Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag [1 ed.] 9783428458011, 9783428058013


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German Pages 1558 [1563] Year 1985

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Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag [1 ed.]
 9783428458011, 9783428058013

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Festschrift für Hans-Heinrich ] escheck zum 70. Geburtstag

Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag Herausgegeben von Theo Vogler in Verbindung mit

Joachim Herrmann . Justus Krümpelmann . Reinhard Moos Otto Triffterer . Rudolf Leibinger . Dieter Schaffmeister Jürgen Meyer . Peter Hünerfeld . Hans-Joachim Behrendt

Erster Halbband

DUNCKER & HUMBLOT· BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. [siebzigsten] Geburtstag / hrsg. von Theo Vogler in Verbindung mit Joachim Herrmann ... - Berlin: Duncker und Humblot, 1985. ISBN 3-428-05801-1 NE: Vogler, Theo [Hrsg.]; Jescheck, Hans-Heinrich: Festschrift

Redaktion: Johanna Bosch Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten. © 1985 Duncker & Humblot, Berlin 41 Satz: Hagedornsatz, Berlin 46 Gedruckt 1985 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3-428-05801-1

HANS-HEINRICH JESCHECK ZUM 10. JANUAR 1985

MARC ANCEL

SANTIAGO MIR PUIG

JOHANNES ANDENAES

KOICHI MIYAZAWA

GUNTHER ARZT

REINHARD Moos

MARINO BARBERO SANTOS

HEINZ MÜLLER-DIETZ

M. CHERIF BASSIOUNI

HARuo NISHIHARA

JÜRGEN BAUMANN

FRIEDRICH NOWAKOWSKI

HANS-JOACHIM BEHRENDT

PIETRO NUVOLONE

ANTONIO BERISTAIN

DIETRICH OEHLER

GÜNTER BLAU

JAN REMMELINK

PAUL BOCKELMANN

JOSE MARiA RODRiGUEZ DEVESA

KAZIMIERZ BUCHAl.A

CLAUS ROXIN

MANFRED BURGSTALLER

HANS-JOACHIM RUDOLPHI

JOSE CEREZO MIR

DIETER SCHAFF MEISTER

JORGE DE FIGUEIREDO DIAS

FRIEDRICH SCHAFFSTEIN

EDUARD DREHER

EBERHARD SCHMIDHÄUSER

ALBIN ESER

RUDOLF SCHMITT

KARL HEINZ GÖSSEL

HEINZ SCHÖCH

ROBERT HAUSER

HANS-LUDWIG SCHREIBER

WOLFGANG HEINZ

FRIEDRICH-CHRISTIAN SCHROEDER

JOACHIM HERRMANN

HORST SCHÜLER-SPRINGORUM

PETER HÜNERFELD

HANS SCHULTZ

GÜNTHER JAKOBS

KLAus SESSAR

GÜNTHER KAISER

GÜNTER SPENDEL

ARMIN KAUFMANN

ANDRZEJ SPOTOWSKI

ARTHUR KAUFMANN

ALFONSO M. STILE

ULRICH KLUG

GÜNTER STRATENWERTH

JUSTUS KRÜMPELMANN

S. A.

J OSEF KÜRZINGER

HANS THORNSTEDT

STRAUSS

KARL LACKNER

KLAUS TIEDEMANN

RAIMO LAHTI

Orro TRIFFTERER

RICHARD LANGE

HERBERT TRÖNDLE

RUDOLF LEIBINGER

GIULlANO VASSALLl

VIKTOR LlEBSCHER

JACQUES VERHAEGEN

HANS LÜrrGER

THEO VOGLER

MANFRED MAIWALD

THOMAS WEIGEND

JÜRGEN MEYER

THOMAS WÜRTENBERGER

WOLF MIDDENDORFF

HEINZ ZIPF

VORWORT Am 10. Januar 1985 wird Professor Dr. Dr. h. c. mult. Hans-Heinrich Jescheck siebzig Jahre. Aus diesem Anlaß haben sich Freunde, Kollegen und Schüler aus der Bundesrepublik, aus Europa und Übersee zusammengefunden, um den Menschen, den weltweit anerkannten Gelehrten und den FÖl1derer der Völkerverständigung auf dem Gebiet des Strafrechtsakademischem Brauch gemäß durch eine Festschrift zu ehren. Die vielfältigen Bemühungen des Jubilars um die Strafrechtswissenschaft spiegeln sich in den dargebrachten Beiträgen zur Strafrechtsdogmatik, zum Strafprozeßrecht, zur Kriminologie, zum Internationalen Strafrecht und zur Rechtsvergleichung wider. Immer wieder findet sich die Auseinandersetzung mit seinen Arbeiten, die in einer Zeit, in der die Einzeldisziplinen im Strafrecht auseinanderstreben, das Fach als "gesamte Strafrechtswissenschaft" in seiner besten Tradition verkörpern. Die integrierende Kraft Jeschecks hat sich auch in der Vermittlung und Pflege internationaler Beziehungen bewährt. Er hat das Freiburger MaxPlanck-Institut zu einer wissenschaftlichen Heimstätte weit über die Grenzen des Landes hinaus gestaltet. Zahlreiche Beiträge dieser Sammlung stammen aus der Feder von Gästen des Instituts, die ihm fachlich und persönlich nahestehen. Andere ausländische Beiträge verdanken die Herausgeber seinen Kollegen aus der Association Internationale de Droit P{mal und der Societe Internationale de Defense Sociale. Für Jeschecks Wirken in Wort und Schrift, seinen Einsatz für die humanitären und sozialen Ziele des Strafrechts wird der siebzigste Geburtstag keinen Einschnitt bedeuten. Seinen Freunden und Mitstreitern, seinen Kollegen, Mitarbeitern und Schülern ist dieser Tag aber ein Anlaß, ihm Hochachtung und Dankbarkeit für sein reiches bisheriges Lebenswerk zu bezeugen und Glück für viele Jahre zu wünschen. Unser Dank gebührt den Mitarbeitern des Verlagshauses Duncker & Humblot für die sorgfältige Betreuung dieser Festschrift. Er gilt auch denjenigen, die das Schriftenverzeichnis erstellt und die redaktionelle Arbeit geleistet haben. Besonders danken wir der Max-Planck-Gesellschaft, die diese Geburtstagsgabe großzügig gefördert hat. Freiburg i. Br., Januar 1985

Die Herausgeber

INHALT ERSTER HALBBAND Rudotf Leibinger, Konstanz

Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag ..... . ............... . Eduard Dreher, Bonn

Hans-Heinrich Jescheck in der Großen Strafrechtskommission

11

Grundfragen Thomas Würtenberger, Freiburg i. Br.

Der schuldige Mensch vor dem Forum der Rechtsgemeinschaft .. . .

37

Richard Lange, Köln

Neue Wege zu einer Gesamten Strafrechtswissenschaft ............

53

Jorge de Figueiredo Dias, Coimbra

Vom Verwaltungsstrafrecht zum Nebenstrafrecht. Eine Betrachtung im Lichte der neuen portugiesischen Rechtsordnung ..............

79

Jürgen Baumann, Tübingen

Dogmatik und Gesetzgeber. Vier Beispiele .... . ...................

105

Hans Lüttger, Berlin .

Bemerkungen zu Methodik und Dogmatik des Strafschutzes für nichtdeutsche öffentliche Rechtsgüter ..............................

121

Günter Spendet, Würzburg

Unrechtsurteile der NS-Zeit

Strafrecht -

179

Allgemeine Lehren

Jose Maria Rodriguez Devesa, Madrid Nullum crimen sine culpa en la reforma deI C6digo penal espafiol en 1983 .......................................................... 201

x

Inhalt

Rudolf Schmitt, Freiburg i. Br.

