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German Pages 236 Year 1988
acn?3 Studienbuch
Juristische Ausbildung
Studienbuch herausgegeben von Prof. Dr. Hans-Uwe Erichsen, Münster Prof. Dr. Klaus Geppert, Berlin Prof. Dr. Albert von Mutius, Kiel Prof. Dr. Harro Otto, Bayreuth Prof. Dr. Klaus Schreiber, Bochum Prof. Dr. Peter Schwerdtner, Bielefeld
de Gruyter • Berlin • New York
Ungerechtfertigte Bereicherung von
Hans-Georg Koppensteiner
und
Ernst A. Kramer
2., neu bearbeitete Auflage
w DE
G_ Walter de Gruyter & Co • Berlin • New York • 1988
Die erste Auflage dieses Werkes erschien 1975 in der SAMMLUNG GÖSCHEN (Band 2850)
Dr. Hans-Georg Koppensteiner Universitätsprofessor in Salzburg Dr. Ernst A. Krämer Professor an der Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften in St. Gallen
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Koppensteiner, Hans-Georg: Ungerechtfertigte Bereicherung / von Hans-Georg Koppensteiner u. Ernst A. Kramer. - 2., neubearb. Aufl. Berlin ; New York : de Gruyter, 1988 (Jura : Studienbuch) ISBN 3-11-009755-9 NE: Kramer, Ernst A.:
© 1988 by Walter de Gruyter & Co., 1000 Berlin 30 Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany Satz: Buch- und Offsetdruckerei Wagner GmbH, 8860 Nördlingen Druck: Karl Gerike GmbH, 1000 Berlin 36 Bindearbeiten: Verlagsbuchbinderei Dieter Mikolai, 1000 Berlin 10
Vorwort Das vorliegende Buch bemüht sich auch in seiner 2. Auflage, auf relativ engem Raum eine einigermaßen geschlossene Darstellung des gegenwärtigen Bereicherungsrechts zu bieten. Insofern dürfte es nicht nur als Hilfsmittel für die Prüfungsvorbereitung, sondern auch für den Praktiker, der sich rasch über den derzeitigen Stand informieren möchte, von Nutzen sein. Das mit einem Lehrbuch in erster Linie anzustrebende Ziel, „gesichertes Wissen" zu vermitteln, vermag dieses Buch freilich nur in einem eingeschränkten Sinn einzulösen. Dieses Defizit liegt sozusagen in der Natur des Bereicherungsrechts, dessen Grundlagen, aber natürlich auch Detailprobleme bekanntlich weiterhin außerordentlich umstritten sind. Angesichts dieser Lage haben wir unsere Aufgabe einmal darin gesehen, eine kurzgefaßte, möglichst verläßliche - an geeigneter Stelle allerdings auf weiterführende Hinweise beschränkte - Bestandsaufnahme zu liefern. Die Nachweise der einschlägigen Judikatur und der in den letzten Jahren „bis ins Ungemessene explodierten" Literatur (Weitnauer, DB 1984, 2496) sind gegenüber der 1. Auflage stark ausgebaut und selbstverständlich aktualisiert worden. Auf Vollständigkeit der Dokumentation, wie sie in den großen Kommentaren und namentlich im Werk von Reuter/Martinek annäherungsweise erreicht ist, haben wir, dem Lehrbuchcharakter des Buches gemäß, durchgängig verzichtet. Um dem Leser nicht nur Steine statt Brot zu geben, hielten wir es zum anderen aber auch für notwendig, Stellung zu beziehen, also unsere Auffassung über eine möglichst plausible Lösung kontroverser Fragen mitzuteilen. Gesamtkonzeption und Grundweichenstellungen des Buches sind ein Gemeinschaftswerk beider Autoren. Die Arbeit im einzelnen haben wir uns wiederum geteilt. Die §§1-7, 11, 17-23 stammen von Kramer, die §§ 8-10, 12-16 hat Koppensteiner verfaßt. Herr Assessor Tillmann Pyszka (Meersburg) hat auf Basis der 1. Auflage zu den schwierigen §§ 7 und 20 Vorentwürfe geliefert, die weitgehend wörtlich übernommen werden konnten. Unseren Sekretärinnen, Fräulein Andrea Capaul (St. Gallen) und Frau Christiane Holler (Salzburg), danken wir für ihre sorgfältige Arbeit an der Reinschrift. Salzburg/St. Gallen, im Januar 1988
Hans-Georg Koppensteiner Ernst A. Kramer
Inhalt Vorwort Literaturverzeichnis
V XIII
I. Kapitel: Grundlagen §
1. Systematischer O r t und Ordnungsfunktion des Bereicherungsrechts I. Ausgangspunkt II. Grundfunktionen
1 1 1
§
2. Systematik der §§ 812 ff. I. Die Unterscheidung zwischen Leistungskondiktionen und Kondiktionen wegen Bereicherung „in sonstigerWeise" . . . . II. Die gesetzliche Ausgestaltung der beiden Kondiktionstypen
3 6
3. Hauptprobleme des Bereicherungsrechts I. Allgemeines II. Anspruchsvoraussetzungen III. Anspruchsinhalt IV. Methodische Konsequenzen
7 7 7 8 8
§
II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen §
4. Allgemeine Merkmale der Leistungskondiktionen I. Der „teleologische" Leistungsbegriff 1. Ausgangspunkt 2. Leistungsmotive 3. Die juristische Konsequenz II. Das Erfordernis der „Rechtsgrundlosigkeit" der Leistung . . . III. Der Gegenstand der Leistungskondiktion IV. Das Erfordernis der Bereicherung „auf Kosten" des Leistenden 1. Grundlagen 2. Eigentum des „Leistenden"?
§
§
10 10 10 10 11 15 15 16 16 18
5. Leistungskondiktion bei Zweipersonenverhältnissen, Leistungsketten, Versionsfällen, Zuziehung von Mittelspersonen sowie die Ausnahmeregelung des § 822 I. „Leistungsketten" II. „Durchlieferung" III. Leistungskondiktion bei mittelbarer Stellvertretung IV. Leistungskondiktion bei Verwendung von unselbständigen Mittelspersonen V. Die Ausnahmeregelung des § 822
22 22
6. Die „Dreiecksverhältnisse" I. Die Basiskonstellation der nicht angenommenen Anweisung 1. Fallstruktur 2. Mangel im Deckungsverhältnis 3. Mangel im Valutaverhältnis
24 24 24 25 26
19 19 21 21
VIII II. „Doppelmängel" in Anweisungsverhältnissen III. Die Kondiktion bei angenommener Anweisung IV. Die Kondiktion bei gänzlichem Fehlen einer wirksamen (zurechenbaren) Anweisung sowie bei Widerruf einer Anweisung . . 1. Fehlen einer wirksamen Anweisung 2. Widerruf einer Anweisung V. Irrtümer des D 1. Der Postanweisungsfall RGZ 60, 24 ff 2. Leistungskondiktion, wenn S falsus procurator des G ist . . a) Das Problem b) Lösungsansätze 3. Irrtümliche Bezahlung einer fremden Schuld (in der Meinung, es sei eine eigene) a) Das Problem b) Lösungsansatz c) Änderung der Leistungsbestimmung? VI. Bezahlung einer vermeintlichen (nicht bestehenden) Schuld eines Dritten 1. Das Problem 2. Die herrschende Lehre 3. Kritik 4. Leistung in Ausübung eines „Ablösungsrechts" VII. Die Leistungskondiktion bei echten Verträgen zugunsten Dritter 1. „Abgekürzte Lieferung" 2. Versorgungsverträge, Uberordnung des Verhältnisses Versprechender (D) - Dritter (G) VIII. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse § 7. Die einzelnen Leistungskondiktionen I. Condictio indebiti 1. Begriff und Anwendungsfälle 2. Die Erweiterung der condictio indebiti durch § 8131 . . . . 3. Der Ausschluss der condictio indebiti durch §814 4. Der Ausschluss der condictio indebiti bei fehlerhaften Dauerschuldverhältnissen II. Condictio ob causam finitam III. Condictio ob rem 1. Der Tatbestand 2. Ausschluss der Kondiktion wegen Zweckverfehlung . . . . IV. Condictio ob iniustam vel turpem causam 1. Begriff und Anwendungsbereich 2. Die Kondiktionssperre des §817, 2. Satz a) Erweiterter Anwendungsbereich b) Grundlagenprobleme zur Funktion des §817, 2. Satz . . c) Einzelfragen
Inhalt 27 30 31 31 34 35 35 36 36 37 38 38 39 39 41 41 42 43 45 45 45 46 48 49 50 50 51 53 54 55 55 55 59 59 59 61 61 62 65
Inhalt
IX
III. Kapitel: Bereicherung „in sonstiger Weise" § 8. Arten der Bereicherung „in sonstiger Weise" I. Übersicht II. Eingriffskondiktion III. Aufwendungskondiktion IV. Bereicherung infolge Naturvorganges § 9. Die Eingriffskondiktion I. Zur Bedeutung des Merkmals „auf Kosten" bei der Eingriffskondiktion 1. Fragestellung 2. Übersicht 3. Die Rechtswidrigkeitstheorie 4. Die Lehre vom Zuweisungsgehalt 5. Unerhebliche Kriterien II. Bereicherung „ohne rechtlichen Grund" bei der Eingriffskondiktion 1. Ausgangslage 2. Schuldrechtliche Sonderverbindungen 3. Rechtsgrund kraft Gesetzes III. Die Sonderregelung des §816 1. Übersicht 2. Entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten 3. Unentgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten 4. Wirksame Leistung an einen Nichtberechtigten § 10. Die Aufwendungskondiktionen I. Die Verwendungskondiktion II. Die Rückgriffskondiktion §11. Eingriffskondiktion gegen jemanden, dem das Erlangte geleistet worden ist? (Subsidiarität der Eingriffskondiktion?) I. Fragestellung II. Die ausdrückliche Regelung des §8161 III. Eingriffskondiktion trotz Leistung in den Fällen des § 935 . . . IV. Einbau fremden Materials durch einen Dritten V. Ergebnis
67 67 68 68 69 70 70 70 71 72 75 84 88 88 89 90 91 91 92 96 99 101 101 102 104 104 105 105 106 108
IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs § 12. Übersicht I. Herausgabe des „Erlangten", der Nutzungen und Surrogate . . II. Fortdauer der Bereicherung III. Haftung nach den „allgemeinen Vorschriften" IV. Wertersatz bei Unmöglichkeit der Naturalrestitution . . . . . V. Hauptprobleme und Lösungsansätze § 13. Der bereicherungsrechtliche Primäranspruch (§§ 812, 816, 817, 1. Satz, 8181) I. Herausgabe des „Erlangten" 1. Das „Erlangte" im Sinne der §§812, 817, 1. Satz, 8181 . . .
110 110 111 112 112 113 116 116 116
X
Inhalt 2. Das „Erlangte" im Sinne des § 8161,1. Satz II. Herausgabe von Nutzungen und Surrogaten 1. Nutzungen 2. Surrogate 3. Nutzungen und Surrogate trotz fehlender Verpflichtung zur Herausgabe des Erlangten?
121 126 126 127
§ 14. Der Entreicherungseinwand I. Grundlagen 1. Normzweck und Anwendungsbereich 2. Wirkungsweise 3. Anfängliche „Entreicherung" 4. Sondergesichtspunkte bei unwirksamen gegenseitigen Verträgen 5. Beweislast II. Die Bedeutung des § 818 III bei Ansprüchen infolge einseitiger Leistung oder Eingriff 1. Aufwendungen 2. Sonstige Vermögensopfer III. Die Bedeutung des § 818 III bei der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge 1. Grundlagen 2. Ausgleich bei Vorhandensein beider Leistungen
128 128 128 129 131
§ 15. Der Umfang der Bereicherungshaftung nach Rechtshängigkeit und in verwandten Fällen I. Tatbestandliche Voraussetzungen verschärfter Haftung . . . . 1. Rechtshängigkeit 2. Kenntnis der Rechtsgrundlosigkeit 3. Gesetz-oder sittenwidriger Empfang 4. Ungewißheit der Erreichung des Geschäftszwecks II. Der Inhalt der Haftungsverschärfung 1. Verweisung auf die „allgemeinen Vorschriften™ 2. Bösgläubigkeit bei der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge § 16. Wertersatz I. Grundlagen 1. Funktion des §818 II 2. „Unmöglichkeit" der Herausgabe als Anspruchsvoraussetzung 3. Hauptprobleme II. Einseitige Kondiktionen: Der Inhalt des Hauptanspruchs . . . 1. Gewinnherausgabe 2. Verallgemeinerung: Herausgabe des „Eingriffserwerbs" 3. Aufgedrängte Bereicherung 4. Zusammenfassung: Konkret-individuelle Fassung des bereicherungsrechtlichen Wertbegriffes
127
131 132 132 132 135 136 136 139 143 143 143 143 147 147 148 148 151 153 153 153 153 154 155 155 161 166 169
Inhalt
XI III. Einseitige Kondiktionen: Der Zeitpunkt der Wertermittlung 1. Übersicht 2. Kritik 3. Der maßgebliche Zeitpunkt IV. Einseitige Kondiktionen: Nutzungen im Rahmen des Wertersatzes 1. Wertersatz bei Unmöglichkeit der Herausgabe von Nutzungen 2. Nutzungen aus dem Wert? V. Wertersatz bei der Rückabwicklung unwirksamer gegenseitiger Verträge 1. Übersicht 2. Unmöglichkeit der Naturalrestitution seitens des Klägers . . 3. Unmöglichkeit der Naturalrestitution seitens des Beklagten 4. Unmöglichkeit der Naturalrestitution seitens des Empfängers einer Vorleistung 5. Sonderbehandlung Minderjähriger
175 175 175 178 178 178 179 180 180 181 187 188 189
V. Kapitel: Leistungskondiktion und Kondiktion wegen sonstiger Bereicherung: Tatbestand und Rechtsfolgen (Zusammenfassung) § 1 7 Vergleich der tatbestandlichen Voraussetzungen der Leistungskondiktion und der Kondiktion wegen Bereicherung in sonstiger Weise I. „Leistung" und „sonstige Weise" II. Bereicherung „auf Kosten" des Bereicherungsgläubigers . . . . 1. Kein effektiver Vermögensschaden als Voraussetzung eines Anspruchs 2. Die Lösung bei der Leistungskondiktion 3. Die Lösung bei der Eingriffskondiktion III. Die „Rechtsgrundlosigkeit" der Bereicherung
191 191 191 192
§ 18. Vergleich der Rechtsfolgen von Leistungskondiktion und Kondiktion wegen Bereicherung in sonstiger Weise
192
§ 1 9 . Abschließende Beurteilung der Unterscheidung zwischen Leistungskondiktionen und Kondiktionen wegen Bereicherung in sonstiger Weise
193
190 190 191
VI. Kapitel: Der Anwendungsbereich der §§812 ff § 20. Die Grenzen des Anwendungsbereichs I. Bereicherungsrecht und gesetzliches Rücktrittsrecht II. Bereicherungsausgleich bei Rechtsveränderung kraft Gesetzes 1. Materielle Rechtfertigung 2. Formale Vermögensverschiebung 3. Verbindung, Vermischung, Verarbeitung III. Bereicherungsrecht und Eigentümer-Besitzer-Verhältnis . . . . 1. Bereicherungsansprüche des Eigentümers bei Sachveräußerung und Sachverbrauch
194 194 196 196 197 198 198 198
XII
Inhalt
2. Bereicherungsanspruch des Eigentümers bei Nutzungen durch den Besitzer a) Der Ausschließlichkeitsgrundsatz b) Leistungskondiktion bei unwirksamer Veräußerung an den Besitzer c) Eingriffskondiktion in den Fällen des § 992 3. Bereicherungsansprüche des unrechtmäßigen Besitzers bei Vermögensaufwendungen auf die Sache a) Das Problem b) Der Ausschließlichkeitsgrundsatz c) Konkurrenz mit der Leistungskondiktion d) Konkurrenz mit der Nichtleistungskondiktion IV. Bereicherungsrecht und Geschäftsführung ohne Auftrag . . . V. Bereicherungsansprüche bei Verletzung von Immaterialgüterrechten und bei Verstößen gegen das UWG 1. Immaterialgüterrecht 2. UWG 21. Gesetzliche Verweisungen auf das Bereicherungsrecht I. Rechtsfolgeverweisungen oder Rechtsgrundverweisungen? . . II. Zwei Einzelfälle 1. Die Verweisung des § 852 III 2. Die Verweisung des §9511 § 22. Anwendung der § 812 ff im öffentlichen Recht? § 23. Internationales Privatrecht
212 212 212 213 213 214 214 215 215 216
Sachregister
217
199 199 199 202 204 204 205 206 207 210
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur (ohne Zeitschriften- und Festschriftenbeiträge)
Alternativkommentar Batsch Baumbach/Hefermehl Baur Becker Beuthien BeuthienfWeber Caemmerer von Canaris Canaris Costede Diesselhorst Enneccerus/Lehmann Erman Esser Esser/Weyers Feiler Fikentscher Flessner Frieser Gerlach Glass Hadding
zum BGB, Band 3, Besonderes Schuldrecht (1978) = Altevmtivkomm-Bearbeiter. Vermögensverschiebung und Bereicherungsherausgabe (1968). Wettbewerbsrecht, 15. Aufl. (1987). Lehrbuch des Sachenrechts, 14. Aufl. (1987). Der Anspruch des Eigentümers auf den Erlös aus unberechtigter Verfügung (1936). Zweckerreichung und Zweckstörung im Schuldverhältnis (1969). Ungerechtfertigte Bereicherung und Geschäftsführung ohne Auftrag, 2. Aufl. (1987). Gesammelte Schriften I (1969). Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht (1971). Bankvertragsrecht, in: HGB - Großkommentar, 3. Aufl., Bd. III/3 (2. Bearbeitung 1981) = Canaris, Bankvertragsrecht. Dogmatische und methodologische Überlegungen zum Verständnis des Bereicherungsrechts (1977). Die Natur der Sache als außergesetzliche Rechtsquelle (1968). Recht der Schuldverhältnisse, 15. Aufl. (1958). Handkommentar zum BGB, Band I, 7. Aufl. (1981) = Erman! Bearbeiter. Schuldrecht, Band II, Besonderer Teil, 4. Aufl. (1971). Schuldrecht, Band II, Besonderer Teil, 6. Aufl. (1984). Aufgedrängte Bereicherung bei den Verwendungen des Mieters und Pächters (1968). Schuldrecht, 7. Aufl. (1985). Wegfall der Bereicherung (1970). Der Bereicherungswegfall in Parallele zur hypothetischen Schadensentwicklung (1987). Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung und ungerechtfertigte Bereicherung (1986). Gefahrtragung und Haftung beim gesetzlichen Rücktritt (1959). Der Bereicherungsausgleich beim Vertrag zu Rechten Dritter (1970).
XIV Hager
Haines Hassold Höhn Honseil Hülsmann Jakobs Joerges Jung Kaehler Kellmann Koch Köhl König
König Köhler Kunisch Kupisch
Larenz Lieb
Literaturverzeichnis Entwicklungsstadien der bereicherungsrechtlichen Durchgriffshaftung, in: Ungerechtfertigte Bereicherung, Symposium zum Gedenken an Detlev König (1984) 151 ff. Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb (1970). Zur Leistung im Dreipersonenverhältnis (1981). Die Beeinträchtigung von Rechten durch Verfügungen (1986). Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte (1974). Leistungskondiktion und Eingriffskondiktion in Dreiecksverhältnissen, Diss. Köln (1966). Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung in der Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung (1964). Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht (1977). Die Bereicherungsanspriiche und der Mangel des rechtlichen Grundes (1902). Bereicherungsausgleich und Vindikation. Allgemeine Prinzipien der Restitution (1972). Grundsätze der Gewinnhaftung (1969). Bereicherung und Irrtum (1973). Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis im Anspruchssystem des BGB (1971). Ungerechtfertigte Bereicherung in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, hrsg. vom Bundesministerium der Justiz (1981) 1515 ff. = König, Gutachten. Ungerechtfertigte Bereicherung, Tatbestände und Ordnungsprobleme in rechtsvergleichender Sicht (1985) = König, Bereicherung. BGB, Schuldrecht II, 11. Aufl. (1987) (Prüfe Dein Wissen, Heft 3). Die Voraussetzungen für Bereicherungsansprüche in Dreiecksverhältnissen (1968). Gesetzespositivismus im Bereicherungsrecht - Zur Leistungskondiktion im Drei-Personen-Verhältnis (1978). Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, Allgemeiner Teil, 14. Aufl. (1987) = Larenz I; Band II, Besonderer Teil, 12. Aufl. (1981) = Larenz II. Die Ehegattenmitarbeit im Spannungsfeld zwischen Rechtsgeschäft, Bereicherungsausgleich und gesetzlichem Güterstand (1970).
Literaturverzeichnis Lopau Lübtow von Mayr von Medicus Medicus U. Meyer Mugdan Münchener Ostendorf
Kommentar
Palandt Pankow Pawlowski Picker Pinger Reeb ReichsgerichtsräteKommentar Reuter/ Martinek Rittberg von Rümker Schnauder Schwarz Soergel Staudinger Stierle
XV Surrogationsansprüche und Bereicherungsrecht (1971). Beiträge zur Lehre von der Condictio nach römischem und geltendem Recht (1952). Der Bereicherungsanspruch des deutschen bürgerlichen Rechts (1903). Bürgerliches Recht, 13. Aufl. (1987) = Medicus, Rdn. Schuldrecht II, Besonderer Teil, 3. Aufl. (1987) = Medicus, Schuldrecht II. Der Bereicherungsausgleich in Dreiecksverhältnissen (1979). Die gesamten Materialien zum BGB für das Deutsche Reich I—III (1889). zum BGB, 2. Aufl. = MünchKomm-Äe, §812 Rdn. 89. S. Reuter/Martinek, 508 ff.
§ 5. Leistungskondiktion in besonderen Fällen
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(rechtsgeschäftlich) unentgeltlich einem Dritten zu und ist deswegen d. h. wegen Wegfalls der Bereicherung ( § 8 1 8 III) - „die Verpflichtung des Empfängers zur Herausgabe der Bereicherung ausgeschlossen" (§ 822), so kann ausnahmsweise im Versionsweg auf den Drittempfänger durchgegriffen werden, „wie wenn" dieser „die Zuwendung von dem Gläubiger ohne rechtlichen Grund erhalten hätte" (§ 822). Die Voraussetzung des § 822, daß der Anspruch des Entreicherten gegen den unentgeltlich Verfügenden aus Rechtsgründen (und nicht lediglich wegen mangelnder faktischer Durchsetzbarkeit13) erloschen sein muß, führt zur „seltsamen Konsequenz, daß der unentgeltliche Erwerb, den ein berechtigter, aber nach §819 I unredlicher Vormann vermittelt hat, nur wegen dieser Unredlichkeit bereicherungsrechtlich unangreifbar ist" 14 . Der unentgeltlich Erwerbende müßte also geradezu froh sein, wenn er von einem unredlichen Vormann erworben hat. Der Entreicherte wiederum würde im Fall von dessen Insolvenz auch gegenüber dem Unredlichen leer ausgehen. Um dieses Ergebnis zu vermeiden, wird von einem Teil der Lehre überzeugend eine analoge Anwendung des § 822 befürwortet15. In § 8 2 2 äußert sich wie in der ähnlich gelagerten Regelung des § 8 1 6 I, 2. Satz - § 822 regelt die Verfügung eines Berechtigten, § 816 I, 2. Satz die eines Nichtberechtigten 1 6 - die spezifische „bereicherungsrechtliche Schwäche" des unentgeltlichen Erwerbs 1 7 . Der Grund für § 822 liegt aber nicht nur in der verminderten Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs, sondern gleichzeitig auch im sonst nicht realisierbaren Restitutionsinteresse des Gläubigers 18 . Die Frage nach der dogmatischen Einordnung des Anspruchs aus § 822 ist nur von geringer praktischer Bedeutung. § 822 geht von der Fiktion einer condictio indebiti aus, woraus sich die Anwendbarkeit der §§818 III, 819 auf den Empfänger ableiten läßt1'. Reuter/Martinek20 sehen in der Durchgriffskondiktion des §822 (wie in §816 I, 2. Satz) einen Spezialfall der allgemeinen „Abschöpfungskondiktion" 21 , betonen aber jedenfalls richtig22, daß es sich um eine eigenständige bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlage handelt. S. B G H NJW 1969, 605 (606). Medicus, Rdn. 384; zur verschärften Haftung gemäß § 8191 i. V. mit § 818 IV u., S. 143 ff. 1 5 S. etwa Medicus, Schuldrecht II, § 128 VI (S. 307f); MünchKomm-Z-tei, §822 Rdn. 6 mwN. 1 6 S. zum Verhältnis dieser beiden Regelungen auch u., S. 96 f. 1 7 Dazu allgemein Medicus, Rdn. 382 ff. 1 8 S. MünchKomm-Ziei, §822 Rdn. 1; vgl. auch Reuter/Martinek, 359. 1 9 S. statt aller Reuter/Martinek, 360. 20 202. 13 14
21 22
Zu dieser Kategorie u., S. 67 Fn. 2. 360.
24
II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
§ 6. D i e „Dreiecksverhältnisse" Die Schwierigkeiten potenzieren sich, wenn der „Dritte" den Leistungsgegenstand aus eigenem Vermögen in das Vermögen des Empfängers der Leistung (der gleichzeitig Gläubiger ist, aber regelmäßig nicht gegenüber dem Erbringer der Leistung) übermittelt und durch diesen Vorgang (gegenüber dem Schuldner des Leistungsempfängers) auch einen eigenen Leistungszweck verfolgt (Erfüllung einer eigenen Schuld im Deckungsverhältnis) 1 . In diesen Fällen ist die Fixierung des Kondiktionsverhältnisses keineswegs mehr so evident wie bei der Verwendung von bloßen Mittelspersonen.
I. Die Basiskonstellation der nicht angenommenen Anweisung 1. Fallstruktur Im folgenden wird zuerst im Grundmodell einer nicht angenommenen Anweisung (§ 783) ausgegangen, bei der der Angewiesene (D), ohne dem Anweisungsempfänger (G) dazu verpflichtet zu sein, eine Leistung, die S (der Anweisende) dem G schuldet, zuwendet. Ganz anders zu sehen ist dagegen der Fall, bei dem „D" als Gesamtschuldner oder Bürge dem G neben S verpflichtet ist, da ja dann eine eigene Leistung „solvendi causa" im Verhältnis D-G vorliegt2.
Hier werden durch denselben wirtschaftlichen Vorgang (Zuwendung des Leistungsgegenstandes durch D) zwei Rechtsverhältnisse (Leistungsverhältnisse) tangiert: Einmal das Verhältnis zwischen dem D und S (Dekkungsverhältnis), zum anderen das zwischen G und S (Valutaverhältnis). S (Deckungsverhältnis) %
V
%
/V G
D
^
/
V
(Die Bezeichnungen „S" [= Schuldner], „G" [= Gläubiger], „D" [= Dritter] werden zur Erleichterung der Orientierung im Anschluß an dieses Grundschema bei allen Dreiecksproblemen beibehalten, auch wenn andere Abkürzungen, wie etwa „V" [ = Versprechender], „VE" [= Versprechensempfänger] und „D" [ = Dritter] namentlich beim Vertrag zugunsten Dritter sachadäquater wären). 1 2
S. zur Definition der Dreiecksverhältnisse Klinisch, 1 ff. S. dazu etwa Esser/Weyers, §48 III 5 (S. 386 f).
§ 6. Die „Dreiecksverhältnisse"
25
2. Mangel im Deckungsverhältnis Wer kann hier von wem kondizieren, wenn ein Mangel im Deckung ¡Verhältnis D-S vorlag? Beispiel3: Ein Postbeamter (S), der einer Bank (G) Rückzahlung eines Darlehens schuldete, hatte eine Anweisung über den geschuldeten Betrag bei seiner Poststelle (D) aufgegeben, sie selbst abgefertigt und so die klagende Post durch arglistige Täuschung zur Zahlung an die Bank veranlaßt.
Die Post (D) gegen G nach h. L. auf Basis des teleologischen Leistungsbegriffs deshalb nicht, weil sie G gegenüber „keinen eigenen Leistungszweck" verfolgte, die Leistung ja nur im Hinblick auf sein Deckungsverhältnis zu S dem G „übermittelte", „zuwendete". G habe die Leistung ja auch nicht als solche des D empfangen (er steht mit ihm in keinem Rechtsverhältnis, ein solches wurde auch durch die Leistung nicht geschaffen), sondern als solche seines Schuldners S, der sich zu Erfüllung des D bediente, welcher somit „für Rechnung des Anweisenden an den Anweisungsempfänger" (s. §783) leisten sollte. Wesentliches Gegenargument gegen eine Kondiktion im Verhältnis D-G ist aber nicht diese begriffliche Analyse; sie kann, wie schon o. (S. 8 f, 12 f) betont, nur ex post-Konstruktion für die allein wesentlichen teleologischen Gesichtspunkte sein4: Argumentiert man interessenbezogen, so spricht gegen eine direkte Kondiktion D - G zum einen der Umstand, daß G damit vom Mangel eines Rechtsverhältnisses betroffen würde, dessen Partei er gar nicht ist. „Eine derartige Risikoverteilung aber wäre um so fragwürdiger, als er auf die Wirksamkeit des Deckungsverhältnisses keinen Einfluß nehmen und einen etwaigen Fehler i. d. R. weit schlechter als die daran beteiligten Parteien erkennen kann - eben weil er insoweit Dritter ist. Der ,Mangel' stammt also nicht aus seiner ,Sphäre', sondern aus der der Partner des Deckungsverhältnisses" 5 . Gegen eine Kondiktion D-G spricht weiter das Bestreben um eine gerechte Verteilung des Konkursrisikos: Das Risiko der Insolvenz des S würde dann nicht von dessen Partner im Deckungsverhältnis, sondern vom insoweit „dritten" G getragen werden, obwohl D durch sein Vertragsverhältnis mit S zweifelsohne „näher daran" ist als G. In Frage kommt daher nur eine Leistungskondiktion im Verhältnis D-S 6 .
3 4 5
6
Nach R G Z 60, 24 ff. S. vor allem Canaris, FS Larenz (1973) 802 ff. Canaris (o. Fn. 4) 802; ebenso etwa Esser/Weyers, § 4 8 III 3 (S. 382). Zur irrtums- bzw. täuschungsrechtlichen Begründung s . u . , S. 35 f. Ebenso im Ergebnis R G Z 60, 24 (29); daß der Bereicherungsausgleich bei Fehlern des Deckungsverhältnisses grundsätzlich zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen vorzunehmen ist, ist längst ständige Rechtsprechung:
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
Dabei besteht die Bereicherung des S darin, daß D ihn durch die Zuwendung der Leistung von seiner Schuld gegenüber G befreit hat. Wilhelm7 will zur Begründung desselben Ergebnisses vor allem darauf abstellen, ob der' Leistungsgegenstand als solcher dem Vermögen des Anweisenden zuzurechnen ist. Hierzu „könne es nicht auf die Vermögensdisposition des Anweisenden allein ankommen, vielmehr wird diese Disposition über den Gegenstand des Angewiesenen erst dadurch wirksam, daß der Angewiesene sie tatsächlich ausführt und damit den Gegenstand seines Vermögens dem Vermögen des Anweisenden zur Verfügung stellt. Die Vermögensentscheidung des Anweisenden, seinen Vermögensgegenstand dem Vermögen des Anweisenden zur Verfügung zu stellen", sei „zugleich die Grundlage, die die Beschränkung des Angewiesenen auf die Auseinandersetzung mit dem Anweisenden rechtfertigt". Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß Wilhelm damit sehr in die Nähe des von ihm so heftig kritisierten Gedankens der Zwecksetzung nach der h. L. kommt. Anstatt zu sagen, daß der Angewiesene eine „Vermögensentscheidung" treffe, seinen Vermögensgegenstand dem Vermögen des Anweisenden zur Verfügung zu stellen und nicht dem des Anweisungsempfängers, betont die h. L., daß der Angewiesene nur gegenüber dem Anweisenden eine „eigene Zwecksetzung" verfolge, nicht aber gegenüber dem Empfänger. Richtig verstanden, meint sie damit aber wohl dasselbe wie Wilhelm8. Ausnahmsweise ist bei fehlerhaftem Deckungsverhältnis eine direkte Kondiktion D - G aber dann zulässig, wenn das Valutaverhältnis S-G auf eine unentgeltliche Leistung des S gerichtet war; in diesem Fall ist in analoger Anwendung der Wertung der §§ 816 I, 2. Satz, 822 (wegen der typischen Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs) ein Durchgriff D - G durchaus möglich 9 ; gegen S kann D keinen Anspruch haben, weil dieser wegen der Unentgeltlichkeit nicht bereichert ist. 3. Mangel im Valutaverhältnis Liegt bei der hier angenommenen Dreieckskonstellation umgekehrt der Mangel nicht im Deckungsverhältnis D-S, sondern im Valutaverhältnis SG, so kann allein S von G kondizieren. Auswirkungen auf das Deckungs-
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S. etwa BGHZ 40, 272 (277) = NJW 1964, 399; BGH NJW 1984, 2205; zuletzt BGH NJW 1987, 185 (186) = JZ 1987, 199 mit Anm. Canaris. 115 f. Krit. gegen Wilhelm auch Reeb, 18 f. S. in diesem Sinn aus der Lehre etwa Hassold, 97 f; MünchKomm-iiei, §812 Rdn. 43; jetzt auch BGHZ 88, 232 (237) = NJW 1984, 483, sofern in der Person des Anweisenden die Voraussetzungen der §§818 IV, 819 nicht vorliegen; dazu (die Begründung kritisierend) Flume, NJW 1984, 466; Mühl, WM 1984, 1441 ff; Lorenz, JZ 1984, 190 f; Gottwald, JuS 1984, 841 ff.
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Verhältnis hat dies grundsätzlich nicht, da ja D im Verhältnis zu S seinen Leistungszweck mit Rechtsgrund erreicht hat 1 0 .
I I . „ D o p p e l m ä n g e l " in A n w e i s u n g s v e r h ä l t n i s s e n Eine Ausnahme von der Regel, wonach eine Kondiktion immer nur im Leistungsverhältnis stattfinden kann, wurde von der früher h.L.n und Rechtsprechung12 für den Fall zugelassen, daß sowohl im Valuta- als auch im Deckungsverhältnis ohne gültigen Rechtsgrund geleistet wurde (sogenannter „Doppelmangel"). Beispiel: S weist seinen vermeintlichen Schuldner D an, die Schuldsumme für Rechnung des S an seinen vermeintlichen Gläubiger G zu zahlen. D zahlt an G, um damit seine Schuld gegen S zu erfüllen. In Wirklichkeit aber bestand weder eine rechtsgültige Verbindlichkeit des D (gegen S) noch eine des S (gegen G) 13 . In diesem Fall könne der „ D r i t t e " direkt auf G greifen; der U m w e g über eine „Doppelkondiktion" D - S , S - G entspreche nicht der „zweckstrebenden N a t u r der Rechtsordnung" 1 4 . N o c h dazu sei S durch die Zahlung des D an G nicht bereichert worden, da er dadurch ja von keiner Schuld befreit worden sei. Letzteres Argument läuft aber auf eine petitio principii hinaus, da es gerade fraglich ist, ob S nicht durch die Zahlung des D insofern bereichert wurde, als er nun eine Leistungskondiktion gegen G geltend machen kann. Entscheidend gegen eine Direktkondiktion D - G und damit für eine „Doppelkondiktion" bzw. „Kondiktion übers Dreieck" spricht aber (für
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S. statt aller auch Reeb, 24 f; Gottwald, JuS 1984, 842; ebenso der B G H in ständiger Rechtsprechung: S. etwa B G H Z 40, 272 (277) = N J W 1964, 399; zuletzt B G H N J W 1987, 185 (186) = J Z 1987, 199 mit Anm. Canaris. Larenz bis zur 9. Aufl. seines Schuldrechtslehrbuchs; Fikentscher bis zur 3. Aufl. S. die unveröffentlichte Entscheidung B G H vom 25. 3. 1954, IV ZR 202/53 und dazu Lorenz, J Z 1968, 54. Als obiter dictum in B G H Z 5, 281 (284); 36, 30 (32) = N J W 1961, 2251 = J Z 1962, 280 (mit Anm. Flume); ebenfalls obiter aber nun im gegenteiligen Sinn! - B G H Z 48, 70 (72) = NJW 1967, 1905, wonach eine direkte Durchgriffskondiktion nicht in Betracht komme, wenn innerhalb einer Bereicherungskette der letzte seinem Vormann aufgrund eines Vertrags hafte. Entsprechendes gilt für die o. (S. 19 f) angesprochenen Leistungsketten. Hier geht es um die Frage einer direkten Kondiktion A-C. Enneccerus/Lehmann, §221 III 1 (S. 888 Fn. 12); ähnlich Palandt/Thomas, § 812 Anm. 5 B ee ( „ . . . aus praktischen Erwägungen unter Zurücksetzung dogmatischer Bedenken"). Zu den dogmatischen Begründungen der Durchgriffskondiktionslösung im einzelnen Hassold, 81 ff.
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
die heute ganz h. L. 15 ), daß es dadurch G bzw. S nicht mehr möglich wäre, als Kondiktionsschuldner etwaige Zurückbehaltüngsrechte, Einreden oder Aufrechnungsmöglichkeiten gegen S bzw. G geltend zu machen. Dies können sie - nach heute überwiegender Ansicht - nur dann, wenn man von der Annahme einer Doppelkondiktion S-G, D-S ausgeht; einer Ausnahme, die im übrigen auch das Insolvenzrisiko sachgerecht, d. h. so verteilt, daß jede Partei nur die Folgen der Zahlungsfähigkeit ihres (von ihr ausgesuchten) Partners zu tragen hat. Eine Ausnahme davon (also ein Durchgriff) ist wiederum vor allem unter den Voraussetzungen des § 822 zuzulassen. Strittig ist auf dieser Basis die Bestimmung des „erlangten Etwas", also des Gegenstands des Bereicherungsanspruchs. Nach früher h. L. 1 6 besteht die Bereicherung, die S dem D, seinem Kondiktionsgläubiger, abzutreten hat, in seinem eigenen Bereicherungsanspruch gegen G („Kondiktion der Kondiktion"), woraus sich ergibt, daß G seine Einwendungen gegen S gemäß § 404 nun auch D entgegenhalten kann. An diesem Punkt setzt die Kritik vor allem von Canaris17 an: Die „Kondiktion der Kondiktion" des S gegen G durch D führe für diesen zu einer höchst ungerechten Kumulation der Risiken. Er müsse sich nämlich nicht nur die Einwendung aus seinem Verhältnis zu S, sondern gemäß § 404 eben auch die Einwendungen des G gegen S entgegenhalten lassen. Ferner trage er so nicht nur das Risiko der Insolvenz seines Kondiktionsschuldners S, sondern auch das des G, gegen den er ja letztlich den Anspruch bekomme. Canaris sieht die Lösung wiederum in einem aus seinem Grundgedanken der Risikozurechnung und des Abstraktionsprinzips abgeleiteten unbedingten Wertersatzanspruchs des D: Hat S durch die Leistung des D einen Rückforderungsanspruch gegen G erworben, „so kann er sich nicht auf dessen Abtretung beschränken, sondern haftet auf Wertersatz, wenn seinem Anspruch" gegen G „eine Einwendung entgegensteht... oder wenn der Anspruch durch Unauffindbarkeit oder Konkurs" des G entwertet ist. Nur 15 16
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Repräsentativ Soergel! Mühl, §812 Rdn. 83 ff mzN. Repräsentativ Lorenz, JZ 1968, 53; H. P. Westermann, JuS 1968, 21 (vgl. [differenzierend] nun auch Erman/H. P. Westermann, §812 Rdn. 38); ebenso etwa auch Esser/Weyers, §48 III 3 (S. 383). (o. Fn. 4) 811 ff; ders., Bankvertragsrecht, Rdn. 430; dieser Kritik auf der Basis der Annahme eines Anspruchs des D auf Ersatz des Wertes der Zuwendung des D an G (im Ergebnis) Rechnung tragend etwa Köndgen, in: Dogmatik und Methode (Festgabe für Esser, 1975) 73 f; von Reinersdorf'f, MDR 1981, 802 f; Alternativkomm-/oerges, §812 Rdn. 33; Larenz II, §68 Illb (S. 538f); grundsätzlich jetzt auch Medicus, Rdn. 673; MünchKomm-Zjei, §812 Rdn. 40 f; eingehende Analyse bei U.Meyer, 34ff; für die Qualifikation des von D an G gelieferten Gegenstands als „erlangtes Etwas" Reuter/Martinek, 409 ff.
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dadurch könne es vermieden werden, daß der Kondiktionsschuldner dem gegen ihn geltend gemachten Bereicherungsanspruch Umstände entgegensetzt, die im (Valuta-)Verhältnis zu seinem Partner und daher allein in seiner Risikosphäre liegen, den Kondizienten aber nichts angehen. Diese an sich durchaus plausible Argumentation muß aber u. E . konstruktiv wegen der in § 818 III nun einmal ausdrücklich positivierten Risikoverteilung scheitern 1 8 : N a c h § 8 1 8 III gibt es eben keinen einredeunabhängigen Wertersatzanspruch; der Kondiktionsanspruch ist vielmehr davon abhängig, ob beim Kondiktionsschuldner Vermögensmehrungen überhaupt eingetreten oder später eventuell weggefallen sind (vgl. im einzelnen u., S. 128 ff). Ganz ähnlich wie Canaris (und die heute wohl überwiegende Lehre) argumentiert Wilhelm" damit, daß die Umwandlung des Leistungsgegenstandes in einen Bereicherungsanspruch des Anweisenden gegen den Empfänger gemäß §818 III nicht generell von der vom Angewiesenen zu tragenden Entreicherungsgefahr umfaßt sein könne. Es könne grundsätzlich nicht in Betracht kommen, daß der Nehmer eines Bankdarlehens, „der die Bank das Darlehen an seinen vermutlichen Gläubiger auszahlen läßt, bei Unwirksamkeit des Darlehensvertrages die Bank auf die Abtretung seiner Kondiktion gegen den Pseudogläubiger verweisen und so auf sie das Risiko der Auseinandersetzung mit dem Pseudogläubiger abwälzen" kann. § 818 III müsse in der Auslegung durch Flume20 eingeschränkt werden. Der Anweisende müsse das Risiko seiner vom kausalosen Empfang unbeeinflußten Vermögensentscheidung tragen. Er könne „sich also nicht auf eine Minderung seiner Bereicherung durch Leistung des Angewiesenen unter den Wert der von ihm dem Angewiesenen gegenüber zurechenbar eingesetzten Gegen- oder Ausgleichsleistung berufen" und könne „auch die Minderung der Bereicherung bis zum geringeren Wert seiner Gegenleistung nur dann geltend machen. . . , wenn er nur im Hinblick auf die Billigkeit der Anweisungsleistung das Risiko ihrer Verwendung an den Empfänger auf sich genommen hat". Dieselben Grundsätze, die für den „Doppelmangel" im anweisungsrechtlichen Dreiecksverhältnis zu gelten haben, müssen im übrigen, da wertungsmäßig kein Unterschied vorliegt, entsprechend auch für Doppelmängel bei Leistungsketten ( s . o . , S. 1 9 f ) und Durchlieferungen ( s . o . , S. 2 1 ) sachrichtig sein 2 1 . 18
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Wie hier Esser/Weyers, §48 III 3 (S. 383): „Die beanstandete .Kumulation der Risiken' l i e g t . . . in der Logik des Bereicherungsrechts, deren Mängel nicht durch ad-hoc-Entscheidungen zu beheben sind". Noch dazu sei es völlig offen, ob die krit. Lösung wirklich zu inakzeptablen Härten führe. 123. FS Niedermeyer (1953) 164 ff. Vgl. etwa auch Esser/Weyers, §48 III 3 (S. 383); ebenso schon Lorenz, J Z 1968, 53. Zum Durchgriff bei Doppelmängeln beim finanzierten Abzahlungskauf B G H N J W 1980, 938 (940); dazu zust. Soergel/Mühl, §812 Rdn. 89 f.
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
III. Die Kondiktion bei angenommener Anweisung Das bisher skizzierte Bild wird - so könnte man beim ersten Hinsehen meinen - bei einer Anweisung des S an D (zumeist eine Bank) zuungunsten des Anweisungsempfängers G verschoben, wenn der angewiesene D gemäß §784 I durch Annahme der Anweisung auch gegenüber G zur Leistung verpflichtet wird. D ist im Verhältnis zu G also hier nicht nur Leistungsmittler des G, sondern Leistender. Ebenso liegt es bei einer Giro-Überweisung, wenn die angewiesene Bank die des Empfängers ist, dem sie aus dem Girovertrag zur Vornahme der Gutschrift verpflichtet ist.
Trotzdem wird eine den G seiner Gegenrechte gegenüber S beraubende direkte Kondiktion D - G (in Fällen der Nichtigkeit der Annahmeerklärung des D) einhellig abgelehnt, und zwar aus ganz denselben Gründen, die oben schon zur nicht angenommenen Anweisung geltend gemacht wurden. Es ist doch „nicht zu bezweifeln, daß der Bereicherungsausgleich bei der angemessenen A n w e i s u n g . . . nicht anders vorgenommen werden darf als bei der nicht-angenommenen Anweisung und bei der abgekürzten Lieferung; denn der Anweisungsbegünstigte kann unmöglich nur deshalb schlechter stehen, weil der Angewiesene ihm gegenüber noch zusätzlich eine Rechtspflicht zur Leistung übernommen hatte" 22 . Heißt das aber nicht gleichzeitig, daß der teleologische Leistungsbegriff der h. L. an dieser Konstellation scheitern muß, ein Schluß, den Canaris mit aller Schärfe gezogen hat 23 ? Die h. L. kann dem allerdings entgegenhalten, daß ihr bereicherungsrechtlicher Leistungsbegriff gar keine Deckung mit dem des §241 beanspruchen will. Entscheidend für sie ist, daß die Anweisungsannahme des D nur eine Konsequenz des zugrundeliegenden Deckungsverhältnisses zu S sein kann. D verfolgt somit gegenüber G lediglich einen seinem vorrangigen Verhältnis zu S untergeordneten Zweck 24 . „Eigene Leistungzwecke" liegen nur im Verhältnis S-G und D-S vor. Zuzugeben ist Canaris allerdings noch einmal (s. schon o., S. 12 ff), daß die formal anmutenden Unterscheidungen zwischen „Leistendem" und bloßem „Leistungsmittler" bzw. zwischen vorrangigen und untergeordneten Leistungszwecken als solche nicht die entscheidenden Wertungskriterien für die Frage liefern, zwischen welchen Personen das Kondiktionsverhältnis anzunehmen ist. In letzter Konsequenz heißt dies: Eine „Leistung" im 22
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Canaris (o. Fn. 4) 806; ebenso Reuter/Martinek, 486; Esser/Weyers, §48 III 3 (S. 384); Medicus, Rdn. 679. (o. Fn. 4) 805 ff; vgl. auch Wilhelm, 104 ff. Latenz II, §68 I l l g (S. 547) sieht daher im Gegensatz zu Canaris keine stichhaltigen Einwendungen gegen die h. L. von der Maßgeblichkeit des teleologischen Leistungsverhältnisses.
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bereicherungsrechtlichen Sinn liegt zwischen D und G nicht vor, weil entscheidende teleologische Argumente gegen eine Kondiktion D - G sprechen.
IV. D i e K o n d i k t i o n bei gänzlichem Fehlen einer wirksamen (zurechenbaren) A n w e i s u n g sowie bei Widerruf einer Anweisung25 1. Fehlen einer wirksamen Anweisung Problematisch sind die Anweisungsfälle besonders dann, wenn D (namentlich eine Bank), ohne eine Leistung i. S. von § 267 erbringen zu wollen, auf Basis einer gar nicht bestehenden (bzw. nicht, auch nach Rechtsscheinhaftungsprinzipien nicht zurechenbaren) Anweisung des S (z. B . versehentliche Doppel- oder Zuvielüberweisung, Einlösung eines nicht unterschriebenen Schecks; Uberweisung an den falschen Empfänger; Minderjährigkeit des S; Fälschung der Unterschrift des S; erzwungene Unterschrift [„vis absoluta"]) dem G etwas zuwendet. SchulbeispielS schuldet dem G DM 100 Werklohn. Er reicht einen über diesen Betrag ausgestellten Überweisungsauftrag bei seiner Bank D ein, bei der auch G ein Girokonto hat. Aus Versehen schreibt die Bank dem G einen Betrag von DM 700 gut. Nach Aufklärung des Irrtums verlangt die Bank D den überzahlten Betrag von DM 600 von G heraus. Dieser weigert sich, weil er nur mit S abzurechnen habe. Gegen S stehe ihm aber, da er kürzlich von dessen Hund gebissen worden sei, ein Schadenersatzanspruch zu. Auf diesen Anspruch verrechne er die irrtümlich erhaltenen DM 600. Wer ist im Recht? Das Valutaverhältnis S - G ist hier also in Ordnung, das Deckungsverhältnis D - S dagegen fehlerhaft, wobei der Fehler allerdings nicht im kausalen Deckungsverhältnis liegt (der Darlehensvertrag D - S ist gültig vereinbart worden), sondern im Fehlen einer zurechenbaren Anweisung überhaupt. Verfolgt man die Diskussion dazu chronologisch, so vertrat zuerst von Caemmerer27 die Ansicht, das Vorliegen einer Anweisung sei Geschäftsgrundlage auch für die Zahlung des D an G gewesen, so daß D von diesem direkt kondizieren könne. Der B G H entschied in B G H Z 50, 227 ff 2 8 im Ergebnis gleich, wobei in der Begründung freilich auf den Einzelfall, d. h. eine konkrete Zweckvereinbarung (aufgrund derer G eine Mitschuld an
Reuter/Martinek, 417 ff verwenden den Oberbegriff „defekte Anweisung". Nach Köhler, 173. 2 7 3 28 f. 28 = N j W 1 9 6 8 > 1822. 25
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
der Darlehensrückzahlung übernahm 29 ) abgestellt wurde. Für Pfister30 hingegen sprach in einer Abhandlung aus dem Jahre 1969 nichts dafür, die Fälle fehlender (wirksamer) Anweisung anders zu behandeln als diejenigen, bei denen das Deckungsverhältnis mangelhaft war. Daß G regelmäßig nicht leichter Kenntnis vom Vorliegen einer Anweisung als vom gültigen Zustandekommen der kausalen Deckungsbeziehung hat, liegt in der Tat auf der Hand. „Warum das eine eher .Geschäftsgrundlage' der Zahlung sein soll als das andere", sei „nicht einzusehen". Der Anweisungsverkehr würde auch erheblich gestört, wäre die Wirkung einer Zahlung für den Empfänger davon abhängig, daß tatsächlich eine Anweisung bestand. „Die Interessenlage" sei im Ergebnis „nicht anders als bei einem Fehlen im kausalen Deckungsverhältnis" 31 . Canaris32 will demgegenüber dem „Angewiesenen" (D) trotzdem eine Durchgriffskondiktion gegen G gewähren; und zwar auch im Fall von G's Gutgläubigkeit 33 . Uberzeugend ist vor allem seine Argumentation aus dem Interesse des „anweisenden" S an einer direkten Kondiktion D - G 3 4 : Nehme man eine wirksame Liquidation seiner Schuld gegen G durch D an, so könne er dadurch „erhebliche Nachteile erleiden"; eine solche Verschlechterung seiner Rechtstellung brauche er aber angesichts des „Zurechenbarkeitsmangels" auf seiner Seite nicht hinzunehmen. So sei es zum Beispiel denkbar, daß der Anspruch des G gegen S kurz vor der Verjährung stand, wohingegen der Bereicherungsanspruch des „Angewiesenen" grundsätzlich einer dreißigjährigen Verjährung unterliegen würde. Auch könnte S der Rückgriffskondiktion des D keine Aufrechnungseinrede oder Zurückbehaltüngsrechte, die ihm gegen D zustehen, entgegensetzen, es sei denn, man versuchte, dieser Gefahr durch eine analoge Anwendung der §§ 404 und 406 zu begegnen35. Für D (regelmäßig eine Bank) und G läuft diese Lösung praktisch „darauf hinaus, daß die Bank D das Insolvenzrisiko des Empfängers G zu tragen hat und daß dieser das Geld nicht unter Berufung auf seine Beziehungen zum überweisenden S behalten oder sonstige Einwendungen aus dieser Beziehung der Bank gegenüber vorbringen kann" 3 6 . 29
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Dies ist für Lorenz, J Z 1969, 149 Ansatzpunkt seiner befürwortenden Stellungnahme; s. auch die Fallanalyse Stierle's, 135 ff. J R 1969, 47 ff; im Ergebnis ebenso Wieling, JuS 1978, 807 ff. Pfister, J R 1969, 49. 821 ff; ders., W M 1980, 355. Vertrauensschutz wird damit nur über § 818 III gewährt. S. etwa Canaris, Bankvertragsrecht, Rdn. 442. Vgl. Canaris, (o. F n . 4 ) 824 f. S. Canaris, (o. Fn. 4) 825. Esser/Weyers, § 4 8 III 3 (S. 380). S. auch Medicus, Rdn. 677: „Wie gewonnen, so zerronnen".
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Diese Ansicht hat sich heute in der Lehre weitgehend durchgesetzt 37 und schlägt sich auch in der Rechtsprechung nieder, wobei allerdings noch unklar ist, ob der B G H als Voraussetzung für den Direktanspruch D - G allein auf den Mangel der Zurechenbarkeit abstellt oder, wie in den Fällen des Widerrufs der Anweisung (s. u., S. 34 f), auch auf die Unredlichkeit des G, also auf den Umstand, daß G vom Mangel der Anweisung Kenntnis hatte 38 . Die von Pfister befürwortete Lösung, ein Leistungsverhältnis S-G und damit eine „Zweckbestimmung" des S trotz fehlender Anweisung anzunehmen, kann schließlich auch nicht durch Berufung darauf gerechtfertigt werden, daß das Vorliegen einer „Zweckbestimmung" vom „Empfängerhorizont" des G aus geprüft werden müsse39, da sich aus allgemeiner Vertragsinterpretationstheorie ergibt, daß das Problem der Zurechnung eines rechtsgeschäftlichen Verhaltens keineswegs allein aus dieser Perspektive angegangen werden darf: Die Erklärung muß nämlich im selben Sinn auch dem „Erklärenden" objektiv zurechenbar sein. Ein Vertrauensschutz des Empfängers kann nur dann in Frage kommen, wenn der „Erklärende" ein solches Verhalten setzt, das von seiner Warte aus bei „vernünftiger Überlegung aller Umstände" nur als (entsprechende) Willenser-
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S. neben Canaris und Esser/Weyers (o. Fn. 36) etwa Königen, (o. Fn. 17) 70 f; Latenz II, §68 Illd (S. 541 ff); Medicus, Rdn. 677; eingehend Stierle, 133 ff; Reuter/Martinek, 425 ff; MünchKomm-Li'ei, §812 Rdn. 45 ff. In BGHZ 66, 362 ff = NJW 1976, 1448 (Einlösung eines vom Aussteller nicht unterschriebenen Schecks), BGHZ 66, 372 ff = NJW 1976, 1449 (Überweisung an den falschen Empfänger), BGHZ 67, 75 ff = NJW 1976, 1845 (Wechseleinlösung nach Konkurseröffnung über das Vermögen des zahlungspflichtigen Kunden), wo der BGH die Direktkondiktion D-G befürwortete, hatte der Empfänger jeweils Kenntnis vom Anweisungsmangel (zu diesen drei Entscheidungen K.Schmidt, JuS 1976, 748ff); allein auf die Zurechenbarkeit der Anweisung abstellend aber offenbar der 2. Senat in BGHZ 69, 186 (190) = NJW 1977, 2210 und dazu eingehend Canaris, WM 1980, 354 ff. In der letztveröffentlichten Entscheidung des BGH (NJW 1987, 185 ff = JZ 1987, 199 mit Anm. Canaris = JR 1987, 185 mit Anm. Rehbein) ging es um einen Fall der Zuvielüberweisung durch eine Bank aufgrund eines Mißverständnisses der Anweisung. Der BGH (7. Senat) bejahte die Direktkondiktion der Bank gegen den Empfänger. Unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sei entsprechend der Rechtsprechung des Senats zur Kenntnis des Anweisungswiderrufs und des Fehlens einer Anweisung durch den Empfänger vorzugehen. Die Frage nach der Rechtslage, wenn von vorneherein eine wirksame Anweisung an die Bank fehlt und der Zahlungsempfänger davon keine Kenntnis hat, wurde wieder offengelassen (aaO, 200). Zu dieser Entscheidung (gegenüber der Begründung krit.) auch Flame, NJW 1987, 635 f; Hartlieh, MDR 1987, 721 f. Vgl. zum Ganzen auch die Rechtsprechungsübersicht Schlechtriems, J Z 1984, 510 ff. So aber auch Wieling, JuS 1978, 808.
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen klärung gedeutet werden durfte40. Zur Frage, ob die Zweckbestimmung vom Empfängerhorizont zu beurteilen ist, auch u., S. 36; 37 f.
Folgt man der hier befürworteten Lösung, so kann die Kondiktion D - G allerdings i. S. der h. L. nicht als Leistungskondiktion bezeichnet werden, da D gegenüber G keinen „eigenen Leistungszweck" verfolgt hat. Vielmehr handelt es sich hier um einen Fall der ungerechtfertigten Bereicherung des G in sonstiger Weise41. 2. Widerruf einer Anweisung Lag zunächst eine wirksame Anweisung vor, die aber dann (von S) widerrufen wurde, und wird sie von der Bank (D) versehentlich doch ausgeführt, so stellt sich ebenfalls die Frage, ob D direkt kondizieren kann. Beispiel*2 : S übergab dem G einen auf die Bank D gezogenen Scheck. Noch bevor G den Scheck bei D eingelöst hatte, entstanden zwischen S und G Schwierigkeiten. S sperrte daher den Scheck durch Schreiben an D; diese bestätigte S den Widerruf. Zugleich verlangte S den Scheck von G zurück. G legte den Scheck jedoch bei D vor; dort wurde er infolge eines Versehens eingelöst. D forderte den Scheckbetrag von G zurück. Der B G H hat in B G H Z 61, 289 (293 f) den Durchgriff der Bank zu Recht versagt. Im Unterschied zu den gerade besprochenen Fällen der von vornherein fehlenden zurechenbaren Anweisung liegt hier in der Terminologie von Canaris43 ein „Gültigkeitsmangel" der Anweisung vor. Hier geht es grundsätzlich zu Lasten des Anweisenden, „wenn er den zurechenbar veranlaßten Gang der Dinge nicht mehr aufhalten kann. Das Übersehen des Widerrufs durch die angewiesene Bank ist eine Fehlerquelle, die im Deckungsverhältnis, also ebenfalls im Risikobereich des Anweisenden wurzelt" 4 4 .
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S. in diesem Sinn zuletzt etwa Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 2. Aufl. (1985) Rdn. 326 [S. 118f]; eingehend (im Anschluß an Lorenz) schon Kramer, Grundfragen der vertraglichen Einigung (1972) 49 ff; 152 ff; speziell im Hinblick auf die Zweckbestimmung des Leistenden Wieling, JZ 1977, 293. Eingehende Kritik von Pfisters Abstellen auf den Empfängerhorizont bei U. Meyer, 89 ff. So etwa auch Möschel, JuS 1972, 302; Pmger, AcP 179, 316; Reuter/Martinek, 429 („Abschöpfungskondiktion"); Hartlieb, MDR 1987, 722 („Eingriffskondiktion"); krit. MünchKomm-Z.i'e&, §812 Rdn. 58. Speziell zu den (gleich zu behandelnden) Fällen fehlender Geschäftsfähigkeit des Anweisenden (S) Canaris, BB 1972, 777 f; Wilhelm, 158 ff; zuletzt Reuter/Martinek, 429 ff. Nach BGHZ 61, 289 ff = NJW 1974, 39 (in der Stilisierung von Medicus, Rdn. 676). WM 1980, 355 f. Köndgen, (o. Fn. 17) 70; ebenso etwa auch Möschel, JuS 1972, 301.
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Dieser Lösung 4 5 wird heute zu Recht überwiegend gefolgt 46 . Dabei ist aber gleichzeitig anzuerkennen, daß die Situation dann anders zu beurteilen ist, wenn G der Widerruf der Anweisung bekannt war. Dann weiß er, daß eine wirksame Anweisung für die Zahlung der Bank an ihn fehlt. „Die Zahlung der Bank an ihn stellt sich deshalb für i h n . . . nicht als Leistung des Anweisenden dar. Sie kann dem Anweisenden - abweichend von dem sonst geltenden Grundsatz - daher nicht als seine Leistung an den Empfänger des Geldes zugerechnet werden" 4 7 . Dann kann die Bank auch in Fällen widerrufener Anweisung direkt von G kondizieren.
V. Irrtümer des D 1. D e r Postanweisungsfall R G Z 6 0 , 2 4 ff Ganz anders gelagert wie die eben besprochenen Fälle fehlender (zurechenbarer) Anweisung des D liegen die Konstellationen, in denen D (vor allem eine Bank oder eine Post) bei bestehender Anweisung motivirrtümlich (fehlende Deckung, Pfändung des Kontos des Anweisenden etc.) dieser nachkommt und den Betrag dem G ausbezahlt. Hierher gehört der schon erwähnte (o., S. 25) Postanweisungsfall R G Z 60, 24 ff. Der Motivirrtum der angewiesenen Post beruhte auf einer arglistigen Täuschung durch den Postbeamten, der bei Abfertigung seiner eigenen Anweisung die Summen fälschlich als eingezahlt eingetragen hatte. Die Post kann sich, wie auch das R G im Ergebnis richtig angenommen hat, dem G (der Empfänger-Bank) gegenüber nicht auf die arglistige Täuschung berufen: 45
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Auf eine genaue Differenzierung zwischen Giroüberweisungs-, Lastschrift- und Scheckverkehr sowie der Rechtslage beim Dokumentenakkreditiv kann hier nicht eingegangen werden. Dazu im einzelnen Ca.na.ris, WM 1980, 354 ff; Reuter/ Martinek, 440 ff. Aus der Lehre neben der bereits zit. etwa Larenz II, §68 Illd (S. 542 f); Esser/ Weyers, §48 III 3 (S. 381); Medicus, Rdn. 676; Soergel/Mühl, § 812 Rdn. 77ff; in der Begründung abw. Wilhelm, AcP 175, 304 ff; U. Meyer, 108 ff; grundsätzlich für Direktkondiktion D-G Kupisch, 73 ff; MünchKomm-Lie^, § 812 Rdn. 70 a; Schnepp, WM 1985, 1254 f. Der BGH hat seinen „leading case" BGHZ 61, 289 ff = NJW1974,39 fortgeführt in BGHZ 87,246 ff = NJW1983,2501 = JZ 1983, 958 (mit Anm. Lieh)-, BGHZ 87, 393 ff = NJW 1983, 2499 (zu diesen beiden Entscheidungen Kupisch, ZIP 1983, 1412ff); BGHZ 89, 376ff = NJW 1984, 1348 = JZ 1984, 625 (mit Anm. Canaris); NJW 1984, 2205 ff; zuletzt auch OLG Hamm NJW-RR 1986, 791 (793). BGHZ 87, 393 (398) = NJW 1983, 2499. Dasselbe ist aber (analog § 173 BGB) auch dann anzunehmen, wenn G wissen mußte, daß eine Fehlüberweisung vorliegt. S. Canaris, Bankvertragsrecht, Rdn. 439; ders., JZ 1987, 201. Ebenso jetzt auch (österr.) OGH Wirtschaftsrechtl. Blätter 1988, 94 (95).
II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
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Der Empfängerin gegenüber waren „sowohl die Zahlungen als auch die Disposition zugunsten des Postbeamten uneingeschränkt wirksam: Was die Zahlungserklärungen, d. h. die Anweisung zur Gutschrift auf dem Reichsbankkonto der Empfänger-Bank bzw. die Ubereignungserklärung, soweit bar ausgezahlt wurde, anbetrifft, war die Empfänger-Bank Erklärungsempfängerin i. S. des § 123 II 1. Aus der Vermögensdisposition der Post zugunsten ihres Beamten hat die Bank i. S. des § 123 II 2 unmittelbar Rechte erworben. In beiderlei Hinsicht war der Erwerb der Bank unanfechtbar, weil die Bank die Täuschung des Postbeamten weder kannte noch kennen mußte" 4 8 . 2. Leistungskondiktion, wenn S falsus procurator des G ist a) Das Problem Das bereits o. (S. 33) ins Spiel gebrachte Problem, nach welchem „ H o r i z o n t " zu beurteilen ist, ob, von wem und an wen eine Leistung im bereicherungsrechtlichen Sinn erbracht worden ist, ist auch bei folgender Fallkonstellation aufgeworfen worden: S tritt gegenüber D als direkter Stellvertreter von G (seinem Vertragspartner im Valutaverhältnis) auf, kauft also etwa im Namen des G bei D ein; D leistet daraufhin an G in der irrtümlichen Annahme, seine Verpflichtung diesem gegenüber zu erfüllen, während hingegen S in Wirklichkeit gar keine Vertretungsmacht hatte, somit als falsus procurator agierte. Kann D von seinem (vermeintlichen) Vertragspartner G kondizieren, der annahm, D leiste auf Anweisung des S (im Hinblick auf dessen Leistungsverpflichtung aus dem Valutaverhältnis)? Beispiel: G bestellt beim Rundfunkversandhändler S eine selten verlangte Stereoanlage japanischen Fabrikats, Typ XY. S sagt Lieferung zu. Da er jedoch gerade keine derartige Anlage vorrätig hat, kauft er als Vertreter des G (ohne aber in Wahrheit Vertretungsmacht zu haben) eine solche beim Grossisten D, mit der Maßgabe, D solle die Anlage direkt an G liefern, was auch ausgeführt wird. D nimmt bei der Lieferung an G an, diesem aufgrund eines durch S als Vertreter zustande gekommenen Kaufvertrages G-D zur Leistung verpflichtet zu sein, während G davon ausgeht, daß es sich um eine Leistung des S mittels des D handle. G entrichtet nach Erhalt der Anlage den vereinbarten Kaufpreis an S; dieser wird zahlungsunfähig. D will nun im Hinblick auf den scheinbar mit G (über S) geschlossenen Kaufvertrag Zahlung von G verlangen. Dieser wendet ein, nur S gegenüber verpflichtet gewesen zu sein und diese Verpflichtung auch erfüllt zu haben; den Vertrag S-D aber genehmigt er nicht nach § 177, so daß er i. S. von §179 I nicht wirksam wird. D möchte nun seine Leistung von G kondizieren. 48 49
Wilhelm, 157; s. auch Medicus, Rdn. 678; Reuter/Martinek, 453 f. Nach Reeb, 20 und 23 (Variante von Fall 12).
