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German Pages 218 [220] Year 1975
Ungerechtfertigte Bereicherung von
Hans-Georg Koppensteiner und Ernst A. Kramer
w DE
G
1975
Walter de Gruyter · Berlin · New York
SAMMLUNG GÖSCHEN 2850
Dr. Hans-Georg Koppensteiner, LL.M, o. Prof. an der Universität Salzburg Dr. Ernst A. Kramer o. Prof. an der Universität Innsbruck
© Copyright 1975 by Walter de Gruyter Sc Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung, J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J . Trübner, Veit Sc Comp., 1 Berlin 30 - Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden - Printed in Germany Satz und Druck: Max Sdiönherr KG, 1 Berlin 51 Buchbinder: Wübben & Co., 1 Berlin 42
ISBN 3 11 004682 2
Vorbemerkung Das vorliegende Buch bemüht sich, auf relativ engem Raum eine einigermaßen geschlossene Darstellung des gegenwärtigen Bereicherungsrechts zu bieten. Insofern dürfte es nicht nur als Hilfsmittel für die Prüfungsvorbereitung, sondern auch für den Praktiker, der sich rasch über den derzeitigen Stand informieren will, von Nutzen sein. Für studentische Leser: Vorkenntnisse des Bereicherungsrechts sind nicht erforderlich. Wegen der Interdependenzen zwischen diesem Rechtsgebiet und dem übrigen Schuldrecht sowie dem Sachenrecht setzt ein volles Verständnis des Dargebotenen jedoch Grundkenntnisse dieser Materien, jedenfalls aber die Bereitschaft voraus, sich das bereicherungsrechtlich Erhebliche ad hoc zu erarbeiten. Das mit den Kompendien der Reihe Göschen mit in erster Linie verfolgte Ziel, „gesichertes Wissen" zu vermitteln, vermag dieses Buch freilich nur in einem sehr eingeschränkten Sinn einzulösen, denn die Judikatur und die wissenschaftlichen Bemühungen der letzten Jahre haben lange Zeit anscheinend gefestigte Grundpositionen ins Wanken, teilweise zum Einsturz gebracht. Für viele wichtige Fragen hat sich ein neuer Konsens nicht gebildet; verhältnismäßig häufig läßt sich nicht einmal so etwas wie eine „herrschende Meinung" feststellen. Angesichts dieser Lage haben wir unsere Aufgabe einerseits darin gesehen, eine — an geeigneten Stellen allerdings auf weiterführende Hinweise beschränkte — Bestandsaufnahme des gegenwärtigen Diskussionsstandes zu liefern, d. h. einen möglichst vollständigen Argumentationshaushalt zu entfalten. Um dem Leser nicht nur Steine statt Brot zu geben, hielten wir es andererseits aber auch für notwendig, Stellung zu beziehen, also unsere Auffassung über die korrekte Lösung kontroverser Fragen mitzuteilen. Daß es sich dabei teilweise eher um neuartige Vorschläge als „gesichertes Wissen" handelt,
4
Vorbemerkung
war angesichts des gegenwärtigen Zustandes des Bereicherungsrechts unseres Erachtens unvermeidlich. Gesamtkonzeption und Grundweichenstellung des Buches sind ein Gemeinschaftswerk beider Autoren. Die Arbeit der Niederschrift im einzelnen haben wir uns geteilt. Die §§ 1—7, 11, 17—23 stammen von Kramer, die §§ 8—10, 12—16 hat Koppensteiner geschrieben. Wir befürchten, daß das Buch stellenweise einige Anforderungen an den Leser stellen wird. Angesichts der Schwierigkeit des Gegenstandes und des vorgegebenen Umfanges ließ sich dies wohl nicht ändern. Salzburg/Innsbruck, im November 1974 Hans-Georg Koppensteiner Ernst A. Kramer
Inhalt I. Kapitel: Grundlagen § 1. Systematischer Ort und Ordnungsfunktion reicherungsrechts
15 des Be-
I. Ausgangspunkt II. Grundfunktionen
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$ 2. Systematik der §§ 812 £f I. Die Unterscheidung zwischen Leistungskondiktionen und Kondiktionen wegen sonstiger Bereicherung
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II. Die gesetzliche Ausgestaltung der beiden Kondiktionstypen
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S 3. Hauptprobleme des Bereicherungsrechts I. Allgemeines II. Anspruchsvoraussetzungen III. Anspruchsinhalt IV. Methodische Konsequenzen
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen $ 4. Allgemeine Merkmale der Leistungskondiktionen
24 . .
I. Der zweckgerichtete Leistungsbegriff der herrschenden Lehre 1. Ausgangspunkt 2. Leistungsmotive 3. Die juristische Konsequenz II. Das Erfordernis der „Rechtsgrundlosigkeit" der Leistung ΙΠ. Der Gegenstand der Leistungskondiktion
17
. . .
IV. Das Erfordernis der Bereicherung „auf Kosten" des Leistenden 1. Grundlagen 2. Eigentum des „Leistenden"? 3. Leistungskondiktion des Diebes?
24 24 24 24 25 27 28 29 29 30 31
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Inhalt
S 5. Leistungskondiktion bei Zweipersonenverhältnissen, Bereicherungsketten, Versionsfällen, Zuziehung von Mittelspersonen I. Bereicherungsketten 1. Kläger war Nichteigentümer 2. Kläger war (noch) Eigentümer 3. Die Ausnahmeregelung des § 822 II. Leistungskondiktion bei mittelbarer Stellvertretung III. Leistungskondiktion bei Verwendung von Hilfspersonen S 6. Die „Dreiecksverhältnisse" I. Abgekürzte Lieferung durch einen Erfüllungsgehilfen, nicht angenommene Anweisung . . . . 1. Fallstruktur 2. Nichtigkeit des Deckungsverhältnisses . . . 3. Nichtigkeit des Valutaverhältnisses . . . . Π. Die Fälle des „Doppelmangels" III. Die Kondiktion bei angenommener Anweisung IV. Die Kondiktion bei fehlender bzw. nicht zurechenbarer Anweisung V. Der Postanweisungsfall RGZ 60, 24 ff VI. Leistungskondiktion bei Handeln eines falsus procurator 1. Das Problem 2. Lösungsansatz VII. Irrtümliche Bezahlung einer fremden Schuld . . 1. Das Problem 2. Lösungsansatz 3. Änderung der Leistungsbestimmung? . . . . VIII. Bezahlung einer nicht bestehenden Schuld eines Dritten 1. Das Problem 2. Die herrschende Lehre . 3. Kritik 4. Leistung in Ausübung eines „Ablösungsrechts" IX. Die Leistungskondiktion bei Verträgen zugunsten Dritter 1. Der Grundfall 2. Sonderfragen X. Zusammenfassung
32 33 33 34 36 37 38 38 38 38 39 42 42 45 46 49 50 50 51 52 52 52 53 55 55 56 57 59 59 59 61 62
Inhalt
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§ 7. Die einzelnen Leistungskondiktionen I. Condictio indebiti, condictio sine causa . . . . 1. Bedeutung von Einreden 2. § 814 3. Randtatbestände der condictio indebiti . . . II. Die Leistungskondiktion bei Dauerschuld Verhältnissen III. Condictio ob causam finitam IV. Condictio ob rem datorum 1. Der Tatbestand 2. Ausschluß der Kondiktion wegen Zweckverfehlung V. Condictio ob iniustam vel turpem causam . . . 1. Anspruchsvoraussetzungen 2. Verhältnis zu § 335 StGB VI. Der Ausschluß der Kondiktion nach § 817, 2. Satz 1. Ausgangspunkt 2. Funktion und Grundtatbestand 3. Einzelfragen
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71 72 72 73 74 74 74 76
III. Kapitel: Bereicherung „in sonstiger Weise"
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S 8. Arten der Bereicherung „in sonstiger Weise" . . . . 1. Übersicht 2. Eingriffskondiktion 3. Verwendungskondiktion 4. Bereicherung infolge Naturvorganges . . . .
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$ 9. Die Eingriffskondiktion I. Zur Bedeutung des Merkmals „auf Kosten" bei der Eingriffskondiktion 1. Fragestellung 2. Rechtswidrigkeit des Eingriffs? 3. Schädigung des Beeinträchtigten? 4. Die Lehre vom Zuweisungsgehalt 5. Vermögensverschiebung, Einheitlichkeit des Bereicherungsvorganges? 6. Einzelergebnisse II. Bereicherung „ohne rechtlichen Grund" bei der Eingriffskondiktion 1. Ausgangslage 2. Schuldrechtliche Sonderverbindungen . . . . 3. Rechtsgrund kraft Gesetzes
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Inhalt III. Die Sonderregelung des § 816 1. Ubersicht 2. Entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten 3. Unentgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten 4. Wirksame Leistung an einen Nichtberechtigten
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§ 10. Die Aufwendungskondiktionen I. Die Verwendungskondiktion II. Die Rückgriffskondiktion
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S 11. Subsidiarität der Eingriffskondiktion? I. Stand der Diskussion II. Wichtigste Fallgruppe: Anweisungsfälle . . . . III. Ausschluß der Eingriffskondiktion bei Gutglaubenserwerb des Leistungsempfängers IV. Eingriffskondiktion trotz Leistung in den Fällen des § 935 V. Einbau gegen den Willen des Eigentümers . . . VI. Ergebnis
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereidierungsansprudis . . . . s 12. Übersicht 1. Herausgabe des „Erlangten", der Nutzungen und Surrogate 2. Fortdauer der Bereicherung 3. Haftung nach den „allgemeinen Vorschriften' 4. Wertersatz bei Unmöglichkeit der Naturalrestitution § 13. Der bereicherungsrechtliche Primäranspruch (SS 816, 817, 1. Satz, 818 I) I. Herausgabe des „Erlangten" 1. Das „Erlangte" im Sinne der §§ 812, 1. Satz, 818 I 2. Das „Erlangte" im Sinne des § 816 I, 1. II. Herausgabe von Nutzungen und Surrogaten 1. Nutzungen 2. Surrogate
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812, 125 125 817, Satz . .
§ 14. Der Entreicherungseinwand I. Grundlagen 1. Normzweck und Anwendungsbereich . . . . 2. Wirkungsweise
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Inhalt 3. Anfängliche „Entreicherung" 4. Sondergesichtspunkte bei unwirksamen gegenseitigen Verträgen II. Die Bedeutung des § 818 III bei Ansprüchen infolge einseitiger Leistung oder Eingriff 1. Aufwendungen 2. Sonstige Vermögensopfer ΠΙ. Die Bedeutung des § 818 III bei der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge 1. Grundlagen 2. Ausgleich bei Vorhandensein beider Leistungen S 15. Der Umfang der Bereicherungshaftung nach Rechtshängigkeit und in verwandten Fällen I. Tatbestandliche Voraussetzungen verschärfter Haftung . . . . 1. Rechtshängigkeit 2. Kenntnis der Rechtsgrundlosigkeit . . . . . 3. Gesetz- oder sittenwidriger Empfang . . . . 4. Ungewißheit der Erreichung des Geschäftszwecks II. Der Inhalt der Haftungsverschärfung 1. Verweisung auf die „allgemeinen Vorschriften" 2. Bösgläubigkeit bei der Riickabwicldung gegenseitiger Verträge S 16. Wertersatz I. Grundlagen 1. Funktion des § 818 II 2. „Unmöglichkeit" der Herausgabe als Anspruchsvoraussetzung . . 3. Hauptprobleme Π. Einseitige Kondiktionen: Der Inhalt des Hauptanspruchs 1. Gewinnherausgabe 2. Verallgemeinerung: Herausgabe des „Eingriffserwerbs" 3. Aufgedrängte Bereicherung 4. Zusammenfassung: Konkret-individuelle Fassung des bereicherungsrechtlichen Wertbegriffes III. Einseitige Kondiktionen: Der Zeitpunkt der Wertermittlung
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Inhalt 1. Übersicht 2. Kritik 3. Der maßgebliche Zeitpunkt IV. Einseitige Kondiktionen: Nutzungen im Rahmen des Wertersatzes 1. Wertersatz bei Unmöglichkeit der Herausgabe von Nutzungen 2. Nutzungen aus dem Wert? V. Wertersatz bei der Rückabwicklung unwirksamer gegenseitiger Verträge 1. Übersicht 2. Unmöglichkeit der Naturalrestitution seitens des Klägers 3. Unmöglichkeit der Naturalrestitution seitens des Beklagten 4. Unmöglichkeit der Naturalrestitution seitens des Empfängers einer Vorleistung 5. Sonderbehandlung Minderjähriger
V. Kapitel: Leistungskondiktion und Kondiktion wegen sonstiger Bereicherung: Tatbestand und Rechtsfolgen (Zusammenfassung) s 17. Vergleich der tatbestandlichen Voraussetzungen der Leistungskondiktion und der Kondiktion wegen Bereicherung in sonstiger Weise I. „Leistung" und „sonstige Weise" II. Bereicherung „auf Kosten" des Bereicherungsgläubigers 1. Kein effektiver Vermögensschaden als Voraussetzung eines Anspruchs 2. Die Lösung bei der Leistungskondiktion . . 3. Die Lösung bei der Eingriffskondiktion . . . III. Die „Rechtsgrundlosigkeit" der Bereicherung . . 1. Ablehnung der herrschenden Lehre 2. Lösung bei der Leistungskondiktion . . . . 3. Lösung bei der Eingriffskondiktion
178 179 181 182 182 182 183 183 184 190 190 192
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S18. Vergleich der Rechtsfolgen von Leistungskondiktion und Kondiktion wegen Bereicherung in sonstiger Weise
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S 19. Leistungskondiktion und Kondiktion wegen Bereicherung in sonstiger Weise als gesonderte Anspruchsgrundlagen?
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Inhalt VI. Kapitel: Der Anwendungsbereidi der §§ 812 ff . . .
11 .
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S 20. Die Grenzen des Anwendungsbereichs I. Zu den Rücktrittsregeln II. Zu den gesetzlich geregelten Vermögensverschiebungen 1. Materielle Rechtfertigung 2. Formale Vermögensverschiebung 3. Verbindung, Vermischung, Verarbeitung . . ΙΠ. Zu den Regelungen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses nach §S 987 ff 1. Das Problem 2. Keine Konkurrenz 3. Nutzung durch den Besitzer IV. Zum Verwendungsersatz nach den SS 994 ff. . . 1. Vergleich der Rechtsfolgen 2. Konkurrenz mit der Leistungskondiktion . . 3. Konkurrenz mit Kondiktion wegen sonstiger Bereicherung: Das Problem 4. Exklusivität oder Alternativität? 5. Verwendungen in Form von Arbeitsaufwand V. Zur Geschäftsführung ohne Auftrag VI. Zu Spezialregelungen in privatrechtlichen Sondergesetzen 1. Immaterialgüterrecht 2. UWG
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S 21. Gesetzliche Verweisungen auf das Bereicherungsrecht . I. Rechtsfolgeverweisungen II. Rechtsgrund Verweisungen 1. Die Verweisung des S 852 Π 2. Die Verweisung des § 951 I
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III. Anwendung der SS 812 ff. im öffentlichen Recht? $ 22. Subsidiarität des Bereicherungsrechts?
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S 23. Internationaler Anwendungsbereidi (IPR-Anknüpfung)
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Sachregister
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Literatur Batsch, Vermögensverschiebung und Bereicherungsherausgabe (1968). Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht I, 10. Aufl. (1971). Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 6. Aufl. (1970). Becker, Der Anspruch des Eigentümers auf den Erlös aus unberechtigter Verfügung (1936). Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung im Schuldverhältnis (1969). Caemmerer von, Gesammelte Schriften I (1969). Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht (1971) Dimopoulos-Vostkis, Die bereicherungs- und deliktsrechtlichen Elemente der §§ 987-1003 BGB (1966). Diesselhorst, Die Natur der Sache als außergesetzliche Rechtsquelle (1968). Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, 15. Aufl. (1958). Esser, Schuldrecht II, 4. Aufl. (1971). Esser, Schuldrecht I, 4. Aufl. (1970) = Esser I Esser, Schuldrecht, 2. Aufl. (1960) = Esser, 2. Aufl. Errnan (hrsg.), BGB - Handkommentar I, 5. Aufl. (1972). Feiler, Aufgedrängte Bereicherung bei den Verwendungen des Mieters und Pächters (1968). Fikentscher, Schuldrecht, 4. Aufl. (1974). Flessner, Wegfall der Bereicherung (1970). Glaß, Gefahrtragung und Haftung beim gesetzlichen Rücktritt (1959). Grunsky, Aktuelle Probleme zum Begriff des Vermögensschadens (1968). Hadding, Der Bereicherungsausgleich beim Vertrag zu Rechten Dritter (1972). Haines, Bereicherungsanspriiche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb (1970). Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte (1974). Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts I, 7. Aufl. (1963). Hiilsmann, Leistungskondiktion und Eingriffskondiktion in Dreiecksverhältnissen, Diss. Köln (1966).
Literatur
13
Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensversdiiebung in der Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung (1964). Jung, Die Bereicherungsansprüche und der Mangel des rechtlichen Grundes (1902). Kaehler, Bereicherungsrecht und Vindikation - Allgemeine Prinzipien der Restitution (1972). Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung (1969). Knoch, Die Aufgliederung der Kondiktionen in der modernen Zivilrechtsdogmatik und ihre Auswirkung auf das IPR, Diss. Münster (1963). Koch, Bereicherung und Irrtum (1973). Köbl, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis im Ansprachssystem des BGB (1971). Köhler, BGB, Schuldrecht II, 8. Aufl. (1973), Heft 3 von Schönfelder, Prüfe Dein Wissen. Kramer, Grundfragen der vertraglichen Einigung (1972). Kunisch, Die Voraussetzungen für Bereicherungsansprüche in Dreiecksverhältnissen (1968). Lorenz, Lehrbuch des Schuldrechts II, 10. Aufl. (1972). Larenz, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts (1930, Neudruck 1966) = Larenz, Methode der Auslegung. Lieb, Die Ehegattenmitarbeit im Spannungsfeld zwischen Rechtsgeschäft, Bereicherungsausgleich und gesetzlichem Güterstand (1970). Lopau, Surrogationsansprüche und Bereicherungsrecht (1971). Lübtow von, Beiträge zur Lehre von der Condictio nadi römischem und geltendem Recht (1952). Mayr von, Der Bereicherungsanspruch des deutschen bürgerlichen Rechts (1903). Medicus, Bürgerliches Recht, 6. Aufl. (1973). Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB für das Deutsche Reich I-III (1889). Ostendorf, Die Be- und Entreicherung beim ungerechtfertigten Verbrauch und Gebrauch von Gegenständen und Leistungen, Diss. Köln (1972). Palandt (hrsg.), BGB - Kommentar, 33. Aufl. (1974). Pankow, Der Wertersatz im Bereicherungsrecht, Diss. F. U. Berlin (1972). Pawlowski, Rechtsgeschäftliche Folgen nichtiger Willenserklärungen (1966). Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch (1972).
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Literatur
Pinger, Funktion und dogmatische Einordnung des EigentümerBesitzer-Verhältnisses (1973). Reichsgerichtsräte und Bundesricbter, Kommentar zum BGB, 12. Aufl. = RGR-Kommentar. Rittberg von, Die aufgedrängte Bereicherung, Diss. München (1969). ScA/wtt, Die Subsidiarität der Bereicherungsansprüche (1969). Schwarz, Die Grundlage der condictio im klassischen römischen Recht (1952). SoergellSiebert (hrsg.), BGB-Kommentar 9. Aufl., I (1959), II (1962). Staudinger/Seufert (hrsg.), BGB-Kommentar, 11. Aufl. (1954-67). Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach österreichischem und deutschem Recht (1934). Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung als Grundlagen und Grenzen des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung (1973).
I. Kapitel: Grundlagen § 1. Systematischer Ort und Ordnungsfunktion des Bereicherungsrechts I. Ausgangspunkt Nach § 812 I, 1. Satz ist „zur Herausgabe verpflichtet, wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt". Aus dieser Generalklausel des deutschen Bereicherungsrechts ergibt sich sofort die den §§ 812-822 zugrundeliegende, vorläufig noch ganz allgemein formulierte Ratio: Es handelt sich offenbar um die Regelung von Ansprüchen, die der Rückgängigmachung einer nach den sonstigen Bestimmungen des Zivilrechts nicht legitimierten, „auf Kosten" eines anderen erfolgten Vermögensvermehrung dienen sollen. Die Bereicherungshaftung ist daher „ Ausgleichshaftung für rechtlich unbegründete Vermögensmehrung" {Esser, 330). Dabei läßt der Gesetzestext allerdings eine ganze Reihe von entscheidenden Fragen mehr oder weniger offen. Etwa, was unter dem Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten" zu verstehen ist (effektiver Schade oder nicht), oder - damit im Zusammenhang - das heikle Problem, zwischen welchen Personen das Bereicherungsverhältnis anzunehmen ist, vor allem dann, wenn Leistungsbeziehungen im „Dreiecksverhältnis" vorliegen; von der Ausgestaltung des Anspruchs gar nicht zu reden. Kaum übertrieben Wilhelm, 43 f.: „Im Grundtatbestand des § 812 I 1 tritt uns ein Ergebnis der Gesetzgebungsarbeit entgegen, das an konkreter Aussagekraft dem so oft zitierten Verbot des ,neminem cum alterius detrimento et iniuria fieri locupletiorem' wenig voraus hat, welche ,regula iuris antiqui' bereits Witte mit dem Satz des ,suum cuique tribuere' so ziemlich auf eine Stufe stellen konnte." S. jetzt auch C. H. Schreuer, The American Journal of Comparative Law 22 (1974) 281:" . . .nothing more than an expression of noble sentiments . . . "
I. Kapitel: Grundlagen
16 II.
Grundfunktionen
Eine wesentliche Funktion des Bereicherungsrechts aber ergibt sich - ohne daß damit Abschließendes gesagt sei - schon aus unmittelbarer Analyse des Wortlauts: Im Unterschied zum Schadensrecht geht es ihm nicht, oder vorsichtiger gesagt, jedenfalls nicht nur darum, Vermögensminderungen abzugleichen, sondern „spiegelbildlich" dazu (Koppensteiner, NJW 1971, 1774, ESI 71) auch darum, „negatorisch" (vgl. Picker, 25 ff., 49 ff., 157 ff.; Wilhelm, 34) ungerechtfertigte Vermögensmehrungen zugunsten desjenigen, auf dessen „Kosten" die Bereicherung erfolgt ist, beim Bereicherten „abzuschöpfen", zu „kondizieren", ohne daß diesem damit ein Vorwurf gemacht zu werden brauchte. Das Bereicherungsrecht verfolgt die vorläufig skizzierte Funktion zum einen - dies ist sein historischer Ausgangspunkt (vgl. vor allem F. Schwarz, aaO.; zur Interpretation des römischen Kondiktionenrechts durch Savigny ausführlich Wilhelm, 26 ff.) - dann, wenn eine Leistung ohne gültige „schuldrechtliche Unterlage" (Jung, 21) erfolgt bzw. diese später ersatzlos weggefallen ist. Das Spezifikum des deutschen Bereicherungsrechts liegt hier darin, daß der persönliche, schuldrechtliche Bereicherungsanspruch aufgrund der Abstraktion des dinglichen Verfügungsgeschäfts von der Rechtswirksamkeit des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts (§ 929) grundsätzlich nicht mit einem Vindikationsanspruch konkurrieren muß. Gerade diese eigentümliche Zwiespältigkeit des BGB zur Frage der Rechtsbeständigkeit von vermögensrechtlichen Transaktionen bei einem Mangel des Verpflichtungsgeschäfts hat mit dazu verleitet, dem Bereicherungsrecht den hohen Anspruch auf Verwirklichung der Erfordernisse „materieller Gerechtigkeit" zuzuschreiben: Der Bereicherungsanspruch diene als Korrektiv dazu, Vermögensverschiebungen, die zwar dem „formellen" Sachenrecht entsprechen, nicht aber dem „materiellen" Schuldrecht, rückgängig zu machen (Stammler, FS Fitting, 1903, 153 ff.); das schuldrechtliche Bereicherungsrecht heile die Wunden, die das Abstraktionsprinzip vorher geschlagen habe (Dernburg). Das Bereicherungsrecht wurde auf diese Weise mit der geheimnisvollen Aura eines „Rechts höherer Ordnung" versehen, gleichzeitig damit aber im Ergeb-
§ 2. Systematik der SS 812 ff.
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nis abgewertet, da es ja nur auf (ausnahmsweise gegen formelles Recht durchzusetzende) „Billigkeit" beruhen soll. Die Vorstellung vom Bereicherungsrecht als „Billigkeitsrecht" (so aber noch BGHZ 36, 235; BGH MDR 1958, 686, JZ 1961, 699) ist verfehlt (s. schon Wilburg, 21; von Caemmerer, 215 f.; Esser, 332; s. auch die Motive der 1. Kommission in Mugdan II, 463; dagegen aber die Protokolle der 2. Kommission in Mugdan II, 1183): Es geht beim Zusammenspiel zwischen dinglicher Wirkung des Verfügungsgeschäfts und schuldrechtlichem Kondiktionsanspruch des Leistenden bei Ungültigkeit des Verpflichtungsgeschäfts um nicht mehr als eine besondere rechtstechnische Ausgestaltung eines Kompromisses zwischen dem Erfordernis des Verkehrs- bzw. Vertrauensschutzes auf der einen und dem Schutzinteresse des Leistenden auf der anderen Seite. Bei den Ansprüchen wegen Bereicherung „in sonstiger Weise" ist die Vorstellung von einer Billigkeitshaftung noch weniger einsichtig; es geht hier schlicht darum, eine Vermögensvermehrung zugunsten des Entreicherten rückgängig zu machen, die nicht durch Leistung, sondern unberechtigt etwa durch „Eingriff" eines Nichtberechtigten oder durch Naturereignisse erzielt worden ist. § 2. Systematik der §§ 812 if. 1. Die Unterscheidung zwischen Leistungskondiktionen und Kondiktionen wegen sonstiger Bereicherung § 812 I, 1. Satz faßt die beiden Grundtypen der Bereicherungshaftung (die „Leistungskondiktion" und die Ansprüche wegen Bereicherung „in sonstiger Weise") in eine Formel zusammen. Die Redaktoren folgten damit, wie schon ausgeführt, gesetzestechnisch dem berühmten Vorbild der regula iuris der Digesten (Pomponius, D 12, 6, 14: „natura aequum esse, neminem cum alterius detrimento fieri locupletiorem"), wonach sich niemand auf Kosten eines anderen unrechtmäßig bereichern dürfe. Noch der 1. Entwurf zum BGB war demgegenüber vom Primat der Leistungskondiktion ausgegangen (§§ 737 ff.) und hatte erst am Schluß der diese allein betreffenden Vorschriften in § 748 eine Bestimmung über die Bereicherung „in sonstiger 2 Koppensteiner/Kramer, Bereicherung
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I. Kapitel: Grundlagen
Weise" aus dem Vermögen eines anderen hinzugefügt (zur Redaktionsgeschichte im einzelnen Wilhelm, 43 ff.). Gerade die Frage der Opportunität einer zusammenfassenden Behandlung von Leistungskondiktion und Kondiktion wegen Bereicherung „in sonstiger Weise" war und ist bis heute Hauptanlaß für mannigfache Zweifelsfragen an den systematischen Grundlagen des Bereicherungsrechts. Während nach Inkrafttreten des BGB noch versucht wurde, alle Bereicherungsansprüche auf ein Prinzip, wie etwa auf das der „Vermögensverschiebung" oder auf den „Mangel der schuldrechtlichen Unterlage" (Jung) zurückzuführen, waren es Wilburg und ihm folgend vor allem von Caetnmerer, welche eine zwischen Leistungskondiktion und Kondiktion wegen Bereicherung „in sonstiger Weise" grundsätzlich differenzierende Betrachtungsweise betonten. Zwar seien die Ansprüche wegen unbegründeter Leistung und wegen sonstiger Bereicherung, vor allem aus „Eingriff", negativ dadurch verbunden, daß beide vom Tatbestand eines rechtlich mißbilligten „grundlosen" Erwerbs ausgingen; die besonderen positiven Merkmale der jeweiligen Ansprüche seien damit aber noch nicht genannt. Das Fehlen der causa, das allgemein als positive Voraussetzung der Leistungskondiktion angesehen wurde, passe ganz offenbar nicht für die Bereicherung „in sonstiger Weise" (Wilburg, 18). Gewinne etwa ein Grundstück durch Verlegung einer Bahnstrecke an Wert, während ein anderes gerade deswegen verliere, so liege ein „rechtlicher Grund" für diese Wertverschiebung zweifelsohne nicht vor; trotzdem könne sie natürlich nicht als „ungerechtfertige" Bereicherung kondiziert werden (Wilburg, 14 f.); es sei daher abwegig, in Analogie zur Leistungskondiktion jede Vermögensverschiebung für ungerechtfertigt zu halten, die der Bereicherte nicht auf ein zwischen ihm und dem Entreicherten bestehendes gültiges Schuldverhältnis zurückzuführen in der Lage sei. Vielmehr müsse bei der Bereicherung „in sonstiger Weise" die Frage zunächst nicht nach dem Grund der Rechtfertigung, sondern nach dem der Ungerechtfertigtheit des Vermögenszuwachses gerichtet werden. Die Argumente Wilburgs und von Caemtnerers hatten in Lehre und Rechtsprechung bis heute herauf durchschlagenden Erfolg.
§ 2. Systematik der §§ 812 ff.
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Alle einschlägigen Lehrbücher (Esser, Fikentscher, Latenz, Medicus) folgen ihrer Differenzierung zwischen den zwei hauptsächlichen Bereicherungstypen, der Leistungskondiktion und der „Eingriffskondiktion", dem wichtigsten Fall einer Kondiktion wegen Bereicherung „in sonstiger Weise". Zum Teil werden diese beiden Typen sogar als zwei eigenständige Anspruchsgrundlagen auseinandergehalten (U. Huber, JuS 1970, 343; Diederichsen, JurA 1970, 378). 11. Die gesetzliche Ausgestaltung der beiden
Kondiktionstypen
Außer Streit steht dabei jedenfalls, daß das Gesetz selber Regelungen bringt, die differenzierend nur auf die Leistungskondiktion oder aber auf die Kondiktion wegen sonstiger Bereicherung zutreffen können. § 812 I, 2. Satz und II unterscheiden zusätzlich zur condictio indebiti (§ 812 I, 1. Satz) die condictio ob causam finitam und die condictio ob rem als weitere Unterfälle der Leistungskondiktion. § 813 stellt der condictio idebiti den Fall gleich, daß dem Anspruch eine peremptorische Einrede entgegenstand. Der Ausschluß der Kondiktion nach § 814 gilt nur für die condictio indebiti, der nach § 815 für die condictio ob rem. § 817, 1. Satz regelt einen Sonderfall der Leistungskondiktion, die condictio ob turpem vel iniustam causam, die sich insofern von den übrigen Leistungskondiktionen unterscheidet als sie trotz Zweckerreichung zustehen soll. Für alle Leistungskondiktionen gilt dagegen der Anspruchsausschluß nach § 817, 2. Satz. Ebenso nur für die Leistungskondiktionen gelten die §§819 II, 820, 821. Die Kondiktion wegen Bereicherung „in sonstiger Weise" wird demgegenüber im Gesetz viel kursorischer berücksichtigt. § 812 I, 1. Satz gibt die Anspruchsgrundlage, § 816 behandelt den wichtigen Sonderfall der Verfügung eines Nichtberechtigten, analog dazu § 822 eine ausnahmsweise anerkannte Haftung eines „Dritten"; §818 über den Umfang des Bereicherungsanspruchs gilt für Leistungskondiktionen wie für Kondiktionen wegen sonstiger Bereicherung; ebenso § 819 I. Die im Gesetz fehlende Differenzierung der Kondiktionen wegen Bereicherung „in sonstiger Weise" wurde in der Lehre und Rechtsprechung nachgeholt: Neben der praktisch bedeut-
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I. Kapitel: Grundlagen
sanieren Eingriffskondiktion werden vor allem noch Verwendungs- und Rückgriffskondiktion unterschieden. Dieser, wie gezeigt, zum Teil schon vom Gesetz vorgezeichneten, nach Kondiktionstypen differenzierenden Betrachtungsweise folgt auch die Disposition dieser Darstellung. Dabei werden aber auch die Argumente zu berücksichtigen sein, die in allerjüngster Zeit gegen die herrschende Lehre zugunsten einer einheitlichen Behandlung von Leistungskondiktion und Kondiktion wegen Bereicherung „in sonstiger Weise" vorgebracht worden sind (s. vor allem Kellmann, 97 iL; Wilhelm, passim). Deshalb werden in einem eigenen Abschnitt (S. 193 ff.) die sicher nicht abzuleugnenden übergreifenden Verbindungslinien zwischen den beiden Kondiktionstypen zusammenzufassen sein. § 3. Hauptprobleme des Bereicherungsrechts 1. Allgemeines Wichtige Grundfragen des Bereicherungsrechts sind, wie eingangs (S. 15) schon erwähnt, vom Gesetzgeber nicht gelöst worden, so daß es der Rechtsprechung und Lehre überlassen blieb, die fehlenden Weichenstellungen selbst vorzunehmen. Vor allem aus diesem Umstand ist es zu erklären, daß im Bereicherungsrecht wie sonst wohl in keinem anderen Rechtsgebiet des Zivilrechts der dogmatische Boden fast an allen Ecken und Enden schwankend, wenn nicht gar grundlos ist, so daß ein Autor (Flessner, RabelsZ 38, 666) jüngst von „Mysterien" des deutschen Bereicherungsrechts sprechen konnte. Von der Judikatur mühsam erarbeitete Stabilisierungen, wie etwa das Erfordernis der „Unmittelbarkeit" der „Vermögensverschiebung", mußten unter stetem Beschüß der Lehre wieder aufgegeben werden, ohne daß die angebotenen Alternativen mit allgemeinem Konsens rechnen konnten. IL Anspruchsvoraussetzungen Was den Tatbestand der ungerechtfertigten Bereicherung betrifft, wurde eine entscheidende, von der Lehre (Wilburg, von Caemmerer) entwickelte und von der Rechtsprechung übernommene Weichenstellung, nämlich die konsequente Unter-
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Scheidung zwischen zwei hauptsächlichen Bereicherungstypen (Leistungskondiktionen, Eingriffskondiktionen) oben (S. 19) schon erwähnt; gleichzeitig aber angemerkt, daß auch diese differenzierende Betrachtungsweise neuerdings immer heftiger angefochten wird. Innerhalb der beiden Haupttypen von Kondiktionsansprüchen macht bei der Leistungskondiktion vor allem die Determinierung des Bereicherungsverhältnisses Schwierigkeiten, wenn Leistungen über ein „Dreieck" verknüpft sind. Die heute - allerdings seit kurzem ebenfalls heftiger Kritik ausgesetzte - herrschende Lehre und Rechtsprechung behelfen sich hier mit einem zweckorientierten Leistungsbegriff, der in einem Aufwaschen auch die Erfordernisse der Bereicherung „auf Kosten" und der Rechtsgrundlosigkeit der Bereicherung in sich aufnehmen soll. Bei der Eingriffskondiktion ist es die „Zuweisungstheorie" (Wilburg, von Caemmerer), die weitgehend dieselben Funktionen erfüllen soll. Die Grundkonzeption dieser Theorie begegnet ebenfalls in letzter Zeit immer grundsätzlicherer Kritik, vor allem, weil sie (ohne überzeugende Begründung) nur absoluten Rechten einen Zuweisungsgehalt zuordnen will. III. Anspruchsinhalt Bei der Ausgestaltung des Bereicherungsanspruchs ist vor allem bestritten, ob bei Wertersatz eine objektive oder subjektive Berechnung vorzunehmen ist, ob der Bereicherte auch zur Gewinnherausgabe verpflichtet werden soll und wie der Wertersatz bei Nutzungen aussieht; ferner, nach welchen normativen Kriterien der Einwand des Wegfalls der Bereicherung zuzulassen ist und - damit im Zusammenhang - bei den Leistungskondiktionen die besonders heikle Frage, ob bei der Abwicklung nichtiger gegenseitiger Verträge die beiderseits erbrachten Leistungen isoliert zu sehen sind (Zweikondiktionenlehre) oder aber durch das (zwar nichtige) Austauschsynallagma verbunden werden müssen (Saldotheorie, Lehre vom faktischen Synallagma). Der Satz des Duarenus (Com. de condictione indebiti cap. I) ist vor diesem Hintergrund besehen audi heute noch aktuell: „inter condictiones . . . haec insignis et praecipua est nec ullus locus est in iure civili aut memorabilior aut obscurior et difiicilior".
