen einer Bereicherung durch Eintritt eines Zwischenmannes abgesehen, aber zumeist ohne weiteres als erfllllt. Der enrichissement des Schuldners wird als manque d'augmentation zum unmittelbar konnexen appauvrissement des Gläubigers erklärt und im Regelfall ohne die konkrete Untersuchung bejaht, ob der Bereicherungsgläubiger den vom Bereicherungsschuldner erzielten Vorteil auch selbst erwirtschaftet hätte oder hätte erwirtschaften können. s Es sind also der weite Deliktstatbestand und bloße begriffliche Abstraktion, die in Frankreich verbergen, was in Österreich und Deutschland Gegenstand dogmatischer Konstruktion und Kontroverse ist, nämlich die Frage, wie überhaupt der Wandel einer eigentlich auf Rückerstattung gerichteten Bereicherungsklage in ein Mittel zur Gewinnabschöpfung gelingen kann. 11. Der Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB Daß die actio de in rem verso, obgleich zu einem Verwendungsanspruch verallgemeinert, fllr sich genommen, noch keine hinreichende Basis fllr eine Gewinnabschöpfung bietet, macht der Wortlaut von § 1041 ABGB deutlich. Danach kann der Inhaber einer Sache, die ohne Geschäftsfllhrungsabsicht zum Nutzen eines anderen verwendet worden ist, die Sache selbst oder ihren Wert im Zeitpunkt der Verwendung verlangen. Den Nutzen, den die Verwendung fllr den Anspruchsgegner hat, nennt § 1041 ABGB nur als unbeachtlichen Umstand, der ohne Einfluß auf Bestand und Höhe des Verwendungs anspruchs sein soll. Nichtsdestoweniger hat ihn der OGH6 zum Anspruchsziel bestimmt,7 indem er dem Eigentümer einer Sache, die von einem Nichtberechtigten veräußert worden war, bescheinigte, einen Anspruch auf den erzielten Kaufpreis zu haben. Zu dieser Wandlung des Nutzens vom Negativrnerkmal zum Anspruchsinhalt kommt ein weites Verständnis des gesetzlichen Begriffs der "Sache", die alle wirtschaftlichen Werte bis hin zu einer Kundenkartei treffen soll. 8 Gemein5 Vgl. zum Beispiel Cass. corno 16.7.1968 BuB. civ. IV, Nr. 243: L 'occupant d'un fonds de commerce, en vertu d 'un contrat de gerance !ibre puis d 'une promesse de vente, peut etre condemne bien que de bonne foi, cl verser cl un precedent acquereur, une indemnite d 'occupation fondee sur I 'enrichissement sans cause des lors qu 'jJ n 'existe aucun lien de droit entre les parties, qu 'en raison de la nullite du contrat de gerance /ibre, il est devenu occupant sans droit ni titre et a beneficie d 'un enrichissement sans cause du fait des avantages que cette exploitation lui a va/us, enrichissement ayant eu pur contrepartie la privation de jouissance souffert par le veritable acquereur et son appauvrissement subsequent. 6 SZ 27/286. 7 Ebenso Klang/Stanzl, ABGB, Bd. IV 1,2. Aufl., 1968, § 1041 Anrn. E JU . 8 OGH, SZ 55/37.
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3. Kapitel: Die Folgen des subjektivierten Geschäftsführungsbegriffs
sam bilden sie die Hebel, um § 1041 ABGB entgegen seinem Wortlaut als umfassendes Instrument der Gewinnabschöpfung zu deuten. Die theoretische Basis fitr diese Erweiterung des Verwendungsanspruchs hat Wilburg mit seiner bekannten Lehre vom Zuweisungsgehalt geliefert. Er sieht in § 1041 ABGB zwei völlig verschiedene Ansprüche ohne gemeinsamen Kern geregelt, den Versionsanspruch ex contractu alieno, den die neuere österreichische Lehre wegen der Ausbildung des Stellvertretungsrechts sogar fitr obsolet hält,9 und die Rechtsfortwirkungsklage. lo In ihr lebten das Eigentum oder andere absolut geschützte Rechtspositionen ihrem Zweck nach und in schuldrechtlicher Gestalt fort. I I Anspruchsgrundlage sei der Zuweisungsgehalt der verletzten Rechtsposition, der eine Zuordnung des Nutzens an ihren Inhaber ge- und den Verbleib beim Verwendungsschuldner verbiete. 12 Auch Wilburgs Lehre gerät in Konflikt mit dem Wortlaut von § 1041 ABGB. Mit ihm läßt sie sich allenfalls dann vereinbaren, wenn man als "Sache" im Sinne des Gesetzes außer oder statt der beeinträchtigten Rechtsposition selbst deren Nutzen versteht. Daß er einem anderen als dem Adressaten des Zuweisungsgehalts zufließt, zeitigte dann die gewünschte Rechtsfolge der Vorteilsabschöpfung in natura oder im Wege des Wertersatzes. Das Problem dieser Interpretation, die nicht etwa die angeordnete Rechtsfolge, sondern lediglich den Tatbestand von § 1041 ABGB umdeuten muß, liegt in der Entwertung der gesetzlichen Aussage zu einer bloßen Leerformel. Denn Eigentümer im Sinne des Gesetzes wäre jetzt nicht mehr der Sachinhaber, sondern der Zuweisungsadressat; und die gesetzliche Aussage reduzierte sich so auf den Satz: Wem etwas zugewiesen ist, der soll es auch bekommen. Die von Wilburg angestrebte Rechtfertigung des Verwendungsanspruchs aus der verletzten Rechtsposition wäre damit wiederum ohne Anhalt im Gesetz. Bleibt man seinem Wortlaut treu, widersetzt es sich jeglicher Konstruktion einer Abschöpfung des Eingriffsvorteils als Anspruchsinhalt.