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Kann sich hier D mit einer Leistungskondiktion an seinen vermeintlichen Vertragspartner G halten oder kann ihm dieser einwenden, nur S gegenüber verpflichtet gewesen zu sein, eine Pflicht, die er im übrigen bereits erfüllt habe? b) Lösungsansätze Hält man i. S. älterer Rechtsprechung50 allein die Sicht des D, nicht aber die des G für maßgebend, so könnte gegen eine Kondiktion des D nichts eingewendet werden, da er ja im Hinblick auf den wegen der mangelnden Genehmigung des Vertreterhandelns nichtigen Kaufvertrag D-G, also solvendi causa geleistet hat. G müßte danach den Leistungsgegenstand an D auch dann herausgeben, wenn er schon an S die Gegenleistung erbracht hat. Demgegenüber stellt der B G H seit der vieldiskutierten „Idealheim"Entscheidung B G H Z 36, 30 ff. Der Grundstückseigentümer G hatte bei S ein schlüsselfertiges Haus bestellt und den Festpreis bezahlt. S kaufte das in das Haus einzubauende Installationsmaterial - ohne dazu bevollmächtigt zu sein - im Namen des G bei D. D lieferte das Material „wortlos" an die Baustelle; es wird eingebaut. S fällt in Konkurs; D verlangt von G Bezahlung (bzw., da ein Vertrag D-S wegen fehlender Vertretungsmacht des D bzw. mangelnder Genehmigung durch G nicht zustandegekommen ist, aufgrund einer Leistungskondiktion den Materialwert [§818 II]).
auf den „Empfängerhorizont" des G ab, also darauf, ob G sich berechtigtermaßen darauf berufen kann, er habe nach den Umständen die von D empfangene Leistung als für S erbracht ansehen dürfen51. Ist dies der Fall, so könne D von G nichts fordern und müsse sich an S halten. Eine vermittelnde Lösung hat Flttme52 vorgeschlagen: Er lehnt das Abstellen auf den Empfängerhorizont ab und gibt dem D die Leistungskondiktion gegen G. Dieser kann jedoch seine gutgläubige Zahlung an S und die Uneinbringlichkeit einer Rückforderung dieser Zahlung gemäß §818 III als Wegfall der Bereicherung geltend machen. Im Ergebnis deckt sich dies weitgehend mit dem Vorschlag, zwar auf den Empfängerhorizont des G abzustellen, dem D aber mittels Irrtumsanfechtung (analog) zu gestatten, 50
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S. etwa RGZ 98, 64 (65). Eingehende Analyse dieses „Bierkutscherfalls" bei Joerges, JuS 1975, 514 ff. S. B G H Z 36, 30 (33) = J Z 1962, 280 (mit Anm. Flume); B G H Z 40, 272 (278) = N J W 1964, 399; B G H Z 67, 232 (248) = N J W 1977, 44; ebenso etwa Baur/Wolf, JuS 1966, 395 ff; Zeiss, J Z 1963, 9 f ; Reuter/Martinek, 451 ff; Beutbien/Weber, 24. J Z 1962, 281 ff; zust. Lopau, JuS 1975, 77(>\von Olshausen, J Z 1975, 29 f; ebenso etwa Latenz II, § 6 8 III (S. 545); vgl. auch Medicus, Rdn. 688.
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
den falschen Schein (einer Leistung des S) zu zerstören und den Vertrauensschutz des G über § 122 I zu begründen 53 . Demgegenüber spricht doch viel dafür, G von vorneherein grundsätzlich unbehelligt zu lassen und den Ausgleich im Verhältnis D-S zu suchen: „§179 verweist" nun einmal „denjenigen, der auf eine nichtbestehende Vollmacht vertraut hat, darauf, sich an den falsus procurator zu halten, und diese Entscheidung kann sich nicht auf das Entstehen der Gegenleistungsverpflichtung beschränken. Sie muß auch für alle Formen der Störungsabwicklung gelten"54. Damit wird im Ergebnis für die BGH-Linie plädiert. In den „Baufällen" wie der „Idealheim"-Entscheidung muß sich der Lieferant (D) an den Bauträger (S) halten und insofern das Konkursrisiko tragen, es sei denn, der Bauherr (G) habe i. S. der Lehre von der Duldungs- und Anscheinsvollmacht zurechenbarerweise den Schein einer Vollmachterteilung gesetzt55. Zum durch die „Einbaufälle" (etwa BGHZ 40, 272ff; BGHZ 56, 228 ff) zusätzlich gestellten Problem der angeblichen „Subsidiarität" der Eingriffskondiktion u., S. 106 ff.
3. Irrtümliche Bezahlung einer fremden Schuld (in der Meinung, es sei eine eigene) a) Das Problem Während bei der gerade besprochenen Konstellation immerhin aus der Sicht des G ein auf dem teleologischen Leistungsbegriff basierendes Dreiecksverhältnis gegeben sein könnte, fehlt die Möglichkeit zu dessen Konstruktion von vornherein dann, wenn D irrtümlich bei G eine eigene, gar nicht bestehende Verbindlichkeit bezahlt, während in Wirklichkeit S der Schuldner des G ist. Hier ist aus keiner Perspektive ein Dreiecksverhältnis zu sehen, wenn man voraussetzt, daß sowohl D als auch G (fälschlicherweise) meinen, D sei Schuldner des G. Folgende Fälle lassen sich im Rechtsleben beobachten 56 : Der vermeintliche Erbe D zahlt eine Nachlaßverbindlichkeit; später wird ein Testament gefunden, welches S als Erben ausweist; Zahlung aufgrund unwirksamer Schuldübernahme: Es werden Hypothekenzinsen und Hypothekenschulden gezahlt, obwohl der Grundstückskaufvertrag und mit ihm 53
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S. etwa Canaris, (o. Fn. 4) 827; Weitnauer, NJW 1974, 1731; Wieling, JZ 1977, 292; Staudinger/Lorenz, §812 Rdn. 60. Dagegen (weil irrtumsrechtlich nicht haltbar) Reuter/Martinek, 455 f; s. auch MünchKomm-Ziei, §812 Rdn. 94. Esser/Weyers, § 48 III 6 (S. 390). Vgl. auch Medicus, Rdn. 688: D „hat es ja nicht nur unterlassen, sich der Vollmacht des" S „zu vergewissern, sondern er hat überdies auch auf Kredit geliefert". Ebenso Esser/Weyers, §48 III 6 (S. 390). Übersicht bei G.H. Maier, AcP 152, 98 f; von Caemmerer, 340 f.
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die Schuldübernahme unwirksam sind. D glaubt, sein Sohn habe beim Nachbarn eine Scheibe eingeworfen, so daß er nach § 832 hafte, während in Wirklichkeit der Sohn des S der Missetäter war. Jemand hält sich für den Vater eines unehelichen Kindes; später stellt sich heraus, daß das Kind von S stammt. b) Lösungsansatz Es kann nun kaum bezweifelt werden 57 , daß der irrtümlich leistende D grundsätzlich gegen G eine Leistungskondiktion geltend machen kann: Wer irrtümlich eine vermeintlich eigene, in Wirklichkeit aber fremde Schuld bezahlt, tilgt damit nicht die fremde Verbindlichkeit. Dies ergibt sich mittelbar auch aus § 267, der vorsieht, daß eine Schuld auch durch die Leistung eines Dritten getilgt werden könne. Diese Bestimmung betrifft aber nur den Fall, daß D im Hinblick auf die Verbindlichkeit des S gegen G leistet; ansonsten hat die Leistung des D eben keine TilgungsWirkung. Das heißt in concreto: Hat der vermeintliche Erbe D eine Rechnung von D M 8 000 für eine Dachreparatur, die der Erblasser hatte vornehmen lassen, aus eigener Tasche (nicht aus Nachlaßmittel: dann nämlich Tilgung der Schuld analog zu §2019 I) gezahlt, so kann er diesen Betrag von G kondizieren, wenn sich später herausstellt, daß S der wahre Erbe ist58. Diese condictio indebiti des D kann nach allgemeinen Grundsätzen (§818 III) hinfällig werden, wenn G nicht mehr bereichert ist, etwa dann, wenn G infolge der Zahlung des D seine Forderung gegen S nicht verfolgt, so daß diese verjährt, wenn S inzwischen insolvent wird, während ein rechtzeitiges Vorgehen gegen ihn noch erfolgreich gewesen wäre 59 . Allerdings muß dann eine Verpflichtung des G bejaht werden, dem D seine Forderung an S abzutreten, um diesen in die Lage zu versetzen, vielleicht doch bei S durchzukommen. c) Änderung der Leistungsbestimmung Soweit gibt es wenig Zweifel. Erheblich mehr Kopfzerbrechen macht hingegen die Frage, ob sich D nachträglich wahlweise auch auf den Standpunkt stellen könne, er habe als Dritter i. S. von § 267 die Forderung des G gegen S tilgen wollen, um auf dieser Grundlage statt gegen G gegen S vorgehen zu können. Ein solches Wahlrecht des D ist für ihn dann von 57 58 59
S. auch von Caemmerer, 341 f; Latenz II, §68 III (S. 543); Medicus, Rdn. 948. Beispiel nach von Caemmerer, 344. Wilburg, in Klang-Kommentar zum ABGB VI, 2. Aufl. (1951) 485 will hier differenzieren und eine Berufung auf Entreicherung durch Verjährung der Forderung gegen S ausschließen, wenn G die irrtümliche Leistung veranlaßt hat und dem Putativschuldner der Irrtum nicht hat auffallen müssen.
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
entscheidender Bedeutung, wenn G zahlungsunfähig geworden ist. Ließe man hier die Kondiktion des D nur gegen G zu - so argumentieren die Befürworter eines Wahlrechts 60 so könnte der Konkursverwalter des G die Forderung gegen den wahren Schuldner voll zur Konkursmasse einziehen, während er auf die Kondiktion des Putativschuldners D nur die Konkursdividende auszuschütten brauchte. G erhielte damit praktisch doppelte Bezahlung. Flumebl unterstützt das Wahlrecht mit einer Argumentation aus §267: Der Gläubiger G habe die Leistung des D als ihm gebührend akzeptiert. Da er also von seinem Standpunkt „suum recepit" (die ihm gebührende Leistung in Empfang nahm), könne er die Leistung nicht nachträglich noch zurückweisen. S müsse es sich aber nach §267 gefallen lassen, daß ein anderer seine Schuld erfüllt. Es k o m m e somit einzig auf den Leistenden an, ob die Leistung als Erfüllung der Schuld des wirklichen Schuldners gelten soll. Lasse er sie als solche gelten, so dürfe man ihm auch den Bereicherungsanspruch (Rückgriffskondiktion) gegen S nicht versagen, da er ihn von einer Schuld befreit und damit „in sonstiger Weise" bereichert habe. Es spreche daher nichts dagegen, D durch die Zurverfügungstellung eines Wahlrechts (dessen dogmatische Begründung über eine Analogie aus § 144 bzw. §§182 ff allerdings nicht unbedenklich wäre) sowohl gegen das Risiko der Insolvenz des G als auch des S abzusichern. Gerade diese Annahme aber wurde vor allem von Lorenz 6 2 mit konkursrechtlichen Argumenten angegriffen. Das Konkursrecht sei von dem Grundgedanken beherrscht, daß es einem Gläubiger nicht gestattet ist, sich „nach Ausbruch der Krise" zum Nachteil anderer Konkursgläubiger eine Sonderdeckung zu verschaffen. Die Ausübung des Wahlrechts durch den Putativschuldner D sei im Ergebnis „eine der Aufrechnung gleich zu achtende, einseitig gestaltende Verfügung mit verfügungsgleicher Wirkung" auf G ' s Forderung gegen den wirklichen Schuldner („Echtschuldner") S. Daher sei das Wahlrecht an die gesetzlichen Schranken der Konkursanfechtung (vgl. §§ 29 ff K O sowie § 55 K O ) zu binden. Danach ist es einem Gläubiger des Gemeinschuldners (D) nach sichtbar werdender Krise verboten, der Masse eine dieser gegen einen Dritten (S) zustehende 60
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Von Caemmerer, 349 ff; G. H. Maier, AcP 152, 101; Flame, JZ 1962, 282; Thomae, JZ 1962, 627 f; Ehmann, NJW 1969, 1835; Kaehler, 79ff; Wilhelm, 175 ff; für Nachholbarkeit des Drittleistungswillens auch Reuter/Martinek, 477; in der Rechtsprechung BGH NJW 1964, 1898 (1899); NJW 1983, 812 (814); NJW 1986, 2700 f, wobei allerdings auf den Einzelfall abgestellt wird. JZ 1962, 282. FS zum 50-jährigen Bestehen des Instituts für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg (1967), insbes. 280 ff; s. auch Staudinger/Lorenz, § 812 Rdn. 59; ebenso etwa auch Medicus, Rdn. 951.
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Forderung „noch dadurch zu entziehen, daß nachträglich die zur Aufrechnung erforderliche Identität von Schuldner und Gläubiger des Gemeinschuldners hergestellt wird" 63 . Dem D würde daher durch das Wahlrecht eine Sonderdeckung zu Lasten der anderen Konkursgläubiger des G eingeräumt, eine nach Konkursrecht unhaltbare Lösung. Wilhelm64 hat dagegen wiederum überzeugend eingewendet, daß die Bedenken von Lorenz - was die Interessen des Echtschuldners S (der inzwischen selbst geleistet oder eine Aufrechnungsmöglichkeit haben oder dessen Schuld verjährt sein könnte) und der Gläubiger des G betrifft - nur für den Fall einer rückwirkenden Wahlausübung fundiert seien. Hingegen sei es unbedenklich, eine ex nunc wirkende Wahlausübung zuzulassen, da dann die vor der Wahlausübung erbrachte Leistung des Echtschuldners (S) in ihrer Erfüllungswirkung nicht durch die Wahlausübung aufgehoben werde, der Echtschuldner ferner Verjährung der Forderung 65 oder Bestehen einer Aufrechnungslage geltend machen kann. Die Wahlausübung bleibt bei ex nunc-Wirkung auch im Konkurs des G wirkungslos 66 . VI. Bezahlung einer vermeintlichen (nicht bestehenden) Schuld eines Dritten 1. Das Problem Ein weiteres, viel diskutiertes Dreiecksproblem stellt sich dann, wenn D aus eigenem Antrieb (also ohne von S dazu angewiesen oder veranlaßt worden zu sein und ohne ein „Ablösungsrecht" nach § 268 zu haben) eine Schuld des S bei G begleichen möchte, wozu ihm § 267 grundsätzlich die Möglichkeit gibt. Beispiel7: G erzählt dem D, D's Schwiegersohn S lasse beim Tanken anschreiben und schulde ihm noch DM 200. Um seinen Schwiegersohn unter die Arme zu greifen, bezahlt D den Betrag aus eigener Tasche. In Wahrheit hatte S aber bereits bezahlt, was dem G versehentlich entgangen war. D fordert nun sein Geld von G zurück. Dieser lehnt ab, weil ihm S inzwischen wegen einer Autoreparatur schon wieder D M 250 schulde und er die DM 200 darauf verrechne68. 63 64
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Lorenz, Instituts-FS (o. Fn. 62) 281. 175 ff; vgl. auch Schnauder, 188 f, der eine nachträgliche einverständliche Änderung der Zweckvereinbarung zwischen D und G für erforderlich und damit die Bedenken von Lorenz für ausgeräumt hält. Wenn S die Verjährung aber gerade der Tatsache zu verdanken hat, daß G seinen Anspruch durch die (irrtümliche) Leistung des D befriedigt erachtete und deshalb den S ungeschoren ließ, spricht alles für eine Kondiktion des D gegen S. Dagegen wieder MünchKomm-Liefe, § 812 Rdn. 77. Nach Köhler, 171 f. Zu anderen Konstellationsvarianten Canaris, (o. Fn. 4) 843 ff.
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Wer kann kondizieren, wenn, wie im angeführten Beispiel, die angenommene Schuld des S gar nicht rechtsgültig bestand 69 , weil er diese etwa, ohne daß dies D bzw. G wußten, vorher selbst beglichen hatte 70 ?
2. Die herrschende Lehre Die h. L. 7 1 läßt hier (also bei Nichtbestehen der Schuld sowie fehlender Veranlassung der Drittleistung durch S) - was prima vista auch einzig sinnvoll zu sein s c h e i n t - e i n e Kondiktion D - G zu. D e r unangewiesene D vollziehe - anders als bei der Anweisung - in seinem Verhältnis zu G nicht lediglich eine fremde Leistung; vielmehr leiste er hier selbst auf eigene Kosten, verfolge also einen eigenen Leistungszweck. Das Spezifische an der Drittleistung nach § 2 6 7 sei es ja gerade, „daß der leistende Dritte seine Zuwendung an den Gläubiger nicht einem Rechtsgrund aus seinem eigenen Verhältnis zu diesem, sondern dem ihm fremden Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner zuordnet. Anders gesagt: Der Dritte erbringt eine unmittelbare Eigenleistung für Rechnung des Schuldners, ohne diesen dadurch zum Leistenden zu machen" 7 2 . Hätte der D einen Kondiktionsanspruch gegen S, so würde dieser als vielleicht völlig Unbeteiligter in die Rolle eines Bereicherungsschuldners gedrängt. Noch dazu könne eine Bereicherung des Scheinschuldners S durch die Zahlung des D nicht gesehen werden, da die beabsichtigte Schuldbefreiung eben wegen Nichtexistenz ins Leere gegangen sei, so daß ein Gegenstand einer Leistungskondiktion D - S (als Alternative zu einer Leistungskondiktion D G ) nicht vorliege. Dieses letzte Argument ist aber deshalb allein noch nicht zwingend, da Gegenstand einer Leistungskondiktion D - S ja gerade die condictio indebiti sein könnte, die dem vermeintlichen Schuldner S gegen den vermeintlichen Gläubiger G zuerkannt wird. Die Möglichkeit einer solchen Kondiktion müßte also erst widerlegt werden. Auch die Argumentation mit der eigenen Zwecksetzung des D ist keineswegs un69
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Bestand die Schuld des S, so kann G nicht ungerechtfertigt bereichert sein, so daß sich ein Bereicherungsausgleich von vorneherein nur zwischen D-S abspielen kann. Zu dieser Rückgriffskondiktion u., S. 102 f. Zur Variante, bei der die Leistung des D durch den Scheinschuldner S veranlaßt worden ist, s. BGHZ 72,246 (248 f) = NJW1979,157, wo Abwicklung über das Dreieck befürwortet wurde; ebenso Canaris, (o. Fn. 4) 846ff; dagegen wiederum Reuter/Martinek, 469 ff. S. etwa von Caemmerer, 325; Beuthien, JZ 1968, 326; Lorenz, AcP 168, 299; Pinger, AcP 179, 326; Weitnauer, FS von Caemmerer (1978) 277; Schnauder, AcP 187, 166ff; Medicus, Rdn.685; Esser/Weyers, §48 III 4 (S.386); MünchKomm-Lieb, §812 Rdn. 108; Staudinger/Lorenz, §812 Rdn. 43; in der Rechtsprechung bereits RGZ 60, 284 (287 f). Beuthien, JZ 1968, 326.
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zweifelhaft, wenn man bedenkt, daß D die Leistung niemals ohne eine bestimmte Finalität dem S gegenüber (sei es schenkungshalber [causa donandi], sei es um eine Geschäftsführung nach § 683 vorzunehmen oder um den S zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen) erbringen wird. „Andererseits verfolgt D mit der Zahlung an G diesem gegenüber keine eigenen Zwecke: Weder besteht zwischen beiden ein Schuldverhältnis, dessen Erfüllung die Zahlung bewirken könnte, noch soll ein solches unmittelbar begründet werden, noch will D mit der Zahlung G zu einem bestimmten Verhalten veranlassen" 73 . Eine Mindermeinung 7 4 kommt daher aufgrund des zweckbetonten Leistungsbegriffs zu einer Ablehnung einer Leistungskondiktion D - G ; es stehe allein S ein Bereicherungsanspruch gegen G zu, den D wiederum „übers Dreieck" von G kondizieren könne. 3. Kritik Trotz dieser nach dem teleologischen Leistungsbegriff prima vista konsequent erscheinenden Argumentation kann der letztgenannten Auffassung nicht gefolgt werden: Dogmatisch, auf Basis des teleologischen Leistungsbegriffs argumentiert, deswegen nicht, weil bei der zu erörternden Konstellation im Unterschied zu den Anweisungsfällen mit mangelhaftem Valutaverhältnis (S-G) eine Leistungskondiktion S-G deshalb ausscheiden muß, da offenbar keinerlei (bewußte) Zwecksetzung des S vorliegt, also auch keine Leistung bzw. Vermögensdisposition, die wegen Nichterreichung des Zwecks frustriert sein und daher kondiziert werden könnte. In den Fällen fehlender Anweisung (s.o., S. 31 ff) könnte man immerhin noch versucht sein (s. o., S. 33 f), den G in seinem, aus dem „Empfängerhorizont" gerechtfertigten Vertrauen, daß D auf Anweisung des S dessen Schuld begleiche, zu schützen. Trotzdem wird nach richtiger Ansicht eine Kondiktion S-G abgelehnt. Bei von S nicht veranlaßter Tilgung der (gar nicht bestehenden) Schuld durch D besteht ein solcher Anlaß, den S in die Rolle des Leistenden (und Kondiktionsgläubigers im Verhältnis zu G) zu drängen, aber von vorneherein nicht 75 . Während S keine Leistung erbrachte, deren Zweck verfehlt wurde, liegt eine solche Zweckverfehlung offenbar bei D und einzig bei ihm vor. Ihm - und insofern handelte er auf eigenes Risiko - ist sein Plan mißlungen, den S durch eine Bezahlung von dessen Schuld zu beschenken oder für ihn eine Geschäftsführung nach 73 74 75
Reeb, 27. S. etwa Köndgen, (o. Fn. 17) 67f; E.Schmidt, JZ 1971, 607; Wieling, JZ 1978, 803 ff; Reeb, 27; frühere Aufl. (bis zur 4.) des Esser'sehen Lehrbuchs. Vgl. auch Wilhelm, 140, der von „vollends unerträglichen" Konsequenzen des herrschenden Leistungsbegriffs spricht; Reuter/Martinek, 469 („ . . . geradezu grotesk...").
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
§ 683 zu leisten, da die angenommene Schuld eben nicht existierte. Aber auch dem total unbeteiligten Pseudoschuldner „ S " wird eine Verbindlichkeit gegenüber D aufgedrängt, nämlich die, ihm seine Kondiktion gegen „ G " herauszugeben, obwohl „das Gesetz es in Konsequenz des § 2 6 7 nur zuläßt, daß ein Dritter dem bereits mit einer Schuld Belasteten die Erfüllung der Schuld und damit einen Gläubigerwechsel aufdrängt" 76 . Die einzige Folgerung daraus kann sein, nicht dem S (bei dem, wie gesagt, keine fehlgegangene Disposition vorliegt, die er rückgängig machen könnte), sondern sofort dem D eine Kondiktion gegen G zu gewähren. So gesehen bedeutet es in der Tat, das Pferd am Schwanz aufzuzäumen, wenn trotz allem fingiert wird, der Plan des D, den S zu bereichern, sei geglückt, habe ihm doch D einen Kondiktionsanspruch gegen G verschafft, einen Anspruch, den aber wiederum D kondizieren könne. Dagegen können auch keine konkursrechtliche Erwägungen ins Treffen geführt werden. E. Schmidt77 argumentiert damit, daß nicht einzusehen sei, wieso D bei Konkurs des „S" durch die Kondiktion gegen den zahlungsfähigen „G" bevorzugt werden sollte. „Der Dritte hat jedoch mit dem Konkurs des Pseudoschuldners nichts zu tun. Der von ihm dem Pseudoschuldner zugedachte Vermögensvorteil, die Schuldbefreiung, ist wegen Nichtexistenz der Schuld dem Vermögen, über das der Konkurs eröffnet ist, gar nicht erst zugute gekommen. Umgekehrt also ist nicht einzusehen, wieso die Konkursgläubiger des Pseudoschuldners durch die Erweiterung der Konkursmasse um die Kondiktion gegen den Pseudogläubiger begünstigt werden sollten, obwohl das Vermögen des Pseudoschuldners von der Leistung des Dritten tatsächlich und rechtlich unberührt geblieben ist. Mit Recht trägt der Dritte dagegen das Risiko des Konkurses des Pseudogläubigers; denn er war es, der sein Vermögen dem Pseudogläubiger gegenüber eingesetzt hat, um die Befreiung des Pseudoschuldners zu erreichen"78.
Das einzige Argument, das für eine direkte Kondiktion S - G sprechen könnte, daß nämlich G dadurch befähigt würde, dem S etwaige Einwendungen aus einem ungültigen Grundverhältnis entgegenzusetzen, die er D nicht entgegenhalten kann, ist ebenfalls nicht durchschlagend, ist es doch nicht unbillig, dem G diese Einwendungen zu versagen, „weil er nicht erwarten kann, durch die Erfüllung von Seiten eines Dritten, die ihm in den Schoß gefallen ist, auch noch Einwendungen gegen diesen zu erhalten" 7 9 . N o c h dazu bewirkt ja auch § 8 1 8 III einen Vertrauensschutz 80 . 76 77
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Wilhelm, 143.
JZ 1971, 607 Fn. 44. Wilhelm, 142; vgl. auch Reuter/Martinek, 468 f, die ebenfalls keinen Grund sehen, dem D sowohl das Risiko der Involvenz des G als auch das des S aufzuladen.
Esser/Weyers, §48 III 4 (S. 386).
S. auch Latenz
II, §68 IIIc (S. 541); Reuter/Martinek,
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4. Leistung in Ausübung eines „Ablösungsrechts" Zahlt der „Dritte" aufgrund eines „Ablösungsrechts" (etwa nach §§268, 1142) mit dem Ziel, damit den gesetzlich angeordneten Ubergang der Forderung G-S auf sich zu bewirken, so ist unbestritten, daß D, falls sich seine Intention nicht verwirklichen läßt, sich mit Hilfe einer Leistungskondiktion an G halten kann, da er diesem gegenüber sein Vermögen einsetzt, also einen eigenen Leistungszweck verfolgt (Leistung solvendi causa, um damit die Forderung von G zu erwerben), während er dem S gegenüber keinen Leistungszweck verfolgt81.
VII. Die Leistungskondiktion bei echten Verträgen zugunsten Dritter 1. „Abgekürzte Lieferung" Grundsätzlich ganz gleich zu sehen wie die Fälle der angenommenen Anweisung (s.o., S. 30 f) sind die berechtigenden Verträge zugunsten Dritter (§328 I) bei Konstellationen wie den folgenden: 1, Beispiel32: G bestellt bei S Saatgetreide. Nach Vertragsschluß bemerkt S, daß seine Vorräte für dieses Geschäft nicht mehr ausreichen. Er wendet sich daher an den befreundeten Händler D, um den fehlenden Bedarf zu decken. Der Einfachheit halber wird vereinbart, daß G berechtigt sein solle, Lieferung des Getreides an sich zu verlangen. S teilt dies dem G mit, der tags darauf das Getreide bei D abholt und aussät. Als D von S Zahlung verlangt, stellt sich heraus, daß der Vertrag wegen Dissenses über die Kaufpreishöhe unwirksam war. Kann D nun den Wert des Getreides von S oder von G ersetzt verlangen? 2. Beispiel*1: D schließt mit S einen Kaufvertrag über einen Dampfkessel ab. Vor der Lieferung stellt S fest, daß er den Dampfkessel nicht gebrauchen kann. S verkauft ihn daher an G und vereinbart gleichzeitig mit D, daß G den Dampfkessel unmittelbar von D verlangen könne. Später stellt sich heraus, daß der Vertrag D-S nichtig war. D will den Dampfkessel von G kondizieren.
Die direkte Kondiktion D-G ist in solchen Fällen („abgekürzter Lieferung") auszuschließen, da G die Leistung mit Rechtsgrund erlangt hat; der Umstand, daß G eine Forderung gegen D hatte, gibt (wie bei der angenommenen Anweisung)84 keine Grundlage für die Annahme eines bereicherungsrechtlichen Leistungsverhältnisses zwischen D und G, da D die Leistung primär im Hinblick auf seine Verbindlichkeit gegen S er81 82
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S. etwa Esser/Weyers, §48 III 4 (S. 386); Reeb, 28f. Nach Köhler, 175. Bezüglich der Initialen der am Dreiecksverhältnis beteiligten Personen sei noch einmal an die unter der Graphik auf S. 24 angebrachte Klarstellung erinnert! Abgewandelt nach B G H Z 5, 281 ff. S.o., S. 30
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
brachte, so daß in Wirklichkeit wirtschaftlich S über D „abgekürzt" leistete 85 . D kann sich daher nur an S halten. Diese Lösung aus dem Leistungsbegriff der h. L. wird - und dies ist entscheidend - auch durch eine teleologische Interessenbewertung bestätigt. Denn nur sie ermöglicht es den Parteien, ihre Einwendungen und Einreden vorzubringen: Würde man nämlich entgegen der hier vertretenen Ansicht bei Nichtigkeit des Deckungsverhältnisses D-S als Kondiktionsschuldner den Dritten (G) ansehen, „so würde der synallagmatische Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung und die darin für die Parteien liegende Sicherheit beim Bereicherungsausgleich teilweise zerstört. So verlöre z. B. der Versprechensempfänger die Möglichkeit mit Hilfe einer Zug um Zug-Einrede die Rückgabe der von ihm dem Versprechenden erbrachten Leistung durchzusetzen. Denn er hätte keinerlei Gewähr dafür, daß der Dritte sich gegenüber der Kondiktion des Versprechenden mit dem Einwand zur Wehr setzt, dieser müsse gleichzeitig die erhaltene Gegenleistung an den Versprechensempfänger zurückerstatten" 86 . Zudem fehlte es für das Zurückbehaltungsrecht oder eine Aufrechnungsmöglichkeit am Erfordernis der Gegenseitigkeit der Ansprüche87. Ist umgekehrt das Valutaverhältnis G-S nichtig, so kann allein S von G kondizieren, da D ja seinen Zweck, Lösung von der Verbindlichkeit gegen S, erreicht hat 88 . 2. Versorgungsverträge, Überordnung des Verhältnisses Versprechender (D) - Dritter (G) Eine andere Lösung ist bei Verträgen zugunsten Dritter anzunehmen, die der Versorgung des Dritten dienen, etwa Lebensversicherungen zugunsten des Dritten (vgl. § 330), sofern (entgegen § 335) ausschließlich dem G (und nicht auch dem S) ein Forderungsrecht gegenüber D zusteht oder im
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S. etwa Canaris, (o. Fn.4) 832; Meyer, 152f; Pinger, AcP 179, 323ff; Hassold, 269 ff; 293 ff; Reuter/Martinek, 481, 485; Thielmann, AcP 187, 48; Larenz II, § 6 8 III 2 h (S. 548); Esser/Weyers, § 4 8 III 3 (S.383f); Medicus, Rdn.681; MünchKomm-Lie/>, §812 Rdn. 111; ebenso B G H Z 5, 281 (284). Umfassende Darstellung des Diskussionsstandes bei Hadding, 27ff; neuerdings bei Erman/ H.P. Westermann, §812 Rdn. 34 f. A.M. etwa Kupisch, 101, der jeweils die Direktkondiktion D - G befürwortet.
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Canaris, (o. Fn. 4) 830; vgl. etwa auch Medicus, Rdn. 681. Vgl. dazu etwa Reuter/Martinek, 484; Larenz II, § 68 III 2 h (S. 548). Gegen den noch möglichen Einwand aus §334 (Anspruch des Dritten abhängig von der Gültigkeit des Deckungsverhältnisses) ebenfalls Canaris, (o. Fn. 4) 831 f. Statt aller Hadding, 126 ff; Lorenz, JuS 1968, 444.
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§ 6. Die „Dreiecksverhältnisse"
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Valutaverhältnis eine unentgeltliche Zuwendung (vgl. §822). In diesen Fällen ist eine Direktkondiktion D - G zuzulassen 89 . Ebenso liegt es, wenn das Verhältnis D - G aus anderen Gründen dem Verhältnis Versprechender - Versprechenempfänger (D-S) übergeordnet ist, also der „wesentliche wirtschaftliche Erfolg" des Deckungsgeschäfts im Verhältnis D - G eintreten soll. In diesen Zusammenhang gehört die Entscheidung B G H Z 58, 184 ff = N J W 1972, 86 90 : Der Kläger K schloß mit der Bauträgergesellschaft B einen Kaufanwärtervertrag. Dabei wurde B durch den Direktionsassistenten A vertreten. Dieser nahm in zwei der drei Vertragsausfertigungen die Klausel auf, an eine Firma X sei 3% Makler-Courtage zu zahlen. X mahnte wenig später die Zahlung an und erhielt sie endlich auf ein von ihr bezeichnetes Konto. Doch existierte X in Wahrheit nicht. Hinter dem Konto stand A, der zusätzlich in die eigene Tasche verdienen wollte. K focht die Maklervereinbarung nach § 123 an und verlangte die 3% von A zurück.
Welche Bedeutung hat in diesem Fall die Courtage-Klausel in den Verträgen K-B: Ist hier ein Versprechen K-B auf Leistung an X gegeben, oder hat X, vertreten durch A, selbst mit K kontrahiert? Nach Ansicht des B G H ist die erste Alternative vorzuziehen". Zwar sei bei echten Verträgen zugunsten Dritter der Dritte nicht immer als Leistungsempfänger anzusehen, die Leistung an ihn könne aber „eine auf den Dritten bezogene Zweckrichtung haben" und dann sei dieser Leistungsempfänger. Dies sei in den Fällen des § 330 gegeben, aber auch im zu entscheidenden Fall, w o durch Nichtaufnahme in das dritte Vertragsexemplar die Maklervereinbarung schon äußerlich gegenüber dem Kaufanwärtervertrag abgesetzt worden sei, womit ihre Bedeutung hauptsächlich das Verhältnis K-X (A) betreffe 9 2 . Medicus formuliert die verallgemeinerte ratio decidendi folgendermaßen: „Beim echten Vertrag zugunsten Dritter ist Empfänger
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Zu dieser besonders umstrittenen Differenzierung (im Ergebnis, oft aber auch nur in der Begründung freilich z. T. abweichend) Lorenz, JuS 1968, 444 f; Peters, AcP 173, 81 f; 83 f; Wi\Köndgen, (o. Fn. 17) 68 f; Meyer, 154 ff; Hassold, 295 ff; Reuter/Martinek, 480 ff; Larenz II, §68 III 2 h (S. 549); Esser/Weyers, §48 III 3 (S. 384); Medicus, Rdn. 682; Staudinger/Lorenz, § 812 Rdn. 38 f; MünchKommLieb, §812 Rdn. 112ff; Erman/H.P. Westermann, §812 Rdn. 35. Referiert nach Medicus, Rdn. 683. S. aber Canaris, NJW 1972, 1196 ff: Da die Courtage-Klausel in der für B bestimmten dritten Vertragsausfertigung gefehlt habe, hätte K nicht annehmen können, daß A auch insoweit als Vertreter von B auftreten wollte; danach kommt als Leistungsempfänger nur die mit A identische Firma X in Betracht. S. B G H Z 58, 184 (1891) = NJW 1972, 864; zustimmend namentlich Medicus, Rdn. 683; Kritik an der Begründung vor allem bei Wilhelm, 145 ff.
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
der Leistung des Versprechenden, wer in engerer Verbindung zu dem mit dieser Leistung verfolgten Zweck steht" 9 3 .
VIII. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Resümierend können in aller Kürze folgende hauptsächliche Ergebnisse des Kapitels über die Dreiecksverhältnisse festgehalten werden: 1. Der zweckbetonte Leistungsbegriff der h. L. entfaltet als „dogmatisches Kürzel" (für dahinter stehende Wertungen) Uberzeugungskraft vor allem bei der Behandlung der nicht angenommenen oder angenommenen Anweisung sowie der Verträge zugunsten Dritter, die auf eine abgekürzte Lieferung mittels D hinauslaufen. Bei Nichtigkeit des Deckungsverhältnisses D-S, aber intaktem Valutaverhältnis S - G ist D auf eine Kondiktion gegen S zu beschränken, gegen welchen er i. S. der h. L. seinen „ L e i stungszweck" verfolgt hat, während die Leistung im Verhältnis S - G mit Rechtsgrund erfolgt ist. Der Leistungsbegriff der h. L. beruht auf durchschlagenden teleologischen Erwägungen gegen eine Kondiktion D - G . Zum einen würde G ansonsten von der Nichtigkeit eines Rechtsverhältnisses betroffen, dessen Partei er gar nicht ist, könnte dem D also als Dritter auch keine Einwendungen aus seinem Verhältnis zu S entgegensetzen. Zum anderen kann nur so das Konkursrisiko gerecht verteilt werden: Bei einer Kondiktion D - G müßte das Risiko der Insolvenz des S von G getragen werden und nicht von D , der sich dem S durch seinen Vertragsschluß anvertraut hat. 2. Ist umgekehrt das Valutaverhältnis S-G nichtig, so kommt allein eine Kondiktion S-G in Frage, da D im Verhältnis zu S seinen Leistungszweck mit Rechtsgrund erreicht hat und nicht mit den Folgen der Nichtigkeit eines Rechtsverhältnisses belastet werden darf, dem er gar nicht zugehört. Darüber hinaus erlaubt auch hier nur eine Kondiktion innerhalb der Schuldverhältnisse eine gerechte Verteilung der Insolvenzrisiken und die Geltendmachung von Einwendungen aus dem jeweiligen Schuldverhältnis. Dasselbe hat grundsätzlich auch für die Fälle der Doppelmängel zu gelten. 3. Schwieriger werden die Probleme auf der Basis des herrschenden Leistungsbegriffs dann, wenn eine wirksame (zurechenbare) Anweisung des S überhaupt fehlt oder die Anweisung später von S widerrufen worden ist. Im ersten Fall ist eine direkte Kondiktion D - G zuzulassen, wobei es sich freilich nicht um eine Leistungskondiktion handelt. Diese Lösung liegt 93
Rdn. 683; krit. (gegenüber dem Abstellen auf den „wesentlichen wirtschaftlichen Erfolg") Larenz II, § 6 8 III 2 h (S. 548 f).
§ 7. Die einzelnen Leistungskondiktionen
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vor allem im berechtigten Interesse des S, der ansonsten - ohne daß ihm eine Anweisung zugerechnet werden könnte - eventuell einem erst nach dreißig Jahren verjährenden Bereicherungsanspruch des D ausgesetzt würde, obwohl seine Verbindlichkeit G gegenüber kurz vor der Verjährung stand. Der Vertrauensschutz des Empfängers G ist daher auf §818 III zu beschränken. Hingegen wurzelt die Fehlerquelle bei nachträglichem Widerruf der Anweisung im Deckungsverhältnis und damit im Risikobereich des Anweisenden, so daß eine direkte Kondiktion D - G grundsätzlich ausscheidet. 4. Ganz spezifische Probleme stellt die Frage nach dem Wahlrecht (der Möglichkeit einer nachträglichen Änderung der Leistungsbestimmung) bei Leistungen auf eine vermeintlich eigene, in Wirklichkeit aber fremde Schuld. Die dabei geltend zu machenden Argumente sind vor allem konkursrechtlicher Natur. 5. Ahnlich wie der Fall fehlender (wirksamer) Anweisung liegt der Fall der Tilgung einer vermeintlichen Schuld des S (bei G) durch D gemäß § 267, weil hier ebenfalls im Verhältnis S-G keine Setzung eines Leistungszwecks gesehen werden kann, und zwar regelmäßig auch nicht aus der Perspektive des G. Auch hier ist die direkte Kondiktion D - G die einzig vernünftige Lösung. Es erweist sich wiederum, daß der Schutz des G nur eine der zu beachtenden Wertungskomponenten bei den Dreiecksverhältnissen ist und daher nicht zuungunsten des D (dem ansonsten das Risiko der Insolvenz sowohl des S als auch des G aufgebürdet würde) und S (bei dem es ja genauso um Schutz vor ungerechtfertigter Zurechnung einer gar nicht vorgenommenen Vermögensdisposition geht) verabsolutiert werden darf; auch hier kann G ja immerhin mit Hilfe des §818 III geholfen werden. 6. Offen geblieben ist bis jetzt die Frage nach dem Verhältnis der Leistungskondiktionen zur Kondiktion wegen Bereicherung in sonstiger Weise (Problem der angeblichen „Subsidiarität der Eingriffskondiktion"). In diesem Zusammenhang sind vor allem auch die „Einbaufälle" zu behandeln (vgl. dazu u., S. 106 ff).
§ 7. Die einzelnen Leistungskondiktionen Das BGB unterscheidet im Anschluß an das Gemeine Recht einzelne Fallgruppen der Leistungskondiktion: Die condictio indebiti (§812 I, 1. Satz, Fall 1), die condictio ob causam finitam (§ 8121. 2. Satz, Fall 1), die condictio ob rem (§812 I, 2. Satz, Fall 2); schließlich die condictio ob turpem vel iniustam causam (§817, l.Satz). Die praktische Bedeutung
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
dieser Klassifikation liegt hauptsächlich in den Regeln über den Ausschluß der Kondiktion (§§814, 815, 817, 2. Satz) und über die Haftungsverschärfung (§§819, 820). I. Condictio indebiti 1. Begriff und Anwendungsfälle Die praktisch bedeutsamste Fallgruppe der Leistungskondiktion ist die in § 812 I, 1. Satz, 1. Fall geregelte condictio indebiti. Mit ihr kann eine Leistung zurückgefordert werden, die zum Zwecke der Erfüllung („solvendi causa") einer in Wahrheit nicht bestehenden Verbindlichkeit erbracht wurde („Rückforderung wegen Nichtschuld"). Die condictio indebiti greift also ein, wenn im Leistungszeitpunkt eine wirksame schuldrechtliche Grundlage für die erbrachte Leistung nicht vorhanden war und daher der mit ihr bezweckte Erfolg, die Forderung zu tilgen, nicht erreicht werden konnte. Eine Kondiktion nach § 8121, 1. Satz, 1. Fall kommt daher etwa dann in Betracht, wenn auf eine (z. B. wegen Dissenses) nicht zustande gekommene Verpflichtung geleistet worden ist oder wenn der Leistung ein nichtiges Rechtsgeschäft 1 zugrunde lag. Die condictio indebiti ist auch im Falle der Anfechtung für die Rückforderung der bereits erbrachten Leistung einschlägig2, da die Anfechtung nach § 142 I zum Wegfall des Rechtsgrundes mit Wirkung ex tunc führt. Unter §812 I, 1. Satz, 1. Fall sind schließlich auch die Fälle zu subsumieren, in denen zwar eine einwandfreie Schuld besteht, die Leistung aber trotzdem erfolglos war, weil ein anderer als der geschuldete Gegenstand geleistet wurde 3 . Die bestehende Forderung stellt in diesen Fällen nämlich keinen Rechtsgrund für die erbrachte Leistung dar. Daher kann beispielsweise der Gattungsschuldner kondizieren, wenn der von ihm geleistete Gegenstand hinter 1
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Auch bei der Leistung auf ein (mangels Zustimmung) schwebend unwirksames Rechtsgeschäft kann ein Rückforderungsanspruch aus §812, l.Satz bestehen: Vgl. BGHZ 65, 123 ff = NJW 1976, 104. S. i. S. der h. L. Esser/Weyers, §49 I (S. 391); Reuter/Martinek, 132 und 141; Staudinger/Lorenz, §812 Rdn. 87. A.A. etwa RGKK-Heirnann-Trosien, §812 Rdn. 82; Palandt/Thomas, §812 Anm. 6c bb, die späteren Wegfall des Rechtsgrundes (§ 812 I, 2. Satz, Fall 1) annehmen. Die Einordnung unter die condictio ob causam finitam führt nicht zu unterschiedlichen Rechtsfolgen (vgl. dazu Reuter/Martinek, 132 f); entscheidend ist allein, ob noch im Zeitpunkt der Geltendmachung des Kondiktionsanspruches ein die Leistung rechtfertigender Rechtsgrund besteht. S. MünchKomm-Lie^, §812 Rdn. 141; Staudinger/Lorenz, §812 Rdn. 88 und Rdn. 77. Speziell zur Falschlieferung beim Handelskauf § 378 HGB.
§ 7. Die einzelnen Leistungskondiktionen
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dem v o n § 2 4 3 I geforderten Standard („mittlerer Art und Güte") zurückbleibt und daher - mangels Erfüllung - seine ursprüngliche Schuld fortbesteht 4 . Zum Teil wird versucht 5 , von der condictio indebiti die diffus konturierte condictio sine causa abzugrenzen. Diesem Kondiktionstyp wird der - soeben besprochene - Fall der Leistung eines anderen als des geschuldeten Gegenstandes zugerechnet sowie die Fälle, in denen eine schuldrechtliche causa wegen Dissenses fehlte 6 . Die condictio sine causa soll ferner dann zuständig sein, wenn bei fehlendem Grundgeschäft der typische Leistungszweck der Begründung eines vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnisses nicht erreicht wird. Unter die letztgenannte Fallgruppe läßt sich etwa eine Handschenkung einordnen, die wegen der Geschäftsunfähigkeit des Empfängers nicht wirksam zustande kommt 7 . Ein praktisch nutzbarer Erkenntniswert, der der genannten Unterscheidung innerhalb der Kondiktion des §812 I, l.Satz, 1. Fall zukommen könnte, ist nicht ersichtlich. Reuter/Martinek nennen die Differenzierungsversuche zwischen einer condictio indebiti i. e. S. und einer condictio sine causa daher nicht zu Unrecht als „überspitzt und fruchtlos" 8 . 2. D i e E r w e i t e r u n g der c o n d i c t i o indebiti d u r c h § 813 I Eine tatbestandliche Ergänzung der condictio indebiti ist in § 813 I, 1. Satz geregelt 9 . N a c h dieser Vorschrift kann das z u m Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete auch dann zurückgefordert werden, w e n n die Schuld zwar bestand, aber s c h o n im Zeitpunkt der Leistung mit einer dauernden („peremptorischen") Einrede behaftet war. H i e r hätte der Schuldner also nicht leisten müssen, sondern sich durch die Geltendmachung der Einrede schützen können. D i e Leistung verfehlte daher ihren Tilgungszweck insofern, als der Schuldner v o n einer Verbindlichkeit befreit wurde, die aufgrund des bestehenden Leistungsverweigerungsrechtes ohnehin wirtschaftlich praktisch wertlos war 10 . Erfolgt hier die Erfüllung in U n k e n n t n i s des Leistungsverweigerungsrechtes (s. § 814 I), so hat der Leistende die Möglichkeit nach § 8 1 3 I zu kondizieren. 4
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Beispiel nach Medicus, Rdn. 689. Im - praktisch bedeutsamen - Fall des Gattungskaufes ist allerdings stets zu prüfen, ob nicht die vorrangige Regelung des §480 eingreift. Alternativkomm-/oergej, §812 Rdn. 8; Esser, Schuldrecht II, 4. Aufl. (1970) 351 f; KGKK-Heimann-Trosien, §812 Rdn. 75; vgl. auch Fikentscher, §99 II l d (S. 673). Vgl. Esser, Schuldrecht II, 4. Aufl. (1970) 352. Beispiel nach Reuter/Martinek, 127. Reuter/Martinek, 128. Vgl. Erman/H.P. Westermann, §813 Rdn. 1; MünchKomm-Liei, §813 Rdn. 1; Staudinger/Lorenz, §812 Rdn. 77. Vgl. Reuter!Martinek, 171.
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
Dies gilt sowohl bei der Erfüllung eigener wie fremder Schulden. Einreden, die ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht begründen, sind etwa: Die Einrede der Bereicherung nach §821, die aus unerlaubter Handlung (§ 853) oder die in §§ 1990, 1973 geregelten Einreden aus beschränkter Erbenhaftung 11 . Eine dauernde Einrede entsteht auch mit der Verjährung des Anspruchs (§222 I). Im Falle der Erfüllung einer verjährten Forderung ist ein Bereicherungsanspruch durch die in § 813 I, 2. Satz enthaltene Verweisung auf §222 II jedoch ausdrücklich ausgeschlossen. Mit dieser Regelung trägt das Gesetz dem Umstand Rechnung, daß die Verjährungsvorschriften dazu dienen, Rechtsfrieden zu schaffen und es dieser Befriedungsfunktion widersprechen würde, wenn nach Ablauf der Verjährungsfristen noch um eine Rückforderung des Geleisteten gestritten werden könnte 12 . Aus einer ähnlichen Überlegung heraus wird dem Käufer - entgegen dem Wortlaut des §813 I - bei Bestehen der Mängeleinrede (§478) die Kondiktion des geleisteten Kaufpreises versagt13. § 478 gewährt dem Käufer zwar für die Zeit nach Verjährung seiner Gewährleistungsansprüche ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht und ermöglicht ihm so eine (passive) Verteidigung gegen den Kaufpreisanspruch. Der (aktiven) Rückforderung des geleisteten Kaufpreises nach Bereicherungsrecht steht indessen der rechtspolitische Zweck des §477 entgegen, mit Ablauf der Verjährungsfrist im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens eine stabile Rechtslage zu schaffen. Der Käufer kann daher auch bei fristgemäßer Mängelanzeige den Kaufpreis nur mit einer rechtzeitig erhobenen Wandelungs - oder Minderungsklage zurückfordern.
Aufschiebende („dilatorische") Einreden, die den Schuldner nur vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigen, können nach dem klaren Wortlaut des §813 I, l.Satz keinen Bereicherungsanspruch begründen. Leistet der Schuldner also, obwohl ihm beispielsweise die Einrede des nicht erfüllten Vertrages aus § 320, die des Bürgen aus § 770 oder die Einrede des Zurückbehaltungsrechtes zustand, so ist eine Kondiktion des trotzdem Geleisteten ausgeschlossen. Bei vorzeitiger Erfüllung einer betagten - d. h. einer bereits entstandenen aber noch nicht fälligen - Forderung kann nach §813 II nicht einmal die Erstattung von Zwischenzinsen verlangt werden (vgl. dazu auch §272).
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Weitere „peremptorische" Einreden finden sich z. B. in den §§ 1166, 2083, 2345. In einem Sonderfall hat der B G H (LM §242 [Cd] Nr. 19 = M D R 1954, 286) auch eine dauernde „Einrede" aus Treu und Glauben anerkannt. Vgl. Medicus, Schuldrecht II, § 126 II 2a cc (S. 288). S. R G Z 144, 93 (95) = JW 1934, 2037; Erman/H. P. Westermann, § 813 Rdn. 3; MünchKomm-Z,i>£, §813 Rdn. 7; Staudinger/Lorenz, §813 Rdn. 11; Esser/ Weyers, § 5 III 4b (S. 48) und §49 I (S. 391).
§ 7. Die einzelnen Leistungskondiktionen
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Umstritten ist, ob die in Unkenntnis einer bestehenden Aufrechnungslage erbrachte Leistung nach § 813 I kondiziert werden kann. Fest steht hier zunächst, daß der Leistende keine Einrede im technischen Sinne haben kann: Die bestehende Aufrechnungsmöglichkeit gibt ihm kein Leistungsverweigerungsrecht, sondern ermöglicht nur eine andere Art der Erfüllung (§389). Der Leistende erfüllte daher auch keine aufgrund eines Leistungsverweigerungsrechtes wirtschaftlich wertlose Forderung, sondern versäumte es lediglich, eine bestimmte Erfüllungsmöglichkeit zu wählen. Der mit der Leistung bezweckte Erfolg, nämlich die Befreiung von einer (wirtschaftlich vollwertigen) Forderung wird - im Gegensatz zu den in § 813 I geregelten Fällen - jedoch erreicht. Somit aber ist es weder vom Wortlaut noch von der ratio des § 813 I her geboten, dem Leistenden einen Bereicherungsanspruch zuzuerkennen14, zumal er ja die Forderung, mit der er hätte aufrechnen können, weiterhin geltend machen kann. 3. Der Ausschluß der condictio indebiti durch § 814 Die condictio indebiti wird durch die rechtshindernde Einwendung des § 814 für zwei Fälle ausgeschlossen 15 . Nach dieser Vorschrift kann „das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete" dann „nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewußt hat, daß er zur Leistung nicht verpflichtet war, oder wenn die Leistung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach". Diese Regelung ist analog auf die Fälle des § 813 anzuwenden und schließt somit auch dann die Kondiktion aus, wenn trotz Kenntnis des Bestehens einer peremptorischen Einrede geleistet wurde 16 . Die Kondiktion wird durch § 814 nur dann ausgeschlossen, wenn der Leistende im Zeitpunkt der Leistung positive Kenntnis vom Nichtbestehen der Verbindlichkeit hatte16®. Die bloße Kenntnis der Tatumstände, aus denen sich die Rechtsgrundlosigkeit der Leistung ergeben würde, steht einem Bereicherungsanspruch nicht entgegen. Erforderlich ist vielmehr, daß der Leistende aus den Tatsachen auch die zutreffende Schlußfolgerung gezogen hat, daß er zur Leistung nicht verpflichtet ist 17 . Ein Rechtsirrtum schließt daher, auch wenn er auf grober Fahrlässigkeit beruht 18 , die Anwendung des § 8 1 4 immer aus. Auch bloße Zweifel des So auch RGZ 120, 280ff = JW 1928, 1288; RGZ144, 93 (94) = JW 1934, 2037; Erman/H. P. Westermann, §813 Rdn. 3; Lirenz II, §69 I (S. 555); Staudinger/ Lorenz, §813 Rdn. 11. A.A. Enneccerus/Lehmann, §71 II (S.288f) mwN. 15 Ein weiterer Ausschlußtatbestand, der für alle Fallgruppen der Leistungskondiktion gilt, ist in § 817, 2. Satz geregelt; vgl. dazu u., S. 61 ff. 16 Allg. Ansicht: S. etwa Reuter/Martinek, 182 und 193. 16a Zum Problem der Wissenszurechnung bei gespeicherten Daten LG Frankfurt NJW-RR 1986, 1085 (1086) und dazu Kohte, BB 1988, 633 ff. 17 S. BGH WM 1986,1160; OLG Koblenz NJW 1984, 134; Reuter/Martinek, 185. 18 Vgl. BGH WM 1972, 283 (286). Rechtsvergleichende Analyse bei Koch, 151 ff. 14
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
Leistenden über den Bestand der Verbindlichkeit schließen die Rückforderung grundsätzlich nicht aus". Etwas anderes gilt aber, wenn die Leistung in der erkennbaren Absicht erfolgte, sie auch für den Fall des Nichtbestandes der Verbindlichkeit zu bewirken, da dann ein Verzicht auf den Bereicherungsanspruch angenommen werden kann 20 . Bei § 814 1. Alt. handelt es sich um einen gesetzlich geregelten Fall des Verbotes widersprüchlichen Verhaltens (des venire contra factum proprium) 21 . Die Vorschrift ist daher nicht anzuwenden, wenn die Leistung etwa unter dem Eindruck eines Beweisnotstandes - ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Rückforderung erbracht wurde 22 : Hier setzt sich der Leistende mit der Rückforderung nicht in Widerspruch zu seinem früheren Verhalten. § 814 ist auch dann nicht anzuwenden, wenn die Leistung unter Druck, vor allem zur Vermeidung einer sonst zu befürchtenden Zwangsvollstreckung, erbracht worden ist23. Die Rückforderung ist nach dem 2. Halbsatz des § 814 dann ausgeschlossen, wenn der Leistende irrtümlich glaubte, (rechtlich) verpflichtet zu sein, die Leistung in Wirklichkeit aber nur einer nach den herrschenden Moralvorstellungen bestehenden Anstandspflicht entsprach. Beispiele bieten vor allem die Fälle, bei denen Verwandten oder Verschwägerten Unterhalt geleistet wird, obwohl ihnen gegenüber keine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht. In beiden Fällen des Ausschlusses des Bereicherungsanspruchs nach § 814 ist es Sache des Kondiktionsschuldners zu beweisen, daß der Leistende die Leistung freiwillig und in Kenntnis des Nichtbestehens der Verbindlichkeit erbracht hat oder daß die Leistung einer moralischen Pflicht entsprach. 4. Der Ausschluß der condictio indebiti bei fehlerhaften Dauerschuldverhältnissen Zu betonen ist, daß die Nichtigkeit eines Grundgeschäftes nicht stets zur Rückabwicklung des rechtsgrundlos Geleisteten nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen führt. Für fehlerhaft begründete Dauerschuldverhältnisse, insbesondere im Arbeitsvertrags- und im Gesellschaftsrecht, haben 19 20
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Vgl. RGZ 112, 355 (358); 154, 385 (397) = JW1937,2108; BGH WM 1973, 294. Vgl. BGHZ 32, 273 (278) = NJW 1960, 1522; OLG Karlsruhe WM 1975, 480 (481); OLG Koblenz NJW 1984, 134 (135). Vgl. BGHZ 73, 202 (205) = NJW 1979, 763; Urem II, § 691 (S. 553 f); Reuter/ Martinek, 183. S. RGZ 138, 122 (124); BGH WM 1973,146 (148); BGHZ 83,278 (282) = NJW 1982, 1147. Vgl. RGZ 104, 246 (250); 147, 17 (21).
§ 7. Die einzelnen Leistungskondiktionen
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Rechtsprechung und Lehre Sonderregeln entwickelt, die im Ergebnis die §§812 ff verdrängen. So wird etwa im Arbeitsvertragsrecht - zum Teil wegen der Inpraktikabilität der Kondiktion (Rückabwicklung) von über lange Zeiträume ausgetauschten Leistungen, zum Teil aber auch aus dem Gedanken des Arbeitnehmerschutzes - die bereicherungsrechtliche Lösung durch eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses ex nunc vermieden (sog. „Lehre vom faktischen Arbeitsverhältnis") 24 . Auch bei einem fehlerhaften, aber bereits in Vollzug gesetzten Gesellschaftsvertrag scheidet ein Ausgleich nach Bereicherungsrecht regelmäßig aus, da Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe grundsätzlich nur mit Wirkung für die Zukunft geltend gemacht werden können (sog. „Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft") 25 .
II. Condictio ob causam finitam § 812 I, 2. Satz, 1. Fall gibt dem Leistenden auch dann eine Leistungskondiktion, wenn die Forderung zwar im Zeitpunkt der Leistung bestanden hat, später aber - etwa durch Eintritt einer auflösenden Bedingung wieder weggefallen ist. § 814 ist auf die condictio ob causam finitam nicht anzuwenden, da im Augenblick der Leistung ja eine Rechtsverpflichtung bestanden hat. Die h. M. 2 6 verneint auch eine analoge Anwendung des §815.
III. Condictio ob rem 1. Der Tatbestand G r o ß e dogmatische Einordnungsschwierigkeiten macht die Leistungskondiktion, welche dann zustehen soll, wenn „der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäftes bezweckte Erfolg nicht eintritt" (§ 812 I, 2. Satz, 2. Fall): Condictio ob rem (bzw. condictio causa data non secuta). Der Anwendungsbereich dieser Kondiktionsart ist zunächst von 24
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Vgl. dazu etwa BAGE 5, 58 (65) = NJW 1958, 397; BAGE 8, 47 (50); 14, 180 (186); BAG NJW 1984, 446 (447); mwN bei Schaub, Arbeitsrecht-Handbuch, 6. Aufl. (1987) § 35 III (S. 150 ff); krit. zu h. L. (und für eine bereicherungsrechtliche Lösung) namentlich Beuthien, RdA 1968, 161 ff. Vgl. dazu etwa MünchKomm-iZ/mer, §705 Rdn. 243-273; Kühler, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (1985), §25 (S. 333 ff). Vgl. BGHZ 29, 271 ff = NJW 1959, 875; BGH NJW 1968, 245f = JZ 1968, 381 f (mit zust. Anm. von Lorenz)-, Medicus, Rdn. 690; ders., Schuldrecht II, § 127 I 3 (S. 294) Reuter/Martinek, 198; a. A. Soergel/Mühl, § 815 Rdn. 1; Enneccerus/Lehmann, §224 I 4b (S. 898); differenzierend Erman/H. P. Westermann, §815 Rdn. 1.
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
der condictio indebiti und den schuldrechtlichen Vorschriften über die Nichterfüllung abzugrenzen: Bei Ausbleiben des Tilgungserfolges steht dem Leistenden ein Bereicherungsanspruch nach §812 I, l.Satz, 1. Fall (condictio indebiti) zu. Daher kann der „mit der Leistung bezweckte Erfolg" im Fall des § 812 I, 2. Satz, 2. Fall jedenfalls nicht die Befreiung von einer Verbindlichkeit sein. Für die Anwendung der condictio ob rem ist auch dann kein Raum, wenn im Rahmen eines Vertragsverhältnisses der mit der Leistung neben der Erfüllung verfolgte weitere Zweck, die geschuldete Gegenleistung zu erlangen, nicht erreicht wird. In diesem Fall greifen nämlich vorrangig die allgemeinen Regeln des Leistungsstörungsrechtes (§§320ff) ein27. Eine „Kondiktion wegen Zweckverfehlung" kommt daher nur dann in Betracht, wenn mit der Leistung 28 die Herbeiführung eines nicht forderungsbewehrten, d. h. eines nicht erzwingbaren Erfolges bezweckt wurde. Die Zwecksetzung darf also einerseits nicht selbständig einklagbar sein. Anderseits muß sie jedoch Eingang in den „Inhalt des Rechtsgeschäftes" gefunden haben. Hierfür ist erforderlich, daß - zumindest stillschweigend - eine „tatsächliche Willensübereinstimmung der Beteiligten über den verfolgten Zweck" 29 erzielt wurde. Dies kann etwa dann angenommen werden, wenn der Empfänger die Motive des Leistenden kannte und durch die Annahme der Leistung zu verstehen gab, daß er mit der Zweckbestimmung einverstanden ist30. Nicht ausreichend für einen Bereicherungsanspruch nach § 812 I, 2. Satz, 2. Fall ist es hingegen, wenn sich die bloß einseitigen Erwartungen nicht erfüllt haben, die der Leistende mit seiner Leistung verbunden hat. Ihren Anwendungsbereich findet die condictio ob rem in den soge27 28
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Vgl. auch Motive in Mudgan II, 470 f. Der Leistungsbegriff bei der condictio ob rem ist derselbe wie bei den übrigen Leistungskondiktionen; vgl. dazu o., S. 10ff. Zweifelhaft ist daher die Zubilligung eines Kondiktionsanspruchs aus § 812 I, 2. Satz, 2. Fall in B G H Z 44, 321 ff = N J W 1966, 540: D o r t hatte der Kläger auf einem Grundstück, welches er für dreißig Jahre von seiner Tante gepachtet hatte, ein Bauwerk in der - später enttäuschten - Erwartung errichtet, die Tante einst zu beerben. O b man hier in der Errichtung des Gebäudes eine „Leistung" an die Grundstückseigentümerin sehen kann (verneinend etwa Medicus, Rdn. 693, der folgerichtig zur Verwendungskondiktion kommt), erscheint zugegebenermaßen zweifelhaft. Allerdings läßt sich nicht leugnen, daß mit der Bebauung eines noch fremden Grundstücks bewußt fremdes Vermögen gemehrt wird (s. MünchKomm-Z.ie&, § 812 Rdn. 161 [vgl. ferner 169]). B G H N J W 1973, 612 (613); NJW 1984, 233 = M D R 1983, 1194. Vgl. dazu die Leitentscheidung B G H Z 44, 321 ff = N J W 1966, 540 sowie B G H N J W 1973, 612 (613) (mit Anm. von Ehmann, N J W 1973, 1035 und von Batsch, N J W 1973, 1639); B G H JZ 1979, 67; KG M D R 1984, 492.
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nannten „Vorleistungs- und Veranlassungsfällen" 31 . Bei letzteren wird die Leistung nicht erfüllungs- oder schenkungshalber, sondern allein zu dem Zweck erbracht, den Empfänger zu einem bestimmten Verhalten (z. B. einer Erbeinsetzung oder zur Rücknahme eines Strafantrages 32 ) zu veranlassen, zu dem er sich nicht verpflichten will oder nicht verpflichten kann 33 . Hier kann es zur Kondiktion wegen Zweckverfehlung kommen, wenn dem Empfänger die Erwartung des Leistenden bekannt war und die Leistungsannahme nach Treu und Glauben als Billigung der Zweckbestimmung gewertet werden muß 34 . In den „Vorleistungsfällen" geht es um Sachverhalte, in denen die Leistung auf ein erst in Aussicht genommenes Schuldverhältnis hin erfolgt, das dann nicht zustande kommt. Beispiele hierfür sind etwa die Anzahlung des Kaufpreises in Erwartung des künftigen Vertragsschlusses, die Arbeitsaufnahme eines Bauhandwerkers vor Abschluß des Werkvertrages oder die Ausstellung eines Schuldscheins oder einer Quittung vor Empfang der Zahlung35.
Der Leistende bezweckt hier nicht die Erfüllung einer Forderung 36 . Vielmehr geht es ihm um die Erlangung der in Aussicht stehenden „Gegenleistung", auf die er keinen Rechtsanspruch hat. Der Regelung des § 812 I, 2. Satz, 2. Fall kommt in den genannten Fallgruppen die Aufgabe zu, die Rückforderung des Geleisteten zu ermöglichen, wenn sich die Erwartungen nicht erfüllen, daß der Empfänger aufgrund der Leistung seinerseits eine „Gegenleistung" erbringen werde, zu welcher er rechtsgeschäftlich nicht verpflichtet ist. Zum Teil wird die condictio ob rem auch dann angewendet 37 , wenn durch Schenkung eine Leistung erbracht wurde, die der Empfänger in bestimmter Weise (z. B. zur Beschaffung einer Ausstattung für die geplante Eheschließung oder zur Durchführung einer Forschungsexpedition 38 ) verwenden sollte, dieser Zweck aber später hinfällig wurde. Die 31 32
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S. Reuter/Martinek, 151 ff. Zu weiteren Beispielen vgl. etwa RGZ 118, 358 ff; 116, 336 ff (Zahlung an die Gemeinde, damit in Zukunft keine Wohnbeschlagnahme erfolgt); RG LZ 1923, 286 (Leistung an den Ehepartner, um ihn zur Rückkehr in die eheliche Lebensgemeinschaft zu veranlassen) und O L G Zweibrücken MDR 1977, 227 (Abgabe eines Schuldversprechens, damit eine Strafanzeige unterbleibt). Vgl. Larenz II, §69 II (S. 556); Reuter/Martinek, 153. Vgl. auch Staudinger/Lorenz, §812 Rdn. 107. Beispiele nach Söllner, AcP 163, 34. A . A . etwa Larenz II, §69 II (S. 556); Singer, JR 1983, 358 f; Welker, 102 ff, die die Vorleistungsfälle der condictio indebiti zurechnen und die Anwendung des § 814 durch eine teleologische Reduktion dieser Vorschrift vermeiden wollen. Vgl. BGH N J W 1984, 233 = MDR 1983, 1194. Beispiele nach von Caemmerer, 223.