Der Anwendungsbereich von § 1 Strafgesetzbuch (Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz) ...................................................... 223 Andrzej Spotowski, Warschau

Das Rückwirkungsverbot im polnischen Recht ....................

235

Armin Kaufmann, Bann

"Objektive Zurechnung" beim Vorsatzdelikt?

251

Arthur Kaufmann, München

Kritisches zur Risikoerhöhungstheorie

273

Günter Stratenwerth, Basel

Zur Individualisierung des Sorgfaltsmaßstabes beim Fahrlässigkeitsdelikt ............................................................

285

Hans-Joachim Behrendt, Freiburg i. Br.

Das Prinzip der Vermeidbarkeit im Strafrecht ....................

303

Justus Krümpelmann, Mainz

Die normative Korrespondenz zwischen Verhalten und Erfolg bei den fahrlässigen Verletzungsdelikten .............................. 313 Santiago Mir Puig, Barcelona

Die "ex ante"-Betrachtung im Strafrecht

337

Manfred BurgstaHer, Wien

Erfolgszurechnung bei nachträglichem Fehlverhalten eines Dritten oder des Verletzten selbst ........................................ 357 Kazimierz Buchala, Krakau

Der Dolus eventualis in der polnischen Strafrechtslehre und Rechtsprechung ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 377 Gunther Arzt, Bern

Falschaussage mit bedingtem Vorsatz. Bemerkungen zu den Zweifeln des Täters an der Rechtfertigungslage oder am Tatbestandsausschluß 391 Manfred Maiwald, Göttingen

Zur Leistungsfähigkeit des Begriffs "erlaubtes Risiko" für die Strafrechtssystematik ..................................................

405

GiuHano Vassam, Rom

La dottrina italiana dell'antigiuridicita ................ . ...........

427

Inhalt

XI

JoS!! Cerezo Mir, Saragossa

Consideraciones generales sobre las causas de justificaci6n en el derecho penal espafiol ............................................ 441 Ctaus Roxin, München

Der durch Menschen ausgelöste Defensivnotstand

457

Eberhard Schmidhäuser, Hamburg

über den axiologischen Schuldbegriff des Strafrechts: Die unrechtliche Tatgesinnung ................................................

485

Hans Thornstedt, Stockholm

Der Rechtsirrtum im schwedischen Strafrecht .....................

503

S. A. Strauss, Pretoria Liability for a so-called "mere omission" and the duty to rescue in South African Law ..............................................

515

Friedrich Nowakowski, Innsbruck

Nochmals zu § 42 öStGB (Mangelnde Strafwürdigkeit der Tat) ....

527

Kart Heinz Gösset, Erlangen

Sukzessive Mittäterschaft und Täterschaftstheorien ................

537

Hans-Joachim Rudotphi, Bonn

Die zeitlichen Grenzen der sukzessiven Beihilfe ...... . ...........

Strafrecht -

559

Besonderer Teil

utrich Klug, Köln

Das Aufstacheln zum Angriffskrieg (§ 80 a StGB). Allgemeine und spezielle Interpretationsprobleme .................................. 583 Jan Remmetink, Amsterdam

Die Strafbarkeit der Rassendiskriminierung in den Niederlanden 601 Günther Jakobs, Regensburg

Die Aufgabe des strafrechtlichen Ehrenschutzes

627

Karl Lackner, Heidelberg

Neuorientierung der Rechtsprechung im Bereich des Vollrauschtatbestandes? ........................................................ 645

Inhalt

XII Herbert Tröndle, Waldshut-Tiengen

VoUrauschtatbestand und Zweifelsgrundsatz

665

Arztrecht Paul Bockelmann, München

Die Dokumentationspflicht des Arztes und ihre Konsequenzen ....

693

Strafverfahren und Gerichtsverfassung Johannes Andenaes, 0510

Die neue norwegische Strafprozeßordnung ...... . . . ...............

715

Reinhard Moos, Linz

Beschuldigtenstatus und Prozeßrechtsverhältnis im österreichischen Strafverfahrensrecht ..............................................

725

Hans-Ludwig Schreiber, Göttingen

Wie unabhängig ist der Richter?

757

ZWEITER HALBBAND

Kriminalpolitik Mare Aneel, Paris

Directions et directives de politique erimineUe dans le mouvement de reforme penale moderne ...................................... 779 Hans Schultz, Bern

791

Krise der Kriminalpolitik? Heinz Müller-Dietz, Saarbrücken

Integrationsprävention und Strafrecht. Zum positiven Aspekt der Generalprävention ................................................ 813 Pietro Nuvolone, Mailand

L'opzione penale ..................................................

829

.ll1fonso M. Stile, Neapel

Concetto e trattamento deUa

« criminalita

minore" in !talia ......

845

Inhalt

XIII

Raimo Lahti, Helsinki

Zur Entwicklung der Kriminalpolitik in Finnland

871

Marino Barbero Santos, Madrid

Die Strafrechtsreform der spanischen konstitutionellen Monarchie 893 Antonio Beristain, San Sebastian

La reforma penal tambien desde la Universidad

921

Friedrich Schaffst ein, Göttingen

überlegungen zur Diversion

937

Wolfgang Heinz, Konstanz

Neue Formen der Bewährung in Freiheit in der Sanktionspraxis der Bundesrepublik Deutschland ...................................... 955 Heinz Zipf, Salzburg

Teilaussetzung bei Freiheits- und Geldstrafen

977

Dieter Schaffmeister, Leiden

Durch Modifikation zu einer neuen Strafe. Versuch einer Erklärung der fortdauernden Verwendung der kurzen Freiheitsstrafe in den Niederlanden ..................................................... 991 Günter Blau, Frankfurt a. M.

Regelungsmängel beim Vollzug der Unterbringung gemäß § 63 StGB 1015

Kriminologie Günther Kaiser, Freiburg i. Br.

Kriminologie im Verbund gesamter Strafrechtswissenschaft am Beispiel kriminologischer Forschung am Max-Planck-Institut in Freiburg ............................................................. 1035 Josef Kürzinger, Freiburg i. Br.

Der kriminelle Mensch - Ausgangspunkt oder Ziel empirischer kriminologischer Forschung? ...................................... 1061 Heinz Schöch, Göttingen

Empirische Grundlagen der Generalprävention .. . ................. 1081 Horst Schüter-Springorum, München

Jugend, Kriminalität und Recht ............................ . ..... 1107

XIV

Inhalt

Klaus Sessar, Hamburg

über das Opfer. Eine viktimologische Zwischenbilanz .............. 1137 Koichi Miyazawa, Tokio

Informelle Sozialkontrolle in Japan unter besonderer Berücksichtigung ihrer praktischen Vorgehensweisen und Handlungsstrategien im Bereich informeller Verbrechens kontrolle ...................... 1159 Wolf Middendorff, Freiburg i. Br.

Claus Graf Schenk von Stauffenberg. Eine historisch-kriminologische Studie ............................................................ 1175

Rechtsvergleichung Viktor Liebscher, Wien

Hans-Heinrich Jescheck und die österreichische Strafrechtswissenschaft ............................................................ 1197 Robert Hauser, Zürich

Die Rechtsvergleichung als Auslegungshilfe in der höchstrichterlichen Rechtsprechung im materiellen Strafrecht .......................... 1215 Haruo Nishihara, Tokio

Die gegenwärtige Lage der japanischen Strafrechtswissenschaft .... 1233 Friedrich-Christian Schroeder, Regensburg

Die Gliederung der Straftat in der Sowjetunion und in der DDR 1249 Peter Hünerfeld, Freiburg i. Br.