III. Die Eingriffskondiktion nach § 812 BGB Nicht wesentlich anders ist die Situation in Deutschland, wo Wilburgs Lehre ebenso nachhaltig gewirkt hat wie in Österreich. Konkurrenz bietet ihr hier leV gl. Apathy (Kap. 2 Fn. 82), S. 81ff., 95f. Wilburg (Kap. 2 Fn. 84), S. 73ff. II Wilburg (Kap. 2 Fn. 84), S. 29, 49. 12 Wilburg (Kap. 2 Fn. 84), S. 28. Zustimmend Apathy (Kap. 2 Fn. 82), S. 20ff., 46 und Koziol/Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts, Bd. I, 10., 1995, S. 417, 423f., die ebenso wie Rummel, ABGB, § 1041 Rn. 15 in Analogie zu § 417 ABGB die Haftung des redlichen Schuldners auf den Verkehrswert der Sache oder des gezogenen Nutzens begrenzen wollen. 9
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§ 10 Überforderte Bereicherungsdogmatik
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diglich das zuvor von Fritz Schulz entworfene ,System der Rechte auf den Eingriffserwerb',13 das auch nach der Verbreitung von Wilburgs Ansicht Verteidiger gefunden hat. 14 Anders als Wilburg geht Schulz nicht von dem verletzten
Recht und seiner Fortexistenz in Früchten oder Surrogaten,IS sondern von der Verletzungshandlung aus . 16 Sie soll über den Satz wirken, daß niemand aus Unrecht Gewinn ziehen dürfe. I? Das Recht auf den Eingriffserwerb ergebe sich dann als Umkehrung der Schadensersatzidee: Nicht im Vermögen des Verletzten, sondern im Vermögen des Verletzers solle kraft Bereicherungsrechts der Zustand hergestellt werden, der ohne den Eingriff eingetreten wäre. 18 Wilburg
attestiert dem von Schulz so begründeten Anspruch auf Herausgabe des Nutzungserfolgs den Charakter einer Strafe, die zumindest beim schuldlosen Eingreifer keine Berechtigung habe. 19 Das Recht auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung nach § 812 Abs. I S. 1 2. Alt. BGB, das bei einem Eingriff in absolute und durch Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB gewährleistete Rechtspositionen begrUndet sei/o versteht Wilburg ebenso wie die Klage aus § 1041 ABGB als Anspruch auf Herausgabe des Verwendungserfolgs. 21 Die gesetzliche Ausgangslage filr Schulz' und Wilburgs Lehre ist in Deutschland zwar insofern günstiger, als § 816 BGB ausdrücklich die Herausgabe des Erlöses nach Eingriff in fremdes Eigentum durch wirksame Veräußerung und nach Verletzung fremder Forderungsrechte durch Einzug mit Erfilllungswirkung vorsieht. Für Ansprüche auf Gewinnabschöpfung über diese Fälle hinaus bedeutetjedoch der Wortlaut von § 812 Abs. 1 S. 1 BGB ein gravierendes Hindernis, weil er eine Bereicherung des Kondiktionsschuldners "auf Kosten" des Kondiktionsgläubigers verlangt. Für eine ausdehnende Interpretation dieses Merkmals kann Schuli 2 zwar auf die Intention der Verfasser des zweiten BGB-Entwurfs verweisen, welche die Wendung "auf Kosten" anstelle der Formulierung "aus dem Vermögen" gerade einrugten, um Fälle zu erfassen, in denen der Kondikti-
AcP 105 (1909), S. lff. Vor allem Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung in der Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 1964. \S AcP 105 (1909), S. 444f. \6 Hier setzt die Kritik von Wilhelm (Kap. 2Fn. 125), S. 79ff. an, der an die Stelle der widerrechtlichen Handlung das widerrechtliche Haben setzen will und sich so auf Wilburgs Lehre vom Zuweisungsgehalt zubewegt. \7 AcP 105 (1909), S. 440, 443. \8 AcP 105 (1909), S. 445. \9 Wilburg (Kap. 2 Fn. 84), S. 26. 20 Wilburg (Kap. 2 Fn. 84), S. 35ff. 2\ Wilburg (Kap. 2 Fn. 84), S. 114, 122. 22 AcP 105 (1909), S. 441. \3
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3. Kapitel: Die Folgen des subjektivierten Geschäftsfilhrungsbegriffs
