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German Pages 185 Year 1990
JÜRGEN REIMER
Die aufgedrängte Bereicherung
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 126
Die aufgedrängte Bereicherung Paradigma der "negatorischen" Abschöpfung in Umkehrung zum Schadensersatz
Von
Dr. Jürgen Reimer
Duncker & Humblot · Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Reimer, Jürgen: Die aufgedrängte Bereicherung: Paradigma der ,,negatorischen" Abschöpfung in Umkehrung zum Schadensersatz I von Jürgen Reimer.- Berlin: Duncker u. Humblot, 1990 (Schriften zum Bürgerlichen Recht; Bd. 126) Zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 1988 ISBN 3-428-06802-5 NE:GT
D21 Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-06802-5
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit lag der Eberhard-Karls-Universität Tübingen im Wintersemester 1988/1989 als Dissertation vor. Rechtsprechung und Schrifttum sind bis Oktober 1988 berücksichtigt. · Meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Eduard Picker, der mir die Anregung zur Bearbeitung dieses Themas gegeben hat, möchte ich für die mir in jeder Hinsicht zuteil gewordene Förderung herzlich danken. Stuttgart, im April 1989
Jürgen Reimer
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
1. Kapitel
Der materiale Grund für die Haftung am ungerechtfertigter Bereicherung und seine präjudizieUe Bedeutung für die FäHe der aufgedrängten Bereicherung 1. Abschnitt
Die aufgedrängte Bereicherung aus der gesetzgebensehen Sichtweise einer "negatorischen" Abschöpfung ungerechtfertigter Vermögensvorteile im Rahmen der Einheitslehre 22 I. Die Lehre Savignys und die Ausgestaltung des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung durch den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundlegende Konsequenzen der gesetzgebensehen Sichtweise für die aufgedrängte Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
25
I. Irrelevanz der Bereicherungsursache für die Haftungsbegründung und den Haftungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
2. Verbleibende Problematik der Wertberechnung unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit von Dispositionsänderungen . . . . . . . . . . . . .
26
2. Abschnitt
Die Auflösung des einheitlichen materialen Grundes der Haftung aus ungerechtfertigter Bereicherung in disharmonische Regelungsziele im Rahmen der Trennungslehre I. Entwicklung und Aussagen der Trennungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • II. Kritik an der "modernen" Bereicherungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29 29 31
3. Abschnitt
Verfehlte Konsequenzen der "modernen" Bereicherungslehre für die aufgedrängte Bereicherung I. Gegenstands- oder Vermögensorientierung des Bereicherungsanspruchs unter Vergleich der analogen Problematik im Schadensersatzrecht . . . . .
35 35
lO
Inhalt l. Problemstellung der Gegenstands- oder Vermögensorientierung und ihre Relevanz für die aufgedrängte Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
2. Die Naturalrestitution als Argument für die Gegenstandsorientierung im Schadensersatz- und im Bereicherungsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
(a) Zur Vergleichbarkeit zwischen Schadensersatz- und Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Überlagerung von Gegenstands- und Vermögensorientierung im Schadensersatz- und im Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Geldersatz als Argument für die Vermögensorientierung? . . . . . . 4. Überlagerung von Gegenstands- und Vermögensorientierung im Bereicherungsrecht aus der Sicht des historischen Gesetzgebers . . . . . . . . . II. Schlußfolgerungen aus der Kontroverse Gegenstands- oder Vermögensorientierung des Bereicherungsanspruchs auf die Bestimmung des Wertersatzes nach § 818 li BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39 40 43 45
47
I. Schlußfolgerungen aus der Kontroverse Gegenstands- oder Vermögensorientierung des Bereicherungsanspruchs auf die Bestimmung des erlangten Etwas und seine präjudizielle Bedeutung für die Bestimmung des Wertersatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedürfnis nach einem bereicherungsrechtsspezifischen Dispositionsschutz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
(a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
(b) Vergleichende Betrachtung zum Dispositionsschutz im Schadensersatzrecht und beim Betrugstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Differenzierung nach in der Vergangenheit liegenden Dispositionsstörungen und der Obliegenheit zur zukünftigen Dispositionsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Der unterschiedliche Stellenwert des Dispositionsschutzes im Rahmen des jeweiligen bereicherungsrechtlichen Grundverständnisses 3. Die unterschiedliche Berechnung des Wertersatzes nach§ 818 II BGB auf der Grundlage der Kontroverse um eine Gegenstands- oder Vermögensorientierung des Bereicherungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Meinungsstand zur Kontroverse objektiver-subjektiver Wertbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . (aa) Wertersatz nach objektiven Kriterien . . . . . . . . . . . • . . . . . . .
52
54 56 59 59 59 61
(bb) Wertersatz nach subjektiven Kriterien . . . . . . . . . . . . • . . . . .
62
(b) Wortlaut des § 818 II BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65 66
(c) Die Sicht des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . (d) Zur Überlagerung von Gegenstands- und Vermögensorientierung bei teleologischer Auslegung des § 818 II BGB . . . . . . . . . • . . . . . (e) Konsequenzen der Überlagerung von gegenstands- und vermögensorientierter Betrachtungsweise auf die Beweislastverteilung . . . . . 4. Die unterschiedliche Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunktes für die Wertermittlung auf der Grundlage der Kontroverse um eine Gegenstands- oder Vermögensorientierung des Bereicherungsanspruchs . . .
67 68 70
Inhalt
11
70
(a) Meinungsstand (aa) Entstehung des Bereicherungsanspruchs bzw. des Wertersatzanspruchs aus gegenstandsorientierter Betrachtungsweise . .
71
(bb) Eintritt der Bösgläubigkeit oder Rechtshängigkeit . . . . . . . .
72
(cc) Bezahlung - letzte mündliche Verhandlung aus vermögensorientierter Betrachtungsweise ........................ .
73
(b) Der maßgebliche Zeitpunkt für die Wertermittlung auf der Grundlage einer Überlagerung von gegenstands- und vermögensorientierter Betrachtungsweise in Parallele zum Schadensersatzrecht ... .
74
5. Die Begrenzung des Bereicherungsanspruchs bei der aufgedrängten
Bereicherung auf die getätigten Aufwendungen als Paradigma der Verkennung der bereicherungsrechtlichen Abschöpfungsfunktion . . . . . .
79
6. Die Problematik der Änderung der Verwendungsplanung des Bereicherungsschuldners nach rechtskräftigem Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
(a) Problemstellung und Meinungsstand . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
(b) Vergleich zum Schadensersatzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
4. Abschnitt
Zusammenfassung der Ergebnisse des 1. Kapitels
85
2. Kapitel
Die Lösung des Problems der aufgedrängten Bereicherung durch die "negatorische" Abschöpfung ungerechtfertigter Vermögensvorteile im Gegensatz zum Schadensersatzrecht 1. Abschnitt
Überlagerung der bereicherungsrechtlichen Haftung des aufgedrängt Bereicherten und der deliktischen Haftung des Bereichemden bei schuldhafter Umgestaltung einer Sache
87
I. Haftungsmäßige Verrechnung von Vor- und Nachteilen bei Ansprüchen des aufdrängend Bereichemden aus § 812 I BGB und des aufgedrängt Bereicherten aus§ 823 I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
II. Schlußfolgerung auf grundsätzliche Gemeinsamkeiten des Berechnungsmodus von Schaden und Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
2. Abschnitt
Das Zusammenspiel von § 818 II und § 818 111 BGB in seinen speziellen Konsequenzen für die aufgedrängte Bereicherung
93
I. Funktion des § 818 II BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
II. Die Limitierung einer verkehrswertorientierten Wertersatzpflicht durch den nach subjektsorientierten Kriterien zu bestimmenden Eintritt einer "Vermögensminderung" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
12
Inhalt 3. Abschnitt
Die sinngemäße Übertragung der schadensersatzrechtlichen Lösung in § 254 II 1, 2. Alt. 8GB auf das Bereicherungsrecht und ihre Konsequenzen flir die aufgedrängte Bereicherung
97
I. Zur Anwendbarkeit des dem § 254 II l, 2. Alt. BGB zugrundeliegenden Rechtsgedankens auf das Bereicherungsrecht und speziell auf die aufgedrängte Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
II. Vermeidung von Rechtsunsicherheit bei Änderung der subjektiven Verwendungsplanungen des aufgedrängt Bereicherten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
111. Einzelaspekte zur Frage der Zumutbarkeit von Dispositionsänderungen in Analogie zu§ 254 II l, 2. Alt. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
100
1. Zur Relevanz des Wertverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . .
100
(a) Problemstellung anband eines Beispielfalles . . . . . . . . . . . . . . . . . .
100
(b) Entsprechende Problematik bei den §§ 946 ff BGB . . . . . . . . . . .
101
(c) Die Problematik der Unmöglichkeit der Herausgabe des erlangten Etwas nach§ 818 II BGB bei gravierendem Wertzuwachs . . . . . . 2. Zur Relevanz des Affektionsinteresses des Bereicherten . . . . . . . . . . . .
102 106
(a) Irrelevanz des Affektionsinteresses des Bereicherten nach der herrschenden Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I06
(b) Relevanz des Affektionsinteresses bei der Gesamtabwägung analog § 254 II 1, 2. Alt. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
107
3. Zur Relevanz eines Verschuldens des Bereicherungsgläubigers im Hinblick auf das Aufdrängen der Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
109
(a) Die Relevanz eines Verschuldens des Bereicherungsgläubigers im Rahmen von Kondiktionssperren auf der Grundlage der herrschenden Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
109
(b) Abgestufte Relevanz eines Verschuldens des Bereicherungsgläubigers im Rahmen der Gesamtabwägung analog§ 254 II 1, 2. Alt. BGB
110
4. Zur Relevanz der Kenntnis des Bereicherungsschuldners von der aufgedrängten Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
112
(a) Interpretation des § 818 III BGB als Privileg für den Gutgläubigen auf der Grundlage der herrschenden Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . .
112
(b) Relevanz der Kenntnis des Bereicherungsschuldners bei Verstößen gegen die Obliegenheit zur Warnung und der Möglichkeit der Abwendung der Bereicherung im Rahmen der Gesamtabwägung in Analogie zu§ 254 II I, 2. Alt. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
113
5. Zur Relevanz der Unterscheidung zwischen bloßen Dispositionsänderungenund Funktionsänderungen des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . .
115
6. Zur Relevanz der Unterscheidung zwischen Umgestaltungsmaßnahmen und bloßen Erhaltungs-, Verbesserungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
115
7. Zur Relevanz der Fungibilität des von der Bereicherung betroffenen Gegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
116
Inhalt 8. Zur Relevanz der sozialen Stellung und der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
l3 117
4. Abschnitt
Zusammenfassung der Ergebnisse des 2. Kapitels
119
3. Kapitel
Die Sanktionierung des "Aufdrängens" im Spannungsfeld zwischen Bereicherungsrecht und gesetzgebensehen Wertentscheidungen außerhalb der§§ 812, 818 BGB 1. Abschnitt
Die Sanktionierung des "Aufdrängens" im Streit·zwischen den jeweiligen bereicherungsrechtlichen Grundpositionen
122
2. Abschnitt
Analoge Anwendung des§ 814 BGB
125
I. Befürwortende Stellungnahmen in der Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
125
II. Die Ungeeignetheil des§ 814 BGB zur Lösung der Fälle der aufgedrängten Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
127
l. Rechtsfolgenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . .
127
2. § 814 BGB als Sonderform des Verzichts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
127
3. § 814 BGB als Ausprägung des Verbots des venire contra factum proprium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
128
(a) Parallele zur Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
128
(b) Positive Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
129
(c) Parallele zum Tatbestandsmerkmal ,.das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
130
111. Die Geltung des Verbots des venire contra factum proprium bei der aufgedrängten Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
131
3. Abschnitt
Kondiktionsausschluß über § 687 II BGB
133
I. Verwendungskondiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
133
l. § 687 II BGB als Kondiktionssperre auf der Grundlage der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
133
2. Kritische Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
135
(a) Konkurrenzverhältnis zwischen§ 687 II BGB und§ 812 BGB . .
135
14
Inhalt (b) Kritik an der Limitierung des Bereicherungsanspruchs auf die getätigten Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
136
(c) Das Wahlrecht des Geschäftsherrn nach § 687 II 2 BGB zwischen Aufwendungsersatz und Abschöpfungskondiktion . . . . . . • . . . . .
137
II. Rückgriffskondiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . 1. Die Argumentation der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung mit den§§ 404, 406 BGB und§ 267 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
141 141
2. Kritische Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
142
(a) Kritik an der Argumentation mit den §§ 404, 406 ff BGB . . . . . . (b) Kritik an der Argumentation mit § 267 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Fehlende Auseinandersetzung innerhalb der herrschenden Meinung mit § 687 II 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Lösung der Rückgriffskondiktion mit dem Ersparnisgedanken
142 143 144 146
4. Abschnitt
Kondiktionsausschluß über § 996 BGB
152
I. § 996 BGB als Kondiktionssperre auf der Grundlage der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
152
II. Uneingeschränkte Anwendbarkeit der §§ 812 ff BGB neben den §§ 994 ff BGB aufgrund des unterschiedlichen materialen Haftungsgrundes
155
5. Abschnitt
Gegenanspruch des Bereicherten aus§ 1004 I BGB
160
I. Der Schutz des aufgedrängt Bereicherten über§ 1004 I BGB auf der Grundlage der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre . . . . . . . . . . . . . . .
160
II. Die Unanwendbarkeit des § 1004 I BGB bei den Fällen der aufgedrängten Bereicherung auf der Grundlage der Position Pickers . . . . . . . . . . . . . . . .