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I. Kapitel: Grundlagen
IV. Methodische Konsequenzen Bei diesem Stand der Dinge kann es methodisch, aber auch didaktisch nicht legitim sein, an die offenen Probleme des Bereicherungsrechts deduktiv mit vorgefaßten dogmatischen Konzeptionen heranzugehen, etwa den herrschenden Leistungsbegriff quasi apriorisch voranzustellen, ohne klarzumachen, daß alle diese Konstruktionen - sofern sie überhaupt sinnvoll sind - nur ex post eine wertende Entscheidung in einem Kürzel zusammenfassen, und ohne die (wie gesagt, von den §§812 ff. nur zu oft nicht bereitgestellten) Kriterien dieser Entscheidung offen zu nennen sowie ihre Bewertung auszudiskutieren.
II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen § 4. Allgemeine Merkmale der Leistungskondiktionen
I. Der zweckgerichtete Leistungsbegriff der herrschenden Lehre 1. Ausgangspunkt Nach § 812 I, 1. Satz ist „zur Herausgabe verpflichtet", „wer durch die Leistung eines anderen . . . auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt". „Diese Verpflichtung besteht" nach Satz 2 „auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalte des Rechtsgeschäftes bezweckte Erfolg nicht eintritt." „Durch Leistung eines anderen": Ein Schlüssel zum Verständnis der gesamten Lehre von der Leistungskondiktion liegt offenbar in einer Klärung der Funktionen des für das Bereicherungsrecht maßgebenden Leistungsbegriffs. 2. Leistungsmotive Der Normalfall einer Leistung im Sinne von § 812 I liegt in der Erfüllung einer gesetzlichen oder obligatorischen, vor allem vertraglich begründeten Verbindlichkeit. Kann dieser Zweck der Leistung, die Tilgung der Schuld, nicht erreicht werden, weil die Schuld in Wirklichkeit gar nicht bestanden hat oder (aus Gründen, die das Gesetz an anderer Stelle regelt: etwa §§ 104 ff., 145 ff.) nicht wirksam begründet wurde (bzw. wenn ihr eine peremptorische Einrede gemäß § 813 I entgegenstand), so steht dem Leistenden gegen den ungerechtfertigt bereicherten Leistungsempfänger ein Kondiktionsanspruch zu. Die Erfüllung einer Verbindlichkeit ist aber nicht das einzige Motiv für eine „Leistung": Es kann mit ihr auch die unmittelbare Begründung eines kausalen Schuldverhältnisses bezweckt werden, wie etwa im Falle der Handschenkung. Auch hier kann bei Nichterreichung dieses Zwecks aufgrund von § 812 I, 1. Satz kondiziert werden. „Leistung" liegt schließlich audi dann vor, wenn der Empfänger dadurch zu einem bestimmten
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Verhalten motiviert werden soll, ohne daß damit eine Schuld erfüllt oder eine Obligation begründet wird. Beispiel nach Esser, 340: Zahlung des Kaufpreises bei formnichtigem Grundstückskaufvertrag, um den Empfänger zur Auflassung zu veranlassen (die ja nicht allein, sondern nur in Verbindung mit der Eintragung zur Heilung des Geschäftes führt: § 313, 2. Satz). 3. Die juristische Konsequenz Aus diesen Erscheinungsformen der „Leistung" leiten die heute ganz herrschende Lehre und nun ständige Rechtsprechung als ihnen gemeinsamen, an sich ohnehin selbstverständlichen (s. Wilhelm, 102) Grundzug die „Zweckgerichtetheit", „Finalität" der durch sie bewirkten Vermögensvermehrung des Empfängers ab. Eine „Leistung" im Sinne des Bereicherungsrechts liege dann vor, wenn bewußt am Leistungsbewußtsein" der Fluggesellschaft mangelte es wohl beim „Flugreise-Fall" BGHZ 55, 128 ff., wo sich ein Minderjähriger ohne Ticket in eine Linienmaschine eingeschlichten hatte. Zum Erfordernis des Leistungsbewußtseins etwa BGHZ 43,11. fremdes Vermögen vermehrt wird, um einen Leistungszweck zu erreichen (so Kötter, AcP 153, 193 ff.; Esser, 337 ff., der von „doppelter Finalität" der Leistung spricht; Medicus, 291; Larenz, 404; BGHZ 40, 276 ff.; 43, 11; 48, 73 ; 56, 239 ff.; BGHZ 58, 184 ff. = BGH NJW 1972, 865; zuletzt BGHZ 61, 291; BGH NJW 1974, 1132). Diese Begriffsbestimmung hat jedenfalls den darstellerischen Vorzug, den gemeinsamen Nenner der verschiedenen Typen der Leistungskondiktionen in eine Kurzformel zusammenfassen zu können. Sowohl die condictio indebiti als auch die condictio ob causam finitam und die condictio causa data causa non secuta (condictio ob rem) lassen sich darunter subsumieren. Ausnahmsweise kann eine Leistung trotz Zweckerreichung zurückgefordert werden, und zwar, wenn die Annahme der Leistung von der Rechts- und Sittenordnung mißbilligt wird (S 817,1. Satz). Die rechtliche Qualifikation der „Leistung" und ihrer Zweckbestimmung im Sinne der herrschenden Lehre ist nicht unbestritten: Vereinzelt wird die Erfüllung vertraglich konstruiert (s. Ehmann, JZ 1968, 549 ff.; NJW 1969,398 ff., 1833 ff.). Die Zweck-
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
bestimmung des Leistenden müßte danach als Offerte interpretiert werden, die noch der Annahme durch den Empfänger bedürfte; zum Teil wird die Zweckbestimmung des Leistenden als einseitiges Rechtsgeschäft qualifiziert (vgl. Lorenz, JuS 1968, 441 f.; JZ 1968, 51 ff.). In beiden Fällen könnte bei fehlender Geschäftsfähigkeit keine „Leistung" angenommen werden, was zur weiteren Konsequenz hätte, daß das Erbrachte nach den Grundsätzen über die Eingriffskondiktion zurückgefordert werden müßte. Die „Vertragstheorie" wird aber allgemein abgelehnt. Es geht bei der Frage, ob erfüllt wird, lediglich darum, „zu ermitteln, ob dem Gläubiger das erbracht worden ist, was ihm versprochen oder sonst geschuldet war, ob der gewünschte »Erfolg' eingetreten ist . . . oder die Handlung vorgenommen wurde, an der er interessiert war" (Esser, Schuldrecht I, 150). Aber auch die Ansicht von der Leistung und ihrer Zweckbestimmung als einseitigem Rechtsgeschäft vermag, wie vor allem Beuthien (290 ff.) und Medicus (292) nachgewiesen haben, keinen rechtspolitischen Gesichtspunkt zu nennen, der ihren Vorzug gegenüber der herrschenden „Theorie von der realen Leistungsbewirkung" begründen könnte. Was den Gesichtspunkt des Schutzes der Nichtgeschäftsfähigen betrifft, so könnte er nur dann durchschlagend sein, wenn die Eingriffskondiktion (auf die der Nichtgeschäftsfähige zu verweisen wäre, ginge man von der Zweckbestimmung als einseitigem Rechtsgeschäft aus) für die Nichtgeschäftsfähigen vorteilhafter als die Leistungskondiktion wäre. Dies ist aber nicht der Fall, da zum einen die „Saldotheorie" gerade aus dem Gesichtspunkt des Schutzes der Nichtgeschäftsfähigen eingeschränkt wurde (s. dazu unten S. 144 f., 192), zum anderen der Ausschluß der Rückforderung des Geleisteten nach den §§ 814, 815 zur Voraussetzung hat, daß der „Wissende" geschäftsfähig war. Hinter der Betonung des Begriffs der Leistung und ihrer Finalität in der heute herrschenden Lehre von der Leistungskondiktion steht nicht, wie es bisher den Anschein erweckt haben könnte, das formal-uninteressierte Bemühen um die begriffliche Abklärung eines nach § 812 offenbar wesentlichen Tatbestandselementes. Die Funktion der Konstruktion der zweckgerichteten Leistung geht weit darüber hinaus. Es sollen damit nämlich mit einem Schlag die Probleme der Rechtsgrundlosigkeit der Leistung, des Gegenstands der Leistungskondiktion, der Interpretation des Tatbestandsmerkmals „auf Kosten" und schließlich - dies ist ganz entscheidend - die Frage gelöst
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werden, zwischen welchen Personen das Kondiktionsverhältnis bei rechtsgrundloser Leistung zu fixieren ist. Die gesamte Lehre von der Leistungskondiktion soll sich daher im Grunde auf eine exakte Formulierung des Leistungsbegriffs reduzieren lassen. Der Leistungsbegriff der herrschenden Lehre erweist sich so ganz offensichtlich als eine „finale", ergebnisorientierte dogmatische Konstruktion, deren Haltbarkeit sich erst an einer teleologischen Analyse der einzelnen Probleme zeigen muß, deren Lösung sie zu dienen vorgibt. II. Das Erfordernis der „Rechtsgrundlosigkeit'' der Leistung Der zweckorientierte Leistungsbegriff der herrschenden Lehre bietet eine plausible und klare Handhabe zur Interpretation des Erfordernisses der Rechtsgrundlosigkeit der Leistung. „Ohne Grund" im Sinne von § 812 I ist danach eine Leistung immer dann erbracht, wenn der Leistende mit ihr keinen der angeführten Leistungszwecke erreichen konnte (s. schon die Materialien bei Mugdan II, 1175: Die Zweckbestimmung bildet den Rechtsgrund der Leistung; Esser, 341; F. Baur/M. Wolf, JuS 1966, 349; Ehmann, NJW 1969, 398 ff.). Wenn Kellmann (100 ff.) dagegen ausführt, daß „rechtlicher Grund" einer Bereicherung - sowohl bei der Leistungskondiktion als auch bei der Eingriffskondiktion - „das fehlerfreie Einverständnis des Rechtsinhabers mit (oder der fehlerfreie Wille des Rechtsinhabers zu) der Verwertung, Benutzung, Ausnutzung oder Übertragung seiner Vermögenswerte" sei (102) und nicht irgendeine causa, so sagt er damit - jedenfalls für die Leistungskondiktion - im Grunde nicht mehr als das ohnehin Unbestrittene, daß nämlich eine Kondiktion nach § 814 voraussetzt, daß der Leistende sich nicht bewußt war, etwas nicht Geschuldetes zu erfüllen (§ 815 ist dagegen nur eine Ausformung des allgemeinen Treu und Glauben-Gebotes), und insofern den Zweck der Leistung (causa solutionis) ohne sein Einverständnis verfehlt. Ein Unterschied von Kellmanns Position zu der von ihm angegriffenen Lehre kann also im Ergebnis nicht gesehen werden. Vor allem muß ja auch Kellmann die Vorfrage untersuchen, ob etwa eine Leistungsverpflichtung als causa solutionis bestand, denn darauf bezieht sich doch gerade der fehlerhafte oder fehlerfreie Wille des Leistenden.
28 III. Der Gegenstand der
II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
Leistungskondiktion
Der Bereicherungsschuldner muß durch die Leistung nach S 812 I, 1. Satz etwas „erlangt" haben (Einzelheiten dazu unten , S. 125 ff.). „Erlangt" und daher Gegenstand einer Herausgabeverpflichtung ist grundsätzlich jede Vermehrung der Rechtspositionen bzw. rechtlich geschützten tatsächlichen Positionen (wie der Besitz) des Empfängers durch den Leistenden (vgl. von Caemmerer, 253), wobei es irrelevant ist, ob das Vermögen des „Bereicherten" effektiv (im Sinne einer durch Geldwertfaktoren bestimmten Differenzrechnung) durch die Leistung vermehrt worden ist, solange das Erlangte noch „natural" restituiert werden kann (vgl. Koppensteiner, NJW 1971, 1774; Ostendorf, BB 1773, 822; BGHZ 55, 133). § 812 spricht ja nicht von „Bereicherung" des Kondiktionsschuldners, sondern nur davon, daß er das „Erlangte" herauszugeben hat. Allerdings könnte auch im Falle einer noch möglichen Naturalrestitution eine etwaige Entreicherung durch den Schuldner mittels der Einrede eines Ersatzes Zug um Zug geltend gemacht werden (s. dazu im einzelnen unten, 137). In dem hier skizzierten Sinn ist eine Bereicherung natürlich nicht nur dann gegeben, wenn sich die Aktivposten im Vermögen des Leistungsempfängers vermehren, sondern auch dann, wenn seine Passiva (etwa durch Tilgung von Forderungen) vermindert oder völlig beseitigt werden (vgl. im einzelnen Esser, 2. Aufl., 780). § 812 II hält ausdrücklich fest, daß auch die „durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses" als „Leistung" aufzufassen sei. Dabei ist an die Abgabe eines Schuldanerkenntnisses im Sinne von §§ 781, 397 II zu denken, nicht an Anerkenntnisse, die Bestandteil kausaler Verträge sind (s. Esser, 339). „Erlangt" im Sinne von § 812 I kann auch ein Gebrauchsvorteil sein, nur beschränkt sich hier ein Kondiktionsanspruch wegen der Unmöglichkeit einer Naturalrestitution immer auf den Wertersatz nach § 818 II (dazu im einzelnen unten, S. 126 ff., 159 ff.).
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IV. Das Erfordernis der Bereicherung „auf Kosten" des Leistenden 1. Grundlagen § 8121 verpflichtet den zur Herausgabe, der etwas „auf Kosten" des Leistenden erlangt hat. Die Interpretation dieses Tatbestandsmerkmals gehört zu den Schlüsselstellen des Bereicherungsrechts, da sie die Lösung einer ganzen Reihe anderer Probleme präjudiziert. Das Erfordernis der Bereicherung „auf Kosten" des Kondiktionsgläubigers wurde in der 2. Lesung des Entwurfs eines BGB an die Stelle der Formulierung „aus dem Vermögen" des Entreicherten gesetzt, um damit auch die Fälle zu erfassen, bei denen der Vermögensstand des Gläubigers durch den Entzug des Kondiktionsgegenstandes lediglich „berührt" wurde (Mugdan II, 1170 f.). Damit war - wenn auch sicherlich wenig bestimmt (Wilhelm, 56, leugnet überhaupt die Beweiskraft dieser Stelle aus den Materialien) - der richtige Weg gewiesen: Voraussetzung eines Kondiktionsanspruchs ist nicht das Vorliegen einer rechnerisch nachzuweisenden Vermögenseinbuße beim Kondiktionsgläubiger bzw. Vermögensverschiebung zum Kondiktionsschuldner; charakteristische Funktion des Bereicherungsrechts ist es ja nicht, Schäden, sondern ungerechtfertigte Vermögensmehrungen möglichst rückgängig zu machen (s. S. 18). Dies ergibt sich schon daraus, daß - solange Naturalrestitution möglich ist - auch dem eine Kondiktion auf Rückgabe zusteht, der eine wirtschaftlich völlig wertlose Sache an den Kondiktionsschuldner verloren hat. Immerhin hat die Rechtsprechung bei der Eingriffskondiktion lange Zeit wenigstens verbal am Erfordernis der Vermögenseinbuße des Kondiktionsgläubigers festgehalten, wenn dies auch sofort durch Verzicht auf das Erfordernis einer Dekkung von Bereicherung und Entreicherung abgeschwächt wurde (s. dazu im einzelnen unten, S. 86 ff.). Bei der Leistungskondiktion wird das Erfordernis der Bereicherung „auf Kosten" hingegen von der heute herrschenden Lehre und einhelligen Rechtsprechung (vgl. BGHZ 40, 277 f.; 48, 73; 56, 239 ff.; BGH NJW 1972, 865; unschlüssig BGHZ 43, 11) durch die Fixierung des Leistungsverhältnisses ersetzt (repräsentativ Kötter, AcP 153, 201 ff.; Esser, 340; Larenz, 411; dagegen grundsätzlich Wil-
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
heim, 100 ff.)· Das Tatbestandsmerkmal „auf Kosten" habe für die Leistungskondiktion keine eigenständige Bedeutung; Kondiktionsschuldner und -gläubiger würden durch die Sachbefugnis zur Bereicherungsklage bestimmt, welche wiederum aus dem Leistungsverhältnis abzuleiten sei. Dem könnte entgegengehalten werden, daß es, wertend betrachtet, keineswegs einsichtig erscheint, die Gläubigerstellung im Kondiktionsverhältnis demjenigen zuzurechnen, der in der Terminologie der herrschenden Lehre durch seine Leistung eine „eigene Zwecksetzung" gegen den Leistungsempfänger verfolgte; diese Konstruktion macht, so formuliert, zugegebenermaßen einen sehr theoretisch - begrifflichen Eindruck, erweckt nicht gerade den Eindruck wertiingsmäßiger Plausibilität (vgl. die Kritik von 'Wilhelm, 100 ff.). Diesem Einwand kann hier nur vorläufig mit dem Argument begegnet werden, daß es, teleologisch betrachtet, durchaus sinnvoll erscheinen kann, die Gläubigerstellung im Kondiktionsverhältnis demjenigen zuzugestehen, dessen ihm zurechenbare Vermögensdisposition durch Nichterreichung seines Leistungszwecks sinnlos, „frustriert" war und somit - wenn man will - insofern auf seine „Kosten" ging, sie hingegen denjenigen nicht zu gewähren, die zwar eine Vermögensbewegung bewirkten, ohne aber damit gegenüber dem Leistungsempfänger dem Risiko der Zweckverfehlung ausgesetzt gewesen zu sein. Der Test für die Stimmigkeit dieser Ansicht sind die Fälle der Dreieckskondiktion, die erst unten (S. 38 ff.) im einzelnen abgehandelt werden. Eine abschließende Stellungnahme kann überhaupt erst im Zusammengang mit der Frage nach grundsätzlichen Verbindungslinien zwischen der Leistungskondiktion und den Ansprüchen wegen Bereicherung aus sonstiger Weise abgegeben werden (s. unten, S. 193 ff.). 2. Eigentum des „Leistenden"? Dagegen ist es nach allem bisher Ausgeführten jedenfalls nicht erforderlich, daß der Leistungsgegenstand sich im Eigentum des Leistenden befunden hat. Dies soll folgender Fall demonstrieren (nach Larenz, 412): Α hat den Β dazu ermächtigt, im eigenen Namen über eine Sache des Α zu verfügen. Β verkauft demgemäß die Sache an C und übereignet sie diesem. Ist der Kaufvertrag nichtig, die Übereignung aber gültig, dann hat C
§ 4. Allgemeine Merkmale der Leistungskondiktionen
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das Eigentum durch eine rechtsgrundlose Leistung des Β erlangt - aber so könnte man meinen - nicht auf dessen Kosten. Dagegen hat Α durch die wirksame Verfügung des Β sein Eigentum verloren. Wer kann von C kondizieren? Α wegen Bereicherung „in sonstiger Weise" oder Β wegen seiner zweckverfehlenden Leistung? Der Leistungskondiktion des Β könnte entgegengehalten werden, daß die Bereicherung des C nicht auf seine, sondern A's Kosten ging; anderseits hätte eine Leistungskondiktion des Β gegenüber einem Kondiktionsanspruch des Α den entscheidenden Vorzug, dem C die Einwendungen geltend machen zu lassen, die er aus seinem Verhältnis zu Β herleiten kann, vor allem seinen Anspruch auf Rückzahlung des von ihm an Β gezahlten Kaufpreises. Der Einwand, C sei nicht auf Kosten des Β bereichert, kann aber bei Zugrundelegung der hier (vorläufig) befürworteten Interpretation dieses Tatbestandselements nicht erhoben werden. Fraglich bleibt aber, ob Β mit seiner Leistungskondiktion nicht nur die Rückübertragung des Besitzes, sondern auch des ihm vor Übereignung an C gar nicht zugestandenen Eigentums verlangen kann. Von Caemmerer (313) sieht trotz zugegebener konstruktiver Schwierigkeiten keine Bedenken, auf den Kondizienten Β lediglich den Besitz übergehen zu lassen, ihn gleichzeitig aber ähnlich wie beim „Geschäft für den, den es angeht" das Eigentum für Α erwerben zu lassen (s. dazu auch Latenz, 412; Wiegand, JuS 1971, 62 ff.; gegen diesen Lopau, JuS 1971, 233 f.; vgl. auch Wilhelm, 120 f. mit FN 210, vgl. dazu auch unten, S. 109 f.). 3. Leistungskondiktion des Diebes? Im Anschluß an diese Erörterung drängt sich die vor allem für die Befürworter einer strikten Subsidiarität der Eingriffskondiktion hinter der Leistungskondiktion (s. dazu abschließend unten, S. 114 ff.) unangenehme Frage auf, ob vielleicht auch der Dieb eine Leistungskondiktion erheben kann, wenn etwa der Vertrag über die Diebesbeute mit dem gutgläubigen Käufer nichtig war. Dabei ist von vorneherein klar, daß das Motiv der Befürwortung einer solchen Kondiktion nicht die Rücksicht auf den Dieb sein kann, dessen Leistung ihren Zweck verfehlt hat. Ganz im Gegenteil hätte die Bejahung einer Leistungskondik-
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
tion des Diebes von vorneherein den großen Makel, diesem gegen alle sonstigen Wertungen der Rechtsordnung einen vermögensrechtlichen Aktivposten zu garantieren, sein Tun also quasi bereicherungsrechtlich zu bestätigen. Entscheidend für die Annahme einer Kondiktion des Diebes könnte daher allenfalls das Argument des Vertrauensschutzes des Käufers sein, der ja nur seinem Kontrahenten Gegenansprüche aus dem Schuldverhältnis entgegenzusetzen vermag, nicht aber dem kondizierenden Eigentümer. Das Argument des Vertrauensschutzes ist aber deshalb nicht durchschlagend, da aus § 935 abzuleiten ist, daß im Falle des Diebstahls das Interesse des Eigentümers dem guten Glauben des Erwerbers vorzugehen hat. Wenn dies für die Frage des Eigentumserwerbs gilt, muß es wohl auch für das Problem der Gläubigerschaft im Kondiktionsverhältnis gelten. Darüber hinaus kann das Vertrauensargument auch deshalb nicht überzeugen, da dem Eigentümer ja doch (abgesehen von § 946 ff.) jedenfalls die Vindikation offensteht, welcher der Käufer auch keine Gegenansprüche aus seinem Verhältnis zum Dieb entgegensetzen kann. Daher ergibt sich, daß dem Dieb keine Leistungskondiktion zustehen kann, vielmehr dem Eigentümer konkurrierend mit der Vindikation eine Eingriffskondiktion gegen den Käufer; aber auch im Fall des Einbaus oder der sonstigen Verarbeitung des vom Dieb geleisteten Gegenstands würde der Ausschluß einer Kondiktion des Eigentümers offen den §§ 935, 950 widersprechen (s. ebenso der „Jungbullenfall" BGHZ 55,177 f. = NJW 1971, 612 ff. mit Anmerkung von Ehmann; vgl. dazu auch Η. P. Westermann, JuS 1972, 18 ff.; ebenso Wilhelm, 107, FN 164). Dazu endgültig unten, S. 117 f. § 5. Leistungskondiktionen bei Zweipersonenverhältnissen, Bereicherungsketten, Versionsfällen, Zuziehung von Mittelspersonen Wie schon in den Ausführungen zum Erfordernis der Bereicherung „auf Kosten" angeführt, liegt eine Hauptfunktion des zweckorientierten Leistungsbegriffs der herrschenden Lehre darin, die Parteien des Kondiktionsverhältnisses zu determinieren. Der dazu angestellte überaus große theoretische Auf-
§ 5. Leistungskondiktionen in besonderen Fällen
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wand ist so lange von eher akademischer Bedeutung, als sich die Leistungsbewegung (ohne Zwischenschaltung irgendeines „Dritten") unmittelbar zwischen zwei Personen vollzogen hat. Es kann ja dann keinem Zweifel unterliegen, daß das Kondiktionsverhältnis nur zwischen diesen beiden Personen bestehen kann. 1.
Bereicherungsketten
1. Kläger war Nichteigentümer Keine großen Schwierigkeiten bereiten, so gesehen, audi die Fälle der „Bereicherungsketten": Verkauft und übereignet etwa Α eine Sache an seinen Vertragspartner Β und verkauft Β diese Sache wiederum an C, so besteht im Falle der Nichtigkeit des Vertragsverhältnisses Α-B keine Möglichkeit f ü r A, die Kaufsache direkt von C mit Hilfe einer Leistungskondiktion herauszuverlagen. Die Leistungskondiktion gibt ja keinen dinglichen Anspruch gegen „jedermann". Daher stehen bei einer Bereicherungskette jedem Gläubiger grundsätzlich (Ausnahme: § 822) Ansprüche nur gegen seinen Schuldner zu (s. dazu W/7burg, 113 ff.; Kellmann, 116 f.). Zur Möglichkeit eines „Durchgriffs" bei einem „Doppelmangel", also Nichtigkeit der Verträge Α-B und B-C unten, S. 42 ff. „Dritte", die mit dem Leistenden nichts zu tun haben, sollen „unbehelligt bleiben, weil sie regelmäßig auf die Wirksamkeit des zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger, ihrem Vordermann, geschlossenen Geschäfts vertrauten" (Fikentscher, 569). Und von der anderen Seite, vom Leistenden aus gesehen: „Wie der Kreditgeber bei gültigem Darlehensvertrage nur gegen den Darlehensempfänger und nicht gegen Dritte, denen die Mittel zugeflossen sind, vorgehen kann, wie der Verkäufer bei gültigem Kaufvertrag Bezahlung der Ware nur vom Käufer verlangen kann, so können sie auch bei mangelhaftem oder gescheitertem Geschäft nur ihren Vertragspartner auf Rückgewähr in Anspruch nehmen. Auch im Hinblick auf die Durchführung solcher Rückabwicklung haben sie seinem Kredit vertraut. Das ist der Gedanke, der hier zugrunde liegt und dem Dritten die Gewähr gibt, daß auch er sich nur mit seinem Vertragsgegner auseinanderzusetzen braucht" (von 3 Koppensteiner/Kramer, Bereicherung
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
Caetnmerer, 248 f.); gegen den allein er ja auch seine etwaigen Gegenforderungen geltend machen kann. Dieses Ergebnis läßt sich im übrigen (s. Canaris, FS Latenz, 1973, 804) auch aus dem sachenrechtlichen Abstraktionsprinzip begründen: Ließe man einen Durchgriff A-C zu, „so würde man dadurch dessen Rechtsstellung entgegen dem mit der Abstraktion verfolgten Ziel doch wieder von den schuldrechtlichen Beziehungen des Veräußerers zu Dritten abhängig machen - wenn auch nicht auf der dinglichen Ebene und mit den Folgen der §§ 985 ff. BGB, so doch auf der obligatorischen Ebene und mit den insoweit meist zum selben Ergebnis führenden Folgen der §§ 812, 818 f. BGB" (Canaris, a.a.O.).
Im übrigen ist im angegebenen Beispiel einer Bereicherungskette auch eine Eingriffskondikton ausgeschlossen, da der Erwerb des C nicht mehr das durch Ubereignung an Β erloschene Eigentumsrecht des Α beeinträchtigen konnte. Wenn zur Begründung des Ausschlusses eines Bereicherungsdurchgriffs A-C in der früher herrschenden Lehre und überwiegenden Rechtsprechung (s. noch BGHZ 46, 262 f.) auf das Erfordernis der „Unmittelbarkeit" der Vermögensverschiebung verwiesen wurde, so erweckt diese Konstruktion den Eindruck eines Kampfes gegen Windmühlen. Denn: „Um eine Kondiktion A-C zu bekämpfen, müßte sie erst glaubhaft begründet werden" (Kellmann, 117). Eine solche Begründung wird aber gerade durch die dargelegten Erwägungen verwehrt. 2. Kläger war (noch) Eigentümer Das Bild ändert sich, wenn Α bei der Verfügung des Β noch Eigentümer der Sache war, dieses Eigentum aber an C verliert, der die Sache gutgläubig von Β erworben hat. Auch hier ist klar, daß eine Leistungskondiktion A-C nicht Platz greifen kann, da zwischen diesen beiden Personen kein Leistungsverhältnis besteht. Dagegen liegt der Gedanke an eine Eingriffskondiktion A-C sehr nahe, da der Erwerb des C in das Eigentumsrecht des A, der seinem Eigentumsverlust ja nicht zugestimmt hat, „eingegriffen hat". Aber auch diese Eingriffskondiktion wird man - abgesehen von den Fällen, in denen eine Vindikation des Α möglich ist - mit Kellmann (118) deswegen nicht zulassen dürfen, da gutgläubiger Erwerb „im Interesse der
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Verkehrssicherheit generell die Zustimmung des Eigentümers . . . , e r s e t z t ' . . . und damit nicht nur die Vindikation, sondern sinnvollerweise auch die Kondiktion" verhindert. Dies ergibt sich im übrigen ja auch aus § 816 I 1. Satz. Liegt die Bereicherungskette dagegen so, daß B, der die Sache von Α gekauft hat und sie an C weiter verkaufte, geschäftsunfähig war, so daß nicht nur beide Grundgeschäfte, sondern auch die dinglichen Ubereignungen nicht wirksam zustande kommen konnten, so steht nichts entgegen, dem Α gegen den C neben dem Vindikationsanspruch auch eine Kondiktion gegen C zu gewähren (vgl. Η. P. Westermann, JuS 1 9 6 8 , 1 9 ; Lorenz, J Z 1968, 51 f. zu R G Z 86, 343). Wenn etwa eine bewegliche Sache geliefert wurde, die deshalb nicht mehr vindiziert werden kann, weil C sie verbraucht oder infolge der §§ 946 ff. daran Eigentum erworben hat, so ist die auf Wertersatz gerichtete Kondiktion Ersatz für einen Vindikationsanspruch, den Α verloren hat. Dabei kann C den Verlust, den er durch die nutzlose Bezahlung seines Vormannes erleidet, nicht auf Α abwälzen, da er dies (vgl. §§ 993 ff. und § 1000) ja auch bei der Vindikation nicht hätte machen können (so Lorenz, J Z 1968, 51). Dagegen wird ein Durchgriff A-C dann abzulehnen sein, wenn Β zwar auch geschäftsunfähig war, aber nach § § 9 4 6 ff. wirksam Eigentum erworben hatte, da in diesem Fall ja der Leistungsgegenstand zuvor Bestandteil des Vermögens des veräußernden Β (Canaris a.a.O., 822) war. Ansonsten aber ist eine Berufung auf § 9 5 1 1 bei Bereicherungsketten ausgeschlossen: Der Bauhandwerker, der aufgrund eines nichtigen Vertrages mit dem Bauunternehmer Baumaterial für das Haus des Bauher r n und Grundstückseigentümers liefert, das dann vom Bauunternehmer an den Bauherrn geleistet wird, kann grundsätzlich nicht gestützt auf § 951 I gegen diesen vorgehen. Er kann sich allein an den Bauunternehmer halten; von ihm allein dürfte er nach den getroffenen Vereinbarungen die Zahlung der Vergütung verlangen (s. von Caemmerer, 249; s. auch B G H Z 56, 240 ff. mit weiteren Nachweisen). Die Ausführungen zu den Anweisungsfällen (unten, S. 38 ff.) werden dieses Ergebnis bestätigen.