onsschuldner mehr erhalte, als der Gläubiger hatte. 23 Schulz muß jedoch selbst einräumen, daß die Schöpfer des BGB, die auch Zweifel daran hatten, ob § 816 BGB einen Regel- oder Ausnahmefall des Bereicherungsrechts statuiert,24 das von Schulz gefundene Prinzip "nicht klar erkannt" und auch "nicht richtig zum Ausdruck gebracht" hätten. 25 Denn "auf Kosten" könne eigentlich nichts anderes bedeuten, als daß sich der Gewinn auf der einen und der Verlust auf der anderen Seite decken müßten.26 Unabhängig davon, ob man sich rur Schulz' oder Wilburgs Lehre entscheidet, steht der deutsche Gesetzestext einer bereicherungsrechtlichen Konstruktion der Gewinnabschöpfung also nicht minder im Wege als der österreichische oder die französische Doktrin des enrichissement sans cause. Es nimmt daher keineswegs wunder, daß v. Caemmerer, der maßgeblich zur Verbreitung von Wilburgs Lehre in Deutschland beigetragen hat, ihr zugleich die Pointe raubte, indem er den Bereicherungsanspruch aus dem Zuweisungsgehalt auf den Wert des verletzten Gegenstands beschränken und nicht auf den erzielten Gewiim ausdehnen will. 27 Was in dieser als Zustimmung getarnten Abkehr von Wilburgs Ansicht zum Ausdruck kommt, ist nichts anderes als die Treue gegenUber der gesetzlichen Grundlage, in welcher der Bereicherungsanspruch, von den Konstellationen des § 816 BGB abgesehen, als reines Rückforderungsrecht ausgestaltet ist. Diese Einsicht schwingt, wie Jakobs bei der Verteidigung von Schulz ' Auffassung erkannt hat,28 in Wilburgs eigener Lehre noch im Gewand des Surrogationsgedankens mit. Er ist überhaupt nur sinnvoll, wenn es darum geht, den Anspruch auf den Eingriffserwerb als Anspruch auf Rückgewähr des vom Eingriff betroffenen Gegenstands erscheinen zu lassen. Daß der Kondiktionsanspruch ein Rückforderungsrecht und keine Gewinnabschöpfung zuläßt, ist nicht nur gesetzliche Vorgabe, sondern hat jenseits von ihr auch seinen guten Grund: Will man das Bereicherungsrecht zur Gewinnabschöpfung einsetzen, endet dieser Versuch zwangsläufig in einer Tautologie. Der Begriff des Zuweisungsgehalts ist nicht nur und keineswegs zufällig verschwommen?9 Er bemäntelt nämlich lediglich, daß ebenso wie auf der Grund23 V gJ. Prot. II, S. 685 = Mugdan II 1171. Daß die zweite Kommission so nur aussprach, was die erste schon im Sinn hatte, behauptet Wilhelm (Kap. 2 Fn. 125), S. 53, 56. 24 VgJ. Mot. I1I, S. 224 = Mugdan I1I, S. 124 (zu § 839 E I als Vorgänger von § 816 BGB). 25 AcP 105 (1909), S. 441. 26 AcP 105 (1909), S. 478. Anders Jakobs (Fn. 14), S. 64, der "auf Kosten" im Sinne von Schulz als "unter Verletzung des Rechts eines anderen" versteht. 27 v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, FS Rabel I, 1954, S. 333, 356. 28 Jakobs (Fn. 14), S. 55. 29 So die Kritik von Jakobs (Fn. 14), S. 115ff.
§ 11 Vorteilsabschöpfung beim Drittauftrag
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lage von Schulz' Rechtswidrigkeitslehre im konkreten Fall bloß deshalb ein Anspruch gewährt wird, weil er gewährt werden soll. Ist jemand Inhaber einer bestimmten Rechtsposition, sagt dies nämlich noch nichts darüber aus, ob ihm auch ein Gewinn gebührt, den ein anderer unter Ausnutzung dieser Position erzielt. Wird dem Inhaber der Rechtsposition im Einzelfall der Gewinn zugewiesen, so geschieht dies erst durch Gewährung des Kondiktionsanspruchs, der durch die Feststellung des Zuweisungsgehaltes aber gerade begründet werden soll. Zuweisungsgehalt und Rechtswidrigkeit sind gleichermaßen Leerformeln, die eine Entscheidung filr die Gewinnabschöpfung im Einzelfall nicht ergeben, sondern schon voraussetzen. Sie beweisen, daß das Bereicherungsrecht mit der Aufgabe der Gewinnabschöpfung überfordert ist.