163
6. Abschnitt
Verweis auf die Wegnahmemöglichkeit in Analogie zu§ 1001 S 2 BGB
166
I. Analoge Anwendung des § 1001 S 2 BGB in BGHZ 23, 61 . . . . . . . . . .
166
II. Untauglichkeit des § 1001 S 2 BGB zur Lösung des Problems der aufgedrängten Bereicherungaufgrund der ratio legis des§ 1001 S 2 BGB
166
7. Abschnitt Verweis auf die Wegnahmemöglichkeit in Restriktion des§ 951 I BGB I. Abwendung des Bereicherungsanspruchs des aufdrängend Bereichernden durch Verweis auf die Wegnahmemöglichkeit im Rahmen einer Restriktion des§ 951 I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
168
168
Inhalt
15
II. Die in der Lehre geübte Kritik an der Restriktion des § 951 I BGB zur Lösung der aufgedrängten Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
169
III. Ablehnende Stellungnahme zur Restriktion des§ 951 I BGB aufgrundder Irrelevanz des Bereicherungsvorgangs für die bereicherungsrechtliche Haftungsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
170
8. Abschnitt Ergebnis: Bereicherungsrechtliche Lösung statt Sanktionierung des "Aufdrängens" der Bereicherung
174
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
175
Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
179
Einleitung Die Problematik der aufgedrängten Bereicherung läßt sich mit der Fragestellung umschreiben, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Vermögensinhaber in der autonomen Gestaltung seiner Lebensverhältn)sse Schutz verdient vor einer unerwünschten Vermögensmehrung und einer hierdurch ausgelösten Ausgleichspflicht. Die praktische Relevanz des Themas sei an zwei Beispielen aus dem täglichen Leben veranschaulicht: Beauftragt jemand ein Bauunternehmen mit einem Hausbau oder eine Kfz.-Werkstatt mit der Inspektion seines Fahrzeuges und erhält er eine wertvollere Bauausführung als vereinbart 1 oder nimmt die Kfz.-Werkstatt ohne Rücksprache mit dem Auftraggeber neben der Inspektion kostspielige Reparaturen am Pkw vor, so lassen sich diese rechtsgrundlos erlangten Vermögensvorteile nicht mehr in natura herausgeben; es ist deshalb zu entscheiden, ob der Betreffende zur Kompensation des nicht erbetenen Vorteils Wertersatz zu leisten hat oder ob er sich auf den Standpunkt stellen kann, mit dem von ihm nicht veranlaßten rechtsgrundlos erlangten Bereicherungsgegenstand fange er aufgrund seiner Verwendungsplanungen nichts an. Noch krasser tritt die Problematik einschließlich einiger Detailfragen in folgendem Beispielsfall zutage: A baut ohne vertragliche Absprache auf dem brachliegenden Grundstück des N ein vierstöckiges Haus, wodurch sich der Verkaufswert des Grundstücks von DM 200.000,- auf DM 1.000.000,- erhöht. Von A nach den§§ 812 I I, 818 II BGB auf Wertersatz in Anspruch genommen, wendet Nein, A gebühre schon deshalb kein Wertersatz, weil diesertrotzseiner ausdrücklichen Untersagung in Kenntnis aller Tatumstände gehandelt habe; im übrigen habe er vorgehabt, das brachliegende Grundstück alsbald mit einer Villa zu bebauen, wohingegen das von A errichtete Gebäude sich nicht zur Eigennutzung eigne und ihm auch nicht gefalle; ganz abgesehen davon hätte er in Eigenleistung das von A errichtete Gebäude mit weit geringerem Kostenaufwand selbst errichten können. A macht geltend, von einer Untersagung durch N sei ihm nichts bekannt, die Bebauung beruhe auf einer schuldlosen irrtumsbedingten Parzellenverwechslung; dagegen habe N die Verwechslung von Anfang an durchschaut und ihn gleichwohl nicht darauf aufmerksam gemacht. Auch habe N das Grundstück bereits seit längerem verkaufen wollen; jedenfalls sei ihm ein Verkauf jetzt 1 Zur praktischen Relevanz der aufgedrängten Bereicherung gerade im privaten Baurecht vgl. etwa Werner-Pastor, Rdnrn. 1815 ff mwN; Locher, Rdnrn. 282 f.
2 Reimer
Einleitung
18
zumutbar, zumal die Beschaffung eines vergleichbaren brachliegenden Grundstücks keine Schwierigkeiten bereite; schließlich sei N angesichts der zu erzielenden Mieteinkünfte aber auch eine Nutzung des Grundstücks zuzumuten. Zur Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit der einzelnen Behauptungen bedarf es der Klärung von folgenden der Thematik der aufgedrängten Bereicherung zugrundeliegenden Fragen: - Erstens stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls nach welchen Kriterien das Verhalten des Bereicherungsgläubigers, das Aufdrängen also, nicht zuletzt unter Präventionsgesichtspunkten unmittelbar kondiktionsTechtlieh oder mittelbar über andere gesetzgebensehe Wertentscheidungen zu sanktionieren ist. - Zweitens stellt sich das allgemeine Problem der sachgerechten Bewertung eines in Natur nicht mehr herausgehbaren erlangten Etwas, wobei sich die Bewertung gerade bei der aufgedrängten Bereicherung deshalb als schwierig erweist, weil das Vermögensplus des Bereicherten ohne dessen Veranlassung eingetreten ist und es somit an einer verläßlichen Grundlage der subjektiven Werteinschätzung des Bereicherten fehlt. - Drittens schließlich stellt sich die damit zusammenhängende Frage, ob und gegebenenfalls welche Konsequenzen es für den Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung mit sich bringt, daß mit der aufgedrängten Bereicherung Rechtsgüterbeeinträchtigungen in Form von Dispositions- oder je nach konkretem Sachverhalt sogar Eigentumsstörungen des Bereicherungsschuldners einhergehen, und ob es dem aufgedrängt Bereicherten zurnutbar ist, seine Dispositionen für die Zukunft zu ändern, um so den objektiven Wertzuwachs seines Vermögens zu realisieren. Dabei erlangt vornehmlich bei der ersten und dritten Frage das Konkurrenzverhältnis zwischen dem Recht der ungerechtfertigten Bereicherung und anderen gesetzgeberischen Wertentscheidungen ausschlaggebende Bedeutung: so werden auf Wertersatz nach den§§ 812,818 II BGB gerichtete Bereicherungsansprüche des aufdrängend Bereichernden je nach konkreter Sachverhaltsgestaltung in Rechtsprechung und Lehre über§ 814 BGB, § 687 II BGB, § 996 BGB, § 1004 I BGB, § 823 I BGB sowie übereine Verweisungaufeine Wegnahmemöglichkeit in Analogie zu§ 1001 S 2 BGB oder in Restriktion des§ 951 I BGB gekürzt oder ganz ausgeschlossen 2• 3• Gursky schließlich hat sich unter Präventionsgesichtspunkten auf der Grundlage einer Gesamtanalogie der §§ 547 II, 601 II S I, 1049 I, 1216 S l BGB zusammen mit den §§68711 S 2und 996BGB fürdie "Entwicklung eines Kondiktionsausschlußgrundes für qualifiziert vorwertbare BereiVgl. dazu im 3. Kap. Grundsätzliche Kritik an derartigen Anknüpfungspunkten zur Lösung der Problematik der aufgedrängten Bereicherung üben Reuter-Martinek, S. 544 f. unter Hinweis auf die Naturvorgangskondiktion. 2
3
Einleitung
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cherungsaufdrängungen" ausgesprochen 4 : Wer im Rahmen eines atypischen Besitzrechtsverhältnisses ohne eigene Verwendungsersatzregelung oder als Nichtbesitzer wissentlich rechtsgrundlos eine fremde Sache werterhöhend verbessere und deren Eigentümer damit einen von ihm nicht rechtsgeschäftlich erbetenen und nicht in Natur herausgehbaren Vermögensvorteil aufdränge, erlange dadurch keinen Kondiktionsanspruch gegen den bereicherten Sacheigentümer, sondern lediglich ein Wegnahmerecht (§ 951 II S 2 BGB oder in Analogie zu den §§ 547 a I, 601 I S 2, 1049 II, 1216 S 2 BGBt Den Standpunkt der herrschenden Lehre aufgegriffen hat König in seinem Gesetzesvorschlag zur Neuregelung des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung6: Nach § 3.2. Satz 3 des Gesetzesvorschlages soll eine Aufwendungskondiktion von vomherein ausgeschlossen sein, wenn der Anspruchsgegner die Wegnahme des durch die Verwendungen Geschaffenen verlangen kann und verlangt oder wenn der Anspruchsteller es schuldhaft versäumt hat, dem Anspruchsgegner die geplanten Verwendungen rechtzeitig anzuzeigen oder wenn der Anspruchsgegner den Verwendungen vor Vomahme widersprochen hae. In obigem Beispielsfall hätte nach dieser Auffassung A- ungeachtet allen sonstigen Vorbringensund ungeachtet einer tatsächlichen Bereicherung des N- von vomherein keinen Anspruch auf Wertersatz nach den§§ 812,818 II BGB, wenn er trotz ausdrücklicher Untersagung des N gehandelt hätte. Für die letzten beiden Fragen schließlich sind die gesetzgeberischen Wertentscheidungen außerhalb des Bereicherungsrechts insofern von Bedeutung, als es auch außerhalb des Regelungskomplexes der§§ 812 ffBGB etliche Fallgruppen eines vom ,.Bereicherten" nicht veranlaßten Vermögensplus gibt und sich dort im Prinzip dieselben Bewertungsschwierigkeiten ergeben können wie bei der aufgedrängten Bereicherung. Neben der Regelung des Verwendungsersatzes im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis und des Aufwendungsersatzes im Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag sind hier vornehmlich bestimmte Fallkonstellationen der Vorteilsausgleichung sowie des Abzugs ,.neu für alt" im Schadensersatzrecht zu nennen. Nimmt in obigem Beispielsfall N den A wegen einer schuldhaften Umgestaltung und der daraus resultierenden Funktionsstörung seines Grundstücks aus § 823 I BGB auf Schadenersatz in Anspruch, so stellt sich die Frage, ob er sich die Bebauung im Rahmen det Vorteilsausgleichung anrechnen lassen muß. Gerade diese spiegelbildliche Fragestellung, aber auch die ange4 Staudinger-Gursky, § 951 Rdnr. 46. Rdnr. 16 vor§§ 994 ffunter Hinweis auf die Erforderlichkeit. Präventionsgesichtspunkte zu berücksichtigen. I. E. ähnlich v. Rittberg. S. III f. und S. 138, der dem potentiellen Bereicherungsgläubiger ohne weitere Begründung schon dann einen Kondiktionsanspruch versagen will, wenn dieser absichtlich eine Rechtslage herbeiführt, um einen kondiktionsrechtlichen Wenersatzanspruch geltend machen zu können und damit dolos i.S.d. § 242 BGB handelt. 5 Staudinger-Gursky, § 951 Rdnr. 49; kritisch MünchKomm.-Quack, § 951 Rdnr. 20 a. E. 6 König, Gutachten, S. 1515 ff. 7 König, Gutachten, S. 1515, 1524.