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
heute h. M. lehnt hier eine Kondiktion wegen Zweckverfehlung jedoch ab 39 . Sofern die Erwartungen des Schenkers ohnehin nicht bloß einseitiges Motiv geblieben sind und auch keine Schenkung unter Auflage (§§ 525 I, 527 I) vorliegt, greift man stattdessen auf die Grundsätze vom Wegfall der Geschäftsgrundlage zurück. Umstritten ist, ob ein Anspruch aus condictio ob rem auch dann bestehen kann, wenn mit der Leistung eine Schuld getilgt werden sollte und auch getilgt wurde, aber ein über die Erfüllung hinausgehender „weiterer" Zweck nicht erreicht wurde. BeispielP0: K möge sein Grundstück zum Zwecke der Errichtung einer Sportanlage veräußern. Kann er nach § 812 I, 2. Satz, 2. Fall die Rückübereignung des Grundstücks verlangen, wenn die Anlage entgegen den Erwartungen der Vertragsparteien später nicht errichtet wird? Die ältere Rechtsprechung hat in vergleichbaren Fällen einen Kondiktionsanspruch bejaht 41 . Dem ist mit der heute h. M. zu widersprechen 42 . Die Parteien haben sich mit Abschluß des Vertrages voll auf die rechtsgeschäftliche Ebene begeben. Daher kommen vorrangig die allgemeinen Regeln über die Leistungsstörung zur Anwendung, wozu insbesondere auch die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage gehört 43 . Der Vorrang der - erst nach Inkrafttreten des BGB entwickelten - Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage beruht nicht zuletzt darauf, daß sich mit diesem 39
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Vgl. von Caemmerer, 224; Latenz II, §69 II (S. 556); Reuter/Martinek, 154; Staudinger/Lorenz, §812 Rdn. 108; Welker, 108. Für eine bereicherungsrechtliche Abwicklung von Ehegattenzuwendungen im Fall der Scheidung aber neuerdings Joost, JZ 1985, 10 ff. Nach Esser, Schuldrecht II, 4. Aufl., (1970) 355. Vgl. dazu insbesondere die Leitentscheidungen RGZ 66, 134 ff und RGZ 132, 238 ff („Festungsbaufall"). Die Rechtsprechung verwendete die Formel, daß die condictio ob rem immer dann anwendbar sei, „wenn ein über den Anspruch auf die Gegenteilung hinausgehender Zweck Vertragsinhalt geworden ist". Zustimmung findet die sog. „Zweckstaffelungstheorie" zum Teil auch heute noch: Vgl. etwa Soergel/ Mühl, §812 Rdn. 211 und Erman/H. P. Westermann, §812 Rdn. 51 f; dagegen überzeugend Reuter/Martinek, 155 ff. Vgl. etwa Esser/Weyers, §49 II (S.393); Medicus, Schuldrecht II, §126 IV 1 (S. 290f); MünchKomm-Lze6, §812 Rdn. 165 f; Staudinger/Lorenz, §812 Rdn. 105; Söllner, AcP 163, 43; Reuter/Martinek, 155 ff. Für einen Vorrang der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage vor der condictio ob rem auch u. a. BGH DB 1972, 1621; WM 71, 276; WM 72, 888; NJW 1975, 776; BAG AP § 242 BGB („Geschäftsgrundlage") Nr. 7 (Anm. Mayer-Maly); von Caemmerer, 222; KGKK-Heimann-Trosien, §812 Rdn. 89. Gegen einen Vorrang der Lehre vom Fortfall der Geschäftsgrundlage allerdings Liebs, JZ 1978, 701 f (vgl. dazu die überzeugende Kritik bei Reuter/Martinek, 158ff); Buttes, AcP 178, 372ff; Erman/H.P. Westermann, §812 Rdn. 52.
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Störungskorrektiv Ergebnisse erzielen lassen, die der hohen Komplexität wirtschaftlicher Beziehungen besser gerecht werden: So berücksichtigt die Lehre von der Geschäftsgrundlage - anders als die condictio ob rem - auch die Stellung des Vertragspartners und beschränkt die Reaktionsmöglichkeiten der Rechtsordnung bei Ausbleiben der von beiden Vertragsparteien erwarteten Entwicklung nicht auf die „schlichte Rückzahlung des Einsatzes einer Partei" 44 .
Eine Korrektur der vorgenommenen Güterverschiebung nach Bereicherungsgrundsätzen würde zu „unkontrollierbaren Einbrüchen in die Rechtsgeschäftslehre" 45 führen. Daher ist die Anwendung des §812 I, 2. Satz, 2. Fall, grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die Leistung zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit erfolgt 46 . 2. Ausschluß der Kondiktion wegen Zweckverfehlung Die dem § 814 entsprechende Regelung des § 815 schließt die condictio ob rem wegen der Schutzunwürdigkeit des Kondizienten dann aus, wenn a) der Leistende bei seiner Leistung gewußt hat, daß der Eintritt des bezweckten Erfolges von Anfang an unmöglich war, oder b) der Leistende den Eintritt des Erfolges wider Treu und Glauben verhindert hat. Alternative b) drückt denselben Rechtsgedanken aus wie §162 I und ist eine Einzelanwendung des das BGB beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben 47 . IV. Condictio ob iniustam vel turpem causam 1. Begriff und Anwendungsbereich Es bleibt als letzter gesetzlich geregelter Leistungskondiktionstyp die condictio ob iniustam vel turpem causam. § 817, 1. Satz gibt sie dem Leistenden dann, wenn „der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt war", „daß der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat". Dieser Anspruch unterscheidet sich von vorneherein dadurch markant von den übrigen Typen der Leistungskondiktion, daß er nicht wie diese an das Kriterium mißlungener Zweckerreichung, sondern an die ganz anders motivierte Frage an44 45 46
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Esser/Weyers, §49 II (S. 393). Medicus, Schuldrecht II, §126 IV 1 (S.290f). Zur Anwendung der condictio ob rem in den Fällen fehlgeschlagener Vergütungserwartung, in denen kein gegenseitiger Vertrag vorlag, sondern nur der Leistende (z. B. zur unentgeltlichen Leistung von Diensten als Haushälterin) vertraglich verpflichtet war, vgl. MünchKomm-Liei, §812 Rdn. 167 und Rdn. 170 sowie Medicus, Rdn. 692. S. R G Z 58, 406 (409).
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
knüpft, ob der Empfänger durch die Annahme der Leistung gegen ein gesetzliches oder moralisches Verbot verstoßen hat. Daraus folgt, daß der Leistende auch dann kondizieren kann, wenn er den mit der Leistung bezweckten Erfolg erreicht hat 48 . Die condictio ob turpem vel iniustam causam liegt daher sehr in der N ä h e der Strafnormen. Dieser pönale Gedanke ergibt sich auch aus den Materialien 49 , die als Grund für die N o r mierung des § 817, 1. Satz den „ auf Seiten des Empfängers in der Annahme der Leistung liegenden Verstoß und die darin sich offenbarende Auflehnung gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung" angeben, ja sogar von der „verwerflichen Gesinnung des Empfängers" sprechen, die durch die Kondiktion getroffen werden soll, sowie vom Gefühl der Allgemeinheit „ f ü r gute Sitten und für das Interesse der öffentlichen Ordnung", welches durch diese Regelung gestärkt werde. Bei dieser Ausrichtung an pönalen Erziehungsfunktionen erscheint es zunächst konsequent, die Kondiktion nur dann zuzubilligen, wenn dem Empfänger (wegen der Kenntnis von der Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit seines Handelns) der Vorwurf einer (vorsätzlichen) Auflehnung gegen die Gebote von Recht und Moral zu machen ist 50 . Dies führt allerdings dazu, daß im Einzelfall - nämlich dann, wenn gegen den Leistungsempfänger ein derartiger Vorwurf nicht erhoben werden kann, weil er z. B . „ n u r " in grobfahrlässiger Unkenntnis des betreffenden Verbotes handelte - einen Vermögenszustand sanktionieren müßte, der von der Leistungsannahme her objektiv rechtswidrig ist. Dieses Ergebnis aber läuft letztlich auf eine „Prämierung des gröberen Moralempfindens" 5 1 hinaus. Es vernachlässigt zudem den Gesichtspunkt, daß es bei § 817, 1. Satz - ebenso wie sonst im Bereicherungsrecht - darum geht, die dem materiellen Recht gemäße Güterzuordnung wiederherzustellen 52 . Daher sollte man entgegen den zitierten Zielvorstellungen des historischen Gesetzgebers den objektiven Sitten- oder Gesetzesverstoß für die Gewährung eines Kondiktionsanspruches genügen lassen 53 . 48
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Vgl. Esser, Schuldrecht II, 4. Aufl. (1970) 357; s. auch Reuter/Martmek, 181, die die Anwendung des §817, l . S a t z auf den Fall beschränken wollen, daß die condictio ob rem wegen Zweckerreichung entfällt, aber der erreichte Zweck gesetzes- oder sittenwidrig ist. Bei diesem Verständnis setzt die Rückforderung eine Zweckerreichung sogar voraus. Vgl. Mudgan II, 474. So R G J W 1936, 2532; Palandt/Thomas, §812 Anm. 2c (die dort zit. Urteile beziehen sich allerdings alle auf §817, 2. Satz); vgl. auch Erman/H. P. Westermann, § 8 1 7 Rdn. 8. Vgl. Lehmann, J W 1931, 1924. KGKK-Heimann-Trosien, § 8 1 7 Rdn. 8; Esser/Weyers, §49 III (S. 394). So auch MünchKomm-Z.iW>, § 8 1 7 Rdn. 36; Larenz II, §69 l i l a (S. 559).
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Der praktische Anwendungsbereich des §817, l.Satz ist gering. Die Rechts- oder Sittenwidrigkeit bei der Leistungsannahme wird in der Regel auch das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft vernichten (§§ 134, 138), so daß dem Leistenden ein Rückforderungsrecht aus der condictio indebiti zusteht. Dem Kondiktionsanspruch aus § 817, 1. Satz kommt aber dann eigenständige Bedeutung zu, wenn das Grundgeschäft trotz des Rechts- oder Sittenverstoßes gültig ist, weil sich der Verbotszweck der übertretenen N o r m allein auf die Annahme der Leistung bezieht. Dies wird etwa im Fall der „einfachen Beamtenbestechung" (Vorteilsannahme) angenommen, da sich §331 StGB nur gegen den Beamten richtet 54 . Die condictio ob iniustam vel turpem causam greift auch dann ein, wenn die condictio indebiti wegen § 814 ausgeschlossen ist55, oder wenn die condictio ob rem versagt, weil der vereinbarte Erfolg eingetreten ist oder weil einer der Ausschlußgründe des §815 vorliegt. Im Hinblick auf die Regelung in §817, 2. Satz kann die Kondiktion wegen mißbilligter Leistungsannahme allerdings nur dann durchgreifen, wenn sich der Vorwurf des Gesetzes- oder Sittenverstoßes allein auf den Empfänger beschränkt. Dies kann der Fall sein, wenn sich der Leistende aus zu respektierenden Gründen einer sittenwidrigen Forderung des Leistungsempfängers beugt, wie etwa bei der Hingabe von Geld für die Nichtanzeige einer Straftat 56 . Im Fall der einfachen Beamtenbestechung (§331 StGB) wird ein Kondiktionsanspruch in der Regel daran scheitern, daß der Leistende durch sein Verhalten gegen die guten Sitten verstößt 57 .
2. Die Kondiktionssperre des § 817,2. Satz a) Erweiterter Anwendungsbereich Nach der stark umstrittenen Regelung des § 817, 2. Satz ist die Rückforderung ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten zur Last fällt. Von ihrer systematischen Stellung her bezieht sich diese Regelung nur auf § 817, 1. Satz. Der Anwendungsbereich der Kondiktionssperre wäre dann aber weitgehend ausgehöhlt, da bei einem Gesetzes- oder Sittenverstoß meist auch das Grundgeschäft nach §§134, 138 nichtig ist und dem Lei54
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Vgl. etwa KGKK-Heimann-Trosien, §812 Rdn. 5; Larenz II, §69 lila (S. 558); Medicus, Rdn. 694. Anders vor allem MünchKomm-Ziei, § 817 Rdn. 4 und Erman/H. P. Westermann, § 817 Rdn. 4, die von der Unwirksamkeit des Kausalgeschäftes (Schenkung) nach §§ 134, 138 ausgehen. Vgl. R G Z 99, 161 (165); BAG N J W 1983, 783. Vgl. MünchKomm-Li'e^, §812 Rdn. 8; Reuter/Martinek, 181. Vgl. MünchKomm-Liefe, §817 Rdn. 8; Medicus, Schuldrecht II, §126 II 2c (S. 288 f).
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
Stenden somit bereits ein Rückforderungsrecht aus § 8 1 2 I zusteht. Deshalb wird der Kondiktionsausschluß des § 8 1 7 , 2. Satz auf alle Arten der Leistungskondiktion erstreckt 58 . Daneben wird die Regelung noch in einer zweiten Richtung erweiternd ausgelegt: Nach seinem Wortlaut („gleichfalls") ist §817, 2. Satz nur bei einem beiderseitigen Gesetzesoder Sittenverstoß anzuwenden. Darüber hinausgehend muß die Kondiktion jedoch auch dann ausgeschlossen sein, wenn allein dem Leistenden (z. B. dem Wucherer 59 ) ein Verstoß anzulasten ist60. Nur so kann nämlich das merkwürdige Ergebnis vermieden werden, daß der „makellose Empfänger" nach § 8 1 2 I das ihm Geleistete an den gesetz- oder sittenwidrig Leistenden herausgeben müßte, während er (nach §817, 2. Satz) dann keiner Kondiktion ausgesetzt wäre, wenn ihm selbst der Vorwurf eines Verstoßes gegen Gesetz oder gute Sitte zu machen ist. b) Grundlagenprobleme zur Funktion des § 817, 2. Satz Der weitgehende Konsens über die soeben dargelegte Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 817, 2. Satz ist allerdings solange ungesichert, als über Funktion bzw. Normzweck der Regelung Unklarheit besteht, was aber gerade in besonders hohem Maß der Fall ist. Philipp Heck vertrat die Ansicht, die Kondiktionssperre enthalte eine gesetzlich geregelte Schuldkompensation 61 . Da keine der beiden Parteien schutzwürdig sei, dürfe auch keine bevorzugt werden („in pari turpitudine melior est causa possidentis"). Dagegen ist vor allem einzuwenden, daß damit der Kondiktionsausschluß nur dann erklärt wer58
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Heute ganz h. M.: Vgl. etwa BGHZ 36, 395 (399) = NJW1962, 955; BGHZ 50, 90 (91) = NJW 1968, 1329; MünchKomm-L»e/>, § 812 Rdn. 10. Zu den wenigen Gegenstimmen vgl. Honseil, 32 ff. Honseil (136 ff) selbst befürwortet zwar grundsätzlich die Ausdehnung der Kondiktionssperre auf Ansprüche aus § 812 I. Gleichzeitig will er allerdings § 817, 2. Satz auf die Fälle der Hingabe von Geld oder Sachen für die künftige Vornahme einer gesetzes- oder sittenwidrigen Handlung, also auf die Fälle der „Deliktanstiftung" beschränken. Bei allen Vorteilen, die mit dieser Restriktion der Regelung auf ihren historisch begründeten Anwendungsbereich verbunden sein mögen (vgl. dazu auch Dauner, JZ 1980, 501 f), wird man mit Reuter/Martinek, 209 realistischerweise sagen müssen, daß sich das Rad von über 80 Jahren Rechtsanwendungspraxis kaum einfach zurückdrehen läßt; in der Sache krit. gegen Honseils Vorschlag vor allem König, Bereicherung, 128 f. Zur Anwendung des §817, 2. Satz beim Wucherdarlehen vgl. u. S. 65 f. Heute ganz h.M.: Vgl. etwa Reuter/Martinek, 202; Wacke, 145; RGZ 161, 52 (55); 151, 70 (72). Krit. aber etwa Dauner, JZ 1980, 502 und MünchKomm-Lie^, §817 Rdn. 17. AcP 124, 32 ff.
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den kann, wenn beiden Parteien ein Verstoß gegen Gesetz oder Sitte anzulasten ist und beide Parteien bereits geleistet haben. Das R G hingegen verstand - im Anschluß an die Motive zum BGB §817, 2. Satz als zivilrechtliche Strafvorschrift, mit der die verwerfliche Gesinnung des Leistenden getroffen werden sollte 62 . Bei dieser Interpretation bleibt jedoch unverständlich, warum sich bei einem beiderseitigen Gesetzes- bzw. Sittenverstoß die Bestrafung des Leistenden zugleich als Vorteil für den - nicht minder strafwürdigen - Empfänger auswirken soll (jedenfalls solange dieser nicht seinerseits schon geleistet hat). Einleuchtender erscheint es daher, §817, 2. Satz als Ausdruck der Verweigerung staatlichen Rechtsschutzes f ü r die Fälle zu verstehen, in denen sich der Leistende durch sein verbotswidriges Verhalten selbst außerhalb der Rechtsordnung gestellt hat 63 . Der Ausschluß der Kondiktion ist in dieser Sicht Ausdruck des ganz allgemeinen Gedankens der Rechtschutzversagung in all den Fällen, in denen sich der Gläubiger zur Begründung seiner Ansprüche auf sein eigenes gesetzes- oder sittenwidriges Verhalten berufen m u ß („nemo auditur propriam turpitudinem allegans"). Folgt man dem, so ist §817, 2. Satz nicht auf das Bereicherungsrecht zu beschränken 64 , sondern muß (analog) auch dann gelten, wenn die Rückforderung auf einen dinglichen Anspruch (§§ 985, 894) oder auf einen Anspruch aus unerlaubter Handlung bzw. Geschäftsführung ohne Auftrag gestützt wird 6 5 . Eine analoge Anwendung von §817, 2. Satz auf dingliche Ansprüche ist wertungsmäßig insbesondere in den Fällen unumgänglich, in denen wegen der besonderen Verwerflichkeit des Sittenverstoßes nicht nur die Nichtigkeit des Grundgeschäftes, sondern auch die Unwirksamkeit der dinglichen Ubereignung
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S. RGZ 95, 347 (349); 99, 161 (167); 105, 270 (271); 161, 52 (58). Ebenso auch BGHZ 39, 87 (91) = NJW 1963, 950; BGHZ 63, 365 (369) = NJW 1975, 638. So die h. M.: Vgl. etwa Dauner, JZ 1980, 499; MünchKomm-Iiei, § 817, Rdn. 9 und 39; Larenz II, §69 Illb (S. 560); Medicus, Rdn. 697; ders., Schuldrecht II, § 127 II 4b (S. 296; Reuter/Martinek, 204ff; BGHZ 35, 103 (107) = NJW 1961, 1458; BGHZ 36, 395 (399) = NJW 1962, 955; BGHZ 44, 1 (6) = NJW 1965, 1585. Krit. zur „Rechtschutzverweigerungstheorie" etwa Wilburg, in: KlangKommentar zum ABGB, Bd. VI, 2. Aufl. (1951) 471; dagegen wieder Reuter/ Martinek, 206. So aber die ständige Rspr.: Vgl. etwa BGHZ 39, 87 (91) = NJW 1963, 950; BGHZ 41, 341 (347) = NJW 1964, 1791; BGHZ 44, 1 (6) = NJW 1965, 1585; BGHZ 63, 365 (369) = NJW 1975, 638. Vgl. Wache, 145; Esser/Weyers, §49 IV 2 (S.396f); Medicus, Rdn. 697; ders., Schuldrecht II, § 127 5b (S. 298); mit Einschränkungen auch Larenz II, §69 Illb (S. 562 f) und Staudinger/Lorenz, §817 Rdn. 14.
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen angenommen wird66. In RGZ 145, 152 ff ging es etwa um die Übereignung eines Grundstücks an eine Ehefrau, um sie dadurch zur Erhebung der Scheidungsklage zu veranlassen. Das R G nahm hier nicht nur Nichtigkeit des Grundgeschäftes, sondern auch Unwirksamkeit des dinglichen Vollzugsaktes an, mit der Konsequenz, daß der Herausgabeanspruch des Mannes auf §§ 894, 985 zu stützen war, was das RG wiederum an einer Anwendung des § 817, 2. Satz hinderte. Damit war das völlig ungereimte Ergebnis fixiert, daß der Ehemann sein Grundstück mit Erfolg zurückfordern konnte, während er bei Annahme von Sittenwidrigkeit nur des Grundgeschäftes an §817, 2. Satz gescheitert wäre. Ein offensichtliches argumentum a minori ad maius wurde damit unbeachtet gelassen!
Bei der Anwendung von § 8 1 7 , 2. Satz ist allerdings zu beachten, daß durch den Ausschluß der Rückforderung nicht ein Vermögenszustand abgesegnet werden darf, der nach dem Schutzzweck der übertretenen Verbotsnorm gerade vermieden werden sollte. Vor einer Anwendung der Kondiktionssperre ist daher stets zu fragen, ob die - durch die Rechtschutzverweigerung bewirkte - Aufrechterhaltung der objektiv rechtsgrundlosen Vermögenslage mit dem Zweck der Nichtigkeitssanktion überhaupt vereinbar ist 67 . So müssen beispielsweise die aufgrund eines sittenwidrigen Bordellpachtvertrages überlassenen Räumlichkeiten zurückgefordert werden können, obwohl der Verpächter durch den Vertragsabschluß gegen die guten Sitten verstoßen hat68. Ein Ausschluß des Herausgabeanspruchs nach § 817, 2. Satz würde nämlich dazu führen, daß der Pächter (ohne zur Zahlung eines Pachtzinses verpflichtet zu sein [!]) den Bordellbetrieb fortführen könnte und so der von der Rechtsordnung mißbilligte Zustand auf Dauer legalisiert würde. Weiteres Beispiel •. Nach § 5 II Nr. 1 BBiG darf dem Ausbilder für die Berufsausbildung keine Entschädigung bezahlt werden. Hat der Ausbilder den Abschluß des Ausbildungsvertrages dennoch von der Zahlung einer Vergütung abhängig gemacht, so könnte eine strikte Anwendung von § 817, 2. Satz der Rückforderung des verbotswidrig Geleisteten entgegenstehen. Der Schutzzweck des § 5 II Nr. 1 erfordert es hier, die Rückforderung auch dann zuzulassen, wenn dem Leistenden das Verbot bekannt war. Rechtstechnisch erreicht man die Nichtanwendung von § 817, 2. Satz durch eine teleologische Reduktion dieser Vorschrift. Der Maßstab für die Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit des Leistenden entspricht demjenigen, der nach § 8 1 7 , l . S a t z für den Leistungsempfänger 66
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Krit. aber MünchKomm-Lie&, 817 Rdn. 25. Zur Frage, ob eine Differenzierung zwischen einfacher und schwerer Sittenwidrigkeit überhaupt möglich ist, vgl. Dauner, J Z 1980, 498. Vgl. Reuter/Martinek, 210; Fabricius, JZ 1963, 85; Wacke, 146; Sonnenschein, J Z 1976, 501. Mit Einschränkungen auch Larenz II, §69 Illb (S. 563); vgl. auch Erman/H.P. Westermann, §817 Rdn. 15 und Dauner, J Z 1980, 497. Vgl. BGHZ 41, 341 ff = NJW 1964, 1791. Nach BAG NJW 1983, 783.
§ 7. Die einzelnen Leistungskondiktionen
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gilt. Daher kommt es auch für den Ausschluß der Kondiktion allein auf den objektiven Verstoß gegen die Rechts- bzw. Sittenordnung an 7 0 . D e r § 8 1 7 , 2. Satz zugrundeliegende Gedanke der Rechtsschutzverweigerung erfordert es nicht, daß dem Leistenden darüber hinaus auch der Vorwurf einer vorsätzlichen Verletzung der Rechtsordnung zu machen ist 7 1 : D e r Leistende muß sich nämlich zur Begründung seines Anspruchs auch dann auf sein rechtswidriges Verhalten berufen, wenn ihm die Verwerflichkeit seines Handelns bei Abschluß des Rechtsgeschäftes (noch) nicht bewußt war. c) Einzelfragen Lange umstritten war die Frage, wie sich § 817, 2. Satz auswirkt, wenn das Geleistete - wie etwa in den Fällen des Kredit- oder Mietwuchers - nur auf Zeit überlassen werden sollte. Heute ist man sich weitgehend darüber einig, daß ein dauernder Ausschluß des Rückforderungsanspruches nur in Betracht kommt, wenn von vorneherein eine endgültige Vermögensübertragung geplant war. Bei nur temporären Leistungen ist Leistungsgegenstand nur die Nutzungsüberlassung auf Zeit. Daher schließt § 817, 2. Satz die Kondiktion auch nur für den vereinbarten Zeitraum aus 72 . Wurden die Verträge auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, darf der Empfänger mangels anderer Anhaltspunkte das Geleistete bis zum nächstmöglichen Ablauf einer ordentlichen Kündigun gsfrist (z. B. § 6 0 9 II) behalten 73 . Wurde eine wucherische Vergütung für die Überlassung des Gebrauchs vereinbart, so ist klar, daß beispielsweise der Darlehensgeber nicht die wucherischen Zinsen verlangen kann, unklar aber, ob der Leistende nicht wenigstens ein angemessenes Entgelt soll verlangen können. Während dies von der Rechtsprechung 7 4 hauptsächlich mit dem Hinweis abgelehnt wird, daß eine Vergütung nach § 8 1 8 I, II ausscheidet, da § 8 1 7 , 2. Satz 70
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Vgl. Esser/Weyers, §49 IV 3 (S. 397); Reuter/Martinek, 212. A.A. insbesondere die st. Rspr., die ein Bewußtsein der Sitten- bzw. Verbotswidrigkeit fordert: Vgl. etwa BGHZ 50, 90 (92) = NJW 1968, 1329 („Wissen und Wollen"); BGH NJW 1978, 322 (323); BGH NJW 1980, 452; A.A. auch Larenz II, §69b (S. 561) und MünchKomm-Lie£, §817 Rdn. 37f. So aber MünchKomm-Lt'e^, §817 Rdn. 37. St. Rspr. seit einer Entscheidung des Großen Senats des RG aus 1939 (RGZ 161, 52 [57]); zuletzt etwa BGH NJW 1987, 959 (962). Vgl. etwa auch Reuter/ Martinek, 216; Medicus, Rdn. 699; Tiedtke, JZ 1987, 855. Vgl. Medicus, Rdn. 699; Reuter/Martinek, 216. Vgl. BGH NJW 1962, 1148; NJW 1983, 1420 (1422 f); OLG Köln ZIP 1985, 22 (26). Ebenso Canaris, Bankvertragsrecht, Rdn. 1315; Palandt/Thomas, §817 Anm. 3c bb; Tiedtke, JZ 1987, 845; im Ergebnis wie die Rechtsprechung auch Reifner, JZ 1984, 638 ff.
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II. Kapitel: Die Leistungskondiktionen
dem Rechtsgrund für das zeitweilige Behaltendürfen ersetze, hat Mediais75 dem überzeugend entgegengehalten, daß damit noch nicht begründet sei, warum dem Empfänger die Nutzung ohne Entgelt belassen werden soll. Will man daher § 817, 2. Satz nicht i. S. der Statuierung einer pönalen Sanktion interpretieren, wird man dem Leistenden einen Anspruch auf eine angemessene, am Marktzins orientierte Vergütung zubilligen müssen76. Der Einwand des § 817, 2. Satz gilt auch gegenüber den Rechtsnachfolgern des Leistenden. Die Rechtsprechung77 will jedoch ausnahmsweise den Konkursverwalter von der Kondiktionssperre freistellen, da dem Leistungsempfänger die Leistung nur auf Kosten des Leistenden, nicht auch auf Kosten der Konkursgläubiger verbleiben solle. Dieses Argument ist jedoch schief: Der Rückfluß des Geleisteten zur Konkursmasse kommt nämlich letztlich doch dem Leistenden zugute, da seine Verbindlichkeiten im Umfang der Befriedigung der Konkursgläubiger erlöschen78. Durch die (praktisch wenig bedeutsame) Regelung in §817, 2. Satz, 2. Halbsatz wird der Ausschluß der Rückforderung eingeschränkt, wenn die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit (also z. B. in der Hingabe eines Schuldversprechens [§ 780] oder eines Wechsels) bestand. Das Gesetz sieht hier die verwerfliche Vermögensverschiebung bis zur Erfüllung der Verbindlichkeit noch nicht als abgeschlossen an. Daher will es verhindern, daß der Empfänger z. B. den Wechsel behalten und einklagen darf und so die anstößige Vermögensverfügung doch noch vollendet wird.
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Medicus, Rdn. 700; den., Gedächtnisschrift Dietz (1973) 61 ff. So auch Larenz II, §69 Illb (S. 562); Esser/Weyers, §49 IV 3 (S. 398); Staudinger/Lorenz, § 817 Rdn. 12; Bunte, NJW 1983, 2676f; ders., WM 1984, Beilage 1 (S. 24). Mit Einschränkungen auch MiìnchKomm-Zieè, §817 Rdn. 16 f. A.A. aber (wie der BGH) zuletzt Tiedtke, JZ 1987, 855. Vgl. RGZ 99, 161 (166ff); BGHZ 19, 338 = NJW 1956, 587; BGH NJW 1962, 483. Zustimmend Soergel/Mühl, §817 Rdn. 16; Palandt/Thomas, §817 Anm. 3b. Vgl. Esser, Schuldrecht II, 4. Aufl. (1970) 361; Lent, JZ 1956, 493 f.
Drittes Kapitel: Bereicherung „in sonstigerWeise"
§ 8. Arten der Bereicherung „in sonstiger Weise" I. Ü b ersieht Nach §812 I, 1. Satz ist derjenige, der „in sonstiger Weise" auf Kosten eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, dem Entreicherten zur Herausgabe verpflichtet. Unter diese Generalklausel lassen sich eine ganze Reihe von Sachverhalten subsumieren, deren gemeinsamer Nenner vorerst nur negativ umschrieben werden kann: Die Kondiktion wegen Bereicherung „in sonstiger Weise" soll dann zustehen, wenn jemand „auf Kosten" des Kondiktionsgläubigers eine Vermögensvermehrung erfahren hat, ohne daß ihm diese durch „Leistung" des Kondiktionsgläubigers zugekommen ist und ohne daß dem Bereicherten ein Recht zum Behalten des Erlangten zustände1. Die Fälle, für die das Vorliegen einer Bereicherung „in sonstiger Weise" mit Recht bejaht wird, sind sehr vielgestaltig. Das daraus resultierende Bedürfnis nach Ausdifferenzierung relevanter Fallgruppen hat dazu geführt, daß man die Nichtleistungskondiktionen in Eingriffskondiktion, Aufwendungs- (Verwendungs-, Rückgriffs-) kondiktion sowie Ansprüche wegen Bereicherung infolge eines Naturvorganges einteilt2. Maßgeblicher Einteilungsgesichtspunkt ist die Frage, ob dem Bereicherungskläger etwas ohne seine Zustimmung „weggenommen" worden ist (Eingriffskondiktion), ob er - ohne zu leisten - ein Vermögensopfer erbracht hat (Aufwendungskondiktion) oder ob die Bereicherung überhaupt nicht auf menschlichen Handlungen, sondern auf einem Naturereignis beruht. Diese Klassifizierung hat sich in darstellungstechnischer Hinsicht als zweckmäßig erwiesen und wird deshalb auch hier verwendet. 1 2
Esser, 362 f. So z. B. Larenz, §68 II (S. 530ff); Erman/H.P. Westermann, §812 Rdn. 67;Esser/Weyers, §50 I 1 (S. 399), §50 III (S. 411 ff); Hüffer, Jus 1981, 264; Erweiterung dieses Schemas bei MünchKomm-£je&, § 812 Rdn. 182 ff. Prinzipiell anders Fikentscher, §97 III 1 (S. 650 f). Darstellung und Kritik der hier zugrundegelegten (und anderer) Einteilungen bei Reuter/Martinek, 371 ff, die selbst nur zwischen Eingriffs- und Abschöpfungskondiktion unterscheiden wollen. Damit ist m.E. aber ein Verlust an Anschauungskraft verbunden. Außerdem beruht die Kritik von Reuter/Martinek auf u.E. unzutreffenden Prämissen zur Eingriffskondiktion und wird auch nicht durchgehalten (aaO, S. 471).
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III. Kapitel: Bereicherung „in sonstiger Weise"
II. Eingriffskondiktion Die praktisch wichtigste Fallgruppe der Nichtleistungs- ist die Eingriffskondiktion. Charakteristisch sind die Fälle, in denen sich jemand einen fremden Vermögensgegenstand zunutze macht, beispielsweise eine fremde Sache ge- oder verbraucht und dadurch einen eigenen Vermögensvorteil erzielt. Zuordnungsschwierigkeiten sind im Zusammenhang irrtümlicher Verwendung eigener Sachen für fremde Zwecke aufgetaucht. Das Paradigma des Hausmeisters, der versehentlich eigene Kohlen für die Heizung des von ihm verwalteten Gebäudes verwendet, wird zumeist als Fall der Eingriffskondiktion klassifiziert. Demgegenüber ordnet Medicus (Rdn. 708) diesen Fall den Aufwendungskondiktionen zu. Da es hier der Entreicherte selbst ist, der die klagebegründende Vermögensverschiebung veranlaßt, ist dieser Meinung der Vorzug zu geben. Einen wichtigen Sonderfall der Eingriffskondiktion hebt das Gesetz selbst hervor, nämlich die Verfügung eines Nichtberechtigten, die dem Berechtigten gegenüber infolge guten Glaubens des Verfügungsempfängers (§§ 932 ff, 892 f) wirksam ist (§816 I). Einen vergleichbaren Fall regelt §816 II: Wer als Nichtberechtigter, zum Beispiel als Zedent, eine Leistung empfängt, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist (zum Beispiel infolge § 407), muß das Geleistete an den Berechtigten abführen. Das Hauptproblem im Zusammenhang der Eingriffskondiktion besteht in der exakten Fassung derjenigen Positionen, in die ein Eingriff möglich ist. Daß das Eigentum eine solche Position darstellt, liegt auf der Hand. Aber etwa schon bei Warenzeichenverletzungen, bei Wettbewerbsverstößen, schließlich auch im Zusammenhang relativer Rechte scheiden sich die Geister.
III. Aufwendungskondiktion Die Aufwendungskondiktion ist gegeben, wenn Vermögensopfer zugunsten eines anderen erbracht worden sind, ohne daß eine Leistung vorliegt. Zu unterscheiden sind Verwendungs- und Rückgriffskondiktionen. a) Der Ausdruck „ Verwendungskondiktion" bezeichnet Fälle, in denen jemand Geld, Arbeitsleistung oder Naturalien auf Sachen verwendet, die sich in seinem Eigenbesitz befinden oder von denen er - bei fehlendem Besitz - jedenfalls annimmt, daß sie ihm gehören. Der damit vollzogene Ausschluß von Verwendungen des Fremdbesitzers und des die Eigentumsverhältnisse kennenden Nichtbesitzers rührt daher, daß in diesen Fällen - wenn überhaupt - die Leistungskondiktion gegeben ist3. Der Ausdruck „Verwendungskondiktion" muß jedoch für die Bezeichnung 3
Zum - gleich zu behandelnden - Fall des bösgläubigen Eigenbesitzers Münch-
Komm-Lieb, §812 Rdn. 254.
§ 8. Arten der Bereicherung „in sonstiger Weise"
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einer Untergruppe der Bereicherung „in sonstiger Weise" reserviert werden. Schließt man sich der im Anschluß an Medicus oben vorgeschlagenen Charakterisierung des „Hausmeister-Falles" als eines Beispiels der Verwendungskondiktion an, so ist allerdings noch das folgende zu beachten. Eigenbesitz oder mutmaßliche Eigentümerstellung wird für die Verwendungskondiktion dann nicht vorausgesetzt, wenn der Verwendende zwar die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse der Sache kennt, auf die er Aufwendungen vornimmt, aber nicht weiß, daß er eigene und nicht fremde Mittel zu Verwendungszwecken einsetzt. Die Gefahr einer Überschneidung von Verwendungs- und Leistungskondiktion besteht hier nicht. Mangels Fehlens eines Zuwendungswillens beim Verwendenden scheidet eine Leistungskondiktion von vorneherein aus. Die Fragen, die im Zusammenhang der Verwendungskondiktion zu lösen sind, sind im wesentlichen dreifacher Art. Einmal geht es darum, das tatbestandliche Verhältnis dieses Anspruchs zu anderen Anspruchsgrundlagen, beispielsweise dem Verwendungsersatzanspruch des Besitzers nach § 994 zu klären. Wo das Gesetz den Bereicherungsanspruch ersichtlich zu Lasten des Gläubigers an die Stelle eines Anspruchs auf Ersatz von Aufwendungen treten läßt (zum Beispiel §§994 II, 684, 1. Satz), ergibt sich des weiteren die Frage, ob der Bereicherungsanspruch durch das Maß der Aufwendungen begrenzt wird. Schließlich stellt sich das Problem der aufgedrängten Bereicherung gerade in den Fällen der Verwendungskondiktion besonders häufig, ohne freilich auf diese Konstellation beschränkt zu sein. . b) Die Rückgriffskondiktion greift Platz, wenn der Bereicherungsgläubiger den Bereicherungsschuldner, ohne diesem eine Leistung zu erbringen, von einer Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten befreit. Freilich sind hier zumeist andere Anspruchsgrundlagen gegeben, die die Rückgriffskondiktion verdrängen. IV. Bereicherung infolge N a t u r v o r g a n g e s Eine Bereicherung „in sonstiger Weise" kann sich auch infolge eines Naturereignisses einstellen, beispielsweise indem von einem am Fluß liegenden Grundstück des A bei Hochwasser Teile weg- und dem gegenüberliegenden Grundstück des B zugeschwemmt werden. Ein zweites Beispiel wird immer wieder zitiert, nämlich die Kühe des A, die die Wiese des B abgrasen. Fälle dieser Art sind praktisch unwichtig und aus bereicherungsrechtlicher Sicht kaum problematisch. Im folgenden werden die einzelnen Fallgruppen der Bereicherung „in sonstiger Weise" im einzelnen erörtert, freilich nur, soweit es um ihre tatbestandlichen Voraussetzungen geht. Für die Analyse der verbleibenden Probleme sind die Paragraphen über den Anspruchsinhalt und das Verhältnis des Bereicherungsanspruches zu anderen bürgerlich-rechtlichen Anspruchsgrundlagen zu konsultieren.
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III. Kapitel: Bereicherung „in sonstiger Weise"
§ 9. Die Eingriffskondiktion I. Zur Bedeutung des Merkmals „auf K o s t e n " bei der Eingriffskondiktion 1. Fragestellung A und B sind Wettbewerber. A gelingt es im Laufe der Zeit, die Kunden des B in rechtlich einwandfreier Weise an sein eigenes Geschäft zu binden. B hat einen Nachteil, A einen Vorteil zu verbuchen. Dennoch besteht überhaupt kein Zweifel, daß B kein Bereicherungsanspruch gegen A zusteht. Mehr noch: Es wäre im Rahmen einer prinzipiell an marktwirtschaftlichen Prinzipien orientierten Rechtsordnung offensichtlich absurd, B einen derartigen Anspruch zu gewähren. Ein anderes Beispiel1: Infolge Verlegung einer Bahnstrecke gewinnt das Grundstück des A an Wert, das des B verliert. Dennoch ist unbestritten und wohl auch kaum bestreitbar, daß B hier nichts von A verlangen kann. Die Frage, warum dem so ist, oder umgekehrt gewendet: die Beeinträchtigung welcher Positionen des „Entreicherten" die Kondiktion auszulösen geeignet ist, ist damit freilich noch nicht beantwortet. Im allgemeinen wird diese Frage mit der nach dem Inhalt des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals „ohne Rechtsgrund" in Fällen der Eingriffskondiktion identifiziert2. Die Bedenklichkeit dieser Ansicht zeigt sich jedoch sofort, wenn man überlegt, daß das nachträgliche Einverständnis des Beeinträchtigten die Eingriffskondiktion von nun an präkludiert. In den Fällen gutgläubig entgeltlichen Erwerbs vom Nichtberechtigten ist diese dem Erwerber gegenüber von vorneherein ausgeschlossen. Beide Befunde finden ihren Grund darin, daß der Eingriffserwerb hier nicht „rechtsgrundlos" erfolgt. Hängt „ohne rechtlichen Grund" somit mit der Willensrichtung des Beeinträchtigen bzw. mit Vorhandensein oder Fehlen eines gesetzlichen Erwerbstatbestandes zusammen, so empfiehlt es sich, die Frage nach eingriffsfähigen Rechtspositionen des Beeinträchtigten dem Tatbestandsmerkmal „auf Kosten" zuzuordnen. Diese Betrachtungsweise hat darüber hinaus den Vorteil, daß sie die von der herrschenden Meinung zu Unrecht3 aufgegebene Suche nach gemeinsamen dogmatischen Grundlagen von Eingriffs- und Leistungskondiktion vorbereitet4. 1 2 3
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Nach Wilburg, 14 f. Vgl. etwa Esser, 364 ff; Latenz, §68 II (532); Reuter/Martinek, 240 f. Vgl. einstweilen Kellmann, 97 ff; Wilhelm, 173 f; Haines, 86 ff; ferner MünchKomm-Lieb, §812 Rdn. 1 ff; Kupisch, J Z 1985, 164f. Im Ergebnis wie hier z . B . MünchKomm-Z.z'e£, §812 Rdn. 193; Staudinger/ Lorenz, §812 Rdn. 23; Reeb, 37.
§ 9. Die Eingriffskondiktion
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Steht einmal fest, daß ein „Entreicherungstatbestand" vorliegt, so ist damit in aller Regel zugleich entschieden, wer Kondiktionsg/ä«^iger ist. Es handelt sich u m denjenigen, in dessen Rechtsposition eingegriffen w o r den ist. N i c h t so selbstverständlich ist demgegenüber, wer als Bereicherungsschuldner in Betracht k o m m t . H a t zum Beispiel jemand durch Verletzung eines fremden Patents seinen Gewinn steigern können, so profitiert nicht nur er selbst, sondern auch seine Gläubiger, denen nunmehr ein größeres Vermögen haftet, ferner die Angehörigen, denen bei höherem Einkommen des Rechtsbrechers höhere Unterhaltsansprüche zustehen usw. E s liegt auf der H a n d , daß nicht jedermann, der in irgendeiner Weise von einem Erwerbsvorgang „auf K o s t e n " eines Berechtigten profitiert, diesem gegenüber kondiktionspflichtig sein kann. Weitere Fragen der Individualisierung des „richtigen" Kondiktionsschuldners stellen sich bei Beteiligung mehrerer, hauptsächlich bei unberechtigter Verfügung oder Nutzungsüberlassung. Es ist nützlich, sich einmal klar zu machen, warum sich die aufgeworfenen Probleme gerade im Zusammenhang der Eingriffskondiktion stellen oder - umgekehrt gewendet - warum bei der Leistungskondiktion keine vergleichbaren Fragen auftauchen. Was zunächst das Problem der anspruchsbegründenden „Position" des Klägers angeht, so stellt es sich für die Leistungskondiktion deshalb nicht, weil Gegenstand einer Leistung die Bewirkung jedes Erfolges des Leistenden beim Leistungsempfänger sein kann. Wenn z. B. ein Betrieb auf der Grundlage vertraglicher Verpflichtungen zugunsten eines Konkurrenten eingestellt wird, dann ist bei Nichtigkeit des Vertrages die Leistungskondiktion gegeben. Wird dagegen jemand zum Einstellen seines Gewerbes gezwungen, weil er sich im Wettbewerb nicht behaupten kann, dann sind damit die Voraussetzungen der Eingriffskondiktion noch keineswegs erfüllt. Bei dieser Kondiktionsart entfällt die Möglichkeit, den anspruchsbegründenden Tatbestand wie bei der Leistungskondiktion anhand einer schon vorhandenen schuldrechtlichen Verbindung zu bestimmen. Schuldner der Leistungskondiktion ist im übrigen - mit Ausnahme des § 822 - immer nur der Leistungsempfänger, nicht irgendwelche Dritte, die durch die Leistung mit begünstigt werden.
2. Übersicht Bezüglich des Kriteriums, das über die Abgrenzung eingriffsfähiger, also kondiktionsgeschützter Rechtspositionen entscheidet, stehen sich zwei Hauptauffassungen gegenüber. N a c h der einen (Rechtswidrigkeitstheorie) k o m m t es auf die Qualität der Eingriffshandlung an. Ist diese rechtswidrig, so steht ein Bereicherungsanspruch zu. Demgegenüber stellt die h . M . (Zuweisungstheorie) nicht auf die Rechtswidrigkeit des Eingriffs, sondern auf den dadurch geschaffenen Zustand ab 5 . Herauszugeben sei, 5
Das trifft auch für die von ihm sog. „Theorie des allgemeinen Güterschutzes" von Reeb (36 f) zu. Es handelt sich also nur um eine (weitere) Variante der
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III. Kapitel: Bereicherung „in sonstigerWeise"
was sich der Beklagte durch Inanspruchnahme einer dem Kläger von Rechts wegen zugewiesenen, ihm vorbehaltenen Befugnis verschafft habe. Auf der Grundlage dieser Auffassung genügt es also noch nicht, daß dem Beeinträchtigten ein Unterlassungsanspruch zustand. Darüber hinaus ist nach dem Vorbild der Umschreibung des Eigentums in § 903 - erforderlich, daß die Funktion der übertretenen Regel darin besteht, gerade dem Beeinträchtigten das Vorteilspotential zu reservieren, das der Eingreifer für sich usurpiert hat. Das macht verständlich, daß und warum die Zuweisungstheorie die Eingriffskondiktion aus der Fortwirkung des verletzten Rechts erklären kann. In ihrer reinen Form wird die Rechtswidrigkeitstheorie heute nicht mehr vertreten. Ihre modernen Befürworter haben sie, wenn auch in unterschiedlicher Weise, so eingeschränkt, daß die praktischen Ergebnisse in den meisten Fällen mit jenen der Zuweisungstheorie übereinstimmen 6 . Doch gilt das nicht ausnahmslos, z. B. nicht in Teilbereichen des gewerblichen Rechtsschutzes und bei Eingriffen in ein Warenzeichenrecht. Unabhängig davon ist eine nähere Befassung mit dem Theorienstreit schon deshalb geboten, weil sich die Abgrenzung kondiktionsgeschützter Rechtspositionen im einzelnen nur so als nicht willkürlicher Zusammenhang begreifen läßt. Darüberhinaus ist eine vertiefte Einsicht in den Grund der Eingriffskondiktion auch deshalb erforderlich, weil sonst das Verhältnis dieses Anspruchs zum Deliktsrecht unklar bleiben müßte. 3. Die Rechtswidrigkeitstheorie Sie ist von Fritz Schulz (AcP 105, 1 ff) begründet worden. Nach seiner Auffassung beruhen alle Bereicherungsansprüche auf der Widerrechtlichkeit des bereichernden Eingriffs, der bei der Leistungskondiktion in der Entgegennahme der nicht geschuldeten Leistung liegen soll. Für die Eingriffskondiktion komme es - vorbehaltlich von Korrekturen bei nicht adäquaten Kausalverläufen - darauf an, ob der Beeinträchtigte Unterlassung hätte verlangen können. Dieser Lehre kann, was heute im großen und ganzen unbestritten ist, nicht gefolgt werden. Ihr steht zunächst entgegen, daß es Fälle gibt, wo Verhaltensunrecht keine Eingriffskondiktion begründet. So braucht z. B. der Schmied, der sich zugunsten eines benachbarten Komponisten vertraglich verpflichtet hat, zu bestimmten Zeiten nicht zu hämmern, die durch Verletzung dieser Pflicht erlangte Bereicherung dennoch nicht an den Komponisten herauszugeben 7 . Uberholt ein eiliger Geschäftsmann,
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Zuweisungstheorie. Grundsätzliche, aber nicht überzeugende, Kritik beider Grundannahmen bei Wo//, 27 ff, 142 ff. Dazu etwa MünchKomm-Ziei, §812 Rdn. 201 ff; vgl. unten sub 3.
Dazu Wilburg, 105.
§ 9. Die Eingriffskondiktion
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um einen wichtigen und gewinnversprechenden Termin nicht zu versäumen, in gefährlicher Weise einen anderen Verkehrsteilnehmer, so hat der Gefährdete dennoch keinen Anspruch auf die dadurch erzielte Bereicherung 8 . Die nach § 858 rechtswidrige Besitzstörung führt keineswegs immer zur Kondiktion. Aber auch dort, w o diese von der Eigenart des Eingriffsobjekts her gesehen an sich unproblematisch ist, beispielsweise bei der rechtswidrigen Wegnahme fremder Sachen, ist sie manchmal ausgeschlossen, nämlich dann, wenn der Gläubiger sich eine ihm geschuldete Leistung auf eigene Faust verschafft hat. Umgekehrt können auch rechtmäßige Eingriffe kondiktionsbegründend wirken. So handelt der Zedent, der die Leistung des Schuldners noch annimmt und damit dem Zessionar entzieht, nicht notwendig rechtswidrig 9 . Ebenso liegt es bei amtlicher Pfändung und Verwertung schuldnerfremder Sachen oder bei im Rahmen des § 904 rechtmäßigen Eingriff 10 . Ungeachtet fehlender Rechtswidrigkeit des „Eingriffs" findet in diesen Fällen die Kondiktion statt, einmal gemäß § 816 II, einmal nach § 812 I, 1. Satz, 2. Fall. Daß bloße Rechtswidrigkeit eines Verhaltens und der damit in aller Regel gekoppelte Unterlassungsanspruch allein nicht geeignet ist, einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu legitimieren, hat im übrigen einen tieferen G r u n d . In zahlreichen Fällen, so etwa bei dem Großteil der Verstöße gegen § 1 U W G oder gegen Schutzgesetze i.S. von § 823 II haben Unterlassungsansprüche nicht den Sinn, dem Unterlassungsberechtigten einen gerade ihm vorbehaltenen Vermögens- oder Tätigkeitsbereich zu sichern. Vielmehr geht es um die Durchsetzung von Verhaltensregeln im Interesse der Allgemeinheit oder doch einer Vielzahl ex ante nicht individualisierbarer Einzelpersonen. Das zeigt sich z. B. daran, daß ein und dieselbe Wettbewerbshandlung nicht nur einem, sondern einem größeren Kreis von Betroffenen Unterlassungsansprüchen verschaffen kann. Die Zulassung der Kondiktion in solchen Fällen würde nicht nur sehr erhebliche, manchmal gar nicht lösbare Probleme der Abgrenzung der Anspruchsberechtigten und des Anspruchsinhalts aufwerfen. Verkannt würde darüberhinaus, daß das Merkmal „auf Kosten" eine individuelle Beeinträchtigung gerade des Betroffenen fordert. Das hat auch einen guten Sinn. Zivilrechtliche Ansprüche wirken sich, wie jeder Rechtsnachteil, als Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit aus. Soweit die Voraussetzungen eines Anspruchs aus Delikt fehlen, besteht kein zureichender Anlaß, Gläubiger eines Unterlassungsanspruchs zu Lasten des Eingreifers auch dann noch 8 9 10
Kleinhey er, JZ 1970, 471; vgl. MünchKomm-Ii^, §812 Rdn. 200. Vgl. Medicus, Rdn. 711. Dazu Wilhelm, 94, 91 ;Rümker, 34 f; vgl. MünchKomm-Li'ei, §812 Rdn. 200; Reeb, 34; aus der Rechtsprechung OLG Frankfurt ZIP 1982, 880.
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III. Kapitel: Bereicherung „in sonstiger Weise"
durch einen Bereicherungsanspruch zu privilegieren, wenn ihnen nichts weggenommen wird, was andere Berechtigte in gleicher Weise in Anspruch nehmen dürfen 1 1 . Diesen Erwägungen kann der - richtige - Befund, es gehe in den §§ 812 ff nicht um Ent-, sondern um Bereicherungsrecht, nicht entgegengehalten werden. Denn die bloße Rechtswidrigkeit der Bereicherung sagt nichts darüber aus, wem sie anstelle des Bereicherten zustehen soll. Mit dem Hinweis auf den Unterlassungsgläubiger läßt sich diese Frage nicht beantworten, weil aus den dargelegten Gründen auf die Funktion des Unterlassungsanspruchs im Einzelfall abzustellen ist12.
Den modernen Versionen der Rechtswidrigkeitstheorie ist es zwar gelungen, einige Schwächen ihrer ursprünglichen Fassung zu überwinden. Den Umstand, daß es rechtswidrige Eingriffe gibt, die nicht zur Kondiktion führen, sowie die Möglichkeit der umgekehrten Konstellation haben jedoch auch sie nicht zu erklären vermocht. Die damit zusammenhängende Prämisse, bei der Eingriffskondiktion handle es sich um eine Sanktion für rechtswidriges Verhalten, ist nicht mehr als eine petitio principii. Im übrigen hat sich gezeigt, daß die Rechtswidrigkeitstheorie bei jedenfalls teilweiser Berücksichtigung der gegen ihre klassische Fassung vorgebrachten Einwände auf zusätzliche Kriterien nicht verzichten kann. So stellt Jakobs (S. 64) auf die Verletzung der „Rechtsgüter" eines anderen ab 13 . Wilhelm (S. 90 f), der allerdings nicht die Rechtswidrigkeit der Eingriffshandlung, sondern des durch sie verursachten „ H a b e n s " des Bereicherten für ausschlaggebend hält, will danach fragen, ob die zu beurteilende Handlung dem „Gläubiger vorbehalten" gewesen sei. Es liegt auf der Hand, daß die Konkretisierung dieser Hilfskriterien auf zumindest ganz ähnliche Fragen hinausläuft wie jene, die im Zentrum der Zuweisungstheorie stehen. Eine schärfere Fassung ist allerdings Haines (S. 89 ff) gelungen. Er schlägt vor, danach zu fragen, ob die jeweils verletzte N o r m den Schutz konkreter einzelner oder den der Allgemeinheit bezwecke. Sicheres Indiz für den N o r m z w e c k sei dabei stets die „Möglichkeit wirksamer Einwilligung oder Duldung durch den Betroffenen, da ein konsequenter Schutz von Interessen der Allgemeinheit nicht von der Entscheidung eines einzelnen abhängen könnte und es andererseits keinen wirklichen Individualschutz gegen den Willen des Berechtigten gibt" 14 . Charakteristikum der kondiktionswürdigen Fälle sei - anders ausgedrückt 11
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Ausführlicher Reuter/Martinek,
246 ff; Rümker,
64 ff; vgl. auch Erman/
H.P. Westermann, §812 Rdn. 88 f. Vgl. MünchKomm-Iie£, § 812 Rdn. 208. Insoweit ähnlich Kleinheyer, JZ 1970, 475; auch bei Kellmann, 110 wird die „Inanspruchnahme fremder Rechtsgüter" gefordert. Haines, 95.
§ 9. Die Eingriffskondiktion
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- das Rechtsschutzmonopol, die Dispositionsmöglichkeiten eines einzelnen über den Rechtsschutz; nur dadurch werde ein Gut zum IndividualRechtsgut, nur dadurch werde die beliebige Nutzung einer Rechtsposition vorbehalten 15 . So gefaßt, ist die Eingriffs- in der Tat als eine wertvolle Ergänzung der Zuweisungstheorie zu bewerten. Denn bei Vorliegen der von Haines genannten Voraussetzungen wird zumeist eine mit „Zuweisungsgehalt" ausgestattete Rechtsposition vorliegen. Unterlassungsanspruch plus Rechtsschutzmonopol indizieren daher die Möglichkeit der Eingriffskondiktion. Ausnahmslos kann man sich aber darauf nicht verlassen. Das zeigt schon das oben angeführte Beispiel des vertragswidrig hämmernden Schmiedes. Dies und die Fälle der Eingriffskondiktion bei rechtmäßigem Verhalten des Beklagten verdeutlichen, daß der Rechtswidrigkeitstheorie auch in der ihr von Haines gegebenen Fassung nicht gefolgt werden kann". 4. Die Lehre vom Zuweisungsgehalt a) Die herrschende Auffassung 17 zur Abgrenzung kondiktionsgeschützter Positionen beruht auf Arbeiten von Wilburg und von Caemmerer18 aus den 30-er und 50-er Jahren. Sie geht dahin, die Eingriffskondiktion finde dann und deshalb statt, weil das „Haben" des Bereicherungsschuldners im Widerspruch zum Zuweisungsgehalt eines Rechts des Gläubigers stehe. Nach Auffassung des B G H ( B G H Z 82, 299 [306]) kommt es auf die rechtlich mißbilligte „Verletzung einer solchen Rechtsposition (an), die nach dem Willen der Rechtsordnung einem Berechtigten zu dessen ausschließlicher Verfügung zugewiesen ist". Der Zuweisungsgehalt der Rechtsposition ersetze bei der Eingriffskondiktion das bei der Leistungskondiktion bestehende Erfordernis, daß das Erlangte aus einer Leistung des Bereicherungsgläubigers stammen müsse. „Nach dem Grundsatz der Güterzuweisung soll der Verletzer das herausgeben, was er durch rechtswidrigen Einbruch in eine fremde geschützte Rechtssphäre erzielt hat". Diesen Formulierungen ist mit der Einschränkung zu folgen, daß aus den dargelegten Gründen nicht unbedingt ein rechtswidriger Eingriff vorzuliegen braucht. Unabhängig davon stellt sich die Eingriffskondiktion aus der Sicht der Zuweisungstheorie als Rechtsfortwirkungsanspruch in dem 15 16 17
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Haines, 101 f. Insoweit anders Vorauflage, 94 f. Vgl. statt vieler Medicus, Rdn. 709 ff; Reuter/Martinek, 234 ff; MiinchKommLieb, § 812 Rdn. 204 ff; Erman/H. P. Westermann, § 812 Rdn. 65 f; Staudingerl Lorenz, §812 Rdn. 23; Urem, §68 II (533 f); Esser/Weyers, §50 I 1 (400); Häffer, JuS 1981, 263; Loewenheim/Winckler, JuS 1984, 117ff. Wilburg, 25 ff; v. Caemmerer, 229 ff.
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III. Kapitel: Bereicherung „in sonstiger Weise"
Sinne dar, daß sie an die Stelle einer dem Gläubiger zustehenden Substanz, einer Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeit tritt, die sich der Schuldner zunutze gemacht oder die sich sonst in seinem Vermögen niedergeschlagen hat. Das Kernproblem der Zuweisungstheorie besteht in der Beantwortung der Frage nach der Abgrenzung der Rechte mit Zuweisungsgehalt und insbesondere nach der Reichweite der Zuweisung. Zu lösen ist diese Frage durch Auslegung der Normen, die als Quelle subjektiver Rechte in Betracht kommen. Zu prüfen ist, ob die Rechtsordnung die Rechtsmacht, die zugunsten des Beklagten eingesetzt worden ist, gerade dem Kläger vorbehalten hat. In der weit überwiegenden Zahl der Fälle kommt es in diesem Zusammenhang, wie schon angedeutet, darauf an, ob demjenigen, der den Anspruch geltend macht, das Rechtsschutzmonopol zusteht, ob er mit anderen Worten imstande gewesen wäre, den Erwerb des Beklagten durch seine Einwilligung zu legitimieren. Ausnahmsweise, so im Fall des § 904 Satz 2, ist entscheidend, ob die gegebene Vermögensverteilung trotz Rechtmäßigkeit des „Eingriffs" von Rechts wegen mißbilligt wird. Hervorzuheben ist, daß das Bereicherungsrecht die kondiktionsbegründende Zuweisung nicht selbst schafft, sondern voraussetzt 19 . Unter den Vertretern der Zuweisungstheorie gibt es zahlreiche unterschiedliche Ansichten im Detail. Grundsätzlichere Bedeutung haben Fortentwicklungen des Ansatzes durch Lieb und Reuter/Martinek. Nach Lieb20 soll es - allerdings ohne nähere Begründung - darauf ankommen, ob der Gläubiger in der Möglichkeit beeinträchtigt wurde, entgeltlich über die vom Schuldner in Anspruch genommene Befugnis zu verfügen. U . E . liegt darin kein Fortschritt. Jeden Unterlassungsanspruch kann man sich „abkaufen" lassen 21 . Wichtiger ist aber ein anderer Gesichtspunkt. Die Gleichsetzung des Anspruchsgrundes mit der Beeinträchtigung entgeltlicher Verfügungsmöglichkeit enthält schon eine Vorprogrammierung des Anspruchsinhalts, die speziellere, vor allem in § 8 1 8 fixierte Anordnungen des Gesetzes von vornherein in den Hintergrund drängt 22 . Derselbe Einwand ist auch gegen die Auffassung von Reuter/Martinek2* geltend zu machen. Nach dieser Auffassung ist die Eingriffskondiktion „quasideliktischer" Natur; ihre Grundlage sei in der Rechtswidrigkeit des Eingriffs in ein mit Zuweisungsgehalt ausgestattetes Recht zu sehen. Es liegt auf der Hand, daß ein Teil der gegen die Rechtswidrigkeitstheorie 19 20
21 22 23
Dazu etwa Erman/H. P. Westermann, § 812 Rdn. 66. MünchKomm-Ii'e^, §812 Rdn. 208f; ähnlich Esser/Weyers, §50 I 1 (400ff): Zuweisungsgehalt als Verwertungsmonopol. Vgl. zum Fall unberechtigter Untervermietung unten S. 84. Als Vorteil bewerten dies Reuter/Martinek, 260. S. 245 f; vgl. auch Haines, 57 ff sowie Vorauflage, 86.
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geltend gemachten Einwände auch gegen diese Fassung des Anspruchsgrundes durchgreifen. Die von Reuter/Martinek mit Recht betonte N o t wendigkeit, den bösgläubigen Usurpanten fremden Gutes schlechter als den gutgläubigen Beklagten zu behandeln, sollte im Interesse eines möglichst klaren und vom BGB auch verwirklichten Tatbestandsaufbaus besser als Variation des Anspruchsinhaltes aufgefaßt werden 24 . O b etwas „auf Kosten" des Beeinträchtigten erlangt wurde, richtet sich nach Vorhandensein und U m f a n g eines Rechtes mit Zuweisungsgehalt. Davon ist die Frage zu unterscheiden, was der Anspruchsgegner erlangt hat bzw. w o r u m er bereichert ist. Denn auf Kriterien wie Schaden oder Vermögensverschiebung k o m m t es in diesem Zusammenhang nicht an. An anderer Stelle führen die genannten Autoren ein ergänzendes Kriterium ein 25 . Dieses soll in der Marktfähigkeit der verletzten Rechtsposition, in der Möglichkeit ihrer Verwertung gegen Entgelt bestehen. Es liegt auf der H a n d , daß damit gegenüber dem schon kritisierten Hauptkriterium von Lieb nichts Zusätzliches ausgesagt wird, wenn man die Marktfähigkeit wie bei Reuter/Martinek mit der Ausgestaltung der infragestehenden Rechtsposition in Verbindung bringt 26 . Lieb selbst betont allerdings ausdrücklich, es k o m m e in manchen Fällen nicht auf die Rechtsordnung, sondern auf die Entwicklung von Nachfrage auf dem Markt an. Das ist nachdrücklich abzulehnen. Denn der Eingriff allein indiziert das Vorhandensein einer Nachfrage. Im übrigen läuft die These darauf hinaus, daß entweder bloße Faktizität oder § 812 als rechtliche Begründung der Zuweisung herhalten müssen. Beides ist ausgeschlossen. b) Die Zuweisungstheorie ist mit verschiedenen Argumenten kritisiert worden 2 7 . Ein erster Einwand knüpft daran an, daß die Zuweisungstheorie zwischen Rechten mit Zuweisungsgehalt und ohne einen solchen 28 unterscheiden müsse. Wenn es überhaupt Rechte mit Zuweisungsgehalt gebe, so hätten alle Rechte einen solchen. Denn die gegenteilige Behauptung laufe darauf hinaus, „daß die Rechtsordnung einem Privaten ein Recht nicht z u m Schutz seiner Interessen, sondern nur zu dem Zweck verleihen könne, daß er andere in ihrem Verhalten beschränke" 29 . Richtig ist zu24 25 26 27 28 29
Dazu unten S. 148 ff. 256 f; kritisch Schlechtriem, ZHR 149, 332. MünchKomm-Liei», §812 Rdn. 219; Reuter/Martinek, 256f im Anschluß an Hüffer, JuS 1981, 265. Vgl. Jakobs, 23 ff; Batsch, 71 ff, Kellmann, 90 ff; Kleinbeyer, JZ 1970, 472 f; Haines, 68 ff; Wilhelm, 88 ff; Reeb, 35 f; besonders ausführlich Wolf, 51 ff. Bloße Ausschlußrechte; vgl. Raiser, JZ 1961, 468. Wilhelm, 95; vgl. auch Haines, 73 ff.
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III. Kapitel: Bereicherung „in sonstiger Weise"
nächst die Prämisse dieses Arguments, ferner auch, daß die Einräumung eines Rechts generell als Zuweisung aufgefaßt werden kann. Verkannt wird aber, daß die bloße Möglichkeit, einem anderen etwas zu verbieten, zwar etwas über die Interessen des Unterlassungsberechtigten, aber nichts darüber aussagt, ob diese Interessen gerade im Hinblick auf die exklusive Zuordnung einer Substanz, einer Nutzungs- oder Verwertungsmöglichkeit geschützt sind. Bei manchen Unterlassungsansprüchen, namentlich solchen auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage, ist dies, wie schon gezeigt wurde, gerade nicht der Fall. Abgesehen davon gibt es Unterlassungsansprüche, z. B. den des nicht berechtigten Besitzers gegen verbotene Eigenmacht, deren Grund weniger in den Interessen des Unterlassungsberechtigten, sondern in der Erhaltung des Rechtsfriedens zu suchen ist. Zum zweiten - so sagt man - sei es fehlerhaft, Zustände, überhaupt Erfolge von Handlungen als rechtmäßig oder rechtswidrig zu bezeichnen. Es gebe kein rechtswidriges Eigentum, sondern nur rechtswidrige Handlungen30. Eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dieser der Imperativentheorie Kelsens verwandten Auffassung ist hier nicht möglich. Hervorgehoben sei lediglich, daß die unbezweifelbare Orientierung der Rechtsnorm auf menschliches Verhalten es keineswegs ausschließt, einen Zustand als „rechtswidrig" zu kennzeichnen, sofern damit die Anordnung gekoppelt wird, daß dieser Zustand zu beseitigen sei. Bereicherungsrechtlich gesehen bleibt allerdings zu berücksichtigen, daß das „Haben" des Kondiktionsschuldners sinnvollerweise nur insofern als „rechtswidrig" etikettiert werden kann, als es das „Haben" des Berechtigten verhindert. Damit wird eine Norm vorausgesetzt, die diesem ein Recht auf solches „Haben" einräumt. In Wahrheit ist es jedoch nur eine rechtstechnische Frage, ob Unterlassungspflichten als solche normiert oder indirekt dadurch zum Ausdruck gebracht werden, daß einem Rechtssubjekt bestimmte Befugnisse zugewiesen werden. Solches Verfahren, dessen sich das BGB charakteristischer Weise zum Beispiel bei der Umschreibung des Eigentums (§903) bedient, hat den Vorzug, daß es das teleologische Fundament korrespondierender Unterlassungspflichten zum Ausdruck bringt31. Drittens wird der Zuweisungstheorie vorgeworfen, daß unter ihren Vertretern sowohl hinsichtlich der Rechtsfolgen (teilweise wird die Bereicherungsschuld mit dem objektiven Wert der jeweiligen Inanspruchnahme fremden Rechtsguts, teilweise mit dem „Eingriffsgewinn" identifiziert) als auch hinsichtlich der Abgrenzung von Rechten mit Zuweisungsgehalt eine schier unübersehbare Meinungsvielfalt herrsche. Das sei insbesondere bei den Persönlichkeitsrechten, beim Recht „am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb", hinsichtlich des Rechts aus der Marke und 30
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Kellmann, 91 f in Anknüpfung an Fritz Schuh, dagegen z. B. Medicus, Rdn. 709. Im Ergebnis wie hierz. B. Medicus, Rdn. 709; Rümker, 33; vgl. auch Wilhelm, 78 ff.