Aspekte des Verkehrsstrafrechts im Vergleich der Bundesrepublik Deutschland und Österreichs ...................................... 1265 Joachim Herrmann, Augsburg

Aufgaben und Grenzen der Beweisverwertungsverbote. Rechtsvergleichende überlegungen zum deutschen und amerikanischen Recht 1291 Jürgen Meyer, Freiburg i. Br.

Zur V-Mann-Problematik aus rechtsvergleichender Sicht .......... 1311 Thomas Weigend, Freiburg i. Br.

Anmerkungen zur Diskussion um den Kronzeugen aus der Sicht des amerikanischen Rechts ............................................ 1333

Inhalt

xv

Strafrechtsanwendungsrecht Internationales und supranationales Strafrecht Völkerstrafrecht Albin EseT, Freiburg i. Br.

Die Entwicklung des Internationalen Strafrechts im Lichte des Werkes von Hans-Heinrich Jescheck .. , '.' ............................. 1353 Theo VogleT, Gießen

Zur Rechtshilfe durch Vollstreckung ausländischer Strafurteile .... 1379 DietTich Oehler, Köln

Fragen zum Strafrecht der Europäischen Gemeinschaft ............ 1399 Klaus Tiedemann, Freiburg i. Br.

Der Allgemeine Teil des europäischen supranationalen Strafrechts 1411 Jacques Verhaegen, Louvain-la-Neuve

La repression des crimes de guerre en droit beIge. Aleas et perspectives .............................................................. 1441 M. CheTif Bassiouni, Chicago The Proscribing Function of International Criminal Law in the Proces ses of International Protection of Human Rights ................ 1453 Otto TTiffterer, Salzburg

Völkerstrafrecht im Wandel? ...................................... 1477

Bibliographie Verzeichnis der Schriften von Hans-Heinrich Jescheck ... . .... . ....... 1507

RUDOLF LEIBINGER

Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag Der 70. Geburtstag von Hans-Heinrich Jescheck am 10. Januar 1985 gibt Kollegen, Freunden und Schülern Gelegenheit, einem Wissenschaftler Verehrung und Dankbarkeit für eine Lebensleistung zu bekunden, die in besonderem Maße der Entwicklung der gesamten Strafrechtswissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg gedient hat. Sein wissenschaftliches Werk ist in dem nachfolgenden Schriftenverzeichnis dokumentiert. Dieser Beitrag soll mit einer kurzen Beschreibung das Leben und den beruflichen Werdegang des Geehrten dem Leser in Erinnerung bringen. Hans-Heinrich Jescheck ist in der niederschlesischen Stadt Liegnitz geboren. Das Elternhaus, der Vater war Rechtsanwalt und Notar, schenkte ihm eine unbeschwerte Jugend und bestimmte später auch die Wahl des Studienfaches. Das humanistische Gymnasium Johanneum, das er 1933 nach mit Auszeichnung bestandenem Abitur verließ, vermittelte ihm auch in den lebenden Sprachen die Voraussetzungen für spätere Weiterbildung. Seine sprachliche Vielseitigkeit, die es ihm heute erlaubt, mühelos ein Fachgespräch in Französisch, Englisch, Italienisch oder Spanisch zu führen, hat er sich auf dieser Grundlage nach und nach selbst erarbeitet. Im Sommersemester 1933 begann J escheck das Studium der Rechtswissenschaft in Freiburg. Schon während des Studiums ergaben sich engere Beziehungen zu Erik Wolf, Fritz Pringsheim, Hans GroßmannDoehrt und vor allem zu Eduard Kern, der, nach kriegsbedingter Unterbrechung, ihm viele Jahre später mit der Habilitation in Tübingen die wissenschaftliche Laufbahn eröffnen sollte. Zunächst bestand J escheck 1936 in Celle das Referendarexamen mit dem Prädikat "lobenswert", nachdem er im Sommer 1936 das letzte Semester seines Studiums in Göttingen absolviert hatte. Schon ein Jahr später promovierte er in Tübingen mit einer Dissertation über "Die juristische Ausbildung in Preußen und im Reich. Vergangenheit und Gegenwart". Eduard Kern hatte die Untersuchung im Zusammenhang mit seinen eigenen Arbeiten zu § 2 GVG angeregt. Es entstand eine umfassende Darstellung der wechselvollen Geschichte der juristischen 1 FestschrIft für H.-H. Jescheck

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Rudolf Leibinger

Ausbildungsreform, zu der gerade in unserer Zeit wieder ein neues Kapitel aufgeschlagen wird. Nach dem mündlichen Doktorexamen im Oktober 1937 begann ein zehnjähriger Militärdienst, der erst 1947 mit der Entlassung aus der französischen Kriegsgefangenschaft endete. Im Krieg nahm J escheck mit seiner Einheit an den Feldzügen in Polen, Frankreich und Rußland teil. Die letzte Verwundung traf ihn im Februar 1945 als Kommandeur der Panzeraufklärungsabteilung 118 in Ostpreußen. Dem Zwiespalt der Empfindungen und dem Widerstreit der Pflichten als Soldat und Jurist hat er selbst einmal Ausdruck gegeben: "Millionen haben erfahren, was es heißt, wenn man um der Ehre und des Anstandes willen für den Sieg kämpfen und gleichzeitig um des Rechts und der Menschlichkeit willen die Niederlage herbeiwünschen muß" (Menschenbild, S.6). Die bewußt erlebte Konfliktsituation ebenso wie richterliche Erfahrungen der Nachkriegszeit, die auch die Aburteilung nationalsozialistischer Gewaltverbrecher betrafen, schwingen mit, wenn Jescheck später in Anlehnung an Gustav Radbruch sich zum Vorrang naturrechtlicher Grundsätze bekennt, die "unrichtiges Recht" der Gerechtigkeit weichen lassen, die eine überpositive, dem Machtanspruch des Staates entzogene Gerechtigkeit anerkennen. Noch während des Krieges konnte Jescheck seine juristische Ausbildung abschließen. Einen Studienurlaub und einen längeren Heimataufenthalt nach einer Verwundung nutzte er für den stark verkürzten Referendardienst. Im November 1943 bestand er in Dresden das Assessorexamen, ebenfalls mit dem Prädikat "lobenswert". Die französische Kriegsgefangenschaft, in die J escheck während eines Lazarettaufenthaltes in Freiburg geriet, war für ihn mit vielfältigen Aktivitäten ausgefüllt. Im Offiziersgefangenenlager Mulsanne bei Le Mans unterrichtete er an der dort betriebenen "Lageruniversität" Strafrecht und bestand so die erste Bewährungsprobe als akademischer Lehrer. Als Pressesprecher des Lagers, der einmal in der Woche die Delegierten der einzelnen Baracken in einer Presseschau über das Weltgeschehen zu unterrichten hatte, standen ihm die führenden französischen Zeitungen zur Verfügung. In ihnen wurde mit großer Ausführlichkeit auch über den Nürnberger Prozeß vor dem Internationalen Militärtribunal berichtet. Bereits hier wurde die Idee einer grundlegenden juristischen Analyse dieses Strafrechts und seiner Anwendung geboren, wie sie später in seiner Habilitationsschrift zur Ausführung gekommen ist. Im letzten Jahr der Kriegsgefangenschaft bot sich Jescheck eine willkommene Gelegenheit, im "Centre d'etudes pour prisonniers de guerre