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sprochene Frage nach der Schutzwürdigkeit der Dispositionsfreiheit legen es nahe, bei der Wertberechnung im Rahmen des§ 818 JI BGB im Auge zu behalten, wie ähnliche Probleme im Schadensersatzrecht gelöst werden 8 • Eine Affinität des Berechnungsmodus von Schaden und Bereicherung wurde unter Hinweis auf die Spiegelbildlichkeit der beiden Rechtsinstitute schon vielfach herausgestrichen9. Gerade für die Fälle der aufgedrängten Bereicherung scheint eine vergleichende Betrachtung zum Schadensersatzrecht besonders nahezu liegen; denn in beiden Fällen tritt die Vermögensänderung in zueinander konträrer Richtung jeweils grundsätzlich ohne Veranlassung des Bereicherten beziehungsweise Geschädigten ein. Ungeachtet der bereits angedeuteten Konkurrenzfragen und möglicher Parallelen zu anderen Rechtsinstituten hängt aber die Frage, unter welchen Voraussetzungen speziell für einen aufgedrängten Vermögensvorteil nach den §§ 812, 818 II BGB Wertersatz zu leisten ist, in erster Linie davon ab, worin der materiale Grund der Bereicherungshaftung prinzipiell -und damit zwangsläufig auch speziell bei der aufgedrängten Bereicherung -liegt. Die Lösung der aufgedrängten Bereicherung und damit die Beantwortung jeder der drei Fragen ist also präjudiziert vom jeweiligen bereicherungsrechtlichen Grundverständnis 10• Dieses wird geprägt von den untereinander sich wiederum überschneidenden Begriffspaaren Trennungs- und Einheitslehre, gegenstands- oder vermögensorientierte Betrachtungsweise,§ 818 III BGB als Privileg für den Redlichen oder als Ausdruck eines Grundprinzips. Je nach dem, welche Position zu diesen Problemkomplexen - insbesondere zu der fundamentalen Frage nach dem materialen Grund der Haftung aus ungerechtfertigter Bereicherung - bezogen wird, ergeben sich für die ungerechtfertigte Bereicherung allgemein und damit auch speziell für die aufgedrängte Bereicherung ganz unterschiedliche Konsequenzen. So erhebt die ,.moderne" Bereicherungslehre - wie im einzelnen noch auszuführen sein wird - auf der Grundlage der von ihr propagierten Differenzierung nach Kondiktionstypen anders als die traditionelle Lehre, nach der allein auf das Vorliegen eines aktuell unrechtmäßig innegehabten Vermögenswertes abzustellen ist, die Bereicherungsursache zum maßgeblichen Kriterium für die Haftungsbegründung und den Haftungsumfang. Das Faktum des Aufdrängens, das gerade die Modalität der Bereicherungsursache umschreibt, erhält so in Abkehr von der gesetzgebensehen Sichtweise einen entscheidenden Stellenwert: in der praktischen Rechtsanwendung führt dies beispielsweise in Bezug auf die oben angesprochene Sanktionierung eines schuldhaften Aufdrängens anders als nach der traditionellen Bereicherungslehre zur Diskussion um einen daraus folgenden Vgl. da7U I. Kap. 3. Abschnitt, 2. Kap. 3. Abschnitt. Hagen, FS Larenz, S. 869 ff; Frieser, S. 95 ff; Koppensteiner, NJW 1971, 1769; ReuterMartinek, S. 61 und 516; ähnlich Pankow. S. 77; v. Rittberg. S. 122; Schmidt, Aktionsberechtigung, S. 105; Jakobs. Eingriffserwerb, S. 139; kritisch Fischer, FS Zitelmann, S. I ff. in der grundlegenden Untersuchung zur Vergleichbarkeit der beiden Rechtsinstitute. 10 Vgl. dazu I. Kap. 8
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Einleitung
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generellen Kondiktionsausschluß. Auch die Frage der B~rücksichtigung des subjektiven Wertes der Bereicherung speziell für den Bereicherten unter Einbeziehung seiner Verwendungsplanung verlangt eine Antwort auf die weit über die aufgedrängte Bereicherung hinausreichende Streitfrage nach der generellen Vorzugswürdigkeit eines objektiven, verkehrswertorientierten oder eines subjektiven, am Rechtskreis des konkret Bereicherten orientierten Wertbegriffes. Selbst diese Streitfrage läßt sich wiederum aufunterschiedliche bereicherungsrechtliche Grundpositionen zurückführen: Reuter-Martinek haben in diesem Zusammenhang hervorgehoben, die -gerade für die aufgedrängte Bereicherung so bedeutsame - Frage nach der Vorzugswürdigkeit des objektiven oder des subjektiven Wertbegriffes in§ 818 II BGB sei falsch gestellt und identisch mit der Alternative gegenstands- oder vermögensorientierte Betrachtungsweise11 ; der zutreffende Problemort der Diskussion sei nicht§ 818 li BGB sondern vielmehrdas Verhältnis zwischen§ 818 II BGB und§ 818 III BGB. Speziell die aufgedrängte Bereicherung ist ihrer Auffassung nach für die herrschende Meinung überhaupt nur deshalb ein Problem, weil sie das erlangte Etwas stets gegenstandsbezogen bestimme 12 • In diesem Zusammenhang drängt sich umgekehrt die noch zu erörternde Frage aufn, ob nicht die aufgedrängte Bereicherung gerade ein Beleg dafür ist, daß das erlangte Etwas entgegen der heute herrschenden Lehre im Einklang mit der Sichtweise des Gesetzgebers stets vermögensorientiert zu bestimmen ist. Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, worin der materiale Grund für die Haftung aus ungerechtfertigter Bereicherung liegt.
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Reuter-Martinek, S. 568. Reuter-Martinek. S. 542. Vgl. dazu 2. Kap.
1. Kapitel
Der materiale Grund für die Haftung aus ungerechtfertigter Bereicherung und seine präjudizielle Bedeutung für die Fälle der aufgedrängten Bereicherung 1. Abschnitt
Die aufgedrängte Bereicherung aus der gesetzgebensehen Sichtweise einer "negatorischen" Abschöpfung ungerechtfertigter Vermögensvorteile im Rahmen der Einheitslehre I. Die Lehre Savignys und die Ausgestaltung des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung durch den Gesetzgeber
Die präjudizielle Bedeutung des materialen Grundes der Haftung aus ungerechtfertigter Bereiche!Jlng gerade auch für die vorliegende Thematik der aufgedrängten Bereicherung verlangt eine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen bereicherungsrechtlichen Grundpositionen, mit der Sichtweise des Gesetzgebers und dem Anschauungswandel, der sich in der "modernen" Bereicherungslehre vollzogen hat. Während die "moderne" Bereicherungslehrewie im nächsten Abschnitt im einzelnen darzulegen ist - im Rahmen der Trennungslehre unterschiedliche Kondiktionstypen ausformuliert und anderen gesetzlichen Ausgleichsmechanismen gleichsam zuordnet, sah der Gesetzgeber in den §§ 812 ff BGB eine einheitliche Kondiktionshaftung, die stets auf die Auskehrung aktuell unrechtmäßig innegehabter Vermögenswerte gerichtet ist. Maßgeblichen Einfluß auf die gesetzliche Regelung der ungerechtfertigten Bereicherung in den§§ 812 ffBGB hatten die Untersuchungen,die Savigny 1841 in seiner Schrift "System des heutigen Römischen Rechts" anstellte 14 • Savigny systematisierte die Fallgruppen der ungerechtfertigten Bereicherung im römischen Recht und führte sie auf ein übergreifendes Prinzip zurück: danach sind Kondiktionen Ansprüche aus Rechtsverletzung auf Rechtswiederherstellung. Sie zielen -etwa als Ersatz einer rei vindicatio 15 - darauf ab, eine Herrschaft 14 Wilhelm. S. 19 ff; Jakobs. Eingriffserwerb, S. 48; Wolf, Stand der Bereicherungslehre. S. 3 und 9; Reuter-Martinek, S. II; Hammen, S. 187 ff. , 198 ff. 15 Savigny, Bd. V, S. 515; vgl. dazu Wilhelm, S. 19 ff; Jakobs, Eingriffserwerb. S. 48.
I. Lehre Savignys
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zu beseitigen, die von demjenigen ausgeübt wird, dem sie nicht gebührt. Der materiale Grund der Haftung aus ungerechtfertigter Bereicherung liegt demnach in der Rechtsverletzung durch rechtswidriges Haben. Nach Savigny haben alle Fälle "miteinander gemein die Erweiterung eines Vermögens durch Verminderung eines anderen Vermögens, die entweder stets ohne Grund" gewesen sei "oder ihren ursprünglichen Grund verloren" habe 16 • Für Savigny ist die Kondiktion nicht auf Erfüllung einer Rückgewährpflicht, sondern auf Beseitigung rechtswidrigen Habens gerichtet. Das Bereicherungsrecht hat danach die Aufgabe, ungerechtfertigte Vermögensmehrungen zugunsten desjenigen, auf dessen Kosten die Bereicherung erfolgt ist, beim Bereicherten abzuschöpfen 17 • Bei dieser Sichtweise ist dem Bereicherungsrecht und den Ansprüchen aus§ 985 BGB und aus§ 1004 BGB gemein, daß es in alldiesen Fällen darum geht, eine tatsächliche Verschiebung der von der Rechtsordnung bestimmten Vermögenslage rückgängig zu machen 18 • Ebenso wie bei§ 985 BGB und§ 1004 BGB das Entstehen der Eigentumsbeeinträchtigung nicht anspruchsbegründend wirke 9, wirken auch die Umstände, die zu dem vom Gesetz nicht gebilligten Vermögensvorteil geführt haben, im Recht der ungerechtfertigten Bereicherung nicht anspruchsbegründend. Der materiale Haftungsgrund besteht danach allein im Vorliegen einer aktuellen Beeinträchtigung des Eigentümers bei § 985 BGB und § 1004 BGB beziehungsweise eines aktuellen ungerechtfertigten Vermögensplus des Bereicherungsschuldners bei § 812 BGB. Nach dieser Auffassung entfällt der Anspruch aus § 985 BGB zwangsläufig mit dem Wegfall der aktuellen Beeinträchtigung des Eigentümers etwa durch die Besitzaufgabe des unrechtmäßigen Besitzers und der Anspruch aus§ 1004 I BGB mit der Beendigung der usurpierenden Position, und ebenso zwangsläufig entfällt der Bereicherungsanspruch mit dem Wegfall der Bereicherung20• Auf der Grundlage dieser Sichtweise ist § 818 III BGB die Sinnmitte des Bereicherungsrechts; der materiale Grund für die Haftung aus ungerechtfertigter Bereicherung läßt sich - in Anlehnung an die Terminologie bei § I 004 BG B - mit dem Begriff einer "negatorischen" A bschöpfung ungerechtfertigter Vermögensvorteile umschreiben. 16 Savigny, Bd. V, S. 525; eine im Grundsatz einheitliche Betrachtungsweise legen- wenn auch mit unterschiedlichen Akzentuierungen - heute noch an: Wilhelm, S. 173 ff: Frieser, S. 15 ff. 34 f: Kaehler, S. 154 ff; Kellmann, Gewinnhaftung. S. 97 ff: Wolf. Stand der Bereicherungslehre, S. 126 ff: MünchKomm.-Lieb. § 812 Rdnr. 4: Kupisch, Gesetzespositivismus im Bereicherungsrecht; Batsch. Vermögensverschiebung und Bereicherungsherausgabe in den Fällen unbefugten Gebrauchens bzw. sonstigen Nutzens von Gegenständen. 17 Koppensteiner-Kramer, S. 16. 18 Picker, Beseitigungsanspruch. S. 52; zustimmend in der bereicherungsrechtlichen Literatur Wilhelm, S. 22 Fußn. 25; Koppensteiner-Kramer, S. 16; Frieser, S. 25. 19 Vgl. die in Fußn. 18 Genannten; zur weithin vertretenen Gegenposition, die bei § 1004 BGB an das Verhalten des Störers und damit an das Entstehen der Eigentumsbeeinträchtigung anknüpft, vgl. etwa Münzberg, S. 375 fT mwN; auf diesen Meinungsstreit im Rahmen des § 1004 BGB ist zurückzukommen, vgl. 3. Kap., 5. Abschnitt mwN. 20 Frieser, S. 18 und S. 25; Wilhelm, S. 25 Fußn. 40. Zur Gegenposition vgl. I. Kap. 2. Abschnitt I.
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I. Kap., I. Abschn.: Abschöpfung der aufgedrängten Bereicherung
Die Gesetzesverfasser haben sich bei der Kodifikation des Bereicherungsrechts im BGB im wesentlichen auf die Lehre Savignys gestützt: Der l. Entwurf behielt zwar die Untergliederung des Vorentwurfes in verschiedene Bereicherungstatbestände bei; im Hinblick auf den Haftungsumfang sollte es letztlich entscheidend auf die Gesamtvermögenslage des Bereicherten ankommen und dieser sollte jede "im Kausalzusammenhang mit dem Empfange und Haben des Geleisteten" erlittene Vermögensminderung geltend machen können21 • Damit war die Haftung aus ungerechtfertigter Bereicherung ganz im Sinne Savignys auf die bloße Abschöpfung einer gleitenden Skala der noch vorhandenen Bereicherung gerichtet; dabei war die Entwicklung im Empfangervermögen infolge des Empfangs ebenso positiv zur Haftungserweiterung wie negativ zur Haftungsminderung gemäߧ 818 III BGB zu berücksichtigen22 • Daß dies der gesetzgeberischen Sichtweise entspricht, belegt die Diskussion in der Kommission für die zweite Lesung, in der Skepsis gegen eine Konzeption der ungerechtfertigten Bereicherung als gleichsam negatorischer Anspruch auf Abschöpfung ungerechtfertigter Vermögensvorteile laut wurde und zu dem Antrag führte: Der Schutz des Bereicherungsschuldners sei auf Verlust oder Untergang des erhaltenen Gegenstandes selbst zu beschränken. Habe er den Gegenstand zu individuellen Zwecken verwendet, so sei der Empfänger darüber hinaus ohne Rücksicht auf seine spätere Vermögensentwicklung zum Wertersatz verpflichtet 23 • Auch müsse es gleichgültig sein, wenn er im Vertrauen auf den erlangten Vermögenswert über sein sonstiges Vermögen disponiert habe, denn auch im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis könnten solche entfernteren Nachteile nicht vom gutgläubigen Besitzer auf den Eigentümer abgewälzt werden 24 • Die Kommissionsmehrheit lehnte diesen Antrag ab und folgte der gemeinrechtlichen Konzeption der Abschöpfungsfunktion des Bereicherungsanspruchs25. Anders als der Vorentwurf des Redaktors v. Kübel und als der erste Entwurf stellte die zweite Kommission in § 748 Abs. I einen allgemeinen bereicherungsrechtlichen Grundsatz auf, um das allgemeine, die ganze Lehre beherrschende Prinzip an die Spitze zu stellen26 • Die Frage, ob in der Gesetzesfassung einzelne Kondiktionstatbestände ausformuliert werden sollen oder ob die Priorität bei dem einheitlichen Prinzip liegen solle, auf dem das Bereicherungsrecht beruht, stufte die zweite Kommission bezeichnenderweise und mit Recht als eine ausschließlich an Praktikabilitätsgesichtspunkten orientierte Frage ein: es sei systematisch richtiger, "das allgemeine, die ganze Lehre beherrschende Prinzip an die Spitze zu stellen", wodurch die Vorschriften wesentlich an "Übersichtlich-
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Motive II, S. 837. Wilhelm, S. 38 f. Protokolle II, S. 702 f. Protokolle II, S. 704 f. Protokolle II, S. 706 f. Protokolle II, S. 684.