§ 11 Vorteilsabschöpfung beim Drittauftrag I. Der Sonderweg der deutschen Rechtsprechung In der Frage, welchen Einfluß die Verpflichtung des Geschäftsbesorgers gegenüber einem Dritten oder die Annahme einer solchen Verpflichtung haben, hat die deutsche Rechtsprechung einen Sonderweg beschritten und sich in Gegensatz zur Praxis von Code civil und ABGB gestellt. Diese lassen einen Rückgriff auf die Regeln über Geschäftsfilhrung ohne Auftrag grundsätzlich nicht zu: Ergibt sich das Erfordernis des Fremdgeschäftsfilhrungswillens noch unmittelbar aus Art. 1372 des Code civil, hat die französische Praxis den Geltungsbereich der Regeln über die gestion d'affaires darüber hinaus durch das Merkmal der spontaneite eingeschränkt. 3o Ausschlaggebend war ebenso wie bei der Besinnung auf den Fremdgeschäftsfilhrungswillen als konstitutivem Element der gestion d'affaires wiederum die richterrechtliche Einfilhrung der actio de in rem verso als allgemeiner Bereicherungsklage. 31 Das Erfordernis der spontanei-
30 Aynes/Maiaurie/StojfeI-Munck (Kap. 2 Fn. 62), Nr. 1064. Die Praxis zum Code civii kann sich hierfilr durchaus auf die gesetzgeberischen Absichten berufen; vgl. Tarrible, Discours vom 9.2.1803, Locre (Kap. 2 Fn. 63), Bd. XIII, S. 52f.: La gestion des affaires d 'autrui est gratuite par sa nature, lors meme qu 'elle se fait en eXEkution d 'un mandat expres de la part du proprietarie; elle doit I'etre, plus forte raison, Iorsqu 'elle part d'un mouvement spontane de Ia part du gerant. Sie bricht so wiederum mit der Ansicht Pothiers, der im Drittauftrag kein Hindernis filr die Gewährung der actiones negotiorum gestorum im Verhältnis von Geschäftsftihrer und Begünstigtem sieht; vgl. Traite du contrat de mandat (Kap. 2 Fn. 68), Nr. 179: La gestion que j'ai faite de votre ajfaire sans votre ordre, forme entre nous Ie quasi-contrat negotiorum gestio, soit que je I'aie faite sans en avoir re9u I'ordre de personne, soit que je I'aie faite par I'ordre d 'un tiers; ... 31 Vgl. oben § 7 III, zur Rechtslage davor Cass. req. 5.7.1875, D.P. 1876.1.78, zur heutigen Rechtslage Cass. civ. 29.10.1962, BuH. civ. I, Nr. 446, Cass. soc. 11.10.1984,
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te schließt nicht nur eine Konkurrenz von Geschäftsfiihrungsrecht und vertragli-
cher Verpflichtung im Zweipersonenverhältnis aus, sondern steht auch einer Anwendung der Bestimmungen über die gestion d'affaires beim Drittauftrag oder einer nur vermeintlichen Verpflichtung entgegen. 32 Ähnlich ist die Praxis des österreichischen ABGB, dessen Regeln über die Geschäftsfilhrung ohne Auftrag keine Geltung beanspruchen sollen, wenn der Geschäftsbesorger aufgrund einer eigenen vertraglichen oder gesetzlichen Verpflichtung - und bestehe sie bloß kraft des Vertrags mit einem Dritten33 - tätig wird. 34 Handelt der Geschäftsfilhrer in der Annahme einer in Wirklichkeit nicht bestehenden Verpflichtung, will zumindest die Literatur eine Beurteilung nach den Vorschriften über Geschäftsfilhrung ohne Auftrag nicht kategorisch ausschließen, aber auch nur dann zulassen, wenn das vermeintliche Geschäft unentgeltlich ist,35 der Geschäftsbesorger also auch bei Kenntnis seiner Unwirksamkeit tätig geworden wäre36 . Ein praktisch relevanter Anwendungsbereich bleibt filr die Bestimmungen über Geschäftsfilhrung ohne Auftrag unter diesen Umständen nicht. Völlig verschieden ist die Haltung der deutschen Gerichte: Von einem objektiv fremden Geschäft, das die Basis filr die Vermutung eines Fremdgeschäftsfilhrungswillens bildet, gehen sie auch dann aus, wenn der Geschäftsbesorger in Erfilllung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung 37 oder einer privatrechtlichen Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten38 tätig wird. Nichts anderes soll gelten, wenn sich der Geschäftsfilhrer zur Geschäftsbesorgung wegen eines unwirksamen Vertrags filr verpflichtet wähnt. 39 Grundlage dieser Rechtsprechung ist der auch in Frankreich unbestrittene40 Satz, daß die Kumulation von Eigenund Fremdinteresse der Annahme einer auftrags losen Geschäftsfilhrung nicht hinderlich ist. Er gestattet es, das Eigeninteresse des Geschäftsbesorgers an der Erfilllung der wirklichen oder vermeintlichen Verpflichtung bei der Feststellung des Fremdgeschäftsfiihrungswillens außer Acht und den Geschäftsherrn auch Bull. civ. V, Nr. 369.und zur Entwicklung nach Anerkennung der Verpflichtung wegen enrichissement sam cause Bout (Kap. 2 Fn. 62), NT. 92ff., S. 98ff. 32 Bout (Kap. 2 Fn. 62), Nr. 110ff., S. 128ff., der auch kritisch auf gewisse Schwankungen in der Rechtsprechung hinweist und Ausnahmen von dem Grundsatz feststellt, die jedoch nicht ausdrücklich, sondern allenfalls beiläufig gemacht werden. 33 Vgl. Meissel (Kap. 2 Fn. 80), S. 75. 34 Vgl. OGH, SZ 24/279. 35 Rummel Rn. 6. 36 Meissel (Kap. 2 Fn. 80), S. 219. 37 BGHZ 40, 28, 31. 38 BGHZ 143,9, 13f. 39 BGHZ 37, 258, 263,39, 87, 90,101,393,399,143,9,16, NJW 1997,47,48. 40 Vgl. Cass. com. 16.11.1976 Bull. civ. IV, Nr. 291 und Aynes/Malaurie/StojfelMunck (Kap. 2 Fn. 62), Nr. 1028.
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dann auf Aufwendungsersatz haften zu lassen, wenn der Geschäftsfilhrer vornehmlich eine wirklich oder nur vermeintlich geschuldete Leistung erbringen will.