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
3. Die Ausnahmeregelung des § 822 Eine Ausnahme von dem Gesagten ist dann anzunehmen, wenn der Empfänger das Erlangte unentgeltlich einem Dritten zuwendet und deswegen (d. h. also wegen Wegfalls der Bereicherung nach §§ 818 II, III: s. unten, S. 135 ff., 159 ff.) „die Verpflichtung des Empfängers zur Herausgabe der Bereicherung ausgeschlossen ist". In diesem Fall ist nach § 822 ausnahmsweise im Versionswege „der Dritte zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn er die Zuwendung von dem Gläubiger ohne rechtlichen Grund erhalten hätte" (§ 822). Hier äußert sich wie im analogen Fall des § 816 I 2. Satz (zu dessen Verhältnis zu § 822 s. unten, S. 107) die spezifische „bereicherungsrechtliche Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs" (Medicus, 159), die bewirkt, „daß selbst ein vom formell Berechtigten abgeleiteter, wirksamer und mit Rechtsgrund erfolgter unentgeltlicher Erwerb nicht absolut schutzwürdig ist, wenn er sich auf Kosten Dritter vollzieht." (Esser, 379). § 822 begründet einen echten Bereicherungsanspruch (§§ 818 ff sind also auf den Dritten anwendbar!), wobei die Voraussetzungen einer condictio indebiti fingiert werden. § 822 ist als Ausnahmeregelung nur dann anwendbar, wenn dies zum Schutz des Entreidierten unbedingt erforderlich ist, also dann nicht, wenn dieser nodi Ansprüche gegen den ursprünglichen Empfänger geltend machen könnte; etwa, wenn der Empfänger insoweit bereichert ist, als er durdi die Sdienkung eine eigene Aufwendung erspart hat (Esser, 380). Der Zugriff auf den Dritten ist auch dann ausgeschlossen, wenn der Ersterwerber gemäß § § 8 1 8 IV, 819, 820 verschärft haftet (s. dazu unten, S. 149 ff.): Vgl. RG J W 1938, 1025. Kauft ζ. B. der Dieb mit gestohlenem Geld einen Gegenstand und schenkt ihn einem Dritten, so haftet der gutgläubige Dritte nicht nach § 822 (s. im Einzelnen Palandt/ Thomas, 3 zu § 822; Kritik an dieser Konsequenz bei Medicus,
160).
§ 5. Leistungskondiktionen in besonderen Fällen II. Leistungskondiktion
bei mittelbarer
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Stellvertretung
Grundsätzlich gleich zu sehen wie die Konstellationen der Bereicherungskette sind die „Versionsfälle", bei denen ein mittelbarer Stellvertreter (etwa Kommissionär) oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremder Rechnung kontrahiert. Auch hier ist eine Leistungskondiktion zwischen dem Vertretenen und dem Kontrahenten des Vertreters ausgeschlossen, da eine Leistung eben nur zwischen diesem und dem Vertreter ausgetauscht worden ist (vgl. BGH NJW 1961, 1461). Der grundsätzliche Ausschluß eines Versionsanspruchs (s. aber § 822) ergibt sich im übrigen ganz eindeutig aus den Materialien zu §§812 ff. (s. Mugdan II, 487 f.; vgl. im einzelnen Brandt, Bereicherung aus fremdem Vertrag, Diss. Münster 1966; unhaltbar Kaehler, 107). Zur auch für das Verständnis der Problematik der Dreiecksverhältnisse wesentlichen teleologischen Begründung vor allem von Caemmerer, 246 f.: „Eine Rechtsordnung kann es natürlich als ungerechtfertigte Bereicherung ansehen, wenn die noch nicht bezahlte Vertragsleistung einem Dritten zugute kommt. Das BGB steht auf einem anderen Standpunkt und hat die gemeinrechtliche Versionsklage durch Nichtaufnahme bewußt abgelehnt. Der Gedanke, der dieser Stellungnahme des Gesetzes zugrunde liegt, ist gesund. Man soll sich wegen der Vergütung seiner Leistungen an den halten, mit dem man kontrahiert hat, man soll geliehenes Geld von dem zurückverlangen, dem man Kredit eingeräumt hat, und nicht Dritte in Anspruch nehmen wollen, denen das Geleistete oder der Kredit mittelbar zugute gekommen ist. Es gehört zum normalen Vertragsrisiko, daß man die Gefahr der Kreditwürdigkeit seines Partners, die man prüfen kann oder soll, trägt. Ein insbesondere im Interesse des Handwerks gestellter Antrag, die aufgrund eines Vertrages mit einem anderen erfolgte Verwendung von Arbeitskraft in den Nutzen des Bereicherten in die Kondiktionsregelung einzubeziehen, also auch den haften zu lassen, dem die Arbeitsleistung mittelbar zugute gekommen ist, wurde ausdrücklich abgelehnt. Läßt also ein Mieter durch einen Glasermeister Fensterscheiben einsetzen, dann kann dieser sich wegen der Vergütung nur an seinen Vertragspartner, den Mieter, und nicht auch an den Hauseigentümer, dessen Haus die Reparatur zugute gekommen ist, halten." Vgl. auch Wilhelm, 120 f.
38 III. Leistungskondiktion
II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen bei Verwendung von
Hilfspersonen
Ebenso unproblematisch wie die besprochenen Konstellationen, in denen ein Leistungsverhältnis nur zwischen z\yei Personen gesehen werden kann, der Leistungsgegenstand selber allerdings in der Folge in das Vermögen eines Dritten übergegangen ist, sind diejenigen Fallgruppen, bei denen sich der Leistende oder der Leistungsempfänger einer (nicht im eigenen Namen handelnden) Mittelsperson (Überbringer oder Annehmer) bediente, welche etwa als weisungsunterworfener Bote oder direkter Stellvertreter agierte. In diesem Fall besteht ein Leistungsverhältnis (und damit gleichzeitig die Möglichkeit einer Leistungskondiktion) nur zwischen dem Geschäftsherrn und seinem Partner, nicht aber zwischen diesem und dem Mittler: „Der Kreis der Beteiligten wird dadurch nicht erweitert" (Esser, 344; vgl. auch Beuthien, JZ 1968, 323; Reeb, JuS 1972, 583; BGH NJW 1961, 1461). § 6. Die „Dreiecksverhältnisse" Die Schwierigkeiten potenzieren sich, wenn der „Dritte" im eigenen Namen den Leistungsgegenstand in das Vermögen des Empfängers der Leistung (der gleichzeitig Gläubiger ist, aber regelmäßig nicht gegenüber dem Erbringer der Leistung) übermittelt und durch denselben Vorgang audi einen eigenen Leistungszweck verfolgt (Erfüllung einer eigenen Schuld im Dekkungsverhältnis). S. zur Definition der Dreiecksverhältnisse H. A. Kuttiscb, 1 ff. In diesen Fällen ist die Fixierung des Kondiktionsverhältnisses keineswegs mehr so evident wie bei der Verwendung von bloßen Mittelspersonen. 1. Abgekürzte Lieferung durch einen nicht angenommene Anweisung
Erfüllungsgehilfen,
1. Fallstruktur Am einfachsten zu beurteilen ist der Fall, daß der Dritte (D) als Erfüllungsgehilfe des Schuldners (S) dem Leistungsempfänger (G) den Leistungsgegenstand überbringt, „abgekürzt"
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§ 6. Die „Dreiecksverhältnisse"
liefert, ohne dem Leistungsempfänger dazu verpflichtet zu sein, um dadurch eine Schuld gegen S zu erfüllen. Gleich gelagert liegt die Problematik bei der nicht angenommenen Anweisung ($ 783). Ganz anders zu sehen ist dagegen der Fall, bei dem „D" als Gesamtschuldner oder Bürge dem G neben S verpflichtet ist, da ja dann eine eigene Leistung „solvendi causa" im Verhältnis D-G vorliegt. Hier wie dort werden durch denselben wirtschaftlichen Vorgang (Überbringung des Leistungsgegenstandes durch D) zwei Rechtsverhältnisse tangiert: Einmal das Verhältnis zwischen dem übermittelnden D und S (Deckungsverhältnis), zum anderen das zwischen G und S (Valutaverhältnis). S
(Deckungsverhältnis)
\ £
D
if &
(Die Bezeichnung „S" = Schuldner, „G" = Gläubiger, „D" = Dritter werden zur Erleichterung der Orientierung im Anschluß an dieses Grundschema bei allen Dreiecksproblemen beibehalten, auch wenn andere Abkürzungen, wie etwa „V" = Versprechender, „VE" = Versprechensempfänger und „D" = Dritter etwa beim Vertrag zugunsten Dritter vielleicht sachadäquater wären). 2. Nichtigkeit des Deckungsverhältnisses Wer kann hier von wem kondizieren, wenn das Deckungsverhältnis D-S nichtig war? Beispiel (nach RGZ 60, 24 ff.): Ein Postbeamter (S), der einer Bank (G) Rückzahlung eines Darlehens schuldete, hatte eine Anweisung über den geschuldeten Betrag bei seiner Poststelle (D) aufgegeben, sie selbst abgefertigt und so die klagende Post zur Zahlung an die Bank veranlaßt.
40
II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
D gegen G nach herrschender Lehre deshalb nicht, weil er G gegenüber „keinen eigenen Leistungszweck" verfolgte, die Leistung ja nur in Hinblick auf sein Deckungsverhältnis zu S dem G „übermittelte", „zuwendete" (vgl. zur Terminologie vor allem Kötter, AcP 153, 198; Beuthien, JZ 1968, 324). G habe die Leistung ja auch nicht als solche des D empfangen (er steht mit ihm in keinem Rechtsverhältnis, ein solches wurde auch durch die Leistung nicht geschaffen), sondern als solche seines Schuldners S, der sich zur Erfüllung des D (seines Schuldners) bediente, welcher somit „für Rechnung des Anweisenden an den Anweisungsempfänger" (s. § 783) leisten sollte. Wesentliches Gegenargument gegen eine Kondiktion im Verhältnis D-G ist aber nicht diese begriffliche Analyse; sie kann nur ex postKonstruktion für die allein wesentlichen teleologischen Gesichtspunkte sein (s. hier vor allem Canaris a.a.O., 802 ff.): Argumentiert man hingegen teleologisch, so spricht gegen eine direkte Kondiktion D-G zum einen der Umstand, daß G damit von der Nichtigkeit eines Rechtsverhältnisses betroffen würde, dessen Partei er gar nicht ist. „Eine derartige Risikoverteilung aber wäre um so fragwürdiger, als er auf die Wirksamkeit des Dekkungsverhältnisses keinen Einfluß nehmen und einen etwaigen Fehler i.d.R. weit schlechter als die daran beteiligten Parteien erkennen kann - eben weil er insoweit Dritter ist. Der ,Mangel' stammt also nicht aus seiner ,Sphäre', sondern aus der der Partner des Deckungsverhältnisses" (Canaris, a.a.O.). Gegen eine Kondiktion D-G spricht weiter das Bestreben um eine gerechte Verteilung des Konkursrisikos: Das Risiko der Insolvenz des S würde dann nicht von dessen Vertragspartner im Deckungsverhältnis, sondern vom insoweit „dritten" G getragen werden, obwohl D durch den Vertragsschluß mit S zweifelsohne „näher daran" ist als G. In Frage kommt daher nur eine Leistungskondiktion im Verhältnis D-S (s. ebenso BGHZ 5, 284 f.). Dabei besteht die Bereicherung des S darin, daß D ihn durch die Übermittlung des Leistungsgegenstandes von seiner Schuld gegenüber G befreit hat. Wilhelm (115 f.) will zur Begründung desselben Ergebnisses vor allem darauf abstellen, ob der Leistungsgegenstand als solcher dem Vermögen des Anweisenden zuzurechnen ist. Hierzu „könne es nicht auf die Vermögensdisposition des Anweisenden allein
§ 6. Die „Dreiecksverhältnisse"
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ankommen, vielmehr wird diese Disposition über den Gegenstand des Angewiesenen erst dadurch wirksam, daß der Angewiesene sie tatsächlich ausführt und damit den Gegenstand seines Vermögens dem Vermögen des Anweisenden zur Verfügung stellt. Die Vermögensentscheidung des Angewiesenen, seinen Vermögensgegenstand dem Vermögen des Anweisenden zur Verfügung zu stellen", sei „zugleich die Grundlage, die die Beschränkung des Angewiesenen auf die Auseinandersetzung mit dem Anweisenden rechtfertigt". Man kann sich dabei des Eindrucks nicht erwehren, daß Wilhelm damit sehr in die Nähe des von ihm so heftig kritisierten Gedankens der Zwecksetzung nach der herrschenden Auffassung kommt. Anstatt zu sagen, daß der Angewiesene eine „Vermögensentscheidung" treffe, seinen Vermögensgegenstand dem Vermögen des Anweisenden zur Verfügung zu stellen und nicht dem des Anweisungsempfängers, betont die herrschende Lehre, daß der Angewiesene nur gegenüber dem Anweisenden eine „eigene Zwecksetzung" verfolge, nicht aber gegenüber dem Empfänger. Richtig verstanden, meint sie damit aber wohl dasselbe
wie Wilhelm. Problematisch wird die hier befürwortete Lösung (wie jüngst Canaris a.a.O., 809, entwickelt hat) dann, wenn D den S von einer Verbindlichkeit befreite, der im Verhältnis zwischen S und G Einreden entgegengestanden sind. Das zeigt sich besonders klar dann, wenn die Forderung des G gegen S schon verjährt war. Kann sich S in diesem Fall gegen den Kondiktionsanspruch des D mit dem Argument zur Wehr setzen, daß die Befreiung von einer verjährten Schuld gar keine Bereicherung darstellt? Canaris (a.a.O., 814 ff.) leitet dazu aus dem Gedanken der Riskozurechnung einerseits und dem Abstraktionsprinzip (bzw. dem Gedanken des Verkehrs- und Vertrauensschutzes) andererseits den Ausschluß von Einwendungen „ex iure tertii" ab: „Der jeweilige Kondiktionsschuldner kann dem gegen ihn gerichteten Bereicherungsanspruch nicht Umstände entgegensetzen, die in seinem Verhältnis zu den jeweiligen Dritten begründet sind" (Canaris a.a.O., 819). Eine solche freie Argumentation mit dem Risikogedanken scheitert indes, so überzeugend sie zuerst klingen mag, wegen der positivrechtlichen Regelung des § 818 (II, III), aus der ganz offenbar die Unhaltbarkeit der Vorstellung eines einredeunabhängigen Wertersatzes abzuleiten ist (s. im einzelnen unten, S. 125,159 ff.).
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
Ausnahmsweise ist eine direkte Kondiktion D-G aber dann zulässig, wenn das Valutaverhältnis S-G auf eine unentgeltliche Leistung des S gerichtet war; in diesem Fall ist gemäß § 822 ein „Durchgriff" D-G möglich, da D ja gegen S keinen Anspruch haben kann, weil dieser wegen der Unentgeltlichkeit nicht bereichert ist (s. Esser, 345). 3. Nichtigkeit des Valutaverhältnisses Ist bei der hier angenommenen Dreieckskonstellation umgekehrt nicht das Deckungsverhältnis D-S, sondern das Valutaverhältnis S-G nichtig, so kann allein S von G kondizieren, da ja D im Verhältnis zu S seinen Leistungszweck mit Rechtsgrund erreicht hat.
II. Die Fälle des „Doppelmangels" Eine Ausnahme von der Regel, wonach eine Kondiktion immer nur im Leistungsverhältnis stattfinden kann, wurde von der früher herrschenden Lehre (Enneccerus/Lehmann, 881, FN 12; Larenz bis zur 9. Aufl. seines Lehrbuchs; Fikentscher bis zur 3. Aufl.) und Rechtsprechung (s. die unveröffentlichte Entscheidung BGH vom 25. 3. 1954, IV ZR 202/53 und dazu Lorenz, J Z 1968, 54; als obiter dicta in BGHZ 5, 281; 36, 32 = N J W 1961, 2252 = J Z 1962, 280 mit Anmerkung von Flume; in BGHZ 48, 70 ff. wird das Vorliegen eines Doppelmangels verneint, da einer der Verpflichteten nicht nach Bereicherungsgrundsätzen, sondern aus Vertrag haftete) für den Fall zugelassen, daß sowohl im Valuta- als auch im Deckungsverhältnis ohne gültigen Rechtsgrund geleistet wurde (sogenannter „Doppelmangel"). Beispiel: S weist seinen vermeintlichen Schuldner D an, die Schuldsumme für Rechnung des S an seinen vermeintlichen Gläubiger G zu zahlen. D zahlt an G, um damit seine Schuld gegen S zu erfüllen. In Wirklichkeit aber bestand weder eine rechtsgültige Verbindlichkeit des D (gegen S) noch eine des S (gegen G).
In diesem Fall könne der „Dritte" direkt auf G greifen; der Umweg über eine „Doppelkondiktion" D-S, S-G entspreche nicht der „zweckstrebenden Natur der Rechtsordnung" (EnneccerusjLehmann, a.a.O.); noch dazu seiS durch die Zahlung
§ 6. Die „Dreiecksverhältnisse"
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des D an G nicht bereichert worden, da er dadurch ja von keiner Schuld befreit worden sei. Letzteres Argument läuft aber auf eine petitio principii hinaus, da es gerade fraglich ist, ob S nicht durch die Zahlung des D insofern bereichert wurde, als er nun eine Leistungskondiktion gegen G geltend machen kann. Entscheidend gegen das Praktikabilitätsargument für eine Direktkondiktion D-G aber spricht für die heute überwiegende Lehre, daß es dadurch G bzw. S verunmöglicht würde, als Kondiktionsschuldner etwaige Zurückbehaltüngsrechte, Einreden oder Aufrechnungsmöglichkeiten gegen S bzw G geltend zu machen (s. Esser, 347 f.; Medicus, 295; Larenz, 412 f.; Wilhelm, 120, der mit dem Ausschluß der Versionsklage argumentiert; weitere Angaben bei E. Schmidt, J Z 1971, 601, FN 3; BGHZ 48, 72, hält die angeführten Gründe für „beachtlich"). Dies können sie - so die heute überwiegende Lehre - nur dann, wenn man von der Annahme einer Doppelkondiktion ausgeht, d. h. S kann gegen G kondizieren, D aber nur gegen S, was im Ergebnis auf eine Abtretung des Bereicherungsanspruchs des S gegen G an D hinauslaufen wird; damit sei das einzig sachgerechte Ergebnis gesichert, daß D das Risiko der Insolvenz seines Vertragspartners S zu tragen hat (s. Esser, 348;
von Caemmerer, 334).
Dieser Auffassung sind nun Canaris (a.a.O., 811 ff.) undWilhelm (122 ff.) entgegengetreten: Die „Kondiktion der Kondiktion" des S gegen G durch D führe für diesen zu einem höchst ungerechten Ergebnis. Er müsse sich nämlich nicht nur die Einwendung aus seinem Verhältnis zu S, sondern gemäß § 404 auch die Einwendungen des G gegen S entgegenhalten lassen; ferner trage er so nicht nur das Risiko der Insolvenz des S, sondern auch das des G, gegen den er ja letztlich den Anspruch bekomme. Die herrschende Lehre führe daher zu einer wertungsmäßig unhaltbaren Kumulierung sämtlicher Risiken beim angewiesenen D. Canaris sieht die Lösung wiederum in einem aus seinem Grundgedanken der Risikozurechnung und des Abstraktionsprinzips abgeleiteten unbedingten Wertersatzanspruch des D: Hat S durch die Leistung des D einen Rückforderungsanspruch gegen G erworben, „so kann er sich nicht auf dessen Abtretung beschränken, sondern haftet auf Wertersatz, wenn
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
seinem Anspruch" gegen G „eine Einwendung entgegensteht . . . oder wenn der Anspruch durch Unauffindbarkeit oder Konkurs" des G entwertet ist. Nur dadurch könne es vermieden werden, daß der Kondiktionsschuldner dem gegen ihn geltend gemachten Bereicherungsanspruch Umstände entgegensetzt, die in seinem Verhältnis zu seinem Partner und daher allein in seiner Risikosphäre liegen, den Kondizienten aber nichts angehen. Eine solche Sicht muß aber, wie schon oben (S. 41) gegen Canaris angeführt wurde, wegen der im § 818 ausdrücklich positivierten Verteilung der Risikotragung scheitern: Nach §818 gibt es eben keinen einredeunabhängigen Wertersatzanspruch; der Kondiktionsanspruch ist vielmehr abhängig von überhaupt nicht eingetretenen oder später weggefallenen Vermögensmehrungen des Kondktionsschuldners (vgl. im einzelnen unten, S. 125, 159 ff.). Ganz ähnlich wie Canaris will Wilhelm (123) damit argumentieren, daß die von der herrschenden Lehre angenommene Umwandlung des Leistungsgegenstandes in einen Bereicherungsanspruch des Anweisenden gegen den Empfänger gemäß § 818 III nicht generell von der vom Angewiesenen zu tragenden Entreicherungsgefahr umfaßt sein könne. Es könne grundsätzlich nicht in Betracht kommen, daß der Nehmer eines Bankdarlehens, „der die Bank das Darlehen an seinen vermutlichen Gläubiger auszahlen läßt, bei Unwirksamkeit des Darlehensvertrages die Bank auf die Abtretung seiner Kondiktion gegen den Pseudogläubiger verweisen und so auf sie das Risiko der Auseinandersetzung mit dem Pseudogläubiger abwälzen" kann. § 818 III müsse in der Auslegung durch Flume (FS Niedermeyer, 1953, 164 ff.) eingeschränkt werden. Der Anweisende müsse das Risiko seiner vom kausalosen Empfang unbeeinflußten Vermögensentscheidung tragen. Er könne „sich also nidit auf eine Minderung seiner Bereicherung durch Leistung des Angewiesenen unter den Wert der von ihm dem Angewiesenen gegenüber zurechenbar eingesetzten Gegen- oder Ausgleichsleistung berufen" und könne „auch die Minderung der Bereicherung bis zum geringeren Wert seiner Gegenleistung nur dann geltend machen . . . , wenn er nur im Hinblick auf die Billigkeit der Anweisungsleistung das Risiko ihrer Verwendung an den Empfänger auf sich genommen hat".
§ 6. Die „Dreiecksverhältnisse"
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Dieselben Grundsätze, die für den „Doppelmangel" beim hier angenommenen Dreiecksverhältnis zu gelten haben, müssen aber grundsätzlich auch für Doppelmängel bei Bereicherungsketten (s. oben, S. 34 ff.) sachrichtig sein, da der bloßen „Modalität, daß die Leistung faktisch direkt von D an G erbracht wird, anstatt von D an S und von diesem wiederum an G, . . . keine besondere Bedeutung zukommen" kann {Esser, 348; vgl. schon Lorenz, JZ 1968, 53). III. Die Kondikiion bei angenommener
Anweisung
Das bisher skizzierte Bild wird - so könnte man im ersten Augenblick meinen - bei einer Anweisung des S an D (zumeist eine Bank) zuungunsten des Anweisungsempfängers G verschoben, wenn der angewiesene D gemäß § 7841 durch Annahme der Anweisung auch gegenüber G zur Leistung verpflichtet wird. D ist im Verhältnis zu G also hier nicht nur Leistungsmittler des G, sondern Leistender. Ebenso liegt es bei einer Giro-Überweisung an einen Kunden der Empfangsbank. Trotzdem wird eine direkte Kondiktion D-G einhellig abgelehnt, und zwar aus ganz denselben Gründen, die eben schon zur nicht angenommenen Anweisung geltend gemacht wurden. Es ist doch „nicht zu bezweifeln, daß der Bereicherungsausgleich bei der angenommenen Anweisung . . . nicht anders vorgenommen werden darf als bei der nicht-angenommenen Anweisung und bei der abgekürzten Lieferung; denn der Anweisungsbegünstigte kann unmöglich nur deshalb schlechter stehen, weil der Angewiesene ihm gegenüber noch zusätzlich eine Rechtspflicht zur Leistung übernommen hatte" (Canaris a.a.O., 806). Heißt das aber nicht gleichzeitig, daß der Leistungsbegriff der herrschenden Lehre an dieser Konstellation scheitern muß, ein Schluß, den Canaris mit aller Schärfe gezogen hat (a.a.O., 805 ff.; vgl. auch Wilhelm, 104 ff.)? Die herrschende Lehre kann dem allerdings entgegenhalten, daß ihr bereicherungsrechtlicher Leistungsbegriff gar keine Deckung mit dem des § 241 beanspruchen will. Entscheidend für sie ist, daß die Anweisungsannahme des D nur eine Konsequenz des zugrundeliegenden Deckungsverhältnisses zu S sein kann. D verfolgt
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somit gegen G lediglich einen seinem Verhältnis zu S untergeordneten Zweck, also keinen „eigenen Leistungszweck" im Sinne der herrschenden Lehre. Eigene Leistungszwecke liegen nur im Verhältnis S-G und D-S vor. Zuzugeben ist Canaris allerdings, daß die Unterscheidung zwischen „Leistendem" und bloßem „Leistungsmittler" nicht das entscheidende Wertungskriterium für die Frage sein kann, zwischen welchen Personen das Kondiktionsverhältnis anzunehmen ist. Der Leistungsbegriff der herrschenden Lehre ist, richtig verstanden, lediglich ein konstruktives ex post-Kürzel für alle diejenigen teleologischen Erwägungen, die für die Determinierung der Parteien des Kondiktionsverhältnisses maßgebend sind, und hat daneben keine eigenständig erklärende Bedeutung. In letzter Konsequenz heißt dies: Eine „Leistung" im bereicherungsrechtlichen Sinn liegt zwischen D und G nicht vor, weil keine teleologischen Argumente für eine Kondiktion D-G gefunden werden können. Der Vorwurf von Canaris (a.a.O., 857), daß vor allem Esser in seinen Ausführungen zu den Leistungskondiktionen seine eigenen methodologischen Postulate nicht in die Tat umsetze, vielmehr zum Teil begrifflich-deduktiv vorgehe, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. IV. Die Kondiktion bei bzw. nicht zurechenbarer
fehlender Anweisung
Problematisch sind die Anweisungsfälle besonders dann, wenn D, ohne eine Leistung im Sinne von § 267 erbringen zu wollen und trotz fehlender (bzw. nicht zurechenbarer) Anweisung des S (Fälschung der Unterschrift des S, erzwungene Unterschrift) etwa ein dem S geschuldetes Darlehen nicht an diesen persönlich, sondern direkt an dessen Gläubiger G ausbezahlt. Beispiel nach Köhler, 145: S schuldet dem G DM 1000,- Werklohn. Er reicht einen über diesen Betrag ausgestellten Überweisungsauftrag bei seiner Bank D ein. Aus Versehen überweist die Bank einen Betrag von DM 4000,- an G. Nach Aufklärung des Irrtums verlangt die Bank D den überzahlten Betrag von DM 3 0 0 0 - von G heraus. Dieser weigert sich, weil er nur mit S abzurechnen habe. Gegen S stehe ihm aber, da er kürzlich von dessen Hund gebissen worden sei, ein Schadenersatzanspruch
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über DM 3500,- zu. Auf diesen Anspruch verrechne er die irrtümlich erhaltenen DM 3000,-. Wer ist im Recht? Das Valutaverhältnis S-G ist hier also in Ordnung, das Dekkungsverhältnis D-S dagegen fehlerhaft, wobei der Fehler allerdings nicht im kausalen Deckungsverhältnis liegt (der Darlehensvertrag D-S ist gültig vereinbart worden), sondern im Fehlen einer zurechenbaren Anweisung (etwa auch bei rechtzeitigem Widerruf: BGHZ 61, 289 ff. = BGH NJW 1974, 39 ff.) überhaupt. Von Caemmerer (328 f.) vertrat dazu die Ansicht, das Vorliegen einer Anweisung sei Geschäftsgrundlage auch für die Zahlung des D an G gewesen, so daß D von diesem kondizieren könne. Der BGH entschied in BGHZ 50, 227 ff. = N J W 1968, 1822, im Ergebnis gleich, wobei in diesem Fall spezifisch dazukam, daß G eine Mitschuld an der Rückzahlung des Darlehens vereinbart hatte (dies ist für Lorenz, J Z 1969, 149, Ansatzpunkt seiner befürwortenden Stellungnahme). Für Ρfister hingegen (JR 1969, 47 ff.) spricht nichts dafür, die Fälle fehlender Anweisung anders zu behandeln als diejenigen, bei denen das Dreiecksverhältnis ungültig war (so nun auch für den Fall des rechtzeitigen Widerrufs BGH BGHZ 61, 292 ff. = N J W 1974, 39 ff.; ebenso Möschel, JuS 1972, 301). Daß G regelmäßig nicht leichter Kenntnis vom Vorliegen einer Anweisung als vom gültigen Zustandekommen der kausalen Deckungsbeziehung hat, liege auf der Hand. „Warum das eine eher ,Geschäftsgrundlage' der Zahlung sein soll als das andere, ist nicht einzusehen. Der Anweisungsverkehr würde audi erheblich gestört, wäre die Wirkung einer Zahlung für den Empfänger davon abhängig, daß tatsächlich eine Anweisung bestand. Die Interessenlage ist nicht anders als bei einem Fehlen im kausalen Deckungsverhältnis" (Pfister, J R 1969, 49). Canaris (a.a.O., 821 ff.) will demgegenüber dem Angewiesenen (D) trotzdem eine Kondiktion gegen G gewähren. Uberzeugend ist vor allem seine Argumentation aus dem Interesse des „anweisenden" S an einer Kondiktion D-G (a.a.O., 824 f.): Nehme man eine wirksame Liquidation seiner Schuld gegen G durch D an, so könne er dadurch „erhebliche Nachteile erleiden"; eine solche Verschlechterung seiner Rechtsstellung brauche er aber ange-
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
sichts des Zurechnungsmangels auf seiner Seite nicht hinzunehmen. So sei es zum Beispiel denkbar, daß der Anspruch des G gegen S kurz vor der Verjährung stand, wohingegen der Bereicherungsanspruch des „Angewiesenen" grundsätzlich einer dreißigjährigen Verjährung unterliegen würde; auch könnte S der Rückgriffskondiktion des D keine Aufrechnungseinrede oder Zurückbehaltüngsrechte, die ihm gegen G zustehen, entgegensetzen, es sei denn, man versuchte, diese Gefahr durch eine analoge Anwendung der §§ 404 und 406 zu steuern [Canaris a.a.O., 825). Die von Pfister befürwortete Lösung, ein Leistungsverhältnis S-G und damit eine „Zweckbestimmung" des S trotz fehlender Anweisung anzunehmen, kann schließlich auch nicht durch Berufung darauf gerechtfertigt werden, daß das Vorliegen einer „Zweckbestimmung" vom „Empfängerhorizont" des G aus geprüft werden müsse, da sich aus allgemeiner Vertragsinterpretationstheorie ergibt, daß das Problem der Zurechnung eines rechtsgeschäftlichen Verhaltens keineswegs allein aus dieser Perspektive angegangen werden darf: Die Erklärung muß nämlich im selben Sinn auch dem „Erklärenden" objektiv zurechenbar sein; ein Vertrauensschutz des Empfängers kann nur dann in Frage kommen, wenn der „Erklärende" ein solches Verhalten setzt, das von seiner Warte aus bei „vernünftiger Überlegung aller Umstände" nur als (entsprechende) Willenserklärung gedeutet werden durfte (s. in diesem Sinn vor allem Larenz, Methode der Auslegung, 72 f.; Kramer 49 ff., 152 ff.; dort auch zu den Fällen des Zwangs und der Täuschung, 66 f.). Ganz abgesehen davon, kann die Diskussion über den Empfängerhorizont nur ein Ergebnis dogmatisch verbrämen, das primär anders, nämlich teleologisch begründet wurde, woran allerdings auch die Darstellung von Pfister keinen Zweifel läßt. Zuletzt hat sich auch Wilhelm (134 ff.) gegen Pfisters Lösung ausgesprochen. Der Leistungsbegriff diene bei ihm als „Einfallstor eines Billigkeitsdenkens, welches die gesetzliche Balance zwischen Vermögens- und Vertrauensschutz außer Kraft setzt" (137). In den Fällen der Leistung des Berechtigten, die der Empfänger wie der Leistende - nur irrtümlich als Leistung aus dem Vermögen eines anderen betrachtet, beschränke die bereicherungs-
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rechtliche Regelung den Vertrauensschutz des Empfängers in § 818 III darauf, daß dem Empfänger nicht mehr abgenommen werden darf, als seine nach abstrakter Vermögensrechnung noch vorhandene Bereicherung (138). S. auch Wilhelms (137, FN 254) Entgegnung zu Pfisters (JR 1969, 48 f.) konkursrechtlichen Argumenten.
Folgt man der hier befürworteten Lösung, so kann die Kondiktion D-G allerdings im Sinne der herrschenden Lehre nicht als Leistungskondiktion bezeichnet werden, da D gegenüber G keinen „eigenen Leistungzweck" verfolgt hat. Vielmehr handelt es sich hier um einen Fall der ungerechtfertigten Bereicherung des G in sonstiger Weise. Zu den Fällen fehlender Geschäftsfähigkeit des Anweisenden (S) zuletzt Wilhelm, 158 ff.; vgl. schon Lorenz, JZ 1968, 52; Canaris, BB 1972, 777 f.; dagegen aber Möschel, JuS 1972, 301 f. V. Der Postanweisungsfall
RGZ 60, 24 f f .