II. Konsequenzen für die aufgedrängte Bereicherung
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keit und Klarheit" gewönnen27. Die besondere Erwähnung der rechtsgrundlosen Leistung im allgemeinen Bereicherungstatbestand des § 812 BG B sollte nur den Hauptanwendungsfall verdeutlichen28 . Für das Verhältnis zwischen Bereicherungsgläubiger und Bereicherungsschuldner ist es danach anders als nach der heute herrschenden Trennungslehre gleichgültig, ob die Bereicherungaufgrund fehlgeschlagenen Vertrages oder aufgrtind eines nicht gerechtfertigten Eingriffes erfolgt; in beiden Fällen - und allein das ist nach dieser Lehre entscheidend erfolgt die Überführung eines Vermögenswertes ohne Billigung der Rechtsordnung29. II. Grundlegende Konsequenzen der gesetzgebensehen Sichtweise für die aufgedrängte Bereicherung
Speziell für die aufgedrängte Bereicherung ergeben sich auf der Grundlage der gesetzgeberischen Sichtweise einer "negatorischen" Abschöpfung ungerechtfertigter Vermögensvorteile folgende grundlegende Konsequenzen: I . Irrelevanz der Bereicherungsursache für die Haftungsbegründung und den Haftungsumfang
Die Rückführung aller Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung auf die einheitliche materiale Grundlage des abschöpfenden "Zurückforderns des aus unserem Vermögen Ausgegangenen", das der Bereicherungsschuldner rechtswidrig hat 30, hat zur Folge, daß die Bereicherungsursache für die Haftungsbegründung und erst recht für den Haftungsumfang anders als nach der sogleich noch darzustellenden "modernen" Bereicherungslehre keinerlei Relevanz erlangt. Damit ist die in der Einleitung aufgeworfene Frage, ob und gegebenenfalls nach welchen Kriterien das Verhalten des Gläubigers des Bereicherungsanspruchs, das Aufdrängen also, unmittelbar kondiktionsrechtlich zu sanktionieren ist, nach dieser Lehre eindeutig zu beantworten: diese Frage ist strikt zu verneinen. Die aufgedrängte Bereicherung hebt sich insoweit überhaupt nicht vom allgemeinen Bereicherungstatbestand ab. Das Faktum des Aufdrängensgleichgültig ob schuldlos oder schuldhaft - umschreibt den Bereicherungsvorgang, die Bereicherungsursache und ist damit für die Haftungsbegründung der ungerechtfertigten Bereicherung unerheblich, weil der Bereicherungsvorgang gerade kein materialer Gesichtspunkt für die Begründung der Bereicherungs27
2g 29 30
Protokolle JJ, S. 684. Protokolle II, S. 692. Frieser. S. 36. Savigny, Bd. V, S. 567.
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I. Kap., l. Abschn.: Abschöpfung der aufgedrängten Bereicherung
haftung darstellt. Danach vermag die Tatsache, daß der Bereicherungsgläubiger etwa vorsätzlich aufdrängte, für sich gesehen - also unabhängig von der Frage der Bereicherung - einen Kondiktionsausschluß nicht zu rechtfertigen. 2. Verbleibende Problematik der Wertberechnung unter dem Gesichtspunkt der Zumurbarkeif von Dispositionsänderungen
Während zu der in der Einleitung aufgeworfenen Frage der kondiktionsrechtlichen Sanktionierung des aufdrängend Bereichernden auf der Grundlage dieser Lehre somit eine klare - verneinende - Antwort zu geben ist, erweist sich die Bewältigung der anderen beiden Problemkomplexe der sachgerechten Bewertung eines nicht veranlaßten, nicht mehr herausgehbaren erlangten Etwas und des Dispositionsschutzes des Bereicherungsschuldners als schwierig. Dies sei an dem in der Einleitung angeführten Beispielsfall verdeutlicht, in dem A das brachliegende Nachbargrundstück des N bebaute. Hier stellt sich -rein bereicherungsrechtlich gesehen -die Frage, wie der Wert des erlangten Etwas nach § 818 II BGB zu berechnen ist. Stellt man allein auf die subjektive Wertschätzung des N ab, hätte A keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Würde N das bebaute Grundstück weder selbst nutzen, vermieten, verpachten noch etwa verkaufen, käme man unter strikter Anwendung der Abschöpfungsfunktion des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung in der Tat zu dem Ergebnis, daß A gegen N keinen Bereicherungsanspruch hat, weil sich die Vermögenslage des N durch die Bebauung auf der Grundlage seiner Disposition nicht verbessert hat. Auf der Grundlage der Verwendungsplanung des N bezüglich seines Grundstücks erweist sich die Bebauung als vermögensmäßig neutral oder gar nachteilig. Die Abschöpfung ungerechtfertigter Vermögensvorteile müßte demgemäß ins Leere gehen. Die sich aufdrängende Frage, ob es Fallgestaltungen gibt, in denen dem aufgedrängt Bereicherten angesonnen werden kann und aus Gerechtigkeitserwägungen heraus unter Zumutbarkeits- und Verhältnismäßigkeitskriterien auch angesonnen werden muß, seine Dispositionen zu ändern und den bereicherungsbehafteten eigenen Gegenstand nach seiner Wahl zu verkaufen oder selbst bereicherungsrelevant zu nutzen, wird im Ergebnis unabhängig vom jeweiligen bereicherungsrechtlichen Grundverständnis im Schrifttum allseits bejaht: Affektionsinteressen des Bereicherungsschuldners sollen von vornherein unberücksichtigt bleiben 31 ; im übrigen soll der aufgedrängt Bereicherte dann zum Ausgleich nach allgemeinen objektiven Grundsätzen verpflichtet sein, wenn es ihm unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zugemutet werden könne, seine Dispositionen auf die Nutzung der ihm zugeflossenen Bereicherung umzustellen und damit die objektive Wertsteige31 Pankow, S. 71: v. Rittberg, S. 125; Koller, OB 1974,2385,2458 steht aufdem Standpunkt. Affektionsinteressen seien dann beachtlich, wenn sie sich in wirtschaftlich objektivierbaren Entscheidungen niederschlagen.
II. Konsequenzen für die aufgedrängte Bereicherung
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rung seines bereicherungsbehafteten Gegenstandes zu realisieren 32 • Aus der gesetzgeberischen Sicht einer ..negatorischen" Abschöpfung ungerechtfertigter Vermögensvorteile läßt sich eine solche Obliegenheit zur Dispositionsänderung dogmatisch nicht unmittelbar herleiten. Eine fundamentale Schwierigkeit besteht darin, daß sich die .,negatorische" Abschöpfung ungerechtfertigter Vermögensvorteile ausschließlich auf das Vermögen bezieht, während die Frage nach der Zumutbarkeit einer Dispositionsänderung die immaterielle, also gerade nicht vermögensrechtliche Rechtsposition der Dispositionsfreiheit betrifft. Was das Verhältnis dieser beiden Komponenten Vermögen und Dispositionsfreiheit zueinander anbelangt, erlangen bei der "negatorischen" Abschöpfung ungerechtfertigter Vermögensvorteile im Grundsatz die Vermögenspositionen in dem Maße für den bereicherungsrechtlichen Haftungsumfang Relevanz, wie sie sich im Gesamtvermögen speziell des Bereicherten ~ also subjektsorientiert33 und damit unter grundsätzlicher Achtung der Verwendungsplanungen des Bereicherten - niederschlagen. Besonders deutlich zeigt sich dies, wenn man mit der Einheitslehre auf den Ersparnisgedanken 34 abstellt. Der Begriff der Ersparnis setzt geradezu denknotwendig voraus, daß der Bereicherte hypothetisch unter Hinwegdenken der ungerechtfertigten Bereicherung anderweitig ein Vermögensopfer erbracht hätte - er also eine entsprechende Vermögensdisposition getroffen hätte -, um einen der ungerechtfertigten Bereicherung vergleichbaren Vermögensvorteil zu erlangen. Gerade in den Fällen der aufgedrängten Bereicherung läßt sich eine solche hypothetische Vermögensdisposition und damit eine Ersparnis in den seltensten Fällen feststellen 35 . -'' MünchKomm.-Lieb. § 812 Rdnr. 264 ,.... Möglichkeit des Schuldners. sich auf den fehlenden Nutzen der Verwendung zu berufen, unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten normativ einschränkt ...": Koller. OB 1974, 2385, 2458 ,. ... Nutzungsplanung ... muß im Lichte der gesamten Vermögensverhältnisse vertretbar sein ...": Tückmantel. S. 76 ff: v. Rittberg. S. 116: Pinger, Funktion. S. 124 ,.Entscheidend ist sonach die wirtschaftliche Planung dessen. dem die Bereicherung aufgedrängt wurde. unter Berücksichtigung des Verkehrsüblichen"; StaudingerGursky, § 951 Rdnr. 44; Feiler, S. 101; MünchKomm.-Quack, § 951 Rdnr. 21 ... .. angemessenen Interessenausgleich nach Maßgabe der Situation des Einzelfalls ...": Ehlke, VersR 1980, 595, 599 f: Fikentscher. SehR,§ 99 V, 2 d: nach dem Gesetzesvorschlagvon König. Gutachten. S. 1515, 1524lautet die einschlägige Vorschrift des§ 3.2.,. Werbewußt oderirrtümlich Verwendungen auf Vermögensgegenstände eines anderen macht, kann von dem anderen Erstattung seiner Aufwendungen verlangen, soweit der andere dadurch unter Berücksichtigung seiner Vermögensplanung bereichert ist." 33 Aus der gesetzgeberischen Sichtweise der Abschöpfung ungerechtfertigter Vermögensvorteile kommt es nicht auf den objektiven Wert. sondern auf den subjektiven Wert der Bereicherung gerade für den Bereicherten an: vgl. umfangreiche Nachweise im I. Kap. 3. Abschnitt Il.3. 34 Vgl. ausführlich zum Ersparnisgedanken unten I. Kap., 3. Abschnitt II I und speziell im Zusammenhang mit der Rückgriffskondiktion unten 3. Kap., 3. Abschnitt II 3; Fischer. FS Zitelmann, S. 10 tf: Jakobs. Eingriffserwerb, S. 136 ff: Frieser, S. 191 tf. mit umfangreichen weiteren Nachweisen (S. 191 Fußn. 495). 35 Im Zusammenhang mit der aufgedrängten Bereicherung läßt sich mit dem Ersparnisgedanken jedenfalls bei der Rückgriffskondiktion ohne weiteres operieren, vgl. 3. Kap., 3. Abschnitt Il.3.; als problematischer erweisen sich die Fälle der Verwendungskondiktion.
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I. Kap., I. Abschn.: Abschöpfung der aufgedrängten Bereicherung
Die Anerkennung einer Obliegenheit zur Dispositionsänderung unter Zumutbarkeitskriterien zumindest in Extremfällen läßt sich mit der Theorie der "negatorischen" Abschöpfung ungerechtfertigter Vermögensvorteile bereicherungsrechtsimmanent zumindest nicht unmittelbar systemkonform begründen; vielmehr scheint gerade diese mit der aufgedrängten Bereicherung verbundene Problematik der Obliegenheit des Bereicherten zur Änderung seiner Verwendungsplanungen und die dogmatische Verankerung dieser Obliegenheit in der vermögensorientierten Grundkonzeption zum Prüfstein für die Richtigkeit dieser Theorie überhaupt zu werden 36• Es ist deshalb die Frage aufzuwerfen, ob sich die in Rechtsprechung und herrschender Lehre vollzogene Entwicklung der Bereicherungsrechtsdogmatik weg von der Abschöpfungskondiktion auf der Grundlage der Einheitslehre hin zur Auflösung des einheitlichen materialen Haftungsgrundes in disharmonische Regelungsziele auf der Grundlage der Trennungslehre37 im Grundsätzlichen38 und speziell im Hinblick auf die Problematik der aufgedrängten Bereicherung39 als plausibel und gegenüber der Beibehaltung der gesetzgeberischen Sichtweise als vorzugswürdig erweist.
36 An dieser Stelle soll es mit dem Aufzeigen der Problemstellung sein Bewenden haben: zur Lösung vgl. 2. Kap. 37 Vgl. I. Kap., 2. Abschnitt I. 38 Vgl. I. Kap., 2. Abschnitt II. 39 Vgl. I. Kap., 3. Abschnitt.
2. Abschnitt
Die Auflösung des einheitlichen materialen Grundes der Haftung aus ungerechtfertigter Bereicherung in disharmonische Regelungsziele im Rahmen der Trennungslehre I. Entwicklung und Aussagen der Trennungslehre
Von der gesetzgebefischen Sichtweise einer allgemeinen "negatorischen" Kondiktionshaftung auf Auskehrung unrechtmäßig innegehabter Vermögenswerte mit der Interpretation des § 818 III BGB als dem sinngebenden Element der Bereicherungshaftung weit abgerückt ist die heute herrschende Trennungslehre40, der auch der Bundesgerichtshof folgt 41 . Zurückgehend auf die Arbeiten von Wilburg42 und v. Caemmerer43 hat die sog. ,.moderne" Bereicherungslehre unter Verneinung eines einheitlichen materialen Grundes für jede Bereicherungshaftung einzelne Kondiktionstypen ausformuliert und anderen gesetzlichen Ausgleichsmechanismen gleichsam zugeordnet: so wird die Leistungskondiktion in Parallele zum Rücktrittsrecht 44 , die Eingriffskondiktion in Parallele zum Deliktsrecht 45 und die für die aufgedrängte Bereicherung relevante Verwendungs- und die Rückgriffskondiktion in Parallele zur Geschäftsführung ohne Auftrag46 gesetzt. Neben der Leistungs-, der Eingriffs-, der Verwendungs- und der Rückgriffskondiktion gibt es nach dieser Lehre noch eine ganze Reihe weiterer Kondiktionstypen wie etwa die Naturvorgangs- oder die Dritthandlungskondiktion47, um die kuriosesten zu nennen. Mit weiteren Entdeckungen ist zu
40 Grundlegend ftir die moderne Lehre erwiesen sich die Arbeiten von Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, und von v. Caemmerer, FS Rabel I, S. 333 ff; aus der heutigen Lit. vgl. nur Reuter-Martinek, S. 32 mwN und S. 59 ff; Staudinger-Lorenz, § 812 Rdnr. I; PalandtThomas, § 812 Anm. I; Jauemig-Schlechtriem. vor§ 812 Anm. I; Reeb. S. 2; Weitnauer, FS v. Caemmerer. S. 255; Medicus, BR, Rdnm. 664 f.; Gemhuber, BR, S. 389; Esser-Weyers, SehR Bd. II, BT. § 47, 3, S. 366 ff; vgl. auch die Zusammenstellung bei Wolf, Stand der Bereicherungslehre, S. 25 ff, der selbst Vertreter der Einheitslehre ist (S. 141 ff, 153m. 41 BGHZ 40, 272, 277; 48, 70, 73; 50, 227, 230; 58, 184, 188; 68, 276, 277; 72, 246, 248 f. 42 Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung. 43 v. Caemmerer, FS Rabel I, S. 333 ff. 44 Reuter-Martinek, S. 39; Esser-Weyers, SehR. Bd. li, BT, § 48 I, S. 372; MünchKomm.Lieb. § 818 Rdnr. 106; Lieb. S. 100. 45 König, Gutachten, S. 1515, 1550; Reuter-Martinek, S. 39 mwN. 46 König, Gutachten, S. 1515, 1564. 47 Vgl. dazu Reuter-Martinek, S. 56.