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in Zusammenhang von Verstößen gegen das U W G der Fall 32 . Man hat deshalb den Zuweisungsgehalt als Leerformel, als Zauberwort bezeichnet, „mit dem sich alles und deshalb nichts begründen läßt" 33 . Einzuräumen ist, daß der Begriff des Zuweisungsgehalts zunächst nur eine Frage aufwirft, aber noch nicht die Antwort liefert. Dennoch ist die Kritik übertrieben. Denn es dürfte schon jetzt klar geworden sein, daß die Kriterien, mit deren Hilfe das Vorliegen eines Rechts mit Zuweisungsgehalt zu klären ist, aufgabenadäquat formuliert werden können. Die Rechtsfolgen der Eingriffskondiktion hängen nach hier vertretener Ansicht nicht entscheidend davon ab, f ü r welche Theorie man sich entscheidet. Das wird auch daran deutlich, daß hinsichtlich dieser Frage nicht nur unter den Vertretern der Zuweisungs-, sondern auch jenen der Rechtswidrigkeitstheorie Uneinigkeit herrscht. c) Das mögliche Spektrum der Eingriffskondiktion ist groß 34 . Die folgenden Erörterungen fassen die wichtigsten Ergebnisse und Problemfelder der bisherigen Diskussion zusammen. Rechte mit Zuweisungsgehalt und daher kondiktionsbewehrt sind zunächst - und das ist unstrittig - das Eigentum sowie beschränkt dingliche Rechte 35 . Dasselbe gilt z. B. auch f ü r das dingliche Anwartschaftsrecht 3 6 . Schwierigkeiten wirft ganz gelegentlich die Frage auf, wie weit die jeweils verletzte Befugnis reicht. So hatte der B G H ( B G H W M 1981, 129) zu entscheiden, ob der Inhaber einer Salzabbaugerechtigkeit die beim Salzabbau entstandenen Kavernen zur Untergrundspeicherung von Rohöl benutzen dürfe. Die Frage wurde mit dem Argument verneint, daß eine solche N u t z u n g nicht durch die Abbauberechtigung gedeckt sei und deshalb in das dem Kläger „grundsätzlich umfassend zugeordnete Grundeigentum" eingegriffen worden sei. Problematisch ist z. B. auch, ob dem Eigentümer einer Sache Bereicherungsansprüche gegen den Fotographen derselben zustehen können. D o c h sprechen die besseren Gründe dafür, die Frage zu verneinen 37 . Bereicherungsansprüche wegen Eingriff in kon32 33 34 35
36 37
Ausführliche Nachweise bei Haines, 85 f. Jakobs, 104; ähnlich Kleinheyer, JZ 1970, 472 f. Ubersicht bei Reuter/Martinek, 263 ff; ausführlich auch Schlechtriem, Symposium König (1984) 63 ff. Zur „Zuordnung" von elektrischem Strom Martinek, JuS 1985, 596 im Anschluß an LG Aachen, NJW 1984, 2421 und KG NJW 1984,1714. Eine interessante Frage der Verletzung einer Auflassungsvormerkung - Zahlung einer Feuerversicherungssumme an einen nachrangigen Grundschuldgläubiger - diskutiert BGH ZIP 1987, 435. Dazu nur Reuter/Martinek, 248 f. Ausführlich LG Freiburg, GRUR 1985, 544; Esser/Weyers, §50 I 1 (S. 401) mwN; unentschieden BGHZ 44, 293, BGH NJW 1975, 778.
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kursgebundenes Eigentum gehören zur Konkursmasse. Sie können sich z. B. bei Weiterbenutzung einer Wohnung durch den GemeinschuldnerEigentümer auch gegen diesen selbst richten38. ßeizizstörungen kommen nur dann als Grundlage der Eingriffskondiktion in Betracht, wenn dem Kläger ein Besitzrecht zusteht39. Denn der bloße Sachbesitz vermittelt zwar Unterlassungsansprüche zum Zwecke der Erhaltung des Rechtsfriedens; ihm wohnt aber keine Zuordnungsfunktion inne. Bei zumindest fahrlässiger Beeinträchtigung von Immaterialgüterrechten läßt die Rechtsprechung immer noch die Wahl zwischen drei Arten der Schadensberechnung zu 40 . Die Schadensermittlung auf der Grundlage der angemessenen Lizenzgebühr, erst recht des Verletzergewinns ist unhaltbar41. Dogmengeschichtlich kann man die Haltung der Rechtsprechung allerdings als ein Surrogat für den (zunächst) abgelehnten Bereicherungsanspruch ansehen42. Bei schuldlosem Eingriff stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit der Eingriffskondiktion aber auch dann, wenn man die dreifache Schadensberechnungsmethode billigt. Sie wird für Urheber-, Patent- und Gebrauchsmusterrechte im Einklang mit der ganz herrschenden Meinung heute auch von der Judikatur bejaht43. Für alle diese Rechte läßt es sich in der Tat nicht leugnen, daß ihre gewerbliche Nutzung allein dem Schutzrechtsinhaber zusteht44. Weniger klar ist die Rechtslage im Hinblick auf Warenzeichenrechte. Der BGH hält auch hier die dreifache Schadensberechnung für zulässig (BGHZ 44, 372), hat Bereicherungsansprüche aber erst ganz zuletzt zugebilligt (BGHZ 99, 244). Nach Teilen der Literatur liegt ein bloßes Ausschlußrecht ohne Zuweisungsgehalt vor45. Dem wird von der jetzt wohl schon herrschenden Meinung46 aber 38 39
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OLG Düsseldorf, KTS 1984, 135. Reuter/Martinek, 250 mwN; Baur, 75; monographisch Kurz, Der Besitz als möglicher Gegenstand der Eingriffskondiktion (1969). Konkret entstandener Schaden; Lizenzgebühren als Ausgleich für die Benutzung des fremden Rechts; Verletzergewinn. Grundlegend RGZ 35, 63, ferner etwa BGHZ 34, 320; BGHZ 44, 372; vgl. auch BGHZ 82, 310. Vgl. z. B. Haines, 4 Ii; Jakobs, 81 ff; Kellmann, 17 ff; Sack, FS Hubmann (1985) 388 ff mwN. Reuter/Martinek, 252. BGHZ 68, 90; BGHZ 77, 16; BGHZ 82, 299 und 310, vgl. MünchKomm-Liei, §812 Rdn. 211; Sack, FS Hubmann (1985) 375 ff, beide mwN; für Urheberrechte schon RGZ 90, 137; RGZ 121, 258 und jetzt §97 III UrhG. So BGHZ 68, 90 (99). Vgl. z. B. Esser, 365 im Anschluß an Mestmäcker, JZ 1958, 526. Z.B. Reuter/Martinek, 277; Staudinger/Lorenz, §812 Rdn. 42; Erman/ H.P. Westermann, §812 Rdn. 69; MünchKomm-£jeZ>, §812 Rdn. 212 mwN.
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mit Recht entgegengehalten, daß auch das Warenzeichenrecht dem Inhaber eine Reihe von anderen unzugänglichen Befugnissen vermittle, die wenn auch nur mit obligatorischer Wirkung - auch übertragbar seien. Hinsichtlich des Zuweisungsgehalts von UWG-Positionen sollte trotz der Kritik von Reuter/Martinek und Lieb47 danach gefragt werden, ob die jeweils verletzte Norm individualschutzbezogene Zwecke verfolgt und dem Begünstigten ein Rechtsschutzmonopol verschafft. Demnach genießen die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des § 17 U W G und die in § 1 8 U W G angesprochenen Vorlagen, was im Ergebnis auch überwiegend anerkannt ist, bereicherungsrechtlichen Schutz 48 . Dasselbe gilt darüberhinaus zumindest auch bei Verstößen gegen das aus § 1 U W G abzuleitende Verbot unmittelbarer Leistungsübernahme bzw. sklavischer Nachahmung 49 . Der B G H hat in solchen Fällen in der Tat einen Anspruch auf „angemessene Lizenzgebühr" eingeräumt 50 , allerdings auf auch hier brüchiger schadensersatzrechtlicher Grundlage 51 . Wer die neue Rechtsprechung des B G H zur sittenwidrigen Rufausbeutung 52 billigt, wird auch in solchen Fällen einen Bereicherungsanspruch zu bejahen haben. Denn diese Rechtsprechung gibt den Inhabern bekannter Zeichen im Ergebnis einen gegen jedermann wirkenden Unterlassungsanspruch mit individualbegünstigender Zielsetzung. Dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb hat der B G H 5 3 Zuweisungsgehalt abgesprochen. Dem Verletzten sei nicht ein bestimmter Tätigkeitsbereich mit festen Chancen und Erwerbserwartungen wie ein absolutes Recht zugewiesen. Jeder Gewerbetreibende habe vielmehr dasselbe Recht der gewinnbringenden Tätigkeit. Für den entschiedenen Fall - eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung - ist dem in
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Reuter/Martinek, 279 f; MünchKomm-Ziei, §812 Rdn. 216; zum Problem etwa auch Schlechtriem, Symposium König (1984) 72 f. Zur praktisch bedeutsamen, u. E. zu verneinenden Frage, ob dem Erstanmelder eines chemischen Präparates Bereicherungsansprüche gegen den Zweitanmelder zustehen, wenn die Zulassungsbehörde zu seinen Gunsten kostspielige Prüfungsergebnisse des Ersten verwendet, vgl. LG Köln, NJW 1985, 2652 einerseits; Weitnauer, DB 1984, 2498 f andererseits. Vgl. Erman/H.P. Westermann, §812 Rdn. 88; zurückhaltender Reuter/Martinek, 281; praktisch am wichtigsten in diesem Zusammenhang sind gegenwärtig wohl Computerprogramme. BGHZ 57, 116; BGHZ 60, 168. Vgl. Haines, NJW 1972, 482 f. Vgl. z. B. BGH GRUR 1983, 247 und GRUR 1985, 876; dazu z. B. Kroitzsch, GRUR 1986, 579. BGHZ 71, 86 (98).
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der Tat zu folgen 54 . Denn sie ist in der Tat nicht geeignet, gerade einen dem Adressaten vorbehaltenen Tätigkeitsbereich zu beeinträchtigen. Im übrigen ist aber, wie Reuter/Martinek (S. 270) mit Recht betonen, nach der Beschaffenheit der als Element des Rechtes am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützten Einzelposition zu fragen. Richtigkeit der Rechtsprechung zum Schutz berühmter Marken nach § 823 I unterstellt 55 , wäre es z. B. konsequent, in Verletzungsfällen auch einen Bereicherungsanspruch zu gewähren. Denn dieser Schutz wirkt gegenüber jedermann, und nur der Rechtsinhaber ist imstande, einen Eingriff zu legitimieren. Entgegen älteren Ansichten 56 kann heute nicht mehr davon ausgegangen werden, das allgemeine Persönlichkeitsrecht, genauer: die aus ihm abgeleiteten Befugnisse, hätten grundsätzlich keinen Zuweisungsgehalt 57 . Es ist nämlich nicht einzusehen, warum die Eingriffskondiktion auf Rechte mit vermögensrechtlicher Finalität beschränkt werden sollte. Auch die Rechte an der eigenen Intimsphäre und an der eigenen Ehre lassen sich unter Billigung der Rechtsordnung lukrativ verwerten; es ist m. a. W. faktisch möglich und rechtlich zulässig, wenn der Inhaber bei seinen Dispositionen auch den Preis berücksichtigt, den er f ü r die Duldung eines Eingriffs bekommt. Unter diesen Umständen liefe es auf eine durch nichts zu rechtfertigende Privilegierung des Eingreifers hinaus, wenn ihm unter Berufung auf die hohe ethische Bedeutung des verletzten Rechts die Herausgabe der Bereicherung erspart bliebe. In Ubereinstimm u n g mit diesen Überlegungen hat der B G H bei Verletzung des Rechtes am eigenen Bild 58 und bei Eingriffen in das Namensrecht 5 9 Bereicherungsansprüche bejaht. Als weitere kondiktionsbewehrte Positionen zeichnen sich das Firmenrecht, das Recht auf Geheimhaltung des gesprochenen Wortes, an privaten Briefen und Tagebüchern ab 60 . Die vorstehende Ubersicht verdeutlicht, daß die Frage der Abgrenzung der Rechte mit Zuweisungsgehalt nicht ein f ü r allemal beantwortbar ist. Das liegt daran, daß im Zuge der Rechtsentwicklung aus Verhaltensnormen „Verwertungsmonopole" werden können - wie dies z. B. beim wett54 55 56 57
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Anders Vorauflage, 98; zur Bedeutung von § 852 III im gegebenen Zusammenhang BGH, aaO, Reuter/Martinek, 739. Dazu Baumbach/Hefermehl, §16 Rdn. 61. Esser, 365; Mestmäcker, JZ 1958, 525; Raiser, JZ 1961, 471. MünchKomm-Lie6, §812 Rdn. 218 f; Erman/H. P. Westermann, §812 Rdn. 69; Reuter/Martinek, 266ff; Rümker, 59; Schlechtriem, FS Hefermehl (1976) 446; Haines, 105 ff; Kellmann, 114; Kleinheyer, JZ 1970, 473. Vgl. BGHZ 20, 345; BGH WM 1979, 1004. BGHZ 81, 75. Schlechtriem, aaO, 450 ff; Reuter/Martinek, 268.
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bewerbsrechtlichen Schutz gegen sklavische Nachahmung der Fall war. Auch die umgekehrte Entwicklung ist denkbar. Rechtspolitisch geht es um die delikate Abwägung zwischen allgemeiner Handlungsfreiheit und der Ausdehnung des Rechtsgüterschutzes, jedenfalls aber um Entscheidungen, die außerhalb des Bereicherungsrechts fallen 61 . Auch relative Rechte können mit Zuweisungsgehalt ausgestattet sein. In § 816 II bringt das Gesetz selbst dies zum Ausdruck. Mieter oder Pächter sollten auch bereicherungsrechtlich gegen Eingriffe Dritter geschützt werden. Denn sie sind in solchen Fällen die eigentlich Betroffenen 62 . In Fällen der Pfändung und Überweisung schuldnerfremder Forderungen steht dem wahren Berechtigten die Eingriffskondiktion gegen den Vollstreckungsgläubiger zu 63 . In dem in B G H N J W 1967, 622 entschiedenen Fall hatte sich ein Grundstückseigentümer seinem Nachbarn gegenüber zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit verpflichtet, das Grundstück jedoch verkauft, bevor es zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit kam. Der Nachbar verlangte die Herausgabe des Mehrerlöses, den der Beklagte infolge der Lastenfreiheit des Grundstücks erzielt hatte. Der B G H wies die auf § 812 gestützte Klage zwar ab, aber nur, weil es an einer unmittelbaren Vermögensverschiebung fehle. In R G Z 135, 94 64 stand dem Kläger als Pächter eine Kohlenabbaugerechtigkeit bis zur ewigen Taufe zu. Ein Flöz, der so tief lag, daß er nur vom Nachbarwerk aus zugänglich war, wurde von diesem her abgebaut. Die Klägerin drang mit einem auf Erstattung des Wertes der Ausbeute gerichteten Bereicherungsanspruch durch 6 5 . Beide Entscheidungen erkennen damit zutreffend an, daß auch die Verletzung relativer Rechte zur Eingriffskondiktion führen kann. e) Kein Ausnutzen einer fremden Befugnis liegt vor, wenn der Betroffene die in Frage stehende Handlung wegen Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit selbst nicht hätte vornehmen dürfen 6 6 . So liegt es zum Beispiel bei täuschender Verwendung eines fremden Warenzeichens. Bereicherungsansprüche wegen Verletzung fremder Persönlichkeitsrechte können daran scheitern, daß ihre Kommerzialisierung durch den Inhaber als sittenwi61 62 63 64 65 66
Vgl. Joerges, 66 ff und Schlechtriem, Symposium König, 115 f; ders., ZHR 149, 332. Praktische Erwägungen dazu bei Kellmann, 89; vertiefend Kurz (wie Fn. 39), 42 ff. BGHZ 66, 150. Vgl. auch RG JW 1938, 30, 40. Vgl. vonCaemmerer, 235. Staudinger/Lorenz, Vor §812 Rdn. 36; Haines, 104, 106; "Wilhelm, 96; Kleinheyer, JZ 1970, 476; kritisch Sack, FS Hubmann (1985) 387f mwN beider Ansichten.
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III. Kapitel: Bereicherung „in sonstiger Weise"
drig zu beurteilen wäre67. Auch im Falle unberechtigter Untervermietung kann der Vermieter den Untermietzins nicht mit der Eingriffskondiktion liquidieren. Denn er hätte dem Untermieter in rechtlich einwandfreier Weise auch selbst nicht den Besitz der Mietsache verschaffen können68. Der Grund für den Ausschluß der Eingriffskondiktion in diesen Fällen liegt einerseits in der in §817 für die Leistungskondiktion enthaltenen Parallelwertung, andererseits darin, daß hier nicht behauptet werden kann, dem Inhaber des verletzten Rechts „gebühre" die Bereicherung, diese sei auf „seine Kosten" erlangt. Lieb69 begründet seine abweichende Ansicht damit, der Vermieter habe es in der Hand gehabt, dem Mieter die Weitervermietung - meist gegen Zahlung eines höheren Entgelts - zu gestatten. Diese Begründung hängt mit der vorausgesetzten, schon kritisierten Auffassung zum Anspruchsgrund zusammen und ist wie diese abzulehnen. 5. Unerhebliche Kriterien a) Die Eingriffskondiktion setzt keinen Schaden, ja nicht einmal eine Vermögensbeeinträchtigung des Beeinträchtigten voraus. Das ist heute im wesentlichen unstreitig. Schon in den Protokollen zum BGB findet sich die Bemerkung, das Merkmal „auf Kosten" umfasse auch diejenigen Fälle, in denen das Objekt der Bereicherung „ohne bereits in das Vermögen des Kondiktionsberechtigten übergegangen zu sein, doch den Vermögensstand desselben berühre"70. Gerade diese seine Eignung war der Grund dafür, daß die zweite Kommission die ursprünglich vorgesehene Fassung „aus dem Vermögen" durch die Worte „auf Kosten" ersetzte. Von dieser Grundhaltung her ist es jedenfalls ausgeschlossen, die Bereicherungshaftung mit dem zu begründen, was der Kläger konkret verloren hat. So gibt es denn auch zahlreiche Fälle anerkannter und restitutionspflichtiger Bereicherung, obwohl der Kläger - wirtschaftlich gesehen - keine Einbuße erlitten, mitunter sogar einen Vorteil erzielt hat. Hierher gehört etwa der Fall, „daß die unbefugte Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Werkes durch Radio, Fernsehen oder Film die weitere gewerbliche Auswertung erst ermöglicht oder doch begünstigt"71. Mit Recht betont Esser 67 68
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Dazu Reuter/ Martinek, 267. Im Ergebnis zutreffend BGH NJW 1964, 1853; vgl. auch Esser/Weyers, § 50 11 (S. 402f); Reuter/Martinek, 310f; Söllner, JuS 1967, 449f, alle mwN. MünchKomm-Li'e/», §812 Rdn. 220 ff; ebenso im Ergebnis wohl auch Erman/ H. P. Westermann, § 812 Rdn. 71. BGH WM 1981, 129 betrifft einen nur oberflächlich ähnlichen Sachverhalt (Einlagerung von Rohöl durch den Inhaber einer Salzabbaugerechtigkeit). Mugdan II, 1171. Mestmäcker, JZ 1958, 521.
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(S. 363), es sei allein auf die Situation desjenigen abzustellen, dessen Vermögen mit fremden Mitteln gemehrt worden ist. „Die Bereicherungshaftung ist eben im Gegensatz zur Schadensersatzhaftung keine Ausgleichshaftung in dem Sinne, daß eine Vermögensminderung kompensiert werden soll. Wir haben es mit Bereicherungs- und nicht mit Entreicherungsrecht zu tun". Der Stand der Rechtsprechung zu der hier erörterten Frage ist nicht völlig eindeutig. Bald betont der BGH, der Bereicherungsanspruch solle nicht wie ein Schadensersatzanspruch „eine Verminderung im Vermögen des Benachteiligten, sondern einen grundlosen Zuwachs im Vermögen des Bereicherten ausgleichen", Schadenshöhe und Umfang der Bereicherung brauchten sich daher nicht zu decken72. Dementsprechend ist etwa in dem die Verletzung eines Gebrauchsmusterrechts betreffenden Urteil BGHZ 82, 299 mit keinem Wort davon die Rede, was der Kläger konkret eingebüßt hat. Andererseits wird die Stattgebung der Klage in den Nutzungsfällen bis in die neueste Zeit hinein damit begründet, der Beklagte habe sich eine Nutzungsentschädigung erspart und damit zugleich dem Kläger entzogenn. Und in BGHZ 26, 349 heißt es, ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung habe auszuscheiden, weil der Kläger eine vermögensrechtliche Benachteiligung nicht erfahren habe und demzufolge auch eine Vermögensverschiebung als Voraussetzung der in §§ 812 ff BGB normierten Ansprüche nicht gegeben sei. Möglicherweise kann allerdings angenommen werden, daß diese Formulierungen durch die neuere Entwicklung der Judikatur überholt sind74. b) Wenn die Eingriffskondiktion keine Vermögensbeeinträchtigung des Anspruchsinhabers voraussetzt, so kann es offenbar auch nicht darauf ankommen, ob eine Vermögensverschiebung vorliegt. Für die Leistungskondiktion wird dies im großen und ganzen auch nicht mehr bestritten 75 . Auch für die Eingriffskondiktion kann nichts anderes gelten76. Dogmengeschichtlich geht die Vermögensverschiebungstheorie auf Gedanken zurück, die mit der strikten Unterscheidung zwischen Leistungs- und Eingriffskondiktionen sowie mit der Entwicklung der Zuweisungstheorie
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Vgl. BGH NJW 1968, 197; ähnliche Formulierungen etwa in BGHZ 17, 236 (239); BGHZ 36, 232 (233). Vgl. BGH WM 1981, 129 in Anknüpfung an RGZ 97, 310; BGHZ 20, 270. Zur Relevanz des Ersparnisgedankens bei der Ermittlung des Umfangs der Bereicherung unten S. 162 ff. Dazu oben S. 16 ff. Ausführlich Reuter/Martinek, 237ff mwN; anders noch heute z.B. Larenz, §68 II (S. 535); vgl. auch MünchKomm-L/et, §812 Rdn. 15. Die Rechtsprechung ist uneinheitlich. Noch BGHZ 68, 276 stellt auf eine Vermögensverschiebung ab, während BGHZ 82, 299 auf eine solche offenbar verzichtet; anders wiederum BGHZ 94, 160 (165).
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überflüssig geworden sind 77 . In ihrem Anliegen, die Parteien des Kondiktionsverhältnisses zu bestimmen, wird sie durch den modernen Leistungsbegriff einerseits, die Lehre vom Zuweisungsgehalt andererseits ersetzt 78 . Abgesehen davon läßt sich die Vermögensverschiebungstheorie auch gar nicht durchhalten. In vielen Fällen der Eingriffskondiktion „erlangt" der Bereicherte nichts, was vorher Bestandteil des Vermögens des Beeinträchtigten gewesen wäre. Das ist beispielsweise beim Gebrauch einer fremden Sache der Fall. Es führt nicht weiter, darauf abzustellen, daß jedenfalls die faktische Gebrauchsmöglichkeit Vermögensbestandteil des Rechtsinhabers war. Denn diese Möglichkeit kann mangels irgendeiner rechtlichen Zuordnung nicht als zum Vermögen des Bereicherten gehörig anerkannt werden. Andernfalls müßte der Passant, der zufällig in der Nähe eines Obstbaumes oder eines unabgeschlossenen Fahrrads vorbeikommt, als „bereichert" angesehen werden79. Auch andere Versuche, das, was der Bereicherte erlangt hat, in irgendeiner Weise als aus dem Vermögen des Klägers stammend nachzuweisen, sind, wie insbesondere Haines (S. 35 ff) überzeugend nachgewiesen hat, gescheitert. Zwar hat sich Wilhelm in Anknüpfung an Savigny auf breiter Basis um eine Wiederbelebung dieses Gedankens bemüht. Indem er aber zugibt, daß das Erfordernis der Bereicherung aus dem Vermögen eines anderen „bei vorsichtig ausdehnender Auslegung im Einzelfall (!) auch durch eine Bereicherung mittels fremden Vermögens erfüllt sein kann" (S. 56), enthüllt er selbst die Wertlosigkeit des Vermögensverschiebungsdenkens. c) Die Frage nach der Notwendigkeit einer Vermögensverschiebung wird meistens im Zusammenhang damit behandelt, ob diese „unmittelbar" sein müsse. So ist die Frage, wie wir inzwischen wissen, sicher falsch gestellt. Faßt man das Unmittelbarkeitskriterium aber so, daß es die Einheitlichkeit des Beeinträchtigung und Bereicherung begründenden Vorgangs bezeichnet 80 , so löst man es in Wahrheit von dem Erfordernis einer Vermögensverschiebung einschließlich der diesem Pseudomerkmal anhaftenden Mängel. Indes hat Haines81 gezeigt, daß das Unmittelbarkeitskriterium auch in dieser Umschreibung die ihm zugedachten Aufgaben nicht lösen kann, jedenfalls aber überflüssig ist. Diese Aufgaben sind zweifacher Art. Einmal geht es darum, Dritte, in
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Wer diese Entwicklung ablehnt, wird daher auf der Notwendigkeit einer Vermögensverschiebung erneut insistieren müssen. So in der Tat Wolf, namentlich 154 ff. Dazu BGHZ 82, 299 (306). Haines, 40 f; ebenso BGHZ 82, 299 (306); zu Unrecht kritisch MünchKommLieb, §812 Rdn. 302; vgl. unten S. 118. Nachweise bei Haines, 44. S. 45, gleichsinnig etwa Erman/H. P. Westermann, § 812 Rdn. 64 f; Hüffer, JuS 1981, 264.
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deren Vermögen sich der ungerechtfertigt erlangte Vorteil durch Rechtsgeschäft infolge Verwendung des ursprünglich Bereicherten oder auf andere Weise „verlagert" hat, dagegen zu schützen, daß sie von dem ursprünglich Berechtigten in Anspruch genommen werden. Daß solcher Schutz grundsätzlich notwendig ist, ergibt sich aus der Ablehnung der gemeinrechtlichen Versionsklage durch das B G B . Indessen bedarf es zu dessen Realisierung des Kriteriums „Unmittelbarkeit" keineswegs. Ist einmal ein Bereicherungsanspruch entstanden, so ergibt sich schon aus den § § 8 2 2 , 816 I, 2. Satz, daß nicht unter diese Bestimmung fallende „Verlagerungsvorgänge" dem alten keine neuen Bereicherungsschuldner an die Seite stellen 82 . Eine Ausnahme von dem damit umschriebenen Prinzip ist hier allerdings zu erwähnen und zu erklären. Der Dieb, der gestohlenes Baumaterial in das Haus eines Dritten einbaut, war neben der Vindikation auch der Kondiktion des Eigentümers ausgesetzt 83 . Dennoch ist fast unstreitig, daß die Kondiktion auch gegen den Hauseigentümer durchgreift. Der Grund dafür liegt darin, daß dieser bei einem Erwerb außerhalb der §§ 946 ff wegen § 935 auch der Vindikation ausgesetzt gewesen wäre. Unter den Voraussetzungen des § 935 bewertet das Gesetz die Interessen desjenigen, der sein Eigentum verloren hat, eben höher als die auch des gutgläubigen Empfängers 84 . Dieselben verkehrsschutzorientierten Zielsetzungen, die den Gutglaubensvorschriften der §§ 932 ff zugrunde liegen, tragen auch die Ablehnung der Versionsklage. Jedenfalls wäre es nicht plausibel, das zuletzt genannte Prinzip auch dort noch aufrechtzuerhalten, wo Gutglaubensschutz versagt. Insofern läßt sich die im § 935 angelegte Wertung als eine Erweiterung der im Bereicherungsrecht selbst (§§ 816 I, 2. Satz, 822) vorgesehenen Fälle des „Durchgriffs" auf Drittbereicherte deuten. Auch hier ist es also überflüssig, ja sogar irreführend zu sagen, der Hauseigentümer hafte deshalb, weil Erwerb und Verlust des Eigentums sich uno actu, also unmittelbar realisiert hätten. Das zweite der mit dem Unmittelbarkeitserfordernis angeblich lösbaren Probleme bezieht sich auf alle Fälle, in denen eine ungerechtfertigte 82
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Mit Hilfe dieser Überlegung wäre auch der Fall BGHZ 68, 276 zu entscheiden gewesen. Die Berufung des Gerichts auf (fehlende) Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung zwischen dem (zuviel zahlenden) Ersteher eines Grundstücks in der Zwangsversteigerung und dem letztrangig befriedigten Grundpfandgläubiger war überflüssig. Neue Überlegungen zum „Durchgriff" im Bereicherungsrecht, vor allem in der Dreierbeziehung zwischen Subunternehmer, Generalunternehmer und Bauherrn bei Hager, Symposium König (1984) 163 ff. Vgl. BGHZ 55, 176. Diese Argumentation ablehnend Schlechtriem, Symposium König (1984) 70; vgl. auch Reuter/Martinek, 296 f; gegen sie mit Recht Weitnauer, DB 1984, 2499.
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III. Kapitel: Bereicherung „in sonstiger Weise"
Bereicherung auch Dritte, beispielsweise Angehörige oder Gläubiger des Bereicherten, begünstigt. Indessen tritt die „Bereicherung" solcher Dritter unter Umständen ebenso „unmittelbar" ein wie die des Primärbegünstigten selbst. Der gleichwohl erforderliche Ausschluß der Kondiktion gegen nur reflexartig begünstigte Dritte rechtfertigt sich unseres Erachtens aus der einfachen Erwägung, daß es an einem sachlichen Grund dafür fehlt, dem Gläubiger den Zugriff auf andere als den Primärbegünstigten zu eröffnen und ihm damit zusätzliche Schuldner an die Hand zu geben. Positivrechtlich läßt sich dasselbe Ergebnis auch aus § 822 herleiten: „Reflexbereicherung" setzt eine „Primärbereicherung" faktisch voraus; wo diese vorliegt, haftet aber nicht einmal der Beschenkte85. Insgesamt ist also festzuhalten, daß die Eingriffskondiktion weder von Vermögensverschiebung noch Unmittelbarkeit des Bereicherungsvorganges abhängt. II. Bereicherung „ohne rechtlichen Grund" bei der Eingriffskondiktion
1. Ausgangslage Nach herrschender Meinung bedeutet das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund" für die Eingriffskondiktion etwas prinzipiell anderes als für die Leistungskondiktion. Während für letztere Kondiktionsart die ältere Umschreibung jenes Merkmals als „Mangel der schuldrechtlichen Unterlage" der Bereicherung wohl überwiegend anerkannt würde, soll das Fehlen des rechtlichen Grundes im Rahmen der Eingriffskondiktion auf den Widerspruch der Bereicherung zur Güterordnung, auf ihre Unvereinbarkeit mit dem Zuweisungsgehalt eines Rechts beruhen. Oben wurde schon dargelegt, daß für diese Betrachtungsweise, die einen klaren Tatbestandsaufbau verhindert 86 und die Verbindungsstränge zwischen Eingriffs- und Leistungskondiktion überflüssigerweise zerschneidet, keine überzeugenden Gründe ersichtlich sind. Vielmehr geht es auch bei der Eingriffskondiktion darum, an Hand der Gesamtrechtsordnung, insbesondere der schuldrechtlichen Beziehungen zwischen Bereicherungskläger und -beklagten, zu prüfen, ob ein mittels Inanspruchnahme fremden Rechtsguts, d. h. „auf Kosten" eines anderen erlangter Vorteil sich nicht aus irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt zu Recht in den Händen des Bereicherten befindet. 85
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Esser, 380; vgl. aber B G H Z 94, 160 (165), wo diese Argumente nicht aufgenommen werden. Vgl. z. B. Larenz, § 68 II (S. 534), wo dasselbe Kriterium sowohl zur Ausfüllung des „auf Kosten" als auch des „ohne rechtlichen Grund" herangezogen wird.
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2. Schuldrechtliche Sonderverbindungen Als derartige Gesichtspunkte kommen zunächst - wie schon angedeutet schuldrechtliche Sonderverbindungen zwischen den Beteiligten in Betracht. a) Diese können so beschaffen sein, daß der Beeinträchtigte dem Bereicherten gegenüber verpflichtet war, das, was ihm durch „Eingriff" weggenommen wurde, zu leisten. Wenn A dem B eine Hauswand zu Reklamezwecken vermietet hat, sich dann aber weigert, dieser Verpflichtung nachzukommen, so ist B zwar „auf Kosten", aber nicht ungerechtfertigt bereichert, wenn er die Wand im Rahmen des vertraglich Zugesagten eigenmächtig nutzt. Ebenso liegt es, wenn jemand sich den Besitz an einer ihm verkauften Sache auf eigene Faust verschafft oder eine Erfindung, für die ihm eine Lizenz ab einem bestimmten Zeitpunkt versprochen wurde, ab dem Stichtag auch dann nutzt, wenn der Patentinhaber, ohne die Lizenz einzuräumen, vorher auf unbestimmte Zeit verreist ist. b) Eine die Bereicherung rechtfertigende schuldrechtliche „Unterlage" kann auch in der Form in Erscheinung treten, daß der Berechtigte dem „Eingriff" zustimmt. Tut er dies vor Inanspruchnahme seines Rechtsguts, wird freilich in aller Regel eine Leistung anzunehmen sein, die bei Mängeln der Einwilligung zur Leistungskondiktion führt. Hier kann es demzufolge nur um nachträgliche Zustimmung gehen. Auch sie beseitigt nicht den Tatbestand der Bereicherung „auf Kosten" eines anderen, legitimiert den Begünstigten aber unter Umständen zum Behaltendürfen der Bereicherung. Ob das der Fall ist, muß mittels Auslegung der Zustimmungserklärung geklärt werden. Häufig wird es so sein, daß derjenige, der sich nachträglich mit der Inanspruchnahme seines Rechtsguts einverstanden erklärt, damit gleichzeit kundtut, der Begünstigte solle die wirtschaftlichen Vorteile solcher Inanspruchnahme nicht abgelten müssen. So liegt es zum Beispiel, wenn ein Sohn während der Abwesenheit seines Vaters dessen Auto benutzt und der Vater sich hinterher auf die Ermahnung beschränkt, so etwas solle aber nicht wieder vorkommen. Anders dürfte die Rechtslage aber etwa in dem Fall sein, daß jemand den Wagen seines Nachbarn „ausleiht", um seine plötzlich erkrankte Frau in die Klinik zu schaffen. Angesichts solcher Umstände würden die meisten gegen die Benutzung des Wagens selbst nichts einzuwenden haben. Das impliziert aber keineswegs den Willen, dem Begünstigten auch den wirtschaftlichen Gegenwert der Benutzung zukommen zu lassen.
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III. Kapitel: Bereicherung „in sonstiger Weise"
3. Rechtsgrund kraft Gesetzes Ein rechtlicher Grund für das Behaltendürfen des ohne Willen des Beeinträchtigten Erlangten kann sich auch aus dem Gesetz selbst ergeben 87 . So ist immer dann, wenn ein Rechtsübergang kraft Gesetzes stattfindet, zu prüfen, ob die dadurch geschaffene Lage endgültig sein soll oder nicht88. Diese Frage wird ausdrücklich zum Beispiel für die §§946 ff und 973 (negativ) sowie § 910 (positiv) entschieden. Im Wege der Auslegung ergibt sich, daß derjenige, der sein Eigentum infolge Verfügung eines Nichtberechtigten und guten Glaubens des Verfügungsempfängers verliert, von diesem nicht kondizieren kann. Ebenso steht es zum Beispiel mit den vom gutgläubigen Eigenbesitzer gezogenen Früchten (§ 955), wobei allerdings die §§ 987 ff zu beachten sind. Die Zwangsvollstreckung ohne rechtswirksamen Titel oder in schuldnerfremde Sachen begründet keinen Bereicherungsanspruch gegen den Zuschlagsbegünstigten. Der Zuschlag ist als Behaltensgrund zu bewerten 89 . Dagegen kommen Ansprüche gegen den betreibenden Gläubiger in Betracht 90 und zwar auch seitens des Zwangsvollstreckungsschuldners, dessen Verbindlichkeit vor Auskehrung des Erlöses an den Gläubiger schon erloschen war. Entsprechende Grundsätze gelten auch im Konkurs. Dort zu Unrecht benachteiligte Gläubiger haben dennoch keine Ansprüche gegen Begünstigte, wenn eine (vom Konkursverwalter anerkannte) Forderung versehentlich nicht in das Schlußverzeichnis aufgenommen, dagegen aber keine Einwendungen erhoben worden sind 91 . Die einschlägigen Bestimmungen der K O werden hier als auch bereicherungsrechtlich wirksamer Zuweisungsgrund aufgefaßt. Auch in Fällen erlaubten Eingriffs in fremde Rechte ohne Rechtsübergang ist an Hand der den Eingriff gestattenden Norm zu überprüfen, wem der Eingriffserfolg letzten Endes zustehen soll92. Im Fall des § 23 KunstU r h G , der ausnahmsweise Eingriffe in das Recht am eigenen Bild gestattet, ist dies nach allgemeiner Ansicht der „Eingreifer". Ebenso begründet die ordnungsmäßige Liquidation einer juristischen Person nach Ablauf 87 88
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Vgl. Palandt/Tbomas, 6 B c zu § 812. Dazu einprägsam BGH N J W 1981, 1601: Auch eine auf Grund gesetzlicher Vorschriften erfolgende Vermögensverschiebung schließt eine ungerechtfertigte Bereicherung nicht aus, wenn das Gesetz damit nicht eine „endgültige Neuordnung der Güterlage herbeiführen will". R G Z 138, 125; O L G Karlsruhe, G R U R 1985, 535; MünchKomm-£)W>, §812 Rdn. 269. Dazu B G H Z 66, 150; vgl. Palandt/Thomas, §812 Anm. 5B a bb; monographisch Gerlach, 12 ff. Vgl. auch das interessante Urteil B G H Z 100, 95 (Identität von Vollstreckungsgläubiger und Erwerber). B G H Z 91, 198. Vgl. Wilhelm, 90 ff.
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des Sperrjahres einen „rechtlichen Grund" für die vorgenommene Verteilung gegenüber verspäteten Gläubigern 93 . Die Eröffnung eines inländischen Konkurses hindert nicht die Einzelzwangsvollstreckung in ausländisches Vermögen des Konkursschuldners. Doch stellt die K O klar, daß auch solches Vermögen zur Konkurssollmasse gehört. Demzufolge muß das ausländische Vollstreckungsergebnis qua Eingriffskondiktion an den Konkursverwalter herausgegeben werden 94 . Ahnlich liegt es bei im Rahmen des § 9 0 4 rechtmäßiger Inanspruchnahme fremder Sachen. Vom Normzweck dieser Bestimmung her gesehen, nämlich die Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr zu ermöglichen, wird zwar der Eingriff legitimiert, nicht aber das Behalten der Bereicherung. Auch die Inanspruchnahme einer öffentlichrechtlichen Baulast ist zwar zulässig, verpflichtet aber zur Herausgabe der Bereicherung 95 . I I I . D i e S o n d e r r e g e l u n g des § 8 1 6 1. Übersicht Verliert jemand infolge Verfügung eines Nichtberechtigten sein Eigentum, so ist der Verfügungsempfänger ganz sicher „auf Kosten" des ehemaligen Eigentümers, diesem gegenüber aber auch „ohne Rechtsgrund" bereichert. Dasselbe trifft für den Verfügenden hinsichtlich der Gegenleistung zu, die er als Äquivalent seiner Verfügung erhält. Er hat - wie beim Gebrauch oder Verbrauch einer fremden Sache - in ein Recht des Gläubigers eingegriffen, dieses „zu Geld" gemacht. Auf der Grundlage des § 812 würde dem Exeigentümer die Eingriffskondiktion also sowohl gegenüber dem Verfügenden als auch gegenüber dem Verfügungsempfänger zustehen. Deren Verhältnis zum Gläubiger und untereinander hätte sich nach den Regeln über die Gesamtschuld zu richten. Demgegenüber sieht § 8 1 6 I im Fall entgeltlicher Veräußerung nur die Kondiktion gegen den Verfügenden, im Fall unentgeltlicher Eigentumsübertragung nur einen Bereicherungsanspruch gegen den Empfänger vor. Die Erklärung dieser Sonderregelung mit der Durchbrechung des Unmittelbarkeitserfordernisses bzw. der Einheitlichkeit des Bereicherungsvorgangs 96 ist gegenstandslos, wenn auch § 812, wovon auszugehen ist, nichts derartiges voraussetzt 97 . Eine bessere Deutung baut auf den Interessen des gutgläubig-entgeltlichen Erwerbers auf, der eine Leistung vom Nichtbe93 94 95 96 97
RGZ 124, 210; BGHZ 43, 51. BGHZ 88, 147. BGHZ 94, 160; BGHZ 88, 97. So im Ansatz auch heute noch Palandt/Thomas, Vgl. oben S. 85 ff.
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rechtigten erhalten hat. §816 I Satz 1 hat aus dieser Perspektive den Zweck, den durch die §§ 932, 892 begründeten Rechtserwerb endgültig zu stabilisieren. Gegenüber der Alternative des § 812 hat diese Lösung außerdem den Vorzug einer erheblichen Vereinfachung des Abwicklungsverfahrens. In der über den Ausschluß der Kondiktion gegen den gutgläubigentgeltlichen Erwerber bewirkten Verstärkung des Gutglaubensschutzes einerseits, in der Rationalisierung des Bereicherungsausgleichs für eine wichtige Fallgruppe andererseits wird man also den Sinn des §816 I zu suchen haben 98 . Eine prinzipiell andere Ansicht vertritt Lieb99. Doch ist er von Reuter/ Martinek (S. 287 ff) durchgreifend kritisiert worden. Namentlich trifft es nicht zu, daß der nicht berechtigt Verfügende nichts „erlangt" habe100. § 816 II bezieht sich ebenfalls auf einen Spezialfall der Eingriffskondiktion. Im Unterschied zu § 816 I befindet sich hier der Leistungsempfänger in der Rolle des Nichtberechtigten. Er muß das Erhaltene dem Berechtigten herausgeben, sofern dieser infolge der Leistung seinen eigenen Anspruch eingebüßt hat. Mit Kornblum101 meinen wir, daß §816 II neben §812 überflüssig ist102. Die Frage ist allerdings praktisch bedeutungslos und braucht daher nicht vertieft werden. 2. Entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten Für den Anspruch aus §816 I, 1. Satz wird vorausgesetzt, daß ein „Nichtberechtigter" über einen Gegenstand eine „Verfügung" trifft, die dem „Berechtigten" gegenüber wirksam ist. Unter Verfügungen werden alle Rechtsgeschäfte verstanden, die eine unmittelbare Rechtsänderung zur Folge haben, also zum Beispiel Übertragen von Eigentum, Pfandrechtsbestellung usw. Nichtberechtigt im Sinne des Gesetzes ist der Verfügende dann, wenn er die Rechtsposition, die derartige Verfügungen legitimiert, nicht innehat, also zum Beispiel Eigentum überträgt, obwohl er selbst nicht Eigentümer ist. Entsprechendes gilt, wenn beschränkt dingliche Rechte oder auch ein Anwartschaftsrecht zu Lasten des wahren Berechtigten begründet werden oder untergehen. Nichtberechtigt ist also auch der Buchbesitzer, der eine Hypothek zugunsten eines (gutgläubigen) 98
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Ahnlich Esser, 367, sowie, wenn auch mit gewissen Variationen, die übrigen Vertreter der sog. Eingriffstheorie. Vgl. Reuter/Martinek, 282 ff m w N . In diesem Sinn auch schon RGZ 119, 332 (337). Teilweise abweichend Thielmann, AcP 187, 27 ff. MünchK.omm-£i'e£, §816 Rdn. 6 ff. Dazu unten S. 121 ff. JZ 1965, 202; ebenso Reuter/Martinek, 349 m w N . Anders Hadding, JZ 1966, 222.
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Dritten begründet. Nicht berechtigt kann auch der Eigentümer sein, und zwar dann, wenn er eine auf dem Verfügungsgegenstand ruhende Last durch Ermöglichung gutgläubig-lastenfreien Erwerbs zum Erlöschen bringt 103 . Im Fall der Verkaufskommission über einen dem Kommittenten nicht gehörenden Gegenstand ist nicht berechtigt der Kommissionär, nicht der Kommittent 1 0 4 . Zu beachten ist, daß sich die mangelnde Berechtigung des Verfügenden auch erst nachträglich herausstellen kann, so bei rückwirkender Anfechtung des sein „Recht" begründenden Erwerbstitels 105 . Der Gerichtsvollzieher, der schuldnerfremde Sachen pfändet und versteigert, unterfällt nach heute herrschender Meinung 106 nicht §816, denn er ist durch die Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrecht gedeckt. Das schließt nicht aus, daß der Vollstreckungsgläubiger den Versteigerungserlös über eine Eingriffskondiktion gemäß §812 an denjenigen herausgeben muß, der seine Sache verloren hat 107 . Wirksamkeit der Verfügung im Verhältnis zum Berechtigten setzt zunächst voraus, daß diese zwischen den Partnern des Verfügungsgeschäftes wirksam ist. Ist zum Beispiel die Einigung im Zusammenhang der Ubertragung von Eigentum nichtig oder wirksam angefochten, so tritt auch bei Gutgläubigkeit des Käufers keine Änderung der dinglichen Rechtslage ein. Ist das Verfügungsgeschäft dagegen in Ordnung, so tritt die von § 816 I, 1. Satz vorausgesetzte Wirkung gegenüber dem Berechtigten doch nur unter der zusätzlichen Voraussetzung ein, daß der Erwerber gutgläubig ist 108 . b) Liegt eine wirksame Verfügung in diesem Sinne nicht vor, so kann sich der Berechtigte an den Erwerber halten, während der Anspruch gegen den „Verfügenden" aus § 816 I, 1. Satz an sich nicht gegeben ist. N u n kommt es nicht selten vor, daß der Erwerber der Sache nicht mehr zu ermitteln ist, daß die Sache selbst an Wert verloren hat oder die Durchsetzung des Anspruchs gegen den Erwerber aus anderen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich oder jedenfalls zweifelhaft ist. In diesen Fällen hat der Berechtigte ein evidentes Interesse daran, sich an den Verfü103 104 105 106 107 108
BGHZ 81, 395; Reuter/Martinek, 292f. Vgl. BGHZ 47, 128. Dazu Plambeck, JuS 1987, 793 mit Ausführungen (auch) zur Haftung des Kommittenten. Reuter/Martinek, 292. Vgl. etwa BGHZ 32, 240 (245f); BGHZ 55, 20, Palandt/Thomas, §812 Anm. 5B a bb mwN. Dazu schon oben S. 90. Vgl. in diesem Zusammenhang etwa die §§932 ff, 1032, 1207, 892 f, 1138, 1155 ff; 1196, 1200, 2366 ff; ferner §§366 HGB, Art. 16 WG, 21 ScheckG, §§325 II, 898 ZPO, 7 KO.
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genden zu halten und es fragt sich, ob er dieses Ziel nicht dadurch erreichen kann, daß er die Verfügung mittels Genehmigung ( § 1 8 5 ) zu einer wirksamen macht. Diese Frage wird nicht nur von der Judikatur 1 0 9 bejaht, sondern entspricht auch der weitaus überwiegenden Meinung im Schrifttum 1 1 0 . Der Einwand, nach Genehmigung sei die Verfügung als die eines Berechtigten anzusehen, schlägt, wie sich terminologisch aus § 185 ergibt, nicht durch. Die Genehmigungsfähigkeit der Verfügung ist unabhängig von den konkreten Interessen des Berechtigten, ebenso von dem rechtlichen oder tatsächlichen Schicksal des Gegenstandes. So hat es der Berechtigte auch noch nach Veränderung der Eigentumslage infolge Verarbeitung in der Hand, ob er sich über §951 an den jetzigen Inhaber oder (nach Genehmigung) gemäß § 8 1 6 I, 1. Satz an den Verfügenden halten will 111 . Genehmigung und Verweigerung einer solchen sind unwiderruflich"2. Indes liegt eine derartige Weigerung ohne Hinzutreten sonstiger Umstände noch nicht deshalb vor, weil der Kläger zunächst nur Ansprüche aus den §§ 989, 990 geltend macht113. Andererseits geht die Rechtsprechung davon aus, daß in der Klageerhebung auf Herausgabe des „Erlangten" eine konkludente Genehmigung der Verfügung liege114. Das ist insofern bedenklich, als zu diesem Zeitpunkt weder der Erfolg der Klage noch die tatsächliche Durchsetzbarkeit des Anspruchs feststehen. Deshalb wird vorgeschlagen, den Klageantrag auf Erlösherausgabe Zug um Zug gegen Genehmigung zu richten115. Diese Lösung ist formalrechtlich zwar nicht einwandfrei, weil vor Vorliegen einer Genehmigung die Anspruchsvoraussetzungen noch gar nicht gegeben sind116, aber mit Rücksicht auf legitime Gläubigerinteressen gleichwohl zu befürworten117. c) Herauszugeben ist das „Erlangte". Strittig ist, ob es sich dabei um den objektiven Wert des Gegenstandes oder, falls dieser höher ist, um den Veräußerungserlös handelt. Es findet sich auch die Ansicht, „erlangt" durch die Verfügung sei in Wahrheit die Befreiung von einer Verbindlichkeit.
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Vgl. RGZ 106, 45; BGHZ 56, 131 (134); BGH NJW 1972, 1199. Ausführlich Reuter/Martinek, 299 ff mwN. H. M.; für Einzelheiten und Nachweise Reuter/Martinek, 302. BGH NJW 1968, 1326. BGH aaO; vgl. auch BGH JZ 1961, 24. RGZ 106, 44; B G H , LM Nr. 6 zu §816. So etwa Reuter/Martinek, 304 ff; MünchKomm-£ie6, §816 Rdn. 25 mwN. Vgl. Bauerfeind, NJW 1961, 109. Ausführliche Analyse der Problematik bei Merle, AcP 183, 81. Dieser Autor plädiert für auflösend bedingte Genehmigung. Bedingung soll die Nichtherausgabe des Erlöses sein. Einseitige Gestaltungserklärungen sind nach h. M. indes bedingungsfeindlich.
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Die damit aufgeworfene Frage läßt sich am besten zusammen mit dem Inhalt des Anspruchs in anderen Fällen der Eingriffskondiktion abhandeln 118 . Dagegen ist sogleich zu erörtern, wie sich die Rechtslage darstellt, wenn der Eigentümer von einem Dieb Schadenersatz verlangen, aber auch von einem Abnehmer, der die Sache weiterverkauft hat, den Veräußerungserlös liquidieren kann. Klar ist, daß es dem Eigentümer im Ergebnis nicht gestattet sein kann, beide Ansprüche zu realisieren. In Abweichung von B G H Z 29, 157 hat sich der B G H in B G H Z 52, 39 119 im Anschluß an von Caemmerer (JR 1959, 462) auf den Standpunkt gestellt, Dieb und Verfügender hafteten analog §§421 ff als Gesamtschuldner. Wegen §426 läuft dies darauf hinaus, daß der Eigentümer nur einen von beiden belangen kann, während sich der Ausgleich im Innenverhältnis nach § 426 richtet. Insgesamt liefert diese Konzeption befriedigende Ergebnisse. Trotz gewisser dogmatischer Bedenken 120 dürfte ihr zuzustimmen sein 121 . d) aa) Der Begriff der „Verfügung" deckt nur dingliche Rechtsänderungen auf rechtsgeschäftlicher Grundlage. Dennoch ist vorgeschlagen worden, den Anspruch aus § 816 I, 1. Satz auch dann zuzusprechen, wenn der Rechtsverlust nicht infolge Rechtsgeschäftes, sondern kraft Gesetzes, beispielsweise deshalb eintritt, weil ein Bauunternehmer fremdes Material in das H a u s des Kunden einbaut. In der Tat: „Vom Schutzbedürfnis des ursprünglichen Eigentümers her gesehen, kann es nicht darauf ankommen, o b er sein Eigentum durch wirksame Verfügung eines Nichtberechtigten oder auf rein faktische, einem anderen aber gewinnbringende Weise verliert" 122 . Nun könnte diese Wertung nicht nur über §816 I, 1. Satz, sondern auch über § 812 realisiert werden123. Die letzte Alternative läßt sich besser mit dem Gesetzestext vereinbaren. Sie wäre deshalb vorzuziehen, wenn Einigkeit darüber bestünde, daß die Rechtsfolgen aus § 8161, 1. Satz einerseits und aus § 812 andererseits im Prinzip dieselben sind; das ist, wie noch ausführlich zu erörtern sein wird, zu Unrecht nicht der Fall124. Unter diesen Umständen ist die Behandlung der vorliegenden Fallgruppen analog § 816 I, 1. Satz als der bessere Weg anzusehen. Denn unterschiedliche Rechtsfolgen gegenüber den direkt von §816 I, 1. Satz erfaßten Fällen ließen sich nicht plausibel machen. 118 119 120 121 122
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Vgl. unten S. 116 ff. Vgl. auch BGH WM 1983, 1192. Vgl. Reeb, JuS 1970, 214; kritisch auch Reuter/Martinek, 307. Ebenso z.B. Staudinger/Lorenz, §816 Rdn. 26. Esser, 371; wN bei Reuter/Martinek, 295, die selbst für Direktanwendung von §816 eintreten. Dazu auch Thielmann, AcP 187, 31 ff., Loewenheim/Winckler, JuS 1984, 281. Dagegen MünchKomm-L»e&, §812 Rdn. 248. Vgl. unten S. 158 f.
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Eigentumserwerb infolge Verbindung, Vermischung und Verarbeitung präkludiert die Eingriffskondiktion gegen den Erwerber bekanntlich dann nicht, wenn dieser entweder bösgläubig war oder abhanden gekommene Sachen erworben wurden. Daraus folgt, daß ein Anspruch aus § 951 gegen den Erwerber mit einem solchen aus § 816 I, 1. Satz gegen den „Nichtberechtigten" konkurrieren kann, der den Erwerb verursacht hat. Auch hier sind die Regeln über die Gesamtschuld zumindest entprechend anwendbar 125 . bb) Vermietung und Verpachtung fremder Sachen implizieren kein auf dingliche Rechtsänderung gerichtetes Geschäft. Die herrschende Meinung 126 lehnt die Anwendung des § 816 auf solche Fälle daher ab. Die gegenteilige Ansicht 127 stützt sich wiederum auf die §816 entsprechende Interessenlage der Beteiligten, ferner darauf, daß unberechtigte Vermietung oder Verpachtung auf eine partielle „Enteignung" des Betroffenen hinauslaufe, die von dessen Standpunkt aus nicht anders zu beurteilen sei als die vollständige Entziehung des Eigentums durch Veräußerung. Dies gilt freilich anerkanntermaßen nur, soweit nicht die Sonderregeln der §§987, 993 I eingreifen. Das wird häufig der Fall sein128. Für die Entscheidung dieses Meinungsstreites ist unseres Erachtens wiederum die oben entwickelte Überlegung maßgebend. Es hat keinen Sinn, die Vermietung fremder Sachen bereicherungsrechtlich nach anderen Gesichtspunkten zu beurteilen als deren Veräußerung. Insofern ist §816 I, 1. Satz sachnäher als § 812. Keine Kondiktion, auch keine solche aus § 816, ist freilich dann gegeben, wenn der Eigentümer die Sache aus Rechtsgründen nicht selbst hätte vermieten oder verpachten können 129 . Das ist beispielsweise bei unerlaubter Untervermietung der Fall.
3. Unentgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten a) Bei unentgeltlich wirksamer Verfügung eines Nichtberechtigten richtet sich die Kondiktion gegen den Empfänger. Der Grund dieser Regelung besteht einerseits darin, daß der Verfügende regelmäßig nichts erlangt haben wird, was er an den Berechtigten abführen könnte. Andererseits ist der unentgeltlich Bereicherte, wie auch § 822 zum Ausdruck bringt, nicht
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Anders MünchKomm-Lict, §812 Rdn. 246: Anspruch aus §816 erst nach „Genehmigung". Vgl. RGZ 105, 408; R G Z 106, l l l f ; Reuter/Martinek, 311 f; RGRK-Heimann-Trosien, §816 Rdn. 4; Palandt/Tbomas, Anm. 2a zu §816 m w N . Esser/Weyers, §50 II 2 (405f); Medicus, Rdn. 717; Latenz, §69 IV (566) m N . Vgl. insbesondere Medicus, Rdn. 716; ähnlich Esser/Weyers, aaO. Dazu oben S. 83 f.
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so schutzwürdig, daß der Verlust dem ursprünglichen Rechtsinhaber endgültig angelastet werden könnte 1 3 0 . § 8 1 6 I, 2. Satz bestimmt ausdrücklich, daß der Anspruch nur durchgreift, wenn der Empfänger infolge der Verfügung des Nichtberechtigten „unmittelbar" einen rechtlichen Vorteil erlangt. Damit sind jene Fälle aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift eliminiert, wo der Nichtberechtigte zunächst entgeltlich wirksam verfügt und das Erlangte anschließend unentgeltlich an einen Dritten weitergibt 131 . Indessen wird der ursprünglich Berechtigte dadurch nicht schutzlos gestellt. Soweit die Kondiktion gegen den Verfügenden versagt (was nur bei Gutgläubigkeit der Fall ist), tritt an die Stelle des Anspruchs aus § 8 1 6 derjenige aus § 8 2 2 . Fraglich ist, ob §816 I, 2. Satz auch dann durchgreift, wenn der Verfügende trotz Unentgeltlichkeit des Geschäftes etwas „erlangt" hat, beispielsweise deshalb, weil er dem Begünstigten bei Kenntnis der Rechtslage etwas anderes geschenkt hätte. Die Parallelfrage zu § 822132 wird negativ entschieden. Unseres Erachtens besteht kein Grund, für § 816 I, 2. Satz etwas anderes anzunehmen133. Dem ursprünglich Berechtigten steht nach §§812, 818 II134 die Eingriffskondiktion auf die Ersparnis zu. Daß diese möglicherweise geringer ist als der Wert des verlorenen Gegenstandes liefert kein Gegenargument. Denn der frühere Rechtsinhaber muß sich ja auch damit abfinden, daß seine Sache unter Wert veräußert wird135. Im Fall eines extremen Mißverhältnisses zwischen dem Wert des potentiell und des tatsächlich Geschenkten dürfte freilich die Rückkehr zu §816 I, 2. Satz angemessen sein136. Reuter/ Martinek1" wollen dem früher Berechtigten in Fällen der soeben diskutierten Art ein Wahlrecht zwischen der Kondiktion nach §816 I Satz 1 und Satz 2 einräumen. Dem ist wohl nicht zu folgen. Denn § 816 I hat sich - wie § 822 - ganz eindeutig dafür entschieden, daß der gutgläubige Erwerber nicht haftet, wenn und solange Bereicherungsansprüche gegen den Verfügenden möglich sind. b) Im Verhältnis zu ihrer praktischen Bedeutung unverhältnismäßig intensiv umstritten ist die Frage, wer kondizieren kann, wenn der Erwerb vom Nichtberechtigten zwar dinglich wirksam ist, jedoch der „schuldrechtlichen Unterlage" entbehrt. Teilweise wird eine Gleichstellung von „Unentgeltlichkeit" und „Rechtsgrundlosigkeit" auch (für § 9 8 8 entDazu BGHZ 81, 395; BGH NJW 1984, 2157: §1412 kein Behaltensgrund; ausführliche Erörterung bei Reuter/Martinek, 328 ff. 131 Vgl. BGH NJW 1969, 605. 1 3 2 Vgl. z. B. Medicus, Schuldrecht, 307. 133 Ebenso wohl Esser, 372. 1 3 4 Vgl. unten S. 162 ff. 1 3 5 Genauer unten S. 121. 136 Vergleichbare Wertung in BGH, WM 1964, 614: bei gemischter Schenkung § 816 I, 2. Satz, wenn Unentgeltlichkeit überwiegt. 1 3 7 S. 331 mit unzutreffender Berufung auf Vorauflage, 108. 130
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III. Kapitel: Bereicherung „in sonstiger Weise"
spricht dies zumindest ständiger Rechtsprechung) für den Bereich des § 816 I, 2. Satz mit der Folge empfohlen, daß der ursprünglich Berechtigte direkt vom Erwerber kondizieren kann („Einheitskondiktion"). Andere vertreten den Standpunkt, daß der Beeinträchtigte von dem Verfügenden dasjenige kondizieren müsse, was dieser seinerseits von seinem Partner herausverlangen könne 138 . Der entscheidende Einwand gegen die Lehre von der Einheitskondiktion besteht darin, daß sie dem Empfänger seine Einwendungen gegen den Verfügenden etwa aus bereits erbrachter Gegenleistung oder aus den §§ 814, 815, 817, 2. Satz abschneidet. Eine ganz ähnliche Wertung determiniert die moderne Behandlung der bereicherungsrechtlichen Dreiecksverhältnisse 139 . Man muß ihr also auch hier zentrale Bedeutung einräumen 140 . Ganz abgesehen davon ist gegen die Einheitskondiktion auch einzuwenden, daß es nicht Sinn des § 816 I, 2. Satz ist, dem Gläubiger einen zusätzlichen Schuldner zur Verfügung zu stellen141. In allen Fällen rechtgrundloser Verfügung ist der Nichtberechtigte aber noch bereichert, weil er gegen den Drittempfänger mit der Leistungskondiktion vorgehen kann. Diese letzte Überlegung zeigt gleichzeitig, daß § 816 I, 2. Satz auch auf rechtsgrundlos-unentgeltliche Zuwendungen nicht anwendbar ist142. In B G H Z 37, 363, dem ersten der sogenannten Spielbankfälle, hat der B G H einen Fall dieser Art angenommen. Ein Angestellter hatte Geld seines Arbeitsgebers veruntreut und beim Spiel verloren. Der B G H gab der auf §816 I, 2. Satz gestützten Klage des Geschädigten gegen die Spielbank statt, weil der Spieler zugunsten der Bank unentgeltlich über das eingesetzte Geld verfügt habe. Unentgeltlich sei diese Verfügung deshalb, weil der ungetreue Angestellte seine Gewinnchance nicht habe realisieren können und weil der Spielvertrag nichtig gewesen sei143. In B G H Z 47, 393, dem zweiten Spielbankfall, hat sich der B G H denn auch ausdrücklich dahingehend korrigiert, schon die bloße Einräumung der Gewinnchance qualifiziere den dafür geleisteten Einsatz als entgeltliche Verfügung. Z u r Frage der analogen Anwendung des § 8161, 2. Satz auf rechtsgrundlose Verfügungen (Einheitskondiktion) brauchte er sich allerdings nicht noch einmal zu äußern, weil er den Spielvertrag in diesem Fall für wirksam hielt.
c) Die Kondiktion des rechtsgrundlos verfügenden Nichtberechtigten kann sich vernünftigerweise nur auf die Herstellung des früheren Zustan138
139 140 141 142 143
So die herrschende Meinung von der „Doppelkondiktion"; vgl. etwa Staudinger/Lorenz, §816 Rdn. 16ff; Reuter/Martinek, 337ff; modifizierend MünchKomm-Liefe, §816 Rdn. 44 f, alle m w N auch der Gegenmeinung. Vgl. oben S.27f. Anders Fikentscher, § 100 I (S. 698). Esser, 375, Fn. 42. Anders MünchKomm-Lie£, §816 Rdn. 52; Wiethölter, J Z 1963, 289. Z u r Kritik dieser Argumentation insbesondere Schlosser, JuS 1963, 141 ff; Esser, 373.
§ 9. Die Eingriffskondiktion
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des richten. Im Falle gutgläubigen Eigentumserwerbs eines Dritten führt der Bereicherungsausgleich also dazu, daß der Nichtberechtigte nur das erhält, was er vorher hatte, nämlich den Besitz an der Sache, während das Eigentum an den ursprünglich Berechtigten zurückfällt 144 . Konstruktiv läßt sich dieses Ergebnis mit Hilfe der Figur des „Geschäftes, wen es angeht" realisieren. Vorausgesetzt wird damit an sich, daß der Nichtberechtigte f ü r den Berechtigten erwerben will. Ein im Einzelfall entgegenstehender Wille dürfte freilich infolge analoger Anwendbarkeit des § 162 I 145 unbeachtlich sein.
4. Wirksame Leistung an einen Nichtberechtigten a) §816 II setzt eine Leistung an einen Nichtgläubiger voraus, die dem wahren Gläubiger gegenüber mit der Folge des Forderungsunterganges „wirksam" ist. In einem solchen Fall kann der Berechtigte, d. h. der Exgläubiger der untergegangenen Forderung, von dem nichtberechtigten Scheingläubiger das Erhaltene herausverlangen. § 816 II ist funktional also im Zusammenhang mit den schuldnerschutzorientierten Vorschriften zu sehen, die die Erfüllungswirkung auch mit Leistungen an einen Nichtberechtigten verknüpfen. Praktisch am wichtigsten sind Zahlungen des Schuldners an den ursprünglichen Gläubiger in Unkenntnis der Tatsache, daß dieser die Forderung abgetreten hat, Leistungen an den späteren Erwerber der Forderung bei mehreren Abtretungen oder infolge unrichtiger Zessionsanzeige 146 . Die neuere Rechtsprechung zu § 816 II hatte es vornehmlich mit Fällen der Doppelabtretung von Kaufpreisforderungen mittels verlängertem Eigentumsvorbehalt zugunsten des Verkäufers einerseits und Globalzession an eine Bank andererseits zu tun. Über die Zuordnung der Forderung entscheidet hier grundsätzlich die Reihenfolge der Abtretungserklärungen. Im übrigen hat die Rechtsprechung im Interesse des Vorbehaltsverkäufers unter gewissen Voraussetzungen Nichtigkeit der Globalzession gemäß § 138 angenommen 1 4 7 . Zahlt hier der Drittschuldner an einen Scheinzessionar, so steht dem Zessionar im Regelfall der Anspruch aus §816 II zu. Dabei ist zu beachten, daß es sich tatsächlich um Leistungen 144 145 146
147
H. M.; vgl. vonCaemmerer, 313 ff; Esser, 374; Larenz, §69 IV (568); alle mwN; a. A. Wiegand, JuS 1971, 62. So Esser, 374; Kritik der Begründung bei Staudinger/Lorenz, §816 Rdn. 22. §§407 ff, 412, 413; für Nachweise weiterer Fälle funktionsähnlichen Schuldnerschutzes MünchKomm-Liet, §816 Rdn. 60. In Fällen nachträglicher Nichtberechtigung des Leistungsempfängers ist § 816 II nach BGHZ 99, 389 nicht anwendbar. Vgl. dazu Reuter/Martmek, 356 ff; MünchKomm-Äoti, §398 Rdn. 101 ff.