Ganz anders gelagert wie die eben besprochenen Fälle fehlender (zurechenbarer) Anweisung des D liegen die Kostellationen, in denen D (vor allem eine Bank oder eine Post) bei bestehender Anweisung motivirrtümlich (fehlende Deckung, Pfändung des Kontos des Anweisenden etc.) dieser nachkommt und den Betrag dem G ausbezahlt. Hierher gehört der schon erwähnte (oben, S. 39) Postanweisungsfall in RGZ 60, 24 ff. Der Motivirrtum der angewiesenen Post beruhte auf einer arglistigen Täuschung durch den Postbeamten, der bei Abfertigung seiner eigenen Anweisung die Summen fälschlich als eingezahlt eingetragen hatte. Die Post kann sich, wie auch das RG im Ergebnis richtig angenommen hat, dem G (der Empfänger-Bank) gegenüber nicht auf die arglistige Täuschung berufen: Der Empfängerin gegenüber waren „sowohl die Zahlungen' als auch die Disposition zugunsten des Postbeamten uneingeschränkt wirksam: Was die Zahlungserklärungen, d. h. die Anweisung zur Gutschrift auf dem Reichsbankkonto der Empfänger-Bank bzw. die Ubereignungserklärung, soweit bar ausbezahlt wurde, anbetrifft, war die Empfänger-Bank Erklärungsempfängerin im Sinne des § 123 II 1. Aus der Vermögensdisposition der Post zugunsten ihres Beamten hat die Bank im 4 Koppensteiner/Kramer, Bereicherung
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Sinne des § 123 II 2 unmittelbar Rechte erworben. In beiderlei Hinsicht war der Erwerb der Bank unanfechtbar, weil die Bank die Täuschung des Postbeamten weder kannte noch kennen mußte" (Wilhelm, 157). Vi. Leistungskondiktion
bei Handeln eines falsus
procurator
1. Das Problem Das Problem, nach welchem „Horizont" zu beurteilen ist, ob, von wem und an wen eine Leistung im bereicherungsrechtlichen Sinn erbracht worden ist, wurde auch in den Fällen aufgeworfen, in denen S gegenüber D als direkter Stellvertreter seines Gläubigers G aufgetreten ist, D daraufhin an G in der Annahme leistet, seine Verpflichtung diesem gegenüber zu erfüllen (während hingegen S gar keine Vertretungsmacht hatte, somit als falsus procurator agierte), G dagegen annahm, D leiste im Auftrag von S in Hinblick auf dessen Verbindlichkeit G gegenüber. Beispiel (nach Reeb, JuS 1972, 584): G bestellt beim Rundfunkversandhändler S eine selten verlangte Stereoanlage japanischen Fabrikats, Typ XY. S sagt Lieferung zu. Da er jedoch gerade keine derartige Anlage vorrätig hat, kauft er als Vertreter des G (ohne aber in Wahrheit Vertretungsmacht zu haben) eine solche beim Grossisten D, mit der Maßgabe, D solle die Anlage direkt an G liefern, was auch ausgeführt wird. D nimmt bei der Lieferung an G an, diesem aufgrund eines durch S als Vertreter zustande gekommenen Kaufvertrages G-D zur Leistung verpflichtet zu sein, während G davon ausgeht, daß es sich um eine Leistung des S mittels des D handle. G entrichtet nach Erhalt der Anlage den vereinbarten Kaufpreis an S, dieser wird zahlungsunfähig. D will nun im Hinblick auf den scheinbar mit G (über S) geschlossenen Kaufvertrag Zahlung von G verlangen. Dieser wendet ein, nur S gegenüber verpflichtet gewesen zu sein und diese Verpflichtung auch erfüllt zu haben; den Vertrag S-D aber genehmigt er nicht nach § 177, so daß er im Sinne von § 179 I nicht wirksam wird. D möchte nun seine Leistung von G kondizieren. Kann sich hier D mit einer Leistungskondiktion an seinen vermeintlichen Vertragspartner G halten oder kann ihm dieser einwenden, nur S gegenüber verpflichtet gewesen zu sein, eine Pflicht, die er im übrigen bereits erfüllt habe.
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2. Lösungsansätze Hält man allein die Sicht des D, nicht aber die des G für maßgehend, so könnte gegen eine Kondiktion des D nichts eingewendet werden, da er ja im Hinblick auf den wegen der mangelnden Genehmigung des Vertreterhandelns nichtigen Kaufvertrag D-G, also solvendi causa geleistet hat. G müßte danach den Leistungsgegenstand an D auch dann herausgeben, wenn er schon an S die Gegenleistung erbracht hat (dies ist grundsätzlich die Lösung Flumes, J Z 1962, 281 ff. zur „Idealheimentscheidung" BGHZ 36, 30 ff.; Flume schwächt seine Lösung allerdings durch die Bereitstellung des Entreicherungseinwands nach § 818 III ab). Wäre dagegen auf den Empfängerhorizont des G abzustellen (so BGHZ 36, 30 ff.; BGHZ 40, 278 = N J W 1964, 399; BGHZ 56, 240; Zeiss, J Z 1963, 9 f.; Baur/Wolf, JuS 1966. 393; zuletzt BGH N J W 1974, 1132 f.) könnte D die Leistung von G nicht fordern, da dieser ja annahm, D leiste nicht als sein Vertragspartner, sondern als Leistungsmittler des S. Hinter der dogmatischen Diskussion um die Bestimmung des Leistungsverhältnisses nach dem Horizont des Leistenden oder des Empfängers verbirgt sich indessen auch hier das Wertungsproblem, wer näher daran ist, D oder G, das Risiko der Insolvenz des S zu tragen, wer also insofern weniger schutzwürdig ist. Dies kann aber offenbar nicht apriorisch beantwortet werden, sondern nur nach den jeweiligen Fallstrukturen (so auch Esser, 350; Reeb, JuS 1972, 584 f.). Dabei ist hauptsächlich darauf abzustellen, ob der Leistungsempfänger (G) „sich berechtigtermaßen darauf berufen kann, er habe angesichts der objektiven Umstände des konkreten Falls die empfangene Leistung als für S erbracht betrachtet" und daraufhin mit diesem abgerechnet (Esser, 351). So gesehen tritt das konstruktive Problem in den Hintergrund, wer im Sinne der herrschenden Lehre als „Leistender" zu qualifizieren ist. Ließe man D kondizieren, könnte man ja, wie Flume (JZ 1962, 281 ff.) vorgeschlagen hat, das berechtigte Vertrauen des G (der nach Zahlung des D seine Gegenleistung an S erbracht hat) immerhin dadurch schützen, daß man ihm den Entreicherungseinwand (§ 818 III) gibt. Doch müßte G dann D seine vertraglichen oder außervertraglichen Ansprüche gegen S abtreten (s. Esser, 351).
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Zum durch die „Einbaufälle" (etwa BGHZ 40, 272 ff.; BGHZ 56, 228 ff.) zusätzlich gestellten Problem der angeblichen „Subsidiarität" der Eingriffskondiktion unten, S. 114 ff. VU. Irrtümliche Bezahlung einer fremden Schuld 1. Das Problem Während bei der gerade besprochenen Konstellation immerhin aus der Sicht des G ein Dreiecksverhältnis gegeben sein konnte, fehlt die Möglichkeit zu dessen Konstruktion von vorneherein dann, wenn D irrtümlich bei G eine eigene, gar nicht bestehende Verbindlichkeit bezahlt, während in Wirklichkeit S der Schuldner des G ist. Hier ist aus keiner Perspektive ein Dreiecksverhältnis zu sehen: G und D glauben, D tilge die Forderung des G gegen D; S tritt gar nicht ins Spiel! Folgende Fälle lassen sich im Rechtsleben beobachten (s. G. H. Maier, AcP 152, 98 f.; von Caemmerer, 340 f.): Der vermeintliche Erbe D zahlt eine Nachlaßverbindlichkeit; später wird ein Testament gefunden, welches S als Erben ausweist; Zahlung aufgrund unwirksamer Schuldübernahme: Es werden Hypothekzinsen und Hypothekschulden gezahlt, obwohl der Grundstückskaufvertrag und daher die Schuldübernahme unwirksam ist. D glaubt, sein Sohn habe beim Nachbarn eine Scheibe eingeworfen, so daß er nach § 832 hafte, während in Wirklichkeit der Sohn des S Missetäter war. Jemand hält sich für den Vater eines unehelichen Kindes, später stellt sich heraus, daß das Kind von S stamme. 2. Lösungsansatz Es kann nun kaum bezweifelt werden, daß der irrtümlich leistende D gegen G eine Leistungskondiktion geltend machen kann: Wer irrtümlich eine vermeintlich eigene, in Wirklichkeit aber fremde Schuld bezahlt, tilgt damit nicht die fremde Verbindlichkeit; dies ergibt sich auch aus § 267, der wie gezeigt, vorsieht, daß eine Schuld auch durch die Leistung eines Dritten getilgt werden könne. Diese Bestimmung betrifft aber nur den Fall, daß D im Hinblick auf die Verbindlichkeit des S gegen G leistet (von Caemmerer, 342); ansonsten hat die Leistung des D keine Tilgungswirkung. Das heißt in concreto: Hat der vermeintliche Erbe D eine Rechnung von DM 8000,- für eine
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Dachreparatur, die der Erblasser hatte vornehmen lassen, aus eigener Tasche (nicht aus Nachlaßmitteln: dann nämlich Tilgung der Schuld analog zu § 2019 I) gezahlt, so kann er diesen Betrag von G kondizieren, wenn sich später herausstellt, daß S der wahre Erbe ist (von Caemmerer, 344). Diese condictio indebiti des D kann nach allgemeinen Grundsätzen (§ 818 III) hinfällig werden, wenn G nicht mehr bereichert ist, etwa dann, wenn G infolge der Zahlung des D seine Forderung gegen S nicht verfolgt, so daß diese verjährt, wenn S inzwischen insolvent wird, während ein rechtzeitiges Vorgehen gegen ihn noch erfolgreich gewesen wäre. Wilburg (in Klang-Kommentar zum ABGB VI, 2. Aufl. 1951, 485) will hier differenzieren und eine Berufung auf Entreicherung durch Verjährung der Forderung gegen S ausschließen, wenn G die irrtümliche Leistung veranlaßt hat und dem Putativschuldner der Irrtum nicht hat auffallen müssen.
Allerdings muß dann eine Verpflichtung des G bejaht werden, dem D seine Forderung an S abzutreten, um diesen in die Lage zu versetzen, vielleicht doch bei S durchzukommen. 3. Änderung der Leistungsbestimmung? Soweit gibt es wenig Zweifel. Erheblich mehr Kopfzerbrechen macht hingegen die Frage, ob sich D nachträglich wahlweise auch auf den Standpunkt stellen könne, er habe als Dritter im Sinne von § 267 die Forderung des G gegen S tilgen wollen, um auf dieser Grundlage statt gegen G gegen S vorgehen zu können. Ein solches Wahlrecht des D ist für ihn dann von entscheidender Bedeutung, wenn G zahlungsunfähig geworden ist. Ließe man hier die Kondiktion des D nur gegen G zu so argumentieren die Befürworter eines Wahlrechts (von Caemmerer, 349; G. H. Maier, AcP 152, 101; Thomae, J Z 1962, 627 f.; BGH N J W 1964, 1898) - , so könnte der Konkursverwalter des G die Forderung gegen den wahren Schuldner voll zur Konkursmasse einziehen, während er auf die Kondiktion des Putativschuldners D nur die Konkursdividende auszuschütten brauchte. G erhielte damit praktisch doppelte Bezahlung. Flume (JZ 1962, 282) unterstützt das Wahlrecht mit einer Argumentation aus § 267: Der Gläubiger G habe die Leistung
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des D als ihm gebührend akzeptiert. Da er also von seinem Standpunkt „suum recepit", könne er nicht nachträglich die Leistung noch zurückweisen. S müsse es sich aber nach § 267 gefallen lassen, daß ein anderer seine Schuld erfüllt. Es komme somit einzig auf den Leistenden an, ob die Leistung als Erfüllung der Schuld des wirklichen Schuldners gelten soll. Lasse er sie als solche gelten, so dürfe man ihm auch den Bereicherungsanspruch gegen S nicht versagen, da er ihn von einer Schuld befreit und damit „in sonstiger Weise" bereichert habe. Es spreche daher nichts dagegen, D durch die Zurverfügungstellung eines Wahlrechts (dessen dogmatische Begründung über Analogie aus § 144 bzw. §§182 ff. allerdings nicht unbedenklich wäre) sowohl gegen das Risiko der Insolvenz des G als auch des S abzusichern. Gerade diese Annahme aber wurde von Lorenz (FS Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung 1967, insbesondere 280 ff.) mit vor allem konkursrechtlichen Argumenten angegriffen. Das Konkursrecht sei von dem Grundgedanken beherrscht, daß es einem Gläubiger nicht gestattet ist, sich „nach Ausbruch der Krise" zum Nachteil anderer Konkursgläubiger eine Sonderdeckung zu verschaffen (vgl. §§ 7, 14, 15, 30 ff. und 53 ff. KO). Die Ausübung des Wahlrechts durch den Putativschuldner D sei im Ergebnis „eine der Aufrechnung gleich zu achtende, einseitig gestaltende Verfügung mit verfügungsgleicher Wirkung" auf G's Forderung gegen den Echtschuldner S. Daher sei das Wahlrecht an die gesetzlichen Schranken der Konkursanfechtung zu binden. Danach ist es einem Gläubiger des Gemeinschuldners (D) nach sichtbar werdender Krise verboten, der Masse eine dieser gegen einen Dritten (S) zustehende Forderung „noch dadurch zu entziehen, daß nachträglich die zur Aufrechnung erforderliche Identität von Schuldner und Gläubiger des Gemeinschuldners hergestellt wird" (Lorenz a.a.O., 281). Dem D würde daher durch das Wahlrecht eine Sonderdeckung zu Lasten der anderen Konkursgläubiger des G eingeräumt, eine nach Konkursrecht unhaltbare Lösung. Wilhelm (175 ff.) hat dagegen wiederum überzeugend eingewendet, daß die Bedenken von Lorenz - was die Interessen des Echtschuldners S (der inzwischen selbst geleistet oder eine Aufrechnungsmöglichkeit haben
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oder dessen Schuld verjährt sein könnte) und der Gläubiger des G betrifft - nur für den Fall einer rückwirkenden Wahlausübung fundiert seien, wohingegen es unbedenklich sei, eine ex nunc wirkende Wahlausübung zuzulassen, da dann die vor der Wahlausübung erbrachte Leistung des Echtschuldners (S) in ihrer Erfüllungswirkung nicht durch die Wahlausübung aufgehoben werde, der Echtschuldner ferner Verjährung der Forderung wenn S die Verjährung aber gerade der Tatsache zu verdanken hat, daß G seinen Anspruch durch die (irrtümliche) Leistung des D befriedigt erachtete und deshalb den S ungeschoren ließ, spricht alles für eine Kondiktion des D gegen S, weil dieser insofern durch ihn ungerechtfertigt bereichert wurde, oder Bestehen einer Aufrechnungslage geltend machen kann. Die Wahlausübung bleibt bei ex nunc-Wirkung auch im Konkurs des G wirkungslos (vgl. auch Kaehler, 80 f.). Damit ist noch nichts für die Fälle gesagt, in denen es nicht die Insolvenz des G ist, die D eine Kondiktion gegen S begehrenswert macht: Eine Kondiktion des D gegen S steht auch dann zur Debatte, wenn sich G etwa darauf berufen könnte, er habe die von D empfangene Leistung verschwendet, sei also nicht mehr bereichert (§ 818 III). Dieser Einwand steht ihm indes nicht zu, da er ja seinen Anspruch gegen S behalten hat und daher insgesamt nicht entreichert erscheint (Esser, 349; vgl. auch Flume, JZ 1962, 282; Wilhelm, 177). VIII. Bezahlung einer nicht bestehenden Schuld eines Dritten 1. Das Problem Ein weiteres, viel diskutiertes Dreiecksproblem ergibt sich dann, wenn D aus eigenem Antrieb (also ohne von S dazu angewiesen oder veranlaßt worden zu sein und ohne ein „Ablösungsrecht" nach § 268 zu haben) eine Schuld des S bei G begleichen möchte, wozu ihm § 267 grundsätzlich die Möglichkeit gibt. Beispiel nach Köhler, 142 f.: G erzählt dem D, D's Schwiegersohn S lasse beim Tanken anschreiben und schulde ihm noch DM 200,-. Um seinem Schwiegersohn unter die Arme zu greifen, bezahlt D den Betrag aus eigener Tasche. In Wahrheit hatte S
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aber bereits bezahlt, was dem G versehentlich entgangen war. D fordert nun sein Geld von G zurück. Dieser lehnt ab, weil ihm S inzwischen wegen einer Autoreparatur schon wieder DM 250,- schulde und er die DM 200,- darauf verrechne. Zu anderen Konstellationsvarianten Canaris a.a.O., 843 ff. Wer kann kondizieren, wenn, wie im angeführten Beispiel, die angenommene Schuld des S gar nicht rechtsgültig bestand, bestand die Schuld des S, so kann G nicht ungerechtfertigt bereichert sein, so daß sich ein Bereicherungsausgleich von vorneherein nur zwischen D-S abspielen kann, und zwar nach §§ 683, 670 oder §S 684, 812: s. Canaris, a.a.O., 843 f., weil er diese etwa, ohne daß dies D bzw. G wußten, vorher selbst beglichen hatte? 2. Die herrschende Lehre Die herrschende Lehre (RGZ 60, 287 f.; von Caemmerer, 325; Medicus, 294; Lorenz, AcP 168, 299 f.; Beuthien, JZ 1968, 326) läßt hier - was prima vista auch einzig sinnvoll zu sein scheint - eine Kondiktion D-G zu. Der unangewiesene D vollziehe anders als bei der Anweisung - in seinem Verhältnis zu G nicht lediglich eine fremde Leistung; vielmehr leiste er hier selbst auf eigene Kosten, verfolge also einen eigenen Leistungszweck. Das Spezifische an der Drittleistung nach § 267 sei es ja gerade, „daß der leistende Dritte seine Zuwendung an den Gläubiger nicht einem Rechtsgrund aus seinem eigenen Verhältnis zu diesem, sondern dem ihm fremden Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner zuordnet. Anders gesagt: Der Dritte erbringt eine unmittelbare Eigenleistung für Rechnung des Schuldners, ohne diesen dadurch zum Leistenden zu machen" (Beuthien, JZ 1968, 326). Noch dazu könne eine Bereicherung des Scheinschuldners S durch die Zahlung des D nicht gesehen werden, da die beabsichtigte Schuldbefreiung eben wegen Nichtexistenz ins Leere gegangen sei, so daß ein Gegenstand einer Leistungskondiktion D-S (als Alternative zu einer Leistungskondiktion D-G) nicht gesehen werden könne. Dieses letzte Argument ist aber deshalb allein noch nicht zwingend, da Gegenstand einer Leistungskondiktion D-S ja gerade die condictio indebiti sein könnte, die dem vermeintlichen
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Schuldner S gegen den vermeintlichen Gläubiger G zuerkannt wird. Eine solche Kondiktion müßte also erst widerlegt werden. Auch die Argumentation mit der eigenen Zwecksetzung des D ist keineswegs unzweifelhaft: Denn D erbringt die Leistung niemals ohne eine bestimmte Finalität dem S gegenüber (sei es causa donandi, sei es um eine Geschäftsführung nach § 683 vorzunehmen oder um den S zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen). „Andererseits verfolgt D mit der Zahlung an G diesem gegenüber keine eigenständigen Zwecke: weder besteht zwischen beiden ein Schuldverhältnis, dessen Erfüllung die Zahlung bewirken könnte, noch soll ein solches unmittelbar begründet werden, noch will D mit der Zahlung G zu einem bestimmten Verhalten veranlassen . . . " (Reeb, JuS 1972, 586). Esser (347), E. Schmidt (JZ 1971, 607) und Reeb (JuS 1972, 586) kommen daher aufgrund des zweckbetonten Leistungsbegriffs zu einer Ablehnung einer Leistungskondiktion D-G; es stehe allein S ein Bereicherungsanspruch gegen G zu, den D wiederum „über das Dreieck" von G kondizieren könne. 3. Kritik Trotz dieser nach dem herrschenden Leistungsbegriff konsequent erscheinenden Konstruktion kann ihnen nicht gefolgt werden: Vor allem deswegen nicht, weil bei der zu erörternden Konstellation im Unterschied zu den Anweisungsfällen mit mangelhaftem Valutaverhältnis (S-G) eine Leistungskondiktion S-G deshalb ausscheiden muß, da offenbar keinerlei Zwecksetzung des S vorliegt, also auch keine Leistung bzw. Vermögensdisposition, die wegen Nichterreichung des Zwecks frustriert sein und daher kondiziert werden könnte. In den Fällen fehlender Anweisung (s. oben, S. 46 ff.), bei denen im Unterschied zur hier zu lösenden Konstellation das Valutaverhältnis in Ordnung ist, kann wenigstens insofern ein Anlaß gesehen werden, den G in seinem, aus dem „Empfängerhorizont" gerechtfertigten Vertrauen, daß D auf Anweisung des S dessen Schuld begleiche, zu schützen. Ein solcher Anlaß besteht aber hier regelmäßig nicht, da ja im Valutaverhältnis S-G gerade keine (rechtsgültige) Forderung des G gegen S aufscheint (vgl. auch Wilhelm, 140, der von „vollends unerträg-
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liehen" Konsequenzen des herrschenden Leistungsbegriffs spricht). Während S keine Leistung erbrachte, deren Zweck verfehlt wurde, liegt eine solche Zweckverfehlung offenbar bei D und einzig bei ihm vor. Ihm ist sein Plan mißlungen, den S durch eine Bezahlung von dessen Schuld zu beschenken oder für ihn eine Geschäftsführung nach § 683 zu leisten, da die angenommene Schuld eben nicht existierte; aber auch dem unbeteiligten Pseudoschuldner „S" wird eine Verbindlichkeit gegenüber D aufgedrängt, nämlich die, ihm seine Kondiktion gegen „G" herauszugeben, obwohl „das Gesetz es in Konsequenz des § 267 nur zuläßt, daß ein Dritter dem bereits mit einer Schuld Belasteten die Erfüllung der Schuld und damit einen Gläubigerwechsel aufdrängt" (Wilhelm, 141). Die einzige Folgerung daraus kann sein, nicht dem S (bei dem, wie gesagt, keine fehlgegangene Disposition vorliegt, die er rückgängig machen könnte), sondern sofort dem D eine Kondiktion gegen G zu gewähren. So gesehen bedeutet es in der Tat, das Pferd am Schwanz aufzuzäumen, wenn trotz allem fingiert wird, der Plan des D, den S zu bereichern, sei geglückt, habe ihm doch D einen Kondiktionsanspruch gegen G verschafft, einen Anspruch, den aber .wiederum D kondizieren könne. Schmidt (JZ 1971, 607, FN 44) argumentiert damit, däß nicht einzusehen sei, wieso D bei Konkurs des „S" durch die Kondiktion gegen den zahlungsfähigen „G" bevorzugt werden sollte. „Der Dritte hat jedoch mit dem Konkurs des Pseudoschuldners nichts zu tun. Der von ihm dem Pseudoschuldner zugedachte Vermögensvorteil, die Schuldbefreiung, ist wegen Nichtexistenz der Schuld dem Vermögen, über das der Konkurs eröffnet ist, gar nicht erst zugute gekommen. Umgekehrt also ist nicht einzusehen, wieso die Konkursgläubiger des Pseudoschuldners durch die Erweiterung der Konkursmasse um die Kondiktion gegen den Pseudogläubiger begünstigt werden sollten, obwohl das Vermögen des Pseudoschuldners von der Leistung des Dritten tatsächlich und rechtlich unberührt geblieben ist. Mit Recht trägt der Dritte dagegen das Risiko des Konkurses des Pseudogläubigers; denn er war es, der sein Vermögen dem Pseudogläubiger gegenüber eingesetzt hat, um die Befreiung des Pseudoschuldners zu erreichen" (Wilhelm, 142). Das ein-
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zige Argument, das für eine Kondiktion S-G sprechen könnte, daß nämlich G dadurch befähigt wird, dem S etwaige Einwendungen aus einem ungültigen Grundverhältnis entgegenzusetzen, die er D nicht entgegenhalten kann, gleicht die aufgezeigten, teleologisch begründeten Konstruktionsmängel keineswegs aus; noch dazu bewirkt ja auch § 818 III einen Vertrauensschutz. Als einzig sinnvolle Lösung verbleibt somit im Sinne der herrschenden Lehre eine Kondiktion D-G (so im Ergebnis auch Canaris, a.a.O., 847 f.). Allerdings handelt es sich hier um keine Leistungskondiktion, da D - hierin ist Esser, E. Schmidt und Reeb zu folgen - gegenüber G keinen Leistungszweck verfolgte, so daß nur eine Kondiktion wegen Bereicherung „in sonstiger Weise" in Frage kommen kann. § 814 steht der Kondiktion nicht entgegen, obwohl D wußte, gegenüber G nicht zur Zahlung verpflichtet zu sein: § 267 anerkennt ja ausdrücklich die Drittzahlung. 4. Leistung in Ausübung eines „Ablösungsrechts" Zahlt der „Dritte" aufgrund eines „Ablösungsrechts" (etwa nach § 268) mit dem Ziel, damit den gesetzlich angeordneten Ubergang der Forderung G-S auf sich zu bewirken, so ist unbestritten, daß D sich, falls sich seine Intention nicht verwirklichen läßt, an G halten kann, da er diesem gegenüber sein Vermögen einsetzt, also einen eigenen Leistungszweck verfolgt (Leistung solvendi causa, um damit die Forderung von G zu erwerben), während er dem S gegenüber keinen Leistungszweck verfolgt (s. auch Esser, 347; Reeb, JuS 1972,586). IX. Die Leistungskondiktion
bei Verträgen zugunsten
Dritter
1. Der Grundfall Grundsätzlich ganz gleich zu sehen wie die Fälle der angenommenen Anweisung (s. oben, S. 45 ff.) sind die berechtigenden Verträge zugunsten Dritter. Beispiel nach Köhler, 146: G bestellt bei S Saatgetreide. Nach Vertragsschluß bemerkt S, daß seine Vorräte für dieses Geschäft nicht mehr ausreichen. Er wendet sich daher an den befreundeten Händler D, um den fehlenden Bedarf zu decken. Der Einfachheit halber wird vereinbart, daß G berechtigt sein solle, Lieferung des Getreides an sich zu verlangen. S teilt dies dem G mit, der tags
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darauf das Getreide bei D abholt und aussät. Als D von S Zahlung verlangt, stellt sich heraus, daß der Vertrag wegen Dissenses über die Kaufpreishöhe unwirksam war. Kann D nun den Wert des Getreides von S oder von G ersetzt verlangen? Beispiel (abgewandelt nach BGHZ 5, 281 ff.): D schließt mit S einen Kaufvertrag über einen Dampfkessel ab. Vor der Lieferung stellt S fest, daß er den Dampfkessel nicht gebrauchen kann. S verkauft ihn daher an G und vereinbart gleichzeitig mit D, daß G den Dampfkessel unmittelbar von D verlangen könne. Später stellt sich heraus, daß der Vertrag D-S nichtig war. D will den Dampfkessel von G kondizieren. Die Kondiktion D-G ist ausgeschlossen, da G die Leistung mit Rechtsgrund erlangt hat; der Umstand, daß G eine Forderung gegen D hatte, gibt (wie bei der angenommenen Anweisung) keine Grundlage für die Annahme eines bereicherungsrechtlichen Leistungsverhältnisses zwischen D und G, da D die Leistung primär im Hinblick auf seine Verbindlichkeit gegen S erbrachte, so daß in Wirklichkeit wirtschaftlich S über D „abgekürzt" leistete (ebenso Esser, 246; BGHZ 5, 281 ff.; BGH NJW 1972, 865 = BGHZ 58, 184 ff.; vgl. auch Lorenz, AcP 168, 296 f.; weitere Nachweise bei Hadding, 44 ff.). D kann sich daher nur an S halten. Ist umgekehrt das Valutaverhältnis G-S nichtig, so kann allein S von G kondizieren, da D ja seinen Zweck, Lösung von der Verbindlichkeit gegen S, erreicht hat. Diese Lösung aus dem Leistungsbegriff der herrschenden Lehre wird - und dies ist entscheidend - auch durch eine teleologische Einzelkontrolle bestätigt. Denn nur sie ermöglicht es den Parteien, ihre Einwendungen und Einreden zu relevieren: Würde man nämlich entgegen der hier vertretenen Ansicht bei Nichtigkeit des Verhältnisses D-S als Kondiktionsschuldner den Dritten (G) ansehen, „so würde der synallagmatische Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung und die darin für die Parteien liegende Sicherheit beim Bereicherungsausgleich teilweise zerstört. So verlöre ζ. B. der Versprechensempfänger die Möglichkeit mit Hilfe einer Zug um Zug-Einrede die Rückgabe der von ihm dem Versprechenden erbrachten Leistung durchzusetzen. Denn er hätte keinerlei Gewähr dafür, daß der Dritte sich gegenüber der Kondiktion des Versprechenden mit dem Einwand zur Wehr setzt, dieser müsse gleichzeitig die
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erhaltene Gegenleistung an den Versprechensempfänger zurückerstatten" (Canaris, a.a.O., 830). Zudem fehlte es für das Zurückbehaltungsrecht oder eine Aufrechnungsmöglichkeit am Erfordernis der Gegenseitigkeit der Ansprüche. Gegen den noch möglichen Einwand aus § 334 (Anspruch des Dritten abhängig von der Gültigkeit des Deckungsverhältnisses) ebenfalls Canaris, a.a.O., 831 f. 2. Sonderfragen Eine andere Lösung ist bei Verträgen zugunsten Dritten analog § 822 dann anzunehmen, wenn - wie auch bei einem Versorgungsvertrag nach § 330 - das Valutaverhältnis auf eine unentgeltliche Leistung geht (ebenso Esser, 346; Hadding, 78; s. auch Lorenz, AcP 168, 288 ff.; vgl. auch Canaris, a.a.O., 833, der argumento aus § 334 einen „subsidiären Durchgriff" gegen G befürwortet; anders ζ. T. F. Peters, AcP 173, 85). Beispiel nach Köhler, 147 f.: S hatte eine hohe Lebensversicherung zugunsten seiner unversorgten Schwester G abgeschlossen und dabei wahrheitswidrig verschwiegen, daß er an einer unheilbaren Krankheit litt. Nach seinem Tode wurde die Versicherungssumme an die G ausbezahlt. Später erfuhr die Versicherungsgesellschaft D den wahren Sachverhalt und focht den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung gegenüber den Erben des S an. Die auf Rückzahlung in Anspruch genommene G wendet ein, nicht sie, sondern die Erben des S hafteten. Ebenso liegt es, wenn entgegen der dispositiven Regelung des § 335 das Forderungsrecht ausschließlich dem G zukommen soll. An dieser Stelle ist die Entscheidung BGHZ 58, 184 ff. = NJW 1972, 865 zu erörtern. Referiert nach Medicus, 295 f.: Die Kläger Κ schlossen mit der Bauträgergesellschaft Β Kaufanwärterverträge. Dabei wurde Β durch den Direktionsassistenten Α vertreten. Dieser nahm in zwei der drei Vertragsausfertigungen die Klausel auf, an eine Firma X sei 3 °/o Makler-Courtage zu zahlen. X mahnte einige Zeit nach dem Vertragsschluß die Zahlung an und erhielt sie endlich auf ein von ihr bezeichnetes Konto. Doch existierte X in Wahrheit nicht. Hinter dem Konto stand A, der zusätzlich in die eigene Tasche verdienen wollte. Die Kunden Κ fochten die Maklervereinbarung nach § 123 an und verlangten die 3 °/o von Α zurück.
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Welche Bedeutung hat in diesem Fall die Courtage-Klausel in den Verträgen K-B: Ist hier ein Versprechen K-B auf Leistung an X gegeben, oder hat X, vertreten durch A, selbst mit Κ kontrahiert? Nach Ansicht des BGH ist die erste Alternative vorzuziehen (s. aber Canaris, NJW 1972, 1196 ff.: Da die Courtage-Klausel in der für Β bestimmten dritten Vertragsausfertigung gefehlt habe, hätte Κ nicht annehmen können, daß A auch insoweit als Vertreter von Β auftreten wollte; danach kommt als Leistungsempfänger nur die mit Α identische Firma X in Betracht). Zwar sei bei echten Verträgen zugunsten Dritter der Dritte nicht immer als Leistungsempfänger anzusehen, die Leistung an ihn könne aber „eine auf den Dritten bezogene Zweckrichtung haben" und dann sei dieser Leistungsempfänger. Dies sei in den Fällen des § 330 gegeben, aber auch im zu entscheidenden Fall, wodurch Nichtaufnahme in das dritte Vertragsexemplar die Maklervereinbarung schon äußerlich gegenüber dem Kaufanwärtervertrag abgesetzt worden sei, womit ihre Bedeutung hauptsächlich das Verhältnis K-X (A) betreffe (dazu die Kritik bei Wilhelm, 145 ff.). Medicus (296) faßt den vom BGH intendierten Rechtssatz folgendermaßen zusammen: „Beim echten Vertrag zugunsten Dritter ist Empfänger der Leistung des Versprechenden, wer in engerer Verbindung zu dem mit dieser Leistung verfolgten Zweck steht." Dieser plausibel differenzierenden Betrachtungsweise des BGH ist gegenüber Wilhelms Auffassung, wonach der Dritte immer als Leistungsempfänger zu betrachten sei, der Vorzug zu geben. X.