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l. Kap., 2. Abschn.: Trennungslehre
rechnen48 : der Reformentwurfvon König aus dem Jahr 1981 etwa enthält in§ 5 eine Generalklausel 49 mit der Begründung, diese Vorschrift solle es "den Gerichten ermöglichen, über die Grenzen einer Gesetzesanalogie hinaus neuartige Bereicherungstatbestände zu entwickeln" 50• Das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung stellt sich auf der Grundlage der "modernen" Bereicherungslehre letztlich als ein "Ausgleichssystem" ohne eigenständige materiale Grundlage dar 51, welches sich vielmehr aus einer größeren Anzahl ganz unterschiedlicher Ansprüche zusammensetzt. Anders als nach der gesetzgeberischen Sichtweise erlangt die Bereicherungsursache für die Haftungsbegründung und nach teilweise vertretener Auffassung auch für den Haftungsumfang52 Relevanz. Hand in Hand mit einer solchermaßen ausdifferenzierten Bandbreite verschiedener Kondiktionstypen auf der Tatbestandsseite bahnte sich auch im Hinblick auf die Rechtsfolgenseite der ungerechtfertigten Bereicherung eine Abkehr von der gesetzgebensehen Sichtweise an. Nach dem Verständnis der heute herrschenden "modernen" Bereicherungslehre ist der Bereicherungsanspruch nicht mehr am Vermögen des Bereicherungsschuldners orientiert, sondern gegenstandsorientiert darauf gerichtet, das konkret erlangte Etwas in das Vermögen des Bereicherungsgläubigers zurückzuholen53 • Nach dieser Sichtweise, die nicht mehr auf die aktuelle Bereicherung des Bereicherungsschuldners, sondern auf den konkreten Bereicherungsgegenstand und die Modalitäten, unter denen dieser ursprünglich in das Vermögen des Bereicherungsschuldners übergetreten ist, abstellt, stellt sich § 818 III BGB und damit die Bereicherung nicht mehr als das sinngebende Element des Bereicherungsrechts dar. § 818 IJI BGB soll auf dem Boden der heute herrschenden "modernen" Bereicherungslehre nur noch ausnahmsweise für den Fall, daß der Bereicherungsschuldner gutgläubig ist, anwendbar sein: das Vertrauen auf die Beständigkeit des Erwerbs soll über die Abzugsfahigkeit von Vermögensnachteilen nach § 818 III BGB bestimmen54 • 48 Frieser, S. 21, weist in diesem Zusammenhang darauf hin. daß die Anhänger der modernen Lehre den Gegensatz zur Einheitslehre vertiefen. indem sie die Aufspaltung des Bereicherungsanspruches immer weiter treiben und neue KondiktionsaTten entdecken. 49 König, Gutachten, S. 1515, 1525. 50 König, Gutachten. S. 1515, 1590. 51 Reuter-Martinek, S. 39. 52 König. Gutachten, S. 1515 ff; Reuter-Martinek. S. 520 ff. 53 v. Caemmerer, FS Rabell, S. 333, 368; Canaris, JZ 1971,560. 561; MünchKomm.-Lieb. § 812 Rdnr. 285; Goetzke. AcP 173,289, 309 ff; Hagen, FS Larenz, S. 869, 872; Soergel-Mühl. § 818 Rdnr. 52; Larenz, SehR BT, § 70 II, S. 575 ff; Esser-Weyers. SehR Bd. II. BT. § 51111. S. 422; Staudinger-Lorenz, § 818 Rdnm. I. 3; Wolf. Stand der Bereicherungslehre, S. 7ffmwN zum Meinungsstand; vgl. auch Koppensteiner-Kramer, S. 137, die Gegenstandsorientierung und subjektiven Wertersatz kombinieren. 54 Grundlegend v. Caemmerer, FS Rabell, S. 333 ff; Esser-Weyers, SehR Bd. II. BT, § 5111 I, S. 423; Larenz, SehR BT, § 70 II, S. 577 f.; Koppensteiner-Kramer, S. 136 f.; Reeb. S. 115; Palandt-Thomas, § 818 Anm. 6 A; Soergel-Mühl, § 818 Rdnrn. 37 ff; Aufteilung in Fallgruppen bei Staudinger-Lorenz, § 818 Rdnrn. 34 ff.
11. Kritik an der "modernen" Bereicherungslehre
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Die "moderne" Bereicherungslehre weiterentwickelt haben König im bereicherungsrechtlichen Teil des Gutachtens zur Überarbeitung des Schuldrechts und Reuter-Martinek, die letztlich auf der Grundlage der Trennungslehre die von ihnen angenommenen Differenzierungen zwischen den verschiedenen Kondiktionstypen auf der Tatbestandsebene in den Kondiktionsinhalt auf der Rechtsfolgeseite hinein verlängert haben 55 • Die Ursache der Bereicherung wird so nicht nur zum maßgeblichen Kriterium für die Haftungsbegründung, sondern auch für den Haftungsumfang des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung: so soll für die Bestimmung des Wertersatzes bei der Leistungskondiktion 56 und der Eingriffskondiktion57 der objektive und bei der Aufwendungskondiktion der subjektive58 Wert maßgeblich sein.
II. Kritik an der "modernen" Bereicherungslehre An dieser "modernen" Bereicherungslehre ist in jüngerer Zeit vermehrt Kritik zu konstatieren: eine an Zulauf gewinnende Mindermeinung59 hält entgegen der "modernen" Bereicherungslehre an der vermögensorientierten Sichtweise des Gesetzgebers fest, welcher der Bereicherung und damit§ 818 III BGB die zentrale Stellung im bereicherungsrechtlichen System zuwies und eine ungerechtfertigte, aktuell noch vorhandene Vermögensmehrung des Anspruchsgegners als zwingende Voraussetzung jedes Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung erachtete60 • Mit dem von der "modernen" Bereicherungslehre gewählten Ausgangspunkt einer unterschiedlichen Haftungsbegründung je nach der Bereicherungsursache wird der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung aus seiner Parallelität zu den Ansprüchen aus § 985 BGB und aus§ 1004 BGB herausgelöst 61 : der "negatorische" Charakter des Bereicherungsanspruchs wird negiert und § 818 III BGB, dem auf der Grundlage des "negatorischen" Abschöpfungsgedankens lediglich eine deklaratorische Funktion zukommt, weil die Kondiktionshaftung bereits per definitionem auf die Abschöpfung noch vorhandener unrechtmäßig innegehabter Vermögenswerte gerichtet ist, wird auf der Grundlage der Trenss Reuter-Martinek, S. 520 tT: König, Gutachten, S. 1515 fT. 56 König. Gutachten. S. 1515, 1522, § 1.4.(2) des Gesetzesvorschlages. 57 König. Gutachten, S. 1515, 1523. § 2.1.(1) des Gesetzesvorschlages. 58 König, Gutachten, S. 1515, 1524. § 3.2. des Gesetzesvorschlages. 59 Flume. FS Niedermeyer, S. 103, 147 f.: Jakobs, Eingritfserwerb, S. 48 tT und S. 137 f: Wilhelm, S. 62 fT und S. 173 tT: Frieser, S. 15 tT: Kaehler, S. 154 tT: Kellmann, Gewinnhaftung. S. 97 tT: Wolf, Stand der Bereicherungslehre, S. 126 ff: tendenziell auch MünchKomm.-Lieb. § 812 Rdnr. 4: ursprünglich auch die Rechtsprechung: RGZ 54, 137, 141: BGHZ I, 75. 81 f: BGH, NJW 1952, 417. 60 Vgt. oben I. Kap., I. Abschnitt I. 61 Auf diese Parallelität hingewiesen hat Picker, Beseitigungsanspruch. S. 52: zustimmend. Wilhelm, S. 22 Fußn. 25: Koppensteiner-Kramer, S. 16: Frieser, S. 25; vgl. oben I. Kap., I. Abschnitt I.
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l. Kap., 2. Abschn.: Trennungslehre
nungslehre als Ausdruck eines Privilegs des Gutgläubigen als Ausnahmevorschrift interpretiert. Zurückzuführen ist diese Sichtweise auf den Ausgangspunkt der herrschenden Lehre, bei§ 812 BGB und bei den§§ 818 IV, 819, 820 BGB handle es sich um ein und denselben Haftungstatbestand 62 • Daß diese Differenzierung der herrschenden Meinung im Rahmen des § 818 III BGB je nach Gutoder Bösgläubigkeit unzutreffend ist, hat Wilhelm unter Darlegung der geschichtlichen Entwickung nachgewiesen63 • Er hält das Verständnis des§ 818 III BGB als Privilegierung des Gutgläubigen gegenüber der normalen oder aus den "allgemeinen Vorschriften" folgenden Haftung auf das Erlangte oder seinen Wert für unrichtig. Nicht die allgemeine Haftung und das Privileg des Gutgläubigen, sondern die Herausgabehaftung des Gut- und des Bösgläubigen auf der einen Seite und die darüber hinausgehende Haftung des Bösgläubigen auf der anderen Seite stehen sich gegenüber64 • Deshalb sei innerhalb des§ 818 III BGB nicht zwischen Bös- und Gutgläubigkeit zu differenzieren. Vielmehr haftet der Bösgläubige nicht nur auf Auskehrung des erzielten Vermögensplus, sondern unabhängig davon über die §§ 818 IV, 819 BGB auf wertungsmäßig etwas ganz anderes, nämlich auf Schadensersatz. Nur bei einer solchen Interpretation des § 818 III BGB läßt sich dem "negatorischen" Charakter des Bereicherungsanspruchs und der daraus resultierenden Parallelität des Bereicherungsanspruchs zum negatorischen Anspruch aus§ 1004 BGB und aus§ 985 BGB Rechnung tragen: wie bereits aufgezeigt 65 , entfällt auch der Anspruch aus§ 985 BGB und aus § 1004 BGB mit der Beendigung der aktuellen Beeinträchtigung; im Bereicherungsrecht wird diese Selbstverständlichkeit von § 818 III BGB sogar ausdrücklich klargestellt. In beiden Fällen steht nicht eine Sanktion auf zurechenbares Verhalten, sondern lediglich eine Zustandskorrektur zur Debatte; deshalb kommt es bei der Bereicherungshaftung sowenig wie bei der Vindikation auf Gut- oder Bösgläubigkeit an 66 • Erst für die davon zu trennende Schadensersatzhaftung nach den§§ 989 ff. BGB einerseits und nach den§§ 818 IV, 819 I, 292, 989 BGB andererseits erlangt zurechenbares Verhalten und damit die Frage nach Gut- oder Bösgläubigkeit Relevanz67 • Im übrigen vermag die herrschende Lehre die von ihr gewählte Differenzierung bei der Anwendung des§ 818 III BGB je nach Gut- oder Bösgläubigkeit in der praktischen Rechtsanwendung nicht stringent durchzuführen, weil anderenfalls in bestimmten Fallkonstellationen eine unhaltbare Begünstigung des bösgläubigen Bereicherungsschuldners einträte68• Das zeigt sich an folgendem von Jakobs69 gebildeten Beispielsfall: 62
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Frieser, S. 87. Wilhelm, S. 182. Wilhelm, S. 182; zustimmend Frieser. S. 88 f. Vgl. oben I. Kap., I. Abschnitt I. Frieser, S. 89. Frieser, S. 89. Jakobs, Eingriffserwerb, S. 147 f; Koppensteiner-Kramer, S. 170 und 176.