Hans-Heinrich Jescheck zum 7{). Geburtstag

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allemands" in St. Denis an der geistigen und politischen Neubesinnung nach dem verlorenen Krieg mitzuarbeiten. Ein kleiner Bericht (Bildung und Erziehung, 36. Jahrgang 1983, 67 ff.) zeugt von den Bemühungen der dort tätigen Gruppe, gibt aber auch einen ersten Hinweis auf eine Eigenschaft des Jubilars, ohne die seine Lebensleistung nicht möglich gewesen wäre: "Das Verhältnis der Angehörigen des Centre d'etudes untereinander war von bestem Einvernehmen geprägt. Die Tugenden der deutschen Armee, Kameradschaft und voller Einsatz der eigenen Person, kamen hier noch einmal im besten Sinne zur Geltung. Ich selbst wurde von meinen Mitgefangenen manchmal mit dem Scherzwort aufgezogen, ich würde vor lauter Arbeit einmal den Entlassungszeitpunkt verpassen." Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft im Juni 1947 trat Jescheck in den Justizdienst des Landes Baden ein. Schon im Februar 1949 wurde er planmäßiger Oberlandesgerichtsrat, eine rasch aufsteigende Laufbahn, die im Zeitraffer die Verluste der Kriegszeit etwas ausgleichen konnte. Neben der Richtertätigkeit entstand die Habilitationsschrift unter schwierigsten Bedingungen, da Krankheit und früher Tod der Ehefrau Dr. Sylvia Jescheck diese Jahre überschatteten. Das Thema der Habilitationsschrift "Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht" konnte mit großer Beachtung rechnen, da die Auseinandersetzung über die rechtlichen Grundlagen der Nürnberger Prozesse noch in vollem Gange war. Jescheck ist der Überzeugung, daß in den Nürnberger Prozessen zwar der Gerechtigkeit und nicht der Rache gedient werden sollte, daß ihre Bedeutung für das Völkerrecht aber nur mit einer streng juristischen Fragestellung ermittelt werden könne. Die Bilanz ist eine umfassende Würdigung der in den Nürnberger Urteilen enthaltenen These, die angewandten Rechtsgrundsätze stünden mit dem Völkerrecht in Einklang. In den Mittelpunkt seiner Kritik gerieten die Auffassungen, die dem Internationalen Militärtribunal und den amerikanischen Militärgerichtshöfen den Status von völkerrechtlichen Organen und nicht nur von Besatzungsgerichten zubilligten, die weiter im Bereich des materiellen Rechts Humanitätsverbrechen und das Verbrechen des Angriffskrieges bereits als nach geltendem Völkerrecht strafbar beurteilten. In der Folgezeit wird dieses Thema von J escheck weiter verfolgt und die Entwicklung eines wirksamen Völkerstrafrechts immer wieder angemahnt, damit auch dieser Teil einer für Recht und Frieden notwendigen Ordnung nicht über den politischen Auseinandersetzungen in Vergessenheit gerate. Im Oktober 1949 verlieh die Tübinger rechtswissenschaftliche Fakultät J es check die Lehrbefugnis, und er hielt nun neben seiner Frei-

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Rudolf Leibinger

burger Richtertätigkeit in Tübingen regelmäßig straf- und strafprozeßrechtliche Vorlesungen und Übungen sowie ein Seminar gemeinsam mit Wilhelm Gallas. In den Jahren 1952 bis 1954 war Jescheck im Bundesjustizministerium zunächst als abgeordneter Richter, ab 1. August 1953 als Ministerialrat an den dort anlaufenden Vorarbeiten zur großen Strafrechtsreform beteiligt. Er vertrat ferner bei den Vorbereitungen für die Gründung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft in Paris das Bundesjustizministerium in den Ausschüssen für Militärstrafrecht und internationales Strafrecht. Aus dieser Zeit resultieren auch die herzlichen und vertrauensvollen Verbindungen zu Staatssekretär Walter Strauß, Ministerialdirektor Jose! Scha!heutle und Ministerialdirigent Eduard Dreher, die zu entschiedenen Förderern des Freiburger rechtsvergleichenden Instituts werden sollten. Jescheck wurde als Professor zum ordentlichen Mitglied der Großen Strafrechtskommission berufen, deren Sitzungen er zu den großen wissenschaftlichen Erfahrungen seines Lebens zählt. Er war später auch Mitglied der Kommission zur Neugestaltung des Auslieferungsund Rechtshilferechts und der Wehrstrafrechtskommission. Nach dem frühen Tod von Adol! Schänke nahm Jescheck 1954 den Ruf auf den vakant gewordenen Lehrstuhl für deutsches und ausländisches Strafrecht an der Universität Freiburg an. Er blieb dieser Universität treu; Rufe nach Köln 1958 und Bonn 1960 lehnte er ab. Am 14. Juni 1954, dem Tage seiner Antrittsvorlesung über das Thema "Entwicklung, Aufgaben und Methoden der Strafrechtsvergleichung" , wurde das von Schänke gegründete Universitätsinstitut in eine Stiftung des privaten Rechts umgewandelt, an der sich das Land BadenWürttemberg, die Bundesrepublik und die Universität Freiburg als Stifter beteiligten. Über die Anfangsausstattung dieses Instituts heißt es in der Stiftungsurkunde in § 3 Abs.4: "Das Land Baden-Württemberg stellt dem Institut einen wissenschaftlichen Assistenten und eine Sekretärin, nach Möglichkeit weitere Angestellte, zur Verfügung." Das war ein bescheidener Anfang, wenn man weiter bedenkt, daß auch die übrigen Haushaltsmittel nur im Rahmen jeweiliger Bewilligungen zugesichert waren. Und doch war es der erste Baustein zu einer bedeutenden rechtsvergleichenden Forschungsstätte, deren Entwicklung und Formung zum Lebenswerk des Jubilars wurden. Man kann die Identität von Person und Sache nicht treffender ausdrücken, als dies KarZ Lackner als Kuratoriumsvorsitzender bei der Verabschiedung Jeschecks aus dem Institut am 4. Februar 1983 getan hat: "Wer an das Institut denkt, dem fällt auch Jescheck ein, und wer auf den Namen Jescheck stößt, kann sich ihn ohne den Hintergrund des Instituts nicht vor-

Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag

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stellen." Die materielle Entwicklung des Instituts, angefangen vom Ausbau der Bibliothek zu der auf ihren Fachgebieten bedeutendsten Einrichtung bis hin zu dem großartigen neuen Institutsgebäude, auch die Überführung des Instituts in die Max-Planck-Gesellschaft und die Einbeziehung der Kriminologie wären ohne das auf dem wissenschaftlichen Ansehen Jeschecks beruhende Vertrauen und das Gewicht seiner Persönlichkeit nicht möglich gewesen. Nahezu dreißig Jahre lang hat Jescheck die wissenschaftliche Konzeption dieser Forschungsstätte bestimmt. Neben zahlreichen rechtsvergleichenden Untersuchungen etwa zur Geldstrafe, zur Freiheitsstrafe, zur Wiederaufnahme des Strafverfahrens, zur Staatsanwaltschaft und zur Untersuchungshaft wurden in dieser Zeit insbesondere die rechtsvergleichenden Informationsquellen "Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher in deutscher Übersetzung" und "Das ausländische Strafrecht der Gegenwart" neu belebt. In den "Rechtsvergleichenden Untersuchungen zur gesamten Strafrechtswissenschaft" erschien eine Vielzahl von Monographien, darunter zahlreiche von Jescheck betreute Dissertationen. Schließlich belegt das zweibändige Werk "Quellen und Schrifttum des Strafrechts" eindrucksvoll die Leistungsfähigkeit dieses rechtsvergleichenden Zentrums. Innerhalb des Instituts hat J escheck die ursprünglichen Forschungsfelder weit über die europäischen Grenzen hinaus ausgedehnt, so daß sie heute auch große Bereiche Afrikas, Lateinamerikas, Asiens und neuerdings auch der arabischen Welt abdecken. Den die nationalen Grenzen übersteigenden Rechtsmaterien galt Jeschecks Aufmerksamkeit von Anfang an. Anwendungsbereiche und Methoden der Rechtsvergleichung sind in seiner programmatischen Antrittsvorlesung entwickelt. In zahlreichen weiterführenden Beiträgen ist ihre Bedeutung als zweckfreie Grundlagenforschung bei der Ermittlung des Rechts als Kulturerscheinung fremder Staaten belegt, aber auch ihre Funktion als Hilfsmittel bei der Arbeit des Gesetzgebers verdeutlicht, dem ein Lösungsvorrat für die verschiedenen Probleme angeboten werden kann. Zugleich ist bei der exegetischen Arbeit am Auslandsrecht die Schwierigkeit erkannt, über das Studium der Texte hinaus, Lehre und Rechtsprechung sowie die durch Kriminologie und Statistik vermittelte Rechtswirklichkeit aufzuspüren. Die Verbindung von Strafrechtswissenschaft und Kriminologie wurde von J escheck durch die Etablierung einer kriminologischen Forschungsgruppe unter der Leitung von Günther Kaiser zu einem zukunftweisenden zentralen Anliegen des Freiburger Instituts gemacht, das auch in der seit 1973 gemeinsamen Führung zum Ausdruck kommt. Eine integrierte Zusammenarbeit von Strafrecht und Kriminologie, die über eine bloße Koexistenz hinaus eine wechselseitige Beeinflussung beinhaltet, ist gemeint, wenn J escheck mit der ihm eigenen Gabe zu einprägsamen

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Rudolf Leibinger

Formulierungen sagt: "Strafrecht ohne Kriminologie ist blind, Kriminologie ohne Strafrecht ist uferlos." Die von J escheck rechtsvergleichend behandelten Themen umfassen Strafrechtsdogmatik, Kriminalpolitik und Verfahrensrecht. Auch wenn, wie er selbst sagt, in der Rechtsvergleichung nichts schwieriger ist, als sich über dogmatische Verschiedenheiten zu verständigen, so sind seine Arbeiten zum Verbrechensbegriff oder zu den Unterlassungsdelikten doch überzeugende Ansätze, strafrechtliche Grundbegriffe in einem größeren Zusammenhang europäischer Rechtstradition neu zu entfalten. Die Arbeiten zur Rechtspolitik zeigen uns Jescheck mit seinen Fähigkeiten, die großen Entwicklungslinien der internationalen Strafrechtsreformbewegung auf dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungen zu erfassen und die Faktoren aufzuzeigen, die die Strömungen in der Kriminalpolitik bestimmen. Das Panorama europäischer und außereuropäischer Strafrechtsentwicklungen seit dem Zweiten Weltkrieg wird im Vergleich kritisch durchmustert, gleichzeitig aber auch der deutsche Standpunkt für die ausländische wissenschaftliche Diskussion unter anderem auch durch unzählige Vorträge im Ausland erschlossen. Diesem wissenschaftlichen Programm diente auch die von ihm stark ausgebaute "Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft" , deren Schriftleitung seit dem Jahre 1969 in seiner Hand liegt, nachdem er den Auslandsteil schon seit 1954 betreute. Die kriminalpolitische Entwicklung nach Abschluß der Arbeiten der Großen Strafrechtskommission hat J escheck in wichtigen Punkten mitgetragen, in Teilen nur mit Vorbehalten zur Kenntnis genommen. So ist etwa bei der Reform der Sittlichkeitsdelikte und der Neuordnung der Straftaten gegen die öffentliche Ordnung deutlich die Zurückhaltung gegenüber einigen Reformvorschlägen formuliert. In der Diskussion zwischen den durch den Entwurf 1962 und den im Alternativ-Entwurf beschriebenen kriminal politischen Konzeptionen konnte Jescheck auf der Strafrechtslehrertagung in Münster 1967 mit einer vermittelnden Stellungnahme den Weg für die spätere gesetzliche Regelung vorbereiten. Die eigene Auffassung ist, beginnend mit der Arbeit über das Menschenbild und die Strafrechtsreform, in zahlreichen Vorträgen und Veröffentlichungen entwickelt. Individuelle Schuld und persönliche Verantwortung werden als die Grundlage eines die Freiheitsgarantie verbürgenden Strafrechts angesehen. Um ihre friedenssichernde Funktion erfüllen zu können, muß die Strafe den Gerechtigkeitserwartungen der Gesellschaft entsprechen. Sie kann sich auch nicht nach unten vom gerechten Schuldausgleich lösen, sie darf aber nicht nur als Imperativ der austeilenden Gerechtigkeit ohne Rücksicht auf die humanitäre Verantwortlichkeit für den Straffälligen eingesetzt werden.

Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag

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Mit diesen wenigen Bemerkungen ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem breiten Forschungsspektrum des Jubilars angedeutet. Dankenswerterweise gibt die zu seinem 65. Geburtstag erschienene Auswahl seiner Schriften einen Einblick in die Schwerpunkte seiner Forschungsinteressen. Gleichzeitig dokumentiert sie überzeugend die Gründe, die seinem wissenschaftlichen Werk eine weit über die Grenzen reichende Ausstrahlungskraft verliehen haben. Der Stoff wird vollständig, mit großer Zuverlässigkeit und in einer verständlichen Form aufbereitet. Die Entscheidung ist in klarer Gedankenführung entwickelt, die von einer Mißverständnisse ausschließenden Sprache getragen wird. Schwierige Probleme werden auf einfache Grundpositionen reduziert und erst von hier aus in den Einzelfragen unter ausgiebiger Auswertung der bestehenden Rechtsprechung entfaltet. Zwei Leitlinien der wissenschaftlichen Argumentation lassen sich verfolgen. Zum einen die Ablehnung einer nur der systematischen Folgerichtigkeit verpflichteten Problemlösung: "Entscheidend hat immer die Sachfrage zu bleiben, während Erfordernisse der Systematik als nachrangig zurücktreten müssen" (Lehrbuch, S.156). Damit geht Hand in Hand eine Kontrolle der Ergebnisse an den Erfordernissen der praktischen Strafrechtspflege. Ebenso wie bei seinem Lehrer Eduard Kern bleibt immer gegenwärtig, daß die praktische Bewährung ein wichtiger Prüfstein für die Richtigkeit des Ergebnisses ist und letztlich nur ein durch Gerichte umsetzbares Recht das Forschungsinteresse zu befriedigen vermag. Es soll daran erinnert werden, was Jescheck in diesem Zusammenhang über die Entwicklung der Verbrechenslehre sagte (Lehrbuch, S.I72): "Es besteht weniger die Gefahr, daß sie von außen durch neue Systemgedanken aus den Angeln gehoben werden könnte, als daß sie sich durch mangelnden Kontakt mit der Praxis selbst aufhebt." Um selbst die Verbindung zur Strafrechtspraxis nicht zu verlieren, nahm er schon bald nach seiner Berufung nach Freiburg als Mitglied eines Strafsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe die richterliche Tätigkeit im Nebenberuf wieder auf; er war bei seinem Ausscheiden im Jahre 1978 der dienstälteste Oberlandesgerichtsrat der Bundesrepublik. Die Darstellung in seinen Werken verzichtet auf verletzende Kritik und Polemik, will nur durch die Geschlossenheit und Folgerichtigkeit der Argumentation überzeugen. Zwar wird der eigene Standpunkt mit Entschiedenheit behauptet, doch fehlt nie die Bereitschaft, sich überzeugen zu lassen und sich die Vorläufigkeit eigener Forschungsergebnisse zu vergegenwärtigen. Schwerlich kann diese Einstellung besser ausgedrückt werden als durch eine eigene Bemerkung Jeschecks, wonach keine Lehre vom Verbrechen mehr sein kann als ein vergänglicher Entwurf, der später widerlegt werden wird.