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III. Kapitel: Bereicherung „in sonstiger Weise"
an einen Nichtberechtigten handeln muß. Das ist zum Beispiel dann nicht der Fall, wenn der Endempfänger der Ware, der von der Abtretung der Kaufpreisforderung an die Bank nichts weiß, an diese nur als Zahlstelle des Vorbehaltsverkäufers leistet 148 . Eine Komplizierung der Rechtslage tritt ein, wenn verlängerter Eigentumsvorbehalt und Globalzession mit einem zwischen Vorbehaltskäufer und Abnehmer vereinbarten Verbot zusammentreffen, die Kaufpreisforderung abzutreten. In einem solchen Fall sind beide Zessionen unwirksam149. In einem Fall, in dem die Globalzession ohne Existenz des Abtretungsverbotes nach seiner Ansicht auch wegen Sittenwidrigkeit nichtig gewesen wäre, prüfte der BGH, ob dem Vorbehaltsverkäufer der Anspruch aus §816 II nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmißbrauchs zuzusprechen sei150. Damit wird vorausgesetzt, daß Rechtsmißbrauch nicht nur als einrede-, sondern auch als anspruchbegründender Umstand in Betracht kommt, eine Annahme, die sonst fast allgemein abgelehnt wird151. Bei wirksamem Abtretungsverbot ist es, was auch der BGH hilfsweise andeutet, im übrigen ohnehin nicht angängig, den Vorbehaltsverkäufer so zu stellen, als sei er Inhaber der Forderung gegen den Zweitabnehmer geworden. b) Auch im Rahmen des § 816 II stellt sich die oben für § 816 I erörterte Frage, ob die Anspruchsvoraussetzungen auch durch Genehmigung des Berechtigten mit der Frage komplettiert werden können, daß eine diesem gegenüber an sich unwirksame Leistung zu einer wirksamen wird. Rechtsprechung 152 und herrschende Meinung 153 bejahen diese Frage ganz generell. Demgegenüber hat Esser (S. 375) zu Recht darauf aufmerksam gemacht, daß damit dem Berechtigten die Möglichkeit verschafft würde, sich im Konkurs des Schuldners eine Sonderdeckung zu verschaffen. Daneben bleibt zu bedenken, daß dem Schuldner im Bereich der §§407 ff einschließlich der auf diese Bestimmungen verweisenden Normen (§§ 720, 574, 412) nach ganz überwiegender Ansicht die Möglichkeit offensteht, den ihm gewährten Schutz nicht in Anspruch zu nehmen, d. h. nochmals an den wahren Gläubiger zu leisten und seinerseits von dem nichtberechtigten Empfänger zu kondizieren 154 . Ist dies richtig, so kann die Entschei-
148
149 150 151 152 153 154
BGHZ 53, 139; zur analogen Anwendbarkeit von § 816 II zu Lasten der Bank, wenn diese sich als ausschließliche Zahlstelle benennen läßt und sich die freie Verfügung über eingehende Gelder vorbehält, vgl. BGHZ 72, 316; dazu Reuter/Martinek, 357f; Blaschczok, JuS 1985, 88; bedenklich LG Berlin, WM 1984, 224. BGHZ 51, 113; dazu Koppensteiner, JuS 1972, 373 ff. BGHZ 56, 173. Vgl. Koppensteiner, aaO, 376; a. M. Canaris, 273 ff. BGHZ 55, 34; BGHZ 56, 173; BGH NJW 1972, 1199; BGH NJW 1983, 446. Nachweise bei Reuter!Martinek, 353. So BGHZ 52, 150 (153f); vgl. MünchKomm-Liefc, §816 Rdn. 54.
§ 10. Die Aufwendungskondiktionen
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dungszuständigkeit über den einzuschlagenden Weg auch hier nur beim Schuldner liegen; das würde aber vereitelt, wenn man es dem Berechtigten gestatten würde, die Kondiktionsmöglichkeit gegenüber dem Drittempfänger mittels Genehmigung der Leistung sozusagen auf sich überzuleiten 155 . Darüber hinaus stellt sich ganz allgemein die Frage, ob die Genehmigungsmöglichkeit im Rahmen des §816 II nicht überhaupt deplaciert ist. Jedenfalls liegen die f ü r die Parallellösung bei §816 I (Unbekanntheit des Dritten, Verschlechterung der Sache etc.) maßgebenden Gründe hier nicht vor 156 .
§10. Die Aufwendungskondiktionen1 I. Die Verwendungskondiktion Die Möglichkeit einer Verwendungskondiktion 2 ist immer dann zu prüfen, wenn jemand Geld, Arbeitsleistungen oder Naturalien auf Sachen verwendet, von denen er annimmt, daß sie ihm gehören. Eine Verwendungskondiktion k o m m t ferner in Betracht, wenn der „Entreicherte" zwar weiß, daß seine Bemühungen einer fremden Sache zugute kommen, aber irrtümlich eigene und nicht fremde Vermögenswerte „verwendet". Verwendungen des bösgläubigen Eigenbesitzers sind als Leistung aufzufassen. 3 „Auf Kosten" bedeutet bei der Verwendungskondiktion dasselbe wie bei der Leistungskondiktion 4 . Die Probleme, die dieses Merkmal im Zusammenhang der Eingriffskondiktion aufwirft, treten nicht auf, weil der Anspruchsprätendent hier freiwillig etwas aufgibt 5 . Wie bei der Rückforderung einer rechtsgrundlosen Leistung bezieht sich also auch die Verwendungskondiktion auf alles, was der Verwendende dem Empfänger verschaffen konnte und verschafft hat. Auch das Merkmal „ohne Rechtsgrund" sagt hier dasselbe aus wie bei der Leistungskondiktion. 155 156 1 2
3 4 5
Richtig Weimar, JR 1966, 461. Im Ergebnis wie hier u. a. Staudinger/Lorenz, § 816 Rdn. 32; Reuter/ Martinek, 353 ff mwN. Zusammenfassend Willoweit, FS Wahl, 1973, 285. Dazu etwa Medicus, Rdn. 895 ff; Reeb 86 ff; Esser/Weyers, §50 III 3 (S. 412 f). Ausführlich MünchKomm-Li'efc, §812 Rdn. 250 ff; Köndgen, FS Esser (1983) 61.
MünchKomm-Liei», Rdn. 254 gegen Medicus Rdn. 893. Oben S. 16 ff. Vgl. oben S. 67, 71; unzutreffend daher die Fragestellung bei Köndgen, aaO.
102
III. Kapitel: Bereicherung „in sonstiger Weise"
Die Kernprobleme der Verwendungskondiktion liegen - wie bereits angedeutet - nicht im tatbestandlichen Bereich. Wesentliche Schwierigkeiten ergeben sich bei der Bestimmung des Verhältnisses dieser Kondiktionsart zu anderen bürgerlich-rechtlichen Anspruchsgrundlagen6 und ferner bei der Ermittlung des Anspruchsinhalts. Stichworte sind hier „aufgedrängte Bereicherung" 7 und die Angleichung der Kondiktion an den Ersatz von Aufwendungen8. Im Anschluß an einschlägige Rechtsprechung9 verhältnismäßig intensiv diskutiert wurde die Frage, ob der Zwischenerwerber eines Grundstücks, der es dem Vormerkungsgeschützten herausgeben muß, Ersatz seiner Verwendungen auf bereicherungsrechtlicher Grundlage verlangen kann 10 . Wir neigen dazu, die Frage zu bejahen, und zwar auf der Grundlage des in den §§816 I Satz 1 und 822 steckenden Rechtsgedankens: Der Zweiterwerber erlangt die Verwendungen unentgeltlich, da sie sich in dem von ihm zu bezahlenden Kaufpreis nicht niederschlagen. Der B G H ist anderer Ansicht, weil er entgegen der hier vertretenen Auffassung11 annimmt, die §§ 994 ff enthielten eine im Verhältnis zum Bereicherungsrecht abschließende Regelung12. II. Die Rückgriffskondiktion Neben der Verwendungskondiktion wird als Kondiktion wegen Bereicherung in sonstiger Weise vielfach die „Rückgriffskondiktion" angeführt 13 . Hier soll der Aufwand des Bereicherungsgläubigers darin liegen, daß er den Bereicherungsschuldner von einer Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten befreit. Der Anwendungsbereich dieser Rechtsfigur ist indes äußerst schmal14. Zahlt D auf Anweisung des S dessen Schuld bei G in Höhe seiner eigenen Verbindlichkeit gegenüber S (Anweisung auf Schuld), so ist ein Rückgriff D-S ausgeschlossen, weil D durch die Zahlung seine Schuld gegenüber S tilgen konnte (§ 7871); hat S den D unwirk6 7 8 9 10 11 12
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Unten S. 204 ff. Unten S. 166 ff. Unten S. 169. B G H Z 75, 288; B G H Z 87, 296. Vgl. MünchKomm-Liet, § 812 Rdn. 266; Kohler, NJW 1984, 2849, beide mwN. Unten S. 208. Anders wie hier auch Lieh, aaO und Kohler, aaO: Kein Bereicherungsanspruch wegen Fehlens des Unmittelbarkeitserfordernisses, dazu oben S. 86 ff. Dazu z. B. Medicus, Rdn. 948 ff; StudK-Beutkien, §812 Anm. III 3a; MünchKomm-üeJi, §812, 103 ff; Hüffer, JuS 1981, 265 f. S. zum folgenden vor allem Medicus, Rdn. 945 ff; auch Reeb, 83 ff und Loewenheim/Winckler, JuS 1985, 115 f.
§10. Die Aufwendungskondiktionen
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sam angewiesen, seine Schuld des S bei G zu tilgen und zahlt darauf D an G , so hat D auf seine vermeintliche Anweisungsschuld gegen S geleistet und hat gegen diesen eine Leistungskondiktion; handelt D im Auftrag des S, so steht ihm ein Rückgriff nach §670 zu; hatte D ein Ablösungsrecht (§268), so genießt er eine cessio legis 15 ; war D berechtigter Geschäftsführer ohne Auftrag, so richtet sich sein Rückgriff gegen S über § 683 nach § 670. Will D endlich mit der Zahlung an G die Schuld des S tilgen (§ 267), entspricht dies aber nicht dem beachtlichen Willen (s. § 679) des S, so liegt unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vor. In diesem Fall hat der Geschäftsführer nach § 684, 1. Satz einen Anspruch nach den Vorschriften über die Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung. In diesem Fall ist wohl auch eine Leistung und damit eine Leistungskondiktion im Verhältnis D-S nicht anzunehmen (D verfehlt ja nicht den Leistungszweck: berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, wenn er von vornherein weiß, daß S nicht zustimmt!), so daß der Rückgriff wegen Bereicherung in sonstiger Weise erfolgt, ohne daß gleichzeitig ein „Eingriff" in eine fremde Rechtssphäre zu sehen wäre 16 . So liegt es zum Beispiel, wenn D die ausstehenden Raten eines von S bei G gekauften Radioapparates gegen den Protest des S bezahlt, um in das Gerät vollstrecken zu können. Dagegen kann eine Rückgriffskondiktion nicht vorliegen, wenn D auf vermeintliche eigene Schuld zahlt. Beispiele 17 : D glaubt irrtümlich, er habe sich f ü r S bei G wirksam verbürgt, und zahlt „als Bürge" an G (wegen § 766, 2. Satz darf die Bürgschaft hier allerdings nicht bloß wegen Formmangels unwirksam gewesen sein!). D glaubt, sein H u n d habe G gebissen, und ersetzt diesem den Schaden. In Wahrheit ist G von dem H u n d des S gebissen worden. Im ersten Fall hat D eine Leistungskondiktion, da seine Zahlung eine Leistung auf seine eigene Bürgenschuld war, die nicht bestand (condictio indebiti). Im zweiten Fall hat D ebenfalls seine eigene Schuld und nicht als Dritter die Schuld des S begleichen wollen; auch hier kommt nur eine Leistungskondiktion D - G in Frage 18 . Ebenso liegt es, wenn jemand infolge falsch angeschlossener Zähler zuviel Strom bezahlt hat 19 . Er kann sich - freilich nur innerhalb der zweijährigen Präklusionsfrist - nur an den 15
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§268 III bzw. die Sondervorschriften vor allem des Pfandrechts: §§1143 I, 1150, 1225, 1249; vgl. dazu auch von Caemmerer, 239f. Vgl. BGHZ 70, 389 (396ff); BGH NJW 1983, 814. Nach Medicus, Rdn. 948. Ausführlicher oben S. 38 ff; dort auch zur Ablehnung der Möglichkeit, daß D nachträglich die Tilgungsbestimmung seiner Leistung ändert und sie als Leistung auf fremde Schuld behandelt. Dazu KG, NJW 1985, 1714; LG Aachen, NJW 1984, 2421; zu beiden Entscheidungen informativ Martinek, NJW 1985, 596.
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III. Kapitel: Bereicherung „in sonstiger Weise"
Stromlieferanten, nicht aber an denjenigen halten, der den zuviel bezahlten Strom verbraucht hat. Etwas anderes käme nur bei Zulassung nachträglicher Änderung der Tilgungsbestimmung in Betracht 20 . Ein interessanter Sonderfall der Rückgriffskondiktion wird in den Entscheidungen B G H Z 64, 170 und B G H Z 56, 22 behandelt. Es ging um die Versteigerung von Grundstücken unter Aufrechterhaltung von Grundschulden. Die persönlichen Schuldner hatten die aus § 53 Z V G resultierende Schuldbefreiungsmöglichkeit zu Lasten des Erstehers nicht wahrgenommen. Sie wurden vom Gläubiger in Anspruch genommen. Der B G H billigte Bereicherungsansprüche gegen die Ersteher der Grundstücke zu und zwar zu Recht. Denn obwohl die Kläger hier eine eigene Verbindlichkeit erfüllt hatten, war es doch Sache der von einer dinglichen Schuld befreiten Beklagten, die damit verbundene Belastung zu tragen. Das Auseinanderfallen von persönlichem Schuldner und Grundschuldverpflichteten beruht auf der Eigenart der Grundschuld gegenüber der Hypothek. Bereicherungsrechtliche Konsequenzen dürfen daraus nicht abgeleitet werden.
§11. Eingriffskondiktion gegen jemanden, dem das Erlangte geleistet worden ist? (Subsidiarität der Eingriffskondiktion?) I. Fragestellung Im Anschluß an die dogmatische Ausdifferenzierung von Leistungs- und Eingriffskondiktion als den beiden hauptsächlichen Typen der Bereicherungsansprüche ergab sich zwangsläufig das Problem, wie das Verhältnis zwischen diesen beiden Kondiktionstypen zu sehen sei. Dabei ist von vorneherein klar, daß bei Zweipersonenverhältnissen die Leistung des Kondizienten geradezu begriffslogisch seine Kondiktion wegen Bereicherung in sonstiger Weise ausschließt. Was „durch Leistung" erlangt worden ist, kann nicht gleichzeitig „in anderer Weise" erlangt worden sein 1 . Hingegen können dann, wenn mindestens drei Personen an einem Bereicherungsvorgang beteiligt sind, vor allem gerade bei Dreiecksverhältnissen, „eine Leistung (durch eine Person) und etwa ein Eingriff (in das Recht einer anderen Person) durchaus zusammentreffen" 2 . Dann ist das 20 1
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Vgl. Martinek, aaO, 601. Medicus, Rdn. 727; s. auch Esser/Weyers, §50 IV (S. 413); 399. Medicus, Rdn. 727.
Reuter/Martinek,
§11. (Subsidiarität der Eingriffskondiktion?)
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Verhältnis der konkurrierenden Ansprüche zueinander zu klären; es müssen mit anderen Worten Vorrangsregeln erarbeitet werden. II. D i e ausdrückliche Regelung des § 8 1 6 1 § 8 1 6 1 regelt ausdrücklich einen Fall, der zentral zum Problem der Konkurrenz von Leistungs- und Nichtleistungskondiktion im Dreiecksverhältnis gehört 3 : Der Erwerber erlangt durch Leistung rechtsgeschäftlich Eigentum, gleichzeitig erfolgt dieser Erwerb „in sonstiger Weise" auf Kosten des Berechtigten. In diesem Fall hat der Entreicherte bei entgeltlichem Erwerb keinen Anspruch gegen den Erwerber, sondern nur gegen den nichtberechtigt entgeltlich Veräußernden (§816 I, 1. Satz). Damit wird gleichzeitig der sachenrechtlich legitimierte redliche Erwerb vom Nichtberechtigten (s. vor allem §§932 ff) auch „kondiktionsrechtlich abgeschirmt: Der Altberechtigte kann auch nicht obligatorisch verlangen, daß der dinglich vollzogene Erwerb wieder rückgängig gemacht werde. Andernfalls wären die dinglichen Erwerbsmöglichkeiten ja auch erheblich entwertet" 4 . Lediglich bei unentgeltlicher Veräußerung hat der Entreicherte (ähnlich wie nach § 822) eine Durchgriffskondiktion (in Form der Eingriffskondiktion) direkt gegen den Erwerber (§816 I, 2. Satz) 5 . Geht man davon aus, daß derjenige, der durch Leistung erworben hat, grundsätzlich nur der Leistungskondiktion (des Leistenden) ausgesetzt ist und nicht einer Eingriffskondiktion (eines Dritten), so bedeutet § 8 1 6 I, 2. Satz eine ausdrücklich geregelte Ausnahme von diesem so formulierten (und in § 8 1 6 I, 1. Satz bestätigten) Grundsatz der „Subsidiarität der Eingriffskondiktion", einer dogmatischen Vorrangsregel, der allerdings angesichts der Sachentscheidung des Gesetzes für die Problemfälle des § 816 I keine praktische Bedeutung zukommt 6 . III. Eingriffskondiktion t r o t z Leistung in den Fällen des § 9 3 5 Frägt man im Hinblick auf andere Konstellationen nach der Möglichkeit einer Eingriffskondiktion gegen denjenigen, der durch Leistung erworben hat, so kann von einem Vorrang der Leistungskondiktion von vorneherein nur für das die Rede sein, was gerade durch Leistung erlangt worden 3
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S. auch Reuter/Martinek, 402: „§816 I BGB regelt . . . exakt einen für die Konkurrenz von Leistungs- und Nichtleistungskondiktion im Dreiecksverhältnis charakteristischen Fall." Mediens, Schuldrecht II, §133 III 1 (S. 327 f). Zur ratio dieser Regelung s. o., S. 96 f. Richtig Medicus, Rdn. 728.
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III. Kapitel: Bereicherung „in sonstiger Weise"
ist. Diese Präzisierung ist namentlich im Hinblick auf den vieldiskutierten „Jungbullenfall" des B G H 7 angebracht. Ein Dieb stahl dem klagenden Landwirt zwei Jungbullen und verkaufte sie für DM 1 701.— an den gutgläubigen Beklagten. Dieser verwertete die Tiere in seiner Fleischfabrik. Der Landwirt forderte vom Beklagten Wertersatz. Der B G H hat der Eingriffskondiktion zu Recht stattgegeben: Wenn ein gutgläubiger Erwerb wegen § 9 3 5 „nicht stattfindet und der Eigentümer das Recht erst direkt an den Verarbeiter (§ 950) verliert, besteht kaum ein Zweifel, daß auch der gültige schuldrechtliche Vertrag mit dem Nichtberechtigten den Eigentumswechsel nicht rechtfertigen kann" 8 . Sieht man (was sich aus § 9 5 1 I ergibt) in den § § 9 4 6 ff nur eine vorläufige, nicht „kondiktionsfeste" Zuordnung, „so fehlt es an einer causa im Verhältnis zum Inhaber des verletzten Rechts. Der Gedanke einer Unterordnung der Eingriffskondiktion unter Leistungsbeziehungen hätte hier in die Irre geführt" 9 . Von einer Durchbrechung des Vorrangs der Leistungskondiktion kann hier von vorneherein gar nicht die Rede sein, da der Beklagte durch Leistung lediglich Besitz erlangt hat, während er sich das Eigentum via § 9 5 0 selbst verschafft hat 10 . Erwerb durch Leistung und durch Eingriff standen im Jungbullenfall daher gar nicht im Konkurrenzverhältnis.
IV. Einbau fremden Materials durch einen Dritten Anders liegt es, wenn der Eigentumserwerb des Erwerbers wie in B G H Z 56, 228 (239 ff) tatsächlich auf Leistung beruht. Die Klägerin (K) hatte einer Baufirma S unter verlängertem Eigentumsvorbehalt (in Form der Vorausabtretung der Weiterveräußerungsforderung) Baustoffe geliefert, die diese zur Ausführung von Bauarbeiten für die Universität Saarbrükken (B) verwendet hat. Nach dem Vertrag zwischen der Universität und der Firma S war die Abtretung der aus diesem Vertrag für S entstehenden Forderungen an bestimmte Voraussetzungen, insbesondere an eine Genehmigung der Landeshauptkasse, geknüpft. S fiel in Konkurs. Der Konkursverwalter und die Konkursgläubiger kamen überein, daß jeder Gläubiger „seine" Forderung gegen die Universität selbst einklagen solle. Demgemäß trat der Konkursverwalter an 7
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BGHZ 55, 176 ff = NJW 1971, 612 mit Anm. Ehmann. S. dazu die eingehende Fallanalyse bei H. P. Westermann, JuS 1972, 18 ff; Beuthien/Weber, 72 ff mwN. H.P. Westermann, JuS 1972, 22; s. auch Alternativkomm-/oergej, §812 Rdn. 25: „Dessen" (des Verarbeiters) „Vertragsbeziehungen mit dem Dieb braucht sich der Eigentümer nicht entgegenhalten lassen". H.P. Westermann, JuS 1972, 22. S. Medicus, Rdn. 727; Reuter!Martinek, 400; zuletzt Thielmann, AcP 187, 32. BGHZ 56, 228 (239 ff) = NJW 1971, 1750 in der Stilisierung von Jakobs, JuS 1973, 152. Vgl. auch den Fall BGHZ 77, 274 ff = NJW 1980, 2245.
§11. (Subsidiarität der Eingriffskondiktion?)
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K in Höhe ihrer Forderung gegen S deren Forderung gegen die Universität Saarbrücken ab. Mit der Klage verlangte K von der Universität Zahlung von DM 51593,07". Der B G H hat eine (auf § § 9 5 1 , 812 gestützte) Eingriffskondiktion der K (gegen die Universität) abgelehnt 12 . Der Materiallieferant könne sich ausschließlich an seinen Vertragspartner halten. Diese Entscheidung ist im Ergebnis richtig 13 . Es, wie dies der B G H in seiner Elektrogeräteentscheidung B G H Z 40, 272 (278) ausdrücklich getan hat, mit der „Subsidiarität der Eingriffskondiktion" zu begründen, „Ein Anspruch wegen Bereicherung in sonstiger Weise . . . kann . . . nur dann entstehen, wenn der Bereicherungsgegenstand dem Empfänger überhaupt nicht, also von niemandem geleistet worden ist" (BGH aaO)14. ist in concreto nicht schädlich, bedeutet aber noch keinen Erkenntnisfortschritt 15 . Entscheidend sind wertende Überlegungen, namentlich dahingehend, daß der gutgläubige E das Baumaterial auch dann kondiktionsfest erworben hätte, wenn es ihm vor dem Einbau durch U übereignet worden wäre und die Voraussetzungen des (die Kondiktion ausschließenden) § 816 I (i. V. m. § 932) gegeben gewesen wären. „ O b eine solche Ubereignung wirklich vorausgeht oder nicht, darf keinen Unterschied machen" 1 6 .
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BGHZ 56, 228 (239 f) = NJW 1971, 1750. Zust. etwa Soergel/Mühl, §812 Rdn. 131; berechtigte Kritik an der allein mit dem Subsidiaritätsgedanken operierenden Begründung (BGHZ 56, 228 [239 ff]) bei Jakobs, JuS 1973, 155; Picker, NJW 1974, 1972; zuletzt auch Hager, JuS 1987, 879. Von dem so gefaßten Subsidiaritätsgrundsatz gehen etwa auch Larenz II, §68 III vor a (S. 535), Medicus, Rdn. 729 f sowie Erman/H.P. Westermann, §812 Rdn. 83 aus. Dies belegt klar der Umstand, daß der Subsidiaritätsgrundsatz auch anders, nämlich aus der Sicht des Leistenden formuliert werden kann: Ein Entreicherter, der selbst geleistet hat, wäre danach an einem Vorgehen aus Bereicherung in sonstiger Weise gehindert (so noch die 4. Aufl. des fsser'schen Lehrbuchs; ebenso U. Huber, JuS 1970, 343; KGKK-Heimann-Trosien, § 812 Rdn. 41; wohl auch BGHZ 56, 228 [239]; neuerdings wieder Schnauder, 123 f). Damit wäre die Eingriffskondiktion des H gegen E gerade nicht ausgeschlossen, weil nicht H das Eigentum geleistet hat. Vgl. dazu Medicus, Rdn. 72. So überzeugend Medicus, Rdn. 729; ebenso Thielmann, AcP 187, 36; Hager, JuS 1987, 879; s. auch Larenz II, §68 lila (S. 536f); zur Lösung „aus der Logik des gutgläubigen Erwerbs" auch Esser/Weyers, §50 IV (S. 414); ebenso Canaris, JZ 1982, 202; eingehend MünchKomm-Liei, §812, Rdn. 236 ff; Hülsmann, 49 ff; gegen die Begründung aus den Kriterien des sachenrechtlichen Gutglaubensschutzes (§§932-935) aber Kotier, AcP 153, 209; zuletzt wieder Reuter/Martinek, 404 ff.
108
III. Kapitel: Bereicherung „in sonstiger Weise"
Noch dazu ermöglicht es allein die hier befürwortete Lösung dem Kondiktionsschuldner, seinem Partner gegenüber Einwendungen aus den jeweiligen Leistungsverhältnissen entgegenzuhalten 17 . Gleichzeitig wird nur so das Insolvenzrisiko gerecht verteilt. Ist der Empfänger dagegen nicht gutgläubig, so kann der ehemalige Eigentümer gegen ihn aus § 9 5 1 I vorgehen. BeispiePs: M hat dem Kaufmann D Baumaterialien in Verwahrung gegeben; D baut das Material auf dem Grundstück des G ein. G weiß, daß D nicht Eigentümer und auch nicht zur Verfügung über das Material berechtigt ist. Der Bereicherte hätte dann nämlich im Falle einer rechtsgeschäftlichen Übertragung auch kein Eigentum erlangt (§932) und der ehemalige Eigentümer hätte nach § 985 sein Eigentum von ihm vindizieren können. Es wäre doch „merkwürdig, wenn ein auf §§ 946 ff beruhender Erwerb kondiktionsfester sein sollte als ein rechtsgeschäftlicher Erwerb, bei dem wegen des Fehlens des subjektiven Tatbestandes die §§ 932 ff nicht zum Zuge kommen können" 1 9 . Ebenso ist zu entscheiden, wenn (i. S. von § 935) abhanden gekommenes Material eingebaut wird, und zwar auch dann, wenn dieser Einbau nicht durch den Grundeigentümer, sondern den Lieferanten (und damit Leistenden) selbst erfolgt. Wäre hier nämlich das Material dem Empfänger (Grundeigentümer) zuerst übereignet worden und hätte er dann selbst eingebaut, so wäre er - wie der Empfänger im Jungbullenfall - der (auf §951 I gestützten) Eingriffskondiktion des (ehemaligen) Materialeigentümers ausgesetzt gewesen ( s . o . , S. 106). „Man wird kaum anders entscheiden können, wenn der Einbau gleich durch den Lieferanten erfolgt" 2 0 , auch wenn damit eine Ausnahme vom Prinzip gemacht wird, daß, wer etwas durch Leistung erlangt hat, insoweit keiner Eingriffskondiktion ausgesetzt ist. V. E r g e b n i s Abschließend kann festgehalten werden, daß der Satz, wonach eine Eingriffskondiktion gegen den Bereicherten immer ausscheiden muß, wenn dieser durch Leistung bereichert worden ist, in dieser Allgemeinheit nicht 17
18
19 20
S. auch Latenz II, §68 III vor a (S. 535); Esser/Weyers, §50 IV (S. 414); vgl. auch Reuter/Martinek, 406 f. Nach U. Huber, JuS 1970, 346; vgl. auch Hager, JuS 1987, 878 (zu BGH2 77, 274 ff) = NJW 1980, 2245. MünchKomm-Liet, §812 Rdn. 236 mwN. Medicus, Rdn. 730; ebenso Larenz II, §68 lila (S. 537); MünchKomm-Ii'e^, §812 Rdn. 233; anders Reuter/Martinek, 407; dagegen wiederum Thielmann, AcP 187, 35.
§11. (Subsidiarität der Eingriffskondiktion?)
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haltbar ist. Richtig (aber selbstverständlich) ist zwar, daß der Entreicherte gegen den Bereicherten nicht mit einer Eingriffskondiktion vorgehen kann, wenn er diesem gegenüber den Bereicherungsgegenstand geleistet hat. Dies ist im übrigen eine angesichts der grundsätzlich gleichen Ausgestaltung der beiden Ansprüchen im wesentlichen akademische Klarstellung. Praktisch bedeutsam würde der Subsidiaritätsgrundsatz erst dann, wenn er den Ausschluß einer Eingriffskondiktion des ehemaligen Eigentümers (vor allem aus §§951 I, 812) für den Fall begründen könnte, daß der Kondiktionsgegenstand von einer anderen Person an den Kondiktionsschuldner geleistet wurde. Dies kann aber nicht ausnahmslos vertreten werden. Die Begründung für notwendige Differenzierungen ergibt sich einmal unmittelbar aus dem Gesetz (§816 I, 2. Satz), anderseits, wie dargelegt, aus sachenrechtlichen Wertungen (§935). Es ist daher H. P. Westermann21 zuzustimmen, wenn er meint, daß für die Anwendbarkeit des Subsidiaritätsprinzips alles auf die einzelnen Fallgruppen ankomme. Angesichts dieser Lage sollte man aber wohl am besten ganz davon absehen, weiterhin von einem „Grundsatz" zu sprechen.
21
JuS 1972, 22; s. auch etwa Esser/Weyers, §50 IV (S. 414); für Aufgabe des Subsidiaritätsprinzips zuletzt auch Thielmann, AcP 187, 58 f; Hager, JuS 1987, 878. Median, Rdn. 730, spricht hingegen vom (i. S. der Rechtsprechung formulierten) Subsidiaritätsgrundsatz als „Faustregel".
Viertes Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs § 12. Übersicht I. Herausgabe des „Erlangten", der Nutzungen und Surrogate a) Aus den §§ 812, 818 I ergibt sich, daß sich der Bereicherungsanspruch zunächst auf das bezieht, was der Beklagte infolge rechtsgrundloser Leistung oder auf sonstige Weise auf Kosten des Klägers „erlangt" hat. Die §§817, 1. Satz, 816 II ordnen gleichsinnig die Herausgabe des Geleisteten an. Diese Regelung entspricht dem schadensersatzrechtlichen Prinzip der Naturalrestitution. Wie dieses ist auch der Bereicherungsausgleich zunächst gegenstandsbezogen1. Auch die Rechtsfolge des § 816 I besteht in der Herausgabe des „durch die Verfügung Erlangten". Unmöglichkeit der Herausgabe führt hier wie in anderen Kondiktionsfällen dazu, daß sich der Anspruch auf Naturalrestitution in einen Geldwertersatzanspruch umwandelt. Daraus folgt, daß es für die Bestimmung des Kondiktionsinhaltes zunächst auf eine exakte Bestimmung dessen ankommt, was der Bereicherungsbeklagte im Sinne der §§812 ff „erlangt" hat. b) Außer dem Erlangten selbst sind auch daraus tatsächlich gezogene Nutzungen sowie Surrogate herauszugeben. Insbesondere die Beschränkung der Haftung auf tatsächlich gezogene Nutzungen einerseits sowie die Bedeutungslosigkeit der Frage, ob der Bereicherungskläger die Nutzungen selbst auch gezogen hätte, andererseits, erweist die Ausrichtung der nicht nur Naturalrestitution betreffenden Kondiktion auf Veränderungen des Beklagtenvermögens und bestätigt damit den für ein korrektes Verständnis der §§812 ff grundlegenden Satz Essers, wonach wir es dort nicht mit Ent-, sondern mit Bereicherungsrecht zu tun haben2. In dem vom Gesetz vorausgesetzten Regelfall sind das „Erlangte" und dessen „Nutzungen" abgrenzbar. So liegt es zum Beispiel bei der Uberlassung einer Wohnung aufgrund nichtigen Kaufvertrags. In anderen Fällen läßt sich beides nicht mehr sinnvoll unterscheiden, etwa dann, wenn jemand eine fremde Erfindung auswertet. Erlangt wird hier nichts außer eben der Nutzung des fremden Rechtsobjektes.
1
2
Vgl. Esser, 376; Larenz, § 70 I (S. 571); Canaris, J Z 1971, 5 0 1 ; / . Wolf, 7ff. Näher Frieser, 56 ff.
Oben S. 85.
§ 12. Übersicht
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II. Fortdauer der Bereicherung a) D i e Verpflichtung z u r H e r a u s g a b e des Erlangten, seiner N u t z u n g e n u n d Surrogate ist g e m ä ß § 8 1 8 III davon abhängig, daß der Beklagte n o c h bereichert ist. D a m i t wollten die Gesetzesredaktoren z u m A u s d r u c k bringen, d a ß d e r Bereicherungsausgleich nicht zu einer Schädigung des gutgläubigen Schuldners f ü h r e n darf 3 . Dabei handelt es sich u m eine d e r wichtigsten bereicherungsrechtlichen Weichenstellungen. Ihr ist auch h e u t e n o c h zu folgen 4 . Z w a r meint Rengier ( A c P 177, S. 418 ff), die A u f fassung des historischen Gesetzgebers hänge d a m i t z u s a m m e n , daß er den B e r e i c h e r u n g s a n s p r u c h selbst als A u s d r u c k v o n Billigkeit begriffen habe. A b e r damit w i r d v e r k a n n t , d a ß die I n a n s p r u c h n a h m e des (gutgläubigen) Beklagten ü b e r d e n Betrag d e r n o c h v o r h a n d e n e n Bereicherung hinaus auch im R a h m e n der n e u e n Sichtweise des Bereicherungsrechts eines bes o n d e r e n Z u r e c h n u n g s g r u n d e s b e d ü r f t e . Ein solcher liegt nicht vor 5 . Flessner (S. 104) wendet dagegen ein, die Entlastung des Beklagten führe notwendig zu einer Schädigung des Klägers. Dies ist jedoch keineswegs immer der Fall und außerdem irrelevant. Eine Verpflichtung zum Schadensersatz gibt es nur bei Vorhandensein besonderer Zurechnungsgründe, die gegenüber dem gutgläubigen Bereicherten gerade fehlen. Schließlich läßt sich die Auffassung von Flessner auch nicht mit der Sonderregelung der §§818 IV, 819, 820 in Einklang bringen. b) E n t g e g e n seinem Wortlaut besagt § 818 III nicht, daß das noch v o r h a n dene Erlangte n i c h t herausgegeben w e r d e n b r a u c h t , w e n n die „ E n t r e i c h e r u n g " , beispielsweise infolge entsprechender A u f w e n d u n g e n im Z u s a m m e n h a n g des E r w e r b s , den Wert des Erlangten erreicht. D i e Entreicher u n g w i r d in diesem u n d in anderen Fällen der Möglichkeit gegenständlicher Restitution vielmehr in d e r F o r m berücksichtigt, daß der Beklagte n u r Z u g u m Z u g gegen E r s t a t t u n g seiner u n t e r § 818 III fallenden Vermögenseinbußen z u r H e r a u s g a b e verurteilt w i r d . I n s o f e r n ist es i r r e f ü h r e n d , w e n n in d e r R e c h t s p r e c h u n g f r ü h e r d a v o n die R e d e war, d e r Bereicher u n g s a n s p r u c h sei v o n v o r n e h e r e i n auf d e n Betrag beschränkt, d e r sich aus d e m Vergleich des Vermögensstandes ergebe, wie er jetzt sei u n d wie er sich o h n e die g r u n d l o s eingetretene Vermögensverschiebung darstelle 6 . Mit dieser F o r m u l i e r u n g w i r d nicht n u r die z u n ä c h s t gegenstandsorientierte A u s r i c h t u n g d e r K o n d i k t i o n in den H i n t e r g r u n d gedrängt; die ist 3 4 5 6
Vgl. Mugdan II, 1173 f. Zur Entstehungsgeschichte König, Bereicherung, 52 ff. Dazu auch S. 161 ff. Ebenso z. B. Esser/Weyers, § 51 II 1 (S.422f). Vgl. etwa B G H Z 9, 333 (335); RGZ 170, 67; für abstrakte Vermögensorientierung der Kondiktion unter anderem auch Flame, FS Niedermeyer (1953) 148, 153; ders., NJW 1970, 1162f; anders nunmehr mit Recht BGHZ 55, 128 (133).
112
IV. Kapitel: D e r Inhalt des Bereicherungsanspruchs
darüber hinaus sogar falsch, soweit die Voraussetzungen der §§818 IV, 819 f vorliegen. Dann wird dem Beklagten nämlich der Entreicherungseinwand versagt. Gleichwohl bleibt er Schuldner eines Bereicherungsanspruches7. c) Sondergesichtspunkte gelten für die Rückabwicklung unwirksamer gegenseitiger Verträge, für die die Umschreibung des Anspruchsinhalts in §§812, 818 nach allgemeiner Ansicht nicht paßt. Mit Variationen in dogmatischer Begründung und Einzelergebnissen steht man heute überwiegend auf dem Standpunkt, daß jeder der Partner das Risiko für das Schicksal des von ihm Empfangenen tragen müsse. III. H a f t u n g nach den „allgemeinen Vorschriften" Gemäß §818 IV haftet der Empfänger nach den „allgemeinen Vorschriften". Dasselbe ist der Fall, wenn er die Rechtsgrundlosigkeit seines Erwerbs kennt (§819 I) oder die Voraussetzungen des § 817, 1. Satz vorliegen. Haftung nach den „allgemeinen Vorschriften" tritt schließlich auch unter den Voraussetzungen des § 820 ein. Alle diese Bestimmungen haben von ihrem Tatbestand her gesehen das eine gemeinsam, daß der Bereicherte damit rechnen muß, daß das Erlangte einem anderen zusteht. Das rechtfertigt den mit der nunmehrigen Anwendbarkeit der „allgemeinen Vorschriften" ausgesprochenen Ausschluß des Entreicherungseinwandes aus §818 III 8 . Problematisch ist allerdings, was unter den „allgemeinen Vorschriften" zu verstehen ist9. IV. Wertersatz bei Unmöglichkeit der Naturalrestitution Nur, wenn die Herausgabe des zunächst Erlangten unmöglich ist, muß gemäß §818 II dessen Wert ersetzt werden. Die Bestimmung löst daher nur ein technisches Problem, das sich daraus ergibt, daß der Beklagte bereichert sein kann, obwohl die gegenständliche Restitution des Erlangten nicht (mehr) möglich ist. Aus dem damit feststehenden Fehlen einer §818 II zugrundeliegenden eigenständigen Ausgleichsidee, aus der bloß ancillarischen Funktion der Bestimmung folgt unseres Erachtens die Notwendigkeit, den Wertersatzanspruch des §818 II inhaltlich so zu fassen, daß er im wirtschaftlichen Ergebnis auf dasselbe hinausläuft wie die bereicherungsrechtliche Normalabwicklung. In methodischer Hinsicht bedeutet dies, daß sich der für § 818 II maßgebende Wertbegriff nicht isoliert 7 8 9
D a z u auch unten S. 148. Vgl. Esser, 386. D a z u unten S. 148 ff.
§ 12. Übersicht
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ermitteln läßt, sondern nur unter Heranziehung aller N o r m e n , die über den Inhalt des Bereicherungsanspruches etwas Konkretes aussagen. §818 III ist nach seinem ausdrücklichen Wortlaut auch auf den Anspruch aus § 818 II anwendbar. Auch der .Wert des zunächst Erlangten ist also nur insofern zu ersetzen, als der Empfänger noch bereichert ist.
V. Hauptprobleme und Lösungsansätze a) Die korrekte Ermittlung des Inhalts von Bereicherungsansprüchen ist gegenwärtig möglicherweise noch umstrittener als die Bestimmung des Anspruchsgrundes. So ist in letzter Zeit schon fraglich geworden, ob §818, wie es sein Wortlaut nahelegt, f ü r sämtliche Kondiktionen in grundsätzlich derselben Weise gilt oder aber je nach Art des geltend gemachten Anspruchs unterschiedlicher Auslegung fähig und bedürftig ist 10 . Immer noch umstritten sind ferner scheinbar so einfache Fragen wie die nach dem, was der Beklagte „erlangt" hat 11 , ob der „Wert" i. S. des § 818 II objektiv-abstrakt zu bestimmen oder an den konkret-individuellen Verhältnissen des jeweiligen Beklagten zu messen ist 12 , welcher Zeitpunkt dafür in Betracht kommt 1 3 , ob die Lösung für alle Fallgruppen dieselbe ist oder nicht 14 . (Auch) in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist die ebenfalls nicht sichere Bedeutung von § 818 III in Konfrontation mit der H a f t u n g des bösgläubigen Bereicherten nach den §§818 IV, 819, 82015. Die Rechtslage kompliziert sich, wenn nicht eine „einseitige" Kondiktionslage, sondern die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung gegenseitiger Verträge zu beurteilen ist 16 . Für die meisten der genannten Probleme stellen sich schließlich zusätzliche, ihrerseits uneinheitlich beantwortete Fragen, wenn nicht oder beschränkt Geschäftsfähige an der „Kondiktionslage" beteiligt sind. Ein wesentlicher G r u n d dieser Schwierigkeiten besteht darin, wie namentlich Reuter/Martinek deutlich gemacht haben, daß die Auseinandersetzungen über den Anspruchsgrund in den Anspruchsinhalt hinein verlängert werden - u. E. ohne zwingende Notwendigkeit. Des weiteren bestehen immer noch Uneinigkeiten darüber, ob und welche Schlüsse aus anderen Regeln des BGB zu ziehen sind, die es mit Interessenlagen zu tun 10 11 12 13 14 15 16
Für letzteres namentlich Reuter/Martinek, 520 ff, dazu S. 115 f. Dazu S. 116 ff. Dazu S. 169 ff. Vgl. S. 175 ff. Dazu zusammenfassend S. 192 f. Vgl. S. 128 ff. Vgl. S. 136 ff, 151 ff, 180 ff.
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
haben, wie sie in ähnlicher Form auch im Bereicherungsrecht vorkommen. Seit erkannt ist, daß es auch hier nicht um ein Billigkeitsrecht sozusagen höherer Ordnung, sondern um eine rechtlich strukturierte Ausgleichshaftung geht 17 , steht gleichzeitig folgendes fest: Jede bereicherungsrechtliche Lösung einschließlich der für sie vorgetragenen Argumente muß sich in den Entscheidungs- und Wertungsrahmen des übrigen Zivilrechts einfügen lassen 18 . So ist es z. B. unumgänglich, die Haftung jedenfalls des bösgläubigen Bereicherungsschuldners mit der des Rücktrittsgegners nach den §§ 346 ff in Beziehung zu setzen 1 ' oder danach zu fragen, was § 2 8 1 über den Inhalt der Kondiktion aussagt 20 . Im Rahmen dieser Darstellung können derartige Parallelkomplexe allerdings nun nicht ihrerseits wieder kritisch gewürdigt werden. So legen wir z. B . ohne weitere Prüfung mit der ganz herrschenden Meinung zugrunde, daß §281 auch den Anspruch auf Herausgabe des sog. stellvertretenden commodum abdeckt. Im übrigen ist es methodisch geboten, streng zwischen einseitigen Kondiktionslagen und der Rückabwicklung fehlerhafter gegenseitiger Verträge zu unterscheiden. Denn für letztere lassen sich dem Gesetz nur die maßgeblichen Wertungen entnehmen. Dagegen fehlt es an Vorschriften über die rechtstechnische Umsetzung dieser Wertungen. Die Rechtsprechung hat es immer wieder als „obersten Grundsatz des Bereicherungsrechts" bezeichnet, daß die „Herausgabepflicht des (gutgläubigen) Bereicherten keinesfalls zu einer Verminderung seines Vermögens über den Betrag der wirklichen Bereicherung hinausführen darf" 2 1 . Sie befindet sich damit im Einklang nicht nur mit den Materialien 22 , sondern auch der ganz überwiegenden Auffassung der Literatur. Die grundsätzliche Richtigkeit dieser Hypothese ergibt sich vornehmlich aus § 8 1 8 III. Grundlage der dort positivierten Wertung ist wiederum, daß es im schuldlosgelösten Bezugssystem des Bereicherungsrechts im allgemeinen keinen Grund dafür gibt, den gutgläubigen Beklagten zum Griff in die eigene Tasche zu zwingen. Randkorrekturen anhand einer genaueren Analyse des § 8 1 8 III zugrundeliegenden Normzwecks (S. 128) und auf der Grundlage speziellerer Sonderwertungen 23 werden dadurch nicht ausgeschlossen. Aber eine Relativierung der gesetzlichen Grundwertung con17 18 19 20 21
22 23
Dazu oben S.2f. Überzeugend Reuter/Martinek, 584. Dazu S. 152, 182 ff. Vgl. S. 123, 158. BGHZ 55, 128 (131); BGH WM 1978, 711; BGHZ 93, 183 (188); wN bei Koppensteiner, NJW 1971, 1770. Mugdan II, 1173 f. Beispiel: Keine Anrechnung des an einen Dritten gezahlten Kaufpreises wegen §935; vgl. S. 133.
§ 12. Übersicht
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tra legem k o m m t nicht in Betracht. Goetzke24 meint allerdings, dahinter verberge sich ein antiquiertes Dogmatikverständnis. Aber der Gegenvorschlag, positivierte Wertungen auf ihre Kongruenz mit der Wirklichkeit mit dem Ziel der Herstellung eines Konsenses über die jeweils vernünftige Lösung zu „hinterfragen", verkennt die Rolle jener, die sich mit der Entfaltung des geltenden Rechtes zu beschäftigen haben 25 . Damit ist zugleich allen Versuchen, den Anwendungsbereich von §818 III mit außersystematischen, also nicht auf das Gesetz gestützten Erwägungen einzuschränken 2 6 eine Absage erteilt. In der zeitgenössischen Standardliteratur wird derartiges denn auch kaum mehr vertreten 27 . b) Streitig ist, ob der Bereicherungsanspruch gegenstands- oder vermögewsorientiert sei 28 . Die Frage ist in dieser radikalen Form falsch gestellt. Denn das „Erlangte" muß ohne Rücksicht auf seinen Vermögenswert stets herausgegeben werden. Andererseits ergibt sich schon aus §818 III mit seiner Betonung der „Bereicherung", daß es auch auf die Vermögensentwicklung jedenfalls des gutgläubigen Beklagten ankommt. Er wird grundsätzlich dagegen geschützt, mehr als die (noch) vorhandene Bereicherung herauszugeben, ist andererseits aber, wie sich zeigen wird, verpflichtet, auch die gesamte Vermögensmehrung zu restituieren. Das spricht f ü r die Vermögensorientierung der Kondiktion. Beim bösgläubigen Beklagten liegen die Dinge aber wiederum anders. Es sind also Differenzierungen erforderlich. Diese sollten entgegen Reuter!Martinek29 allerdings nicht grundsätzlich von der Kondiktionsart (wegen Leistung, Eingriff, Abschöpfung) abhängig gemacht werden 30 . Dagegen sprechen zunächst die §§818 ff selbst, die keine entsprechenden Differenzierungen enthalten. Gewiß ist richtig, daß auch das Schadensersatzrecht mit der Berücksichtigung des Zwecks von Schutzgesetzen i. S. von § 823 II den Haftungsumfang (teilweise) mit dem Haftungsgrund in Verbindung gebracht hat. Aber für das Bereicherungsrecht ist eine entsprechende, also haftungserhebliche Grundlagenverschiedenheit der einzelnen Kondiktio24 25
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AcP 173, 300. Dazu unübertroffen klar Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff (1982) 154 ff in Auseinandersetzung mit Esser. Vgl. vor allem Flessner, passim; Lieb, 98 ff; auch Wilburg, AcP 183, 356 ff. Vgl. z. B. Urem, § 70 I (S. 571 ff); Esser/Weyers, § 51 I (S. 414 ff); Fikentscher, § 100 (696 ff); Erman/H.P. Westermann, § 818 Rdn. 31. Übersicht über die Auffassung der Redaktoren des BGB und den heutigen Meinungsstand bei Reuter/Martinek, 516 ff. S. 520 ff; mit dieser Ansicht sympathisierend Schlechtriem, ZHR 1985, 341 f; Weitnauer, DB 1984, 2501. Wie hier z. B. MünchKomm-Z.^, §812 Rdn. 291.
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
nen u. E. bisher nicht zureichend nachgewiesen worden. Hinzukommt, daß die Abgrenzung namentlich zwischen Leistung und Eingriff, wie insbesondere der Flugreisefall gezeigt hat, mitunter äußerst prekär ist31, ohne daß einsichtig wäre, inwiefern der Anspruchsinhalt von einer Lösung dieser Frage abhängig gemacht werden könnte32. Wenn zutreffend darauf hingewiesen wird, daß die §§346 ff zunächst nur etwas über die Leistungskondiktion ergeben, so folgt daraus nicht, daß dieser Kondiktion ein von vornherein spezifischer Inhalt zugeschrieben werden müsse, sondern nur, daß einzelne Fragen im Zusammenhang mit der Schuld des bösgläubigen Beklagten nicht ohne Berücksichtigung der §§346 ff gelöst werden können. Ein wesentlicher Einwand ergibt sich auch aus der Komplizierung der Rechtslage, die mit der Übernahme des Vorschlags von Reuter/Martinek verbunden wäre. Ein dementsprechender praktischer Ertrag steht dem nicht gegenüber.
§13. Der bereicherungsrechtliche Primäranspruch (§§ 812,816, 817,1. Satz, 8181) I. Herausgabe des „Erlangten" 1. Das „Erlangte" im Sinne der §§ 812,817,1. Satz, 8181 a) Wird eine Sache indebite geleistet, so erlangt der Empfänger Eigentum und Besitz, nur letzteres, wenn er sie wegnimmt. Die Herausgabeverpflichtung des Bereicherten bezieht sich hier also auf Rückübertragung von Eigentum und (oder) Besitz. Verallgemeinernd läßt sich sagen, daß jedes Recht, jede Rechtsposition (zum Beispiel bloßer Buchbesitz), ferner aber auch nicht gegenständliche Vorteile (zum Beispiel der rechtsgrundlose Erlaß einer Forderung) als das „Erlangte" und damit als Gegenstand bereicherungsrechtlicher Naturalrestitution in Betracht kommen1. Nur bei untrennbarer Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung gibt es kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung (§951 I) keine Herausgabe des Erlangten in Natur. Die statt dessen vorgesehene Vergütung in Geld läuft im Ergebnis auf dasselbe hinaus wie Wertersatz gemäß §818 II 2 . In 31 32 1
2
B G H Z 55, 128; dazu z. B. Teichmann, JuS 1972, 249; Canaris, J Z 1971, 560f. Dazu auch Schlechtriem, aaO. Einzelheiten etwa in RGRK-Heimann-Trosien, §812 Rdn. l f f ; MünchKommLieb, §812 Rdn. 292 ff; Staudinger/Lorenz, §812 Rdn. 65 ff; zur Frage der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung sittenwidriger Ratenkreditverträge vgl. B G H BB 1983, 1882 m . H . auf Vorjudikatur. Ausführlich Canaris, WM 1981, 981 ff. Nachweise von Vertretern anderer Ansichten und Kritik bei Koppensteiner, N J W 1971, 592.
§13. Der bereicherungsrechtliche Primäranspruch
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den Fällen der auf das Bereicherungsrecht verweisenden §§ 528 1 2, 1973 II 2, 2329 II kann die Naturalrestitution durch Zahlung des entsprechenden Geldbetrages abgewendet werden. Soweit bereicherungsrechtliche N a t u ralrestitution möglich ist, k o m m t es nicht darauf an, ob das Vermögen des Beklagten gemehrt wurde. Denn das Gesetz unterscheidet deutlich zwischen dem Erlangten und der Bereicherung. Es ist also unrichtig, den Anspruch auf Herausgabe einer schriftlichen Ehrenerklärung mit dem Argument abzulehnen, das Papier, auf das die Erklärung des Klägers geschrieben sei, stelle in der H a n d des Beklagten keinen Vermögenswert dar 3 . Z u r Frage, was bei der Rückabwicklung von Dreiecksverhältnissen jeweils als „erlangt" zu gelten hat, vgl. oben S. 26, 28. Art und Weise der Herausgabe richten sich notwendig nach der A r t des Erlangten. Tatsächliche Positionen, z. B. der Besitz einer Sache müssen zugunsten des Berechtigten aufgegeben werden, Rechte sind zurückzuübertragen, untergegangene Forderungen wieder zu begründen. Besteht die Bereicherung umgekehrt in einer Forderung aufgrund rechtsgrundlosen abstrakten Versprechens (vgl. § 812 II), so ist die Forderung zu erlassen und eine darüber ausgestellte U r k u n d e zurückzugeben. Bloße Buchpositionen müssen mittels Zustimmung zur Berichtigung des G r u n d buches restituiert werden. In einem Fall, in dem jemand einem anderen rechtsgrundlos Geld zum Erwerb eines Grundstücks gegeben hatte, hat der B G H angenommen, hier könne je nach dem Willen der Parteien Geld oder Grundstück Gegenstand der Zuwendung sein, handle es sich um das Grundstück, so sei dieses herauszugeben ( B G H , LM N r . 1 zu §313). Bei Begünstigung mehrerer Personen durch eine ungerechtfertigte Bereicherung haftet jede grundsätzlich nur auf das, was sie erhalten hat 4 . Demgegenüber tendiert die Rechtsprechung zur Annahme gesamtschuldnerischer Haftung, wenn unter den Bereicherten eine BGB-Gesellschaft besteht 5 . b) Umstritten ist, was der Bereicherte bei Ge- oder Verbrauch fremder Sachen, bei der Verletzung fremder Rechte sowie bei rechtsgrundloser Dienst- oder Werkleistung erlangt. Vier Ansichten sind denkbar u n d werden vertreten.
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So aber BGH NJW 1952, 417; Jakobs, 32ff; Latenz, §68 (S. 521), wie hier die h. M.; vgl. etwa MünchKomm-Liei, §812 Rdn. 287; Reuter/Martinek, 530 f; Staudingerl Lorenz, §812 Rdn. 64, alle mwN. BGH WM 1973, 71; MünchKomm-Lie^ §812 Rdn. 323. Vgl. BGHZ 61, 338; OLG Hamburg, BB 1984, 14ff; BGH NJW 1983, 1907 mN zum - kontroversen - Meinungsstand, ferner etwa MünchKomm-Lzei, § 812 Rdn. 324 ff; Reuter!Martinek, 611 ff.
IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs aa) Lieb6 sieht das Erlangte in diesen Fällen in der Gebrauchs- oder Verwendungsmöglichkeit. Das soll sowohl für die Leistungs- als auch für Eingriffskondiktion gelten. Für letztere scheitert diese Ansicht an dem von Haines7 hervorgehobenen Umstand, daß prinzipiell jedermann die Möglichkeit hat, in fremdes Vermögen einzugreifen. Diese Möglichkeit kann man jedoch nicht sinnvoll als Vermögensbestandteil des potentiellen Rechtsbrechers qualifizieren. Wer in der Nähe eines Obstbaumes oder eines unabgeschlossenen Fahrrades vorbeikommt, hat zwar die Möglichkeit zu ernten oder das Rad zu benutzen. Nimmt er diese Möglichkeit jedoch nicht wahr, so wird mangels irgendeiner rechtlichen Zuordnung nichts erlangt, was Gegenstand eines Bereicherungsanspruches sein könnte. Wird eine Gebrauchsmöglichkeit aufgrund Vertrages eingeräumt, beispielsweise ein Automobil vermietet, so schlägt diese Argumentation wegen nunmehrigen Vorhandenseins einer rechtlich verwertbaren Beziehung zwischen Gebrauchsmöglichkeit und Bereicherungsbeklagten nicht durch, liegt es also nahe, in dieser Möglichkeit in der Tat das primär Erlangte zu sehen. Die Bestimmung des Bereicherungsgegenstandes wäre daher je nach der Art des Bereicherungsvorganges unterschiedlich vorzunehmen 8 . Indes ist gegen diese Differenzierung einzuwenden, daß gemäß §818 I nur „gezogene" Nutzungen, also nur wirklich in Anspruch genommene Gebrauchvorteile herauszugeben sind, nicht aber solche Vorteile, deren Erlangung lediglich möglich war'. Reuter/Martinek (S. 531 f) wollen die Nutzungsmöglichkeit dennoch dann als das erlangte Etwas ansehen, wenn ein fehlerhafter Gebrauchsüberlassungsvertrag vorliegt 10 . Ausschlaggebend dafür sollen der Vertragszweck und die Parallele zu §346 Satz 2 sein. Dahinter steht die Annahme, bei der Leistungskondiktion gehe es nicht um die Abschöpfung ungerechtfertigten Habens. Jedenfalls letzteres ist abzulehnen 11 . Auch auf den Vertragszweck kann es demnach nicht mehr ankommen. Unabhängig davon wäre es ohnehin bedenklich, dem Zweck des nichtigen oder vernichteten Vertrages Bedeutung für den Inhalt der Kondiktion zuzumessen. § 346 S. 2 schließlich sagt zwar möglicherweise etwas über die Schuld des bösgläubig Bereicherten, aber nichts über das Erlangte. Da dessen gegenständliche Restitution ganz offensichtlich in allen hier interessierenden Fällen nicht in Betracht kommt, ist richtigerweise nach der Bedeutung von § 346 S. 2 für den Wertbegriff des §818 II zu fragen. Bloße Gebrauchs- oder Verwendungsmöglichkeiten können also niemals das i. S. der §§812 ff Erlangte sein. Die allgemein gebilligte Einsicht, daß sich der Kondiktionsausschluß bei Wucherdarlehen (§817) nicht auf das Kapital, sondern die Kapitalnutzung bezieht (vgl. S. 65), steht dem N J W 1971, 1289 ff; ebenso MünchKomm-£ie/>, §812 Rdn. 301 f. S. 40 ff; vgl. auch Gursky, JR 1972, 281, Fn. 17; Batsch, N J W 1972, 614, Fn. 17; ferner Reuter!Martinek, 533 f: Kollision mit den Denkgesetzen und B G H Z 82, 299 (306). So in der Tat Ostendorf, 25. Canaris, J Z 1971, 561. Gegen diese Differenzierung Staudinger/Lorenz, §818 Rdn. 13. Oben S. 10 ff.
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nicht entgegen 12 . Denn dieser Rechtssatz beruht auf dem Bedürfnis nach interessengerechter Einschränkung des Kondiktionsausschlusses. Generalisierungsfähige Aussagen über die Bedeutung des Erlangten lassen sich daraus nicht entwickeln. So ist denn auch ganz unbestritten, daß Gegenstand der Kondiktion bei aus sonstigen Gründen unwirksamem Darlehensvertrag das hingegebene Kapital selbst ist. Zinsen kommen (beim gutgläubigen Beklagten) nur dann hinzu, wenn sie tatsächlich angefallen sind (dazu S. 126). Auch hier trifft es also nicht zu, in der Kapitalnutzungsmöglichkeit das primär Erlangte zu sehen 15 . bb) Nach früher überwiegender Auffassung ist das „Erlangte" in den Gebrauchs- und Verbrauchsfällen in der Ersparnis von Aufwendungen zu suchen 14 . Diese Auffassung ist jedoch in den letzten Jahren zunehmend kritisiert worden und kann heute als widerlegt gelten 15 . Die Identifizierung des Erlangten mit der Ersparnis von Aufwendungen scheitert schon daran, daß eine Ausgabenersparnis erst die Folge davon ist, daß man etwas erlangt, f ü r das man andernfalls hätte Aufwendungen machen müssen 16 . Hinzu kommt, daß § 818 II Wertersatz auch bei Unmöglichkeit der Herausgabe wegen Beschaffenheit des Erlangten anordnet. Das in den Motiven 17 genannte Beispiel - Dienstleistungen - zeichnet sich dadurch aus, daß der Empfänger von vorneherein keine Sache erlangt, die er in natura zurückgeben könnte. Ebenso liegt es in den Gebrauchsfällen. Die Annahme, primär erlangt sei hier die Ersparnis, würde also mit dem vom Gesetzgeber gewollten Anwendungsbereich des §818 II kollidieren 18 . cc) Gelegentlich ist der Begriff des „Erlangten" auch auf den konkreten Verwendungserfolg, also zum Beispiel die mit Hilfe fremder Patente hergestellte Maschine, bezogen worden 19 . Diese Ansicht beruht letzten Endes auf der unhaltbaren Annahme, die Kondiktion setze schon dem Grunde nach eine Vermögensvermehrung voraus 20 ; ferner verwechselt sie wie die Lehre von der Ersparnisbereicherung das Erlangte mit seinen Folgen für das Vermögen des Bereicherten 21 . Jakobs' Behauptung schließlich, daß die Herausgabe der „producta sceleris" am besten auf die Interessenlage der Parteien zugeschnitten sei, ist von Haines (139 f) überzeugend widerlegt worden. Insgesamt ist diese Lehre also abzulehnen. 12 13 14
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Vgl. aber Reuter/Martinek, 529. Anders namentlich MünchKomm-Ziei, §812 Rdn. 306. Umfangreiche Einzelnachweise bei Gursky, JR 1972, 279; vgl. auch Koppensteiner, N J W 1971, 1774. Anders allerdings immer noch Reuter!Martinek, 533 für die Eingriffskondiktion, insofern allerdings ohne nachvollziehbare Begründung. So zuerst Kleinbeyer, J Z 1961, 474. Vgl. Mugdan II, 467. Vgl. Koppensteiner, N J W 1971, 1774. So z.. B.Jakobs, 73 ff. Im einzelnen Koppensteiner, N J W 1971, 1774. Vgl. Ostendorf, 27.
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
dd) Die heute herrschende Meinung sieht das für die gegenwärtig interessierende Fallgruppe erhebliche Erlangte im Gebrauch, Verbrauch oder in den rechtsgrundlos geleisteten Diensten selbst 22 . Das Erlangte besteht mit anderen Worten in dem nicht gegenständlichen Vorteil, nicht erst in den Auswirkungen dieses Vorteils auf das Empfängervermögen. Diese Lehre hat den Vorzug, daß sie sich am besten in die bei der Sachkondiktion am deutlichsten zum Vorschein kommende gegenständliche Orientierung des Bereicherungsanspruchs einfügt. Darüber hinaus läßt sie die konkrete Bestimmung der Rechtsfolgen noch offen - Naturalrestitution kommt ja offensichtlich nicht in Betracht. Demzufolge können diese Rechtsfolgen entsprechend einer ausdrücklich fixierten Wertung des Gesetzes für gut- und bösgläubige Bereicherungsschuldner differenziert werden, eine Möglichkeit, deren sich die Lehre von der Ersparnisbereicherung von ihrem theoretischen Ansatz her gesehen zu Unrecht begibt. F ü r Dienst- und Werkleistungsfälle gilt die für Ge- und Verbrauch herausgearbeitete Regel entsprechend. „Erlangt" i. S. der §§812, 818 I sind die Dienste oder das Werk, auch hier also nicht die Aufwendungsersparnis 23 . Die Unterscheidung zwischen Leistungs- und Eingriffskondiktion spielt auch hier keine Rolle. So hat der B G H bezüglich eines blinden Passagiers mit Recht angenommen, er habe die Transportleistung erlangt - und dies, obwohl mit großer Wahrscheinlichkeit ein Eingriff zugrundegelegt wurde 24 . c) F ü r die von ihnen sog. Ahscböpfungskondiktion25 vertreten Reuter/ Martinek (S. 542) die These, jedenfalls hier sei das Erlangte infolge der für diese Fälle geltenden Orientierung der Kondiktion am Beklagtenvermögen mit der Ausgabenersparnis zu identifizieren. Auch insoweit ist ihnen aber nicht zu folgen. Denn die Vermögensorientierung des Anspruchs hat zwar etwas mit dem Inhalt der Kondiktion, aber nichts damit zu tun, wie das primär Erlangte bei Unmöglichkeit gegenständlicher Herausgabe zu bestimmen ist. Wer von einem zerstreuten Nachbarn sein zur Bebauung vorgesehenes Grundstück gepflügt bekommt, erlangt dennoch nicht nichts (die nicht vorhandene Ersparnis), sondern das Pflügen. Wessen 22
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Staudinger/Lorenz, § 812 Rdn. 71; Erman/H. P. Westermann, § 812 Rdn. 9; Larenz, §68 II (S. 530); Schlechtriem, Symposium König (1984) 64f, alle rawN, ebenso jetzt ausdrücklich auch BGHZ 82, 299 (307) und BGH NJW 1987, 2869 (2872); vgl. ferner BGHZ 55, 128 (130); dazu Canaris, JZ 1971, 561. Vgl. nur Reuter/Martinek, 531; Erman/H. P. Westermann, §812 Rdn. 9; ein Sonderfall in BGHZ 75, 299. BGHZ 55, 128 (131 f); vgl. Lieb, NJW 1971, 1289 f. Nach hier bevorzugter Terminologie Verwendungs- und Rückgriffskondiktion; vgl. oben S. 68.
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Verbindlichkeit durch einen Dritten getilgt wird, erlangt die Befreiung von dieser Verbindlichkeit, auch wenn ihm dadurch eine Aufrechnungsmöglichkeit oder die Verjährungseinrede abgeschnitten wird. Im praktischen Ergebnis ändert sich allerdings nichts. Denn auch nach hier vertretener Auffassung ist die fehlende Bereicherung des Beklagten zu berücksichtigen und zwar über § 8 1 8 II 2 6 . Die Auffassung von Reuter/Martinek scheitert auch hier schon daran, daß von einer Aufwendungsersparnis nur dann die Rede sein kann, wenn der Bereicherte etwas erlangt hat, für das ohne den bereichernden Vorgang Aufwendungen gemacht worden wären. Die Aufwendungsersparnis kann daher nicht das primär Erlangte sein, auf das sich § 8 1 8 I bezieht. 2. Das „ E r l a n g t e " im Sinne des § 8 1 6 1 , 1 . Satz a) § 8 1 6 I spricht von dem „durch die Verfügung Erlangten". Nach Auffassung der Rechtsprechung ist dieser Wortlaut eindeutig: Der Verfügende habe den Kaufpreis erlangt 27 . Demgegenüber ist zutreffend darauf hingewiesen worden, daß die Kaufpreisforderung durch den Abschluß des Kaufvertrages und der Kaufpreis durch eine Erfüllungsleistung des Erwerbers erlangt wird 2 8 . Andererseits scheint die Auffassung der Judikatur mit der des historischen Gesetzgebers übereinzustimmen 29 . Bei dieser Ausgangslage ist es am besten, zunächst Klarheit darüber zu schaffen, was nach § 8 1 6 I Satz 1 herauszugeben ist und erst danach zu fragen, welches Verständnis des Erlangten dem am besten entspricht. b) Nach heute (fast) einheitlicher Meinung bezieht sich die Herausgabepflicht des § 8 1 6 I, l . S a t z auf die Gegenleistung für die Hingabe des fremden Gegenstandes. Einigkeit besteht ferner darüber, daß nur diese Gegenleistung herauszugeben ist, und zwar auch dann, wenn ihr Wert hinter dem zurückbleibt, was der Berechtigte verloren hat 30 . Dagegen herrscht heftiger Streit hinsichtlich der Frage, ob im Fall nichtberechtigter Veräußerung einer Sache über ihrem objektiven Wert nur dieser oder der
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Vgl. S. 166 ff. So besonders deutlich BGHZ 29, 157 (159). So z. B. Medicus, Rdn. 723. Vgl. Reuter/Martinek, 318; Lopau, 19; König, Bereicherung, 161; kritisch allerdings Höhn, 51 ff. So etwa BGH LM Nr. 15 zu § 816; Erman/H. P. Westermann, Rdn. 20; RGRKHeimann-Trosien, §816 Rdn. 12; MünchKomm-Z-iei, §816 Rdn. 33; anders wohl nur Reuter/Martinek, 325 ff auf der Grundlage ihres hier abgelehnten Konzepts der Eingriffskondiktion.