II. Kritik an der "modernen" Bereicherungslehre
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"Wer sich etwa bereit erklärt hat, seine Hauswand als Reklamefläche für DM 50,- monatlich zu vermieten, während der ortsübliche Preis für eine derartige Fläche nur DM 30,- beträgt, der muß von demjenigen, der dieses Angebot als zu teuer ablehnt und dann eigenmächtig die Fläche in Benutzung nimmt, DM 50,- und nicht nur DM 30,- verlangen können". Wollte man in derartigen Fällen die gegenstandsorientierte Betrachtungsweise beibehalten und nur einen Anspruch auf den Verkehrswert des verwendeten Guts geben, so wäre damit praktisch ein Kontrahierungszwang zu angemessenem Preis anerkannt 70 • Daß die gegenstandsorientierte Betrachtungsweise mit ihrer Interpretation des § 818 III BGB als ausnahmsweises Privileg des Gutgläubigen jedenfalls nicht in allen Fällen der ungerechtfertigten Bereicherung haltbar ist, haben auch Reuter-Martinek 71 im Zusammenhang mit der Rückgriffskondiktion nachgewiesen: Hat B als Dritter im Sinn des § 267 BGB eine Schuld des A bei C bezahlt, so muß A gegenüber dem Rückgriff desBeinwenden können, er habeinfolge der Intervention des Beine Aufrechnungsmöglichkeit gegenüber dem inzwischen in Konkurs gefallenen C verloren. A hat hier die Befreiung seiner Verbindlichkeit gegenüber C erlangt und muß -vorbehaltlich der Anwendung des § 818 III BGB - Wertersatz leisten.§ 818 III BGB darfhier aber schon deshalb nicht als ausnahmsweises Privileg des Gutgläubigen interpretiert werden, weil bei der Rückgriffskondiktion Gut- oder Bösgläubigkeit des Bereicherungsschuldners von vornherein keine Rolle spielen dürfen, denn der Bereicherte vermag die Befreiung von seiner Verbindlichkeit gar nicht zu verhindern 72• Eine systemkonforme Überprüfung der Dogmatik der Trennungslehre auf der Grundlage ihrer eigenen Prämissen bestätigt die Vorbehalte: Die Unschlüssigkeit der Trennungslehre spiegelt sich wider in der Diskussion um die Frage, ob es eine abgeschlossene Anzahl verschiedener Kondiktionstypen gibt oder nicht 73; am offenkundigsten zum Ausdruck kommt sie im Reformentwurf zur Neuregelung des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung74 • Dieser Reformentwurf geht von drei Hauptfallgruppen aus (Leistungs-, Eingriffs- und Aufwendungskondiktion)75 und verknüpft mit diesen drei verschiedenen Haftungsbegründungen unterschiedliche Rechtsfolgen 76• § 5 des Gesetzesvorschlages77 Jakobs, Eingriffserwerb, S. 147 f: vgl. auch BGH, NJW-RR .I987, 231 f. Jakobs, Eingriffserwerb, S. 147 f; zustimmend Koppensteiner. NJW 1971, 1769, 1775: Koppensteiner-Kramer. S. 170 und 176: a.A. Canaris, JZ 1971, 561. 71 Reuter-Martinek, S. 521. 72 Reuter-Martinek. S. 521; zur Rückgriffskondiktion vgl. im einzelnen 3. Kap., 3. Abschnitt II. 73 Vgl. zu dieser Diskussion Reuter-Martinek. S. 56. 74 König, Gutachten. S. 1515 ff. 75 § I, 2 und 3 des Gesetzesvon;chlages von König, Gutachten. S. 1515, I 522 ff. 76 Unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben sich vornehmlich im Hinblick auf den Zeitpunkt der Wertberechnung und auf den Berechnungsmodus (objektiver-subjektiver Wert; Begrenfh
111
3 Reimer
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I. Kap., 2. Abschn.: Trennungslehre
enthält eine Generalklausel mit dem Wortlaut " Wer in anderer Weise als nach §§ 1-4 auf Kosten eines anderen bereichert worden ist, hat dem anderen das Erlangte herauszugeben, wenn die Bereicherung ungerechtfertigt ist. Die in den §§ 1-4 über den Inhalt des Bereicherungsanspruchs aufgestellten Regeln finden entsprechende Anwendung." Die Verweisung hinsichtlich des Bereicherungsinhaltes in § 5 S 2 des Gesetzesvorschlages auf die §§ 1-4 erweist sich in soweit als unpraktikabel, als in den §§ 1-4 des Gesetzesvorschlages der Bereicherungsinhalt je nach Kondiktionstyp völlig unterschiedlich bestimmt ist 78 • Weit schwerer wiegt, daß die §§ 1-4 die Kondiktionstypen gerade nach der Ursache der Bereicherung aufgliedern und der jeweiligen Bereicherungsursache eine haftungsbegründende Funktion beimessen. Die Anknüpfung an eine Bereicherung "in sonstiger Weise" in § 5 S 1 des Gesetzesvorschlages negiert die Prämisse einer haftungsbegründenden Wirkung der jeweiligen Bereicherungsursache wieder. Worin der materiale Grund der Bereicherungshaftung nach§ 5 S 1 bestehen soll, läßt sich aus dem Gesetzestext nicht erschließen. Die für die Generalklausel gegebene- inhaltsleere- Gesetzesbegründung79 bestätigt die dargelegten Bedenken: "... Für weitere Fallgestaltungen, die sich in Zukunft ergeben können, muß der Bereicherungsanspruch aber offengehalten werden .. . Die Rechtssicherheit wird dadurch nicht gefährdet. . .. § 5 soll es den Gerichten ermöglichen, über die Grenzen einer Gesetzesanalogie hinaus neuartige Bereicherungstatbestände zu entwickeln." Als drittes schließlich vermag die Trennungslehre auch bei der praktischen die gerade mit der Aufspaltung des Bereicherungsrechts in Kondiktionstyp~ entstandenen Schwierigkeiten nicht überzeugend auszuräumen. Nur hingewiesen sei auf die schon vielfach in der Lehre abgehandelten, noch weitgehend ungelösten Problemfelder der "modernen" Bereicherungslehre, welche für die vorliegende Thematik der aufgedrängten Bereicherung weitgehend irrelevant sind: Abgrenzung zwischen den einzelnen Kondiktionstypen 80; Dogma der Subsidiarität der Eingriffskondiktion gegenüber der Leistungskondiktion81; Bestimmung der Leistung aus der Sicht des Leistenden oder des Leistungsempfängers82 . Daß die Trennungslehre gerade auch im Zusammenhang mit der Problematik der aufgedrängten Bereicherung nicht zu überzeugenden Lösungen führt, soll im nachfolgenden Abschnitt näher ausgeführt werden. Rechtsanwendu~
zung der Aufwendungskondiktion auf tatsächlich getätigte Aufwendungen; verschuldensahhängige Gewinnhaftung bei der Eingriffskondiktion). 77 König. Gutachten, S. 1515~ 1525. 78 Vgl. oben Fußn. 76. 79 König, Gutachten, S. 1515, 1590. lll Zur Frage der Abgrenzung zwischen Leistungs- und Nichtleistungskondiktion vgl. etwa Soergel-Mühl, § 812 Rdnr. 62 mwN. 81 BGHZ 40, 272, 278; Soergel-Mühl, § 812 Rdnr. 34; Esser-Weyers, SehR Bd. II, BT, §50 IV, S. 413; zur Kritik vgl. etwa MünchKomm.-Lieb, § 812 Rdnm. 21 f; Picker, NJW 1974, 1790ff. mwN; Wolf, Stand der Bereicherungslehre, S. 173 ff mwN; Schnauder, S. 121 ff; und neuestens Thielmann, AcP 187 (1987), 23 ff. 82 BGHZ 40, 272, 278; vgl. etwa Reuter-Martinek, S. 104 mwN; Soergel-Mühl, § 812 Rdnm. 45 ff. mwN; zur Kritik vgl. etwa Wilhelm, S. 150 tf; Picker, NJW 1974, 1790 ff. mwN.
3. Abschnitt
Verfehlte Konsequenzen der "modernen" Bereicherungslehre für die aufgedrängte Bereicherung I. Gegenstands- oder Vermögensorientierung des Bereicherungsanspruchs unter Vergleich der analogen Problematik im Schadensersatzrecht 1. Problemstellung der Gegenstands- oder Vermögensorientierung und ihre Relevanz für die aufgedrängte Bereicherung
Wie bereits in der Einleitung angedeutet, ist die Beantwortung der in Rechtsprechung und Lehre umstrittenen 83 Frage, ob der Bereicherungsanspruch grundsätzlich an dem durch den Bereicherungsvorgang bewegten konkreten Bereicherungsgegenstand oder im Einklang mit der Sichtweise des Gesetzgebers an dem aktuellen ungerechtfertigten Vermögensplus ausgerichtet, kurz: ob der Bereicherungsanspruch grundsätzlich gegenstands- oder vermögensorientiert ist, gerade für die vorliegende Thematik der aufgedrängten Bereicherung von entscheidender Bedeutung. Reuter-Martinek sehen das Problem der aufgedrängten Bereicherung durch eine Vermögensorientierung des Bereicherungsanspruchs als vollständig gelöst an und werfen der herrschenden Lehre vor, aufgrund ihrer verfehlten gegenstandsorientierten Betrachtungsweise entstehe überhaupt erst die Problematik der aufgedrängten Bereicherung: "Die Rede von der aufgedrängten Bereicherung suggeriert also Problemstandorte, die es gar nicht gibt. Was als Problem der aufgedrängten Bereicherung firmiert, ist in Wirklichkeit ein Problem des Maßstabs bei der Bestimmung des vom Erwerber Erlangten" 84 • Aus dem Gesetzeswortlaut lassen sich zur Kontroverse Gegenstands- oder Vermögensorientierung keine Schlüsse ziehen. Der Begriff "bereichert" findet sich in der Paragraphenfolge erstmals in§ 818 III BGB, wobei der Gesetzgeber ganz bewußt 85 daraufverzichtet hat, den Begriff der "Bereicherung" festzuschreiben. Der dem Einwand mangelnder Bereicherung unterworfene Zum Meinungsstand vgl. nachfolgend im Text. Reuter-Martinek, S. 546, ähnlich S. 542 .. Rechtsprechung und Schrifttum erörtern das Problem freilich überwiegend nicht unter dem Gesichtspunkt, daß das erlangte Etwas nicht gegenständlich, sondern vermögensbezogen (= vor dem Hintergrund der Gesamtvermögensplanung des Schuldners) zu bestimmen sei. Vielmehr nehmen sie ein Sonderproblem der aufgedrängten Bereicherung an, ...". 85 Motive II, S. 837 ..... wie hinsichtlich des Begriffes der Bereicherung überhaupt in den denkbar verschiedenen Fällen, darf der Wissenschaft und Praxis nicht vorgegriffen werden". 83 84
3*
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l. Kap., 3. Abschn.: Aufgedrängte Bereicherung und Trennungslehre
Anspruch ist expressis verbis weder primär (§§ 812 I, 816 I BGB) noch sekundär (§ 818 II BGB) auf Herausgabe eben dieser Bereicherung gerichtet, sondern einerseits auf das Erlangte, andererseits auf Wertersatz. Daraus wurde vereinzelt der Schluß gezogen, der Gesetzeswortlaut lege hinsichtlich der Anspruchsbegründung eine gegenstandsorientierte und hinsichtlich der Anspruchsvernichtung eine abstrakt-vermögensorientierte Betrachtungsweise nahe und führe so zu einem Systembruch86• Es wurde aber bereits dargelegt 87, daß der Gesetzgeber insgesamt von einer abstrakt-vermögensorientierten Sichtweise ausging88• Danach ist § 812 BGB aus § 818 III BGB heraus zu korrigieren, so daß als "erlangt" nicht der gegenständlich zugeflossene konkrete Vorteil anzusehen ist, sondern erst der endgültige Vermögensüberschuß, der sich aus der Differenz aller tatsächlichen Vor- und Nachteile des Bereicherungsanspruchs und der hypothetischen Vermögenslage ohne ungerechtfertigte Bereicherung ergibt 89• Nach der heute herrschenden90 gegenstandsorientierten Betrachtungsweise ist die Funktion des Kondiktionsanspruchs dagegen im Ausgleich irregulärer Vermögenszuordnungen zu erblicken, wobei§ 818111 BGB lediglich als ausnahmsweises Privileg des Gutgläubigen zur Anwendung gelangen soll.