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Rudolf Leibinger

Diese Prinzipien wissenschaftlicher Arbeit sind geronnen im Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil - 1969 in erster, 1978 in dritter Auflage erschienen. Hier hat Jescheck die dogmatische Auseinandersetzung über die allgemeine Verbrechenslehre in wesentlichen Punkten beeinflußt. In Weiterführung des von Gallas durch die Kritik an der finalen Handlungslehre Welzels formulierten Verbrechensbegriffs trug er mit dazu bei, ein Lehrsystem zu entwickeln, das in der grundsätzlichen Konzeption wie in den einzelnen Ausprägungen breite Zustimmung gefunden hat. Die Bearbeitung der Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. in der 10. Auflage des Leipziger Kommentars präsentiert die Grundlagen nochmals in äußerster Konzentration. Eine ganz besondere Würdigung muß schließlich die Tätigkeit J eschecks in den der Rechtsvergleichung verpflichteten wissenschaftlichen Organisationen erfahren, denn gerade hier hat er wie kaum ein anderer die bereits von Adolj Schänke und Edmund Mezger geknüpften Kontakte über die Grenzen hinweg erweitert und eine rechtsvergleichende Tradition im besten Sinne fortgesetzt. Über viele Jahre hat er in der Gesellschaft für Rechtsvergleichung, von 1973 bis 1983 nach Hans Dälle und Ernst von Caemmerer als deren Präsident, die rechtsvergleichenden Anliegen gefördert. Vor allem in der Arbeit der Association Internationale de Droit Penal (AIDP) sah er eine Möglichkeit, den Gedankenaustausch mit in gleicher geistiger Tradition stehenden Wissenschaftlern der ganzen WeIt zu pflegen. Mehrere Vorkolloquien, in denen jeweils das international-strafrechtliche Thema des folgenden Kongresses vorbereitet wurde, fanden unter seinem Vorsitz in Freiburg statt. Die große Zahl ausländischer Mitarbeiter an dieser Festschrift zeigt die Breite, in der es Jescheck gelungen ist, das wissenschaftliche Gespräch mit anderen Rechtsordnungen in Gang zu bringen und auch den Gedankenaustausch mit den Staaten Osteuropas zu pflegen. Die Vergabe des XII. Internationalen Strafrechtskongresses im Jahre 1979 nach Hamburg, die dort erfolgte Wahl Jeschecks zum Präsidenten der AIDP und seine Wiederwahl 1984 in Kairo bringen besser als alles zum Ausdruck, in welchem Maße Person und Werk internationales Ansehen erlangt haben. Die Wahl zum Mitglied der Internationalen Juristenkommission als Nachfolger von Häpker-Aschojj und die spätere Berufung zum Ehrenmitglied runden dieses Bild ebenso überzeugend ab wie die Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Universitäten Stockholm, Tokio (Waseda), Seoul (Sun-Kyun-Kwan), Coimbra und Lima (San Martin de Porres) und die Wahl zum Mitglied der Königlichen Akademien der Wissenschaften der Niederlande und Norwegens sowie der Internationalen Akademie für Rechtsvergleichung. Ungeachtet vielfältiger Verpflichtungen hat Jescheck seine Aufgabe als Lehrstuhlinhaber und Prüfer immer mit peinlicher Gewissenhaftig-

Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag

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keit erfüllt. Seine besondere Aufmerksamkeit galt von jeher der Unterrichtung der Studenten. Durch die Schaffung neuer Lehrveranstaltungen, wie der "Einführung in die strafrechtliche Praxis", bemühte er sich, Interesse und Freude am Universitätsstudium zu wecken. Auch die "Fälle zum Strafrecht" sind aus Kollegbeilagen entstanden. Im Herbstsemester 1969 hielt er als Gastprofessor Vorlesungen an der New York University School of Law, im Sommersemester 1977 an der Universite 11 de Droit et des Sciences Economiques et Politiques in Paris. Ohne selbst eine Schule zu bilden, hat Jescheck zahlreiche Schüler, die heute im In- und Ausland lehren, wissenschaftlich geprägt. Den Anforderungen akademischer Selbstverwaltung wurde er auch dadurch gerecht, daß er im Studienjahr 1963/64 als Dekan der Rechtsund Staatswissenschaftlichen Fakultät vorstand und im Studienjahr 1965/66 als Rektor die Gesamtverantwortung für die Albert-LudwigsUniversität trug. In der Max-Planck-Gesellschaft hat er als Vorsitzender der Geisteswissenschaftlichen Sektion, in der Europäischen Wissenschaftsstiftung als Mitglied des Exekutivausschusses in zentralen Bereichen der Wissenschaftsorganisation mitgearbeitet. Angesichts dieser riesigen Arbeitslast muß es schon verwundern, daß man J escheck nie nervös oder gehetzt sehen konnte. Eine übervolle Sprechstunde wurde ohne Hast und mit Gleichmaß auch über die Mittagszeit hinaus weitergeführt; jeder Besucher konnte mit einem aufmerksamen Zuhörer rechnen. Viele haben Betreuung, Förderung und Anteilnahme, auch im persönlichen Bereich, erfahren. Sein Sinn für Gerechtigkeit im täglichen Leben und seine noble Menschlichkeit als Vorgesetzter schufen eine Atmosphäre des Vertrauens, die die Grundlage für eine gedeihliche Zusammenarbeit ist. Bei der Organisation und Abwicklung der großen wissenschaftlichen Veranstaltungen, Kuratoriumssitzungen und Kongresse konnte man immer die Ruhe und die Besonnenheit dessen spüren, der sicher ist, das ihm Mögliche getan zu haben. Unermüdlicher Fleiß, Organisation des Arbeitsablaufes und Konzentration auf das Vordringliche allein können diese Arbeitsleistung nicht erklären. Sie gründet in äußerster Pflichterfüllung durch einen Mann, dem es wichtig geworden ist, ein Stück dazu beizutragen, daß es auf dieser Welt etwas gerechter und menschlicher zugehe. Zu gedenken ist hier aber auch der Ehefrau Liselotte Jescheck, die ihrem Mann in einer glücklichen Familie nicht nur als Gesprächspartnerin zur Seite stand, sondern ihm durch die Übernahme vielfältiger Verpflichtungen die Konzentration auf seine Arbeit ermöglichte. Die sprichwörtliche Gastfreundschaft des Hauses J escheck hat entscheidend dazu beigetragen, daß unzählige ausländische Wissenschaftler bei ihrem Studienaufenthalt in Freiburg Geborgenheit verspürten. Dieser Stil wurde auch für die übrigen Insti-

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Rudolf Leibinger

tutsangehörigen beispielgebend und ermutigte sie, im Hause eine Atmosphäre praktizierter Völkerverständigung zu schaffen. Beim Ausscheiden aus dem Direktorium des Freiburger Instituts 1983 sagte Jescheck: "Ich habe noch viel vor, und in diesem Sinne möchte ich mich eigentlich gar nicht von Ihnen verabschieden." Und so soll auch diese Festschrift nicht nur Dank und Achtung für das große Lebenswerk eines Gelehrten zum Ausdruck bringen, sondern Unterpfand sein für eine noch viele Jahre währende fruchtbare wissenschaftliche Arbeit.