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
gesamte Veräußerungserlös (d. h. objektiver Wert plus Veräußerungsgewinn) restituiert werden muß 3 1 . Für die Begrenzung des Anspruchs aus § 816 I, 1. Satz auf den objektiven Wert des weitergegebenen Gegenstandes werden verschiedene Argumente geltend gemacht 32 . Einmal soll sich die Notwendigkeit dieser Deutung daraus ergeben, daß auch gemäß § 818 II nur der objektive Wert des nicht herausgabefähigen Erlangten liquidiert werden könne. D a § 8 1 6 I, 1. Satz einen Sonderfall der Eingriffskondiktion regelt und insofern prinzipielle Unterschiede des Anspruchsinhalts zu anderen Fällen dieser Art nicht plausibel zu machen wären 33 , ist dieses Argument folgerichtig. Indessen setzt es voraus, daß § 8 1 8 II tatsächlich einen objektiven Maßstab der Wertermittlung normiert, eine Annahme, die unseres Erachtens nicht zutrifft 3 4 . Zweitens wird gesagt, der Veräußerungsgewinn falle nicht in den Zuweisungsgehalt des verletzten Eigentums. Unterstützend fügt man gelegentlich hinzu, Mehrerlöse würden regelmäßig nicht „aus der Sache" erlangt, sondern beruhten auf der persönlichen Geschäftstüchtigkeit des Veräußerers. Aber schon Wilbttrg (S. 128 ff) hat aus dem Zuweisungsgehalt einen Anspruch aus Gewinnherausgabe abgeleitet. Wer Gegenteiliges behauptet, verkennt, daß auch die Gewinnerzielung prinzipiell nur dem Rechtsinhaber zusteht. O b dieser in concreto einen solchen Gewinn hätte machen können, kann nicht ins Gewicht fallen, weil anderenfalls in systemwidriger Weise auf Ent- und nicht auf Bereicherung abgestellt würde 3 5 . Es ist auch nicht unbillig, besondere Geschäftstüchtigkeit des Nichtberechtigten im Ergebnis zugunsten des Berechtigten ausschlagen zu lassen. Denn letzterer trägt ja auch das volle Risiko dafür, daß seine
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Für objektiven Wert z.B. Latenz, § 69 IV (S. 565); Fikentscher, §99 IV (S. 685); Soergel/Siebert/Mühl, § 816 Rdn. 2; von Caemmerer, 283 f; dagegen etwa Esser, 369; Esser/Weyers, §50 II 2 (S.408); Erman/H.P. Westermann, §816 Rdn. 20; MünchKomm-I»e£, §816 Rdn. 30; Reuter/Martinek, 321 ff mwN 317. So auch die ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BGHZ 29, 157 (159); BGH WM 1975, 1179; BGH NJW 1980, 178; BGH NJW-RR 1986, 876. Vgl. Koppensteiner, NJW 1971, 1772 mN; Reuter/Martinek, 316f. Ausführliche Entwicklung dieses sehr wichtigen Arguments bei Höhn, 118 ff; ebenso z. B. Erman/H. P. Westermann, § 818 Rdn. 18; Latenz, FS von Caemmerer (1978) 228; vgl: auch BGHZ 75, 203 (208 f); dagegen Reuter/Martinek, 323. Danach soll § 816 I im Unterschied zu § 818 von dem Gedanken der Surrogation wegen Vereitelung eines dinglichen Herausgabeanspruchs geprägt sein. Das ist unvereinbar damit, daß dieselben Autoren (321) den Anspruch aus §816 I zu Recht in eine Ebene mit dem aus §281 rücken. Vgl. unten S. 155 ff. Vgl. Esser, 369 f.
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Sache unter Wert veräußert wird 36 . Schließlich wird die Beschränkung des gemäß §816 I, l.Satz Erlangten auf den objektiven Wert auch damit begründet, die Gegenansicht verwische unzulässigerweise den Unterschied zu § 687 II. Diese Bestimmung eignet sich jedoch schon deshalb nicht als Grundlage eines e-contrario-Schlusses, weil der nicht berechtigte Eigengeschäftsführer im Unterschied zum Kondiktionsschuldner seine Aufwendungen nicht abziehen darf. Der Anspruch aus §816 I Satz 1 ist gegenüber dem aus §687 II daher als Minus aufzufassen 37 . Für die Herausgabe der gesamten Gegenleistung (also einschließlich etwaiger Gewinne) wird zunächst in freilich zweifelhafter Weise38 der Wortlaut des §816 I, 1. Satz in Anspruch genommen. Ferner spricht für diese Lösung, wie dargelegt, die Entstehungsgeschichte sowie der Umstand, daß nach §281 nach heute völlig herrschender Meinung das gesamte commodum ex negotiatione herauszugeben ist39. Es gibt keinen Gesichtspunkt, der es rechtfertigen würde, den Gläubiger des Anspruchs aus § 816 I, 1. Satz schlechter zu behandeln als denjenigen, der einen Anspruch aus §281 geltend macht 40 . Schließlich - und das fällt u . E . am stärksten ins Gewicht - trägt der Berechtigte unstreitig das gesamte Risiko der Unter-Wert-Veräußerung. Mit Rücksicht auf diese Risikoverteilung „bedarf es wohl keiner weiteren Begründung dafür, daß es grundsätzlich die jeweilige Vergütung in ihrem ganzen Umfang ist, auf die sich der Zugriff des früheren Rechtsinhabers richtet" 41 : Cuius est periculum, eius et commodum esse debet 42 . c) Insgesamt dürfen wir also davon ausgehen, daß der nichtberechtigte Verfügende grundsätzlich auch seinen Gewinn herausgeben muß. Damit ist noch nicht entschieden, ob er nicht wenigstens diejenigen Gewinnteile behalten darf, die seinem eigenen Betrag zuzurechnen sind. So meint beispielsweise Esser (S. 369), gewinnsteigernde Aufwendungen in Form von Verbesserungen der fremden Sache, persönlichem Arbeitseinsatz etc.
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Vgl. auch Jakobs, 17 ff. Ausführlicher Reuter/Martinek, 539. Zusätzliche Überlegungen bei Jakobs, 90ff, 101 f; Esser, 370; Esser/Weyers, §50 II 2 (S.408). Dazu oben S. 121. Vgl. nur MünchKomm-Emmerich, §281 Rdn. 8 m w N ; kritisch neuerdings Höhn, 20 ff. Der Text legt die h. M. zugrunde, die hier nicht überprüft werden kann. Lopau, 24; vgl. auch Reuter/Martinek, 321 und Koppensteiner, N J W 1971, 1771 f; ausführlich und überzeugend jetzt Höhn, 110 ff. Rothhoeft, AcP 166, 250. Vgl. Esser, 369; Reeb, 100 m w N .
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
seien über eine entsprechende Gewinnbeteiligung des Eingreifers abzugelten 43 . Diese Ansicht ist abzulehnen, denn sie durchbricht in systemwidriger und durch fallgruppenbezogene Sonderwertungen nicht zu rechtfertigender Weise das Grundprinzip, daß der Kondiktionsschuldner bei Unmöglichkeit gegenständlicher Restitution die gesamte Bereicherung herauszugeben hat. Daß er nicht mehr als diese schuldet, ergibt sich auch für § 816 I, 1. Satz jedenfalls aus §818 III, II. In diesem Rahmen sind - wie wir sehen werden - nicht nur tatsächliche Vermögensopfer des Beklagten berücksichtigungsfähig, sondern auch die Einbuße von Vermögensvorteilen, die der nichtberechtigt Verfügende bei Kenntnis der Sachlage, beispielsweise durch Veräußerung eigener Sachen, erzielt hätte 44 . d) Zu klären bleibt, wie das i. S. von §816 I Satz 1 „Erlangte" präzisiert werden kann. Der Verkehrswert der Sache, über die verfügt wurde, kann es nicht sein, weil er sich nicht mit der Gewinnhaftung des Beklagten verträgt. Mit der herrschenden Lehre schlicht auf den Veräußerungserlös abzustellen, ist wegen des Wortlauts schwierig 45 . Vor allem aber würde dieser Ansatz zu ganz unangemessenen Ergebnissen führen, wenn der Verfügung ein Tauschvertrag zugrundeliegt. Läßt sich zum Beispiel der Schuldner für einen wertvollen Brillantring von einem berühmten Chirurgen eine Blinddarmoperation versprechen, so würde sich der Anspruch aus §816 auf Abtretung des Rechts auf die Operation richten 46 . Das ist offenbar unsinnig. Manche sehen deshalb in der Verfügung selbst das hier maßgebliche Erlangte 47 . Dafür spricht, daß sich die wirksame Verfügung als eine Art des Verbrauchs der Sache begreifen läßt 48 ; sie wird treffend als juristische Konsumtion umschrieben 49 . Die Identifizierung von Erlangtem und Verfügung entspricht daher der vorher entwickelten Einsicht, daß beim Verbrauch einer fremden Sache der Verbrauch erlangt wird.
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Ebenso oder ähnlich Wilburg, 128f; Jakobs, 123 ff; Kellmann, 137ff; wN bei Haines, 124, Fn. 716. Ebenso die Rechtsprechung; vgl. etwa B G H Z 29, 157 (159 ff); B G H WM 1978, 755 f; ferner Haines, 123 ff, der jedoch vornehmlich mit der praktischen Undurchführbarkeit der gegenteiligen Ansicht operiert; vgl. auch Reuter/Martinek, 319 f, 324 f. Oben sub a. Anders Reuter/Martinek, 327f: Wahlweise objektiver Wert des Verfügungsgegenstandes, aber auf der Grundlage unrichtiger Prämisse. Mayr, 597 f; Nachweise von weiteren Vertretern derselben Ansicht bei Lopau, 72 f; dem folgend Vorauflage, 132 f. von Caemmerer, 282. Von Lübtow, 56.
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Wegen durchgängiger Anwendbarkeit von §818 II ließe sich der Anspruchsinhalt für beide Fälle nach denselben Grundsätzen bestimmen. Die Nachteile dieser Lösung bestehen in ihrer Unverträglichkeit mit dem Gesetzeswortlaut - die Verfügung kann eigentlich nicht als durch die Verfügung erlangt gedacht werden - und darin, daß die Verfügung als solche keinen Wert hat und daher einer »wirtschaftlichen« Interpretation bedarf, um überhaupt zur Anwendung von §818 II gelangen zu können. Neuerdings mehren sich die Stimmen, die das Erlangte i. S. von §816 I Satz 1 in der Befreiung von der der Verfügung zugrundeliegender Verbindlichkeit sehen 50 . Diese Auffassung hat entscheidende Vorzüge, vor allem die, daß sie dem Gesetzeswortlaut exakt entspricht 51 und wegen der Anwendbarkeit von §818 II eine für alle Fälle gleiche Bestimmung des Inhalts der Eingriffskondiktion ermöglicht. Hervorzuheben ist, daß über die Ermittlung des nach §818 II zu ersetzenden Wertes noch gar nichts ausgesagt ist52. Namentlich folgt aus dem gewählten Ansatz nicht, daß der Verkehrswert der unberechtigt veräußerten Sache ersetzt werden müßte 53 . Vielmehr liegt ein Problem vor, das im weiteren Argumentationsrahmen von § 818 II zu lösen ist. Wäre es anders, so müßte die Identifizierung des Erlangten mit der Befreiung von der Verbindlichkeit verworfen werden. Denn mit dem Verkehrswert der veräußerten Sache wird system- und wertungswidrig auf den Verlust des Gläubigers und nicht den Vermögenszuwachs des Beklagten Bezug genommen. e) Keine Besonderheiten sind bei Belastung einer fremden Sache zugunsten eines gutgläubigen Dritten zu verzeichnen. Auch hier erlangt der Verfügende die Befreiung von der zugrundeliegenden Verbindlichkeit, nicht etwa die Gegenleistung, beim Kreditvertrag also die Darlehensvaluta 54 . Was herauszugeben ist, richtet sich nach § 818 II. Besteht die Folge der Verfügung umgekehrt im Wegfall einer dinglichen Belastung - Beispiel: Der Eigentümer verkauft und übereignet eine verpfändete Sache an einen hinsichtlich des Pfandrechts gutgläubigen Dritten - dann gilt wiederum dasselbe. Im Rahmen der Wertermittlung muß allerdings gesondert berücksichtigt werden, wie sich der lastenfreie Erwerb auf die Gegenleistung ausgewirkt hat.
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So im Anschluß an Becker, 32 ff, 65 ff namentlich Medicus, Rdn. 723; Reeb, 76 ff; StudK-Beuthien, §816 A n m . I 2 d ; ausführlich Höhn, 106 f. Zu Unrecht kritisch Reuter/Martinek, 322; vgl. auch Beuthien/Weber, 89. Reeb, aaO; in diesem Punkt unzutreffend Vorauflage, 132. So aber Medicus, aaO; dagegen zu Recht Reeb, aaO; Beuthien, aaO. Ausführlich zu dieser sehr kontrovers beurteilten Problematik Reuter/Martinek, 297 ff m w N .
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II. Herausgabe von Nutzungen und Surrogaten 1. Nutzungen Gemäß § 818 I sind auch die Nutzungen des Erlangten55, d. h. Sach- und Rechtsfrüchte sowie Gebrauchsvorteile56, herauszugeben. Diese Verpflichtung bezieht sich für die Zeit vor Rechtshängigkeit oder vor den in den §§819, 820 bestimmten Zeitpunkten unstreitig nur auf tatsächlich gezogene Nutzungen. Andererseits ist es anerkanntermaßen unerheblich, ob der Bereicherungsgläubiger diese Nutzungen seinerseits gezogen hätte oder hätte ziehen können. Es ist wertvoll, sich die damit implizierte Ausrichtung des Bereicherungsausgleichs auf das Beklagtenvermögen noch einmal klar vor Augen zu führen. Die damit und insbesondere mit § 818 I unvereinbare Annahme einer Reihe von Urteilen 57 , bei rechtsgrundloser Erlangung von Kapital sei stets die jeweils übliche Verzinsung als Nutzung abzuführen, ist abzulehnen. Da in vielen Fällen allerdings eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, daß Kapital auch genutzt wird, greifen Beweiserleichterungen zugunsten des Kondiktionsgläubigers Platz. Jedoch steht dem Schuldner stets der Gegenbeweis offen, daß tatsächlich keine Nutzungen erzielt wurden58. Daß es auch im Falle eines unwirksamen Darlehens auf die tatsächlich bezogenen Zinsen ankommt, weil das Erlangte auch hier im Kapital, nicht in der Kapitalnutzung zu sehen ist, wurde schon an anderer Stelle59 dargelegt. Was im einzelnen als Nutzung in Betracht kommt, ist dem Material zu §§ 100, 99 zu entnehmen. Hervorgehoben sei jedoch, daß Rechtsprechung und Literatur den bereicherungsrechtlichen Nutzungsbegriff in bedenklicher Weise (richtiger wäre die Anwendung von §818 II) im Prinzip auch auf den Gewinn eines gewerblichen Unternehmens erstrecken60. Allerdings soll das dann nicht der Fall sein, wenn der Geschäftsgewinn vornehmlich auf die besonderen Fähigkeiten und Leistungen des Geschäftsinhabers zurückzuführen ist. Diese Unterscheidung ist jedoch hier ebensowenig angebracht wie im Zusammenhang der Parallelfrage bei §816 I, 1. Satz". 55 56 57 58
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Einschließlich deren Surrogate, vgl. Reuter/ Martinek, 555. Vgl. §§100, 99. RGZ 51, 127; B G H NJW 1961, 452; vgl. auch Büttner, BB 1970, 233. Richtig KGKK-Heimann-Trosien, § 818 Rdn. 10 mit weiteren Einzelheiten, dem zustimmend B G H Z 64, 322 (323 f); O L G Hamburg, BB 1984, 16 f. Oben S. 119. Vgl. zum Beispiel B G H LM Nr. 7 zu §818 II; B G H Z 63, 365 (368); zustimmend Münch K o m m - § 818 Rdn. 16 ff; zum ganzen Reuter/Martinek, 560 ff und Ballerstedt, FS Schilling (1973) 289 mwN. Oben S. 122, 123 f, im Ergebnis wie hier Ballerstedt, aaO, 295; zum Problem auch Reuter!Martinek, aaO.
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2. Surrogate a) Herauszugeben ist ferner alles, was der Bereicherte „aufgrund eines erlangten Rechts" erwirbt. Hiermit ist ein Erwerb in bestimmungsgemäßer Ausübung des Rechts gemeint, also zum Beispiel der Gegenwert der eingezogenen Forderung, der Pfanderlös, der Gewinn aus einem rechtsgrundlos erlangten Los 62 . Entgegen der völlig herrschenden Meinung will Esser b} unter Bezugnahme auf §281 das commodum ex negotiatione bei Verfügungen über rechtsgrundlos erlangtes Eigentum als Surrogat im Sinn des § 818 I behandeln. Soweit das commodum in Geld besteht, ist dagegen vom Ergebnis her nichts einzuwenden64. Indessen können die Tauschfälle im Rahmen dieses Ansatzes nicht adäquat gelöst werden. Ferner kollidiert der Esser'sche Vorschlag mit der Formulierung der §§ 1418 II Ziff. 3, 1473 I, 1638 II. Daher ist die Herausgabe des commodums besser über §818 II zu begründen65. b) Gegenstand des bereicherungsrechtlichen Primäranspruches ist schließlich dasjenige, was der Empfänger als „Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstandes" erwirbt. In Betracht kommen hauptsächlich Ansprüche (oder Leistung) aus Vertrag (Versicherung), Delikt oder rechtmäßigem Eingriff 66 . 3. Nutzungen und Surrogate trotz fehlender Verpflichtung zur Herausgabe des Erlangten? Fraglich ist, ob Nutzungen oder Surrogate auch dann herauszugeben sind, wenn der Bereicherungsschuldner die Hauptsache wegen §§ 946 ff behalten darf. Da der Beklagte hier Eigentümer der Hauptsache geworden ist, erscheint es sinnvoll, ihm auch Nutzungen und Surrogate sachenrechtlich endgültig zuzuweisen 67 . Damit ist freilich noch nicht entschieden, ob nicht wenigstens der Wert solcher Nutzungen und Surrogate liquidiert werden kann68.
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Weitere Einzelheiten etwa in RGKK-Heimann-Trosien, §818 Rdn. 12; zu Abgrenzungsproblemen Reuter/Martinek, 549 ff. S. 377; ebenso Esser/Weyers, §51 I 2 (S. 416); Lange, NJW 1951, 687; vgl. auch MünchKomm-Ii'e£, §818 Rdn. 26. Vgl. unten S. 158 f. Vgl. im einzelnen Koppensteiner, N J W 1971, 1772. §904, 2. Satz, Enteignung, Einzelheiten zum commodum ex re bei Reuter/Martinek, 552 ff. Vgl. Koppensteiner, NJW 1971, 592 ff, insbesondere 594. Dazu unten S. 179.
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
§ 14. Der Entreicherungseinwand I. G r u n d l a g e n 1. Normzweck und Anwendungsbereich Der Normzweck des § 818 III läßt sich zutreffend nur ermitteln, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bestimmung mit denjenigen der §§818 IV, 819 f verglichen werden, die den Entreicherungseinwand aus §818 III ausschließen. Den §§818 IV, 819 f ist nun in tatbestandlicher Hinsicht gemeinsam, daß der Anspruchsgegner damit rechnen muß, das Erlangte oder dessen Wert wieder herausgeben zu müssen. Unter § 818 III fallen - umgekehrt gewendet - also nur diejenigen Bereicherungsschuldner, die glauben, den Gegenstand des Anspruchs endgültig behalten zu dürfen. Wenn §818 III bestimmt, daß solche Schuldner nur insoweit haften, als sie noch bereichert sind, so ist es daher geboten, sie in Anwendung dieser Vorschrift von allen Aufwendungen zu entlasten, die im Hinblick auf die vermeintliche Beständigkeit des Erwerbs getätigt werden 1 . N u n ist offensichtlich, daß der zufällige Untergang des ursprünglich Erlangten mit dem Glauben des Empfängers an die Beständigkeit seines Erwerbs nichts zu tun hat2. Ebenso wird es im Regelfall liegen, wenn der Erwerber den Untergang der Sache verschuldet hat. Zertrümmert jemand zum Beispiel ein vermeintlich geschenktes Auto, so dürfte der entstandene Schaden allenfalls ausnahmsweise damit zusammenhängen, daß der putativ Beschenkte annahm, er sei mit einem eigenen Fahrzeug unterwegs. Denn auch eigene Vermögensgüter behandelt man normalerweise so, daß man sie weiter gebrauchen kann. Dennoch ist es bei einseitiger Leistung und Eingriff mit Recht (fast) unstreitig, daß der gutgläubige Erwerber in solchen Fällen im Ergebnis nicht haftet. Die Diskrepanz dieses Ergebnisses mit dem vorstehend umschriebenen Normzweck des §818 III ist mittels einer Umformulierung jenes Zweckes nicht aufzulösen. Denn daß es dafür auf Vermögensopfer infolge der Annahme ankommen muß, der in Frage stehende Erwerb sei endgültig, folgt zwingend aus dem Kontrast zwischen den Tatbestandsvoraussetzungen des § 818 III einerseits und der §§818 IV, 819 f andererseits. Eine befriedigende dogmatische Erfassung ersatzlosen Wegfalls des Erlangten ist entgegen der allgemeinen Ansicht daher nicht über § 818 III, sondern nur - was noch zu erörtern ist - über 1
2
Ebenso etwa Esser, 381; Esser/Weyers, §51 II 1 (S.422f); Larenz, §70 II (S. 576 ff); Reeb, 115; Staudinger/Lorenz, § 818 Rdn. 35; StudK-Beuthien, § 818 Anm. 5 c. Ahnlich Erman/H. P. Westermann, §818 Rdn. 32; nicht überzeugend Reuter/ Martinek, 591.
§ 14. Der Entreicherungseinwand
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eine entsprechende Fassung des für §818 II maßgeblichen Wertbegriffes möglich. Daß § 818 III diese Frage nicht behandelt, zeigt sich auch daran, daß auch der bösgläubige Beklagte nichts schuldet, wenn das Erlangte ersatzlos bei ihm untergegangen ist 3 . Gegenüber der hier vorgeschlagenen Umschreibung des §818 III zugrundeliegenden Normzwecks hat die Rechtsprechung bisher überwiegend versucht, die Bestimmung mit Hilfe einer reinen Kausalitätsbetrachtung in den Griff zu bekommen. Abzugsfähig sollen alle Nachteile sein, „die mit dem Vorgang, welcher die Einnahme gebracht hat, in (adäquat) ursächlichem Zusammenhang stehen" 4 . Die Hauptschwäche dieser Auffassung ergibt sich daraus, daß sie den tragenden G r u n d der Privilegierung gemäß §818 III, nämlich die Gutgläubigkeit des Bereicherten, bei der Bestimmung der Rechtsfolgen völlig außer acht läßt 5 . In Fällen der Bereicherung in sonstiger Weise oder infolge einseitiger Leistung sind die praktischen Unterschiede zur gegenteiligen Ansicht allerdings gering. Sie betreffen nur Folgeschäden, die das Erlangte im Vermögen des Empfängers anrichtet 6 . Den Weg zu einer überzeugenden Abwicklung gegenseitiger Leistungsbeziehungen hat sich die Rechtsprechung durch ihr verfehltes Verständnis des §818 III dagegen erschwert, wenn nicht verbaut. Das ist dann freilich auch praktisch bedeutsam. 2. Wirkungsweise a) §818 III fordert eine Gegenüberstellung des Erlangten bzw. seines Wertes mit den als Entreicherung in Betracht kommenden Abzugsposten. Die Bereicherung besteht in dem Uberschuß der Aktiva über die Passivposten. Dieser Uberschuß wird häufig als „Saldo" bezeichnet. Terminologisch ist dies in doppelter Hinsicht unzweckmäßig. Einmal liegen Verwechslungen mit der nur f ü r die Abwicklung unwirksamer gegenseitiger Leistungsbeziehungen formulierten „Saldotheorie" nahe. Z u m 3 4
5 6
Unten S. 149. BGHZ 1, 75 (81); vgl. ferner etwa RGZ 170, 67; BGH, WM 1972, 564; BGH, WM 1970, 1421; BGH NJW 1981, 277; abweichend nur BGHZ 56, 173 (179 f), eine Entscheidung, die möglicherweise auf §819 II, keinesfalls jedoch auf §818 III hätte gestützt werden können. Vgl. RGKK-Heimann-Trosien, § 818 Rdn. 27; erweiterter Uberblick über die Entwicklung der Rechtsprechung bei Reuter/ Martinek, 579 ff. Vgl. die ausführlichere Kritik bei Esser, 381; ferner Flume, FS Niedermayer (1953) 154. Beispiele: Der rechtsgrundlos gelieferte Hund zerbeißt einen Teppich des Empfängers, eine indebite erlangte Maschine explodiert und beschädigt dabei andere Maschinen, vgl. Reuter/Martinek, 593 f mwN; anders aber für die Eingriffskondiktion dies., 624 ff.
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IV. Kapitel: D e r Inhalt des Bereicherungsanspruchs
anderen entsteht der Eindruck, herauszugeben sei auch bei einseitiger Leistung und Eingriff nur der „Saldo". In Wahrheit ändert §818 III, worauf schon hingewiesen wurde, an der (zunächst) gegenständlichen Ausrichtung der Kondiktion nichts. Das ursprünglich Erlangte muß, sofern es noch vorhanden ist, herausgegeben werden, ganz gleichgültig, wieviel Aufwendungen der Bereicherte im Zusammenhang des Erwerbs gemacht haben mag. In den Fällen, in denen Naturalrestitution noch möglich ist, kommt es also auf die Ermittlung eines „Saldo" überhaupt nicht, sondern nur darauf an, festzustellen, welchen Betrag der Bereicherungsgläubiger zahlen muß, um das Erlangte Zug um Zug zurückzubekommen 7 . Richtet sich der Bereicherungsanspruch allerdings auf Geld, so findet in der Tat eine Verrechnung mit dem Ziel der Ermittlung des Überschusses statt. Daß nur dieser herauszugeben ist, impliziert gegenüber dem Ausgangsfall jedoch nur eine Änderung der Abwicklungstechnik, nicht jedoch eine Änderung des Prinzips. b) Mit der von §818 III demnach unberührten gegenständlichen Orientierung des Bereicherungsanspruchs wird vorausgesetzt, daß sich das Erlangte bzw. dessen Wert noch im Vermögen des Schuldners befindet. Gleiches läßt sich übrigens auch unmittelbar aus dem Wortlaut der Bestimmung erschließen. Das bedeutet zunächst, daß das unstreitige Erlöschen der Bereicherungsschuld in Fällen ersatzlosen Untergangs des Erlangten entgegen der herrschenden Meinung nicht erst aus §818 III abzuleiten ist. Normzweck 8 und Konstruktion des §818 III führen also insofern zum selben Ergebnis. Es wird im übrigen auch dadurch abgestützt, daß in Fällen zufälliger, d. h. surrogatloser Beschädigung einer indebite erlangten Sache, selbstverständlich nur die Sache in ihrem gegenwärtigen Zustand herauszugeben ist, ohne daß irgend jemand zur Begründung dieses Ergebnisses § 818 III heranziehen würde. Ist dies so, so kann der Bestimmung auch beim ersatzlosen Untergang des Erlangten vernünftigerweise keine entscheidende Bedeutung zukommen. Festzuhalten ist demnach, daß „Entreicherungen", die das Erlangte selbst betreffen, nicht unter § 818 III fallen, sondern im Rahmen des § 818 II zu berücksichtigen sind 9 . Dabei handelt es sich entgegen dem ersten Anschein nicht um eine begriffsjuristische Spielerei, sondern - wie sich herausstellen wird - um 7 8 9
D a z u MünchKomm-Z.iefe, §818 Rdn. 54. Dazu oben S. 128. Anders - wie gesagt - die ganz h. M., die hier anscheinend überhaupt kein Problem sieht. Repräsentativ insoweit MünchKomm-Liei, § 818 Rdn. 70 m w N ; vgl. auch Loewenheim, JuS 1987, 461 f.Wie sich das mit dem Normzweck von § 818 III vertragen soll, wird freilich nicht mitgeteilt. Wie hier Rengier, AcP 177, 430, allerdings auf der Grundlage eines anderen Normzweckverständnisses.
§ 1 4 . Der Entreicherungseinwand
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eine Einsicht von erheblicher dogmatischer und inhaltlicher Reichweite. Wenn Veränderungen des Beklagtenvermögens, die das Erlangte selbst betreffen, nicht unter § 8 1 8 III fallen, so bedeutet dies - positiv gewendet - , daß der Anwendungsbereich der Bestimmung auf Vermögensnachteile zu beschränken ist, die im Zusammenhang des Erwerbs eintreten. Im wesentlichen handelt es sich dabei um Aufwendungen bezüglich des Erlangten oder um Erwerb, der im Hinblick auf die vermeintliche Beständigkeit der Bereicherung unterlassen wurde.
3. Anfängliche „Entreicherung" § 8 1 8 III schließt die Verpflichtung zur Herausgabe aus, „soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist". Dieser Wortlaut erfaßt an sich nur Entreicherungstatbestände, die der Bereicherung zeitlich nachfolgen. Eine wortgetreue Handhabung der Bestimmung dürfte also Erwerbsunkosten, die zeitlich vor der bereicherungsbegründenden Vermögensmehrung anfallen 10 , nicht als Abzugsposten im Sinne des § 8 1 8 III anerkennen. Mit jeder denkbaren Fassung des dieser Bestimmung zugrundeliegenden Normzwecks wäre ein solches Ergebnis jedoch unvereinbar. Man ist sich daher mit Recht darüber einig, daß § 8 1 8 III auf Aufwendungen, die mit der Bereicherung zusammenhängen, aber vor deren Eintritt gemacht werden, analog anzuwenden ist 11 .
4. Sondergesichtspunkte bei unwirksamen gegenseitigen Verträgen § 8 1 8 ist auf die Abwicklung einseitiger Bereicherungen zugeschnitten. Während es in diesen Fällen vernünftig erscheint, jedenfalls den gutgläubigen Bereicherten vor der Notwendigkeit des Griffes in die eigene Tasche zu schützen, liegt es bei der Rückabwicklung nichtiger gegenseitiger Verträge doch erheblich anders. Denn hier hat jeder der Beteiligten bewußt ein eigenes Vermögensopfer erbracht, um in den Besitz der Gegenleistung zu kommen. Der Glaube an die Beständigkeit dieses Erwerbs ist notwendig mit der Annahme gekoppelt, auch die Gegenleistung sei endgültig verloren. Gutgläubigkeit signalisiert in diesen Fällen also eine ganz andere Interessenlage als im Zusammenhang einseitiger Bereicherung. Dem muß auch die folgende Darstellung in Aufbau und Inhalt Rechnung tragen.
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Beispiele: Frachten, Zölle, Grundbuchkosten, Maklergebühren. MünchKomm-Iiei», §818 Rdn. 61 mN; vgl. Canaris, JZ 1971, 561.
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
5. Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast f ü r das Vorliegen einer Entreicherung i. S. von §818 III liegt, wie schon die Grammatik des Gesetzes ergibt, beim Schuldner 12 .
II. Die Bedeutung des § 818 III bei Ansprüchen infolge einseitiger Leistung oder Eingriff 1. Aufwendungen Im Prinzip kann der Bereicherungsschuldner über § 818 III alle Aufwendungen geltend machen, die er im Vertrauen auf die Beständigkeit seines Erwerbs getätigt hat. Unklarheiten bestehen im Hinblick auf den gegenwärtigen Stand der Auseinandersetzung in zweifacher Hinsicht. a) Fraglich ist zunächst, ob der auf Herausgabe einer Sache oder Wertersatz in Anspruch genommene Bereicherungsschuldner den an einen Dritten bezahlten Kaufpreis in Ansatz bringen kann. Freilich stellt sich dieses Problem nur im Zusammenhang von Ansprüchen gegen einen nichtberechtigt Verfügenden (§816 I, 1. Satz) bzw. - bei abhanden gekommenen Gegenständen - gegen solche „Erwerber", die infolge der §§946 ff trotz § 935 Eigentümer der Sache werden. In anderen Fällen der Zahlung eines Kaufpreises an einen Nichteigentümer fehlt es nämlich schon an den Voraussetzungen einer Kondiktion gegen den Zahlenden 13 . Die Rechtsprechung hat die Nichtanrechnung des Kaufpreises in diesen Fällen einmal damit begründet, diese Aufwendung sei keine Folge der Bereicherung, sondern ihre Ursache 1 4 . Dieses Argument wird heute allerdings mit Recht abgelehnt 15 . Denn es liegt auf der Hand, daß in den Kauffällen sowohl der Erwerb des Gegenstandes als auch die Zahlung des Kaufpreises durch den Kaufvertrag „verursacht" werden. Einen zweiten Gesichtspunkt sollen die Gewährleistungs- oder Bereicherungsansprüche liefern, die dem mit der Kondiktion Inanspruchgenommenen gegen seinen Verkäufer zustehen, weil er insofern nicht entreichert sei16. Indessen 12 13 14 15 16
Einhellige Meinung; vgl. nur Palandt/Thomas, § 818 Anm. 8; BGH NJW 1983, 1907 mwN. Vgl. oben S. 106 ff. Vgl. zum Beispiel BGHZ 14, 7 (9f). Vgl. etwa Esser, 383 f; Medicus, Rdn. 725; KGKK-Heimann-Trosien, §818 Rdn. 28; Strutz, NJW 1968, 141 f. Dieses Argument halten für entscheidend z. B. Esser, aaO; Medicus, aaO; Beuthien/Weber, 79; MünchKomm-ii'e^, §818 Rdn. 62 mwN; vgl. auch BGHZ 9, 333 (335 f).
§14. Der Entreicherungseinwand
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ist zu Recht anerkannt 1 7 , daß ein Wegfall der Bereicherung eintritt, wenn der Anspruch, den der Empfänger infolge der Weitergabe des Erlangten erhalten hat, wertlos ist. Also müßte die Nichtanrechnung des Kaufpreises ebenfalls davon abhängig gemacht werden, daß der Beklagte seine Ansprüche auch tatsächlich durchsetzen kann. Diese Einschränkung wird jedoch nicht gemacht. Im Jungbullenfall 1 8 hat der B G H die Nichtanrechnung des an den Dieb der Bullen bezahlten Kaufpreises damit begründet, der beklagte Inhaber einer Fleischfabrik sei vor Verarbeitung der Vindikation ausgesetzt gewesen und hätte dieser gegenüber den Kaufpreis ebenfalls nicht geltend machen können. Wir halten dieses Argument für entscheidend, denn die §§ 946 ff bewirken nur eine Änderung der dinglichen Rechtslage, determinieren jedoch, wie sich aus §951 zweifelsfrei ergibt, die schuldrechtlichen Beziehungen der Beteiligten nicht. Entscheidend ist die Wertung des §935, die auch den gutgläubigen Erwerber der Eingriffskondiktion des Ex-Eigentümers aussetzt 19 . Diese Wertung würde im Ergebnis wirkungslos gemacht, wenn dem Bereicherten die Anrechnung des Kaufpreises gestattet würde. Reuter/Martinek20 wenden dagegen ein, andere Erwerbsunkosten 2 1 dürfe der Beklagte nach allgemeiner Auffassung im Gegensatz zum Vindikationsgegner abziehen 22 und deshalb sei der Hinweis des B G H auf die Wirkungslosigkeit des Entgelteinwandes gegenüber der Vindikation zwar nicht unrichtig, aber unvollständig. Die Abzugsfähigkeit der Nebenkosten des Erwerbs erkläre sich daraus, daß sie die Funktionsfähigkeit der Eingriffskondiktion als Vindikationsersatz im Prinzip intakt lasse. D o c h ist die als Prämisse zugrundeliegende „relative Unerheblichkeit" dieser Kosten als generell zutreffende Tatsachenbehauptung ungesichert - man denke an transportkostenintensive Güter wie Erde oder Zement. Z u m zweiten kann es gar nicht darum gehen, den Inhalt der Kondiktion in toto an den der Vindikation anzugleichen. Das ergibt sich schon aus der unbezweifelbar unterschiedlichen Behandlung der N u t z u n gen. Auf der anderen Seite ist es ohne die Hinnahme von Wertungswidersprüchen aber auch nicht möglich, das Bereicherungsrecht zur Gänze von an der Vindikationslage einsetzenden Kontroll-, gelegentlich auch Kor17
18 19 20 21 22 23
Vgl. BGH, LM Nr. 1 zu § 820; BGHZ 72, 9 (13); Palandt/Thomas, § 818 Anm. 6 Bc. BGHZ 55, 176, (179f). Vgl. oben S. 105. So im Anschluß an Windscheid schon die Rechtsprechung des Reichsgerichts. S. König, Bereicherung, 168 f. S. 622 ff in Auseinandersetzung (auch) mit BGHZ 66, 150 (156 f). Z. B. Fracht- oder Vollstreckungskosten vgl. oben S. 128. Vgl. Strutz, NJW 1978, 142. Dazu auch unten S. 145.
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
rekturüberlegungen zu entlasten 23 . Ein solcher Fall liegt hier vor. Die unterschiedliche Behandlung von Kaufpreis und sonstigen Erwerbskosten im Rahmen der § 818 III ist als Teilkonzession des Bereicherungsrechts an die sachenrechtliche Situation vor dem Eingriff aufzufassen. Die N o t w e n digkeit weiterer Konzessionen läßt sich damit nicht begründen 2 4 . b) In einem Teil der Literatur 25 findet sich die Ansicht, Verwendungen auf das Erlangte wirkten nur insofern bereicherungsmindernd, als der Kläger durch die Herausgabe des Erlangten seinerseits bereichert, also Wertersatz gemäß §818 II schulden würde. Fikentscher, aaO, spricht in diesem Zusammenhang vom Problem einer „aufgedrängten Entreicherung" und empfiehlt die Anwendung derselben Grundsätze wie bei der „aufgedrängten Bereicherung" 26 . Es ist indessen verfehlt, beide Fallgruppen in eine Ebene zu rücken. Gegenüber aufgedrängten Bereicherungen geht es im Einklang mit allgemeinen kondiktionsrechtlichen Wertungen darum, den Schuldner vor Vermögensnachteilen infolge des Bereicherungsausgleichs zu schützen, eine Zielsetzung, deren Realisierung mit der Figur „aufgedrängter Entreicherung" gerade verhindert würde. Denn dann würden die Kosten aller Verwendungen, die vom Vermögen des Klägers her gesehen keine Wertsteigerungen bewirken, im Ergebnis dem Bereicherungsbeklagten angelastet. Das ist mit dem aus §818 III abzuleitenden Schutz des gutgläubigen Bereicherten gegen Vermögensverschlechterungen, insbesondere damit unvereinbar, daß er nicht einmal bei schuldhafter Zerstörung des Erlangten haftet. Abzugsfähig sind daher alle „Verwendungen auf das Erlangte, das Surrogat oder die Nutzungen, mögen sie notwendig, nützlich oder nicht einmal das gewesen sein" 27 . c) Als Beispiele für Aufwendungen kommen neben den Verwendungen auf das Erlangte sämtliche Erwerbskosten, wie Frachten, Zölle und Steuern einschließlich von Kosten der Fruchtziehung zuzüglich etwaiger Rücksendungskosten in Betracht. Dasselbe gilt prinzipiell für Steuern, die der Schuldner infolge der Bereicherung zusätzlich zu tragen hatte. In Betracht kommen in erster Linie erhöhte Einkommens-, Gewerbe- und 24
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Im ganzen wie hier H. P. Westermann, JuS 1972, 24; anders Schnitzler, JZ 1972, 270; weitere Überlegungen bei Rengier, AcP 177, 435 f; H. P. Westermann, § 818 Rdn. 40. Vgl. Fikentscher, 4. Aufl. § 100 VI 4 (S. 601); ähnlich 7. Aufl., § 100 VI 4 (S. 705); Larenz, 10. Aufl., § 70 II (S. 440). Vgl. dazu unten S. 166 ff. So repräsentativ Esser, 381 im Einklang mit der herrschenden Meinung; z. B. Reuter/Martinek, 594; MünchKomm-Zie^, §818 Rdn. 64; Staudinger/Lorenz, §818 Rdn. 37; w N bei Gursky, JR 1971, 361; ebenso schon die Protokolle der zweiten Kommission, Mugdan II, 1186.
§ 14. Der Entreicherungseinwand
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Vermögenssteuerbeträge, soweit sie nicht mehr zurückgefordert werden können. Esser (S. 381 f) stellt darauf ab, ob die Steuern, wie zum Beispiel die Hundesteuer, unabhängig von der Rechtsbeständigkeit des Besitzes anfallen. Damit wird zutreffend zum Ausdruck gebracht, daß Besitzsteuern unabhängig von Gut- oder Bösgläubigkeit bezüglich des Rechts zum Besitz zu zahlen sind, weshalb dieser Faktor für die bereicherungsrechtliche Kostenverteilung auch keine Rolle spielen kann. Andererseits kommt es entgegen Esser (S. 380 f) nicht darauf an, ob der Gläubiger die in Frage stehenden Kosten selbst gehabt hätte. Seine Vermögenslage ist hier ebensowenig entscheidend wie im Zusammenhang der Frage, ob der Beklagte überhaupt etwas „auf Kosten" des Klägers erlangt hat 28 . d) Haftungsverpflichtungen, die infolge Schädigungen Dritter durch das rechtsgrundlose Erlangte entstehen, sind auch im Rahmen des §818 III nicht berücksichtigungsfähig. Es handelt sich hier um Folgeschäden, die ebensowenig wie die Ansteckung von Vieh durch indebite gelieferte Tiere damit zusammenhängen, daß der Empfänger auf die Beständigkeit seines Erwerbs vertraute. 2. Sonstige Vermögensopfer a) Ein Nachteil im Sinne des § 818 III kann nicht nur darin bestehen, daß der Schuldner eigenes Geld investiert, sondern auch darin, daß er im Glauben an die Beständigkeit des Erwerbs anderen Erwerb unterläßt, der nicht mehr nachgeholt werden kann. H a t es jemand zum Beispiel versäumt, gegen seinen wirklichen Schuldner vorzugehen, weil er wegen Zahlung durch einen Scheinschuldner annahm, er sei befriedigt, so kann er sich diesem gegenüber auf Wegfall der Bereicherung berufen, wenn er den wirklichen Schuldner infolge Verjährung oder aus anderen Gründen jetzt nicht mehr belangen kann 29 . Entreicherung im Sinne des §818 III dürfte ferner auch dann anzunehmen sein, wenn der Schuldner Geld, das er im Zusammenhang der Bereicherung aufgewendet hat, bei Kenntnis der wahren Sachlage in anderer lukrativer Weise eingesetzt hätte. In einem solchen Fall wirken nicht nur die Aufwendungen selbst, sondern auch der entgangene Gewinn bereicherungsmindernd im Sinne des § 818 III 30 . U m gekehrt kann derjenige, der über eine fremde oder kondiktionsbehaftete Sache mit Gewinn verfügt hat, geltend machen, er hätte bei entsprechendem Informationsstand eine eigene Sache veräußert 31 . Doch handelt es 28 29 30 31
Vgl. oben S. 84 f. Ebenso Esser, 381; vgl. BGHZ 72, 9 (13). Ebenso Haines, 147 f. Esser/Weyers, §50 II 2 (S. 408).
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
sich nach richtiger Auffassung dabei um eine Konsequenz von §818 II, nicht §818 III 32 . b) Mit den vorstehenden Überlegungen wird die Bedeutung hypothetischer Kausalität für §818 III anerkannt 33 . Indessen ist zu betonen, daß hypothetische Kausalverläufe keineswegs nur für § 818 III, sondern schon bei der Ermittlung des vom Empfänger herauszugebenden „Wertes" (§818 II) eine Rolle spielen können. So ist zum Beispiel beim Verbrauch fremder oder rechtgrundlos erlangter Sachen anerkanntermaßen zu prüfen, ob und was der Bereicherte erspart hat34. Handelt es sich um einen „Luxus", den sich der Beklagte ohne die Bereicherung keinesfalls geleistet hätte, so wird er frei. Entgegen der herrschenden Meinung folgt dies jedoch nicht aus §818 III. Denn diese Vorschrift bezieht sich, wie wir gesehen haben, nur auf Vermögenseinbußen, die der Beklagte infolge des bereichernden Vorgangs auf sich genommen hat, nicht dagegen auf die Ermittlung des „Erlangten" bzw. seines „Wertes". Die Frage, ob etwas erspart wurde, richtet sich jedoch nicht auf eine Vermögenseinbuße infolge des anspruchsbegründenden Umstandes, sondern ganz im Gegenteil auf die positiven Auswirkungen dieses Umstandes (des Verbrauchs der fremden Sache) im Vermögen des Beklagten, mithin darauf, was solcher Verbrauch für dieses Vermögen „wert" war 35 .
III. Die Bedeutung des § 818 III bei der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge 1. Grundlagen a) Das Gesetz geht vom einseitigen Bereicherungsanspruch aus36. Ubertragen auf die Rückabwicklung unwirksamer gegenseitiger Verträge bedeutet dies an sich, daß beide Beteiligten nach denselben Grundsätzen haften, wie wenn sie Schuldner eines Bereicherungsanspruches aus einseitiger Leistung wären. Eben dies behauptet die sogenannte Zweikondiktionentheorie, die in den ersten Jahren nach Inkrafttreten des BGB das Feld beherrschte 37 . 32 33 34
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Dazu unten S. 159 f. Vgl. Gursky, JR 1972, 283 f; Jakobs, 136 ff. Zum Verhältnis von Ersparnisbereicherung und hypothetischer Kausalität Jakobs, 143. Ebenso Roth, FS Küchenhoff (1972) 380 f. Vgl. etwa Honsel!, MDR 1970, 717; Wieling, JuS 1973, 397; Esser/Weyers, §51 I 3 (S. 419); MünchKomm-Ziei, §818 Rdn. 84. Vgl. Pawlowski, 11 f.
§ 14. Der Entreicherungseinwand
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b) An dieser Theorie wurde sehr bald als unbefriedigend empfunden, daß sie die Kondiktion auch dann noch zuließ, wenn der Kläger das Empfangene nicht mehr herausgeben konnte, weil es ersatzlos aus seinem Vermögen ausgeschieden war. Dieses von ihr als unbillig angesehene Ergebnis veranlaßte die Rechtsprechung alsbald zur Ausbildung der sogenannten Saldotheorie11. Diese Auffassung besagt, daß zur Ermittlung der Bereicherung die Gegenleistung als unselbständiger Abzugsposten berücksichtigt wird. H a t also A an B ein Fahrrad u m D M 200,- verkauft und stellt sich später die Nichtigkeit des Vertrages heraus, so muß sich B im Rahmen dieser Theorie auf seinen Bereicherungsanspruch den Wert des Fahrrades anrechnen lassen, wenn er dieses - etwa weil es ihm gestohlen worden ist, - nicht mehr herausgeben kann. Die Saldotheorie prägt - mit gewissen Ausnahmen - die Rechtsprechung auch heute noch 3 9 . Im Schrifttum überwiegen heute schon die kritischen Stellungnahmen 40 . Dieser Kritik ist im Ergebnis zuzustimmen. Schon die Prämisse der Saldotheorie, „daß die mittels der Kondiktion abzuschöpfende Bereicherung nichts anderes sei als die sich bei Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls ergebende Vermögensdifferenz" 4 1 , ist angesichts der gegenständlichen Orientierung des Bereicherungsanspruches in den §§812, 818 II nicht haltbar. Praktisch zeigt sich dieser Mangel beim Austausch vollkommen gleichwertiger Leistungen. Hier müßte die Einordnung des Kondiktionsgegenstandes als abstrakter Vermögensdifferenz folgerichtig durchgeführt zur Versagung der Kondiktion führen 4 2 , eine Schlußfolgerung, die jedoch niemand zu ziehen bereit ist. Stärker fällt ins Gewicht, daß die allgemein anerkannte Nichtanwendung der Saldotheorie zuungunsten des arglistig Getäuschten von den gedanklichen Grundlagen dieser Theorie her nicht zu erklären ist: Richtet sich der Anspruch von vorneherein nur auf eine Vermögensdifferenz, so ist auch der Betrüger um nicht mehr bereichert als um eben diese Diffe-
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Umfangreiche Rechtsprechungsübersicht etwa bei Diesselhorst, 50 ff. Zur historischen Entwicklung König, Bereicherung, 85 ff. Vgl. BGHZ 57, 137 (147); B G H Z 53, 144 (145); Ansätze einer Neuorientierung in BGHZ 72, 252 (256); B G H Z 78, 216; dazu Reuter)Martinek, 596. Z. B. Esser/Weyers, § 51 II 2 (S. 424 ff); Mediais, Rdn. 227; Erman/H. P. Westermann, §818 Rdn. 44; StudK.-Beuthien, §818 Anm. 5d; Staudinger/Lorenz, § 818 Rdn. 41 ff; ausführlich MünchKomm-Liei, § 818 Rdn. 88 ff; Diesselhorst, 50ff; Frieser, 163 ff, 241 ff w N in Vorauflage, 145; vgl. demgegenüber etwa Fikentscher, §100 IV 3 (S. 702ff); Latenz, §70 III (S. 580ff); Palandt/Thomas, §818 Anm. 6 D. Esser, 382. Vgl. Flessner, 100 m w N .
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renz 43 . Auch die von der herrschenden Lehre 44 befürwortete Nichtanwendung der Saldotheorie zuungunsten nicht oder beschränkt Geschäftsfähiger läßt sich „saldotheoretisch" aus demselben Grunde nicht erklären. Eine neue Fassung der Saldotheorie haben Reuter/Martinek (S. 599 ff) entwikkelt. Sie beziehen das „faktische Synallagma", das die Rückabwicklung gescheiterter Verträge prägen soll, nicht - wie die Vertreter der „alten" Saldotheorie auf das Rückabwicklungsschuldverhältnis, sondern auf den nicht zustandegekommenen oder vernichteten Vertrag selbst. Das hat in Verbindung mit der gegenständlichen Ausrichtung der Leistungskondiktion zur Folge, daß die nach dem als wirksam gedachten Vertrag maßgebliche Risikoverteilung auch bereicherungsrechtlich beachtlich wird. Das soll allerdings nur dann gelten, wenn diese Risikoverteilung nicht gerade mit dem im Einzelfall vorliegenden Nichtigkeitsgrund unvereinbar ist. U . E. ist es aber generell ausgeschlossen, bereicherungsrechtlich auf die Risikoverteilung des als gültig gedachten Vertrages abzustellen. Denn dazu bedarf es einer Fiktion, deren Notwendigkeit nicht bewiesen ist45 und die sich, was Reuter/Martinek selbst erkennen, auch nicht bruchlos mit rücktrittsrechtlichen Wertungen vereinbaren läßt. Für Einzelheiten ist auf den folgenden Text zu verweisen.
c) Die Saldotheorie wurde im Hinblick darauf entwickelt, daß es der Rechtsprechung unbillig erschien, Klagen auf Herausgabe der vollen Bereicherung zu gestatten, wenn der Kläger seinerseits nicht mehr imstande ist, das auf der Grundlage eines nichtigen Austauschvertrages von ihm Empfangene zurückzugeben. Der ersatzlose Wegfall des Erlangten wirft Probleme auf, die nicht im Rahmen des § 818 III, sondern des § 818 II zu lösen sind46. Aus diesem Grunde ist eine abschließende Stellungnahme zum Bereicherungsausgleich bei nichtigem Austauschvertrag auch erst im Rahmen der Erörterung des Wertersatzes gemäß §818 II möglich. Es ist freilich nützlich, sich schon jetzt klarzumachen, daß die Saldotheorie, die der B G H in Anknüpfung an Larenz selbst als ein „aus Billigkeitsgründen vorgenommene Gesetzeskorrektur" qualifiziert 47 , nicht nur ein Scheinproblem aufgegriffen hat. Dieses ergibt sich daraus, daß die gesetzliche Regelung des Umfanges der Bereicherungshaftung von einer für einseitige Kondiktionen unseres Erachtens überzeugend erfaßten Interessen- und Wertungskonstellation her entwickelt, dabei aber nicht bedacht wurde, daß die Regelungsgrundlagen sich entscheidend ändern, wenn sich zwei Bereicherungsansprüche gegenüberstehen. Insbesondere 43 44 45
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Vgl. Flume, N J W 1970, 1161 und Frieser, 241 ff. Nachweise etwa in RGRK-Heimann-Trosien, §812 Rdn. 64. Vgl. z. B. Medicus, Rdn. 227; Esser/Weyers, §51 II 2 (S. 426 f); StudK-Beuthien, §818 Anm. 5 d. Vgl. oben S. 128 f. Vgl. B G H Z 53, 144 (147).
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zwei Gesichtspunkte verdienen hervorgehoben zu werden: Derjenige, der f ü r das von ihm Erlangte eine Gegenleistung erbracht oder versprochen hat, mag zwar damit rechnen, daß er das Erlangte endgültig behalten darf. Dieser Glaube schließt aber notwendig die Annahme ein, auch das als Gegenleistung Hingegebene sei endgültig verloren 48 . Insofern wäre es wertungsfolgerichtig kaum zu erklären, wenn das Geleistete zurückgefordert werden könnte und dem Kläger gleichzeitig gestattet würde, Gegenansprüchen des Beklagten seine eigene Entreicherung entgegenzuhalten. Zweitens m u ß bedacht werden, daß ein solches Ergebnis nicht nur von der Interessenlage her gesehen nicht einsichtig zu machen ist, sondern auch mit positivrechtlichen Wertungen kollidiert. Denn wenn man dem Kläger die Kondiktion des Geleisteten und außerdem die Geltendmachung des Entreicherungseinwandes zubilligt, so läuft dies darauf hinaus, daß der Bereicherungsausgleich zu einer Schädigung des Beklagten führt, der das Empfangene herausgeben müßte, seine Gegenleistung aber nicht zurückbekommen würde. Das würde aber mit dem einleitend 49 präsentierten und überwiegend anerkannten Grundsatz kollidieren, daß die Kondiktion gegenüber dem Gutgläubigen keinesfalls zu einer Minderung des Beklagtenvermögens über den Betrag der wirklichen Bereicherung hinaus führen darf. Allerdings sind diese Überlegungen durch einen zusätzlichen Gesichtspunkt zu ergänzen. Wie heute mit Recht immer häufiger betont wird, ist es geboten, den Inhalt der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung an den §§ 346 ff einschließlich der darauf verweisenden Regelungen über den Rücktritt kraft Gesetzes und die Wandlung zu messen 50 . Wo diese Regeln nicht an Gut- oder Bösgläubigkeit anknüpfen, liefern sie ein bereicherungsrechtlich wertvolles Zusatzkriterium und ermöglichen es im übrigen, die innerhalb des Bereicherungsrechts gefundene Lösung zu überprüfen.
2. Ausgleich bei Vorhandensein beider Leistungen a) Wenn beide Beteiligte das von ihnen Empfangene ungeschmälert restituieren können, taucht das Problem, das zur Ausbildung der Saldotheorie geführt hat, nicht auf. Wenn auch mit den überschießenden dogmatischen Wirkungen dieser Theorie nicht ohne weiteres vereinbar, besteht dementsprechend doch Einigkeit darüber, daß der Bereicherungsausgleich hier durch Rücktausch des beiderseits Empfangenen zu vollziehen ist. Der einzige Unterschied zwischen Zweikondiktionen- und Saldotheorie be48
49 50
Vgl. Diesselhorst, 48 f; bei Esser, 384, spielt diese Erwägung nur als Begründung einer Randkorrektur der Saldotheorie eine Rolle. Vgl. S. 114. Statt vieler MünchKomm-Ljet, §818 Rdn. 102 mwN.
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
steht für diese Fälle darin, daß der Kläger „die ungleichartige Gegenleistung schon im Klageantrag derart zu berücksichtigen (hat), daß er deren Rückgewähr Zug um Zug anbietet" 51 . Stehen sich gleichartige Leistungen gegenüber, so richtet sich die Kondiktion nach der Saldotheorie von vornherein nur auf den Uberschuß; im Rahmen der Zweikondiktionentheorie wäre zur Herbeiführung eines gleichwertigen Ergebnisses eine Aufrechnungserklärung des Beklagten nötig. Der Grundsatz gegenständlicher Restitutionen des beiderseits Erlangten trägt den bereicherungsrechtlich geschützten Interessen der Beteiligten in vollem Umfang Rechnung. Er entspricht auch dem Wortlaut der §§ 812, 818 I. b) Schwierig ist die Frage zu beurteilen, wie in derartigen Fällen der Ausgleich gezogener bzw. nicht gezogener Nutzungen durchzuführen ist. Die Rechtsprechung stellt im Wege der Saldierung bald auf die von einer Partei tatsächlich gezogenen, bald auf die der anderen Partei entgangenen Nutzungen ab 52 . Saldotheoretisch exakt wäre jedoch nur ein Abrechnungsverfahren, das durch Gegenüberstellung der tatsächlich eingetretenen Bereicherung auf beiden Seiten zunächst ermittelt, wer einen Uberschuß erzielt hat und deshalb als Schuldner der Kondiktion in Betracht kommt. Dem Beklagten wäre sodann zu gestatten, auf seine Schuld die ihm entgangenen Nutzungen anzurechnen 53 . Da die Frage, welche Nutzungen der Kläger tatsächlich gezogen hat, insofern keine Rolle mehr spielt, gerät man allerdings in Konflikt mit der ausdrücklichen Anordnung des §818 I. Diesselhorst (S. 106 f) geht zur Lösung der „Nutzungsfrage" von der bedeutsamen und oben schon hervorgehobenen Beobachtung aus, bei allen Beteiligten schließe der gute Glaube an die Gültigkeit des Vertrages die Annahme ein, ihre eigene Leistung sei endgültig verloren. Wer also zum Beispiel als Pächter auf den Bestand des Pachtvertrages vertraue, müsse annehmen, er sei zur Entrichtung des vereinbarten Pachtzinses verpflichtet; es sei also sein Risiko, ob er ordnungsgemäß die Nutzungen aus dem Pachtgegenstand ziehe oder nicht. Der Gesichtspunkt des Gutglaubensschutzes rechtfertige es also nicht, seine Bereicherungshaftung unter den Betrag des (wenn schon nicht rechtsverbindlich eingesetzten) Pachtzinses herabsinken zu lassen. 51 52
53
B G H N J W 1963, 1871. Einzelanalyse der Judikatur bei Diesselhorst, 100 ff. Nicht ganz klar Reuter/ Martinek, 600 f. Ihr Text erweckt den Anschein, die „neue" Saldotheorie sage über den „Nutzungsausgleich" bei nichtigem Austauschgeschäft gar nichts aus. Das ist durch den gewählten Ausgangspunkt zwar vorprogrammiert, zeigt aber gerade dessen Inadäquanz. Die für den nichtigen Austauschvertrag kennzeichnende Interessenlage muß sich selbstverständlich auch auf den Nutzungsausgleich auswirken. Ebenso Diesselhorst, 106.
§ 1 4 . Der Entreicherungseinwand
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An diesen Ausführungen ist zunächst bedenklich, daß die in dem Vertrag enthaltene Bewertung der gegenseitigen Leistungen aufrechterhalten wird, obwohl der Vertrag selbst ja nichtig ist54. Zum zweiten erklärt der Gedanke des Wirtschaftens auf eigenes Risiko zwar, daß man, wenn man selbst mit dem rechtsgrundlos Empfangenen unsachgemäß umgeht, nicht die Ergebnisse sorgfältiger Wirtschaftsführung der Gegenseite liquidieren kann. Er erklärt aber nicht, daß ein Bereicherungsbeklagter, der selbst an der Rückabwicklung des fehlgeschlagenen Vertrages möglicherweise gar nicht interessiert ist, mehr Nutzungen oder N u t zungswert abführen soll, als er tatsächlich realisiert hat.
Damit ist zugleich die unseres Erachtens korrekte Lösung der Nutzungsverteilung bei nichtigem Austauschgeschäft angedeutet. Der gutgläubige Beklagte schuldet entsprechend der Anordnung des §818 I nur die tatsächlich gezogenen Nutzungen abzüglich der Nutzziehungskosten (§§818 III, 102). O b das demnach Herauszugebende „den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft" 55 entspricht, über oder unter diesem Maßstab liegt, spielt keine Rolle. Der Beklagte muß in Ubereinstimmung mit einem allgemeinen kondiktionsrechtlichen Grundsatz die gesamte Bereicherung herausgeben, aber auch nur diese. Verlangt dagegen jemand als Kläger die Nutzungen des rechtsgrundlos Geleisteten, so kann er dies nur, wenn er mit dem von ihm Empfangenen ordnungsgemäß gewirtschaftet hat. Ist dies nicht der Fall, so muß er die Differenz zwischen dem Wert der tatsächlich gezogenen Nutzungen und dem objektiven Nutzungswert des Erlangten anbieten. Denn es ist mit dem venire contra factum proprium-Verbot nicht zu vereinbaren, die Ergebnisse schlampiger Wirtschaftsführung auf den Vertragspartner abzuwälzen, wenn sich nachträglich die Möglichkeit herausstellt, die von jenem gezogenen Nutzungen zu liquidieren. Daß der Kläger dadurch unter Umständen zum Griff in die eigene Tasche genötigt wird, ist ohne Belang. Denn er hat es ja in der Hand, diese Eventualität durch Unterlassung oder Rücknahme der Klage zu vermeiden. In der Beklagtenrolle schuldet er ja nur die tatsächliche Bereicherung. Fraglich ist, ob die Haftung des Klägers auf den objektiven Nutzungswert des von ihm Erlangten nur das Mindestmaß oder zugleich das Höchstmaß möglicher Inanspruchnahme bezeichnet. U. E. ist letzteres der Fall. Denn wenn dem Beklagten das Risiko mangelhafter Wirtschaftsführung des Klägers abgenommen wird, besteht kein Grund, ihm überdurchschnittliche Ergebnisse zuzuweisen. Die hier vorgetragene Auffassung befindet sich in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Situation bei der Wandlung. Dort braucht der Käufer vor Kenntnis des Wandlungsgrundes nach h. M. nur die tatsächlich gezogenen Nutzungen 54 55
Ausführlich in diesem Sinne Pawlowski, 66 ff. Vgl. §987 II.
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
herausgeben56. Soweit dies auf § 327 S. 2, also eine Verweisung auf das Bereicherungsrecht gestützt wird, ergeben sich vom hier vertretenen Standpunkt aus keine Probleme. Im übrigen läßt sich die unterschiedliche Bewertung möglicherweise damit erklären, daß der Wandlungsgegner zwar gutgläubig sein kann, den Wandlungsgrund aber zu vertreten hat. Fraglich ist aber, ob diesem Umstand, soweit Nutzungen zu berücksichtigen sind, nicht schon dadurch Rechnung getragen ist, daß der Wandlungsgegner den Kaufpreis verzinsen muß. Auch das unterscheidet die Wandlung allerdings von der hier untersuchten Lage. c) Aufwendungen, insbesondere Verwendungen auf das Erlangte, sind Bestandteil der im Rahmen der Saldotheorie anzustellenden Differenzrechnung. In diesem Sinn hat auch die Rechtsprechung gelegentlich entschieden 57 . Diesselhorst (S. 118 ff) operiert auch hier wieder mit dem Argument, es sei Sache beider Beteiligten, das von ihnen infolge der Annahme einer wirksamen vertraglichen Grundlage vermeintlich übernommene Investitionsrisiko selbst zu tragen. Demnach sollen notwendige Verwendungen zwar immer, andere aber nur im Rahmen der konkreten Parteibeziehungen berücksichtigungsfähig sein. Demgegenüber meinen wir, daß auch bezüglich der Verwendungen darauf abgestellt werden sollte, wer sie geltend macht. Zugunsten des Beklagten müßten alle Verwendungen berücksichtigt werden, zugunsten des Klägers nur solche, die zu einer Bereicherung des Beklagten führen würden. Diese Regel verhindert, daß der Beklagte infolge des Bereicherungsausgleichs einen Schaden erleidet, während der Kläger derartiges nur hinnehmen muß, wenn er selbst dies will. Er kann ja auch von der Klage Abstand nehmen. Im übrigen bleibt ihm im Fall nichtiger Gebrauchsüberlassungsverträge, also bei Miete oder Pacht, die Vindikation. Beim Kauf „auf Raten" trägt er im Ergebnis allerdings das Risiko unwirtschaftlicher Verwendungen, dem er hier durch Unterlassen der Klage wirtschaftlich gesehen, häufig nicht wird entgehen k ö n n e n . Aber dieses Risiko stellt nur eine spezialisierte Form des Vorleistungsrisikos dar, das der Kläger grundsätzlich ebenfalls zu tragen hat 58 . Auch bezüglich der Verwendungen stimmen die hier vorgetragenen Überlegungen nicht mit dem überein, was im Kontext der Wandlung für richtig gehalten wird". Zwingende Gegenargumente lassen sich daraus aber nicht ableiten. Der Wandlungsgegner hat die Aufhebung des Vertrages zu vertreten.
56 57 58 59
MünchKomm-Janßen, §347 Rdn.24; Staudinger/Honseil, §467 Rdn. 19. Eine Uberprüfung dieser Auffassung ist hier nicht möglich. Nachweise bei Diesselhorst, 118. Vgl. unten S. 188 f. Vgl. Staudinger/Honseil, §467 Rdn. 22.
§15. Der Umfang der Bereicherungshaftung nach Rechtshängigkeit u. ä.
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§ 15. Der Umfang der Bereicherungshaftung nach Rechtshängigkeit und in verwandten Fällen I. Tatbestandliche Voraussetzungen verschärfter H a f t u n g 1. Rechtshängigkeit Nach Rechtshängigkeit des Bereicherungsanspruchs (vgl. §§ 263 I, 253 I, 281, 696 II ZPO) kann der Empfänger das Privileg des §818 III nicht mehr in Anspruch nehmen, sondern haftet gemäß § 818 IV nach den „allgemeinen Vorschriften". Rechtspolitisch erklärt sich die Haftungsverschärfung daraus, daß sich der Bereicherte ab Rechtshängigkeit darauf einrichten muß, das von ihm Erlangte wieder herausgeben zu müssen. Angesichts solcher Umstände ist es nicht gerechtfertigt, den Kläger weiterhin mit dem aus §818 III resultierenden Entreicherungsrisiko zu belasten. Umstritten ist, ob eine Leistungsklage erforderlich ist oder ob auch eine (negative) Feststellungsklage genügt. Der BGH 1 hat die Frage im erstgenannten Sinn entschieden2. 2. Kenntnis der Rechtsgrundlosigkeit a) Aus dem dargelegten Grund tritt Haftung nach den allgemeinen Vorschriften auch dann ein, wenn der Anspruchsgegner „den Mangel des rechtlichen Grundes" (vgl. § 812 I) entweder schon im Zeitpunkt des Erwerbs kennt oder einen solchen Mangel später erfährt (§ 819 I). In letzterem Falle tritt die verschärfte Haftung entsprechend der sie begründenden Wertung erst ab Kenntniserlangung ein. b) Das Gesetz stellt seinem Wortlaut nach auf positive Kenntnis der Rechtsgrundlosigkeit ab, scheint also Fälle grob fahrlässiger Unkenntnis aus dem Anwendungsbereich des §819 I zu eliminieren3. Darin liegt eine auffällige Abweichung von §§990 I, 932 II, wonach der Besitzer dem Eigentümer gegenüber schon bei grob fahrlässiger Unkenntnis seiner mangelnden Besitzberechtigung verschärft haftet. Diese Abweichung hat die zweite Kommission4 damit erklärt, daß es sich im Fall des §819 I „regelmäßig um einen mit dem Willen des Kondizenten erfolgten Erwerb handle". Demnach halten wir dafür, daß der Schuldner der Eingriffskondiktion wie der Besitzer schon dann verschärft haftet, wenn er nur in grob 1 2 3
4
BGHZ 93, 183 (185 ff) mwN; NJW 1981, 2184. Für Anwendung von §820 Kohler, ZZP 1986, 45 ff. So auch die h. M. Vgl. etwa Mayer-Maly, FS Lange, 1970, 301 f; Esser, 384; MünchKomm-Li'ei, §819 Rdn. 3; Palandt/Thomas, §819 Anm. 2a, alle mwN. Vgl. Mugdan III, 373.