So schon Fischer, FS Zitelmann. S. 10 ff; Rengier, AcP 177, 418, 432. Vgl. oben l. Kap., I. Abschnitt I. 88 An dieser gesetzgebensehen Entscheidung halten auch heute noch fest Flome. FS Niedermeyer, S. 103, 148 ff: ders., NJW 1970, 1161, 1162; Jakobs, Eingriffserwerb. S. 48 ff.. 137 f: Wilhelm, S. 62 ff; BGB-RGRK-Heiman-Trosien, § 818 Rdnr. 24; Frieser. S. 26; abstrakt-vermögensorientiert entschied ursprünglich auch die Rechtsprechung: RGZ 54, 137, 141; BGHZ I. 75, 81 f; BGH, NJW 1952, 417; so auch grundlegend Fischer, FS Zitelmann. S. 10 ff: •.... Nicht auf das Erlangte, sondern auf die Bereicherung haftet der Schuldner. § 812 ist nach dieser Richtung durch die vorhergehende Titelüberschrift und durch§ 818 Abs. 3 zu berichtigen. Der Kondiktionsschuldner soll also durch die Erfüllung seiner Verpflichtung nicht ärmer werden. als er ohne den sine-causa-Erwerb gewesen wäre . .Die Komparative "reicher", "ärmer", mit denen die Kondiktionen operieren müssen. legen nkht nur sprachlich, sondern der Natur der Sache nach einen Vergleich zugrunde. Verglichen wird das gegenwärtige Vermögen des Kondiktionsschuldners mit demjenigen Vermögen. welches der Schuldner jetzt besessen haben würde. wenn er nicht in der Vergangenheit ohne gerechtfertigten Grund auf Kosten des Gläubigers einen Gegenstand erworben oder eine Ausgabe vermieten hiitte. Der Vergleich führt zu einer Dijferenzrechnung, es wird ein id. quod interest, geschuldet . ..". 89 Frieser, S. 180 ff, 191 ff. 195 ff, der unter vergleichender Betrachtung zum Schadensersatzrecht die Relevanz hypothetischer Kausalverläufe darlegt und mit dem Ersparnisgedanken operiert: anders Flume, der für eine Restriktion des § 818 111 BGB plädiert, wenn der Bereicherungswegfall auf einer "vermögensmäßigen Entscheidung" des Bereicherungsschuldners beruht, vgl. Flume. FS Niedermeyer, S. 103, 154 f; ders., NJW 1970, 1161, 1163; zustimmend Wilhelm, S. 48 f und 62; zur Kritik vgl. insb. Frieser, S. 180 ff; Reuter-Martinek. S. 584 f; MünchKomm.-Lieb, § 818 Rdnr. 59. lll Grundlegend v. Caemmerer. FS Rabell, S. 333, 368; Larenz, SehR &T, § 70 II, S. 576; MünchKomm.-Lieb, § 818 Rdnrn. 49 f; Erman-Westermann, § 812 Rdnr. 3; Flessner, S. 102 f; Rengier, AcP 177, 418, 431 ff; Goetzke. AcP 173, 289, 311; Koppensteiner-Kramer. S. 128; Lieb. S. 99 ff; Canaris, JZ 1971,560, 561; Hagen, FS Larenz, S. 869, 872; Soergel-Mühl. § 818 Rdnr. 52; Esser-Weyers, SehR Bd. II, BT, § 51 11.1., S. 422; Staudinger-Lorenz, § 818 Rdnm.l.3. 116
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I. Gegenstands- oder Vennögensorientierung
37
Die Frage, welchen Umfang der Anwendungsbereich des§ 818 III BGB einnimmt, wird auch von den Vertretern der gegenstandsorientierten Betrachtungsweise nicht ganz einheitlich beantwortet. Die herrschende Lehre stellt auf Vertrauensschutzerwägungen ab: das Vertrauen auf die Beständigkeit des Erwerbs soll über die Abzugsfähigkeit von Vermögensnachteilen nach § 818 III BGB bestimmen91 • Zum Teil wird in der Berücksichtigungsfähigkeit bereicherungsmindernder Nachteile ein schadensersatzrechtliches Problem gesehen, sei es, daß schadensersatzrechtliche Kategorien innerhalb des § 818 III BGB angesiedelt werden92, sei es, daß für eine Ausgliederung aus § 818 III BGB und eine Ausgestaltung als selbständige Gegenansprüche plädiert wird 93• Im jüngeren Schrifttum ist vielfach die Tendenz festzustellen, von einem quasi normativen Bereicherungsbegriff - ähnlich dem sogenannten normativen Schadensbegriff - auszugehen und wie auch im Schadensersatzrecht einzelne Fallgruppen anrechnungsfähiger und nicht anrechnungsfähiger Nachteile herauszuarbeiten94 • Die Gründe für die Abwendung der herrschenden Lehre von der vermögensorientierten Betrachtungsweise des historischen Gesetzgebers hin zur gegenstandsorientierten Betrachtungsweise sind vielfältig: Ganz entscheidende Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Tatsache zu, daß sich nach herrschender Lehrewie bereits aufgezeigt 95 -die Funktion des Bereicherungsrechts erheblich gewandelt hat, nämlich weg von der Abschöpfungsfunktion auf der Grundlage der Einheitslehre hin zu völlig verschiedenen dogmatischen Grundlagen der verschiedenen Kondiktionstypen auf der Basis der Trennungslehre. Die Rechtsprechung verfolgt weder eine strikte Gegenstandsorientierung noch eine strikte Vermögensorientierung des Bereicherungsanspruchs; sie differenziert zwischen dem gutgläubigen und dem bösgläubigen Bereicherungsschuldner. Fürden Gutgläubigen hat die Rechtsprechung die Sicht des historischen Gesetzgebers beibehalten und aus § 818 III BGB als dem obersten Grundsatz des Bereicherungsrechts abgeleitet, daß die Herausgabepflicht des Bereicherungsschuldners grundsätzlich nicht zu einer Verminderung seines Vermögens über den Betrag seiner wirklichen (und noch vorhandenen) Bereicherung hinaus führen da~. Dagegen hat sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom ursprünglich vermögensorientierten Verständnis des Bereicherungsanspruchs für den bösgläubigen Bereicherungsschuldner entfernt; dieser hafte nach den §§ 818 IV, " 1 Vgl. grundlegend v. Caemmerer. FS Rabe! I, S. 333 ff: Esser-Weyers, SehR Bd. II, BT. §51 li I, S. 423: Larenz, SehR BT, § 70 li, S. 577 f; Koppensteiner-Kramer, S. 136 f; Reeb. S. 115; Palandt-Thomas, § 818 Anm. 6 A; Soergei-Mühl, §818 Rdnm. 37fT; Aufteilung in Fallgruppen bei Staudinger-Lorenz. § 818 Rdnm. 34 ff. 92 Flessner, S. 103 ff. 93 Rengier, AcP 177, 418, 432 ff. 431! ff. 94 Reuter-Martinek, S. 582 f. mwN; MünchKomm.-Lieb, § 818 Rdnr. 59 ff; Flessner, S. 112 ff; Hagen, FS Larenz, S. 867, 881 ff. "5 Vgl. oben I. Kap., 2. Abschnitt I. 96 BGHZ I, 75, 81 ; BGHZ 55, 128, 131; BGH. WM 1978, 708, 711; BGH. NJW 1981, 2687, 2689.
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I. Kap., 3. Abschn.: Aufgedrängte Bereicherung und Trennungslehre
819 BGB und könne sich auf einen Wegfall der Bereicherung gemäߧ 818 III BGB nicht berufen97 • 2. Die Naturalrestitution als Argument für die Gegenstandsorientierung im Schadensersatz- und im Bereicherungsrecht?
Zur Begründung der gegenstandsorientierten Betrachtungsweise berufen sich ihre Vertreter vornehmlich auf den Wortlaut des§ 812 BGB: das Tatbestandsmerkmal "etwas erlangt" lege eher eine gegenstandsorientierte Betrachtungsweise nahe98 • Gegen eine konsequent durchgeführte rein vermögensorientierte Betrachtungsweise spreche, daß nach ihr - wie eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs99 zeige - ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung auf rechtsgrundlos erlangte immaterielle Rechtsgüter ausscheide. In besagter höchstrichterlicher Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof in der Tat auf der Grundlage einer vermögensorientierten Betrachtungsweise einen Anspruch auf Herausgabe einer schriftlichen Ehrenerklärung mit dem Argument abgelehnt, das Papier, auf das die Erklärung des Klägers geschrieben sei, stelle in der Hand des Beklagten keinen Vermögenswert dar. Diese Entscheidung wird heute fast ausnahmslos ablehnend beurteilt 100; und diese Ablehnung besteht völlig zu Recht, denn der Sachverhalt läßt sich zwanglos unter den Wortlaut des§ 812 I l BGB subsumieren, und eine vom Wortlaut abweichende Auslegung ist unter teleologischen Gesichtspunkten nicht zu rechtfertigen. Allerdings läßt sich die Verfehltheit dieser Entscheidung schwerlich als Kritikpunkt einer richtig verstandenen Vermögensorientierung ins Feld führen 101 • Das beweist schon ein vergleichender Blick zum Schadensersatzrecht.
97 BGHZ 55, 128, 133, 135; BGHZ 57, 137, 150 f; BGHZ 72, 252, 256; BGH, NJW 1981, 2687, 2689; BGH, NJW 1987, 2700, 2701. 98 MünchKomm.-Lieb, § 812 Rdnr. 284; Hagen, FS Larenz, S. 869, 877, Fußn. 41 a. 99 BGH, NJW 1952, 417. 100 Koppensteiner-Kramer, S. 121; Pinger, MDR 1972, 102; Batsch, S. 105 Fußn. 429; Keilmann, NJW 1971, 864; MünchKomm.-Lieb, § 812 Rdnr. 287; Reuter-Martinek, S. 528; Erman-Westermann, § 812 Rdnr. 6; König, Gutachten, S. 1515, 1541; Frieser,S. 63 Fußn. 232; Zustimmung findet der BGH dagegen bei Larenz, SehR BT, § 68, S. 521 Fußn. I; BGBRGRK-Heiman-Trosien, § 812 Rdnr. I. 101 Wie weit die Vermögensorientierung letztlich geht, ist nicht unbestritten: so kritisiert etwa Frieser, S. 59 an der Auffassung Aumes und Wilhelms, daß aus deren Sicht kein Anspruch auf den konkreten ursprünglich zum Gläubigervermögen gehörigen und jetzt sich im Schuldnervermögen befindlichen Gegenstand bestehe; damit leugne diese Lehre den ausdrücklichen Willen des Gesetzes. den ausgegangenen Gegenstand ins Ausgangsvermögen zurückzuholen.
I. Gegenstands- oder Vennögensorientierung
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(a) Zur Vergleichbarkeit zwischen Schadensersatz- und Bereicherungsrecht Die Regelung in den§§ 812, 818 BGB weist- wie schon vielfach festgestellt wurde 102 - unverkennbare Parallelen zum Schadensersatzrecht nach den §§ 249 ff. BGB auf 103. Beidesmal steht die ,.Naturalherausgabe beziehungsweise -Wiederherstellung" im Vordergrund; und in beiden Fällen tritt bei ihrer Unmöglichkeit Ersatz in Geld an ihre Stelle. Der Schadensersatzhaftung und der Bereicherungshaftung auf der Grundlage der Einheitslehre ist gemein, daß sich beide als Reaktion auf die ,.Verletzung eines geschützten Interesses" darstellen 104. Unterschiede bestehen insoweit, als beim Schadensersatzanspruch ein Verlust und beim Bereicherungsanspruch ein Vorteil ausgeglichen werden soll; in der Konsequenz dieser Differenz liegt es, daß der Schadensersatz an den Rechtsgütern des anspruchsberechtigten Geschädigten und daß der Bereicherungsausgleich an den Rechtsgütern des anspruchsverpflichteten Bereicherten anknüpft. Bereicherungs- und Schadensausgleich verhalten sich mithin spiegelbildlich zueinander105; unterschiedliche Berechnungsmethoden signalisieren daher - wie Koppensteiner zutreffend ausführt 106 - eine Unstimmigkeit. Angesichts dieser Konformitätsvermutung 107 der Berechnungsmethoden überrascht es, daß im Schadensersatzrecht ein derart prinzipieller Streit zwischen Vermögens- und Gegenstandsorientierung der Schadensberechnung- jedenfalls heute - nicht mehr festzustellen ist. Mit einer Besonderheit des Bereicherungsrechts in Form des Wegfalls der Bereicherung läßt sich dies jedenfalls nicht erklären; denn auch im Schadensersatzrecht tritt bisweilen das spiegelbildliche 102 Grundlegend Fischer, FS Zite!mann; Hagen, FS Larenz, S. 869fT; Frieser, S. 28fT. mwN; Koppensteiner, NJW 1971, 1769; Reuter-Martinek, S. 61 und 516; ähnlich Pankow, S. 77; v. Rittberg, S. 122 f; Schmidt, Aktionsberechtigung, S. I05; Jakobs. Eingriffserwerb. S. 139; v. Mayr, S. 625; Ehlke. WM 1979, 1022. 1029; .. Da die bereicherungsrechtliche Lösung der Abschöpfungsfunktion verpflichtet ist, zielt diese Materie ebenso wie das Schadensersatzrecht auf Wiederherstellung eines status quo." 103 Grundlegende Abhandlung über die Vergleichbarkeit der beiden Rechtsinstitute bereits bei Fischer, FS Zitelmann (eher skeptisch) und ausjüngerer Zeit Hagen, FS Larenz, S. 869 ff; Jahr, AcP 183, 725 (befürwortend); auf die Frage des Vermögensbegriffs beschränkt vgl. auch Ostendorf. BB 1973, 822; Jakobs, Eingriffserwerb, S. 139; grundlegend zur gesamten Problematik jüngst Frieser, Der Bereicherungswegfall in Parallele zur hypothetischen Schadensentwicklung, 1987, insb. S. 33 ff. zur gemeinsamen Haftungsstruktur vor dem Hintergrund einer monokausalen Erklärung beider Haftungen; vgl. nachfolgend im Text. 104 So mit Recht Frieser, S. 37, der an der gegenstandsorientierten Ansicht zutreffend kritisiert, diese leugne eine mögliche Parallele zum Schadensersatzrecht, vgl. dazu Frieser, S. 19 mwN. 105 Besonders markant zeigt sich dies in den jeweils höchst umstrittenen Problemkreisen der Schadensersatzfähigkeit zeitweiligen Nutzungsausfalls einer Sache auf der einen und der bereicherungsrechtlichen Problematik der Feststellung des erlangten Etwas bei den Gebrauchsüberlassungsfällen auf der anderen Seite; zu diesem Zusammenhang vgl. insb. Jahr, AcP 183, 725 ff. u. Hagen, FS Larenz, S. 869, 876 f. 106 Koppensteiner, NJW 1971, 1769. 107 Hagen, FS Larenz, S. 869, 884; eher kritisch Fischer, FS Zitelmann, S. 23 ff; Koller, DB 1974, 2458; Ostendorf, BB 1973, 822 ff.