EDUARD DREHER

Hans-Heinrich Jescheck in der Großen Strafrechtskommission I.

So wie er schon, damals mein Kollege, der jüngste Ministerialrat im Bundesjustizministerium war, so war er auch in der Großen Strafrechtskommission nicht nur der Jüngste unter den Strafrechtslehrern, sondern auch der Jüngste unter den ständigen Mitgliedern der Kommission überhaupt. Damals war der Jubilar, dem nun zu seinem 70. Geburtstag diese Festschrift dargebracht wird, ein noch verhältnismäßig junger Mann von 39 Jahren. Seine Berufung in die Kommission verdankte er nicht zuletzt dem Staatssekretär des Bundesjustizministeriums, Walter Strauß, der seinen Ministerialrat, von ihm schon einmal in einer wichtigen Mission nach Paris entsandt, sehr hoch schätzte und ihn nur ungern auf den Lehrstuhl nach Freiburg hatte ziehen lassen. Es mag für Strauß auch ein wichtiger Gesichtspunkt gewesen sein, der Gruppe der längst arrivierten Professoren einen Vertreter der jüngeren Generation einzufügen. Die Strafrechtslehrer auszuwählen, die in die Kommission berufen werden sollten, war eine schwierige Aufgabe, schwierig vor allem deshalb, weil die Gesamtzahl der Mitglieder zwanzig möglichst nicht überschreiten sollte, um noch eine konzentrierte Diskussion zu ermöglichen. Manche Strafrechtslehrer zeigten wenig Neigung, der Kommission anzugehören, wie z. B. Hellmuth v. Weber, der die Zeit für eine große Reform noch nicht für gekommen hielt. Zu beachten war auch, daß die innerhalb der Strafrechtslehre vorhandenen dogmatischen Richtungen, die damals vor allem von Mezger verteidigte überkommene Lehre einerseits und die gerade heftig umstrittene finalistische Theorie Welzels andererseits, ausgewogen vertreten sein sollten. Doch konnte sich das Resultat sehen lassen: Mit Bockelmann, Gallas, Lange, Mezger, Eberhard Schmidt und Welzel, zu denen seit November 1954 noch Sieverts hinzukam, war wohl trotz einiger Lücken der überwiegende Teil der damaligen Strafrechtslehrerelite versammelt, wobei auch darauf geachtet worden war, daß mit Eberhard Schmidt und Sieverts Persönlichkeiten berufen wurden, die nicht nur spezialpräventiven Vorstellungen aufgeschlossen waren, sondern auch im Zusammenhang damit ausgesprochenes Interesse und Erfahrung

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Eduard Dreher

hinsichtlich des Strafvollzugs mitbrachten. In dieses illustre Gremium trat nun auch Hans-Heinrich Jescheck, in einem Altersabstand von fast zehn Jahren zu dem vor ihm Jüngsten der Professorengruppe. Er sollte junges Blut und frischen Wind in die Kommission bringen, der er von Anfang bis Ende, also von April 1954 bis Juni 1959, angehörte. Der Professorengruppe, die während der Sitzungen stets geschlossen beieinander saß, und zwar vom Vorsitzenden, dem Bundesjustizminister Neumayer aus gesehen, links - unterbrochen nur durch die auch theoretisch hervorragend versierte Bundesrichterin Else KofJka - waren gegenüber auf der rechten Seite die Vertreter der Länder, des Richterbundes, der Rechtsanwaltschaft, des Bundesgerichtshofs und der Bundesanwaltschaft versammelt, dazu noch einige Einzelmitglieder aus der Praxis. Ich kann sie hier nicht alle nennen, zum al sie im Laufe der Beratungen verschiedentlich wechselten und vielfach auch verschiedene Bundestagsabgeordnete an den Sitzungen teilnahmen, möchte aber doch einige wenige hervorheben, die von Anfang an dabei waren, so den überzeugungsstarken und diskussionsfreudigen Baldus, Rit:1ter und später Senatspräsident am Bundesgerichtshof, den Senatspräsidenten Schäfer aus Frankfurt, einen der vielseitigsten Juristen und wohl fruchtbarsten Kommentator unserer Zeit, den damaligen Ministerialdirigenten und späteren Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Justizministerium Krille, einen eloquenten Kritiker von Rang und späteren Vorsitzenden der Länderkommission für die Strafrechtsreform, den praktisch erfahrenen und ausgewogenen Ministerialdirigenten Rösch vom Bayerischen Justizministerium, der später Präsident des Bayerischen Obersten Landesgerichts wurde, den sorgfältig abwägenden und mit einem immensen praktischen Erfahrungsschatz ausgerüsteten Landgerichtspräsidenten Voll als Vertreter des Richterbundes und als Vertreter des Strafrechtsausschusses der Rechtsanwaltskammern dessen Vorsitzenden, den unvergessenen Professor Dahs, einen Redner von kristallklarer Logik und blendender Diktion. In diesem Kreis hervorragender Theoretiker und Praktiker hatte sich J escheck nun zu bewähren. Einem Geist wie ihm, der neuen Ideen aufgeschlossen, aber durchaus nicht geneigt war, das bewährte Alte kurzer Hand über Bord gehen zu lassen, war das eine reizvolle Aufgabe. Zu schildern, wie ihm deren Lösung meisterhaft gelang, hat sich dieser Beitrag zum Ziel gesetzt.

11. Schon in der 2. Sitzung der Kommission Ende Juni 1954, als in der vorgezogenen Diskussion um die Grundlagen der Reform die erste Grundsatzfrage der Strafzwecke und der auf ihnen basierenden Strafzumessung diskutiert wurde, wies J escheck zunächst darauf hin, daß