Zusammenfassung
Resümierend können folgende Ergebnisse aus dem Kapitel über die Dreiecksverhältnisse abgeleitet werden: 1. Der zweckbetonte Leistungsbegriff der herrschenden Lehre erweist seine Berechtigung vor allem bei der Behandlung der nicht angenommenen oder angenommenen Anweisung sowie der Verträge zugunsten Dritter, die auf eine abgekürzte Lieferung mittels D hinauslaufen. Bei Nichtigkeit des Deckungsverhältnisses D-S, aber intaktem Valutaverhältnis S-G ist D auf eine Kondiktion gegen S zu beschränken, gegen welchen er im Sinne der herrschenden Lehre seinen „Leistungszweck" verfolgt
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hat, während die Leistung im Verhältnis S-G mit Rechtsgrund erfolgt ist. Der Leistungsbegriff der herrschenden Lehre beruht auf durchschlagenden teleologischen Erwägungen gegen eine Kondiktion D-G. Z u m einen würde G ansonsten von der Nichtigkeit eines Rechtsverhältnisses betroffen, dessen Partei er gar nicht ist, könnte dem D also als Dritter auch keine Einwendungen aus seinem Verhältnis zu S entgegensetzen; zum anderen kann nur so das Konkursrisiko gerecht verteilt werden: Bei einer Kondiktion D-G müßte das Risiko der Insolvenz des S von G getragen werden und nicht von D, der sich dem S durch seinen Vertragsschluß anvertraut hat. 2. Ist umgekehrt das Valutaverhältnis S-G nichtig, so kommt allein eine Kondiktion S-G in Frage, da D im Verhältnis zu S seinen Leistungszweck mit Rechtsgrund erreicht hat und nicht mit den Folgen der Nichtigkeit eines Rechtsverhältnisses belastet werden darf, dem er gar nicht zugehört. Darüber hinaus erlaubt auch hier nur eine Kondiktion innerhalb der Schuldverhältnisse eine gerechte Verteilung der Insolvenzrisiken und eine Relevierung von Einreden aus dem jeweiligen Schuldverhältnis. Dasselbe hat grundsätzlich auch für die Fälle der Doppelmängel zu gelten. Die grundsätzlichen Bedenken, welche Canaris und zuletzt Wilhelm gegen den Leistungsbegriff der herrschenden Lehre vorgebracht haben, können hier allenfalls die begriffsjuristische Methodik treffen, mit welcher manchmal der Leistungsbegriff als Argument verwendet wurde. 3. Schwierig werden die Probleme für den herrschenden Leistungsbegriff dann, wenn eine (zurechenbare) Anweisung des S überhaupt fehlt, das Valutaverhältnis S-G aber in Ordnung ist. In diesem Fall ist eine direkte Kondiktion D-G zuzulassen, vor allem, da eine Kondiktion D-G auch im berechtigten Interesse des S liegt, der ansonsten - ohne daß ihm eine Anweisung zugerechnet werden könnte - eventuell einem erst nach dreißig Jahren verjährenden Bereicherungsanspruch des D ausgesetzt würde, obwohl seine Verbindlichkeit G gegenüber kurz vor der Verjährung stand. Der Vertrauensschutz des Empfängers G ist daher auf § 818 III zu beschränken. 4. Dieses Ergebnis kann aber nicht als grundsätzliches Argument gegen die Konstruktion eines Leistungsbegriffs verwendet
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werden. Die Zweckbestimmung darf nämlich - dies ergibt sich aus der Lehre von der objektiven Zurechnung der Willenserklärung - korrekterweise nicht allein aus dem Blickwinkel des Empfängers interpretiert werden, sie muß im selben Maß auch dem Anweisenden zugerechnet werden können. Daraus ergibt sich also, daß bei den Fällen fehlender Anweisung vom Boden des herrschenden Leistungsbegriffs keine Leistungskondiktion zur Debatte stehen kann, sondern eine Kondiktion D-G wegen Bereicherung in sonstiger Weise. 5. Ganz ähnlich liegt der Fall der Tilgung einer vermeintlichen Schuld des S (bei G) durch D gemäß § 267, weil hier ebenfalls im Verhältnis S-G keine Setzung eines Leistungszwccks gesehen werden kann, und zwar regelmäßig auch nicht aus der Perspektive des G. Die einzig vernünftige Kondiktion D-G ist daher als Anspruch wegen Bereicherung in sonstiger Weise einzustufen. Auch hier erweist sich, daß der Schutz des G nur eine der zu beachtenden Wertungskomponenten bei den Dreiecksverhältnissen ist, daher nicht zuungunsten des D (dem ansonsten das Risiko der Insolvenz sowohl des S als auch des G aufgebürdet würde) und S (bei dem es ja genauso um Schutz vor ungerechtfertigter Zurechnung einer gar nicht vorgenommenen Vermögensdisposition geht) verabsolutiert werden darf; auch hier kann G ja immerhin mit Hilfe des § 818 III geholfen werden. 6. Ganz spezifische Probleme stellt die Frage nach dem Wahlrecht bei Leistungen auf eine vermeintlich eigene, in Wirklichkeit aber fremde Schuld. Die dabei geltend zu machenden Argumente sind vor allem konkursrechtlicher Natur. 7. Offen geblieben ist bis jetzt die Frage nach dem Verhältnis der Leistungskondiktionen zur Kondiktion wegen Bereicherung in sonstiger Weise. In diesem Zusammenhang sind vor allem auch die „Einbaufälle" zu behandeln (vgl. unten, S. 114 ff.). § 7. Die einzelnen Leistungskondiktionen Das BGB unterscheidet, der gemeinrechtlichen Doktrin folgend, einzelne Fallgruppen der Leistungskondiktion: Die condictio indebiti (§ 812 I, 1. Satz, Fall 1), die condictio ob causam
§ 7. Die einzelnen Leistungskondiktionen
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finitam (§ 812 I, 2. Satz, Fall 1), die condictio ob rem datorum (bzw. condictio causa data causa non secuta: § 812 I, 2. Satz, Fall 2); schließlich die condictio ob turpem vel iniustam causam (§ 817, 1. Satz). Die praktische Bedeutung dieser Klassifikation liegt hauptsächlich in den Regeln über den Ausschluß der Kondiktion (§ 814, 815, 817, 2. Satz) und über die Haftungsverschärfung. I. Condictio indebiti, condictio sine causa Die praktisch bedeutsamste Fallgruppe der Leistungskondiktionen ist die condictio indebiti. Sie ist dann gegeben, wenn etwas solvendi causa geleistet wurde, ohne daß eine gültige Verbindlichkeit dazu bestand („Leistung auf eine Nichtschuld"), somit der mit der Leistung bezweckte Erfolg, d. h. die Befreiung von einer Forderung, nicht erreicht werden konnte. Diese Begriffsbestimmung bedarf in dreierlei Hinsicht einer Präzisierung: 1. Bedeutung von Einreden Zum einen kann das zum Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nach § 813 I auch dann zurückgefordert werden, wenn die Schuld zwar besteht, aber mit einer dauernden („peremptorischen") Einrede behaftet ist, die dem Leistenden bzw. - bei Leistung auf fremde Schuld - dem Schuldner schon zur Zeit der Leistung zustand (vgl. §§ 425, 768, 1137 usw.). Solche peremptorischen Einreden sind etwa: die Einrede der Bereicherung nach § 821, die aus unerlaubter Handlung (§ 853), aus anfechtbarer letztwilliger Verfügung nach Ablauf der Anfechtungsfrist (§§2083, 2345); aus § 1166, aus beschränkter Erbenhaftung bei unzulänglichem Nachlaß oder gegenüber ausgeschlossenen Nachlaßgläubigern (§§ 1990, 1973), die Einrede der Arglist oder des treuwidrigen Verhaltens (vgl. BGH M D R 1954, 287). § 813 I Satz 2 nennt ausdrücklich eine Ausnahme vom Grundsatz, daß bei Bestehen einer dauernden Einrede kondiziert werden könne, nämlich die Vorschrift des § 222 II („Das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, auch wenn die Leistung in Unkenntnis der Verjährung bewirkt worden ist"); daneben soll entgegen dem Wortlaut des § 813 auch die Män5
Koppensteiner/Kramer, Bereicherung
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
geleinrede des § 478 keinen Rückforderungsanspruch des Leistendeft begründen, da die Rechte des Käufers im Verkehrsinteresse auf die bloße Verteidigung beschränkt seien (Esser, 2. Aufl., 790). Vorübergehende Einreden gegen die Verbindlichkeit begründen keine Kondiktion. § 813 II erwähnt ausdrücklich den Fall der betagten Forderung; wird diese vorzeitig erfüllt, so kann nicht einmal die Erstattung von Zwischenzinsen verlangt werden. Auch die Einreden des nicht erfüllten Vertrags (vgl. OGHZ 2, 85), der Stundung, des § 770 (Einrede der Anfechtbarkeit der Hauptschuld durch den Bürgen) oder des zeitweiligen Zurückbehaltungsrechts berechtigen nicht zur Kondiktion des trotzdem Geleisteten (Esser, 2. Aufl., 790). Bestritten ist, ob die in Unkenntnis einer Aufrechnungsmöglichkeit erbrachte Leistung kondiziert werden kann. Es steht hier jedenfalls fest, daß der Leistende keine Einrede im technischen Sinn haben kann (da ja seine Schuld bedingungslos besteht); außerdem würde die Zuerkennung einer Kondiktion zum „seltsamen Ergebnis" (Esser, 2. Aufl., 790) führen, daß nicht nur die Verbindlichkeit des Leistenden wieder auflebt, sondern auch dessen Gestaltungsrecht. Schließlich kann der Leistende ja die aufrechenbare Forderung weiterhin geltend machen. 2. § 814 Die eingangs formulierte Begriffsbestimmung, wonach die Leistungskondiktion dann zustehen soll, wenn etwas solvendi causa geleistet wurde, ohne daß eine gültige Verbindlichkeit dazu bestand, bedarf einer zweiten, wesentlichen Ergänzung. Nach § 814 kann „das zum Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete" dann „nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewußt hat, daß er zur Leistung nicht verpflichtet war, oder wenn die Leistung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach". Diese Regelung ist analog auf die Fälle des § 813 anzuwenden, schließt somit auch dann die Kondiktion aus, wenn trotz Kenntnis des Bestehens einer peremptorischen Einrede geleistet wurde. Die Kondiktion wird nach § 814 nur durch positive Kenntnis der Nichtschuldigkeit im Zeitpunkt der Leistung ausgeschlos-
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sen. Die bloße Kenntnis der Tatumstände, aus denen sich die Rechtsgrundlosigkeit der Leistung ergeben würde, schließt die Kondiktion nicht aus, wenn sich der Leistende trotzdem aus Rechtsirrtum für verpflichtet hielt. Rechtsirrtum schließt daher, auch wenn er auf grober Unkenntnis beruht, die Anwendung des § 814 immer aus (s. BGH WM 1972, 286; Mayer-Maly, FS Lange 1970, 293 ff.). Zweifel des Leistenden über den Bestand der Verbindlichkeit schließen die Rückforderung grundsätzlich nicht aus (RGZ 154, 396), es sei denn, die Leistung erfolgte in der erkennbaren Absicht, sie auch für den Fall des Nichtbestandes der Verbindlichkeit zu bewirken, da dann ein Verzicht auf den Bereicherungsanspruch angenommen werden kann (s. BGHZ 32, 278). Eine Leistungskondiktion ist auch dann nach § 814 nicht ausgeschlossen, wenn sie unter Vorbehalt erbracht und angenommen worden ist (s. RGZ 138, 124 f.). § 814 ist schließlich dann nicht anzuwenden, wenn die Leistung unter Druck, vor allem zur Vermeidung einer sonst zu befürchtenden Zwangsvollstrekkung erbracht worden ist (s. RGZ 147,19 ff.). Die Rückforderung ist nach dem 2. Halbsatz des § 814 dann ausgeschlossen, wenn der Leistende irrtümlich glaubte, (rechtlich) verpflichtet zu sein, die Leistung in Wirklichkeit aber nur einer nach den herrschenden Moralvorstellungen bestehenden Anstandspflicht entsprach. Beispiele bieten vor allem die Fälle, bei denen Verwandten oder Verschwägerten Unterhalt geleistet wird, obwohl ihnen gegenüber keine gesetzliche Unterhaltspflicht bestand. In beiden Fällen des Ausschlusses des Bereicherungsanspruchs nach § 814 ist es Sache des Kondiktionsschuldners zu beweisen, daß der Kläger die Leistung freiwillig und in Kenntnis des Nichtbestehens der Verbindlichkeit erbracht hat oder daß die Leistung einer moralischen Pflicht entsprach. 3. Randtatbestände der condictio indebiti Unter § 812 I, 1. Satz, 1. Fall (condictio indebiti) sind schließlich - dies ist die dritte Präzisierung der eingangs gegebenen Begriffsbestimmung - die Fälle zu subsumieren, in denen zwar eine einredefreie Schuld besteht, die Leistung auf diese aber trotzdem erfolglos war, weil ein anderer als der geschul-
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
dete Gegenstand geleistet wurde, oder (s. Medicus, 299) statt Ware mittlerer Art und Güte, Ware schlechterer Qualität (§ 243). Diese Fälle werden zum Teil auch unter die diffus konturierte condictio sine causa subsumiert (s. Esser, 351), die auch dann zuständig sein soll, wenn bei fehlendem Grundgeschäft der typische Leistungszweck nicht erreicht wird, nämlich die Begründung eines vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnisses durch die Leistung. Das wichtigste Beispiel dafür ist in § 684 ausdrücklich geregelt. Schließlich werden der condictio sine causa auch die Fälle zugeordnet (RGZ 87, 42 f.), in denen die schuldrechtliche causa wegen Dissenses fehlte (Esser, 352). II. Die Leistungskondiktion
bei
Dauerschuldverhältnissen
Zu betonen ist, daß nicht jede Nichtigkeit eines Grundgeschäfts zur Rückabwicklung des indebite Geleisteten nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen führt, und zwar ganz abgesehen von der allgemeinen Frage, ob der Verbotszweck der nicht beachteten Norm wirklich Nichtigkeit des Geschäftes ex tunc erheischt. Bei Dauerschuldverhältnissen, vor allem im Arbeitsvertragsrecht, wird. - zum Teil wegen der Inpraktikabilität der Kondiktion (Rückabwicklung) von über lange Zeiträume ausgetauschten Leistungen, zum Teil aber auch aus dem Gedanken des Arbeitnehmerschutzes - die bereicherungsrechtliche Lösung durch eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses ex nunc vermieden. Es handelt sich aber hier um Probleme, die teils in die allgemeinen Lehren von der Nichtigkeit der Dauerschuldverhältnisse, teils speziell in der Arbeitsvertragslehre (vgl. Hueck/Nipperdey, 123 ff., 183 ff.) zu erörtern sind, so daß eine Darstellung des Problems im Rahmen einer Einführung in das Bereicherungsrecht unterbleiben kann (vgl. im einzelnen vor allem Bydlinski, FS Wilburg 1965, 45 ff.). III. Condictio ob causam finitam §812 I, 2. Satz, 1. Fall gibt dem Leistenden auch dann eine Leistungskondiktion, wenn die Forderung zwar im Augenblick der Leistung bestanden hat, später aber entweder ex tunc (durch Anfechtung) oder ex nunc (durch Eintritt einer auflösen-
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den Bedingung) weggefallen ist. § 814 ist auf diesen Fall nicht anzuwenden, da im Augenblick der Leistung ja eine Rechtsverpflichtung bestanden hat. BGH JZ 1968, 381 f. (mit Anmerkung von Lorenz = BGH NJW 1968, 245 f.) verneint auch eine analoge Anwendung des § 815 (vgl. Medicus, 299 f.). IV. Condictio ob rem datorum 1. Der Tatbestand Große dogmatische Einordnungsschwierigkeiten macht die Leistungskondiktion, welche dann zustehen soll, wenn „der mit einer Leistung nach dem Inhalte des Rechtsgeschäftes bezweckte Erfolg nicht eintritt" (§ 812 I, 2. Satz, 2. Fall): Condictio ob rem datorum bzw. condictio causa data non secuta. Der mit der Leistung bezweckte Erfolg, der hier nicht eintritt, kann jedenfalls nicht die Befreiung von einer Verbindlichkeit sein, da diese Konstellation ja schon von der condictio indebiti erfaßt wird. Esser beschränkt die condictio ob rem daher streng auf die Fälle, in denen die Leistung (eine solche fehlte in BGHZ 35, 356 ff.; BGHZ 44, 321 ff. = NJW 1966, 540, so daß eine condictio ob rem schon aus diesem Grund nicht in Frage kommen konnte: s. Medicus, 301; s. aber BGH NJW 1970, 136 f.) nicht auf eine Verbindlichkeit (so nun auch BGH NJW 1973, 613), ein bereits vorhandenes Grundgeschäft erfolgte, sondern vielmehr um den Empfänger zu einem (rechtsgeschäftlichen oder faktischen) „Verhalten" zu veranlassen, welches zwar als Gegenleistung im landläufigen Sinn interpretiert werden kann, aber doch nicht erzwingbar ist (Esser, 354). Esser kann für seine Auffassung auf die historische Entwicklung
des Rechtsinstituts verweisen: s. Söllner, AcP 163, 23 ff.
Die condictio ob rem schließt sich, so gesehen, „nahtlos" an die condictio indebiti an und ermöglicht den Ausgleich in den Fällen, in denen eine Leistung eben nicht solvendi causa oder zur Begründung eines Schuldverhältnisses erfolgte, sondern einverständlich (s. zu diesem Erfordernis BGHZ 44, 322 f.) „zum Zweck der Herbeiführung eines bestimmten, in einem Verhalten des Empfängers liegenden Erfolg bewirkt, der Zweck aber nicht erreicht worden ist" (Esser, 354).
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Die Auffassung Essers von der Funktion der condictio ob rem hat den großen Vorzug, diese klar von anderen Rechtsinstituten abgrenzen zu können. Aus dem Gesetz selber bzw. den Motiven (Mugdari II, 470 f.) ergibt sich ja nur eine Abgrenzung zu den Fällen, bei denen der Erfüllungszweck nicht erreicht wird (condictio indebiti) bzw. bei denen durch die Leistung der neben der Erfüllung bezweckte weitere Erfolg, nämlich die vereinbarte Gegenleistung nicht eintritt (hier greifen die §§ 320 ff. ein). Unklar aber ist nach dem Gesetz die Abgrenzung der condictio ob rem zur condictio ob causam finitam, vor allem wenn man der Formel der Judikatur folgt, wonach die condictio ob rem immer dann anwendbar ist, wenn „ein über den Anspruch auf die Gegenleistung hinausgehender Erfolg Vertragsinhalt" geworden sei (s. die Leitentscheidung R G Z 66, 133 f.), der dann nicht erreicht wurde. Ginge man davon aus, dann würde es doch entschieden näher liegen, bei Nichteintritt eines zum Vertragsinhalt erhobenen Erfolgs die Regeln über die auflösende Bedingung und damit die condictio ob causam finitam eingreifen zu lassen (s. Esser, 355). Noch unklarer ist bei dieser Fassung die Abgrenzung zur Abwicklung von wegen Zweckfortfall oder Zweckerreichung mißlungenen Geschäften (s. dazu jetzt BGH N J W 1973, 1035 mit Anmerkung von Ehmann; Batsch, N J W 1973, 1639 f.). Sofern der Zweck nicht bloßes Motiv geblieben ist, liegen gültige, gegenseitige Vereinbarungen vor, „deren Durchführung", deren vereinbarter Geschäftszweck, „daran scheitert, daß entweder der angestrebte Erfolg deshalb nicht erreicht werden kann, weil das Objekt entfallen ist, an dem die Leistung zu erbringen war, oder der individualisierte Geschäftszweck auf andere Weise als durch Leistung des Schuldners erreicht worden ist" {Esser, 355). Hier greifen wiederum die Regeln über die Rechtsfolgen von Leistungsstörungen (vor allem die §§ 320 ff.) ein (vgl. Beuthien, 281 ff.). Schließlich läßt die Formel der Rechtsprechung die Abgrenzung zu den Fällen fehlender oder später weggefallener Geschäftsgrundlage offen, welche ebenfalls in das Gebiet der Leistungsstörungen fallen, deren Regeln aber Vorrang vor den § § 8 1 2 ff. zuzukommen hat (s. BGH DB 1972, 1621); auch hier sind die Leistungen ja nicht rechtsgrund-
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los ausgetauscht worden, auch hier kann die Verwirklichung der Zielvorstellungen der Partei nicht wie bei der condictio ob rem als „Gegenleistung" einer Partei interpretiert werden. Wie etwa in dem Fall, daß ein Bürger eines Landes ein Grundstück für den Bau eines Gerichtsgebäudes schenkt, dann aber eine andere Stadt als Sitz des Gerichtes bestimmt wird (von Caemmerer, 223 f.). Medicus (301) bringt folgendes Beispiel, das ihn in einer Vorauflage seines „Bürgerlichen Rechts" dazu bewogen hat, Konzessionen zugunsten der Formel vom über die Erfüllung hinausgehenden Erfolg zu machen: Die Haushälterin Η dient dem S zwanzig Jahre lang nur gegen Kost, Wohnung und ein Taschengeld, weil sie als seine Erbin vorgesehen ist. Kurz vor seinem Tode aber ändert S sein Testament und setzt D zum Alleinerben ein. Hier besteht jedenfalls dann, wenn man davon ausgeht, daß S sich nicht zur Erbeinsetzung verpflichtet hat (vgl. § 2302), ein wirksamer Dienstvertrag. Η hat also solvendi causa auf eine bestehende Verpflichtung geleistet, so daß nach Essers Ansicht, wie man prima vista meinen könnte, nur eine condictio indebiti in Frage kommen könnte, welche aber hier deswegen ausscheiden muß, weil der Vertrag gültig zustande gekommen ist. Ein offenbar unbilliges Ergebnis, das - so meinte Medicus anfänglich - nur durch eine andere Bestimmung der Funktion der condictio ob rem als der Esse/schen vermieden werden könnte. Esser wendete dagegen ein, daß im angegebenen Fall lediglich der durch Kost, Wohnung und Taschengeld gedeckte Teil der Dienste solvendi causa geleistet werde, während der andere Teil mit Hilfe der condictio ob rem ersetzt werden müsse, eine Lösung, der sich nun auch Medicus anschloß. 2. Ausschluß der Kondiktion wegen Zweckverfehlung Die dem § 814 entsprechende Regelung des § 815 schließt die condictio ob rem wegen der Schutzunwürdigkeit des Kondizienten dann aus, wenn a) der Leistende bei seiner Leistung gewußt hat, daß der Eintritt des bezweckten Erfolges von Anfang an unmöglich war oder b) der Leistende den Eintritt des Erfolges wider Treu und Glauben verhindert hat. Alternative b) drückt denselben Rechtsgedanken aus wie § 162 I und
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ist eine Einzelanwendung des das BGB beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben (RGZ 58, 409). Beispiel nach Esser, 2. Aufl., 792: Α übereignet dem mittellosen Verlobten Β seiner Tochter Τ ein Grundstück, damit dieser seine wirtschaftlichen Bedenken gegen die Eheschließung zurückstelle und die Τ heirate. Der Zweck wird vereinbart. Dann lernt Α den reichen D kennen, der ihm als Schwiegersohn besser zusagt. Mit falschen Auskünften über Β entzweit er die Verlobten und will nun von Β das Grundstück zurückverlangen. Dies ist ihm durch § 815 verwehrt. V. Condictio ob iniustam vel turpem
causam
1. Anspruchsvoraussetzungen Es bleibt als letzter gesetzlich geregelter Leistungskondiktionstyp die condictio ob injustam vel turpem causam: § 817, 1. Satz gibt sie dem Leistenden grundsätzlich dann, wenn „der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt wurde", „daß der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat". Dieser Anspruch unterscheidet sich von vorneherein dadurch markant von den übrigen Typen der Leistungskondiktion, als er nicht wie diese an das Kriterium mißlungener Zweckerreichung, sondern an die ganz anders motivierte Frage anknüpft, ob der Empfänger durch die Annahme der Leistung gegen ein gesetzliches oder moralisches Verbot verstoßen hat. Daraus folgt, daß der Leistende selbst dann kondizieren kann, wenn er dadurch den bezweckten Erfolg erreichen konnte {Esser, 357). Die condictio ob turpem vel iniustam causam liegt daher sehr in der Nähe der Strafnormen. Dieser pönale Gedanke ergibt sich auch aus den Motiven (Mugdan II, 474), die als Grund für die Normierung des § 817 1. Satz den „auf Seiten des Empfängers in der Annahme der Leistung liegenden Verstoß und die darin sich offenbarende Auflehnung gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung" angeben, ja sogar von der „verwerflichen Gesinnung des Empfängers" sprechen, die durch die Kondiktion getroffen werden soll, sowie vom Gefühl der Allgemeinheit „für gute Sitten und für das Interesse der öffentlichen Ordnung", welches durch diese Regelung gestärkt werde. Diese
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Ausrichtung an pönalen Erziehungsfunktionen hätte allerdings notwendigerweise zur Konsequenz, daß man eine Kondiktion dann nicht zubilligen könnte, wenn dem Empfänger der Leistung (wegen des mangelnden Bewußtseins der Sittenwidrigkeit) kein Vorwurf zu machen ist (so auch RGZ 127, 279; 151, 73; BGHZ 50, 92); man müßte aber dann einen von der Leistungsannahme her objektiv rechtswidrigen Zustand sanktionieren, ein Ergebnis, das letztlich zu einer „Prämierung des gröberen Moralempfindens" (Lehmann, JW 1931,1924) führen würde, so daß man entgegen der zitierten Zielvorstellung des historischen Gesetzgebers den objektiven Sitten- oder Gesetzesverstoß für die Gewährung eines Kondiktionsanspruchs genügen lassen sollte (so auch Esser, 357; bezüglich des Moralverstoßes auch Larenz, 424; vgl. auch Honseil, 43 ff.). Der praktische Anwendungsbereich des § 817, 1. Satz ist relativ gering, da Rechts- und Sittenwidrigkeit in der Regel auch das der Leistung zugrundeliegende Rechtsgeschäft vernichten werden (§§134, 138), in diesem Fall aber die condictio indebiti zusteht, es sei denn, diese greift wegen § 814 nicht ein. Der Verbotszweck der übertretenen Norm muß sich bei § 817 1. Satz also gerade auf die Annahme der Leistung beziehen. Gültigkeit des Grundgeschäfts (Schenkung) trotz Rechtswidrigkeit der Leistungsannahme ist etwa im Fall der „einfachen Beamtenbestechung" anzunehmen, da sich § 331 StGB nur gegen den Beamten richtet. Auch eine Darlehenshingabe, mit der der Empfänger zum Schweigen über eine Straftat eines Angehörigen veranlaßt werden soll, beruht nicht auf einem nichtigen Darlehensvertrag (s. § 257 II StGB; Beispiel nach Esser, 358). §817, 1. Satz ist auch dann nicht anzuwenden, wenn der vereinbarte Erfolg nicht eingetreten ist, da dann die condictio ob rem am Platze ist, es sei denn, es liegt einer der Ausschlußgründe des § 815 vor. 2. Verhältnis zu § 335 StGB Gesetzlich ungeklärt ist das Verhältnis der condictio ob turpem vel iniustam causam zu § 335 StGB: Während nach § 817 1. Satz der Leistende seine Leistung zurückerhalten soll, soll sie nach § 335 StGB dem Fiskus verfallen (ähnlich § 12 III UWG, der für Schmiergelder eine Verfallserklärung vorsieht).
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
Der BGH hat in einer Entscheidung zur Frage, ob § 12 III UWG der Rechtsfolge des § 667 vorgehe (BGHZ 39, 1 ff.; dazu Ditcher, JZ 1963, 510 ff.) die Priorität des staatlichen Verfallsrechts angenommen (s. schon RGZ 146, 208 f.), was kaum verständlich ist, so daß nichts übrigbleibt, als eine Konkurrenz des staatlichen mit dem privaten Anspruch anzunehmen (Esser, 359) und eventuell das Zuvorkommen entscheiden zu lassen (Medicus, 302). VI. Der Ausschluß der Kondiktion
nach § 817, 2. Satz
1. Ausgangspunkt Nach der vielumstrittenen Regelung des § 817, 2. Satz soll die condictio ob turpem vel iniustam causam grundsätzlich dann ausgeschlossen sein, wenn dem Leistenden gleichfalls ein Verstoß gegen die guten Sitten oder ein gesetzliches Verbot gemacht werden muß. Obwohl das Gesetz nicht davon ausgeht, gilt dieser Kondiktionsausschluß wegen seiner sonstigen Bedeutungslosigkeit nicht nur für den Fall des § 817, 1. Satz, sondern für alle Typen der Leistungskondiktionen (Esser, 359; Medicus, 303; Larenz, 425; RGZ 63, 346 ff.; BGHZ 35, 107; BGH J Z 1952, 89), also vor allem auch für die condictio indebiti und die condictio ob rem, womit gleichzeitig klargestellt ist, daß § 817, 2. Satz keinen Vorwurf des Gesetzes - bzw. Sittenverstoßes gegen den Empfänger der Leistung voraussetzt. Nur so kann das „merkwürdige Ergebnis" vermieden werden, daß der „makellose Empfänger" aufgrund einer condictio indebiti oder ob rem das ihm Geleistete an den gesetzoder sittenwidrig Leistenden herausgeben müßte, während er (nach § 817, 2. Satz) dann keiner Kondiktion ausgesetzt wäre, wenn ihm selbst der Vorwurf eines Verstoßes gegen Gesetz oder gute Sitte zu machen ist (so Esser, 359, mit Verweis auf BGHZ 8, 371). Letztlich entscheidend für die Frage, ob die Rückforderung des Leistenden auszuschließen ist, ist wiederum der Schutzzweck der übertretenen Norm (Fabricius, JZ 1963, 85; Esser, 359). 2. Funktion und Grundtatbestand Während über die Extension des § 817, 2. Satz auch auf Fälle, in denen nur dem Leistenden der Vorwurf des (objektiven)
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Verstoßes (dagegen aber für Bewußtsein der Sitten- bzw. Verbotswidrigkeit die Rechtsprechung: R G Z 105, 272; 127, 279; BGH LM Nr. 12 zu § 817; BGH N J W 1968, 1329 f. = BGHZ 50, 92) gegen gesetzliche Verbote oder die guten Sitten zu machen ist, Konsens besteht, Honsell, 136 ff., will hingegen neuerdings § 817, 2. Satz auf die Fälle der Hingabe zur Erreichung eines Erfolges, der in einer sittenwidrigen Handlung besteht, die nicht Sachleistung ist, also auf die „Deliktsanstiftung", beschränken. gibt es sonst an allen Ecken und Enden Zweifelsfragen. Dies beginnt schon mit der Frage nach der rechtspolitischen Funktion dieser Bestimmung (dazu im einzelnen Honsell, 58 ff.). Philipp Heck (AcP 124, 32 ff.) vertrat die Ansicht, § 817, 2. Satz enthalte eine gesetzlich geregelte Schuldkompensation. Da keine der beiden Parteien schutzwürdig sei, dürfe auch keine bevorzugt werden („in pari delicto est melior causa possidentis"). Dagegen ist vor allem einzuwenden, daß damit nur dann der Kondiktionsausschluß erklärt werden kann, wenn beiden Parteien ein Verstoß gegen Gesetz oder Sitte anzulasten ist und beide Parteien bereits geleistet haben; des weiteren, daß es danach unverständlich bleiben muß, warum bei beiderseitigem Verstoß lediglich der Leistende bestraft wird, während der Empfänger freigeht, wenn er nicht seinerseits schon geleistet hat. Aus demselben Grund versagt auch der von der RGRechtsprechung befürwortete Gedanke, § 817, 2. Satz sei eine gegen den Leistenden gerichtete Strafvorschrift (vgl. auch BGHZ 19, 340; BGHZ 39, 91), ganz abgesehen davon, daß jede Auslegung den Vorzug verdient, die das Ergebnis eines systemfremden strafrechtlichen Einbruchs in das Zivilrecht vermeiden kann. So hat die Ansicht wohl am meisten für sich, die in § 817, 2. Satz den Ausdruck der Rechtsverweigerung, d. h. der Enthaltung der Rechtspflege von rechtlichen Korrekturen in den Fällen sieht, in denen sich die Parteien einverständlich außerhalb des Rechts gestellt haben (vgl. OGHZ 4, 60; BGHZ 36, 399; BGH N J W 1965, 1587; Medicus, 303; Esser, 361 f.; Larenz, 425); nur damit wird das „anstößige Ergebnis" vermieden, „daß eine Leistungskondiktion den unrechtmäßigen Zustand nicht beseitigt, sondern nur verlagert" (Esser, 361). § 817,
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2. Satz ist in dieser Sicht Ausdruck des ganz allgemeinen Gedankens der Rechtsschutzversagung in all den Fällen, in denen sich der Gläubiger zur Begründung seiner Ansprüche auf sein eigenes Gesetz oder sittenwidriges Verhalten berufen muß („nemo auditur turpitudinem suam allegans"). Der Gedanke des § 817, 2. Satz ist daher nicht auf den Kondiktionsanspruch zu beschränken (so aber BGHZ 39, 91), sondern gilt auch für andere Herausgabe-(Vindikations-), Delikts- und Verwendungsansprüche {Esser, 362; Medicus, 303), vor allem auch für § 985. Die Notwendigkeit dieser Auslegung zeigt sich ganz evident in den Fällen, in denen wegen der besonderen Verwerflichkeit des Sittenverstoßes nicht nur Nichtigkeit des Grundgeschäfts, sondern auch Unwirksamkeit der dinglichen Übereignung angenommen wird. In RGZ 145, 152 ff. ging es etwa um die Ubereignung eines Grundstücks an eine Ehefrau, um sie dadurch zur Erhebung der Scheidungsklage zu veranlassen. Das RG nahm hier nicht nur Nichtigkeit des Grundgeschäfts, sondern auch Unwirksamkeit des dinglichen Vollzugsaktes an, mit der Konsequenz, daß der Herausgabeanspruch des Mannes auf §§ 894, 985 zu stützen war, was das RG wiederum an einer Anwendung des § 817, 2. Satz hinderte, womit das völlig ungereimte Ergebnis fixiert war, daß der Ehemann sein Grundstück mit Erfolg zurückfordern konnte, während er bei Annahme von Sittenwidrigkeit nur des Grundgeschäftes an § 817, 2. Satz gescheitert wäre. Ein offensichtliches argumentum a minori ad maius wurde damit unbeachtet gelassen! 3. Einzelfragen Strittig ist auch die Frage, welche Leistung vom Rückforderungsausschluß des § 817, 2. Satz erfaßt werden soll, vor allem wenn das Geleistete nur auf Zeit überlassen werden sollte (Darlehen, Miete etc). Nach plausibler herrschender Lehre (Medicus, 304 f.; Esser, 360; Larertz, 427) u n d Rechtsprechung
(RGZ 161, 52 ff.; BGHZ 19, 207) setzt § 817, 2. Satz voraus, daß eine endgültige Vermögensübertragung geplant war; bei nur temporären Leistungen kann (sofern nicht der Schutzzweck der übertretenen Norm gerade eine sofortige Rückforderung gebietet: s. BGHZ 41, 341 ff. = NJW 1964, 1791 ff.) nur wäh-
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rend der vereinbarten Zeit nicht zurückgefordert werden. Wurden die Verträge auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, muß eine Kündigung nach den gesetzlichen Kündigungsfristen zugelassen werden (Medicus, 304; Esser, 360).