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
fahrlässiger Unkenntnis seines Mangels im Recht in die Gläubigerposition eingegriffen hat. Es scheint angemessen, ihm anders als dem Schuldner, dem der Berechtigte selbst etwas gegeben hat, „die mit der Berücksichtigung der grob fahrlässigen Unkenntnis aufgestellte Erkundigungspflicht" 5 aufzuerlegen 6 . Für die verbleibenden Kondiktionsfälle ist davon auszugehen, daß die Kenntnis der Anfechtbarkeit des Kausalgeschäftes für die Anwendung des § 8 1 9 I nach einhelliger Ansicht ausreicht. Dazu soll freilich nicht schon die Kenntnis der anfechtungsbegründenden Umstände, sondern die der Rechtslage erforderlich sein7. Demgegenüber hat der B G H 8 einen arglistig Täuschenden ohne weiteres § 819 I unterworfen, ohne also zu prüfen, ob dem Täuschenden auch bewußt war, der Getäuschte könne das Geschäft rückgängig machen. Dieses Ergebnis erscheint angesichts der sonst unvermeidbaren Anwendbarkeit des § 818 III überzeugend. Bei Anfechtung des Kausalgeschäftes wegen Irrtums sollte unseres Erachtens Entsprechendes gelten, wenn der Anfechtungsgegner den Irrtum erkannte 9 . c) Heftig umstritten ist, wessen Kenntnis im Rahmen des § 819 I maßgeblich ist, wenn sich der Anspruch gegen einen nicht voll Geschäftsfähigen richtet. Verschiedene Autoren stellen in Anlehnung an die § § 1 0 4 ff auf den gesetzlichen Vertreter 10 ab. Andere wollen die §§ 827, 828 entsprechend anwenden, d. h. im Rahmen dieser Bestimmungen die Kenntnis des Minderjährigen selbst ausschlaggebend sein lassen 11 . Larenz12 befürwortet für die Leistungskondiktion die erste, für die Eingriffskondiktion die zweite Alternative. Der B G H 1 3 selbst hält die entsprechende Anwendung der §§ 827, 828 immer dann für richtig, wenn die Bereicherung durch unerlaubte Handlung erlangt wurde 14, 15 . In diesem Zusammenhang heißt es allerdings auch, daß im Rahmen des 5 6
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Vgl. Protokolle, aaO. Wie hier Wilhelm, 188 Fn. 421; bedenkenswert aber die Kritik von Reuter/ Martinek, 648. MünchKomm-Liei», §819 Rdn. 2 mwN. BGHZ 57, 137 (150 f). Vgl. § 122 II. Nachweise in BGHZ 55, 128 (136); Teichmann, JuS 1972, 250; ferner Canaris, JZ 1971, 562 f; Metzler, NJW 1971, 690; Pinger, MDR 1972, 103, Fn.40; MünchKomm-Z.ze£, §819 Rdn. 7 mwN. Nachweise in BGHZ 55, 128 (136); Teichmann, aaO. S. 585; zustimmend RGRK-Heimann-Trosien, §819 Rdn. 7; wN in MünchKomm-Liei, § 819 Rdn. 7. AaO; zustimmend Teichmann, aaO; Kellmann, NJW 1971, 865. Zum Ganzen auch Reuter/Martinek, 654 ff. Wer nach §1593 als Vater gilt, kann sich nicht auf §819 berufen. Es spielt
§ 15. Der Umfang der Bereicherungshaftung nach Rechtshängigkeit u. ä.
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§ 819 auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters jedenfalls dann abgehoben werden müsse, wenn es der Schutzzweck der in den §§ 104 ff angeordneten Beschränkung der Geschäftsfähigkeit gebiete. Das sei vor allem für die Abwicklung etwaiger vom beschränkt Geschäftsfähigen abgeschlossener Rechtsgeschäfte anzunehmen. Andernfalls „würde in manchen Fällen über die Bereicherungshaftung der Zustand eintreten, vor dem der nicht voll Geschäftsfähige gerade bewahrt werden sollte". Das ist sicher zutreffend, zeigt allerdings gleichzeitig, daß es auf das bloße Vorhandensein einer unerlaubten Handlung bei Minderjährigen nicht ankommen kann. Denn eine solche kann auch im Zusammenhang eines wegen beschränkter Geschäftsfähigkeit unwirksamen Vertrages vorliegen 16 . Soweit der Minderjährige hier nicht ohnehin deliktisch haftet, wäre es verfehlt, die aus den §§ 104 ff abzuleitende Wertung mit Hilfe des §819 zu überspielen 17 . Ein zweites Datum für die Lösung des anstehenden Problems folgt unseres Erachtens aus der Tatsache, daß § 819 über die §§ 818 IV, 292 auf die §§ 987, 989 verweist. Im direkten Anwendungsbereich dieser Bestimmungen spielt § 9 9 0 I eine § 8 1 9 I vergleichbare Rolle. Guter oder böser Glaube beschränkt Geschäftsfähiger wird bei § 990 I aber entsprechend den § § 8 2 7 ff beurteilt 18 . Das ist auch sachgerecht, weil die § § 9 8 9 , 987 II sich als Sonderformen deliktischer Haftung begreifen lassen und § 9 8 7 I jedenfalls nicht mit dem aus den §§ 104 ff zu erschließenden Schutzzweck kollidiert. Im Rahmen des § 8 1 9 I sind die §§827 ff daher entsprechend anzuwenden, soweit es um die vindikationsäquivalente Bereicherungshaftung des beschränkt Geschäftsfähigen geht. Hervorgehoben sei, daß dies keineswegs in allen Fällen der Eingriffskondiktion der Fall ist. Vorausgesetzt wird vielmehr, daß sich der Bereicherungsanspruch auf eine Sache richtet. Trifft dies zu, so kommt es allerdings auch nicht mehr darauf an, ob die Bereicherung auf einem fehlgeschlagenen Vertrag beruht oder nicht 1 9 . Denn auch bei direkter Anwendbarkeit der § § 9 8 7 , 989, 990 ist dieses Kriterium irrelevant. Ein Wertungswiderspruch zu den § § 1 0 4 ff ergibt sich ebensowenig, wie zwischen diesen Bestimmungen und den § § 8 2 7 ff ein solcher Widerspruch besteht. Letztere Vorschriften setzen das Vorliegen eines Schadens voraus, und auch § 819 kann zu bereicherungsunabhängiger Haftung des beschränkt Geschäftsfähigen nur insoweit führen, als die Kondiktion durch die bereicherungsrechtliche Ver-
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insofern keine Rolle, ob Mutter (oder Kind) den wahren Erzeuger kennen (dazu B G H N J W 1981, 2184). Zum Beispiel Betrug, zutreffend KGR.K-Heimann-Trosien, §819 Rdn. 7; vgl. ferner Canaris, J Z 1971, 563. Dazu Medicus, Rdn. 176 in Auseinandersetzung mit B G H Z 55, 128. Vgl. Palandt/Thomas, §990 Anm.2; Baur, 83. Unzutreffend daher die von Larenz, aaO, vorgeschlagene Unterscheidung.
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
Weisung auf die §§ 987 II, 989 in Haftung auf Schadensersatz umschlägt 20 . Für die verbleibenden Fälle halten wir einen von Canaris aus § 687 II entwickelten Gedanken für entscheidend. Die scharfe Haftung nach jener Bestimmung greift gemäß §682 gegenüber Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen nicht Platz. Andererseits ist die in § 682 ausgesprochene Verweisung auf das Bereicherungsrecht aus den von Canaris angegebenen Gründen nicht auf §819 I zu erstrecken. Zwischen der wissentlichen Führung eines fremden Geschäftes und Handlungen des bösgläubigen Schuldners im Zusammenhang der Bereicherung besteht eine auffällige Parallele. Außerhalb des Bereiches, in dem §819 I im Ergebnis Schadenersatz anordnet, ist also nicht analog § 827 auf die Kenntnis des nicht oder beschränkt Geschäftsfähigen selbst, sondern auf die des gesetzlichen Vertreters abzustellen. Reuter/Martinek (S. 554 ff) halten es für erforderlich, zwischen Wissens- und Verhaltenszurechnung zu unterscheiden. Die Bereicherungshaftung des Bösgläubigen gründe sich auf intensivierte Pflichten einerseits, die Verletzung dieser Pflichten andererseits. Im Rahmen der Wissenszurechnung könne es daher generell nur auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters ankommen. Die dazu vorgetragenen Argumente sind bedenkenswert, müßten sich aber auch auf das Verständnis von §990 auswirken. Die deshalb erforderliche umfassende Untersuchung ist hier nicht möglich.
d) Zu klären bleibt, auf wessen Kenntnis es bei der Einschaltung von Hilfspersonen ankommt. Praktisch unbestritten ist in diesem Zusammenhang zunächst, daß bei Leistung an einen Bevollmächtigten oder eine sonstige Vertrauensperson § 166 analog anzuwenden ist21. Dabei wird nicht ausreichend berücksichtigt, daß der böse Glaube des Vertretenen in allen Fällen genügen sollte, um die verschärfte Bereicherungshaftung auszulösen 22 . In diesem Sinne sollte §819 daher verstanden werden. Liegen die subjektiven Voraussetzungen dieser Bestimmung dagegen nur in der Person des „Gehilfen", nicht dagegen in der des Bereicherten selbst vor, so würde dieser durch die unterschiedslose Anwendung des § 166 I andererseits unangemessen belastet. Zumindest in den Fällen, für die die Bereicherungshaftung in Anwendung des §819 I in eine Haftung auf Schadenersatz umschlägt, sollte nicht §166, sondern §831 entsprechend herangezogen werden. Jedenfalls kann diese Frage nicht anders als für § 990 beantwortet werden. Daß dort § 831 und nicht § 166 gilt, hat Baur (S. 36) durchschlagend begründet. Im übrigen ist es nicht angängig, zwar die 20 21
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Im Ergebnis wie hier Wilhelm, 188 ff. Vgl. B G H Z 83, 293 (295) m w N ; auch B G H N J W 1980, 1115; zur erstgenannten Entscheidung Häsemeyer, JuS 1984, 176. Ebenso MünchKomm-Z.¿e¿>, §819 Rdn. 6; Reuter/Martinek, 645.
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§§827 ff, nicht aber §831 in die Interpretation des §819 hineinzunehmen23 . e) Die verschärfte Haftung tritt nicht ein, wenn der Bereicherte beim Empfang einer Leistung glaubte, auch der Leistende kenne deren Rechtsgrundlosigkeit24. Denn in diesem Falle durfte der Empfänger25 annehmen, er werde das Empfangene behalten dürfen. 3. Gesetz- oder sittenwidriger Empfang Die dritte Alternative verschärfter Haftung wird in §819 II umschrieben. Sie betrifft Verstöße des Bereicherten gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten. Im Unterschied zu § 817, 1. Satz ist neben dem objektiven Vorliegen dieser Voraussetzungen nach ganz herrschender Lehre26 Bewußtsein des Verstoßes zu fordern. Dem ist im Hinblick auf die anderen Fälle der Haftungsverschärfung und deren Zurechnungsgrund zuzustimmen. Freilich wird dann in den meisten Fällen des § 819 II auch § 819 I eingreifen. Es wäre nicht sinnvoll, den Empfänger von Haftungsverschärfung völlig freizustellen, wenn er die von §819 II geforderte Einsicht erst nachträglich erlangt. Ebensowenig geht es aber an, ihn in diesem Fall von Anfang an haften zu lassen. Entgegen dem Wortlaut, aber entsprechend § 819 I sollte § 819 II daher ab dem Zeitpunkt angewendet werden, ab dem dem Empfänger die Gesetz- oder Sittenwidrigkeit seines Erwerbs bewußt wird 27 . § 819 II gilt auch bei Gesetzes- oder Sittenverstoß des Leistenden. Vorausgesetzt wird dabei, daß § 817, 2. Satz ausnahmsweise nicht eingreift28. 4. Ungewißheit der Erreichung des Geschäftszwecks § 820 I stellt in beiden Alternativen darauf ab, daß die Parteien die endgültige Realisierung des Leistungszweckes als ungewiß angesehen haben und deshalb von vornherein damit rechnen mußten, das Empfangene wieder zurückgeben zu müssen. Neben der objektiven Ungewißheit der Zweckerreichung ist deshalb, wie der B G H zu §820 I, 1. Satz bemerkt, vorauszusetzen, daß die Beteiligten subjektiv beim Abschluß des Rechtsgeschäf23 24 25 26 27
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Kritisch wiederum Reuter/Martinek, 646 f. R G Z 137, 179; RGZ 151, 357f; MünchKomm-Ii'efe, §819 Rdn.9 mwN. Vgl. § 814. MünchKomm-Ziefe, § 819 Rdn. 13 mwN. So etwa Esser, 385; ähnlich MünchKomm-Z-iet, § 8 1 9 Rdn. 14; Staudinger/Lorenz, § 8 1 9 Rdn. 13; anders KGKK-Heimann-Trosien, § 8 1 9 Rdn. 13. Vgl. oben S. 64; ferner B G H N J W 1958, 1725.
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
tes den Eintritt des Erfolges als unsicher, den Wegfall des Rechtsgrundes demnach als möglich ansehen29. § 820 1,1. Satz knüpft an § 812, 2. Satz, zweite Alternative (condictio ob rem) an. An sich deckt die Bestimmung, wie sich aus der Anordnung verschärfter Haftung ergibt, nur Fälle, in denen der Eintritt des einverständlich bezweckten Erfolges von ungewissen Umständen, nicht dagegen vom Leistungsempfänger abhängig ist. In letzterem Fall ist § 820 I, 1. Satz jedoch entsprechend ab dem Zeitpunkt anzuwenden, ab dem sich der Empfänger entschließt, den rechtsgeschäftlich maßgeblichen Erfolg nicht herbeizuführen 30 . § 820 I, 2. Satz setzt den Tatbestand des § 812, 2. Satz, erste Alternative (condictio ob causam finitam) und zusätzlich voraus, daß die Parteien den Wegfall des Rechtsgrundes von vorneherein ins Auge gefaßt haben. Eindeutig hierher gehört die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung. Bei Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts und Zahlungsverzug des Käufers findet eine vom Verkäufer eingeleitete Rückabwicklung im Normalfall dagegen nicht über Bereicherungs-, sondern über Rücktrittsrecht statt. Bei Zahlungen unter Vorbehalt hängt die Anwendbarkeit des § 820 I, 2. Satz davon ab, ob der Empfänger mit der Möglichkeit der Rückforderung gerechnet hat 31 .
II. Der Inhalt der Haftungsverschärfung 1. Verweisung auf die „allgemeinen Vorschriften" a) Ist der Beklagte im Sinne der §§ 818 IV, 819, 820 bösgläubig, so haftet er nach den „allgemeinen Vorschriften". Was das bedeutet, ist heftig umstritten. Nach einer Ansicht sind die §§292, 987 ff, 291 gemeint32. Nach anderen geht es nicht nur darum, sondern auch um die §§ 275 ff 33 . Für die §§279, 281 hat sich der B G H dieser Ansicht angeschlossen34. Reuter/ Martinek (S. 635 ff) halten — im Einklang mit der Hauptthese ihres Wer29 30 31
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BGH JZ 1961, 699; vgl. MünchKomm-Lz'e^, §820 Rdn. 2. Im Ergebnis wie hier Esser, 385. Für Einzelheiten vgl. RGKK-Heimann-Trosien, §819 Rdn. 4; zur Bedeutung von § 820 bei nachträglicher Korrektur eines Zahlungstitels instruktiv Kohler, ZZP 1986, 45 ff. MünchKomm-Li'c^ §818 Rdn. 109ff, 115; Esser/Weyers, §51 III 2 (S.431); Wilhelm, 184 f mit Berufung auf die Motive; Jakobs, 146 f; Teichmann, JuS 1972, 250 mwN. Larenz, § 70 IV (S. 586); Fikentscher, § 100 VII 1 (S. 705); Erman/H. P. Westermann, § 818 Rdn. 50; Staudinger/Lorenz, § 818 Rdn. 50. BGHZ 83, 293 (299); BGHZ 75, 203 (207).
§ 1 5 . Der Umfang der Bereicherungshaftung nach Rechtshängigkeit u. ä.
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kes 35 - eine Differenzierung nach Kondiktionsarten für erforderlich. Beuthien/Weber (S. 65) wollen danach unterscheiden, ob ein bestimmter Gegenstand oder Wertersatz geschuldet werde. In letzterem Fall sei § 292 nämlich gegenstandslos. Unseres Erachtens ist grundsätzlich an dem engen Verständnis der in §818 IV enthaltenen Verweisung festzuhalten. Das Gesetz koppelt die Verweisung auf die „allgemeinen Vorschriften" tatbestandlich mit dem „Eintritt der Rechtshängigkeit". Das legt es zumindest sehr nahe, darunter diejenigen allgemeinen Normen zu verstehen, die ihrerseits an Rechtshängigkeit anknüpfen, also die §§292, 987 ff, 29136. In dieselbe Richtung weist auch die Entstehungsgeschichte 37 . Aus dem Bedürfnis nach Anwendung des § 281 ergibt sich nach hier vertretener Ansicht nichts, weil schon der Gutgläubige entsprechend haftet. Die Anwendung des § 279 schließlich hätte bei Geldschulden, namentlich im Anwendungsbereich von § 818 II, die Konsequenz, daß der Umfang der herauszugebenden Bereicherung ab „Bösgläubigkeit" endgültig fixiert wäre. Das ist aber mit der ancillarischen Funktion von § 818 II nicht zu vereinbaren 38 . Denn zufälliger Untergang des Erlangten befreit grundsätzlich auch den Bösgläubigen, so etwa bei Zerstörung eines samt Grundstück erlangten Hauses durch Blitzschlag. Ist dies so, so muß auch der Wertersatz schuldende Eigentümer frei werden, auf dessen Grundstück der Kläger ein Haus errichtet hat. Die Einbeziehung des §279 in die „allgemeinen Vorschriften" würde dieses Ergebnis jedoch ausschließen. Ihr steht auch entgegen, daß die Bereicherungsschuld - bei Gattungssachen - dann zur Beschaffungsschuld würde. Denn auch der Bösgläubige haftet, wenn auch mit Modifikationen, grundsätzlich nur für Herausgabe des Erlangten. Der an sich berechtigte Hinweis auf § 34639 besagt demgegenüber nichts, weil im Fall des Untergangs der empfangenen Leistung auch dort nicht §279, sondern die §§347, 987 ff anzuwenden sind. b) §292 verweist auf die Regeln über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, also die §§ 987 ff. Die sich daraus ergebenden wesentlichsten Unterschiede gegenüber der Haftung des gutgläubigen Bereicherungsschuldners sind die folgenden. Eine verschuldete Zerstörung oder Verschlechterung des Empfangenen ändert an der Haftung des Bösgläubigen nichts (§ 989). Daß er bei zufälliger Unmöglichkeit der Herausgabe frei wird, folgt entgegen einer verbreiteten Meinung nicht aus §275, sondern e contrario aus 35 36 37 38
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Dazu S. 115 f. Ebenso Teichmann, aaO. Vgl. Reuter/Martinek, 633 f. Dazu oben S. 112f; unten S. 153; im Ergebnis wie hier Häsemeyer, JuS 1984, 180 f m w N und bedenkenswerten Zusatzüberlegungen. Reuter/Martinek, 635.
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
§989 selbst und aus §818 II. Nutzungen, die der bösgläubige Bereicherungsschuldner entgegen den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft nicht zieht, muß er, anders als in § 818 I vorgesehen, ersetzen. Dabei sind die Nutzziehungskosten zugunsten des Schuldners zu berücksichtigen (§ 102). Verwendungen auf die Sache kann der Schuldner nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag ersetzt erlangen und auch dies nur, soweit es sich um notwendige Verwendungen handelt 40 . Insgesamt steht der bösgläubige Bereicherungsschuldner also erheblich schlechter da als der gutgläubige. Nach §292 sind die §§987 ff nur insoweit anzuwenden, als sich nicht „aus dem Schuldverhältnis oder aus dem Verzug des Schuldners zugunsten des Gläubigers ein anderes ergibt". Schuldverhältnis ist hier die Kondiktionslage 41 . §292 ergibt daher, daß der Anspruchsinhaber gegenüber dem bösgläubigen keinesfalls schlechter stehen soll als gegenüber dem gutgläubigen Bereicherungsschuldner. Liegt Verzug vor, so erstreckt sich die Haftung auch auf den zufälligen Untergang der Sache (§ 287), ferner auch auf den Verzugsschaden (§ 286). Nach Rechtshängigkeit wird Verzug verhältnismäßig häufig, keineswegs jedoch immer vorliegen 42 . Im übrigen ist fraglich, ob die Verweisung auf die Vorschriften über die Rechtshängigkeit auch für die Fälle der §§ 819, 820 die für den Verzugseintritt an sich erforderliche Mahnung ersetzt. Dagegen spricht §820 I. Die Annahme, der Bereicherte hafte auch in diesen Fällen von Anfang an für die zufällige Unmöglichkeit der Herausgabe, ist mit der von dieser Bestimmung anvisierten Interessenlage, die sich besonders in § 820 II ausdrückt, unvereinbar. Die Fiktion der Rechtshängigkeit sollte daher nicht auch auf § 284 erstreckt werden. Neben dem bisher dargelegten Inhalt verschärfter Haftung ist noch §291 zu beachten. Bereicherungsschulden, die in Geld bestehen, muß der Bösgläubige demnach mit 4% 4 3 verzinsen. In den Fällen des § 820 I gilt dies freilich erst ab dem Zeitpunkt, in dem dem Empfänger der Fehlschlag des geplanten Geschäftes klar wird (§ 820 II). Entsprechendes gilt in diesen Fällen für den Eintritt der verschärften Nutzungshaftung. c) Entgegen einer gelegentlich vertretenen Auffassung 44 ist §818 III zugunsten des bösgläubigen Bereicherungsschuldners in keinem Fall an40 41
42
43 44
Vgl. §§994 II, 995, 996. Kritisch, aber nicht überzeugend Wandt, M D R 1984, 537; im Ergebnis wie hier z. B. MünchKomm-Lje^, §818 Rdn. 114. Vgl. dazu Lange, J Z 1964, 640 ff; ferner die Übersicht bei Palandt/Heinrichs, §285 Anm. 2. Vgl. §288. Vgl. Wilhelm, 185; Lieb, N J W 1971, 1292.
§ 15. Der Umfang der Bereicherungshaftung nach Rechtshängigkeit u. ä.
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wendbar. Haftungsmilderungen, die auch ein solcher Schuldner noch geltend machen kann, folgen nicht aus dieser Bestimmung, sondern aus den allgemeinen Vorschriften selbst, so zum Beispiel aus § 989 bei zufälligem Untergang der kondiktionsbelasteten Sache45. Hervorzuheben ist, daß sich der Eintritt der verschärften Haftung nicht nur auf § 818 III, sondern auch auf §818 I und §818 II auswirkt. Bei §818 I ist dies offensichtlich. Denn aus den §§818 IV, 292, 987 II ergibt sich klipp und klar, daß die bereicherungsrechtliche Normalhaftung nur auf die gezogenen Nutzungen dem bösgläubigen Kondizienten gegenüber gerade nicht gilt. Verschuldet ein Bösgläubiger den Untergang des Erlangten, so ist in erster Linie Schadenersatz nach §989, nicht Wertersatz gemäß §818 II zu leisten. Letzteres kommt infolge der Verweisung auf das „Schuldverhältnis" in § 292 im Ergebnis nur in Betracht, wenn der dem Bereicherten verbliebene Wert ausnahmsweise höher ist als der dem Kläger entstandene Schaden. Beim Gebrauch fremder Rechtsgüter haftet der Gutgläubige andererseits nur auf die Ersparnis, der Bösgläubige dagegen mindestens auf den objektiven Wert46. Die gängige Annahme, Bösgläubigkeit des Bereicherten schalte nur §818 III aus und sonst nichts, erweist sich damit als trügerisch. d) Erwägenswert erscheint es, die Vorschriften über die Haftung des bösgläubigen Bereicherungsschuldners entsprechend auch dann anzuwenden, wenn der Beklagte zwar nicht bösgläubig ist, den Mangel des rechtlichen Grundes aber zu vertreten hat. Der Wandlungsgegner braucht nicht bösgläubig zu sein, hat den Wandlungsgrund aber in aller Regel zu vertreten. Er haftet gemäß § 347 nach den § 987 ff und muß den Kaufpreis verzinsen 47 . Es ist schwer ersichtlich, warum die Rechtslage anders sein sollte, wenn der Kaufvertrag nicht gewandelt, sondern angefochten wird.
2. Bösgläubigkeit bei der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge a) Ist das Empfangene bei dem gutgläubigen Beteiligten eines unwirksamen Austauschvertrages untergegangen, so fragt sich, ob er seine eigene Leistung vom Bösgläubigen zurückfordern und gleichzeitig geltend machen kann, er selbst sei entreichert. Da bei Unmöglichkeit gegenständlicher Restitution nur Wertersatz in Betracht kommt, hängt die Beantwortung dieser Frage offenbar mit §818 II zusammen und muß daher im Rahmen dieser Bestimmung gelöst werden 48 . b) Für die Fälle beiderseitiger Gutgläubigkeit haben wir festgestellt, daß der Kläger Nutzungen nur verlangen kann, wenn er - falls die von ihm 45 46 47 48
Im Ergebnis wie hier die h. M. Vgl. etwa B G H Z 57, 137 (150); Esser, 386. Vgl. unten S. 161, 164 f. Palandt/Heinrichs, §347 Anm. 3. Vgl. unten S. 183 ff.
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
selbst gezogenen Nutzungen hinter den objektiven Nutzungswert des Erlangten zurückbleiben - die Differenz als Wertersatz anbietet. Daß diese Regel bei Gutgläubigkeit des Klägers und Bösgläubigkeit des Beklagten modifiziert werden muß, läßt sich indirekt aus den §§ 347, 820 II erschließen. § 347 verweist für die Nutzungshaftung bei vertraglich vorgesehenem Rücktritt auf dieselben Vorschriften, aus denen sich die Haftung des bösgläubigen Bereicherten ergibt. Der Wertungsgrund des § 347 besteht darin, daß die Parteien sich von Anfang an auf die Rückgewähr des Empfangenen einrichten mußten. Folgerichtig läßt die herrschende Meinung4' in den Fällen, in denen § 347 infolge Verweisung auch bei gesetzlich vermitteltem Rücktritt anwendbar ist, die Haftung nach jener Bestimmung erst ab Kenntnis vom Vorliegen der Rücktrittsvoraussetzungen eintreten. Der Käufer einer mangelhaften Sache braucht deren Gebrauchsvorteile also vor Kenntnis des Mangels nur entsprechend §818 I 50 ersetzen, während jedenfalls51 der bewußt schlecht liefernde Verkäufer den Kaufpreis im Falle der Wandlung verzinsen muß. Die Interessenstruktur des Verhältnisses zwischen einem gut- und einem bösgläubigen Bereicherungsschuldner entspricht dieser Situation in vollem Umfang. Infolgedessen muß auch die Lösung dieselbe sein. Das bei der Konfrontation zweier gutgläubiger Bereicherten anzunehmende gegenteilige Ergebnis beruht entscheidend auf der Erwägung, daß der Nutzungsausgleich anderenfalls entgegen § 818 I, III zu einer Schädigung des Beklagten führen würde. Gerade dieser Gesichtspunkt kann gegenüber dem bösgläubigen Beklagten, wie sich aus §987 II erschließen läßt, nicht ausschlaggebend sein. Schließlich zeigt § 820 II durch seine Fixierung der Haftungsverschärfung auf den Zeitpunkt, in dem die Beteiligten den Nichteintritt des rechtsgeschäftlich bezweckten Erfolges oder den Wegfall des Rechtsgrundes erfahren, daß der Gesetzgeber selbst davon ausgeht, daß einer auf Nutzungen gemäß §987, der andere aber nur nach §818 I haftet. c) Gegenüber dem gutgläubigen Bereicherungsbeklagen kann der Kläger eigene Aufwendungen nur insofern abziehen, als der Beklagte durch sie bereichert würde 5 2 . Ist der Beklagte bös-, der Kläger aber gutgläubig, so scheint eine solche Einschränkung nicht gerechtfertigt. Denn ihr tragender Grund besteht darin, daß der Bereicherungsausgleich dem gutgläubigen Kondizienten nach einer eindeutig erkennbaren und billigenswerten Wertung des Gesetzes keinen Schaden zufügen soll. Der Bösgläubige ist gegen derartiges ohnehin nicht geschützt. In der Beklagtenrolle könnte der Gutgläubige davon abgesehen seine Aufwendungen mit Sicherheit geltend machen. Anders als gegenüber einem ebenfalls gutgläubigen Part49 50 51 52
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
statt aller Palandt/Heinrichs, § 347 Anm. 2. Thielmann, VersR 1970, 1073; MünchKomm-Janßen, §347 Rdn.24. S. 142. oben S. 142.
§ 1 6 . Wertersatz
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ner ist es ihm hier jedoch nicht zuzumuten, seinerseits auf eine Klage zu warten. Denn dadurch würde die vom Gesetz gewollte Bevorzugung des gutgläubigen Bereicherten praktisch illusorisch gemacht.
§ 16. Wertersatz I. Grundlagen 1. Funktion des § 818 II Der Anspruch auf Wertersatz gemäß §818 II hat die Aufgabe, die Lücke zu schließen, die sich ergeben würde, wenn der Kondizient zwar zur gegenständlichen Restitution des Erlangten nicht (mehr) in der Lage ist, aber noch etwas in seinem Vermögen hat, was nicht da wäre, hätte der Beklagte nicht auf Kosten des Klägers etwas ohne Rechtsgrund erlangt 1 . Darüber hinaus reichende Funktionen hat §818 II nicht; insbesondere wird die Kondiktion durch diese Bestimmung nicht auf eine von den §§ 812, 818 1 verschiedene Wertungsgrundlage gestellt. Löst § 818 II demnach nur ein technisches Problem, das sich daraus ergibt, daß die gegenständliche Rückgewähr des Empfangenen unmöglich seien, der Empfänger aber noch einen Gegenwert in Händen haben kann, so folgt daraus, daß der Inhalt des Wertausgleichs so bestimmt werden muß, daß er im wirtschaftlichen Ergebnis mit den Resultaten der bereicherungsrechtlichen Normalabwicklung harmoniert 2 . 2. „Unmöglichkeit" der Herausgabe als Anspruchsvoraussetzung Das Gesetz macht die Verpflichtung zum Wertersatz davon abhängig, daß Herausgabe des primär Erlangten „nicht möglich" bzw., daß der Empfänger aus einem anderen Grund zur Herausgabe „außerstande" ist3. Damit sind (fast) unstreitig nicht nur Fälle objektiver Unmöglichkeit (Leistung von Diensten, Gebrauch fremder Sachen), sondern auch solche subjektiven Unvermögens (Veräußerung einer indebite erlangten Speziessache) gemeint 4 . Bezog sich der Bereicherungsanspruch zunächst auf vertretbare 1 2 3
4
Über den Begriff des „Erlangten" S. 116 ff. Siehe oben S. 112 f. Einzelheiten dazu etwa bei MünchKomm-Z-jei», §818 Rdn. 27 ff, m w N . Nach B G H N J W 1981, 2687 ist die Herausgabe eines Grundstücks unmöglich, wenn dieses mit einem Gebäude bebaut wurde, dessen Wert den Grundstückswert weit übersteigt. Anders allerdings Reuter/Martinek, 564, die für den bösgläubigen Schuldner einer Leistungskondiktion eine Beschaffungspflicht annehmen.
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
Sachen, so ist der Schuldner, wenn er die rechtsgrundlos gelieferten Stücke nicht mehr hat, nicht etwa verpflichtet, gleichartige Sachen zu beschaffen und dem Gläubiger auszuhändigen 5 . Er schuldet vielmehr auch in diesem Fall nur Wertersatz 6 . Das ist, obwohl (fast) allgemein anerkannt, vom Wortlaut des Gesetzes her gesehen keineswegs zwingend, folgt jedoch daraus, daß die Bereicherungsschuld nicht Beschaffungsschuld, sondern Pflicht zur Beseitigung dem Gläubiger gegenüber rechtswidrigen Habens 7 , Pflicht zur Korrektur eines Zustandes 8 ist. Wenn an die Stelle des ursprünglich Erlangten ein Surrogat getreten ist, dann ist dieses herauszugeben. Der Gläubiger ist nicht etwa berechtigt, anstatt dessen Wertersatz zu verlangen. Ein Wahlrecht besteht nicht. Können gezogene N u t zungen nicht herausgegeben werden, dann ist auch dafür Wertersatz zu leisten. 3. Hauptprobleme Anwendungsbereich (im Verhältnis zu § 818 III) und Inhalt des Wertersatzanspruches gemäß § 818 II sind heftig umstritten. Dieser Streit bezieht sich zunächst darauf, ob die lange Zeit nahezu unangefochtene und auch heute noch überwiegende Identifizierung des bereicherungsrechtlichen Wertbegriffes mit dem objektiven Verkehrswert des Erlangten aufrechterhalten werden kann. Damit hängt die Frage zusammen, ob „Wert" im Verhältnis zu gut- und bösgläubigen Bereicherungsschuldnern möglicherweise etwas verschiedenes bedeutet. Dieselbe Frage stellt sich dann auch im Hinblick auf einseitige Kondiktionen einerseits und die Rückabwicklung unwirksamer Verträge andererseits. Für alle Fälle ist ferner umstritten, welcher Zeitpunkt der Wertermittlung zugrunde zu legen ist und schließlich, welche Bedeutung N u t z u n g e n und Surrogaten im Rahmen des Wertersatzes gemäß §818 II z u k o m m t . D i e folgenden Erörterungen konzentrieren sich zunächst auf einseitige Bereicherungsansprüche. Erst danach werden die noch verbleibenden Probleme des Bereicherungsausgleichs bei unwirksamen gegenseitigen Verträgen abgehandelt. Es handelt sich dabei vornehmlich um die Frage, was zu geschehen hat, wenn eine der beiden in Betracht kommenden Leistungen untergeht oder wesentlich verschlechtert wird.
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BGH BB 1971, 1348. Anders §§275, 279. Vgl. oben S. 15, 75 ff; ferner Wilhelm, 173, 184. Vgl. Pinger, MDR 1972, 102.
§ 1 6 . Wertersatz
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II. Einseitige Kondiktionen: Der Inhalt des Hauptanspruchs 1. Gewinnherausgabe a) Oben (S. 124 f) wurde begründet, daß das im Sinne des § 816 I, 1. Satz Erlangte die Befreiung von der Verbindlichkeit ist. Diese kann nicht herausgegeben werden. Daraus folgt, daß bei Veräußerung einer fremden Sache Wertersatz zu leisten ist. Dabei ist der Anspruchsinhalt nicht anhand des objektiven Wertes der veräußerten Sache, sondern mit Hilfe des Veräußerungserlöses (einschließlich eines etwaigen Gewinnes) zu ermitteln. Auch das wurde schon begründet 9 . In den Fällen des § 816 I, 1. Satz erstreckt sich der Wertersatz gemäß § 818 II daher auch auf den Eingriffsgewinn. Medicus10 nimmt demgegenüber allerdings an, der Wert der Befreiung von der Verbindlichkeit könne nur in dem Wert der veräußerten Sache bestehen. Das ist jedoch keineswegs zwingend. Genausogut läßt sich sagen, dieser Wert sei identisch mit dem Preis, für den der Verfügende bereit war, die Sache hinzugeben. Diese Betrachtungsweise verdient deshalb den Vorzug, weil sie das wertungsmäßig als richtig erkannte Ergebnis auch begrifflich abdeckt. Auch dann, wenn eine fremde Sache belastet oder eine eigene mit der Folge veräußert wird, daß ein daran bestehendes dingliches Recht untergeht, erlangt der „Eingreifer" die Befreiung von einer Verbindlichkeit11. Im zweiten Fall richtet sich der Umfang des Wertersatzes danach, um wieviel mehr der Verfügende dadurch erlöst hat, daß die Sache lastenfrei übereignet wurde. Die Behandlung der ersten Fallgruppe ist schwierig und umstritten12. Klar scheint jedenfalls zu sein, daß zwischen gut- und bösgläubigen Schuldnern unterschieden werden muß. Gutgläubigen, die sich darauf berufen können, sie hätten sich bei Kenntnis der Sachlage anderweitig beholfen, ist zumindest zu gestatten, die fremde Sicherheit durch eine eigene abzulösen. Bei Bösgläubigen bestehen gegen die Annahme einer Pflicht zur Herausgabe der Darlehensvaluta dagegen wohl keine durchgreifenden Bedenken13. b) Heftig umstritten ist, ob auch der Gewinn auf bereicherungsrechtlicher Grundlage liquidiert werden kann, den jemand durch Gebrauch fremder Sachen oder Rechtsobjekte, zum Beispiel fremder gesetzlich geschützter Erfindungen erzielt. Das Beispiel bezeichnet das praktisch 9 10 11 12
13
Oben S. 121 ff. Rdn. 723; ebenso Höhn, 147; Loewenheim/Winckler, JuS 1984, 691. Oben S. 125. Dazu MünchKomm-Lie^, §816 Rdn. 38 ff; Erman/H. P. Westermann, §816 Rdn. 19; Reuter/Martinek, 297ff, alle mwN; neuerdings noch Schlechtriem, ZHR 149, 333 f. Vgl. unten S. 164 f.
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
wichtigste Bedeutungsfeld des Streites, nämlich die Verletzung von Immaterialgüterrechten 14 . Die Rechtsprechung hat die Liquidation von Gewinnen eines gewerblichen Unternehmens in konstruktiv bedenklicher Weise als Nutzungsersatz zugelassen15. Im gewerblichen Rechtsschutz wurde die Herausgabe des Eingriffsgewinns auf bereicherungsrechtlicher Grundlage - von einem frühen Urteil zum Urheberrecht (RGZ 35, 63) abgesehen - dagegen stets abgelehnt 16 , dafür aber im Wege des Schadensersatzes zugebilligt. Diese Begründung der Gewinnhaftung - nicht das Ergebnis - ist jedoch, wie heute feststeht, unhaltbar 17 . In der bereicherungsrechtlichen Standardliteratur wird die Erstreckung der Haftung auf den Eingriffsgewinn im allgemeinen abgelehnt 18 , von einer im Vordringen begriffenen Lehre 19 dagegen bejaht. Dieser Lehre ist zuzustimmen. Dafür spricht zunächst, daß bei Eingriffen durch Veräußerung einer fremden Sache Gewinnherausgabe stattfindet. Es wäre nicht einsichtig zu machen, wieso bei anderen Formen der Gewinnerzielung mittels Inanspruchnahme fremder Rechtsgüter etwas anderes gelten solle 20 . Zum zweiten trägt der Kläger jedenfalls gegenüber dem gutgläubigen Eingreifer das volle Risiko, daß dieser keinen Vermögenswerten Vorteil erzielt. Ihm sollte auch die Möglichkeit eingeräumt werden, einen etwaigen Gewinn zu liquidieren. Der Beklagte wird dadurch nicht unangemessen belastet. Denn mehr als die real eingetretene Bereicherung braucht er nicht herauszugeben. Die Gegenmeinung geht davon aus, in den gegenwärtig interessierenden Fällen sei über § 818 II stets der objektive Wert des Gebrauchs, d. h. die angemessene Nutzungs- oder Lizenzgebühr zu entrichten. Zur Begründung wird teilweise auf die Notwendigkeit einer Vermögensverschiebung, die den Eingreifergewinn 14
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Speziell dazu neuerdings Sack, FS Hubmann (1986) 373; Falk, GRUR 1983, 488; Delahaye, GRUR 1985, 856. Vgl. oben S. 126. Aus neuerer Zeit BGHZ 81, 75 (81 f); B G H Z 82, 299 (308); B G H Z 99, 244 (248). Übersicht über die Entwicklung und Kritik etwa bei Jakobs, 81 ff; Kellmann, 17 ff; Haines, 4 ff. Nachweise etwa bei MünchKomm-Liei, § 818 Rdn. 16; ferner etwa König, FS von Caemmerer (1978) 179 ff ; Schlechtriem, Symposium König (1984) 80 ff; Sack, FS Hubmann (1985) 379 ff. Vgl. Esser, 370; Esser/Weyers, §51 I 2 (S.416); MünchKomm-Iiei, §818 Rdn. 16ff; Erman/H.P. Westermann, §818 Rdn. IH; Jakobs, 72ff, 128ff; Kellmann, 132ff; Haines, 121, 127ff; Ostendorf, 87ff; Roth, FS Küchenhoff (1972) 377 ff; Kleinheyer, J Z 1971, 477; für die Eingriffskondiktion grundsätzlich auch Reuter/Martinek, 538 ff; w N bei Sack, aaO, 381 Anm. 41. So etwa Esser, aaO.
§16. Wertersatz
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natürlich nicht abdecken kann, abgestellt. Andere 21 argumentieren von der Vorstellung aus, dem Beeinträchtigten sei nur das uti, frui, abuti zugewiesen, der Eingreifer schulde deshalb nur den objektiven Wert des Gebrauchs - nicht aber den Gebrauchserfolg. Indes setzt die Kondiktion keine Vermögensverschiebung voraus 22 , im übrigen läßt sich wohl kaum plausibel machen, warum die Zuständigkeitszuweisung, die den Anknüpfungsgrund der Eingriffskondiktion liefert 23 , nicht auch gerade die gewinnbringende Nutzung des Eingriffsobjekts dem Rechtsinhaber vorbehält 24 . Des weiteren hat Gursky25 gegen die bereicherungsrechtliche Gewinnhaftung noch geltend gemacht, sie verkenne den Funktionszusammenhang der §§812, 818 I und II. Diese Normen gingen nicht von der Vorstellung aus, daß der Kondiktionsanspruch alle durch die rechtsgrundlose Leistung oder den Eingriff adäquat verursachten Steigerungen des Vermögens des Kondiktionsschuldners umfaßt. Andernfalls wäre die Regelung des §818 I überflüssig. Indes geht es auch im Rahmen der Gewinnhaftung keineswegs darum, jede adäquat verursachte Vermögensvermehrung abzuschöpfen, sondern nur darum, konkret zu ermitteln, was das primär Erlangte, das der Schuldner nicht herausgeben kann, für ihn wert ist. Durch die Verpflichtung diesen Wert zu ersetzen, wird er genauso gestellt, als könne und müsse er das Erlangte herausgeben. Daher ergibt sich nicht nur kein Widerspruch zwischen der Haftung auf den Eingriffsgewinn und § 818 I; vielmehr entspricht allein diese Haftung der ancillarischen Funktion 26 des bereicherungsrechtlichen Wertersatzes. Auch die vor allem von der Judikatur gerne verwendete Begründung der Haftung auf den objektiven Wert mit der Ersparnis des Anspruchsgegners kann nicht überzeugen 27 . Nach Reuter/Martinek (S. 539 f) ist - anders als in den anderen Fällen - der objektive Wert zu ersetzen, wenn ein fremdes Gut als Betriebsmittel eingesetzt werde. Hier bestehe die Bereicherung nur in der Ersparnis, nicht aber im Gewinn. Indes bezeichnen diese Worte nur zwei Seiten derselben Medaille. Abgesehen davon sind die Konturen der von Reuter/Martinek eingeführten Unterscheidung äußerst unscharf. Man denke nur an einen gewerbsmäßigen Vermieter von Liegestühlen, der neben eigenen auch fremde Liegestühle einsetzt. Diese sind ein Betriebsmittel. Daß nur der objektive Wert der Nutzung fremder Gegenstände und nicht wie sonst der Gewinn herauszugeben ist, kann wohl kaum einsichtig gemacht werden 28 . Unzutreffend ist es auch, die Gewinnhaftung dann zu verneinen, wenn ein (unwirksamer) Gebrauchsüberlassungsvertrag vorliegt. Die Gegenauffassung von Lieb29 wird damit begründet, das Verlustrisiko liege in 21
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Insbesondere von Caemmerer, 253 ff; ähnlich Larenz, FS von Caemmerer (1978) 219 f. Oben S. 84. Oben S. 75 ff. Esser, 370; zum ganzen Koppensteiner, N J W 1971, 1769 f. JR 1972, 280. Oben S. 153. Dazu unten S. 163. Weitere Kritik in MünchKomm-Ziei, §818 Rdn. 21a. MünchKomm, §818 Rdn. 10 ff, 20; vgl. auch Reeb, 101 ff.
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diesem Fall beim Schuldner, weil er seine vertraglich vereinbarte Gegenleistung auch auf bereicherungsrechtlicher Grundlage erbringen müsse. Richtig ist, daß Verlustrisiko und Gewinnchance derselben Partei zugeordnet werden müssen. Nicht zu folgen ist aber der Annahme, der Bereicherungsgläubiger müsse sich an den von ihm geforderten Preis festhalten lassen oder könne diesen stets fordern 30 . Denn der Vertrag ist unwirksam.
c) Bei Veräußerung rechtsgrundlos erlangter Sachen ist nach ganz überwiegender Ansicht 31 nicht der Gewinn, sondern lediglich der objektive Wert der Sache herauszugeben. Demgegenüber ist zu bedenken, daß sich die zu beurteilende Situation von der in §816 I, l.Satz geregelten nur dadurch unterscheidet, daß der Verfügende hier infolge des Abstraktionsprinzips Eigentümer ist. Indessen erschöpft sich der Sinn des Abstraktionsprinzips im Verhältnis des Erwerbers zu Dritten; „im Verhältnis zum Leistenden muß der sine causa-Berechtigte wie ein Nichteigentümer behandelt werden" 32 . Für Gewinnherausgabe bei Veräußerung indebite gelieferter Sachen spricht ferner §28 1 33 , der nach fast einhelliger Ansicht den gesamten Veräußerungserlös umfaßt 34 , und schließlich der Umstand, daß der Exeigentümer ja auch das Risiko einer Unterwertveräußerung der Sache trägt 35 . Der B G H hat sich diesen Überlegungen schon fast angeschlossen. In B G H Z 75, 203 (208 f) wird die Haftung des bösgläubigen Bereicherungsschuldners nach §281 tragend auch mit der Erlösherausgabepflicht nach §687 II begründet 36 . Eine solche Pflicht ist nach ständiger Rechtsprechung aber auch die Konsequenz von § 816 I Satz 1, ohne daß dort Gutoder Bösgläubigkeit des Verfügenden eine Rolle spielt. Wer, wie der B G H , darauf insistiert, es könne für die Gewinnhaftung nicht darauf ankommen, ob der Beeinträchtigte Eigentümer sei oder „nur" einen Herausgabeanspruch habe, kommt ohne Widerspruch nicht mehr daran vorbei, die Ansprüche aus §§8161, 818 II nach identischen Grundsätzen zu bestimmen. 30 31
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34 35 36
Dazu schon oben S. 141. Anders allerdings Lange, N J W 1951, 687; Esser/Weyers, §51 I 2 (S.416), die jedoch §818 I anwenden wollen; Erman/H.P, Westermann, §818 Rdn. 15 ff; vgl. auch Goetzke, AcP 173, 319ff. Jakobs, 20 Fn. 16; ausführliche Entwicklung desselben Gedankens bei Höhn, 118 ff m w N ; ebenso B G H Z 75, 203 (208 f). Nähere Untersuchungen dazu bei Höhn, 113 ff. Er kommt zu dem zutreffenden Ergebnis, daß zwischen den Inhalten der Ansprüche nach den §§281, 816, 812, 818 wertungsfolgerichtig kein Unterschied gemacht werden kann, kritisch Frank, JuS 1981, 104. Anders allerdings Höhn, 26 ff. Zum ganzen ausführlicher Koppensteiner, N J W 1971, 1771 f m w N . Kritik bei Reuter/Martinek, 639 f.
§ 16. Wertersatt
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Der hier vertretenen Ansicht wird unter Berufung auf die Materialien hauptsächlich entgegengehalten, bei § 8 1 8 III handle es sich um eine bewußte Privilegierung des gutgläubigen Bereicherungsschuldners; der Gesetzgeber habe der Beschränkung auf die Bereicherung die Gewinnhaftung gerade nicht gegenüberstellen wollen 37 . Historisch gesehen trifft dieses Argument zu. Aber es entspricht nicht mehr dem gegenwärtigen Stand der Dogmatik. Abgesehen von der Vernachlässigung einer sozusagen evident richtigen Wertung (cuius est periculum eius et commodum esse debet), müßten folgerichtig auch die Ansprüche nach den § § 8 1 6 1 Satz 1 und 281 auf den objektiven Wert der weggegebenen Sache beschränkt werden. Wer dazu nicht bereit ist, kann im Anwendungsbereich der §§812, 818 ohne Inkonsequenz nichts anderes vertreten 38 . Auf §818 I sollte die in Frage stehende Haftung im Einklang mit der ganz herrschenden Meinung aus demselben Grunde nicht gestützt werden, wegen dem wir uns im Rahmen des § 816 I, 1. Satz für die Identifizierung des Erlangten mit der Befreiung von der Verbindlichkeit ausgesprochen haben, nämlich der mit den Tauschfällen verbundenen Problematik3'. Der Vorschlag von Goetzkeden objektiven Wert des Gegenstandes unter §818 II zu subsumieren, den Veräußerungsgewinn aber unmittelbar als etwas in sonstiger Weise Erlangtes anzusehen, ist kaum nachvollziehbar, jedenfalls aber mit der von Goetzke selbst41 befürworteten Annahme unvereinbar, das Erlangte sei gerade nicht mit der Bereicherung gleichzusetzen. Im Kontext des § 816 I Satz 1 ist die Gewinnhaftung nach richtiger Ansicht bei § 818 II zu verorten. Bei Veräußerung einer indebite erlangten Sache kann nichts anderes gelten. d) Für sämtliche Fälle der Gewinnhaftung stellt sich die Frage, ob eine Verteilung nach Beitragswerten stattzufinden hat oder nicht. Diese Frage ist oben 42 für die von § 8 1 6 I, l . S a t z erfaßte Situation diskutiert und verneint worden. Gesichtspunkte, die eine abweichende Beurteilung für die anderen Fälle rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. e) Im Rahmen der Ermittlung des als Wertersatzes abzuführenden Betrages sind die Vermögensvorteile als Minderungsposten zu berücksichtigen, die der Beklagte auch ohne Zugriff auf ein dem Kläger vorbehaltenes Rechtsgut erzielt hätte 43 . Verkauft also zum Beispiel A infolge eines Ver37 38 39
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Vgl. Höhn, 59, 94; Urenz, FS von Caemmerer (1978) 220. Kritisch allerdings Latenz, FS von Caemmerer (1978) 220 f. Vgl. oben S. 124; ferner Koppensteiner, NJW 1971, 1772; weitere Argumente und Nachweise etwa bei Höhn, 88 ff; Reuter/Martinek, 550 ff. AcP 173, 321. AaO, 311. S.123Í. In diesem Sinne MünchKomm-í.»e¿>, §818 Rdn. 19; Esser, 369, 378 f; Jakobs, 136ff, 56ff; Haines, 127ff; Kleinheyer, JZ 1961, 474; Canaris, JZ 1971, 561.
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sehens das Buch des B anstatt seines eigenen, so kann B nur den objektiven Wert des Buches, nicht einen etwaigen Mehrerlös verlangen. Entsprechend ist zu entscheiden, wenn jemand eine fremde Erfindung benutzt, vergleichbare Ergebnisse aber auch mit Hilfe einer eigenen hätte erzielen können. Wer infolge eines rechtsgrundlos erworbenen L K W einen großen Transportauftrag akquiriert, braucht den dadurch realisierten Gewinn dennoch nicht herauszugeben, wenn er - wovon regelmäßig auszugehen ist - einen entsprechenden L K W auch hätte mieten können 4 4 . Den Grund f ü r die damit behauptete Notwendigkeit der Berücksichtigung hypothetischer Kausalabläufe liefert wiederum die Unterordnung des § 818 II unter die bereicherungsrechtliche Normalabwicklung gemäß §812/818 I. Die Lückenfüllungsfunktion des Wertersatzes nötigt dazu, das, was „Wert" ist, so zu bestimmen, als ob Herausgabe des Erlangten möglich wäre. Abgesehen von Aufwendungen und sonstigen Vermögensopfern des Bereicherten, die über §818 III zu berücksichtigen sind 45 , geht es also darum, dem Beklagten das, aber auch nur das abzunehmen, w o r u m sich sein Vermögen „auf Kosten" des Klägers vermehrt hat oder anders formuliert: was das auf Kosten des Klägers Erlangte im Vermögen des Beklagten wert ist. N o c h einmal hervorgehoben sei, daß es sich dabei nicht um eine Anwendung des §818 III, sondern des §818 II handelt. f) Gegenüber bösgläubigen Beklagten stellt sich wegen der in den §§818 IV, 819, 820 ausgesprochenen Verweisung auf die „allgemeinen Vorschriften" zunächst die Frage, ob § 818 II hier überhaupt noch anzuwenden ist. Dagegen könnte sprechen, daß die §§987 ff offensichtlich die Vermögenslage des Klägers im Auge haben, während es im Rahmen des §818 II darum geht, Änderungen des Beklagtenvermögens zu neutralisieren. Indes ist dieses Argument schon f ü r sich genommen nicht durchschlagend. Denn es ist ohne weiteres denkbar, dem Kläger die Wahl zu lassen, welche der in Betracht kommenden Ansprüche er verfolgen will. D a ß dies die einzig sinnvolle Lösung ist, ergibt sich daraus, daß Schadensersatz nach §989 beim Eingriff in fremde Rechte häufig gar nicht in Betracht kommen wird. In den übrigen Fällen dürfte die Gewinnherausgabe gemäß §818 II für den Gläubiger im Regelfall günstiger sein als Schadensersatz gemäß § 989. Ihm diesen Vorteil zu nehmen, liefe auf eine Privilegierung des bösgläubigen Beklagten hinaus. Dazu besteht keinerlei Anlaß 4 6 . In der Tat enthält §292 eine alternative Verweisung auf „das Schuldverhältnis". Damit sind hier die §§812, 818 II gemeint. 44 45 46
Dies gegen Reuter/Martinek, 571. Vgl. oben S. 132 ff. Ebenso im Ergebnis BGH NJW 1960, 860: Konkurrierende Anwendung der SS 816 I, 1. Satz, 989, 990; nach BGHZ 75, 207 ff ist, was auf dasselbe hinaus-
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D e r auf Gewinnherausgabe in Anspruch genommene bösgläubige Beklagte kann sich im Unterschied zu Gutgläubigen nicht darauf berufen, er hätte den Gewinn auch ohne das rechtsgrundlos Erlangte gemacht 47 . Das läßt sich zwar nicht mit der Haftung des Bösgläubigen nach den allgemeinen Vorschriften begründen. Denn auch im Rahmen des § 989 haftet der Besitzer grundsätzlich nicht, wenn der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternatiwerhalten entstanden wäre 48 . Aber wer sich in Kenntnis der wahren Verhältnisse ein einem anderen zustehendes Rechtsobjekt zunutze macht, muß sich venire contra factum proprium vorwerfen lassen, wenn er sich hinterher an dieser Entscheidung nicht festhalten lassen will. Daß die bereicherungsrechtliche Gewinnhaftung gegenüber dem Bösgläubigen anders aussieht als gegenüber dem Gutgläubigen, ist daher die notwendige Folge einer allgemein anerkannten Ausprägung des Rechtsmißbrauchsverbots 49 . Dagegen ein unzulässiges Operieren mit dem „Zauberhut von Treu und Glauben" einzuwenden 50 führt nicht weiter. Der gutgläubige Bereicherte kann dem Gewinnherausgabeanspruch sämtliche Aufwendungen entgegenhalten, die er zu Zwecken der Gewinnerzielung gemacht hat. Das ergibt sich aus § 8 1 8 III 5 1 . Dem Bösgläubigen gegenüber dürfte eine analoge Anwendung des § 102 angebracht sein. Dieser darf von seinem Bruttoerlös also nur solche Ausgaben abziehen, die bei „ordnungsmäßiger Wirtschaft" zur Realisierung des in Frage stehenden Gewinnes notwendig waren.
2. Verallgemeinerung: Herausgabe des „Eingriffserwerbs" a) Bei Veräußerung fremder oder rechtsgrundlos erlangter Sachen, im Zusammenhang des Gebrauchs fremder (rechtsgrundlos erlangter) Rechtsobjekte ist es selbstverständlich möglich, daß der tatsächliche Eingriffserfolg, das was das „Erlangte" für den Empfänger wert ist, nicht nur keinen Gewinn ergibt, sondern hinter dem objektiven Wert der Nutzung zurückbleibt. So ist es zum Beispiel, wenn A ein wertvolles Bild des B, das er unzutreffenderweise für eine Fälschung hält, weit unter Wert verkauft; so ist es, wenn die Nutzung einer fremden Erfindung anstatt der erhofften Gewinne nur Verluste bringt. Für den Anspruch aus § 8 1 6 I, 1. Satz ist unstreitig, daß der (gutgläu-
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48 49 50 51
läuft, zu Lasten des bösgläubigen Beklagten §281 anzuwenden. Dazu oben S. 149. So ausführlich Jakobs, 144 ff; ferner MünchKomm-LieZ», § 818 Rdn. 19; Kiembeyer, JZ 1961, 474; Canaris, JZ 1971, 561. Vgl. die Übersicht bei Palandt/Heinrichs, Anm. 5 C g Vor §249. Zutreffend Pankow, 83 ff; vgl. ferner RGZ 97, 310 ff; dazu Jakobs, 149 f. Roth, FS Küchenhoff (1972) 380, Fn. 43. Vgl. oben S. 128, 132 ff.
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bige) Beklagte nur den tatsächlichen Erlös herausgeben muß, und zwar auch dann, wenn dieser hinter dem objektiven Wert des veräußerten Gegenstandes zurückbleibt. Für andere Fälle gutgläubigen Eingriffs kann es im Ergebnis ebensowenig anders liegen wie bei der Veräußerung einer rechtsgrundlos erlangten Sache. Der dogmatische Grund dieses Befundes besteht darin, daß sich der Wertersatz - unter vorläufiger Vernachlässigung hypothetischer Kausalverläufe - wegen der funktionell notwendigen Ausrichtung an den §§812, 818 I auf das richtet, was das nicht restitutionsfähige Erlangte im Vermögen des Empfängers repräsentiert. Darauf gründet sich die Verpflichtung zur Gewinnherausgabe ebenso wie die Beschränkung der Haftung auf weniger als den objektiven Wert des Erlangten in Fällen, in denen der Beklagte keinen entsprechenden Vermögenszuwachs erzielt hat. In B G H Z 56, 173 hat der B G H einer Bank, die im Vertrauen auf die Wirksamkeit einer Globalzession eine Forderung eingezogen und über den Gegenwert anschließend zugunsten des jetzt vermögenslosen Zedenten disponiert hatte, den Entreicherungseinwand gegenüber dem auf der Grundlage von §816 II klagenden Warengläubiger versagt: Die Beklagte könne nicht ihr Vertragsrisiko - die Globalzession war nichtig - über §818 III auf den Kläger abwälzen. Dieser Überlegung ist entgegenzuhalten, daß es weder im Zusammenhang von § 818 III noch des § 818 II - hier liegt in Wahrheit der Sitz des Problems - auf die Ursache der Bereicherung ankommt 52 .
b) Die Fälle des Ge- oder Verbrauchs fremder Rechtsobjekte werden in Rechtsprechung und Literatur vornehmlich nicht unter dem Gesichtspunkt untersucht, was der Eingriff dem Bereicherten tatsächlich gebracht, sondern was dieser infolge des Eingriffs erspart hat. So soll bei unbefugter Benutzung einer Bahnstrecke 53 , eines fremden Schutzrechts 54 oder eines fremden Bildes zu Reklamezwecken 55 stets das angemessene Entgelt zu vergüten sein56. Dieses habe der Beklagte erspart, weil er es bei ordnungsmäßigem Vorgehen hätte zahlen müssen. Auf seine fehlende Bereitschaft dies zu tun, seinen Willen sich anderweitig zu behelfen, könne er sich nicht berufen. Er müsse sich an der von ihm selbst geschaffenen Sachlage festhalten lassen57. Dieselbe Argumentation findet sich auch im Zusammenhang sine causa geleisteter Dienste 58 . Angesichts dieser von der herrschenden Meinung gebilligten Ausfüh52 53 54 55 56 57 58
Überzeugend Reuter!Martinek, 625 f gegen Rengier, AcP 177, 442 f. Vgl. R G Z 97, 310 ff. B G H Z 82, 299 (307 f) m w N . Vgl. B G H Z 20, 345 ff; B G H Z 81, 75 (81 f); B G H N J W - RR 1987, 232. Ebenso B G H W M 1981, 138 für „Mißbrauch" einer Salzabbaugerechtigkeit. Vgl. Koppensteiner, NJW 1971, 1773 m w N . B G H N J W - RR 1986, 155 m w N .
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rangen59 fragt sich zunächst, o b sich der Anspruch auf Wertersatz auch auf die Herausgabe der Ersparnis richten kann, wenn ja, wie diese zu ermitteln ist, und schließlich, in welchem Verhältnis Ersparnis und „Eingriffserfolg" (oben sub a) zueinander stehen. Die erste dieser Fragen (Berücksichtigungsfähigkeit der Ersparnis als des nach §818 II zu ersetzenden Wertes) ist sicher zu bejahen. Auch die Ersparnis läßt sich als das begreifen, was das nicht restitutionsfähige Erlangte im Vermögen des Empfängers repräsentiert. Sie ist der „Minimalgewinn" 6 0 . Der Unterschied zwischen dem tatsächlich realisierten Eingriffserfolg und der Ersparnis besteht lediglich darin, daß letztere auf der Grundlage eines hypothetischen Geschehensablaufs, nämlich mittels Beantwortung der Frage zu ermitteln ist, welche Aufwendungen der Beklagte bei Kenntnis der Rechtslage gemacht hätte. Wird also zum Beispiel eine fremde Erfindung benützt, so ist zu fragen, ob und zu welchen Bedingungen der Eingreifer bereit gewesen wäre, eine Lizenz zu nehmen, o b und welche anderen Vermögensopfer er auf sich genommen hätte, u m anstatt der ihm nicht zugänglichen Erfindung eine andere Erwerbsquelle zu eröffnen. H y p o thetische Kausalabläufe sind zugunsten des Schuldners im Rahmen der Gewinnhaftung zu berücksichtigen; als Grundlage der Verpflichtung zur Herausgabe der Ersparnis wirken sie zu seinen Lasten. In beiden Fällen geht es jedoch darum, das und nur das festzustellen, was das Erlangte für das Vermögen des Bereicherten „wert" ist 61 . Die standardisierte Ermittlung der Ersparnis anhand des „angemessenen Entgelts" ist, da sie sich auf das venire contra factum propriumArgument stützt, dem gutgläubigen Bereicherten gegenüber nicht haltbar 62 . Das hat auch der B G H 6 3 trotz seiner grundsätzlich abweichenden Linie der Sache nach gelegentlich anerkannt, und zwar mit dem zutreffenden Argument, daß der Bereicherungsausgleich andernfalls zu einer Verminderung des Beklagtenvermögens über den Betrag der wirklichen Bereicherung hinaus führen könne. Bei der Bestimmung des Verhältnisses zwischen realem Eingriffserfolg und Ersparnis im Rahmen des bereicherungsrechtlichen Wertersatzes ist es wichtig, sich noch einmal klarzumachen, daß es sich um alternative Ermittlungsweisen dessen handelt, was das „Erlangte" im Vermögen des 59 60
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Nachweise - auch der Gegenansicht - bei MünchKomm-Liei, § 818 Rdn. 37 f. Vgl. Koppensteiner, NJW 1971, 1773; zustimmend Gursky, JR 1972, 280; vgl. BGHZ 64, 322 (325): Wert einer Betriebsinvestition als „Ertrag" oder „Einsparungen". Vgl. Kleinheyer, JZ 1961, 474. Vgl. Koppensteiner, NJW 1971, \77S-, Jakobs, 38ff, 149; Kleinheyer, JZ 1961, 474; Haines, 116f; Pankow, 52 ff; Rengier, AcP 177, 445 f. BGHZ 55, 128 (130f, 132f); ähnlich schon BGHZ 21, 319 (335f).
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Bereicherten repräsentiert. Unterscheiden sich die Ergebnisse beider Berechnungstechniken voneinander, so wäre der Beklagte systemwidrig begünstigt, wenn ihm die Wahl des Berechnungsmodus überlassen bliebe. Er müßte nämlich in diesem Fall nicht die ganze Bereicherung herausgeben. Das wird am deutlichsten beim Verbrauch fremder Sachen, beispielsweise einer Flasche Kognak, von der der Anspruchsgegner irrtümlich annimmt, sie sei ihm geschenkt worden. Der „reale Eingriffserfolg" ist hier, da er nur im Genuß des Kognaks besteht, in vermögensmäßiger Hinsicht gleich Null. Dennoch ist unstreitig, daß der Preis des Getränks zu ersetzen ist, wenn der vermeintlich Beschenkte den Kognak in jedem Fall, also auch auf eigene Kosten, getrunken hätte. Als Ergebnis dieser Überlegungen bleibt festzuhalten, daß es Sache des Gläubigers ist, den vom Schuldner zu ersetzenden Wert anhand des realen Eingriffserfolgs oder der Ersparnis zu bestimmen. Diese Alternative kann sich im gesamten Anwendungsbereich des § 818 II, also etwa auch bei der Veräußerung fremder Sachen auswirken. Verkauft zum Beispiel A an X eine eigene Sache um 100, leistet aber versehentlich eine Sache des B und ist der Preis solcher Sachen zwischenzeitlich auf 120 gestiegen, so kann B von A 120 und nicht nur 100 verlangen 64 . c) Zu prüfen bleibt, ob die unter b) entwickelten Ergebnisse unmodifiziert auch im Verhältnis zum bösgläubigen Eingreifer gelten. Diese Frage ist unseres Erachtens trotz Roth65, aber in ergebnisbezogener Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung zu verneinen. Wer fremde Rechtsobjekte oder Sachen, die er nach §§812, 8 1 8 1 herausgeben muß, in Anspruch nimmt, kann hinterher nicht einwenden, er hätte sich auch anders behelfen können. Denn darin läge ein Verstoß gegen das venire contra factum proprium-Verbot 66 . Unterstützend ist auf § 346, 2. Satz hinzuweisen. Bei vertraglich vorbehaltenem Rücktritt müssen die Parteien von vorneherein mit der Rückgewährpflicht rechnen. Ihre Lage entspricht der des bösgläubigen Bereicherungsschuldners. Insofern enthält § 3 4 6 , 2. Satz „für die bereicherungsunabhängige Wertersatzhaftung des bösgläubigen Kondiktionsschuldners mittelbar eine wertvolle Bestätigung" 67 . Das Reichsgericht hat die Haftung auf den objektiven Gebrauchswert im Gleisanlagenfall68 in sachlicher Ubereinstimmung mit der hier bezogenen Position im 64
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So zutreffend Jakobs, 56 f; ähnlich Esser, 369: Verpflichtung zur Herausgabe der eigenen Sache; vgl. ferner Roth, FS Küchenhoff (1972) 379. AaO, S. 381 ff. Wie hier ausführlich Jakobs, 148 ff; Pankow, 83 ff; Rengier, AcP 177, 445; vgl. auch Wilburg, AcP 163, 356 ff. Canaris, JZ 1971, 562. wie Fn. 53.