11. Die deutsche Rechtslehre und ihre Kritik Die Haltung der deutschen Rechtslehre ist bestimmt durch die Entscheidung filr oder gegen einen rein subjektiven Begriff der Fremdgeschäftsfilhrung. Die Vorschriften des BGB sind, wie gezeigt, filr beide Wege offen: Einerseits spricht § 677 BGB nur von der Geschäftsbesorgung "filr einen anderen" und soll nach der Intention seiner Verfasser einer Definition der Geschäftsbesorgung über den Fremdgeschäftsfilhrungswillen den Boden bereiten. Andererseits setzen §§ 686 und 687 BGB mit den Begriffen des "wirklichen Geschäftsherm" und des "fremden Geschäfts" eine objektive Bestimmung der Geschäftszuständigkeit ohne Rücksicht auf die Vorstellung des Geschäftsbesorgers voraus. Dieser ambivalente Befund läßt sich entgegen Reicharct l auch nicht dadurch in Abrede stellen, daß man die Regelung der Geschäftsanmaßung in § 687 Abs. 2 BGB zur bloßen Wiederholung der Bestimmung über die verschärfte Bereicherungshaftung nach § 819 BGB deklariert. 42 Zwischen der Haftung eines bösgläubigen Kondiktionsschuldners aus Eingriffskondiktion und dem, der sich ein fremdes Geschäft zu eigenem Nutzen anmaßt, besteht, wie Jakobi 3 und Ebert44 erkannt haben, zumindest ein gravierender Unterschied: Wer sich gemäß § 687 Abs. 2 BGB als Geschäftsfilhrer ohne Auftrag behandeln lassen muß, hat nicht nur den erzielten Gewinn und dessen Früchte herauszugeben, sondern haftet nach § 677 BGB schon auf den erzielbaren Gewinn. 4s Der Erst-recht-Schluß, den Ulpian in D 3.5.5.5 vorfilhrt, trifft damit durchaus die heutige Gesetzeslage: 46 Wer wissentlich ein fremdes Geschäft zum eigenen AcP 193 (1993) 599f. Anders Wenckstern, Die Geschäftsanmaßung als Delikt, AcP 200 (2000) 240, 243, 258ff., der die Oewinnabschöfpung bei Oeschäftsanmaßung im Anschluß an die Erwägungen der ersten BOB-Kommission dem Deliktsrecht zuweisen will. 43 Eingriffserwerb (Fn. 14), S. 102. 44 Oeschäftsanmaßung (Kap. 2 Fn. 94), S. 236ff., 358. 45 Einen weiteren Unterschied zwischen Geschäftsfilhrungs- und Bereicherungsrecht will Ebert (Kap. 2 Fn. 94), S. 311 darin erkennen, daß der Schuldner der Ansprüche aus § 687 Abs. 2 BOB anders als das Subjekt einer bereicherungsrechtlichen Oewinnhaftung und der sogenannten dritten Schadensberechnungsmethode auch den auf eigenen Beiträgen beruhenden Gewinn herausgeben muß und nicht auf einer Verteilung nach den Erlösfaktoren bestehen darf. Eine solche kann er jedoch indirekt über den Bereicherungsanspruch aus § 684 S. 1 BOB erzwingen. Dieser läßt an der These von Ebert, S. 71fT., 359 zweifeln, die einschneidenden Rechtsfolgen von § 687 Abs. 2 BOB rechtfertigten den hohen Verschuldensgrad, den diese Vorschrift verlangt. 46 So Ebert (Kap. 2 Fn. 94), S. 175ff. gegen Reichard, AcP 193 (1993) 598. 41
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Nutzen fUhrt, soll diese Absicht nicht ins Feld fUhren können, um der Haftung zu entgehen, die ohne weiteres schon den GeschäftsfUhrer ohne Auftrag trifft, der im Interesse eines anderen tätig wird. Ist das objektiv fremde Geschäft demnach nicht als Bestandteil der gesetzlichen Regelung hinwegzudeuten, liegt es nahe, diese Figur mit Wol/schläger47 auch dann fruchtbar zu machen, wenn es darum geht, den Begriff der Geschäftsftlhrung "ftlr einen anderen" auszuftlilen. Der Fremdgeschäftsftlhrungswille wird so zu einem bloß "abhängigen" Tatbestandsmerkmal. 48 Entscheidend ist dann die objektive Zuständigkeit ftlr den Geschäftsgegenstand,49 die Wollschläger anderen Normen außerhalb des GeschäftsfUhrungsrechts entnehmen will und die ja auch die Rechsprechung zum Ausgangspunkt ihrer Feststellungen zum Fremdgeschäftsftlhrungswillen macht. 50 Sie sind zumeist weniger Ausfluß dieser Vermutung als vielmehr schlicht fiktiv. 