Wurde eine wucherische Vergütung für die Überlassung des Gebrauchs vereinbart, so ist klar, daß (etwa) der Darlehensgeber nicht diese wucherischen Zinsen verlangen kann, unklar aber, ob der Leistende nicht wenigstens ein angemessenes Entgelt soll verlangen können. Während dies von der Rechtsprechung (RGZ. 161, 52 ff.; BGH NJW 1962, 1148 f.) und herrschenden Lehre (s. Esser, 360; Larenz, 427) hauptsächlich mit dem Hinweis abgelehnt wird, daß eine Vergütung nach § 818 I ausscheide, da § 817, 2. Satz den Rechtsgrund für das zeitweilige Behaltendürfen ersetze, hat Medicus (304; derselbe, Gedächtnisschrift Dietz, 1973, 61 ff.) dem überzeugend entgegengehalten, daß damit noch nicht begründet sei, warum dem Empfänger die Nutzungen ohne Entgelt belassen werden sollen; will man § 817, 2. Satz nicht im Sinne einer Statuierung einer pönalen Sanktion interpretieren, wird dem Leistenden daher ein angemessenes Entgelt zuzugestehen sein. Der Einwand des § 817, 2. Satz gilt auch gegen die Rechtsnachfolger des Leistenden, nach der Rechtsprechung (vgl. BGHZ 19, 340 = JZ 1956, 492 mit Anmerkung von Lent; BGH NJW 1962, 483 f.; BGH JZ 1965, 575) aber nicht gegen den Konkursverwalter des Leistenden, da dem Leistungsempfänger die Leistung nur auf Kosten des Leistenden, nicht auch auf Kosten von dessen Konkursgläubiger verbleiben solle, ein Argument, daß vor allem deswegen schief ist, da die Liquidation der Bereicherung des Empfängers durch den Konkursverwalter rechtlich doch dem Leistenden zugute kommt, da seine Verbindlichkeit im Umfang der Befriedigung seiner Gläubiger erlischt (Esser, 361).
III. Kapitel: Bereicherung „in sonstiger Weise" § 8. Arten der Bereicherung „in sonstiger Weise" 1. Übersicht Nach § 812 I, 1. Satz ist derjenige, der „in sonstiger Weise" auf Kosten eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, dem Entreicherten zur Herausgabe verpflichtet. Unter diese Generalklausel lassen sich eine ganze Reihe von Sachverhalten subsumieren, deren gemeinsamer Nenner vorerst nur negativ umschrieben werden kann: Die Kondiktion wegen Bereicherung „in sonstiger Weise" soll dann zustehen, wenn jemand „auf Kosten" des Kondiktionsgläubigers eine Vermögensvermehrung erfahren hat, ohne daß ihm diese durch „Leistung" des Kondiktionsgläubigers zugekommen ist und ohne daß dem Bereicherten ein Recht zum Behalten des Erlangten zustände (Esser, 362 f.). Die Fälle, für die das Vorliegen einer Bereicherung „in sonstiger Weise" mit Recht bejaht wird, sind sehr vielgestaltig. Das daraus resultierende Bedürfnis nach Ausdifferenzierung relevanter Fallgruppen hat dazu geführt, daß die Nichtleistungskondiktionen heute im allgemeinen (anders Fikentscker, 567 ff.) in Eingriffskondiktion, Aufwendungs- (Verwendungs-, Rückgriffs-)kondiktion sowie Ansprüche wegen Bereicherung infolge eines Naturvorganges eingeteilt werden. Maßgeblicher Einteilungsgesichtspunkt ist die Frage, ob dem Bereicherungskläger etwas ohne seine Zustimmung „weggenommen" worden ist (Eingriffskondiktion), ob er - ohne zu leisten - ein Vermögensopfer erbracht hat (Aufwendungskondiktion) oder ob die Bereicherung überhaupt nicht auf menschlichen Handlungen, sondern auf einem Naturereignis beruht. Diese Klassifizierung hat sich in darstellungstechnischer Hinsicht als zweckmäßig erwiesen und wird deshalb auch hier verwendet.
§ 8. Arten der Bereicherung „in sonstiger Weise"
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2. Eingriffskondiktion Die praktisch wichtigste Fallgruppe der Nichtleistungs- ist die Eingriffskondiktion. Charakteristisch sind die Fälle, in denen sich jemand einen fremden Vermögensgegenstand zunutze macht, beispielsweise eine fremde Sache ge- oder verbraucht und dadurch einen eigenen Vermögensvorteil erzielt. Zuordnungsschwierigkeiten sind im Zusammenhang irrtümlicher Verwendung eigener Sachen für fremde Zwecke aufgetaucht. Das Paradigma des Hausmeisters, der versehentlich eigene Kohlen für die Heizung des von ihm verwalteten Gebäudes verwendet, wird zumeist als Fall der Eingriffskondiktion klassifiziert. Demgegenüber ordnet Medicus (307) diesen Fall den Aufwendungskondiktionen zu. Da es hier der Entreicherte selbst ist, der die klagebegründende Vermögensverschiebung veranlaßt, ist dieser Meinung der Vorzug zu geben. Einen wichtigen Sonderfall der Eingriffskondiktion hebt das Gesetz selbst hervor, nämlich die Verfügung eines Nichtberechtigten, die dem Berechtigten gegenüber infolge guten Glaubens des Verfügungsempfängers (§§ 932 ff., 892 f.) wirksam ist (§ 8161). Einen vergleichbaren Fall regelt § 816 II: Wer als Nichtberechtigter, zum Beispiel als Zedent, eine Leistung empfängt, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist (zum Beispiel infolge § 407), muß das Geleistete an den Berechtigten abführen. Das Hauptproblem im Zusammenhang der Eingriffskondiktion besteht in der exakten Fassung derjenigen Positionen, in die ein Eingriff möglich ist. Daß das Eigentum eine solche Position dar- stellt, liegt auf der Hand, aber etwa schon bei WarenzeichenVerletzungen, bei Wettbewerbsverstößen, schließlich auch im Zusammenhang relativer Rechte scheiden sich die Geister.
3. Verwendungskondiktion a) Der Ausdruck „Verwendungskondiktion" bezieht sich zunächst auf die Fälle, in denen jemand Geld, Arbeitsleistung oder Naturalien auf Sachen verwendet, die sich in seinem Eigenbesitz befinden oder von denen er - bei fehlendem Besitz - jedenfalls annimmt, daß sie ihm gehören. Der damit vollzogene Ausschluß von Verwendungen des Fremdbesitzers und des die Eigentumsverhältnisse kennenden Nichtbesitzers
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rührt daher, daß in diesen Fällen - wenn überhaupt - die Leistungskondiktion gegeben ist. Im Interesse begrifflicher Schärfe ist der Ausdruck „Verwendungskondiktion" jedoch für die Bezeichnung einer Untergruppe der Bereicherung „in sonstiger Weise" zu reservieren. Schließt man sich der im Anschluß an Medicus oben vorgeschlagenen Charakterisierung des „Hausmeister-Falles" als eines Beispiels der Verwendungskondiktion an, so folgt daraus allerdings eine Modifizierung des Gesagten. Eigenbesitz oder mutmaßliche Eigentümerstellung wird für die Verwendungskondiktion dann nicht vorausgesetzt, wenn der Verwendende zwar die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse der Sache kennt, auf die er Aufwendungen vornimmt, aber nicht weiß, daß er eigene und nicht fremde Mittel zu Verwendungszwecken einsetzt. Die Gefahr einer Uberschneidung von Verwendungs- und Leistungskondiktion besteht hier nicht. Mangels Fehlens eines Zuwendungswillens beim Verwendenden scheidet eine Leistungskondiktion von vorneherein aus. Die Fragen, die im Zusammenhang der Verwendungskondiktion zu lösen sind, sind im wesentlichen dreifacher Art. Einmal geht es darum, das tatbestandliche Verhältnis dieses Anspruchs zu anderen Anspruchsgrundlagen, beispielsweise dem Verwendungsersatzanspruch des Besitzers nach § 994 zu klären. Zum anderen entsteht für die Fälle, in denen das Gesetz den Bereicherungsanspruch ersichtlich zu Lasten des Gläubigers an die Stelle eines Anspruchs auf Ersatz von Aufwendungen treten läßt (zum Beispiel §§ 994 II, 684, 1. Satz) die Frage, ob der Bereicherungsansprudt durch das Maß der Aufwendungen begrenzt wird. Schließlich stellt sich das Problem der aufgedrängten Bereicherung gerade in den Fällen der Verwendungskondiktion besonders häufig, ohne freilich auf diese Konstellation beschränkt zu sein.
b) Die Rückgriffskondiktion bezieht sich auf Fälle, in denen der Bereicherungsgläubiger den Bereicherungsschuldner, ohne diesem eine Leistung zu erbringen, von einer Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten befreit. Freilich sind hier zumeist andere Anspruchsgrundlagen gegeben, die die Rückgriffskondiktion verdrängen.
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4. Bereicherang infolge Naturvorganges Eine Bereicherung „in sonstiger Weise" kann sich auch infolge eines Naturereignisses einstellen, beispielsweise indem von einem am Fluß liegenden Grundstück des Α bei Hochwasser Teile weg- und dem gegenüberliegenden Grundstück des Β zugeschwemmt werden. Ein zweites Beispiel wird immer wieder zitiert, nämlich die Kühe des A, die die Wiese des Β abgrasen. Fälle dieser Art sind praktisch unwichtig. Für die bereicherungsrechtliche Dogmatik werfen sie kaum Probleme auf. Im folgenden werden die einzelnen Fallgruppen der Bereicherung „in sonstiger Weise" im einzelnen erörtert, freilich nur, soweit es um ihre tatbestandlichen Voraussetzungen geht. Für die Analyse der verbleibenden Probleme sind die Paragraphen über den Anspruchsinhalt und das Verhältnis des Bereicherungsanspruches zu anderen bürgerlich-rechtlichen Anspruchsgrundlagen zu konsultieren. § 9. Die Eingriffskondiktion 1. Zur Bedeutung griffskondiktion
des Merkmals
„auf Kosten"
bei der Ein-
1. Fragestellung Α und Β sind Wettbewerber. Α gelingt es im Laufe der Zeit, die Kunden des Β in rechtlich einwandfreier Weise an sein eigenes Geschäft zu binden. Β hat einen Nachteil, Α einen Vorteil zu verbuchen. Dennoch besteht überhaupt kein Zweifel, daß Β kein Bereicherungsanspruch gegen Α zusteht. Mehr noch: Es wäre im Rahmen einer prinzipiell an marktwirtschaftlichen Prinzipien orientierten Rechtsordnung offensichtlich absurd, Β einen derartigen Anspruch zu gewähren. Ein anderes Beispiel (nach Wilburg, 14 f.): Infolge Verlegung einer Bahnstrecke gewinnt das Grundstück des Α an Wert, das des Β verliert. Dennoch ist unbestritten und wohl auch unbestreitbar, daß Β hier nichts von Α verlangen kann. Die Frage, warum dem so ist oder umgekehrt gewendet: die Beeinträchtigung welcher Positionen des „Entreicherten" die Kondiktion auszulösen geeignet ist, ist damit freilich noch nicht beantwortet. 6
Koppensteiner/Kramer, Bereicherung
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III. Kapitel: Bereicherung „in sonstiger Weise"
Im allgemeinen wird diese Frage mit der nach dem Inhalt des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals „ohne Rechtsgrund" in Fällen der Eingriffskoridiktion identifiziert (vgl. etwa Esser, 364 ff., Latenz, 409, zum Teil auch Fikentscher, 558). Die Bedenklichkeit dieser Ansicht zeigt sich jedoch sofort, wenn man überlegt, daß das nachträgliche Einverständnis des Beeinträchtigten die Eingriffskondiktion von nun an präkludiert. In den Fällen gutgläubig entgeltlichen Erwerbs vom Nichtberechtigten ist diese dem Erwerber gegenüber von vorneherein ausgeschlossen. Beide Befunde finden ihren Grund darin, daß der Eingriffserwerb hier nicht „rechtsgrundlos" erfolgt. Hängt „ohne rechtlichen Grund" somit mit der Willensrichtung des Beeinträchtigten bzw. mit Vorhandensein oder Fehlen eines gesetzlichen Erwerbstatbestandes zusammen, so empfiehlt es sich, die Frage nach eingriffsfähigen Rechtspositionen des Beeinträchtigten dem Tatbestandsmerkmal „auf Kosten" zuzuordnen. Diese Betrachtungsweise hat darüber hinaus den Vorteil, daß sie die von der herrschenden Meinung zu Unrecht (vgl. einstweilen Kellmann, 97 ff., Wilhelm, 173 f., Haines, 86 ff.) aufgegebene Suche nach gemeinsamen dogmatischen Grundlagen von Eingriffs- und Leistungskondiktion vorbereitet. Steht einmal fest, daß ein „Entreicherungstatbestand" vorliegt, so ist immer noch klärungsbedürftig, wer als Bereicherungsschuldner in Betracht kommt. Hat zum Beispiel jemand durch Verletzung eines fremden Patents seinen Gewinn steigern können, so profitiert nicht nur er selbst, sondern auch seine Gläubiger, denen nunmehr ein größeres Vermögen haftet, ferner die Angehörigen, denen bei höherem Einkommen des Rechtsbrechers höhere Unterhaltsansprüche zustehen usw. Es liegt auf der Hand, daß nicht jedermann, der in irgendeiner Weise von einem Erwerbsvorgang „auf Kosten" eines Berechtigten profitiert, diesem gegenüber kondiktionspflichtig sein kann. Unklar ist jedoch, nach welchen Kriterien die Abgrenzung vorzunehmen ist. Es ist nützlich, sich einmal klar zu machen, warum sich die aufgeworfenen Probleme gerade im Zusammenhang der Eingriffskondiktion stellen oder - umgekehrt gewendet - warum bei der Leistungskondiktion keine vergleichbaren Fragen auftauchen. Was zunächst das Problem der anspruchsbegründenden „Position" des
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Klägers angeht, so stellt es sich für die Leistungskondiktion deshalb nicht, weil Gegenstand einer Leistung die Bewirkung jedes Erfolges des Leistenden beim Leistungsempfänger sein kann. Wenn es zum Beispiel zwar sicher ist, daß die Beeinträchtigung des Gewerbes eines anderen durch lautere Wettbewerbshandlungen keine Eingriffskondiktion auslöst, so ist andererseits doch nicht daran zu zweifeln, daß das Einstellen eines Gewerbes aufgrund Vertrages mit einem Konkurrenten im Fall der Nichtigkeit zur Leistungskondiktion führt. Schuldner der Leistungskondiktion ist im übrigen - mit Ausnahme des § 822 - immer nur der Leistungsempfänger, nicht irgendwelche Dritte, die durch die Leistung mit begünstigt werden.
2. Rechtswidrigkeit des Eingriffs? Einer der ersten grundsätzlichen Versuche, die kondiktionsbegründende Positionsbeeinträchtigung des Bereicherungsklägers zu erfassen - dies freilich in Anknüpfung an das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund" - stammt von Fritz Schulz (AcP 105, 1 ff.). Nach Schulz beruhen alle Bereicherungsansprüche auf der Widerrechtlichkeit des bereichernden Eingriffs. Ungerechtfertigt und daher kondiktionsfähig sei vorbehaltlich von Korrekturen bei nicht adäquaten Kausalverläufen danach jede Bereicherung, die durch eine widerrechtliche Handlung des Bereicherten erlangt worden ist. Indes müßte auf der Grundlage dieser Theorie auch der Schmied, der sich zugunsten eines benachbarten Komponisten vertraglich verpflichtet hat, zu bestimmten Zeiten nicht zu hämmern, im Falle eines Verstoßes zur Herausgabe seiner Bereicherung verhalten werden (vgl. Wilburg, 105); überholte, um ein anderes Beispiel zu bringen, ein eiliger Geschäftsmann, um einen wichtigen und gewinnversprechenden Termin nicht zu versäumen, in gefährlicher Weise einen anderen Verkehrsteilnehmer, so hätte der Gefährdete einen Anspruch auf die dadurch erzielte Bereicherung (Kleinheyer, J Z 1970, 471). Aber auch dort, wo die Kondiktion von der Eigenart des Eingriffsobjekts her gesehen an sich unproblematisch ist, beispielsweise bei der rechtswidrigen Wegnahme fremder Sachen, gibt es Fälle, wo sie dennoch nicht stattfindet, nämlich dann, wenn ein Gläubiger sich eine ihm geschuldete Leistung auf eigene Faust verschafft hat. Umgekehrt können, auch wenn man von dem in diesem Zusam-
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menhang häufig zitierten „Hausmeister-Fall" absieht, auch rechtmäßige Eingriffe zur Eingriffskondiktion führen. So handelt der Zedent, der die Leistung des Schuldners noch annimmt und damit dem Zessionar entzieht, nicht notwendig rechtswidrig (vgl. Medicus, 308). Ebenso liegt es bei amtlicher Pfändung und Verwertung schuldnerfremder Sachen oder bei im Rahmen des § 904 rechtmäßigem Eingriff (dazu Wilhelm, 94, 91). Ungeachtet fehlender Rechtswidrigkeit des „Eingriffs" findet in allen diesen Fällen die Kondiktion statt, einmal gemäß § 816 II, einmal nach § 812 I, 1. Satz, 2. Fall. Jakobs ist es in Fortentwicklung der Theorie von Schulz zwar gelungen, einige hier unerwähnt gebliebene Schwächen dieser Theorie zu überwinden (dazu Kleinheyer, J Z 1970, 471 f.). Den Umstand, daß es rechtswidrige Eingriffe gibt, die nicht zur Kondiktion führen, sowie die Möglichkeit der umgekehrten Konstellation hat jedoch auch Jakobs nicht zu erklären vermocht. Die entscheidende theoretische Schwäche seines Ansatzes besteht in der alle anderen Gesichtspunkte verdrängenden Deutung der Eingriffskondiktion als einer Sanktion für rechtswidriges Verhalten. Die darin liegende Umschreibung des Anspruchszwecks stellt eine bloße petitio principii dar, die Jakobs im übrigen selbst nicht durchhalten kann. Er erkennt nämlich an (106 f.), daß eine Eingriffskondiktion nur dann in Betracht kommt, wenn dem Verbotensein der Handlung ein Verbietungsrecht des Gläubigers entspricht. Vom Gedanken der Sanktion für widerrechtliches Handeln her gesehen leuchtet diese Einschränkung der Eingriffskondiktion nicht ein {Wilhelm, 92). Denn insofern müßte die bloße Rechtsverletzung genügen. Schließlich zwingt der für alle Fälle gleiche Wortlaut des § 812 zur Suche nach einem allen Bereicherungsansprüchen gemeinsamen Prinzip (so zutreffend Kleinheyer, a.a.O., 472), das die von vorneherein auf nur einen Kondiktionstyp beschränkte Rechtswidrigkeit des Eingriffs nun einmal nicht liefern kann (besonders instruktiv in diesem Zusammenhang auch die Kritik von Wilhelm, 77 ff.). Wenn die Rechtswidrigkeit der Handlung nicht den Grund der Bereicherungsansprüche liefern kann, so liegt es nahe, diesen in der Widerrechtlichkeit des durch den Bereicherungsvorgang geschaffenen Zustandes zu sehen. Gegen diese jüngst von 'Wilhelm
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(passim, vgl. ferner Pinger, 152 ff.) auf breiter Basis entwickelte Auffassung sind zwei grundsätzliche Einwände denkbar. Der erste ist schon von Fritz Schulz (cit. nach Wilhelm, 78 f.) formuliert worden: „Es sei", so sagt er, „ein schwerer Irrtum, Zustände, Rechte, überhaupt Erfolge von Handlungen als rechtmäßig oder rechtswidrig zu bezeichnen. Es gibt kein rechtswidriges Eigentum, es gibt nur rechtswidrige Handlungen." Diese der Imperativentheorie Kelsens verwandte Auffassung ist im bereicherungsrechtlichen Zusammenhang neuerdings von Kellmann (91 f.) wiederbelebt worden. Im Hintergrund steht die Vorstellung, daß das Recht als Ordnung menschlichen Zusammenlebens sich nur auf menschliche Handlungen beziehen könne, insbesondere, indem es solche Handlungen gebiete. Das Eigentum sei daher, ebenso wie alle anderen absoluten Rechte, als bloßes Ausschlußrecht ohne positiven Inhalt, als eine Summe von Unterlassungsansprüchen oder - was dasselbe ist - Unterlassungsgeboten zu qualifizieren. Kellmann (92) folgert: „Die Unrechtmäßigkeit des Erlangens und damit eine Voraussetzung des Bereicherungsanspruchs ergeben sich vielmehr allein aus der Verletzung der durch das Eigentumsrecht oder sonstigen Rechten statuierten Unterlassungspflichten." Eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Imperativentheorie würde hier viel zu weit führen (vgl. Medicus, 307, sowie die die neueren Entwicklungen auf diesem Gebiet behandelnde Rezensionsabhandlung von Huber, Rechtstheorie 1971, 246 ff., 252). Hervorgehoben sei lediglich, daß die unbezweifelbare Orientierung der Rechtsnorm auf menschliches Verhalten es keineswegs ausschließt, einen Zustand als „rechtswidrig" zu kennzeichnen, sofern damit die Anordnung gekoppelt wird, daß dieser Zustand zu beseitigen sei. Bereicherungsrechtlich gesehen, bleibt allerdings zu berücksichtigen, daß das „Haben" des Kondiktionsschuldners sinnvollerweise nur insofern als „rechtswidrig" etikettiert werden kann, als es das „Haben" des Berechtigten verhindert. Damit wird eine Norm vorausgesetzt, die diesem ein Recht auf solches „Haben" einräumt. Das scheint mit der Konzeption des Rechts als Verhaltensordnung zu kollidieren. In Wahrheit ist es jedoch nur eine rechts technische Frage, ob Unterlassungspflichten als solche normiert oder indirekt dadurch zum Ausdruck gebracht werden, daß einem Rechtssubjekt bestimmte Befugnisse zugewiesen werden. Solches Verfahren, dessen sich das BGB charakteristischerweise zum Beispiel bei der Umschreibung des Eigentums (§ 903) bedient, hat den Vorzug, daß es das teleologische Fundament korrespondierender Unterlassungspflichten zum Ausdruck bringt.
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Einen zweiten Einwand gegen die Erklärung der Eingriffskondiktion als Reaktion auf ungerechtfertigtes „Haben" hat Haines (57 ff.) an Hand einiger Beispiele angedeutet. „Es dürfte", so sagt er, „für den Kondiktionsanspruch wohl einen Unterschied machen, ob sich Α ein nutzbringendes Betriebsgeheimnis des Β rechtswidrig, etwa durch Bestechung verschafft oder ob es ihm der Β selbst im Vollrausch beim gemeinsamen Umtrunk ausgeplaudert hat, ob also der Vorteil durch erlaubten oder unerlaubten Wettbewerb erlangt wurde. Ist von zwei benachbarten Gasthöfen einer abgebrannt, so kann der Brandgeschädigte regelmäßig nicht den Nutzen abschöpfen, den der Konkurrent aus dem Unglück zieht; anders dürfte es jedoch sein, wenn der Konkurrent - objektiv rechtswidrig - selbst den Brand gelegt hat, da nunmehr sein Vermögensvorteil nicht schutzwürdig ist." Diese Beispiele scheinen dazu zu zwingen, der Rechtswidrigkeit der Handlung doch die entscheidende Bedeutung für die Eingriffskondiktion zuzumessen. Indessen können sie auch so gedeutet werden, daß hier das Urteil über die Rechtswidrigkeit eines Zustandes von der Art und Weise seines Zustandekommens, konkreter: davon abhängig gemacht wird, ob die Bereicherung infolge einer rechtswidrigen Handlung eingetreten ist oder nicht (ebenso implizit Esser, 365). Diese Deutung verdient den Vorzug, weil anders die beschriebenen Fälle der Eingriffskondiktion bei rechtmäßigem Eingriff zwangsläufig zu einem „gespaltenen" Widerrechtlichkeitsbegriff einschließlich der damit verbundenen Auflösung der dogmatischen Grundlagen des Bereicherungsrechts führen müßten. 3. Schädigung des Beeinträchtigten? Als allerdings noch unzureichend konturiertes Zwischenergebnis können wir festhalten, daß jedenfalls die Eingriffskondiktion auf einem „Haben" des Bereicherten beruht, das von Rechts wegen dem „Entreicherten" gebührt. Diese Formulierung erfreut sich fast allgemeiner Zustimmung (vgl. etwa Esser, 365, Larenz, 409, Fikentscher, 581 f., Medicus, 305 ff.), aber wohl nur deshalb, weil sie die entscheidende Frage noch offen läßt. Diese Frage richtet sich darauf, unter welchen Voraussetzungen das „Haben" des Bereicherten rechtswidrig ist oder anders formuliert: was dem Anspruchsprätendenten „gebührt". Im Hinblick auf den umgangssprachlichen Gehalt der gesetzlichen Formulierung („auf Kosten") liegt es zunächst nahe, die
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Antwort in der Annahme zu suchen, die Bereicherung könne deshalb herausverlangt werden, weil der Kläger infolge des Bereicherungsvorganges einen Schaden erlitten habe. In der Tat hat die Rechtsprechung bis in die jüngste Zeit wenigstens verbaliter an diesem Erfordernis festgehalten. So finden sich beispielsweise (weitere Nachweise etwa in RGR-Kommentar, 67 zu § 812) in dem berühmten Urteil RGZ 97, 310 ff., das die unbefugte Mehrbenutzung einer Gleisanlage betraf, folgende Wendungen: „Bereichert ist die Beklagte auf Kosten des Klägers insofern, als sie bei ordnungsmäßigem Vorgehen dem Kläger für die unerlaubte Mehrbenutzung eine angemessene Entschädigung hätte zahlen müssen, diese also erspart und damit zugleich dem Kläger entzogen hat" und noch in BGH, NJW 1968, 197 heißt es: „Erforderlich ist für einen Bereicherungsanspruch . . . , daß die Bereicherung des einen die unmittelbare Folge einer Vermögenseinbuße des anderen Teils ist." Liefert die Vermögenseinbuße des einen Teils den tragenden Grund der Bereicherungshaftung, so sollte man annehmen, daß die Kondiktion umfangmäßig dann auch auf jene Vermögenseinbuße zu beschränken sei. Diese Folgerung wurde zunächst noch von einigen Entscheidungen gezogen (vgl. zum Beispiel RGZ 105, 409: Der Eigentümer habe während der Dauer der Benutzung seiner Möbel durch den Nichtberechtigten diese Möbel nicht benutzen können; repräsentativ für gleichsinnige Literaturströmungen etwa Fischer, FS Zitelmann, 1913, 15 ff., umfangreiche weitere Nachweise bei Haines, 39), später aber offen aufgegeben. Der Bereicherungsanspruch solle nämlich nicht wie ein Schadenersatzanspruch „eine Verminderung im Vermögen des Benachteiligten, sondern einen grundlosen Zuwachs im Vermögen des Bereicherten ausgleichen", Schadenshöhe und Umfang der Bereicherung brauchten sich daher nicht zu decken (vgl. BGH, NJW 1968, 197; ähnliche Formulierungen etwa in BGHZ 17, 239, BGHZ 36, 233). Allerdings fragt sich, welchen Sinn das Schadenserfordernis bei dieser teleologischen Umschreibung des Bereicherungsanspruchs überhaupt noch haben soll (vgl. schon die Kritik bei Wilburg, 102 ff.), insbesondere wenn man berücksichtigt, daß der BGH dieses Erfordernis bei der Übernahme des Leistungsbegriffs der herr-
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sehenden Lehre ohne ersichtliche Skrupel aufgegeben hat. Wie mißlich sich das Schadenserfordernis in der Praxis auswirken kann, läßt sich plastisch am Beispiel des viel diskutierten Herrenreiter-Falles (BGHZ 26, 349 ff.) zeigen. Der BGH hat es abgelehnt, die Beklagte, die das Bild eines bekannten Reiters zur Reklame für ein sexuelles Kräftigungsmittel verwendet hatte, zum Schadensersatz zu verurteilen. Denn die in anderen Fällen von Immaterialgüterverletzungen sonst übliche Fiktion eines Lizenzvertrages zu verkehrsüblichen Bedingungen verbiete sich deshalb, weil damit unterstellt würde, „daß der Kläger sich für viel Geld doch freiwillig in die unwürdige Lage begeben hätte, gegen die er sich nun wehrt" (BGHZ 26, 353). Gleichzeitig glaubt der BGH aber, dem Kläger wiederum unter Berufung auf das Fehlen eines Schadens auch einen Bereicherungsanspruch versagen zu müssen und privilegiert damit in offensichtlich ungerechtfertigter Weise diejenigen, die ohne Bedenken zu einer freiwillige^ Kommerzialisierung ihrer Rechtsgüter bereit gewesen wären (Haines, 46, vgl. auch Kellmann, 81 ff.). In den Protokollen zum BGB findet sich die Bemerkung, das Merkmal „auf Kosten" umfasse auch diejenigen Fälle, in denen das Objekt der Bereicherung „ohne bereits in das Vermögen des Kondiktionsberechtigten übergegangen zu sein, doch den Vermögensstand desselben berühre" (Mugdan II, 1171). Gerade diese seine Eignung war der Grund dafür, daß die zweite Kommission die ursprünglich vorgesehene Fassung „aus dem Vermögen" durch die Worte „auf Kosten" ersetzte. Von dieser Grundhaltung her ist es jedenfalls ausgeschlossen, die Bereicherungshaftung mit dem zu begründen, was der Kläger konkret verloren hat. So gibt es denn auch zahlreiche Fälle anerkannter und restitutionspflichtiger Bereicherung, obwohl der Kläger - wirtschaftlich gesehen - keine Einbuße erlitten, mitunter sogar einen Vorteil erzielt hat. Hierher gehört etwa der Fall, „daß die unbefugte Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Werkes durch Radio, Fernsehen oder Film die weitere gewerbliche Auswertung erst ermöglicht oder doch begünstigt" (Mestmäcker,. JZ 1958, 521). In der modernen Lehrbuchliteratur, nicht allerdings in der Mehrzahl der Kommentare, ist das Erfordernis eines Schadens als Voraussetzung der
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Eingriffskondiktion denn mit Recht audi durchweg aufgegeben (vgl. Esser, 363, Fikentscher, 582 f., Larenz, 411, Medicus, 305 ff.)· „Wie bei den Leistungskondiktionen wird auch hier allein auf die Situation desjenigen abgestellt, dessen Vermögen mit fremden Mitteln gemehrt worden ist. Die Bereicherungshaftung ist eben im Gegensatz zur Schadensersatzhaftung keine Ausgleichshaftung in dem Sinne, daß eine Vermögensminderung kompensiert werden soll. Wir haben es mit Bereicherungs- und nicht mit Enireicherungsrecht zu tun" (so plastisch Esser, a.a.O.). Der BGH deutet den teleologischen Hintergrund der Kondiktionsansprüche, wie mitgeteilt, in durchaus gleicher Weise. Von ihm aus gesehen, erscheint es kaum plausibel, neben einer Bereicherung des Beklagten auch noch einen Schaden des Klägers zu verlangen. So scheint sich denn auch in der Rechtsprechung eine Wende anzubahnen. In der mittlerweile berühmt gewordenen „Flugreise-Entscheidung" (BGHZ 56, 128 ff.) hat der BGH ausdrücklich einen Schaden der klagenden Fluggesellschaft verneint, aber gleichwohl einen Bereicherungsanspruch zugesprochen. Wenngleich in den Entscheidungsgründen öfter von „Leistungen" der Klägerin die Rede ist, kam es dem Senat auf diesen Umstand offensichtlich nicht an. Denn im Sinne des auch von der Rechtsprechung akzeptierten Leistungsbegriffes der herrschenden Meinung konnte eine „Leistung" kaum angenommen werden (vgl. etwa Kellmann, NJW 1971, 863, Batsch, NJW 1972, 613, FN 13). 4. Die Lehre vom Zuweisungsgehalt a) Impliziert „auf Kosten" also keinen Schaden des Bereicherungsklägers, läßt sich aus diesem Kriterium mithin nicht ableiten, unter welchen Voraussetzungen die Bereicherung des Beklagten dem Kläger „gebührt", so fragt sich immer noch, welches Kriterium denn dann das maßgebliche sei. Die heute noch herrschende Lehre (vgl. Esser, 363, 365, Larenz, 409 f., Fikentscher, 581 f., Medicus, 307 f.) beantwortet diese Frage in Anknüpfung an Wilburg (25 ff.) und von Caemmerer (229 ff.) dahingehend, es komme darauf an, ob das „Haben" des Bereicherungssdiuldners im Widerspruch zum Zuweisungsgehalt eines Rechts des Gläubigers stehe (kritisch etwa Jakobs, 23 ff., Batsch, 71 ff., Kellmann, 90 ff., Kleinheyer, JZ 1970, 472 f.,
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Haines, 68 ff., Wilhelm, 88 ff.). In der repräsentativen Formulierung Essers (363) besagt das Merkmal „auf dessen Kosten" demnach lediglich, daß es sich bei dem Erlangten um einen Vorteil handeln muß, der dem Bereicherten objektiv nicht gebührt, d. h. unter Einbruch in eine fremde geschützte Rechtssphäre erzielt worden ist. b) Zuweisungsgehalt soll nach gängiger Auffassung jedenfalls nur absoluten Rechten zukommen. Denn es sei gerade das Wesen solcher Rechte, daß sie dem Inhaber bestimmte Güter und deren Nutzen zuwiesen. Indes erklärt das Gesetz selbst in Gestalt des § 816 II den „Eingriff" in ein relatives Recht für tatbestandsmäßig. Es ist audi nicht einzusehen, warum es für den Bereicherungsanspruch des Α gegen B, beispielsweise wegen Verletzung eines rechtsgültig vereinbarten Wettbewerbsverbotes, darauf ankommen soll, ob Α auch Bereicherungsansprüche gegen weitere Personen zustehen (Kellmann, 95 ff.). Mieter oder Pächter sollten auch bereicherungsrechtlich gegen Eingriffe Dritter geschützt werden. Denn sie sind in solchen Fällen die eigentlich Betroffenen (praktische Erwägungen dazu bei Kellmann, 89, vertiefend Kurz, 42 ff.). In dem in BGH, N J W 1967, 622 entschiedenen Fall hatte sich ein Grundstückseigentümer seinem Nachbarn gegenüber zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit verpflichtet, das Grundstück jedoch verkauft, bevor es zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit kam. Der Nachbar verlangte die Herausgabe des Mehrerlöses, den der Beklagte infolge der Lastenfreiheit des Grundstücks erzielt hatte. Der BGH wies die auf § 812 gestützte Klage zwar ab, aber nur, weil es an einer unmittelbaren Vermögensverschiebung fehle. In R G Z 135, 94 (vgl. auch RG, JW 1938, 3040) stand dem Kläger als Pächter eine Kohlenabbaugerechtigkeit bis zur ewigen Teufe zu. Ein Flöz, der so tief lag, daß er nur vom Nachbarwerk aus zugänglich war, wurde von diesem her abgebaut. Die Klägerin drang mit einem auf Erstattung des Wertes der Ausbeute gerichteten Bereicherungsanspruch durch (vgl. von Caemmerer, 235). Beide Entscheidungen erkennen damit zutreffend an, daß auch die Verletzung relativer Rechte zur Eingriffskondiktion führen kann.