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wesentlichen mit dem Verbot selbstwidersprüchlichen Verhaltens begründet". Später wurde das Ergebnis dieser Entscheidung in - wie wir gesehen haben unzutreffender Weise auch auf den gutgläubigen Beklagten erstreckt. Im Flugreisefall hat der B G H diese Fehlentwicklung korrigiert, die im Ergebnis richtige Haftung des bösgläubigen Eingreifers gleichzeitig allerdings mit einem nicht tragfähigen Argument begründet. Wer Wegfall der Bereicherung gemäß § 818 III wegen Bösgläubigkeit nicht geltend machen dürfe, könne - so sagt das Gericht70 - unter denselben Voraussetzungen auch das Entstehen einer Bereicherung nicht leugnen. Indessen handelt es sich bei der Beschränkung der Haftung des Gutgläubigen auf die tatsächliche Ersparnis (bzw. den realen Eingriffserfolg) nicht um eine Konsequenz der Anwendung des §818 III, sondern des §818 II 71 . Deswegen kann die verschärfte Verantwortlichkeit des Bösgläubigen auch nicht mit den Unterschieden der Haftung nach dem § 818 III einerseits und §§818 IV, 819f andererseits erklärt werden. Der Grund, warum sich „der bösgläubige Empfänger so behandeln lassen (muß), als ob er etwas erspart und sein Vermögen dadurch vermehrt hätte" 72 , ergibt sich aus dem venire contra factum proprium-Verbot einerseits, der Parallelregelung in § 346, 2. Satz andererseits. Die Unzulässigkeit selbstwidersprüchlichen Verhaltens kann unter U m ständen dazu führen, daß der bösgläubige Eingreifer mehr ersetzen muß als den objektiven Wert dessen, was er erlangt hat. Wer sich bereit erklärt hat, seine Hauswand als Reklamefläche für 50 D M zu vermieten, während der ortsübliche Preis nur 3 0 D M beträgt, kann 50 D M von demjenigen verlangen, der das Angebot als zu teuer abgelehnt hat, die Fläche aber dann eigenmächtig in Anspruch nimmt 7 3 . Bieten auf dem Markt zwei Händler die gleiche Obstsorte und -qualität zu unterschiedlichen Preisen an und stiehlt ein Dieb von der teureren Ware, so kann es dem auf Wertersatz in Anspruch genommenen Dieb nicht gestattet sein, sich darauf zu berufen, derartiges O b s t sei allgemein billiger 74 . Gegenteiliges anzunehmen, liefe im praktischen Ergebnis auf die Anerkennung eines Kontrahierungszwanges z u m angemessenen Preis hinaus 75 . D e r Hinweis von Roth7(> auf den de iure bestehenden Abwehranspruch überzeugt demgegenüber nicht.
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Vgl. die Analyse bei Jakobs, 149 f. Vgl. B G H Z 55, 128 (134 f). Vgl. zusammenfassend unten S. 169 ff. B G H Z 55, 128 (135). Vgl .Jakobs, 147f; anders anscheinend Canaris, J Z 1971, 561: Berücksichtigung billigerer Beschaffungsmöglichkeiten auch zugunsten des Bösgläubigen. Kleinheyer, J Z 1961, 476. So mit Recht Jakobs und Kleinheyer, aaO. FS Küchenhoff (1972) 387, Fn. 59.
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3. Aufgedrängte Bereicherung a) In Fällen unerwünschter Vermögensvermehrungen, die gegenständlich nicht zurückgegeben werden können oder für die kraft gesetzlicher Regelung (§951 I, 2. Satz) von vorneherein nur Geldersatz zu leisten ist, stellt sich die Frage, ob der Empfänger auf Wertersatz für etwas in Anspruch genommen werden kann, was er gar nicht haben wollte. Besonders häufig tritt dieses Problem im Zusammenhang von Verwendungsersatzansprüchen des Besitzers gegenüber dem Eigentümer auf. Es kann sich aber auch dann stellen, wenn der Schuldner nicht Eigentümer (Beispiel: Unzweckmäßige Verwendungen des Untermieters bei nichtigem Untermietvertrag) oder der Gläubiger nicht Besitzer ist (Beispiel: Streichen eines fremden Zaunes, den der Eigentümer abreißen wollte). In Betracht kommen ferner Bereicherungen durch Naturvorgang 77 . Die Haftung des durch fremde Verwendungen Begünstigten hat teilweise eine besondere gesetzliche Regelung erfahren, die das Bereicherungsrecht entlastet 78 . So kann etwa der Mieter oder Pächter für notwendige Verwendungen vom Verpächter oder Vermieter Ersatz verlangen, und zwar ohne Rücksicht auf dessen Bereicherung (§§547 I, 1. Satz, 581 II). Der Pächter eines landwirtschaftlichen Grundstücks kann die gewöhnlichen Bewirtschaftungsaufwendungen nicht ersetzt verlangen (§ 591). Bereicherungsrechtliche Fragen stellen sich aber außerhalb des direkten Anwendungsbereiches der §§812 ff unter Umständen dann, wenn das Gesetz die Frage des Verwendungsersatzes durch Verweisung auf das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag regelt79. Entspricht die Verwendung nämlich dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen des Anspruchsgegners nicht, so ist über einen eventuellen Ausgleich nach Bereicherungsrecht zu entscheiden (§684, 1. Satz).
Es liegt nahe, das Problem der aufgedrängten Bereicherung über eine interessenentsprechende Fassung des für §818 II maßgeblichen Wertbegriffes zu lösen. U m die Notwendigkeit solchen Vorgehens deutlich zu machen, muß freilich vorher geklärt werden, ob und inwieweit nicht andere Vorschriften adäquate Lösungen ermöglichen. Dazu gehört an sich auch die Frage, ob im Anwendungsbereich der §§ 994 ff konkurrierende Bereicherungsansprüche von vorneherein ausgeschlossen sind. Diese - zu verneinende - Frage ist jedoch besser an anderer Stelle zu klären 80 . b) § 814 erfaßt das Problem der aufgedrängten Bereicherung 81 überhaupt nicht, sondern stellt sich als eine spezialisierte Ausformung des Verbots 77
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Beispiel - nach Reuter!Martinek, 545 - : Eine Stute wird in einem unbewachten Augenblick vom wertvollen Zuchthengst eines anderen gedeckt. Vgl. Willoweit, FS Wahl (1973) 285 ff. Vgl. §§450, 547, 581 II, 601, 994 II, 1049, 1216, 2125. Vgl. S. 204 ff. Entgegen Klauser, NJW 1965, 515.
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widersprüchlichen Verhaltens dar 82 . Die Rechtsfolge des §814 tritt dementsprechend unabhängig davon ein, ob das Erlangte herausgegeben werden kann oder nicht. Aufgedrängte Bereicherung wird demgegenüber erst dann zum Problem, wenn Naturalrestitution nicht möglich ist. Dieses Problem kann §814 daher nicht lösen helfen. Stellt sich die „Bereicherung" gleichzeitig als eine Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 I dar, so kann dem Wertersatzanspruch der Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung entgegengehalten werden. Indessen greift § 1004 gegenüber allen Verwendungen, die unter die §§ 994 ff fallen, von vorneherein nicht ein83. Ferner setzt die Bestimmung eine fortdauernde Beeinträchtigung voraus. Eine solche liegt nicht vor, wenn die Sache, auf die Aufwendungen gemacht worden sind, zu ihrem ursprünglichen Verwendungszweck genausogut eingesetzt werden kann wie vorher, so etwa bei versehentlicher Bearbeitung eines Ackers, den der Eigentümer vorher schon an eine Wohnbaugesellschaft verkauft hatte. Und schließlich unterliegt die Geltendmachung des Beseitigungsanspruchs aus §1004 I, insbesondere im Zusammenhang mit Umgestaltungsaufwendungen (Beispiel: Bau auf fremdem Boden) Einschränkungen aus Treu und Glauben 84 . Eine durchgreifende Lösung des Problems der „aufgedrängten Bereicherung" läßt sich also auch mit § 1004 nicht erreichen 85 . Als Grundlage einer Einrede kommt die Bestimmung ohnehin nicht in Betracht 86 . In einem Fall, in dem der Errichter eines Gebäudes auf fremdem Grundstück gestützt auf § 951 I vom Grundstückseigentümer Wertersatz verlangte, hat der B G H dem Beklagten analog §1001, 2. Satz gestattet, den Kläger einredeweise auf Wegnahme der Verwendung zu verweisen 87 . Andere stützen eine funktionsgleiche Einrede auf eine Restriktion des §951 I: Die Bestimmung diene der Erhaltung wirtschaftlicher Werte im Interesse des Bereicherten. Lege der Beklagte darauf keinen Wert, so könne dem Geldersatzanspruch die Wegnahmemöglichkeit entgegengehalten werden 88 . Gegen die analoge Anwendung des §1001, 2. Satz ist zutreffend geltend gemacht worden, daß die Bestimmung die Rechtsfolge nicht ausspricht, für die sie im gegenwärtig interessierenden Zusammenhang herangezogen wird. Denn § 1001, 2. Satz eröffnet dem Besitzer we82
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MünchKomm-Liei», §812 Rdn. 261 mwN; Medicus, Rdn. 899; Reuter/Martinek, 545; von Rittberg, 106ff; Pinger, 113. H . M . , vgl. Pinger, 114. Vgl. dazu Pinger, 115; Medicus, Rdn. 952; Reuter/Martinek, 545 f. Vgl. noch Feiler, 59. Pinger, 116 ff. BGHZ 23, 61 (65); ebenso Fikentscher, §99 V 2 (S. 694). Vgl. Jakobs, 174; w N bei Pinger, 118, Fn. 556.
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gen seiner Verwendungen den Zugriff auf die Hauptsache gemäß § 1003 I 8 9 , schützt den Eigentümer also nur sehr eingeschränkt 90 . Was die Restriktion des § 9 5 1 I angeht, so ist zunächst fraglich, ob die Regelung wirklich den Belangen des Eigentümers und nicht überindividuellen Interessen an der Erhaltung volkswirtschaftlicher Werte dient 91 . Davon abgesehen sollte der Beklagte den Kläger jedenfalls dann nicht auf Wegnahme verweisen können, wenn er um mehr bereichert ist, als der Kläger durch die Wegnahme realisieren könnte. Darin läge unseres Erachtens eine gegenüber dem Gesetzeswortlaut kaum zu rechtfertigende Schlechterstellung desjenigen, der einen Rechtsverlust erleidet 92 . Auf „aufgedrängte" Dienstleistungen ist §951 im übrigen von vorneherein nicht anwendbar. Auch im Rahmen dieser Bestimmung lassen sich aufgedrängte Bereicherungen daher nicht grundsätzlich bewältigen. c) Eine zunehmend vertretene Ansicht sucht den Ausweg in einer „Subjektivierung" des nach §818 II zu ersetzenden Wertes 93 . Dem ist zuzustimmen. Dabei muß man sich allerdings darüber im klaren sein, daß „Subjektivierung" nicht auf die Willkür des Bereicherten verweist, sondern lediglich zum Ausdruck bringt, daß der Wert des erlangten Vorteils nach den besonderen und tatsächlich vorhandenen Verhältnissen einer bestimmten Person, dies aber vom Standpunkt eines objektiven Betrachters aus, zu bemessen ist 94 . Das schließt freilich nur Beliebigkeit seitens des Bereicherten, nicht aber die Berücksichtigung seines Willens aus. Gräbt E also den Garten des B um, so hängt die Verpflichtung zum Wertersatz davon ab, ob B an seinem Garten völlig desinteressiert ist oder diesen ohnehin umgraben lassen wollte. Nach Reuter/Martinek (S. 546) suggeriert die Rede von der aufgedrängten Bereicherung „Problemstandorte, die es gar nicht gibt". Diese Behauptung hängt mit speziellen Annahmen zum Inhalt der „Abschöpfungskondiktionen" zusam-
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Pinger, 119. Weitere Argumente und Nachweise bei von Rittberg, 144 f; Feiler, 64 ff; s. auch Reuter/Martinek, 546. So z.B. Pinger, 118f. Vgl. dazu von Rittberg, 139 ff; ferner Pinger, 122 f in Auseinandersetzung mit Jakobs, AcP 167, 350 ff. Vgl. Esser, 366 f, 378 f; ausführlicher MünchKomm-£i'e¿, § 812 Rdn. 262; Erman/H.P. Westermann, §818 Rdn. 17; StudK-Beuthien, §818 Anm. 4a; Loewenheim/Winckler, JuS 1985, 115; Feiler, 90ff; von Rittberg, 115ff; Pinger, 123 ff; alle mit umfangreichen wN; dagegen Staudinger/Gursky, §951 Rdn. 44; Willoweit, FS Wahl (1973) 290. Eindringlich von Rittberg, 116, 120, 122; zustimmend Reeb, 96f.
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men, die abzulehnen sind'5. Die Frage kann nicht schon im Rahmen der §§812, 818 I gelöst werden und läßt sich daher auch nicht als Scheinproblem abtun. d) Das Problem aufgedrängter Bereicherung tritt verhältnismäßig häufig im Zusammenhang von Aufwendungskondiktionen auf, die das Gesetz anstelle eines Anspruchs auf Aufwendungsersatz gibt, um den Interessen des Ersatzpflichtigen entgegenzukommen' 6 . Unter Berufung auf diese Motivation wird die Ansicht vertreten, der Bereicherungsanspruch sei in diesen Fällen prinzipiell auf das Maß der Aufwendungen zu beschränken 97 . Dabei wird jedoch verkannt, daß Bereicherungsherausgabe und Aufwendungsersatz sich nicht im Verhältnis eines Weniger zu einem Mehr befinden, sondern auf ganz unterschiedlichen Grundlagen beruhen. In den Fällen des Aufwendungsersatzes trägt der „Geschäftsherr" das Risiko des Verwendungserfolges, der „Geschäftsführer" wird vor Vermögenseinbußen geschützt. Im Rahmen des Bereicherungsausgleiches liegt es umgekehrt. Das Risiko des Aufwendungsfehlschlags muß derjenige tragen, der die Aufwendungen macht; derjenige, zu dessen Gunsten die Aufwendungen getätigt werden, braucht keine Vermögenseinbußen zu fürchten. Infolgedessen geht es nicht an, auch den Bereicherungsanspruch auf das Maß der Aufwendungen zu beschränken 98 . 4. Zusammenfassung: Konkret-individuelle Fassung des bereicherungsrechtlichen Wertbegriffes a) Die Analyse der f ü r §818 II in Betracht kommenden Konstellationen hat ergeben, daß „Wert" im Sinne dieser Bestimmungen nicht den objektiven Verkehrswert einer N u t z u n g , einer verbrauchten oder veräußerten Sache, sondern dasjenige meint, was das nicht restitutionsfähige Erlangte f ü r das Vermögen gerade des Schuldners konkret bedeutet. Dabei ist zu beachten, daß der „Umschlag" der bereicherungsrechtlichen Primärpflicht auf Herausgabe des Erlangten in eine Pflicht auf Ersatz des Wertes des Erlangten 99 nicht bedeutet, daß der Anspruch sich nunmehr auf eine abstrakte Vermögensdifferenz richtet. Er ist vielmehr ebenso wie der aus den §§812, 818 I gegenständlich orientiert 100 . Gegenständlich heißt hier, 95 96 97
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Oben S. 120 f. Vgl. zum Beispiel §§547 II, 994 I, 684, 1. Satz. Vgl. Medicus, Rdn. 900; Feiler, 103 ff; Klauser, NJW 1965, 516f; Wo//, JZ 1966, 467 ff; MünchKomm-ii'et, § 812 Rdn. 264 mwN. Vgl. Koppensteiner, NJW 1971, 592; zustimmend Reuter/Martinek, 548; im Ergebnis auch Pinger, 129 f. Vgl. Pinger, MDR 1972, 102. Vgl. demgegenüber Gursky, JR 1972, 283: Ersparnisbereicherung als Rekurs auf eine abstrakte Vermögensdifferenz.
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daß Bemessungsgrandlage des Wertersatzes der konkrete Vorteil zu sein hat, den der Kondizient infolge des Umstandes realisiert, daß er das primär Erlangte nicht herauszugeben braucht, weil er es nicht herausgeben kann. Die Notwendigkeit einer individuell-konkreten, also nicht abstrakten Ermittlung des nach §818 II zu ersetzenden Wertes ergibt sich in erster Linie aus der Lückenfüllungsfunktion 101 , die dieser Bestimmung im Verhältnis zum Primäranspruch aus den §§812/818 I zukommt. Das nach diesen Vorschriften herauszugebende „Erlangte" wird nach den konkreten Verhältnissen des Bereicherten bestimmt. Denn herauszugeben ist gerade das, was der Bereicherte konkret erlangt hat. Daß die Verwertbarkeit des Erlangten hier im Gegensatz zu §818 II keine Rolle spielt, ist nicht Ausdruck eines prinzipiellen Unterschiedes. Denn mit der Rückgewähr des Erlangten wird immer nur jener Wert restituiert, den die Bereicherung gerade für den Anspruchsverpflichteten hatte. Entscheidend ist, daß die §§812, 818 I auf die konkreten Verhältnisse des Bereicherten abstellen, was dazu nötigt, auch den Wertersatz gemäß §818 II an diesen Verhältnissen zu orientieren 102 . Induktiv ergibt sich die Notwendigkeit einer individuell-konkreten Wertermittlungsmethode am deutlichsten daraus, daß der (gutgläubige) Anspruchsgegner bei ersatzlosem Wegfall des Erlangten nicht haftet und daß sich dieses - unstreitige - Ergebnis nicht mit §818 III begründen läßt 103 . Mit Rücksicht auf den Wortlaut von § 818 II, der auch diesen Fall erfaßt, bedeutet dies, daß der zu ersetzende „Wert" mit Null bemessen werden muß. Das ist aber nur dann möglich, wenn auf die Verhältnisse gerade des Beklagten abgestellt wird. Des weiteren ist schon gezeigt worden, daß der Anspruchsverpflichtete auf Abführung des mittels des Erlangten realisierten Gewinnes haftet und daß diese Haftung dogmatisch einwandfrei nur bei § 818 II angesiedelt werden kann. Die schon fast zur herrschenden Meinung gewordene Ansicht, daß sich das Problem der aufgedrängten Bereicherung adäquat nur durch „Subjektivierung" des nach §818 II zu ersetzenden Wertes lösen läßt, liefert einen weiteren Beweis für die Richtigkeit des hier befürworteten Deutungsschemas. Denn soweit die Vertreter dieser Ansicht im übrigen an einer objektivabstrakten Fassung des für §818 II maßgebenden Wertbegriffes festhalten, findet sich außer kaum einzuordnenden Hinweisen auf die „Billig101 102
103
Vgl. oben S. 153. Ausführlich in diesem Sinne von Rittberg, 115 ff, 120 ff; vgl. ferner Pankow, 63 ff, 68 ff; Pinger, 125 ff; alle mit weiteren Argumenten; dagegen Goetzke, AcP 173, 211. Dazu oben S. 128 f.
§ 1 6 . Wertersatz
171
keit" keine überzeugende Erklärung, wie beide Stellungnahmen miteinander zu vereinbaren sind. b) Gegen eine konkret individuelle Fassung des bereicherungsrechtlichen Wertbegriffes sind eine Reihe grundsätzlicher Einwände geltend gemacht worden. aa) Am weitesten gehen Reuter/Martinek (S. 567). Das Nebeneinander eines subjektiv verstandenen Wertbegriffes und eines an Vertrauensschutz orientierten § 818 III sei aus „denkgesetzlichen" Gründen ausgeschlossen. Denn in die Feststellung des konkret-individuellen Wertes gingen bereits alle Dispositionen des Schuldners ein, einschließlich derjenigen, die er im Hinblick auf die Beständigkeit des Erwerbs getroffen habe. Darin steckt ein Mißverständnis. § 818 II betrifft nur das Erlangte selbst. Regelungsgegenstand des § 818 III sind demgegenüber solche Vermögensopfer, die der Anspruchsgegner im Hinblick auf das Erlangte (oder seinen Wert) erbracht hat 104 . Im Zusammenhang von §818 II ist danach zu fragen, was sich anstelle des Erlangten im Vermögen des Schuldners befindet, also z. B. welcher Erlös bei der Veräußerung einer fremden oder ohne Rechtsgrund erlangten Sache erzielt wurde. §818 III gestattet demgegenüber z. B. die Berücksichtigung von Aufwendungen auf die Sache oder die Veräußerungskosten. Es trifft also nicht zu, daß für § 818 III bei Annahme eines subjektiven Wertbegriffes kein Anwendungsbereich verbleibt. Von einem Verstoß gegen die Denkgesetze kann keine Rede sein. bb) Ferner wird vorgebracht, die konkret-individuelle Interpretation von §818 II sei mit der gegenständlichen Orientierung der Kondiktion nach den §§812, 818 I nicht vereinbar105. Dahinter steckt die Prämisse, da der Anspruch primär das Erlangte und nicht dessen Auswirkungen auf das Empfängervermögen betreffe, müsse der an die Stelle des Erlangten tretende Wert ebenfalls unabhängig vom Empfängervermögen, also nach objektiven Kriterien bestimmt werden. Diese Prämisse ist aber unrichtig. Mit der Restitution des (noch vorhandenen) Erlangten und der tatsächlich gezogenen Nutzungen wird - nach Abzug der Nutzziehungskosten gemäß § 818 III - im Vermögen des Anspruchsgegners exakt jener Zustand wiederhergestellt, der auch ohne den bereichernden Vorgang bestünde. Die in erster Linie vorgeschriebene bereicherungsrechtliche Naturalrestitution stellt sich daher als eine der rechtstechnisch gegebenen Möglichkeiten dar, um den status quo ante des Beklagtenvermögens wieder herzu104 105
Vgl. oben S. 128. So etwa MünchKomm-Liei, § 818 Rdn. 35 mwN; Larem, (1978) 228; vgl. auch Goetzke, AcP 173, 311.
FS von Caemmerer
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
stellen 106 . Aus der gegenständlichen Orientierung der Kondiktionen läßt sich deshalb keineswegs ableiten, der „Wert" des § 818 II müsse objektivabstrakt bestimmt werden. Das Gegenteil ist der Fall. Soll über §818 II wirtschaftlich dasselbe erreicht werden wie über die §§812, 818 I, dann kann dies nur auf der Grundlage einer konkret-individuellen Wertermittlungsmethode geschehen. Denn sonst bestünde die Möglichkeit, daß sich das Beklagtenvermögen anders entwickelt als dies bei Vorhandensein des ursprünglich Erlangten der Fall wäre. Das ist aber mit dem Zweck von §818 II 107 nicht vereinbar. cc) Ein weiterer Einwand gegen einen konkret-individuellen Wertbegriff geht davon aus, § 818 II sei ebensowenig wie die §§ 812, 818 I an Gut- und Bösgläubigkeit orientiert. „Wert" müsse daher für beide Personengruppen dasselbe, nämlich objektiver Verkehrswert bedeuten. Sei der Gutgläubige um weniger als das bereichert, so könne er dies gemäß §818 III geltend machen; dem Bösgläubigen sei dieses Privileg dagegen versagt 108 . Dieser Einwand ist unberechtigt. Zunächst spielt die Unterscheidung des gut- und bösgläubigen Bereicherungsschuldners unbestreitbar schon im Rahmen des §818 I eine Rolle. Letzterer muß nämlich nicht nur - entsprechend der Anordnung dieser Bestimmung - die tatsächlich gezogenen Nutzungen herausgeben, sondern Ersatz für solche Nutzungen leisten, die er nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft hätte ziehen können 109 . Daraus folgt, daß es keineswegs von vorneherein ausgeschlossen ist, den Bösgläubigen auch im Rahmen des §818 II anders zu behandeln als den Gutgläubigen. Daß dies nicht nur möglich, sondern notwendig ist, zeigt sich besonders deutlich in jenen Fällen, wo die Beschränkung der Haftung auf den objektiven Wert eine auch von den Vertretern der Gegenmeinung nicht plausibel zu machende Begünstigung des Bösgläubigen implizieren würde 110 . Umgekehrt läßt sich auch die fast allgemein akzeptierte These, der Bösgläubige hafte immer zumindest auf den objektiven Wert des Erlangten, nicht aufrecht erhalten. Baut zum Beispiel A auf dem Grundstück des B ein Haus und ist dieser bösgläubig, so schuldet er dennoch nicht den Wert des Gebäudes, wenn dieses infolge Zufalls (etwa 106
107 108
109 110
Dazu Beuthien/Weber, 57 f: Bestimmung der Bereicherung durch das Erlangte oder seinen Wert. Unrichtig allerdings die Berufung auf § 818 III im vorliegenden Zusammenhang. Dazu oben S. 153. Vgl. Goetzke, AcP 173, 311 ff;Sack, FS Hubmann (1985) 3 8 1 ; G « r s ^ , J R 1972, 281 ff m w N . Vgl. oben S. 150 f. Oben S. 165.
§16. Wertersatz
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Blitzschlags) vernichtet wird. Das kann deshalb nicht anders sein, weil der bösgläubige Empfänger eines Hauses samt Grundstück unter denselben Umständen (§§ 292 I, 990, 989) den Wert des Gebäudes ebenfalls nicht ersetzen müßte 1 1 1 . D a § 818 III nicht eingreift 112 , folgt daraus, daß der für §818 II maßgebende „Wert" auch im Verhältnis zum Bösgläubigen auf N u l l herabsinken kann. Auch aus diesem Grunde ist es ausgeschlossen, die Ausrichtung dieser Bestimmung auf einen objektiv-abstrakten Verkehrswert mit der angeblichen Notwendigkeit zu begründen, f ü r Gutund Bösgläubige müsse dieser Begriff dasselbe bedeuten. dd) Schließlich ist angeführt worden, die Subjektivierung des Wertbegriffes belaste den Gläubiger mit praktisch nicht zu erfüllenden Beweisobliegenheiten 113 . Dieses Argument hat einiges für sich, kann aber letzten Endes auch nicht den Ausschlag geben. Auch im Kontext des §818 I, nämlich im Zusammenhang von Nutzungen und Surrogaten, muß der Gläubiger Veränderungen des Beklagtenvermögens darlegen und beweisen. So wie im übrigen eine Vermutung dafür spricht, daß rechtsgrundlos erlangtes Kapital auch tatsächlich genutzt wird 114 , so läßt sich auch vermuten, daß das Vermögen des Anspruchsgegners entsprechend dem Normalfall jedenfalls im Ausmaß des objektiv-abstrakten Wertes des Erlangten gemehrt wurde. Diese Vermutung hat die Qualität eines prima-facie-Beweises mit der Folge entsprechender Darlegungs- und Beweisobliegenheiten zu Lasten des Beklagten. H i n z u kommt die Möglichkeit richterlicher Bereicherungsschätzung nach §287 ZPO 1 1 5 . c) Abgesehen von den Fällen „aufgedrängter Bereicherung", die nach überwiegender Ansicht kein Problem des §818 III, sondern des §818 II aufwerfen 1 1 6 , wird der gutgläubige Bereicherungsschuldner, dessen Eingriffserfolg oder Ersparnis weniger ausmacht als der Verkehrswert des „Erlangten", von der herrschenden Meinung über §818 III geschützt. Wäre dies richtig, so könnten jedenfalls diese Fälle nicht als induktiver Beleg f ü r die Richtigkeit einer konkret-individuellen Bestimmung des f ü r §818 II maßgebenden Wertbegriffes in Anspruch genommen werden. Von vorneherein klar ist, daß das Problem der „aufgedrängten Be111 112 113 114 115
116
Vgl. Jakobs, 145, Fn. 59; Koppensteiner, NJW 1971, 590. Vgl. oben S. 150f. Reuter/Martinek, 568; König, FS von Caemmerer (1978) 188; ders., Bereicherung, 64. Oben S. 126. Dazu MünchKomm-Liet, §818 Rdn. 15, 17 mit Hinweis auf BGHZ 71, 309; zu Auskunfts- und Rechnungslegungspflichten der Beteiligten vgl. Reuter/ Martinek, 762 ff; BGH NJW - RR 1986, 876. Anders Goetzke, AcP 173, 318 f; Larenz, FS von Caemmerer (1978) 224 ff.
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
reicherung" nicht über §818 III gelöst werden kann. Denn es geht hier offensichtlich nicht um die Berücksichtigung von Vermögensopfern, die der Bereicherte im Glauben an die Beständigkeit seines Erwerbs auf sich genommen hat. Darauf richtet sich aber der Normzweck des § 818 III117. Ebenso liegt es aber hinsichtlich des Minus, das sich anläßlich der Nutzung fremder Rechtsobjekte oder der Veräußerung fremder (kondiktionsbehafteter) Sachen zwischen positivem bzw. hypothetischen Erwerb (realer Eingriffserfolg bzw. Ersparnis) und dem Verkehrswert des Erlangten ergibt. Wer eine fremde patentgeschützte Erfindung gutgläubig nutzt und dabei einen geringeren Bruttoerlös (Aufwendungen fallen unter § 818 III) erzielt als den Betrag der angemessenen Lizenzgebühr, von dem läßt sich nicht sagen, daß er in Höhe der Differenz ein Vermögensopfer deshalb auf sich genommen habe, weil er auf die Beständigkeit seines Erwerbs vertraut hat. Hätte er bei Kenntnis der Tatsachen eine Lizenz genommen, so hat er zwar etwas erspart. Aber wiederum läßt sich die Differenz zwischen Ersparnis und realem Eingriffserfolg nicht als Aufwendung deuten, die mit dem guten Glauben des Bereicherten an das Behaltendürfen des Erlangten etwas zu tun hat. Feststeht im übrigen, daß sedes materiae der Gewinnhaftung § 818 II ist. Der Gewinn ist nichts anderes als eine mögliche Spielart des „realen Eingriffserfolges". Auch deshalb liegt es nahe, die Verpflichtung zum Wertersatz in Höhe dieses Erfolges ganz bei §818 II anzusiedeln. Damit wird ebenso wie mit der Berücksichtigung der Ersparnisbereicherung als Wert des Erlangten die dogmatische Einsicht konkretisiert, daß es im Rahmen des § 818 II darum geht, dasjenige zu ermitteln, was das nicht restitutionsfähige Erlangte für das Vermögen des Empfängers „wert" ist. Die Aufgabe des § 818 III besteht demgegenüber darin, die Berücksichtigung von Vermögensopfern zu ermöglichen, die der Empfänger im Hinblick auf das Erlangte auf sich nimmt. Mit dem Erlangten selbst, seinem Wegfall, seinem Wert oder Veränderungen seines Wertes hat die Bestimmung dagegen nichts zu tun118.
117 118
Vgl. oben S. 128. Vgl. oben S. 128.
§ 16. Wertersatz
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III. Einseitige Kondiktionen: Der Zeitpunkt der Wertermittlung 1. Übersicht Als Zeitpunkt der Wertermittlung kommen in Betracht und werden vertreten: 1. Der Eintritt des Bereicherungstatbestandes119, 2. die Entstehung des Anspruches auf Wertersatz120, 3. der Eintritt von Rechtshängigkeit bzw. Bösgläubigkeit121, 4. die letzte mündliche Verhandlung bzw. (bei gütlicher Beilegung) die außergerichtliche Inanspruchnahme des Bereicherten122. Um eine verläßliche Basis für eine Stellungnahme in diesem Meinungsstreit zu gewinnen, ist es nützlich, sich der Hilfsfunktion des §818 II zu erinnern. Diese nötigt, wie schon wiederholt hervorgehoben, zu einem Verständnis der Bestimmung, die das wirtschaftliche Ergebnis des Wertausgleichs demjenigen anpaßt, das sich bei Möglichkeit bereicherungsrechtlicher Naturalrestitution ergeben würde. 2. Kritik a) Die herrschende Meinung, die die Wertberechnung auf den Zeitpunkt des „rechtsgrundlosen Erlangens" bezieht, wird einmal damit begründet, daß Herausgabe des Veräußerungserlöses nicht verlangt werden könne123. Diese Begründung träfe nicht einmal zu, wenn man ihre Prämisse zunächst einmal als zutreffend unterstellte124. Der BGH beruft sich in Auseinandersetzung mit Lange darauf, „der Wertersatzanspruch sei von vorneherein auf Geld gerichtet und kann eine Veränderung nur dadurch erfahren, daß die Bereicherung ganz oder teilweise weggefallen ist"125. Indes handelt es sich dabei um eine ihrerseits begründungsbedürftige petitio principii126 ohne selbständigen Erkenntniswert127. 119
120
121 122
123 124 125 126 127
BGHZ 5, 197 (200); BGH NJW1963, 1301; auch BGHZ 82, 299 (310); BGHZ 82, 310 (322); RGZ 119, 326; RGZ 101, 391; ferner ein großer Teil der Kommentar- und Lehrbuchliteratur; Nachweise bei Koppensteiner, NJW 1971, 589, Fn. 4 und MünchKomm-£te6, § 818 Rdn. 42. Erman/H.P. Westermann, §818 Rdn. 31; Staudinger/Lorenz, §818 Rdn. 31 mwN; Pinger, MDR 1972, 187ff. Esser, 387; Jakobs, 142. Lange, NJW 1951, 685; Esser/Weyers, § 5113 (S. 418); teilweise Koppensteiner, NJW 1971, 592; Pinger, MDR 1972, 189; Übersicht über den Meinungsstand auch bei MünchKomm-Iiet, §818 Rdn. 42 und Reuter/Martinek, 569 f, die selbst, wenn auch in unterschiedlicher Weise, differenzierende Lösungen vertreten. RGZ 101, 391. Vgl. Koppensteiner, NJW 1971, 589. BGHZ 5, 197 (200). Vgl. auch Koppensteiner, NJW 1971, 590. Zu Widersprüchen der Judikatur unten S. 179 f.
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
Entscheidend gegen die herrschende Meinung spricht, daß der Bereicherungsgläubiger in den Fällen gegenständlicher Restitution des Erlangten in den Genuß von Wertsteigerungen kommt, die zwischen Entstehung und Erfüllung des Bereicherungsanspruches eintreten. Ist etwa ein Bild zur Zeit seiner rechtsgrundlosen Hingabe D M 1 0 0 0 0 , - wert, muß es auch dann herausgegeben werden, wenn es inzwischen DM 1 0 0 0 0 0 , wert ist. Sollte der Kläger sich mit DM 1 0 0 0 0 , - zufrieden geben müssen, wenn der Schuldner das Bild zum derzeitigen Verkehrswert veräußert? Die Frage angesichts des Normzwecks des § 818 II zu stellen, heißt sie zu 12R verneinen . b) Auch die Bemessung der Wertersatzschuld nach den Verhältnissen im Zeitpunkt ihrer Entstehung vermag nicht zu befriedigen. In den Fällen untrennbarer Vermischung, Verbindung, Verarbeitung - Beispiel: Bau auf fremdem Grundstück - gibt es von vorneherein nur einen Wertersatzanspruch. Spätere Wertsteigerungen des Gebäudes könnten nicht berücksichtigt werden, obwohl der Bereicherungsgläubiger unstreitig das volle Entreicherungsrisiko trägt und obwohl derjenige, der außer dem Gebäude auch noch das zugehörige Grundstück erlangt, beides ohne Rücksicht darauf herausgeben muß, um wieviel der Wert des Erlangten zwischenzeitlich gestiegen ist. Das ist, weil unüberbrückbar inkonsistent, nicht haltbar 129 . Auch dann, wenn das gegenständliche Substrat der Wertersatzschuld im Vermögen des Verkäufers nicht mehr vorhanden ist, ist die Schuld selbst weder nach oben noch nach unten fixiert 130 . Verkauft beispielsweise A ein vermeintlich geerbtes Schmuckstück und gibt er den Erlös anschließend für etwas aus, das er sich andernfalls nicht geleistet hätte, so haftet er ebensowenig wie der, der indebite erlangtes Geld „verschleudert" 131 . Im zweiten Fall tritt diese Rechtsfolge - wie wir gesehen haben - nicht als Konsequenz des § 818 III, sondern des § 818 II ein. Die dafür maßgebenden Gründe nötigen dazu, den Wegfall der Wertersatzschuld bei ersatzlosem Wegfall des Wertes selbst ebenfalls auf § 818 II und nicht § 818 III zu stützen. Das Gleichgewicht der Verteilung von Risiko und Chance 132 128
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132
Vgl. Furtner, M D R 1961, 549; Koppensteiner, N J W 1971, 591; Pinger, MDR 1972, 188; ebenso Reuter/Martinek, 571 f. Vgl. Koppensteiner, NJW 1971, 591; im Ergebnis zustimmend Pinger, MDR 1972, 188 f. Unzutreffend insofern Koppensteiner, N J W 1971, 591 f aufgrund einer verfehlten Einschätzung des Verhältnisses von §818 I und II. So schon die Protokolle; vgl. Mugdan II, 1184; ebenso, allerdings nur im Ergebnis, auch MünchKomm-Zie£, §818 Rdn. 44. Dazu Koppensteiner, NJW 1971, 591; ders., N J W 1971, 1771 mwN.
§ 16. Wertersatz
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spricht umgekehrt dafür, dem Bereicherungsgläubiger zum Beispiel den Zugriff auch auf Gewinne zu eröffnen, den der Bereicherte durch den Einsatz von Mitteln realisiert, die er anläßlich der Veräußerung eines dem Gläubiger gehörenden Gegenstandes erzielt hat. Daraus folgt, daß die Wertersatzschuld nach ihrer Entstehung veränderlich ist, und zwar unbestreitbar nicht (nur) als Folge der Anwendung des § 818 III. Das bedeutet mit Notwendigkeit, daß ihre Ermittlung nicht am Entstehungszeitpunkt orientiert werden kann. Dagegen ist unter Hinweis auf Dienstleistungen und die Nutzung fremder Vermögensgüter geltend gemacht worden, „Wertsteigerungen" nach Entstehung des Anspruchs - etwa durch zwischenzeitliche Erhöhungen des verkehrsüblichen Entgeltes - schlügen sich im Vermögen des Schuldners überhaupt nicht nieder. Das Argument setzt ein objektiv-abstraktes Verständnis des bereicherungsrechtlichen Wertbegriffes voraus und kann der hier bezogenen Position daher nicht entgegengehalten werden. In den genannten Fällen kann der (gutgläubige) Schuldner immer geltend machen, er hätte sich anderweitig beholfen. Das führt zu einer Haftung (höchstens) auf den Wert der Dienste oder Nutzung im Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme. Der Bösgläubige schuldet immer diesen Betrag, im allgemeinen aber auch nicht mehr, weil sich Gegenteiliges aus dem zugrundeliegenden venire contra factum proprium-Argument 133 nicht ableiten läßt 134 . Zu beachten ist, daß diese Argumente ohnehin nicht für eine generelle zeitliche Fixierung der Wertersatzschuld auf den Zeitpunkt ihrer Entstehung in Anspruch genommen werden können. Das zeigt der vorstehende Text.
c) Auch der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit bzw. der, in dem die Voraussetzungen der §§819, 820 vorliegen, ist nicht geeignet, den gesuchten allgemeinen Maßstab zu liefern. Denn es ist nicht einzusehen, warum spätere Wertsteigerungen des nicht restitutionsfähigen Erlangten - zum Beispiel eines vom Kläger auf dem Grundstück des Beklagten errichteten Hauses - dem Kläger, der doch begünstigt werden soll, nicht mehr gutgeschrieben werden könnten 135 . Bei zufälligem Untergang des Erlangten, für das Wertersatz geschuldet wird, sollte im übrigen entsprechend der für die bereicherungsrechtliche Naturalrestitution geltenden Regel auch der Bösgläubige von der Haftung befreit werden 136 . Dasselbe müßte im übrigen auch für den zufälligen „Untergang" des Wertes selbst gelten, „so etwa, wenn der Kaufpreis aus einer Veräußerung der sine causa übereigneten Sache gestohlen, die mit sine causa übereignetem Geld angeschaffte Sache zerstört wird, nachdem der Schuldner weiß, daß er die Sache bzw. das Geld sine causa erlangt hatte" 137 . 133 134 135 136 137
Oben S. 164 f. Vgl. MünchKomm-Z.j>¿, §818 Rdn. 19. Vgl. Koppensteiner, N J W 1971, 590. Oben S. 172 f. Jakobs, S. 146 Fn. 59.
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
Aus alledem folgt, daß Wertveränderungen auch nach Rechtshängigkeit bzw. Eintritt der Bösgläubigkeitsvoraussetzungen möglich sind. Andererseits ist dieser Zeitpunkt auch nicht völlig unerheblich. Spätere Wertminderungen können nur geltend gemacht werden, sofern sie auf Umständen beruhen, die der in Anspruch Genommene nicht verschuldet hat. Das ergibt sich aus der in § 818 IV normierten Verweisung auf die §§292 I, 990, 989.
3. Der maßgebliche Zeitpunkt a) Das nach den vorstehenden Überlegungen allein noch übrigbleibende Kriterium, nämlich die letzte mündliche Verhandlung, ist nicht nur eine Folge negativer Selektion. N u r durch die Feststellung des Wertes zu diesem Zeitpunkt läßt sich die notwendige Harmonisierung der Rechtsfolgen aus den §§812, 818 I einerseits und §818 II andererseits realisieren. Nur dieses Kriterium gewährleistet, daß der Beklagte die ganze Bereicherung herausgeben muß 138 . Entgegen Koppensteiner139 ist es nicht angängig, die damit formulierte Regel auf die Fälle zu beschränken, wo das gegenständliche Substrat der Wertersatzschuld noch im Vermögen des Bereicherten vorhanden ist. Denn diese Beschränkung beruht auf der Annahme, daß spätere Änderungen des maßgeblichen Wertes in den anderen Fällen nicht mehr möglich sind. Diese Annahme hat sich als unzutreffend herausgestellt. b) Die demnach zutreffende allgemeine Regel könnte lauten: der Umfang des Wertersatzes gemäß §818 II richtet sich nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der Erfüllung des Anspruchs. Wertminderungen, die nach Rechtshängigkeit oder Eintritt der Bösgläubigkeitsvoraussetzungen eintreten, sind jedoch nur dann zu berücksichtigen, wenn sie der Beklagte nicht verschuldet hat.
IV. Einseitige K o n d i k t i o n e n : N u t z u n g e n im R a h m e n des Wertersatzes 1. Wertersatz bei Unmöglichkeit der Herausgabe von N u t z u n g e n Können Nutzungen nicht herausgegeben werden, weil sie der Empfänger verbraucht, veräußert oder über sie im Sinne der §§ 946 ff disponiert hat, so ist nach §818 II der Wert dieser Nutzungen zu ersetzen. Die Werter138 139
Zur Bedeutung dieses Prinzips als positiver Ergänzung der Haftungsprivilegien des gutgläubigen Bereicherungsschuldners Lange, NJW 1951, 686. NJW 1971, 591 f.
§16. Wertersatz
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mittlung richtet sich nach denselben Grundsätzen wie für das primär Erlangte. Zutreffend betont die Rechtsprechung 140 , daß es dabei auf den Wert der tatsächlich gezogenen Nutzungen ankommt. 2. N u t z u n g e n aus dem Wert? a) Die mit der Überschrift gestellte Frage bezieht sich einmal auf Nutzungen aus Rechtsobjekten, die der Bereicherte noch in seinem Vermögen hat, aber nicht herauszugeben braucht (Folge: Wertersatz), zum anderen auf die Frage, ob auch Nutzungen aus dem sozusagen reinen Wert (Veräußerurigserlös, Ersparnis) abzuführen sind. b) Zur ersten dieser Fragen hat sich der B G H zweimal geäußert. In beiden Fällen ging es um die Errichtung eines Gebäudes auf fremdem Grundstück bzw. fremder Heimstätte. Die erste dieser Entscheidungen 141 wies die Nutzungen des Gebäudes dem Grundstückseigentümer, die zweite 142 dem Errichter des Bauwerks zu. Dieser zweiten Entscheidung ist trotz wenig überzeugender Begründung 1 4 3 im Ergebnis zuzustimmen. Der Grund dafür ergibt sich wiederum aus der Hilfsfunktion des § 818 II: D a derjenige, der ein Grundstück mit Haus rechtsgrundlos erlangt hat, die Nutzungen des Anwesens zu vergüten hat, sollte es dem Errichter eines Gebäudes auf fremdem Grund nicht verwehrt werden, die Nutzungsquote zu liquidieren, die seinem Beitrag zuzurechnen ist. Infolge der sachenrechtlich endgültigen Zuweisung der „Hauptsache" an den Beklagten ist gleiches freilich auch hinsichtlich der Nutzungen anzunehmen. Diese können also nicht in natura, sondern nur in der Form eines wertäquivalenten Geldbetrages herausverlangt werden 144 . Nach Rechtshängigkeit bzw. Bösgläubigkeit muß die Wertersatzschuld gemäß § 291 verzinst werden. Der Zinsanspruch und der auf Herausgabe des Wertes der aus dem Erlangten gezogenen Nutzungen befinden sich im Verhältnis der Alternativität, d. h. der Kläger kann entweder den einen oder den anderen Anspruch geltend machen, nicht aber beide 145 . Neuerdings hat der BGH bei Verletzung eines fremden gewerblichen Schutzrechtes die Verzinsung des Wertes in Höhe der angemessenen Lizenz ganz generell für zutreffend gehalten146. Der Verletzer müsse sich so behandeln lassen, als habe er eine vertragliche Lizenz zu angemessenen Bedingungen am 140 141 142 143 144 145 146
BGHZ 64, 322. BGH WM 1961, 177. BGHZ 35, 356 (361 f). Vgl. im einzelnen Koppensteiner, NJW 1971, 592 f. Genauer Koppensteiner, NJW 1971, 594. Im einzelnen Koppensteiner, aaO. BGHZ 82, 299 (309 f); BGHZ 82, 310 (322).
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IV. Kapitel: Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs
Klageschutzrecht erworben. Diese Begründung ist dem gutgläubigen Beklagten gegenüber genausowenig haltbar147 wie im Zusammenhang der These, geschuldet werde immer zumindest die angemessene Lizenzgebühr148. In Wahrheit kommt es darauf an, ob eine Ersparnis vorliegt. Das ist der Fall, wenn der Beklagte bei Kenntnis der Sachlage einen Lizenzvertrag abgeschlossen hätte. Da die Ersparnis eine Möglichkeit der Wertermittlung bezeichnet14', läuft die Auffassung des BGH entgegen seiner eigenen Annahme darauf hinaus, daß die Wertersatzschuld gerade nicht mit dem Zeitpunkt des Bereicherungseintritts endgültig feststeht. c) Die Herausgabe von Nutzungen aus dem, was das Erlangte im Vermögen des Beklagten repräsentiert - Beispiel: Zinsen aus dem Erlös für die Veräußerung einer fremden Sache - hat das Reichsgericht 150 abgelehnt. Es stützt sich dabei jedoch einzig und allein auf den unseres Erachtens formalen Gesichtspunkt, daß § 8 1 8 I nur Nutzungen aus dem ursprünglich Erlangten, nicht aber Nutzungen aus dem Gegenwert anspreche. Vom Normzweck des § 8 1 8 II her gesehen ist eine analoge Anwendung des § 8 1 8 I sicher geboten 151 . V. W e r t e r s a t z bei der R ü c k a b w i c k l u n g unwirksamer gegenseitiger Verträge 1. Übersicht Mit den bereicherungsrechtlichen Sonderproblemen, die mit der Rückabwicklung unwirksamer Verträge verbunden sind, haben wir uns schon an anderen Stellen dieses Buches 1 5 2 auseinanderzusetzen gehabt. Ausgeklammert wurde dort die Frage, wie zu entscheiden ist, wenn eine der beiden Leistungen untergegangen ist oder aus sonstigen Gründen nicht herausgegeben werden kann. Diese Frage gilt es nunmehr zu klären. Unsere früheren Erörterungen lassen vermuten, daß es erstens darauf ankommen muß, wer Kläger und Beklagter ist, und zweitens, ob und inwieweit Gut- oder Bösgläubigkeit vorliegt. Mit Rücksicht auf die Bewertung ganz ähnlicher Interessenlagen in den § 346 ff ist ferner zu prüfen, inwieweit es darauf ankommt, wer den Untergang zu vertreten hat 1 5 3 . Dementsprechend ist die folgende Darstellung aufgebaut. 147 148 149 150 151
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Kritisch auch Falk, GRUR 1983, 488, 491. Dazu oben S. 163. Oben S. 163 f. RGZ 133, 287. Ausführlicher Koppensteiner, NJW 1971, 594; wie hier auch OLG Braunschweig OLGZ 18, 53 f; zum Problem auch Staudingerl Lorenz, § 818 Rdn. 15. Vgl. oben S. 136 ff; 151 ff. Vgl. dazu Esser/Weyers, §51 II 2 (S.427f).
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2. Unmöglichkeit der Naturalrestitution seitens des Klägers a) aa) Für den Fall beiderseitiger Gutgläubigkeit ist die Interessenlage dadurch gekennzeichnet, daß der Kläger mit der Wiedererlangung des von ihm Hingegebenen nicht gerechnet hat, sich also sozusagen unverhofft mit der Möglichkeit konfrontiert sieht, seine Leistung wieder an sich zu bringen. Ihm dies kompensationslos zu gestatten, erscheint daher unangebracht. Noch deutlicher wird dies, wenn man bedenkt, daß dieses Ergebnis zu einer Schädigung des seinerseits gutgläubigen Beklagten führen würde, der das von ihm Empfangene herausgeben müßte, ohne seine eigene Leistung wiederzubekommen. Die Folgerung kann nur lauten, daß der Kläger unter den angenommenen Voraussetzungen Wertersatz anbieten muß, wenn er seine Leistung zurückhaben will. Lieb'5* bezeichnet diese Auffassung als Verlegenheitslösung, die keine Stütze im Gesetz finde. In Wahrheit handelt es sich aber nur darum, das Prinzip des Gesetzes, wonach der Bereicherungsausgleich nicht zu einer Schädigung des gutgläubigen Anspruchsgegners führen darf155, für unwirksame Austauschverträge konsequent zu Ende zu denken. Die daraus folgende Differenzierung nach Parteirollen ist nicht so ungewöhnlich wie es scheinen mag. Auch im Rahmen der §§346 ff kann es wegen §351 sein, daß nur ein Teil zurücktreten kann, bei Wahrnehmung dieser Möglichkeit dann aber auch die empfangene Leistung zurückgeben muß156. Lieb selbst157 spricht sich, ohne dabei auf die Parteirolle abzustellen, für eine bereicherungsunabhängige Wertersatzpflicht desjenigen aus, bei dem die Leistung des anderen untergegangen ist. Das soll, sofern zurechenbar, aus der auch mit dem nichtigen Vertrag verbundenen Risikoübernahme folgen. Gerade dieser Gedanke ist aber abzulehnen, weil er dem nichtigen Vertrag, wie Lieb selbst einräumt, faktische Bestandskraft zubilligt158. Die Saldotheorie schützt den gutgläubigen Beklagten dergestalt, daß sie den Untergang oder die Wertminderung des von ihm Geleisteten beim Kläger als Wegfall der Bereicherung behandelt15'. Praktisch bedeutet auch dies, daß der Empfänger der untergegangenen Sache seine eigene Leistung nur zurückerhält, wenn er den Wert des bei ihm nicht mehr vorhandenen ersetzt. Doch ist der Saldotheorie aus verschiedenen Gründen nicht zu folgen160. Fraglich ist, wie der hier maßgebliche Wert ermittelt werden muß. Da bei Vorhandensein beider Leistungen ein schlichter Rücktausch stattfindet,
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MünchKomm-iie£, §818 Rdn. 95. Oben S. 114 f. Zu den Vorleistungsfällen, die Lieb, aaO, als Ansatzpunkt weiterer Kritik benutzt, vgl. unten S. 188 f. AaO, Rdn. 96 ff. Vgl. ferner Esser/Weyers, §51 II 2 (S.426f); Rengier, AcP 177, 440f. BGHZ 57, 137 (150); BGHZ 72, 252 (254); BGHZ 78, 216 (222). Oben S. 137f.
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jede der Parteien also das bekommt, was sie geleistet hat, ergibt sich zunächst, daß der Kläger denjenigen Betrag anbieten muß, den das von ihm Empfangene im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung wert wäre, wäre es noch vorhanden. Der Beklagte wird also so gestellt, als hätte der klagebegründende Austauschvorgang nie stattgefunden. Das entspricht selbst dann dem gesetzlichen Prinzip, Schädigungen des gutgläubigen Beklagten zu verhindern, wenn das, was er herausgeben muß, zwischenzeitlich mehr wert ist, als das, was er vom Kläger bekommt. Denn das angesprochene Prinzip fordert nicht, den Beklagten so zu stellen, als hätte er das Erlangte mit Rechtsgrund erworben, sondern so, als wäre es nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung gekommen. Ist das Kausalgeschäft wegen §118 oder infolge Irrtumsanfechtung seitens des Klägers unwirksam, so ist zu beachten, daß dem Beklagten auch noch ein Gegenanspruch nach § 122 I zusteht. Das kann beispielsweise dann praktisch bedeutsam werden, wenn der Beklagte das von ihm Geleistete zwischenzeitlich um mehr hätte veräußern können als er jetzt vom Kläger bekommt.
bb) In Abweichung von dem vorstehend geschilderten Konzept braucht der Kläger Wertersatz zunächst nicht anbieten, wenn der Untergang oder die wesentliche Verschlechterung der von ihm empfangenen Sache auf einem schon bei Ubergabe vorhandenen Mangel beruht 161 . Dafür spricht, daß bei der Wandlung entsprechendes gilt und namentlich die in §350 enthaltene Wertung 162 . Aus § 350 ergibt sich des weiteren, daß der zufällige Untergang des Erlangten den Kläger nicht belastet, d. h. einem kompensationslosen Rückgabeverlangen nicht entgegensteht. Die Entscheidung der übrigen Fälle (z. B. Untergang eines aufgrund nichtigen Kaufvertrages gelieferten Fahrzeuges im Zusammenhang „normaler" Benutzung) hängt von der hier nicht zu klärenden Abgrenzung des jeweiligen Anwendungsbereichs der §§350, 351 im Kontext gesetzlicher Rücktrittsrechte und der Wandlung ab 163 ' 164 .
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B G H Z 78, 216 (223 f) mwN. Ferner etwa Honseil, JuS 1982, 814; MünchKomm-Lieb, §818 Rdn. 106. Zutreffend etwa Beuthien/Weber, 11 mwN und Kritik der in der Tat nicht überzeugenden Begründung des B G H ; ebenso etwa StudK-Beuthien, §818 Anm. 5d; andere Akzente bei Reuter/Martinek, 601 ff, die sich gegen die analoge Anwendung von §350 im Bereicherungsrecht aussprechen. Dagegen MünchKomm-Z.!e£, §818 Rdn. 105. Ubersicht über den Meinungsstand bei MünchKomm-Janßen, § 351 Rdn. 5, der sich selbst in Rdn. 8 dafür ausspricht, die gewöhnliche Benutzung nicht als schuldhaft anzusehen. Für verschuldeten Untergang unten S. 184 f. Übersichtliche Darstellung des Problems bei Nierwetberg, JuS 1984, 357.
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b) Bei Bösgläubigkeit des Klägers greifen zu seinen Lasten die Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses ein. Da der Kläger den Wert des von ihm Empfangenen ohnehin ersetzen muß, bedeutet dies hier im wesentlichen eine Intensivierung der Haftung für Nutzungen und den praktischen Wegfall der Möglichkeit, eigene Aufwendungen geltend zu machen165. Wenn und soweit der entgangene Gewinn von §989 erfaßt wird 166 , kann auch dies hier praktisch werden. Der aufgrund Vertrages Rücktrittsberechtigte, der eine wesentliche Verschlechterung der von ihm empfangenen Sache bzw. die Unmöglichkeit ihrer Herausgabe verschuldet hat, kann von seinem Rücktrittsrecht keinen Gebrauch machen (§351). Da die Position des bösgläubigen Bereicherten der des Rücktrittsberechtigten durchaus ähnelt167, erscheint es angemessen, dem - im Zeitpunkt der Entreicherung - Bösgläubigen bei Vorliegen der in §351 normierten Voraussetzungen überhaupt die Möglichkeit abzuschneiden, seinerseits eine Klage wegen ungerechtfertigter Bereicherung zu erheben168. Im übrigen ist zu beachten, daß der bösgläubige Kläger kompensationslos kondizieren kann, wenn die von ihm empfangene Sache zufällig oder ohne pflichtwidriges Verhalten untergegangen ist169. Befindet sich der Beklagte im Annahmeverzug, dann beschränkt sich die Haftung des Klägers auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. c) aa) In der Rechtsprechung haben die Fälle der Anfechtung eines gegenseitigen Vertrages wegen arglistiger Täuschung und anschließender Rückforderung seiner Leistung durch den Getäuschten eine besonders große praktische Rolle gespielt170. Die letzten Entscheidungen des BGH auf diesem Gebiet171 sind besonders hervorzuheben. In den ersten beiden Fällen ging es darum, daß der Käufer eines gebrauchten Autos arglistig getäuscht wurde; in beiden Fällen wurde das Fahrzeug stark bzw. total beschädigt, bevor der Kläger von dem Anfechtungsgrund erfuhr. Damit sind diese Fälle typisch für die nunmehr interessierende Frage, was der gutgläubige Partner eines unwirksamen Austauschvertrages von dem bösgläubigen verlangen kann, wenn er das von ihm Empfangene nicht mehr zurückzugeben vermag. Daß diese Frage bei arglistiger Täuschung auch 165 166 167 168 169 170 171
Vgl. dazu oben S. 152 f. Nachweise dazu bei Palandt/Thomas, §989 Anm. 2. Oben S. 152. Ebenso StudK-Beuthien, §818 Rdn. 5d; Beuthien/Weber, 13. BGHZ 72, 252 (255 f); dazu Beuthien/Weber, 10, 14. Vgl. die Übersicht bei Diesselhorst, 124 ff. BGHZ 53, 139; BGHZ 57, 137; dazu zusammenfassend von Caemmerer, FS Larenz (1973) 621 ff, 634 ff; später BGHZ 72, 252; ausführlich Frieser, 205 ff.
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schadensersatzrechtliche Probleme aufwirft, liegt auf der Hand. Im folgenden kann es allerdings nur um die bereicherungsrechtlichen Aspekte gehen. Nach Ansicht des B G H hängt die Entscheidung der anstehenden Frage stark davon ab, ob der Kläger Untergang bzw. Beschädigung des von ihm Empfangenen verschuldet hat oder nicht. Dementsprechend ist die folgende Darstellung zu gliedern. bb) In dem Fall B G H Z 53, 144 ff traf den Kläger an der Beschädigung des Fahrzeugs keine Schuld. Der B G H gab der auf Rückzahlung des Kaufpreises gerichteten Klage mit der hauptsächlichen Begründung statt, der arglistig Täuschende dürfe nicht besser stehen als der Rücktrittsgegner. Dieser müsse als Folge des Rücktritts das von ihm Empfangene gemäß §§ 350, 346 auch dann zurückgeben, wenn seine eigene Leistung untergegangen sei 172 . Diese Begründung ist mit Recht weitgehend auf Zustimmung gestoßen 1 7 3 . Die Gegenmeinung 174 stützt sich auf die These, § 3 5 0 sei rechtspolitisch verfehlt und §351 daher entsprechend auszudehnen. Dem ist jedoch nicht zuzustimmen 175 . Die Hilfsbegründung des B G H mit § 3 2 7 2. Satz - die Bestimmung sei nicht nur auf den Rücktrittsgegner, sondern generell auf denjenigen anzuwenden, der den Rücktritt nicht zu vertreten hat - entspricht zwar der herrschenden Meinung, ist aber durchgreifend kritisiert worden 1 7 6 . cc) Im zweiten Fall hatte der Käufer die Totalbeschädigung des Autos verschuldet. Anstatt des deshalb nicht möglichen Rekurses auf § 350 begründete der B G H die im Grundsatz bejahte Kondiktion des Kaufpreises damit, es sei unbillig, der arglistigen Täuschung des Verkäufers überhaupt keine Bedeutung mehr einzuräumen, wenn der Käufer die Kaufsache infolge seines Verschuldens nicht mehr zurückgeben könne 177 . Zum zweiten sei die Kondiktion des Kaufpreises im Grundsatz auch deshalb gerechtfertigt, weil wegen der Bösgläubigkeit des Verkäufers nicht die Saldo-, son172 173
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Vgl. BGHZ 53, 144 (148). Vgl. Medicus, Rdn.229; Staudinger/Lorenz, §818 Rdn.44f; Flessner, NJW 1972, 1780; Weitnauer, NJW 1970, 639; im Ergebnis auch Diesselhorst, JuS 1970, 419. Insbesondere Honsell, MDR 1970, 718 f; Wieling, JuS 1973, 401; Huber, JuS 1972, 444; vgl. auch Flume, NJW 1970, 1164. Eine andere interessante Begründung liefert neuerdings Frieser, 254 ff. Vgl. vor allem StudK-Beuthien, §818 Anm. 5d; Glass, 53 ff; Esser, 184; Flessner, NJW 1972, 1780 f mwN. Vgl. Glass, 86 ff; Weitnauer, NJW 1970, 639 f. BGHZ 57, 137 (149).
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dem die Zweikondiktionentheorie anzuwenden sei178. O b der Kläger allerdings den gesamten Kaufpreis liquidieren könne, hänge, wie aus § 242 (nicht § 254) zu entnehmen sei, von einer Abwägung seines Verschuldens am Untergang der Kaufsache gegenüber dem Verschulden des arglistig täuschenden Verkäufers ab. Was zunächst den nur vor dem Hintergrund der Saldotheorie voll verständlichen Versuch angeht, den Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises gesondert zu begründen, ist mit Recht darauf aufmerksam gemacht worden, daß §819 nur die Rechtsstellung des bösgläubigen Entreicherten regelt. Für die Fälle der vorliegenden Art wäre die Bestimmung also nur dann von Bedeutung, wenn der Verkäufer versuchen würde, sich gegenüber der Preiskondiktion auf seine eigene Entreicherung zu berufen. Mit der „Gegenleistungsgefahr" hat die Bestimmung nichts zu tun 179 . Dem Grunde nach ergibt sich der Anspruch des Käufers nach erfolgreicher Anfechtung ohne weiteres aus § 812. Die §§467, 351 schließen nämlich eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach ganz überwiegender Ansicht nicht aus 180 . Ebenso kann der gutgläubige Partner eines von vorneherein nichtigen Austauschgeschäftes selbstverständlich kondizieren. Ein Ausschluß der Kondiktion durch §351 kommt daher nur in den Fällen versuchter Anfechtung wegen Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaften in Betracht, die gleichzeitig einen Mangel im Sinne der §459 ff darstellen. § 119 II ist neben diesen Bestimmungen nach überwiegender, hier nicht überprüfbarer Meinung nämlich nicht anwendbar 181 . Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob §351 dem gutgläubigen Kläger gegenüber nicht überhaupt jede Bedeutung abzusprechen ist. Die Rechtsfolge einer zu vertretenden Zerstörung oder Verschlechterung der von ihm empfangenen Sache bestünde demnach nicht im Ausschluß der Kondiktion. Der Position des Beklagten wäre vielmehr durch entsprechende Gegenansprüche Rechnung zu tragen182. Für eine solche Lösung spricht namentlich §487 II, der §351 im Zusammenhang der Sachmängelhaftung als Bestimmung ausweist, die wesentlich von der unberührt bleibenden Minderungsmöglichkeit geprägt ist. Wo eine solche Möglichkeit - wie auch im Bereicherungsrecht - ausscheidet, kann die Analogie zu § 351 nicht überzeugen 183 . 178 179
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B G H Z 57, 137 (149 ff). So schon von Caemmerer, 261 f; Esser, 386; Honseil, N J W 1973, 351; Kühne, JR 1972, 113; vgl. aber auch Huber, JuS 1972, 443. Dagegen neuerdings Honseil, JuS 1982, 813. PaUndt/Putzo, §459 Anm. 2. Vgl. aber B G H Z 78, 216, wo Irrtumsanfechtung plus Kondiktion und Wandlung alternativ geprüft wird; kritisch Honseil, JuS 1982, 811. Dazu auch Lorenz, Symposium König (1984) 148; Canaris, W M 1981, 980. Ähnlich Reuter/Martinek, 601 f.
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Zu prüfen bleibt, wie weit der Anspruch inhaltlich reicht, anders formuliert: was der Kondiktionskläger anbieten muß, um das von ihm Geleistete zurückzubekommen. Bei der Beurteilung dieser Frage ist richtigerweise an § 347 anzusetzen. Denn diese Bestimmung regelt für einen vergleichbaren Fall - den vertraglich vorgesehenen Rücktritt - durch Verweisung auf § 989, was zu geschehen hat, wenn einer der Beteiligten das von ihm Empfangene schuldhaft verschlechtert. Dabei erklärt sich die scharfe Haftung nach § 989 daraus, daß bei vertraglich vorbehaltenem Rücktritt jeder der Beteiligten sich von Anfang an darauf einrichten muß, das Erworbene wieder restituieren zu müssen 184 . Die herrschende Meinung hat für die Fälle des gesetzlichen Rücktritts und der Wandlung aus diesem Normzweck die Folgerung gezogen, daß § 347 erst ab Kenntnis der Rücktrittsvoraussetzungen anzuwenden sei185. Sinngemäß auf die anstehende Problematik angewendet, würde dies bedeuten, daß der Getäuschte seine Leistung über Bereicherungsrecht ungeschmälert auch dann zurückerhält, wenn er das von ihm Empfangene im Stadium der Gutgläubigkeit, also vor Einsicht in die Täuschung, verschlechtert oder zerstört hat. Im Anschluß an Glassm deutet sich allerdings eine Wandlung der Auffassungen zu §347 an. Dieser Autor will den Rücktritts- bzw. Wandlungsberechtigten vor Kenntnis der Rücktrittsmöglichkeit zwar nicht auf Schadensersatz, wohl aber auf Ersatz des Wertes des von ihm Empfangenen haften lassen187. Diese Ansicht, die das gemäß §§ 347, 989 erforderliche Verschulden insoweit als Unachtsamkeit in eigenen Angelegenheiten, als Obliegenheitsverletzung deutet, kann sich auf eindeutige Hinweise in den Materialien stützen 188 . Entscheidend für sie spricht, daß der wandlungsberechtigte Käufer vor Entdeckung des Mangels ebenso wie der gutgläubige Bereicherte davon ausgehen muß, unsorgfältiger Umgang mit dem Empfangenen wirke sich zu seinen eigenen Lasten aus. Entsteht infolge solchen Verhaltens ein Schaden, so wäre es mit dem venire contra factum proprium-Verbot nicht zu vereinbaren, wenn der Schaden hinterher durch Rückfordern des vollen Kaufpreises zur Gänze auf den jeweiligen Partner abgewälzt werden könnte. So liegen die Dinge auch in dem in B G H Z 57, 137 ff entschiedenen Fall. Richtigerweise hätte dem Käufer die 184 185
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Vgl. Esser, 187. Vgl. statt aller Palandt/Thomas, §347 Anm. 2; MünchKomm-/