51 Nicht minder berechtigt ist freilich die Gegenansicht, die dem Konzept der ersten BGB-Kommission folgt und den Begriff des objektiv fremden Geschäfts auf den Sondertatbestand der Geschäftsanmaßung in § 687 Abs. 2 BGB beschränkt sieht. Ihr hängen Wittmann 52 , Gursky53 und Reicharcf'4 an, die sich auf den Wortlaut von § 677 BGB und darauf berufen, daß die zweite BGBKommission nicht grundlegend von den gesetzgeberischen Absichten der ersten abgewichen ist. Für Gursky55 und Reicharcf'6 manifestiert sich im gesetzlichen Produkt das Konzept einer nichtvertraglichen Willensübereinstimmung, wie es schon der justinianischen und gemeinrechtlichen Quasikontraktslehre entspringt.57 Ähnlich ist die Auffassung von Schuberr 8, der im Anschluß an Kohlers Deutung der gemeinrechtlichen negotiorum gestio 59 auch in den Bestimmungen des BGB den Gedanken der Menschenhilfe am Werke sieht. Die ablehnende Haltung gegenüber einer Kumulation von Geschäftsftlhrungsrecht und Geschäftsfiihrung ohne Auftrag: Theorie und Rechtsprechung, 1976, S. 45. Wollschläger (Fn. 47), S. 72f. 49 Wollschläger (Fn. 47), S. 57ff. 50 Für die Kombination von objektivem und subjektivem Fremdgeschäftsbegriff ist im Grundsatz auch MünchKomm-Seiler, § 677 BGB Rn. 15, 18. 51 Wollschläger (Fn. 47), S. 48, Helm, Geschäftsfiihrung..ohne Auftrag, in: Bundesminister der Justiz (Hg.), Gutachten und Vorschläge zur Uberarbeitung des Schuldrechts, 1983, Bd. 3, S. 335, 395ff., MünchKomm-Seiler, § 677 BGB Rn. 10. 52 Begriff und Funktionen (Kap. 1 Fn. 29), S. 38f., 63. 53 AcP 185 (1985) 13, 14, 18. 54 AcP 193 (1993) 567,568. 55 AcP 185 (1985) 27. 56 AcP 193 (1993) 584. 57 Anders dagegen Wittmann (Kap. 1 Fn. 29), S. 124f. 58 AcP 178 (1978) 436. 59 Vgl. oben § 81. 47 48
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echter oder vermeintlicher Drittverpflichtung ist bei diesem rein subjektiven Konzept der auftrags losen Geschäftsfilhrung vorgegeben. 60 Kommt es allein auf den Fremdgeschäftsfiihrungswillen als Element eines Quasikontrakts oder Ausprägung altruistischer Gesinnung an, muß mit ihm auch die Zuständigkeit des Geschäftsfiihrungsrechts entfallen, wenn der Geschäftsbesorger eine echte oder bloß angenommene Verbindlichkeit erfiillen will. Außer der zweifelhaften Begründung aus dem gesetzlichen Leitbild der Geschäftsfiihrung ohne Auftrag gibt es jedoch keine überzeugenden Argumente gegen die Anwendung der §§ 677ff. BGB auch in den Fällen, in denen der Geschäftsfiihrer in Erfiillung einer vermeintlichen oder wirklichen Verpflichtung gegenüber einem Dritten tätig wird: Daß die Anknüpfung an die objektive Zuständigkeit des Geschäftsgegenstands zu einer Ausuferung des Geltungsbereichs der Geschäftsfiihrungsregeln fiihrt,61 ist, fiir sich genommen, noch kein Umstand, der die Rechtsprechung zum "auch fremden" Geschäft in Frage stellen könnte. Ins Gewicht flillt a\1erdings, daß so die Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Versionsklage unterminiert werden könnte. 62 Sie verdiente jedoch wiederum keine Folge, wenn sie im Gesetzeswerk keinen hinreichenden Ausdruck fiinde; und daß sie diesen Ausdruck findet, ste\1en gerade die Vorschriften über die Geschäftsfiihrung ohne Auftrag in Frage, die einer Interpretation wie der durch die deutschen Gerichte durchaus zugänglich und der Regelung der Leistungskondiktion in § 812 Abs. 1 S. 1 BGB keineswegs nachgeordnet sind. Wenn das Nebeneinander von bereicherungsrechtlicher Rückabwicklung im Leistungsverhältnis und Geschäftsfiihrungsanspruch im übrigen auch zu widersprüchlichen Ergebnissen fiihrt,63 ist dies noch kein Grund für den einseitigen Vorzug des Bereicherungsrechts und der hierzu entwickelten Dogmatik. Daß die Konzentration auf die Leistungsverhältnisse und der damit verbundene Ausschluß eines Durchgriffs auf den schließlich Begünstigten nicht immer sachgerecht ist, tritt gerade in der Rechtsprechung zum "auch fremden Geschäft" zutage. Ihr berechtigtes Anliegen ist es zu verhindern, daß aus Rücksicht auf die Verpflichtungs- und Leistungsbeziehungen zuflillig Vermögensvorteile entstehen, die ihr Urheber nicht abschöpfen kann.
60 V gl. Schubert, Der Tatbestand der GeschäftsfUhrung ohne Auftrag, AcP 178 (1978) 425, 436, Gursky, Der Tatbestand der GeschäftsfUhrung ohne Auftrag, AcP 185 (1985) 13, 38, Wit!.mann (Kap. I Fn. 29), S. 25t: will immerhin dann eine Ausnahme machen, wenn die Ubemahme der Verpflichtung selbst fremdnützig war. 61 So Schubert, AcP 178 (1978) 435 gegen Wollschläger. 62 So Schubert, AcP 178 (1978) 431, 437, 442, Gursky, AcP 185 (1985) 38. 63 So Schubert, AcP 178 (1978) 443, Gursky, AcP 185 (1985) 3lf.