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c) Auffällig ist der von mehreren Kritikern hervorgehobene Umstand, daß unter den Vertretern der Lehre vom Zuweisungsgehalt sowohl hinsichtlich der Rechtsfolgen (teilweise wird die Bereicherungsschuld auf den objektiven Wert der jeweiligen Inanspruchnahme fremden Rechtsguts, teilweise auf den „Eingriffsgewinn" bezogen) als auch hinsichtlich der Abgrenzung von Rechten mit Zuweisungsgehalt eine schier unübersehbare Meinungsvielfalt herrscht. Das ist insbesondere bei den Persönlichkeitsrechten, beim „Recht" am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, hinsichtlich des Rechts aus der Marke und im Zusammenhang von Verstößen gegen das UWG der Fall (ausführliche Nachweise bei Haines, 85 f.)· Man hat deshalb den Zuweisungsgehalt als Leerformel, als Zauberwort bezeichnet, „mit dem sich alles und deshalb nichts begründen läßt" (Jakobs, 104, ähnlich Kleinbeyer, J Z 1970, 472 f.). Uns scheint, daß diese Kritik übertrieben ist. Denn es ist abgesehen von den Vertretern der Rechtswidrigkeitstheorie unstreitig, daß die Eingriffskondiktion deshalb stattfindet, weil das, worauf sie sich bezieht, dem Kläger gebührt. Der Gehalt des Ausdrucks „Zuweisung" läßt sich zwanglos so fassen, daß er nichts zum Ausdruck bringt als eben dies. Die entscheidende Frage, wann und in welcher Weise von „Zuweisung" in diesem Sinne die Rede sein kann, ist damit allerdings immer noch offen. d) Bei der Beantwortung dieser Frage liegt es nahe, die Erfüllung des Merkmals „auf Kosten" im Prinzip davon abhängig zu machen, ob dem Anspruchsprätendenten ein Unterlassungsanspruch zustand. Denn in aller Regel wird es so sein, daß von einer kondiktionswürdigen Inanspruchnahme fremder Befugnisse nur dann die Rede sein kann, wenn dem Berechtigten die Möglichkeit offensteht, derartiges zu unterbinden. Umgekehrt formuliert: Bei Fehlen einer solchen Möglichkeit, bei Rechtmäßigkeit des Eingriffs also, ist in der Regel davon auszugehen, daß der Eingreifer das Erlangte endgültig behalten darf (vgl. Wilhelm, 92). Freilich liegt auf der Hand, daß auch der Unterlassungsanspruch allein nicht genügen kann, um im Fall von Verstößen zu begründen, daß etwas „auf Kosten" des Anspruchsinhabers
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erlangt wurde. Anderenfalls hätte der durch einen eiligen Geschäftsmann gefährdete Verkehrsteilnehmer wiederum einen Anspruch auf Herausgabe der infolge der Verkehrsgefährdung eingetretenen Bereicherung, der Komponist könnte verlangen, was der vertragswidrig hämmernde Schmied erlangt hat. Haines (89 ff.) hat an Hand einer bereicherungsrechtlichen Analyse der durch das W Z G und das UWG gewährleisteten Positionen in unseres Erachtens überzeugender Weise vorgeschlagen, das demnach erforderliche zusätzliche Merkmal darin zu suchen, ob die jeweils verletzte Norm den Schutz konkreter Einzelner oder den der Allgemeinheit bezwecke. Sicheres Indiz für den Normzweck sei dabei stets die „Möglichkeit wirksamer Einwilligung oder Duldung durch den Betroffenen, da ein konsequenter Schutz von Interessen der Allgemeinheit nicht von der Entscheidung eines einzelnen abhängen könnte und es andererseits keinen wirklichen Individualschutz gegen den Willen des Berechtigten gibt" (Haines, 95). Charakteristikum der kondiktionswürdigen Fälle sei - anders ausgedrückt - das Rechtsschutzmonopol, die Dispositionsmöglichkeiten eines einzelnen über den Rechtsschutz; nur dadurch werde ein Gut zum Individual-Rechtsgut, nur dadurch werde im einzelnen die beliebige Nutzung einer Rechtsposition vorbehalten (Haines, 101 f.). Diese Umschreibung des Anknüpfungstatbestandes der Eingriffskondiktion hat den Vorzug, daß sie einsichtig macht, in welchen Fällen sinnvollerweise nicht davon die Rede sein kann, daß eine Bereicherung „auf Kosten" des Beeinträchtigten erlangt wurde, daß sie diesem „gebührt". Allerdings weist auch dieser Ansatz noch eine offene Flanke auf. Sie läßt sich wiederum plastisch am Beispiel des Schmiedes demonstrieren, der sich dem benachbarten Komponisten gegenüber wirksam verpflichtet hat, zu bestimmten Tageszeiten nicht zu hämmern. Hier steht dem Komponisten Unterlassungsanspruch und Rechtsschutzmonopol offensichtlich zu. Dennoch hat noch niemand behauptet, diesem sei bei Vertragsverstößen des Schmieds dessen „Eingriffsgewinn" auszufolgen. In der Tat liegt auf der Hand, daß solcher Erwerb nicht „aus dem Vermögen" des Komponisten erfolgt, aber auch dessen „Vermögensstand" wird
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allenfalls insofern „berührt" (vgl; Mugdan II, 1171), als seine eigene Tätigkeit beeinträchtigt wird. Der Schmied - und darin liegt der Unterschied zu den anerkannten Fällen der Eingriffskondiktion - komponiert nicht, indem er einen seinem Nachbarn im übrigen gar nicht vorbehaltenen Tätigkeitsbereich in Anspruch nimmt, sondern er hämmert. Versucht man, das hinter diesen einzelfallbezogenen Überlegungen steckende bereicherungsrechtliche Prinzip aufzuspüren, so kommt die Beschränkung der Eingriffskondiktion auf absolute Rechte, wie bereits gezeigt, jedenfalls nicht in Betracht. Auch die in der Literatur verschiedentlich vorgeschlagene Unterscheidung zwischen Rechten mit Zuweisungsgehalt und bloßen Ausschlußrechten (repräsentativ Raiser, JZ 1961, 468) führt nicht weiter. Wenn es überhaupt Rechte mit Zuweisungsgehalt gibt (dagegen im bereicherungsrechtlichen Zusammenhang Kellmann, 90 ff.), so haben alle Rechte einen solchen. Denn die gegenteilige Behauptung impliziert, „daß die Rechtsordnung einem Privaten ein Recht nicht zum Schutz seiner Interessen, sondern nur zu dem Zweck verleihen könne, daß er andere in ihrem Verhalten beschränke" (Wilhelm, 95, vgl. auch Haines, 73 ff.). Eher erwägenswert erscheint es, darauf abzustellen, ob der Zweck der verletzten Rechtsnorm darin besteht, dem Begünstigten die Disposition über Vermögensvorteile oder über Persönlichkeitsgüter vorzubehalten (so Esser, 365, Medicus, 287, implizit Larenz, 410, ebenso im Ergebnis auch die Rechtsprechung). Aber auch von diesem Ansatz aus läßt sich nicht erklären, wieso dem Komponisten in dem erwähnten Beispiel die Eingriffskondiktion versagt bleibt. Denn das „Hämmerverbot" in diesem Beispiel kann ja durchaus den Zweck haben, dem Begünstigten eine ungestörte Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Darüber hinaus ist nicht einzusehen, warum die Eingriffskondiktion auf Rechte mit vermögensrechtlicher Finalität beschränkt werden sollte (Haines, 105 ff., Kleinheyer, JZ 1970, 473, Kellmann, 114). Auch die Rechte an der eigenen Intimsphäre und an der eigenen Ehre lassen sich unter Billigung der Rechtsordnung lukrativ verwerten; es ist mit anderen Worten faktisch möglich und rechtlich zulässig, wenn der Inhaber bei
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seinen Dispositionen auch den Preis berücksichtigt, den er für die Duldung eines Eingriffs bekommt. Unter diesen Umständen liefe es auf eine durch nichts zu rechtfertigende Privilegierung des Eingreifers hinaus, wenn ihm unter Berufung auf die hohe ethische Bedeutung des verletzten Rechts die Herausgabe seiner sicher nicht schutzwürdigen Bereicherung erspart bliebe. Eine Formel, die soweit wir sehen, allen Einwänden - einschließlich des Schmied-Beispiels - gerecht wird, liefert die Begründung der Eingriffskondiktion mit der Inanspruchnahme fremden Rechtsguts (so Kleinheyer, JZ 1970, 474, ähnlich Kellmann, 110 ff.). Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß nicht die Verletzung fremder Rechte, sondern die Inanspruchnahme fremder Befugnisse das bereicherungsrechtlich Entscheidende darstellt. Obwohl der Schmied die vertraglich zugesicherte Ruhe des Komponisten stört, haftet er bereicherungsrechtlich dennoch nicht, weil von einer „Inanspruchnahme" dieser Ruhe, ihrem Ausnutzen, nicht die Rede sein kann. e) Kein Ausnutzen einer fremden Befugnis liegt vor, wenn der Betroffene die in Frage stehende Handlung wegen Gesetzesoder Sittenwidrigkeit selbst nicht hätte vornehmen dürfen {Haines, 104, 106, Wilhelm, 96, Kleinheyer, JZ 1970, 476). So liegt es zum Beispiel bei täuschender Verwendung eines fremden Warenzeichens. Auch im Falle unberechtigter Untervermietung kann der Vermieter den Untermietzins nicht mit der Eingriffskondiktion liquidieren. Denn er hätte dem Untermieter in rechtlich einwandfreier Weise auch selbst nicht den Besitz der Mietsache verschaffen können (im Ergebnis zutreffend BGH, NJW 1964, 1853; vgl. auch Söllner, JuS 1967, 449 ff. m.w.N). Der Grund für den Ausschluß der Eingriffskondiktion in diesen Fällen liegt einerseits in der im § 817 für die Leistungskondiktion enthaltenen Parallelwertung, andererseits darin, daß hier nicht behauptet werden kann, dem Inhaber des verletzten Rechts „gebühre" die Bereicherung, diese sei auf „seine Kosten" erlangt. f) Es gibt Beispiele der Eingriffskondiktion, wo dem Gläubiger gegenüber dem „Eingreifer", wie im Falle des § 904, 2. Satz, kein Unterlassungsanspruch zusteht. In diesem wie in anderen vergleichbaren Fällen handelt es sich um Situationen, wo eine
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rechtlich an sich anerkannte Befugnis des Beeinträchtigten in Verfolgung höher bewerteter Interessen ausnahmsweise außer Kraft gesetzt wird. Infolgedessen lassen sich diese Fälle ohne weiteres mit der hier vorgeschlagenen Deutung des Merkmals „auf Kosten" vom Vorhandensein eines Unterlassungsanspruches her vereinbaren. Nur muß man sich klar machen, daß auch ein „an sich" gegebener Anspruch dieser Art genügt. Liegt eine solche Situation vor, so ist damit nur entschieden, daß der in Anspruch genommene etwas „auf Kosten" des Klägers erlangt hat. Ob er es tatsächlich herausgeben muß, hängt vom . Vorliegen oder Fehlen eines „rechtlichen Grundes" ab. Das wiederum ist eine Frage der Auslegung der den Eingriff rechtfertigenden Norm (vgl. unten, S. 101 f.).
5. Vermögensverschiebung, Einheitlichkeit des BereicherungsVorganges? a) Für die Leistungskondiktion ist das Erfordernis einer Vermögensverschiebung - wie berichtet (vgl. oben, S. 29 f.) - nunmehr auch von der Rechtsprechung aufgegeben worden. Für die Eingriffskondiktion ist der Meinungsstand jedoch noch uneinheitlicher. Die Rechtsprechung hält im Ergebnis nach wie vor an diesem Erfordernis fest (vgl. etwa BGH, NJW 1968, 197, BGHZ 36, 233, weitere Nachweise im RGR-Kommentar, 53 zu § 812). In der Lehrbuchliteratur sind Latenz (411), Esser (364), Fikentscher (581 f.) gegenteiliger Ansicht. Dieser letzteren Ansicht ist zuzustimmen. In vielen Fällen der Eingriffskondiktion „erlangt" der Bereicherte nicht etwas, von dem sich sagen ließe, daß es vorher Bestandteil des Vermögens des Beeinträchtigten war. Das ist beispielsweise beim Gebrauch einer fremden Sache der Fall. Es führt nicht weiter, darauf abzustellen, daß jedenfalls die Gebiauchsmöglicbkeit Vermögensbestandteil des Rechtsinhabers war. Denn diese Möglichkeit kann mangels irgendeiner rechtlichen Zuordnung nicht als Vermögensbestandteil des Bereicherten bezeichnet werden. Andernfalls müßte der Passant, der zufällig in der Nähe eines Obstbaumes oder eines unabgeschlossenen Fahrrads vorbeikommt, als „bereichert" angesehen werden (Haines, 40 f.). Auch andere Versuche, das, was der Bereicherte erlangt hat, in irgendeiner Weise als aus dem Ver-
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mögen des Klägers stammend nachzuweisen, sind, wie insbesondere Haines (35 ff.) überzeugend nachgewiesen hat, gescheitert. Zwar hat sich Wilhelm in Anknüpfung an Savigny jüngst auf breiter Basis um eine Wiederbelebung dieses Gedankens bemüht. Indem er aber zugibt, daß das Erfordernis der Bereicherung aus dem Vermögen eines anderen „bei vorsichtig ausdehnender Auslegung im Einzelfall (!) auch durch eine Bereicherung mittels fremden Vermögens erfüllt sein kann" (56) enthüllt er selbst die Wertlosigkeit des Vermögensverschiebungsdenkens. b) Die Frage nach der Notwendigkeit einer Vermögensverschiebung wird in aller Regel im Zusammenhang damit behandelt, ob diese „unmittelbar" sein müsse. Faßt man das Unmittelbarkeitskriterium jedoch so, daß es die Einheitlichkeit des Beeinträchtigung und Bereicherung begründenden Vorgangs bezeichnet (Nachweise bei Haines, 44), so löst man es in Wahrheit von dem Erfordernis einer Vermögensverschiebung einschließlich der diesem Pseudomerkmal anhaftenden Mängel. Indes hat Haines (45) gezeigt, daß das Unmittelbarkeitskriterium auch in dieser Umschreibung die ihm zugedachten Aufgaben nicht lösen kann. Diese Aufgaben sind zweifacher Art. Einmal geht es darum, Dritte, in deren Vermögen sich der ungerechtfertigt erlangte Vorteil durch Rechtsgeschäft infolge Verwendung des ursprünglich Bereicherten oder auf andere Weise „verlagert" hat, dagegen zu schützen, daß sie von dem ursprünglich Berechtigten in Anspruch genommen werden. Daß solcher Schutz grundsätzlich notwendig ist, ergibt sich aus der Ablehnung der gemeinrechtlichen Versionsklage durch das BGB. Indessen bedarf es zu dessen Realisierung des Kriteriums „Unmittelbarkeit" keineswegs. Ist einmal ein Bereicherungsanspruch entstanden, so ergibt sich schon aus den §§ 822, 816 I, 2. Satz, daß nicht unter diese Bestimmungen fallende „Verlagerungsvorgänge" dem alten keine neuen Bereicherungsschuldner an die Seite stellen. Eine Ausnahme von dem damit umschriebenen Prinzip ist hier allerdings zu erwähnen und zu erklären. Der Dieb, der gestohlenes Baumaterial in das Haus eines Dritten einbaut, war neben der Vindikation auch der Kondiktion des
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Eigentümers ausgesetzt. Dennoch ist fast unstreitig, daß die Kondiktion auch gegen den Hauseigentümer durchgreift. Der Grund dafür liegt darin, daß dieser bei einem Erwerb außerhalb der §§946 ff. wegen §935 auch der Vindikation ausgesetzt gewesen wäre. Unter den Voraussetzungen des § 935 bewertet das Gesetz die Interessen desjenigen, der sein Eigentum verloren hat, eben höher als die auch des gutgläubigen Empfängers. Dieselben verkehrsschutzorientierten Zielsetzungen, die den Gutglaubensvorschriften der §§ 932 ff. zugrunde liegen, tragen auch die Ablehnung der Versionsklage. Jedenfalls wäre es nicht plausibel, das zuletzt genannte Prinzip auch dort noch aufrechtzuerhalten, wo Gutglaubensschutz versagt. Insofern läßt sich die im § 935 angelegte Wertung als eine Erweiterung der im Bereicherungsrecht selbst (§§ 816 I, 2. Satz, 822) vorgesehenen Fälle des „Durchgriffs" auf Drittbereicherte deuten. Auch hier ist es also überflüssig, ja sogar irreführend zu sagen, der Hauseigentümer hafte deshalb, weil Erwerb und Verlust des Eigentums sich uno actu, also unmittelbar realisiert hätten. Das zweite der mit dem Unmittelbarkeitserfordernis angeblich lösbaren Probleme bezieht sich auf Fälle, in denen eine ungerechtfertigte Bereicherung auch Dritte, beispielsweise Angehörige oder Gläubiger des Bereicherten, begünstigt. Indessen tritt die „Bereicherung" solcher Dritter unter Umständen ebenso unmittelbar" ein wie die des Primärbegünstigten selbst. Der gleichwohl erforderliche Ausschluß der Kondiktion gegen nur reflexartig begünstigte Dritte rechtfertigt sich unseres Erachtens aus der einfachen Erwägung, daß es an einem sachlichen Grund dafür fehlt, dem Gläubiger den Zugriff auf andere als den Primärbegünstigten zu eröffnen und ihm damit zusätzliche Schuldner an die Hand zu geben. Positivrechtlich läßt sich dasselbe Ergebnis auch aus § 822 herleiten: „Reflexbereicherung" setzt eine „Primärbereicherung" faktisch voraus; wo diese vorliegt, haftet aber nicht einmal der Beschenkte {Esser, 380). Insgesamt ist also festzuhalten, daß die Eingriffskondiktion weder von Vermögensverschiebung noch Unmittelbarkeit des Bereicherungsvorganges abhängt. 7 Koppensteiner/Kramer, Bcrcidiemng
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6. Einzelergebnisse Es mag nützlich sein, die wichtigsten Einzelergebnisse, die aus dem hier befürworteten Verständnis des Merkmals „auf Kosten" resultieren, noch einmal mit repräsentativen modernen Tendenzen auf diesem Gebiet zu konfrontieren. Kein Streit besteht zunächst im Hinblick auf das Eigentum, beschränkt dingliche Rechte und das Urheberrecht (vgl. jetzt § 97 UrhG). Auch hinsichtlich der Bewertung von Patent- und Gebrauchsmusterrechten als möglichen Anknüpfungen der Eingriffskondiktion befinden wir uns im Einklang mit der herrschenden Meinung, die es allerdings zu Unrecht ablehnt, auch Warenzeichen kondiktionsrechtlich zu schützen (vgl. etwa Esser, 365 unter Berufung auf Mestmäcker, JZ 1958, 526, anders jetzt Fikentscher, 582). Die Rechtsprechung lehnt Bereicherungsansprüche in diesem ganzen Bereich verbaliter ab, billigt sie bei zumindest fahrlässigem Eingriff über die sogenannte dreifache Schadensberechnungsmethode (zur Unhaltbarkeit dieser Methode etwa Haines, 4 ff., Jakobs, 81 ff., Keitmann, 17 ff.) im Ergebnis dennoch zu (vgl. etwa BGHZ 34, 320, BGHZ 44, 372, BGH, GRUR 1962, 401). Verletzungen von Persönlichkeitsrechten (etwa Verstöße gegen § 300 StGB) werden von Rechtsprechung und überwiegender Lehre für bereicherungsirrelevant gehalten (Esser, 365, Medicus, 287), während wir das Gegenteil annehmen. Ebenso steht es, sofern man es anerkennt, mit dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (ebenso Kleinhey er, JZ 1970, 476). Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung zum Beispiel führt also, wenn sie erfolgreich ist, zur Eingriffskondiktion. Was Verstöße gegen das UWG angeht, so kommt es, wie vor allem Haines (93 ff.) herausgearbeitet hat, darauf an, ob die verletzte Norm auf den Schutz konkreter einzelner oder der Allgemeinheit zielt. Ersteres ist etwa im Zusammenhang der §§ 14 ff., aber auch bei Verstößen gegen das aus § 1 UWG abzuleitende Verbot sklavischer Nachahmung der Fall. Der BGH hat in einem solchen Fall unlängst in der Tat einen Anspruch auf „angemessene Lizenzgebühr" eingeräumt (BGH, NJW 1972, 102), allerdings auf auch hier brüchiger schadenersatzrechtlicher Grundlage (vgl. Haines, NJW 1972, 482 f.). Fikentscher, 582 und Esser, 365
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lehnen Bereicherungsansprüche in diesem Bereich aus prinzipiellen Gründen ab. IL Bereicherung „ohne rechtlichen Grund" bei der Eingriffskondiktion 1. Ausgangslage Nach herrschender Meinung bedeutet das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund" für die Eingriffskondiktion etwas prinzipiell anderes als für die Leistungskondiktion. Während für letztere Kondiktionsart die ältere Umschreibung jenes Merkmals als „Mangel der schuldrechtlichen Unterlage" der Bereicherung wohl überwiegend anerkannt würde, soll das Fehlen des rechtlichen Grundes im Rahmen der Eingriffskondiktion auf den Widerspruch der Bereicherung zur Güterordnung, auf ihre Unvereinbarkeit mit dem Zuweisungsgehalt eines Rechts beruhen. Oben wurde schon dargelegt, daß für diese Betrachtungsweise, die einen klaren Tatbestandsaufbau verhindert (vgl. ζ. B. Larenz, 409 f., wo dasselbe Kriterium sowohl zur Ausfüllung des „auf Kosten" als auch des „ohne rechtlichen Grund" herangezogen wird) und die Verbindungsstränge zwischen Eingriffsund Leistungskondiktion überflüssigerweise zerschneidet, keine überzeugenden Gründe ersichtlich sind. Vielmehr geht es auch bei der Eingriffskondiktion darum, an Hand der Gesamtrechtsordnung, insbesondere der schuldrechtlichen Beziehungen zwischen Bereicherungskläger und -beklagten, zu prüfen, ob ein mittels Inanspruchnahme fremden Rechtsguts, d. h. „auf Kosten" eines anderen erlangter Vorteil sich nicht aus irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt zu Recht in den Händen des Bereicherten befindet. 2. Schuldrechtliche Sonderverbindungen Als derartige Gesichtspunkte kommen zunächst - wie schon angedeutet - schuldrechtliche Sonderverbindungen zwischen den Beteiligten in Betracht. a) Diese können so beschaffen sein, daß der Beeinträchtigte dem Bereicherten gegenüber verpflichtet war, das, was ihm durch „Eingriff" weggenommen wurde, zu leisten. Wenn Α dem
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Β eine Hauswand zu Reklamezwecken vermietet hat, sich dann aber weigert, dieser Verpflichtung nachzukommen, so ist Β zwar „auf Kosten", aber nicht ungerechtfertigt bereichert, wenn er die Wand im Rahmen des vertraglich Zugesagten eigenmächtig nutzt. Ebenso liegt es, wenn jemand sich den Besitz an einer ihm verkauften Sache auf eigene Faust verschafft oder eine Erfindung, für die ihm eine Lizenz ab einem bestimmten Zeitpunkt versprochen wurde, ab dem Stichtag auch dann nutzt, wenn der Patentinhaber, ohne die Lizenz einzuräumen, vorher auf unbestimmte Zeit verreist ist. b) Eine die Bereicherung rechtfertigende schuldrechtliche „Unterlage" kann auch in der Form in Erscheinung treten, daß der Berechtigte dem „Eingriff" zustimmt. Tut er dies vor Inanspruchnahme seines Rechtsguts, wird freilich in aller Regel eine Leistung anzunehmen sein, die bei Mängeln der Einwilligung zur Leistungskondiktion führt. Hier kann es demzufolge nur um nachträgliche Zustimmung gehen. Auch sie beseitigt nicht den Tatbestand der Bereicherung „auf Kosten" eines anderen, legitimiert den Begünstigten aber unter Umständen zum Behaltendürfen der Bereicherung. Ob das der Fall ist, muß mittels Auslegung der Zustimmungserklärung geklärt werden. Häufig wird es so sein, daß derjenige, der sich nachträglich mit der Inanspruchnahme seines Rechtsguts einverstanden erklärt, damit gleichzeitig kundtut, der Begünstigte solle die wirtschaftlichen Vorteile solcher Inanspruchnahme nicht abgelten müssen. So liegt es zum Beispiel, wenn ein Sohn während der Abwesenheit seines Vaters dessen Auto benützt und der Vater sich hinterher auf die Ermahnung beschränkt, so etwas solle aber nicht wieder vorkommen. Anders dürfte die Rechtslage aber etwa in dem Fall sein, daß jemand den Wagen seines Nachbarn „ausleiht", um seine plötzlich erkrankte Frau in die Klinik zu schaffen. Angesichts solcher Umstände würden die meisten gegen die Benutzung des Wagens selbst nichts einzuwenden haben. Das impliziert aber keineswegs den Willen, dem Begünstigten auch den wirtschaftlichen Gegenwert der Benutzung zukommen zu lassen. Ergibt die Auslegung der Zustimmungserklärung, daß der Beeinträchtigte außer mit dem Eingriff selbst auch mit der unentgelt-
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lichen Inanspruchnahme seines Rechtsguts einverstanden ist, so entfällt die Kondiktion, sofern (was regelmäßig der Fall sein wird) infolge Annahme des Berechtigten eine Schenkungsabrede zustandekommt. In rechtskonstruktiver Hinsicht stellt sich die Frage, ob die Schenkungsabrede den „Rechtsgrund" im Sinne des § 812 liefert oder ob ein Erlaß (§ 397) des Anspruches aus ungerechtfertigter Bereicherung anzunehmen ist. Letzterer Alternative ist der Vorzug zu geben. Andernfalls müßte für die Zeit zwischen Eingriff und Äußerung des Beeinträchtigten angenommen werden, daß der Bereicherungsanspruch noch gar nicht entstanden ist. Außerdem käme man zu einer sachlich inadäquaten Verteilung von Behauptungs- und Beweislast.