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l. Kap., 3. Abschn.: Aufgedrängte Bereicherung und Trennungslehre
Phänomen des Wegfalls des Schadens auf- zu denken ist hier etwa an manche Fälle der Vorteilsausgleichung 108• Im Grundsatz stellt sich auch im Schadensersatzrecht die Frage, ob der Schaden gegenstandsorientiert oder vermögensorientiert zu bestimmen ist. Dieser Gegensatz von gegenstands- und vermögensorientierter Betrachtungsweise des Schadens beherrschte ursprünglich auch im Schadensersatzrecht die Diskussion. (b) Überlagerung von Gegenstands- und Vermögensorientierung im Schadensersatz- und im Bereicherungsrecht Nach der auf Mommsen zurückgehenden Differenzhypothese ist der Schaden aus einer Gesamtvermögensdifferenz zu berechnen und damit von einer Vermögensorientierung auszugehen. Besonderer Erwähnung bedarf freilich, daß bereits Mommsen feststellte: "Da der Sachwerth denjenigen Werth repräsentiert, welche die Sache für einen Jeden hat, so muß die Sache zum Mindesten diesen Werth immer auch für den Gläubiger haben" 101• Andere sahen im Schadensersatzanspruch einen Rechtsfortwirkungsanspruch hinsichtlich des konkreten geldwerten Guts und berechneten darauf aufbauend den Schaden generell objektiv gegenständlich am verletzten Einzelgut unabhängig vom Interesse gerade des Geschädigten 110• Heute besteht im Ergebnis Einigkeit darüber, daß sich weder die Differenzhypothese noch die Einzelgutstheorie in Reinkultur konsequent durchführen lassen 111 • Im einzelnen läßt sich die Lage im Schadensersatzrecht folgendermaßen skizzieren: Der Schadensersatzanspruch ist- so wird vielfach behauptet- primär, nämlich im Hinblick auf die Naturalrestitution nach § 249 BGB, gegenstandsbezogen; der Begriff "Zustand" in § 249 SI BGB beziehe sich auf den tatsächlichen Zustand des verletzten Gutes und nicht auf einen in einer Geldsumme berechneten Vermögensstand des Geschädigten 112• Restitution nach§ 249 BGB bedeutet im ursprünglichen gesetzgeberischen Verständnis "die Beseitigung der Schadensquelle durch Herstellung einer dem verletzten Recht oder Rechtsgut 108 Schon v. Mayr, S. 625 wies auf die Spiegelbildlichkeit von Vorteilsausgleichung im Schadensersatzrecht und Nachteilsausgleichung im Bereicherungsrecht hin: im Schadensersatzrecht verstehe man unter der Vorteilsausgleichung die dem Ersatzpflichtigen unter gewissen Voraussetzungen zugebilligte Anrechnung des Gewinns auf den Schaden. während es im Bereicherungsrecht gerade umgekehrt um die Abrechnung des dem Bereicherten erwachsenen Schadens von seiner Bereicherung gehe; vgl. zu diesem Problemkomplex auch Frieser, S. 30f. mwN. 109 Mommsen, S. 17. 110 Grundlegend Neuner, AcP 133, 277, 293 ff. 111 So ausdrücklich Gemhuber, BR, S. 353; die herrschende Lehre geht von einer modifizierten Differenzhypothese aus, vgl. etwa Hagen, FS Larenz, S. 869, 872 ff. mwN; PalandtHeinrichs, Vorbem. v. § 249, Anm. 2 b); Staudinger-Medicus, § 249 Rdnm. 5 ff; BGH, NJW 1987, 50, 51; vgl. auch nachfolgend im Text. 112 Larenz, SehR AT, § 28 I, S. 384.
I. Gegenstands- oder Vermögensorientierung
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entsprechenden Lage"m. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, daß Schadensersatz nach § 249 BOB nicht nur bei Vermögens-, sondern auch bei Nichtvermögensschäden gewährt wird. Auf der Grundlage einer rein vermögensorientierten Betrachtungsweise im Sinne einer Differenzhypothese ließe sich der Anspruch auf Naturalrestitution bei Nichtvermögensschäden nicht erklären 114• Während die Wertersatzhaftung nur das Gesamtvermögen summenmäßig auf den ursprünglichen Level zurückführt, schützt die Naturalrestitution weitergehend auch die konkrete Zusammensetzung des Vermögens. Dem grundsätzlichen Vorrang der Naturalrestitution im Sinne einer Gegenstandsorientierung vor der Wertersatzhaftung liegt die unmittelbar einleuchtende Gerechtigkeitsidee zugrunde, daß dasjenige, was genommen wurde, auch wieder zurückgegeben werden soll 115• Die Naturalrestitution ist der "praktischste, vollkommenste und damit gerechteste Weg der Rechtswiederherstellung" 116• Diese gegenstandsorientierte Betrachtungsweise der Naturalrestitution ist aber mannigfach von einer abstrakt-vermögensorientierten Betrachtungsweise überlagert: Zugunsten des Geschädigten hat der Gesetzgeber in § 252 BOB ausdrücklich festgelegt, daß der Geschädigte neben der Wiederherstellung seiner Rechtsgüter auch einen durch die Schädigung entgangenen Gewinn ersetzt verlangen kann. Zum Nachteil des Geschädigten wird die gegenstandsbezogene Naturalrestitution durch eine abstrakt-vermögensorientierte Betrachtungsweise etwa in den von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Fällen der Vorteilsausgleichung überlagert 117 • Die Vorteilsausgleichung bewirkt eine Schmälerung des Schadensersatzanspruchs um Vorteile, die dem Geschädigten in einem qualifizierten Kausalzusammenhang mit dem Schadensereignis zugute kamen und mit dem Nachteil gewissermaßen zu einer Rechnungseinheit verbunden sind. Dies gilt für die Naturalrestitution nach § 249 BOB gleichermaßen wie für den Geldersatz nach § 251 BGB. Gegenstands- und vermögensorientierte Betrachtungsweise überlagern sich hier gewissermaßen: Der Schädiger hat grundsätzlich gegenstandsorientiert Naturalrestitution zu gewähren; die Durchführung der Naturalrestitution darf aber abstrakt vermögensorientiert gesehen auf der Grundlage einer Gesamtvermögensbilanz im Sinn der Differenzhypothese nicht zu einer wertmäßigen Überkompensation des Schadens führen. Welche Vorteile sich der Geschädigte im Einzelfall anrechnen lassen muß, ist aufgrundeiner wertenden Entscheidung zu bestimmen (normativer Schadensbegriff) 118 • Vgl. nur Soergei-Mertens, Rdnr. 37 vor§ 249 mwN. Diese Problematik entspricht der soeben erörterten bereicherungsrechtlichen Problematik der Herausgabe einer Ehrenerklärung, BGH, NJW 1952, 417; vgl. dazu oben Fußn. 99 und 100. 115 Frieser, S. 48 f. 116 Frieser, S. 71. 111 Vgl. dazu allgemein Erman-Sirp, § 249 Rdnrn. 108 ff; Palandt-Heinrichs, Anm. 7 vor §§ 249 ff. jeweils mwN; Lange, Schadensersatz, S. 298 ff. 113
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1. Kap., 3. Abschn.: Aufgedrängte Bereicherung und Trennungslehre
Ganz ähnlich liegt es in den von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Fällen des Abzugs .,neu für alt" 119• Die Naturalrestitution im Sinne einer Wiederherstellung exakt desselben Zustandes wie vor dem schädigenden Ereignis scheidet hier aus; möglich ist allerdings eine Naturalrestitution in dem Sinne, daß der Geschädigte für seine schon ältere Sache eine neue Sache erhält, und dazu ist der Geschädigte grundsätzlich - bis zur Grenze des § 251 II BGB- auch verpflichtet. Würde man es dabei bewenden lassen, so würde dies aber zumindest bei Gegenständen, die einem natürlichen Verschleiß unterliegen, letztlich zu einer Überkompensation des Schadens führen, und um dies zu vermeiden, wird der Geschädigte, der Naturalrestitution verlangt, zum Griff in die eigene Tasche gezwungen, damit er wertmäßig nicht besser steht, als er vor dem schädigenden Ereignis gestanden hat. Daß der Geschädigte über den Austausch des zerstörten alten Gegenstandes gegen einen neuen Gegenstand überhaupt nicht disponiert hat, sondern daß die auszugleichende Ungleichgewichtslage in diesen Fällen aus der Überkompensation des Schadens durch die Naturalrestitution herrührt, ist bislang - soweit ersichtlich - noch von niemandem zum Anlaß genommen worden, ähnliche Erwägungen wie sie gemeinhin bei der aufgedrängten Bereicherung angestellt werden, auch hier anzustellen und die Integrität der Verwendungsplanungen des Geschädigten in den Mittelpunkt zu rücken. Derartige Überlegungen liegen indes nahe, weil sich die Fälle des Abzugs "neu für alt" in die Problematik der aufgedrängten Bereicherung integrieren lassen 120• In beiden Fällen geht es nämlich darum, ob jemand sich etwas anrechnen lassen beziehungsweise ersetzen muß, für dessen Erwerb er keinerlei Veranlassung gegeben hat. Ausgangspunkt ist bei der Problematik des Abzugs "neu für alt" ebenso wie bei der aufgedrängten Bereicherung die gegenstandsorientierte Betrachtungsweise mit einer wertmäßigen Überlagerung durch eine vermögensorientierte Betrachtungsweise. Als Ergebnis bleibt somit festzuhalten, daß die Naturalrestitution gegenstandsorientiert zu bestimmen ist, daß aber abstrakt-vermögensorientiert zu überprüfen ist, ob die Durchführung der Naturalrestitution den Schaden wertmäßig unvollständig(§ 252 BGB), vollständig oder gar überschießend (Vorteilsausgleichung, Abzug .,neu für alt") kompensiert. Auf das spiegelbildliche Recht der ungerechtfertigten Bereicherung und auf die obige Entscheidung des Bundesgerichtshofs 121 zur Kondiktion einer schriftlichen Ehrenerklärung übertragen bedeutet dies, daß die schriftliche Ehrenerklärung nach den§§ 812,818 I BGB herauszugeben und daß im übrigen unter vermögensorientierter Sichtweise hier keine Korrektur angebracht ist 122• Zum normativen Schadensbegriff vgl. Lange, Schadensersatz, S. 25 ff. mwN. Vgl. dazu Soergel-Mertens, § 249 Rdnr. 78 mwN; Lange, Schadensersatz, S. 172 ff. mwN. 120 Zum Zusammenhang zwischen Abzug "neu für alt" und Bereicherungsrecht vgl. auch Frieser, S. 53; Gernhuber, BR, S. 354: "Der Geschädigte hat die aus der Unmöglichkeit einer exakten Restitution resultierende "Bereicherung" herauszugeben"; vgl. auch 2. Kap., 3. Abschnitt III.5. 121 BGH, NJW 1952, 417. 118
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I. Gegenstands- oder Vermögensorientierung
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3. Der Geldersatz als Argument fiir die Vermögensorientierung?
So wenig sich die Naturalrestitution als Argument für eine ausschließliche Gegenstandsorientierung begreifen läßt, so wenig läßt sich die Regelung des Wert- bzw. Geldersatzes als Argument für eine reine Vermögensorientierung ins Feld führen. Es trifft nicht zu, daß im Schadensersatzrecht - wie ReuterMartinek123 behaupten - die Gegenstandsorientierung mit der Unmöglichkeit der Naturalrestitution prinzipiell aufhört. Mit dieser Aussage setzen sich ReuterMartinek auch in Widerspruch zu ihrem eigenen Lösungsvorschlag zur Eingriffskondiktion, welche sie aufgrund der Güterschutzfunktion gerade an das Schadensersatzrecht anlehnen und bei der sie gleichwohl die Vermögensorientierung mit einer gegenstandsorientierten Mindestbereicherung verbinden 124. Eine solche Kombination von Vermögens- und Gegenstandsorientierung läßt sich nur dann rechtfertigen, wenn man die Gegenstandsorientierung im Schadensersatzrecht nicht mit der Unmöglichkeit der Naturalrestitution aufhören läßt, sondern vielmehr auch beim Geldersatz nach§ 251 BGB prinzipiell anerkennt. Letzteres ist entgegen der Ausgangsthese von Reuter-Martinek 125 in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Schadensersatz auch durchaus anerkannt. Dies wird deutlich, wenn man die Entwicklung 126 der Rechtsprechung zur Differenzhypothese verfolgt. Als Ausgangspunkt der Berechnung von Vermögensschäden wählt die Rechtsprechung - wie der Große Senat des BGH auf den Vorlagebeschluß zur Frage der Nutzungsentschädigung wegen Nutzungsausfalls eines Hauses jüngst feststelltem- die Differenzhypothese und geht daher von einer vermögensorientierten Betrachtungsweise aus: "Im allgemeinen ermittelt der Bundesgerichtshof, wie vor ihm schon das Reichsgericht, Vermögensschäden am subjektsbezogenen Zuschnitt des betroffenen Gesamtvermögens nach der Differenzmethode durch einen rechnerischen Vergleich der durch das schädigende Ereignis eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte" 128. Mit der Einschränkung "im allgemeinen ..." trägt der BGH der allgemein anerkannten Tatsache Rechnung, daß die Differenzhypothese in dieser klassischen Form dazu zwingt, alle tatsächlichen und hypothetischen Vermögensänderungen bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung in den Vermögensvergleich einzubeziehen, und damit bisweilen zu unhaltbaren So i.E. auch zu Recht die ganz herrschende Lehre, vgl. Nachweise oben Fußn. 100. Reuter-Martinek, S. 530 f. 124 Reuter-Martinek, S. 537. 125 Reuter-Martinek, S. 530 f. 126 Die Entwicklung der Rechtsprechung soll hier nicht im einzelnen nachgezeichnet werden; vgl. Hagen, FS Larenz, S. 869, 873 ff. 127 BGH, NJW 1987, 50, 51. 128 Ständige Rechtsprechung BGHZ 27, 181, 183 f; 40, 345, 347; 75, 366, 371; 86, 128, 130; BGH, NJW 1987, 50, 51. 122
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