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§ 12 Die erfolgreiche Geschäftsnihrung als Rechtsfigur Die Probleme, welche die Subjektivierung des Geschäftsführungstatbestands mit sich gebracht hat, verschwinden sofort, wenn man in Anknüpfung an die Tendenz der hoch- und spätklassischen römischen Juristen64 ein Geschäftsbesorgungsverhältnis auch dann annimmt, wenn die Tätigkeit des Geschäftsführers zwar ohne FremdgeschäftsführungswiIIen oder -bewußtsein, aber im Ergebnis nützlich ist. Voraussetzung dieser Lösung ist lediglich der Begriff des objektiv fremden Geschäfts, wie ihn zumindest §§ 686, 687 des deutschen BGB ohnehin erzwingen und ihn die deutsche Rechtsprechung auch zugrunde legt. Um ihn auszufüllen, bedarf es gar nicht der Anknüpfung an die eine höherrangige Zuständigkeit für den Geschäftsgegenstand,6S den Deliktsschutz66 oder die Handlungsbefugnis 67 . Es ist der Geschäftsnutzen selbst, der das Geschäft zu einem solchen des Geschäftsherrn macht: Ist sein Vermögen durch die Geschäftsbesorgung vorteilhaft betroffen, ist der Geschäftsführer für den Geschäftsherrn tätig geworden. Daß ein Geschäftsnutzen erzielt worden ist, wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß zur Realisierung dieses Nutzens noch der Auskehranspruch des Geschäftsherrn erfüllt werden muß. Um zu verhindern, daß allein der Auskehranspruch erst den Geschäftsnutzen schafft, genügt das einfache Kriterium, ob der erwirtschaftete Vorteil für jedermann erreichbar oder durch das Medium der Geschäftsbesorgung mit dem Vermögen des Geschäftsherrn verbunden ist, sei es, daß ihm das hierzu eingesetzte Mittel gehört, sei es, daß der Nutzen sich gerade an einem ihm gehörenden Gegenstand manifestiert. 68
I. Ein adäquater Mechanismus für die Fallösung Die erfolgreiche Geschäftsbesorgung ohne FremdgeschäftsfiihrungswiIIen oder -bewußtsein kann von vornherein keinen Schadensersatzanspruch des Geschäftsherrn hervorbringen, der den Geschäftsfiihrer nur bei Kenntnis des Fremdbezugs treffen kann. Ihre wesentlichen Rechtsfolgen sind ein Auskehranspruch des Geschäftsherrn und ein Aufwandsersatzrecht des Geschäftsbesorgers. Beide zusammen gewährleisten eine sachgemäße Beurteilung der Fälle, welche die heutige Dogmatik vergeblich mit den Figuren der Eingriffskondiktion,69 des Verwendungsanspruchs 70 oder der Klage wegen enrichissement sans Siehe oben § 2 III. So vor allem Wal/schläger aaO (Fn. 47). 66 So Batsch, Aufwendungsersatzanspruch und Schadensersatzpflicht des Geschäftsfiihrers im Fall berechtigter und unberechtigter Geschäftsfiihrung ohne Auftrag, AcP 171,218,230ft'. 67 So Ebert (Kap. 2 Fn. 94), S. 84ft'. 68 Siehe oben § 1 II. 69 Siehe oben § 10 III. 64 65
§ 12 Die erfolgreiche Geschäftsfilhrung als Rechtsfigur
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cause71 in den Griff zu bekommen sucht: Der Einsatz eines fremden Vermögensgegenstands zeitigt das Recht seines Inhabers auf den erzielten Gewinn. Diesem steht ein Anspruch des anderen Teils auf Aufwandsersatz gegenüber, der seine natürliche Grenze in der Höhe des Geschäftsnutzens findet. Übersteigt der Aufwand den Bruttonutzen, entflillt mit dem Nettonutzen automatisch der Grund ftlr die Zurechnung zum Vermögen des Geschäftsherrn. Das Geschäftsftlhrungsrecht bringt so ohne weiteres das Ergebnis hervor, das sich im Bereicherungsrecht nur durch den Rückgriff auf die Leerformel vom Zuweisungsgehalt gewinnen läßt. Außer zum Zirkelschluß von der Rechtsfolge auf den Tatbestand nötigt sie zu der im Regelfall gar nicht durchftlhrbaren Verteilung des Eingriffserwerbs nach den Beitragswerten. 72 Ersetzt man diese durch das praktikablere Recht des Kondiktionsschuldners auf ein angemessenes Entgelt ftlr seinen Einsatz, stellt man mühsam und gegen das Gesetz die Rechtslage her, die sich bei Anwendung des Geschäftsftlhrungsrechts von selbst ergibt.