3. Rechtsgrund kraft Gesetzes Ein rechtlicher Grund für das Behaltendürfen des ohne Willen des Beeinträchtigten Erlangten kann sich auch aus dem Gesetz selbst ergeben (vgl. Palandt/Thomas, 6 Β c zu § 812). So ist immer dann, wenn ein Rechtsübergang kraft Gesetzes stattfindet, zu prüfen, ob die dadurch geschaffene Lage endgültig sein soll oder nicht. Diese Frage wird ausdrücklich zum Beispiel für die §§946 ff. und 973 ff. (negativ) sowie §910 (positiv) entschieden. Im Wege der Auslegung ergibt sich, daß derjenige, der sein Eigentum infolge Verfügung eines Nichtberechtigten und guten Glaubens des Verfügungsempfängers verliert, von diesem nicht kondizieren kann. Ebenso steht es zum Beispiel mit den vom gutgläubigen Eigenbesitzer gezogenen Früchten (§955), wobei allerdings die §§987 ff. zu beachten sind. Auch in Fällen erlaubten Eingriffs in fremde Rechte ohne Rechtsübergang ist an Hand der den Eingriff gestattenden Norm zu prüfen, wem der Eingriffserfolg letzten Endes zustehen soll (vgl. Wilhelm, 90 ff.). Im Fall des § 23 KunstUrhG, der ausnahmsweise Eingriff in das Recht am eigenen Bild gestattet, ist dies nach allgemeiner Ansicht der „Eingreifer". Ebenso begründet die ordnungsmäßige Liquidation einer juristischen Person nach Ablauf des Sperrjahres einen „rechtlichen Grund" für die vorgenommene Verteilung gegenüber verspäteten Gläubigern (RGZ 124, 210, BGHZ 43, 51). Ein Gegenbeispiel liefert die im Rahmen des § 904 rechtmäßige Inanspruchnahme fremder Sachen. Vom Normzweck dieser Be-
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Stimmung her gesehen, nämlich die Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr zu ermöglichen, wird zwar der Eingriff legitimiert, nicht aber das Behalten der Bereicherung. III. Die Sonderregelung des § 816 1. Ubersicht Verliert jemand infolge Verfügung eines Nichtberechtigten sein Eigentum, so ist der Verfügungsempfänger ganz sicher „auf Kosten" des ehemaligen Eigentümers, diesem gegenüber aber auch „ohne Rechtsgrund" bereichert. Dasselbe trifft für den Verfügenden hinsichtlich der Gegenleistung zu, die er als Äquivalenz seiner Verfügung erhält. Auf der Grundlage des § 812 würde dem Exeigentümer die Eingriffskondiktion also sowohl gegenüber dem Verfügenden als auch gegenüber dem Verfügungsempfänger zustehen. Deren Verhältnis zum Gläubiger und untereinander hätte sich nach den Regeln über die Gesamtschuld zu richten. Demgegenüber sieht § 816 I im Fall entgeltlicher Veräußerung nur die Kondiktion gegen den Verfügenden, im Fall unentgeltlicher Eigentumsübertragung nur einen Bereicherungsanspruch gegen den Empfänger vor. Die Erklärung dieser Sonderregelung mit der Durchbrechung des Unmittelbarkeitserfordernisses (vgl. etwa RGR-Kommentar, 1 zu § 816 mit weiteren Nachweisen) ist gegenstandslos, wenn auch § 812, wovon auszugehen ist (vgl. oben, S. 95 ff.), nichts derartiges voraussetzt. Auch die Interessen des Erwerbers liefern keine von vorneherein evidente Erklärung. Denn im Unterschied zu der durch die §§ 932 ff. ausgeschlossenen Vindikation des Exeigentümers könnte dessen auf Rückübertragung des Eigentums gerichteten Bereicherungsanspruch der an den Verfügenden bezahlte Kaufpreis entgegengehalten werden (§ 818 III). Andererseits kollidiert audi eine Lösung, die entgeltlich-gutgläubigen Erwerb endgültig stabilisiert, mit keiner anderswo anerkannten Wertung unseres Zivilrechts. Gegenüber der Alternative des § 812 hat sie außerdem den Vorzug einer erheblichen Vereinfachung des Abwicklungsverfahrens. In der über den Ausschluß der Kondiktion gegen den gutgläubig-entgeltlichen Erwerber bewirkten Verstärkung des Gutglaubensschutzes einerseits, in der
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Rationalisierung des Bereicherungsausgleichs für eine wichtige Fallgruppe andererseits wird man also den Sinn des § 816 I zu suchen haben (ähnlich Esser, 367). § 816 II bezieht sich ebenfalls auf einen Spezialfall der Eingriffskondiktion. Im Unterschied zu § 816 I befindet sich hier der Leistungsempfänger in der Rolle des Nichtberechtigten. Er muß das Erhaltene dem Berechtigten herausgeben, sofern dieser infolge der Leistung seinen eigenen Anspruch eingebüßt hat. M i t Esser (375) und Kornblum,
JZ 1965, 202 meinen wir,
daß § 816 II neben § 812 überflüssig ist (anders Hadding, JZ 1966, 222). Die Frage ist allerdings praktisch bedeutungslos und braucht daher nicht vertieft werden. 2. Entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten a) Für den Anspruch aus § 816 I, 1. Satz wird vorausgesetzt, daß ein „Nichtberechtigter" über einen Gegenstand eine „Verfügung" trifft, die dem „Berechtigten" gegenüber wirksam ist. Unter Verfügungen werden alle Rechtsgeschäfte verstanden, die eine unmittelbare Rechtsänderung zur Folge haben, also zum Beispiel Übertragen von Eigentum, Pfandrechtsbestellung usw. Nichtberechtigt im Sinne des Gesetzes ist der Verfügende dann, wenn er die Rechtsposition, die derartige Verfügungen legitimiert, nicht innehat, also zum Beispiel Eigentum überträgt, obwohl er selbst nicht Eigentümer ist. Im Fall der Verkaufskommission über einen dem Kommittenten nicht gehörenden Gegenstand ist dies der Kommissionär, nicht der Kommittent (vgl. BGHZ 47, 128). Der Gerichtsvollzieher, der schuldnerfremde Sachen pfändet und versteigert, fällt nach heute herrschender Meinung (vgl. etwa BGHZ 32,245 f., Esser, 368) nicht unter diesen Begriff des „Nichtberechtigten", denn er ist durch die Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts gedeckt. Das schließt nicht aus, daß der Vollstreckungsgläubiger den Versteigerungserlös über eine Eingriffskondiktion gemäß § 812 an denjenigen herausgeben muß, der eine Sache verloren hat. Wirksamkeit der Verfügung im Verhältnis zum Berechtigten setzt zunächst voraus, daß diese zwischen den Partnern des Verfügungsgeschäftes wirksam ist. Ist zum Beispiel die Einigung im Zusammenhang der Übertragung von Eigentum nich-
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tig oder wirksam angefochten, so tritt auch bei Gutgläubigkeit des Käufers keine Änderung der dinglichen Rechtslage ein. Ist das Verfügungsgeschäft dagegen in Ordnung, so tritt die von § 816 1,1. Satz vorausgesetzte Wirkung gegenüber dem Berechtigten doch nur unter der zusätzlichen Voraussetzung ein, daß der Erwerber gutgläubig ist (vgl. in diesem Zusammenhang etwa die §§932 ff., 1032, 1207, 892 f., 1138, 1155 ff., 1196, 1200, 2366 ff.; ferner: §§ 366 HGB, Art. 16 WG, 21 ScheckG, §§ 325 II, 898 ZPO, 7 KO). b) Liegt eine wirksame Verfügung in diesem Sinne nicht vor, so kann sich der Berechtigte an den Erwerber halten, während der Anspruch gegen den „Verfügenden" aus § 816 I, 1. Satz an sich nicht gegeben ist. Nun kommt es nicht selten vor, daß der Erwerber der Sache nicht mehr zu ermitteln ist, daß die Sache selbst an Wert verloren hat oder die Durchsetzung des Anspruchs gegen den Erwerber aus anderen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich oder jedenfalls zweifelhaft ist. In diesen Fällen hat der Berechtigte ein evidentes Interesse daran, sich an den Verfügenden zu halten und es fragt sich, ob er dieses Ziel nicht dadurch erreichen kann, daß er die Verfügung mittels Genehmigung (§185) zu einer wirksamen macht. Diese Frage wird nicht nur von der Judikatur (vgl. RGZ 106, 45, BGHZ 56, 134, zuletzt BGH, NJW 1972, 1199) bejaht, sondern entspricht auch der weitaus überwiegenden Meinung im Schrifttum. Der Einwand, nach Genehmigung sei die Verfügung als die eines Berechtigten anzusehen, schlägt, wie sich terminologisch aus § 185 ergibt, nicht durch. Die Genehmigungsfähigkeit der Verfügung ist unabhängig von den konkreten Interessen des Berechtigten, ebenso von dem rechtlichen oder tatsächlichen Schicksal des Gegenstandes. So hat es der Berechtigte auch noch nach Veränderung der Eigentumslage infolge Verarbeitung in der Hand, ob er sich über § 951 an den jetzigen Inhaber oder (nach Genehmigung) gemäß § 816 I, 1. Satz an den Verfügenden halten will (im einzelnen BGHZ 56, 132). Genehmigung und Verweigerung einer solchen sind unwiderruflich (BGH, NJW 1968, 1326). Indes liegt eine derartige Weigerung ohne Hinzutreten sonstiger Umstände noch nicht deshalb vor,
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weil der Kläger zunädist nur Ansprüche aus den §§ 989, 990 geltend macht (BGH a.a.O., vgl. auch BGH, J Z 1961, 24). Andererseits geht die Rechtsprechung davon aus, dal? in der Klageerhebung auf Herausgabe des „Erlangten" eine konkludente Genehmigung der Verfügung liege (RGZ 106, 44, BGH, LM Nr. 6 zu § 816). Das ist insofern bedenklich, als zu diesem Zeitpunkt weder der Erfolg der Klage noch die tatsächliche Durchsetzbarkeit des Anspruchs feststehen. Deshalb wird vorgeschlagen, den Klageantrag auf Erlösherausgabe Zug um Zug gegen Genehmigung zu richten (so etwa Esser, 371 f., Palandt/Thomas, 2c zu § 816 m. w. N.). Diese Lösung ist formalrechtlich zwar nicht einwandfrei, weil vor Vorliegen einer Genehmigung die Anspruchsvoraussetzungen noch gar nicht gegeben sind (vgl. Bauernfeind, NJW 1961, 109), aber mit Rücksicht auf legitime Gläubigerinteressen gleichwohl zu befürworten. c) Herauszugeben ist das „Erlangte". Strittig ist, ob es sich dabei um den objektiven Wert des Gegenstandes oder, falls dieser höher ist, um den Veräußerungserlös handelt. Es findet sich auch die Ansicht, „erlangt" durch die Verfügung sei in Wahrheit die Befreiung von einer Verbindlichkeit. Die damit aufgeworfene Frage läßt sich am besten zusammen mit dem Inhalt des Anspruchs in anderen Fällen der Eingriffskondiktion abhandeln (vgl. unten S. 125 ff.). Dagegen ist sogleich zu erörtern, wie sich die Rechtslage darstellt, wenn der Eigentümer von einem Dieb Schadenersatz verlangen, aber auch von einem Abnehmer, der die Sache weiterverkauft hat, den Veräußerungserlös liquidieren kann. Klar ist, daß es dem Eigentümer im Ergebnis nicht gestattet sein kann, beide Ansprüche zu realisieren. In Abweichung von B G H Z 29, 157 hat sich der B G H in B G H Z 52, 3 9 im Anschluß an von Caemmerer, JR 1959, 462, auf den Standpunkt gestellt, Dieb und Verfügender hafteten analog § § 4 2 1 ff. als Gesamtschuldner. Wegen § 4 2 2 läuft dies darauf hinaus, daß der Eigentümer nur einen von beiden belangen kann, während sich der Ausgleich im Innenverhältnis nach § 4 2 6 richtet. Insgesamt liefert diese Konzeption befriedigende Ergebnisse. Trotz gewisser dogmatischer Bedenken (vgl. Reeb, JuS 1970, 214) dürfte ihr zuzustimmen sein (ebenso RGR-Kommentar, Anm. 14 zu § 816).
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d) aa) Der Begriff der „Verfügung" deckt nur dingliche Rechtsänderungen. Dennoch ist vorgeschlagen worden, den Anspruch aus § 816 I, 1. Satz auch dann zuzusprechen, wenn der Rechtsverlust nicht infolge Rechtsgeschäftes, sondern kraft Gesetzes beispielsweise deshalb eintritt, weil ein Bauunternehmer fremdes Material in das Haus eines Kunden einbaut. In der Tat: „Vom Schutzbedürfnis des ursprünglichen Eigentümers her gesehen, kann es nicht darauf ankommen, ob er sein Eigentum durch wirksame Verfügung eines Nichtberechtigten oder auf rein faktische, einem anderen aber gewinnbringende Weise verliert" (Esser, 371). Nun könnte diese Wertung nicht nur über S 816 I, 1. Satz, sondern auch über § 812 realisiert werden. Die letzte Alternative läßt sich besser mit dem Gesetzestext vereinbaren. Sie wäre deshalb vorzuziehen, wenn Einigkeit darüber bestünde, daß die Rechtsfolgen aus § 816 I, 1. Satz einerseits und aus § 812 andererseits im Prinzip dieselben sind; das ist, wie noch ausführlich zu erörtern sein wird, zu Unrecht nicht der Fall (vgl. unten S. 125 ff.). Unter diesen Umständen ist die Behandlung der vorliegenden Fallgruppen analog § 816 I, 1. Satz als der bessere Weg anzusehen (anders etwa Medicus, 315 f., RGR-Kommentar, Anm. 4 zu § 816, BGHZ 14, 8; Ankündigung einer Wende in BGHZ 56, 135). Denn unterschiedliche Rechtsfolgen gegenüber den direkt von $ 816 I, 1. Satz erfaßten Fällen ließen sich nicht plausibel machen.
Eigentumserwerb infolge Verbindung, Vermischung und Verarbeitung präkludiert die Eingriffskondiktion gegen den Erwerber bekanntlich dann nicht, wenn dieser entweder bösgläubig war oder abhanden gekommene Sachen erworben wurden. Daraus folgt, daß ein Anspruch aus § 951 gegen den Erwerber mit einem solchen aus § 816 I, 1. Satz gegen den „Nichtberechtigten" konkurrieren kann, der den Erwerb verursacht hat. Auch hier sind die Regeln über die Gesamtschuld zumindest entsprechend anwendbar. bb) Vermietung und Verpachtung fremder Sachen implizieren kein auf dingliche Rechtsänderung gerichtetes Geschäft. Die herrschende Meinung (vgl. RGZ 105, 408, RGZ 106, 111 f., RGR-Kommentar, 4 zu § 816, Palandt/Thomas, 2 a zu § 816 mit weiteren Nachweisen) lehnt die Anwendung des § 816 auf solche Fälle daher ab. Die gegenteilige Ansicht (Esser, 372,
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Larenz, 430 m. N.) stützt sich wiederum auf die § 816 entsprechende Interessenlage der Beteiligten, ferner darauf, daß unberechtigte Vermietung oder Verpachtung auf eine partielle „Enteignung" des Betroffenen hinauslaufe, die von dessen Standpunkt aus nicht anders zu beurteilen sei als die vollständige Entziehung des Eigentums durch Veräußerung (Esser, a.a.O.)· Dies alles gilt freilich anerkanntermaßen nur, soweit nicht die Sonderregeln der §§ 987, 993 I eingreifen. Das wird häufig der Fall sein (vgl. insbesondere Medicus, 309). Für die Entscheidung dieses Meinungsstreites ist unseres Erachtens wiederum die oben entwickelte Überlegung maßgebend. Es hat keinen Sinn, die Vermietung fremder Sachen bereicherungsrechtlich nach anderen Gesichtspunkten zu beurteilen als deren Veräußerung. Insofern ist § 816 I, 1. Satz sachnäher als § 812. Keine Kondiktion, auch keine solche aus § 816, ist freilich dann gegeben, wenn der Eigentümer die Sache aus Rechtsgründen nicht selbst hätte vermieten oder verpachten können (dazu oben S. 94). Das ist beispielsweise bei unerlaubter Untervermietung der Fall. 3. Unentgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten a) Bei unentgeltlich wirksamer Verfügung eines Nichtberechtigten richtet sich die Kondiktion gegen den Empfänger. Der Grund dieser Regelung besteht einerseits darin, daß der Verfügende regelmäßig nichts erlangt haben wird, was er an den Berechtigten abführen könnte. Andererseits ist der unentgeltlich Bereicherte, wie auch § 822 zum Ausdruck bringt, nicht so schutzwürdig, daß der Verlust dem ursprünglichen Rechtsinhaber endgültig angelastet werden könnte. § 816 I, 2. Satz bestimmt ausdrücklich, daß der Anspruch nur durchgreift, wenn der Empfänger infolge der Verfügung des Nichtberechtigten „unmittelbar" einen rechtlichen Vorteil erlangt. Damit sind jene Fälle aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift eliminiert, wo der Nichtberechtigte zunächst entgeltlich wirksam verfügt und das Erlangte anschließend unentgeltlich an einen Dritten weitergibt (vgl. BGH, N J W 1969, 605). Indessen wird der ursprünglich Berechtigte dadurch nicht schutzlos gestellt. Soweit die Kondiktion gegen den Verfügenden versagt (was nur bei Gutgläubigkeit der Fall ist), tritt an die Stelle des Anspruchs aus § 816 derjenige aus S 822.
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Fraglich ist, ob § 816 I, 2. Satz audi dann durchgreift, wenn der Verfügende trotz Unentgeltlichkeit des Geschäftes etwas „erlangt" hat, beispielsweise deshalb, weil er dem Begünstigten bei Kenntnis der Rechtslage etwas anderes geschenkt hätte. Die Parallelfrage zu § 822 (vgl. oben S. 36) wird negativ entschieden. Unseres Erachtens besteht kein Grund, für § 816 I, 2. Satz etwas anderes anzunehmen (ebenso wohl Esser, 372 f.). Dem ursprünglich Berechtigten steht nach §§ 812, 818 II (vgl. unten S. 166 ff) die Eingriffskondiktion auf die Ersparnis zu. Daß diese möglicherweise geringer ist als der Wert des verlorenen Gegenstandes liefert kein Gegenargument. Denn der frühere Rechtsinhaber muß sich ja auch damit abfinden, daß seine Sache unter Wert veräußert wird (genauer unten S. 12.9). Im Fall eines extremen Mißverhältnisses zwischen dem Wert des potentiell und des tatsächlich Geschenkten dürfte freilich die Rückkehr zu § 816 I, 2. Satz angemessen sein (vergleichbare Wertung in BGH, W M 1964, 614: bei gemischter Schenkung § 816 I, 2. Satz, wenn Unentgeltlichkeit überwiegt).
b) Im Verhältnis zu ihrer praktischen Bedeutung unverhältnismäßig intensiv umstritten ist die Frage, wer kondizieren kann, wenn der Erwerb vom Nichtberechtigten zwar dinglich wirksam ist, jedoch der „schuldrechtlichen Unterlage" entbehrt. Teilweise wird eine Gleichstellung von „Unentgeltlichkeit" und „Rechtsgrundlosigkeit" auch (für § 988 entspricht dies zumindest ständiger Rechtsprechung) für den Bereich des § 816 I, 2. Satz mit der Folge empfohlen, daß der ursprünglich Berechtigte direkt vom Erwerber kondizieren kann („Einheitskondiktion"). Andere vertreten den Standpunkt, daß der Beeinträchtigte von dem Verfügenden dasjenige kondizieren müsse, was dieser seinerseits von seinem Partner herausverlangen könne (so die herrschende Meinung von der „Doppelkondiktion"; vgl. etwa Latenz, 431 f., Esser, 373 f., RGR-Kommentar, 18 f. zu § 816, Soergel/SiebertjMühl, 17 zu § 816, von Caemmerer, 295 f.; alle m. w. N. auch der Gegenmeinung). Der entscheidende Einwand gegen die Lehre von der Einheitskondiktion besteht darin, daß sie dem Empfänger seine Einwendungen gegen den Verfügenden etwa aus bereits erbrachter Gegenleistung oder aus den §§ 814, 815, 817, 2. Satz abschneidet. Eine ganz ähnliche Wertung determiniert die moderne Behandlung der bereicherungsrechtlichen Dreiecksverhältnisse
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(vgl. oben S. 43). Man muß ihr also auch hier zentrale Bedeutung einräumen (anders Fikentscher, 595 f.). Ganz abgesehen davon ist gegen die Einheitskondiktion auch einzuwenden, daß es nicht Sinn des § 816 I, 2. Satz ist, dem Gläubiger einen zusätzlichen Schuldner zur Verfügung zu stellen (Esser, 375, FN 42). In allen Fällen rechtsgrundloser Verfügung ist der Nichtberechtigte aber noch bereichert, weil er gegen den Drittempfänger mit der Leistungskondiktion vorgehen kann. Diese letzte Überlegung zeigt gleichzeitig, daß § 816 I, 2. Satz auch auf rechtsgrundlos-KMentgeltliche Zuwendungen nicht anwendbar ist (anders Wiethölter, J Z 1963, 289). In BGHZ 37, 363, dem ersten der sogenannten Spielbankfälle, hat der BGH einen Fall dieser Art angenommen. Ein Angestellter hatte Geld seines Arbeitgebers veruntreut und beim Spiel verloren. Der BGH gab der auf § 816 I, 2. Satz gestützten Klage des Geschädigten gegen die Spielbank statt, weil der Spieler zugunsten der Bank unentgeltlich über das eingesetzte Geld verfügt habe. Unentgeltlich sei diese Verfügung deshalb, weil der ungetreue Angestellte seine Gewinnchance nicht habe realisieren können und weil der Spielvertrag nichtig gewesen sei (zur Kritik dieser Argumentation insbesondere SiMosier, JuS 1963, 141 ff., Esser, 373). In BGHZ 47, 393, dem zweiten Spielbankfall, hat sich der BGH denn auch ausdrücklich dahingehend korrigiert, schon die bloße Einräumung der Gewinnchance qualifiziere den dafür geleisteten Einsatz als entgeltliche Verfügung. Zur Frage der analogen Anwendung des § 816 I, 2. Satz auf rechtsgrundlose Verfügungen (Einheitskondiktion) brauchte er sich allerdings nicht noch einmal zu äußern, weil er den Spielvertrag in diesem Fall für wirksam hielt. c) Die Kondiktion des rechtsgrundlos verfügenden Nichtberechtigten kann sich vernünftigerweise nur auf die Herstellung des früheren Zustandes richten. Im Falle gutgläubigen Eigentumserwerbs eines Dritten führt der Bereicherungsausgleich also dazu, daß der Nichtberechtigte nur das erhält, was er vorher hatte, nämlich den Besitz an der Sache, während das Eigentum an den ursprünglich Berechtigten zurückfällt (herrschende Meinung; vgl. von Caemmerer, a.a.O., 313 ff., Esser, 374, Laretiz, 432, 412; alle m.w.N.; aA. zuletzt Wiegand, JuS 1971, 62). Konstruktiv läßt sich dieses Ergebnis mit Hilfe der Figur des „Geschäftes, wen es angeht" realisieren. Vorausgesetzt wird
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damit an sich, daß der Nichtberechtigte für den Berechtigten erwerben will. Ein im Einzelfall entgegenstehender "Wille dürfte freilich infolge analoger Anwendbarkeit des § 162 I (so Esser, 374) unbeachtlich sein. 4. Wirksame Leistung an einen Nichtberechtigten a) § 816 II setzt eine Leistung an einen Nichtgläubiger voraus, die dem wahren Gläubiger gegenüber mit der Folge des Forderungsunterganges „wirksam" ist. In einem solchen Fall kann der Berechtigte, d. h. der Exgläubiger der untergegangenen Forderung, von dem nichtberechtigten Scheingläubiger das Erhaltene herausverlangen. § 816 II ist funktional also im Zusammenhang mit den schuldnerschutzorientierten Vorschriften zu sehen, die die Erfüllungswirkung auch mit Leistungen an einen Nichtberechtigten verknüpfen. Praktisch am wichtigsten sind Zahlungen des Schuldners an den ursprünglichen Gläubiger in Unkenntnis der Tatsache, daß dieser die Forderung abgetreten hat, Leistungen an den späteren Erwerber der Forderung bei mehreren Abtretungen oder infolge unrichtiger Zessionsanzeige (§§ 407 ff., 412, 413). Für Nachweise weiterer Fälle funktionsähnlichen Schuldnerschutzes sei auf RGR-Kompientar, 24 zu $ 816 und Staudinger/Seufert, 10 zu § 816 hingewiesen. Die neuere Rechtsprechung zu § 816 II hatte es vornehmlich mit Fällen der Doppelabtretung von Kaufpreisforderungen mitteile verlängertem Eigentumsvorbehalt zugunsten des Verkäufers einerseits und Globalzession an eine Bank andererseits zu tun. Über die Zuordnung der Forderung entscheidet hier grundsätzlich die Reihenfolge der Abtretungserklärungen. Im übrigen hat die Rechtsprechung im Interesse des Vorbehaltsverkäufers unter gewissen Voraussetzungen Nichtigkeit der Globalzession gemäß § 138 angenommen (vgl. dazu Nirk, NJW 1971, 1913; ferner etwa Palandt/Heinrichs, 3 e zu § 398). Zahlt hier der Drittschuldner an einen Scheinzessionar, so steht dem Zessionar im Regelfall der Anspruch aus § 816 II zu. Dabei ist zu beachten, daß es sich tatsächlich um Leistungen an einen Nichtberechtigten handeln muß. Das ist zum Beispiel dann nicht der Fall, wenn der Endempfänger der Ware, der von der
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Abtretung der Kaufpreisforderung an die Bank nichts weiß, an diese nur als Zahlstelle des Vorbehaltsverkäufers leistet (BGHZ 53, 139). Eine Komplizierung der Rechtslage tritt ein, wenn verlängerter Eigentumsvorbehalt und Globalzession mit einem zwischen Vorbehaltskäufer und Abnehmer vereinbarten Verbot zusammentreffen, die Kaufpreisforderung abzutreten. In einem solchen Fall sind beide Zessionen unwirksam (BGHZ 51, 113, dazu Koppettsteiner, JuS 1972, 373 ff.). In einem Fall, in dem die Globalzession ohne Existenz des Abtretungsverbotes nach seiner Ansicht auch wegen Sittenwidrigkeit nichtig gewesen wäre, prüfte der BGH, ob dem Vorbehaltsverkäufer der Anspruch aus § 816 II nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmißbrauchs zuzusprechen sei (BGHZ 56, 173). Damit wird vorausgesetzt, daß Rechtsmißbrauch nicht nur als einrede-, sondern audi als anspruchsbegründender Umstand in Betracht kommt, eine Annahme, die sonst fast allgemein abgelehnt wird (vgl. Koppensteiner, a.a.O., 376; a. M. Canaris, 273 ff.). Bei wirksamem Abtretungsverbot ist es, was auch der BGH hilfsweise andeutet, im übrigen ohnehin nicht angängig, den Vorbehaltsverkäufer so zu stellen, als sei er Inhaber der Forderung gegen den Zweitabnehmer geworden.
b) Auch im Rahmen des § 816 II stellt sich die oben für § 816 I erörterte Frage, ob die Anspruchsvoraussetzungen auch durch Genehmigung des Berechtigten mit der Folge komplettiert werden können, daß eine diesem gegenüber an sich unwirksame Leistung zu einer wirksamen wird. Rechtsprechung (zuletzt BGH, NJW 1972, 1199, ferner etwa BGH, LM Nr. 6, Nr. 18 zu § 816, BGH, WM 1967, 397) und herrschende Meinung (Nachweise bei Roth, JZ 1972, 150, anders derselbe, passim) bejahen diese Frage ganz generell. Demgegenüber hat Esser (375) zu Recht darauf aufmerksam gemacht, daß damit dem Berechtigten die Möglichkeit verschafft würde, sich im Konkurs des Schuldners eine Sonderdeckung zu verschaffen. Daneben bleibt zu bedenken, daß dem Schuldner im Bereich der §§407 ff. einschließlich der auf diese Bestimmungen verweisenden Normen (§§ 720,574,412) nach ganz überwiegender Ansicht die Möglichkeit offensteht, den ihm gewährten Schutz nicht in Anspruch zu nehmen, d. h. nochmals an den wahren Gläubiger zu leisten und seinerseits von dem nichtberechtigten Empfänger zu kondizieren (so zuletzt BGHZ 52, 153 f.). Ist
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dies richtig, so kann die Entscheidungszuständigkeit über den einzuschlagenden Weg auch nur beim Schuldner liegen; das würde aber vereitelt, wenn man es dem Berechtigten gestatten würde, die Kondiktionsmöglichkeit gegenüber dem Drittempfänger mittels Genehmigung der Leistung sozusagen auf sich überzuleiten (richtig Weimar, JR. 1966, 461). Darüber hinaus stellt sich ganz allgemein die Frage, ob die Genehmigungsmöglichkeit im Rahmen des § 816 II nicht überhaupt deplaciert ist. Jedenfalls liegen die für die Parallellösung bei § 816 I (Unbekanntheit des Dritten, Verschlechterung der Sache etc.) maßgebenden Gründe hier nicht vor (zweifelnd offenbar auch Esser, a.a.O.). § 10. Die Aufwendungskondiktionen I. Die
Verwendungskondiktion
Die Möglichkeit einer Verwendungskondiktion ist immer dann zu prüfen, wenn jemand Geld, Arbeitsleistungen oder Naturalien auf Sachen verwendet, von denen er annimmt, daß sie ihm gehören. Eine Verwendungskondiktion kommt ferner in Betracht, wenn der „Entreicherte" zwar weiß, daß seine Bemühungen einer fremden Sache zugute kommen, aber irrtümlich eigene und nicht fremde Vermögenswerte „verwendet". „Auf Kosten" bedeutet bei der Verwendungskondiktion dasselbe wie bei der Leistungskondiktion (oben S. 29 ff.). Die Probleme, die dieses Merkmal im Zusammenhang der Eingriffskondition aufwirft, treten nicht auf, weil der Anspruchsprätendent hier freiwillig etwas aufgibt (vgl. oben S. 82 f.). Wie bei der Rückforderung einer rechtsgrundlosen Leistung bezieht sich also auch die Verwendungskondiktion auf alles, was der Verwendende dem Empfänger verschaffen konnte und verschafft hat. Auch das Merkmal „ohne Rechtsgrund" sagt hier dasselbe aus wie bei der Leistungskondiktion. Die Kernprobleme der Verwendungskondiktion liegen - wie bereits angedeutet - nicht im tatbestandlichen Bereich. Wesentliche Schwierigkeiten ergeben sich bei der Bestimmung des Verhältnisses dieser Kondiktionsart zu anderen bürgerlichrechtlichen Anspruchsgrundlagen (unten S. 203 ff.) und ferner bei
§ 10. Die Aufwendungskondiktionen
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der Ermittlung des Anspruchsinhalts. Stichworte sind hier „aufgedrängte Bereicherung" (unten S. 171 ff.) und die Angleichung der Kondiktion an den Ersatz von Aufwendungen (unten S. 174). II. Die Räckgriffskondiktion Neben der Verwendungskondiktion wird als Kondiktion wegen Bereicherung in sonstiger Weise vielfach die „Rückgriffskondiktion" unterschieden. Hier soll der Aufwand des Bereicherungsgläubigers darin liegen, daß er den Bereicherungsschuldner von einer Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten befreit. Der Anwendungsbereich dieser Rechtsfigur ist indes äußerst schmal (s. zum folgenden vor allem Medicus, 400 ff., s. auch Reeb, JuS 1973, 627). Zahlt D auf Anweisung des S dessen Schuld bei G in Höhe seiner eigenen Verbindlichkeit gegenüber S (Anweisung auf Schuld), so ist ein Rückgriff D-S ausgeschlossen, weil D durch die Zahlung seine Schuld gegenüber S tilgen konnte (§ 787 I); hat S den D unwirksam angewiesen, eine Schuld des S bei G zu tilgen und zahlt darauf D an G, so hat D auf seine vermeintliche Anweisungsschuld gegen S geleistet und hat gegen diesen eine Leistungskondiktion; handelte D im Auftrag des S, so steht ihm ein Rückgriff nach § 670 zu; hatte D ein Ablösungsrecht (§ 268), so genießt er eine cessio legis (§ 268 III bzw. die Sondervorschriften vor allem des Pfandrechts: §§ 1143 I, 1150, 1225, 1249; vgl. dazu auch von Caemmerer, 239 f.); war D berechtigter Geschäftsführer ohne Auftrag, so richtet sich sein Rückgriff gegen S über § 683 nach § 670. Will D endlich mit der Zahlung an G die Schuld des S tilgen (§ 267), entspricht dies aber nicht dem beachtlichen Willen (s. § 679) des S, so liegt unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vor. In diesem Fall hat der Geschäftsführer nach § 684, 1. Satz einen Anspruch nach den Vorschriften über die Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung. In diesem Fall ist wohl auch eine Leistung und damit eine Leistungskondiktion im Verhältnis D-S nicht anzunehmen (D verfehlt ja nicht den Leistungszweck: berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, wenn er von vorneherein weiß, daß S nicht zustimmt!), so daß der Rückgriff wegen Bereicherung in sonstiger Weise erfolgt, ohne daß gleichzeitig ein 8
Koppensteiner/Kramer, Bereicherung
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III. Kapitel: Bereicherung „in sonstiger Weise"
„Eingriff" in eine fremde Rechtssphäre zu sehen wäre. So liegt es zum Beispiel, wenn D die ausstehenden Raten eines von S bei G gekauften Radioapparates gegen den Protest des S bezahlt, um in das Gerät vollstrecken zu können. Dagegen kann eine Rückgriffskondiktion nicht vorliegen, wenn D auf vermeintliche eigene Schuld zahlt. Beispiele (nach Medicus, 400): D glaubt irrtümlich, er habe sich für S bei G wirksam verbürgt, und zahlt „als Bürge" an G (wegen § 766, 2. Satz darf die Bürgschaft hier allerdings nicht bloß wegen Formmangels unwirksam gewesen sein!). D glaubt, sein Hund habe G gebissen, und ersetzt diesem den Schaden. In Wahrheit ist G von dem Hund des S gebissen worden. Im ersten Fall hat D gegen G eine Leistungskondiktion, da seine Zahlung eine Leistung auf die eigene Bürgenschuld des D war, die nicht bestand (condictio indebiti). Im zweiten Fall hat D ebenfalls seine eigene Schuld und nicht als Dritter die Schuld des S begleichen wollen; auch hier kommt nur eine Leistungskondiktion D-G in Frage (ausführlich oben S. 52 ff.; dort auch zur Ablehnung der Möglichkeit, daß D nachträglich die Tilgungsbestimmung seiner Leistung ändert und sie als Leistung auf fremde Schuld behandelt). § 11. Subsidiarität der Eingriffskondiktion ? I. Stand der Diskussion Im Anschluß an die dogmatische Ausdifferenzierung von Leistungskondiktion und Eingriffskondiktion als den beiden hauptsächlichen Typen von Bereicherungsansprüchen, ergab sich zwangsläufig das Problem, wie das Verhältnis zwischen diesen beiden Kondiktionen zu sehen sei. Kötter (AcP 153, 207) und in der 2. Aufl. seines Lehrbuchs auch Esser (785; ebenso BGHZ 40, 278 = N J W 1961, 399) vertraten dazu die Auffassung, derjenige, der die Bereicherung durch Leistung erlangt habe, könne unmöglich auch wegen Bereicherung in sonstiger Weise haften („Subsidiarität der Eingriffskondiktion"). Esser hat diese Behauptung inzwischen dahingehend eingeschränkt (362 der 4. Aufl.), daß „dem ,Entreicherten' immer dann, aber auch nur dann keine condictio ,in sonstiger
§ 11. Subsidiarität der Eingriffskondiktion?
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Weise' zusteht, wenn er den betreffenden Gegenstand qua Leistung - sei es auch an einen Dritten - aus der Hand gegeben hat" (vgl. auch U. Huber, JuS 1970, 343). Wilhelm (106 ff., 153 ff.) will hingegen im Subsidiaritätsgrundsatz überhaupt nur ein Symptom für die verfehlte Dichotomie zwischen Leistungskondiktion und Eingriffskondiktion sehen, die zugunsten des übergreifenden Gedankens der Vermögensverschiebung zu verlassen wäre. Welche praktischen Probleme verbergen sich hinter diesen theoretischen Querelen? II. Wichtigste
Fallgruppe:
Anweisungsfälle
Es geht vor allem um die Fälle der Konkurrenz von Leistungskondiktion und Eingriffskondiktion in den „Anweisungsfällen". Beispiel (nach Η. P. Westermann, JuS 1972, 21): Auf Weisung des Architekten S baut der Bauunternehmer D auf dem Gelände des Bauherrn G ein Haus. Die Rechtsbeziehungen zwischen S und G sind nichtig. Kann D von G kondizieren, wenn etwa sein Partner S insolvent ist?