Die Rechtsfigur der erfolgreichen Geschäftsftlhrung verspricht auch eine angemessene Lösung der Fälle, in denen jemand das Wohl eines anderen in Erftlllung einer bereits bestehenden Verpflichtung oder im Glauben hieran bellirdert. Um einen gerechten Ausgleich zwischen dem Begünstigten und dem Urheber des Vermögensvorteils zu schaffen, bedarf es nicht der zweifelhaften Konstruktion des "auch fremden Geschäfts",73 die eine Abgrenzung zum Bereicherungsrecht und die hier gebotene Rücksicht auf die Leistungsbeziehung unmöglich macht. Erkennt man die erfolgreiche Geschäftsbesorgung ohne Fremdgeschäftsfilhrungswillen als eigene Rechtsfigur an, kann man den Anwendungsbereich der Geschäftsfilhrung mit Fremdgeschäftsfilhrungswillen ohne weiteres auf die Fälle spontanen Handeins beschränken und sich den Widerspruch zwischen Fremdnützigkeit und Pflichterftlllung als möglichen Motiven des Geschäftsftlhrerhandelns ersparen: Auch wenn der Geschäftsbesorger allein zur Erftlllung einer eigenen Verbindlichkeit tätig wird, bedeutet dies noch nicht, daß ihm der Weg zum Aufwandsersatz von Seiten des Begünstigten versperrt ist. Voraussetzung ist nur, daß sich sein Handeln im Ergebnis als nützlich erweist. Damit scheiden von vornherein die Fälle ungeschuldeter Leistungen im Zweipersonenverhältnis aus. Denn sie sind nach Bereicherungsrecht wieder rückabzuwickeln und daher ftlr ihren jeweiligen Empfanger ohne Nutzen. Ein solcher liegt auch nicht vor, wenn der Begünstigte nur erhalten hat, was ihm im Verhältnis zu einem Dritten gebührt, dem der Urheber des Vermögensvorteils verbunden ist oder sich verbunden glaubt. Von einer erfolgreichen Geschäftsfilhrung kann schließlich auch 70
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Siehe oben § 10 11. Siehe oben § 10 I. Vgl. Wilburg(Kap. 2 Fn. 84), S. I 22ff. Siehe oben § I I.
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dann nicht die Rede sein, wenn der Begünstigte dem Dritten mangels eines Rechtsverhältnisses und kraft des Bereicherungsrechts seinerseits zur Herausgabe des erlangten Vorteils verpflichtet ist. Übrig bleiben damit nur die Fälle, in denen jemand durch den Einsatz des Geschäftsbesorgers begünstigt ist, ohne seinerseits dessen Auftraggeber verpflichtet zu sein. In diesen Fällen, die Anlaß filr die Erfindung der Figur des "auch fremden" Geschäfts waren, ist es durchaus angebracht, dem Geschäftsbesorger den Durchgriff auf den Begünstigten zu gewähren, soweit er Aufwendungen gemacht hat, die nicht von einem durchsetzbaren Anspruch gegen den Dritten abgedeckt sind. Anders als die vom BGB-Gesetzgeber verworfene Versionsklage filhrt die Figur der erfolgreichen Geschäftsruhrung zu befriedigenden Ergebnissen, ohne in Konflikt mit dem Be- . reicherungsrecht zu geraten. 74
11. Die Ableitung aus dem Gesetz Verwirklichen lassen sich das Idee der erfolgreiche Geschäftsruhrung ohne weiteres in Frankreich, wo sie lediglich in Konkurrenz zum gleichfalls außergesetzlichen Rechtsinstitut des enrichissement sans cause träte. Auch als Produkt eines Analogieschluß hätte sie keine geringere gesetzliche Basis als dieses. Mit ihrer Entlehnung aus den gesetzlichen Regeln über Geschäftsfilhrung ohne Auftrag ließe sich sogar an die Tradition der gestion d'affaires anormale anknüpfen, die nach Inkrafttreten des Code civil und vor Aufkommen der actio de in rem verso zur Bewältigung der GrenzflUie ohne Fremdgeschäftsfilhrungswillen entwickelt wurde. 7s Ein vergleichbarer Schritt ist auch in Österreich möglich, wo der Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB keinen Ausschließlichkeitsanspruch filr die Bewältigung der Fälle ohne Fremdgeschäftsruhrung erhebt. Die Konsequenzen der erfolgreichen Geschäftsruhrung könnten hier einfach den §§ 1037f. ABGB entnommen werden, die zum Kriterium rur den Verwendungsersatz nach unberechtigter Geschäftsbesorgung ohnehin schon deren Ergebnis bestimmen. Das Muster filr die adäquate Erfassung der Geschäftsbesorgung ohne Fremdgeschäftsfilhrungswillen und -bewußtsein findet sich damit schon im Gesetz. Nur in Deutschland kann die Einfilhrung der erfolgreichen Geschäftsbesorgung nicht ohne Gesetzesänderung gelingen. Der Weg zu einem Analogieschluß ist hier durch § 687 Abs. 1 BGB verbaut. Indem er die Fälle, in denen das Be74 Außer filr eine klare Dogmatik anstelle ergebnisoffener Leerformeln sorgt sie auch dafilr, daß den Anforderungen einer ökonomischen Analyse genüge getan ist. Nach dieser kommt es allein auf die Nützlichkeit der Fremdgeschäftsfilhrung und nicht auf den dazugehörigen Willen an; vgl. Kötz, Geschäftsführung ohne Auftrag aus rechtsökonomischer Sicht, FS Großfeld, 1999, S. 583, 595f. 75 Siehe oben § 7 III.
§ 12 Die erfolgreiche Geschäftsfilhrung als Rechtsfigur
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wußtsein der Fremdgeschäftsfilhrung fehlt, unzweideutig aus dem Anwendungsbereich der Bestimmungen Ober Geschäftsbesorgung ohne Auftrag verweist, verhindert er außer der direkten Analogie auch eine AnknOpfung an § 687 Abs. 2 BGB, dessen Regelung der Geschäftsanmaßung so zur nicht erweiterungsfiihigen Anomalie gestempelt ist. Die analogiefeindliche Vorschrift verdient den Respekt des Gesetzes, aber keine wissenschaftliche Akzeptanz, markiert sie doch den Endpunkt einer bei den Glossatoren einsetzenden Fehlentwicklung, die dringend ihrer Aufhebung harrt.