Hans-Heinrich Jescheck in der Großen Strafrechtskommission

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in den romanischen Ländern eine neue Schule am Werke sei, die Strafe durch Zweckrnaßnahmen ersetzen wolle, bekannte sich zwar selbst zur Schuldstrafe, regte aber an, einen Grundsatz mit folgendem Wortlaut an die erste Stelle zu setzen: "Die Strafe ist das unentbehrliche Mittel des Staates, die soziale Ordnung durch Bewährung des Rechts zu gewährleisten!." Jeder Kenner sieht, daß damit ein Kernbegriff ins Spiel gebracht wurde, der als "Verteidigung der Rechtsordnung" in dem reformierten Allgemeinen Teil des StGB, vor allem in den §§ 47 Abs. 1 und 56 Abs.3, heute eine beträchtliche Rolle spielt. Noch ein zweiter Punkt in Jeschecks Stellungnahme erwies sich später als von großer, fruchtbarer Bedeutung. Anders als der Referent Mezger, der vorgeschlagen hatte, auf der "Grundlage" der Schuld des Täters die weiteren Strafzwecke zum Zuge kommen zu lassen2 , schlug Jescheck demgegenüber zu formulieren vor: "Die Strafe soll der Schuld des Täters entsprechen. In diesem Rahmen hat das Gericht bei der Bemessung der Strafe zu erwägen, welche Mittel nötig sind, um den Verurteilten zu einem gesetzmäßigen und geordneten Leben zu führen." Zur Begründung erklärte er: "Die Schuldstrafe ist keine absolute Größe, sondern ein Rahmen 3 ." Hier wird, wenn auch nicht zum ersten Male, klar postuliert, was der Bundesgerichtshof später mit der berühmt gewordenen und heftig umstrittenen "Spielraumtheorie" zur Grundlage seiner Strafzumessungslehre gemacht hat. In diesem Sinne hat die Kommission auch zunächst einstimmig votiert'. Bemerkenswert an Jeschecks Vorschlag war weiter, daß er als Strafzweck nur die Spezialprävention, nicht aber auch die Generalprävention nannte. Stattdessen schwebten ihm gegenüber der Gruppe der gefährlichen und der angehenden Gewohnheitsverbrecher Zweckrnaßnahmen im Sinne von Liszts vor. Das alles aus nachträglicher Sicht eine damals ausgesprochen moderne Position. Dasselbe gilt für Jeschecks Stellungnahme, als es in der 3. Sitzung um das Problem des ein- oder zweispurigen Reaktionssystems ging. Hier setzte sich J escheck im Anschluß an das Referat Eberhard Schmidts, der sich mit Verve für ein einspuriges System gegenüber gefährlichen Gewohnheitsverbrechern ausgesprochen hatte S , aber im Gegensatz zur Mehrheit der Kommission6 , hinsichtlich der vorher von ihm genannten ! 1. 44; hier wie im folgenden bezeichnen die römischen Ziffern die Protokollbände der Kommission in ihrer Vollbesetzung, die arabischen Ziffern die entsprechenden Seitenzahlen. 2 1. 33. 3 1. 44. , I. 111 mit 342; später ist man allerdings wieder, wie jetzt auch § 46 Abs. 1 S.1 StGB, zum Begriff "Grundlage" zurückgekehrt; XII. 472; vgl. auch Jescheck selbst, XII. 53. 5 I. 354. 8 I. 357, 111.

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Tätergruppen für das monistische System einer relativ unbestimmten Freiheitsstrafe ein, da das zweispurige System an der Unmöglichkeit einer ausreichenden Differenzierung im Vollzug scheitere7 • Besondere Aufmerksamkeit verdient das Referat, das der Jubilar zu der Frage hielt, ob die Unterscheidung von Zuchthaus, Gefängnis, Einschließung und Haft beibehalten werden sollte. Er sprach sich dort mit großer Entschiedenheit, aber unter sehr sorgfältiger Abwägung des Pro und Contra für die einheitliche Freiheitsstrafe unter Verschmelzung der bisherigen Zuchthaus- und Gefängnisstrafe aus, während Einschließung und Haft abgeschafft werden sollten. Gegen die nicht diskriminierende Ehrenstrafe der Einschließung wandte sich Jescheck mit der Begründung, daß es keinen einheitlichen Typus des überzeugungstäters gebe und es angebracht sei, die normalerweise vorgesehenen Strafen auch gegen politische Täter anzuwenden. Die sozialethische Mißbilligung müsse alle Gesetzesbrecher gleichmäßig treffenS. Jeschecks Argumentation zugunsten der Einheitsstrafe lautete in seinen schriftlichen Thesen wie folgt: "Die Abschaffung der Zuchthausstrafe soll eine persönlichkeitskonforme Vollzugsgestaltung ermöglichen und die Resozialisierung Vorbestrafter erleichtern. 1. Die Unterscheidung von Zuchthaus und Gefängnis bedeutet eine Vor-Klassifizierung der zu Freiheitsstrafe Verurteilten nach der Schwere der Tat und hemmt damit eine Vollzugsklassifizierung aller Gefangenen nach Persönlichkeitsmerkmalen.

2. Die general- und spezialpräventive Wirkung der Zuchthausstrafe beruht auf ihren Ehrenfolgen und auf der Verachtung und dem Mißtrauen, das dem ,Zuchthäusler' in der Öffentlichkeit entgegengebracht wird. Diese Folgen der Zuchthausstrafe erschweren die Resozialisierung und fördern den Rückfall. 3. Die Unterscheidung von Zuchthaus und Gefängnis im Vollzug ist zwar möglich, doch sind die Unterscheidungsmerkmale nicht zu billigen, wenn der Vollzug die Resozialisierung des Gefangenen fördern oder mindestens nicht erschweren so1l9." Das war im wesentlichen dieselbe Begründung, mit der 12 Jahre später der sogenannte Alternativ-Entwurf 1966 für die einheitliche Freiheitsstrafe eintrat. In seinem mündlichen Referat vor der Kommission lieferte Jescheck übrigens eine Probe des für ihn charakteristischen 7 S

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1. 6l. I. 94. 1. 358.

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bildhaften Humors. Er erklärte nämlich, da im Vollzug von Zuchthaus und Gefängnis Unterschiede kaum mehr beständen und sinnvoll auch nicht gemacht werden könnten, handle es sich bei der in der Volksmeinung so erschreckend erscheinenden Zuchthausstrafe nur "um eine Art Vogelscheuche, von der man glaubt, es sei etwas dahinter; es ist aber nichts dahinter, die Vögel denken es nur10 ." Doch die Kommission ließ sich in ihrer Mehrheit nicht überzeugen. In der Abstimmung wurde die Verschmelzung von Zuchthaus und Gefängnis mit 10 zu 6 Stimmen abgelehntl l , Zuchthaus sollte allerdings nur für schwerste Delikte vorgesehen werden. Fünfzehn Jahre später wurde die Einheitsstrafe mit dem 1. StrRG vom 25. 6. 1969 zum heute geltenden Recht. Die Zeit hatte sich auf J eschecks Seite gestellt. Sehr interessant ist weiter die Auffassung, die er vertrat, als die seit langem und noch heute umkämpfte Frage nach der Daseinsberechtigung der kurzen Freiheitsstrafe erörtert wurde. Welzel hatte sich damals in seinem Referat trotz der bekannten grundsätzlichen Bedenken für eine kurze "Denkzettel"-Strafe eingesetzt, die der Rechtsbewährung dienen, 6 Monate nicht überschreiten und bis zur Höchstgrenze VOn 3 Monaten in Einzelhaft vollzogen werden sollte. Die langfristige Freiheitsstrafe wollte Welzel erst mit 9 Monaten beginnen lassen. Bemerkenswert ist nun, daß sich auch J escheck, der das Mindestmaß der eigentlichen Freiheitsstrafe bei 3 Monaten ansetzte, dem Gedanken einer kurzen Einsperrung, der bestimmten Typen VOn Tätern zeigen sollte, "daß der Staat auf eine Rechtsverletzung in sehr unangenehmer Weise reagiert", aufgeschlossen zeigte, und zwar in Erinnerung daran, daß die militärische Arreststrafe, wenn auch unter anderen Verhältnissen, als Disziplinarstrafe eine große Bedeutung gehabt habe. Als Höchstmaß stellte sich Jescheck nur 14 Tage, allenfalls 6 Wochen vor. Der Vollzug sollte an Wochenenden oder während des Urlaubs durchgeführt werden. Registermäßig sollte von vornherein beschränkte Auskunft vorgesehen werdenl2 • In der späteren Diskussion wollte Jescheck die Denkzettelstrafe bei 4 Wochen enden und die Gefängnisstrafe bei 3 Monaten beginnen lassen13 • Interessant ist, daß er also wie schon der Referent Welzel eine Lücke zwischen dem Höchstmaß der kurzen Denkzettelstrafe und dem Mindestmaß der ordentlichen Freiheitsstrafe in Kauf nehmen wollte14 • Um diese sogenannte "Lückenlösung" ist in der Kommission, die grundsätzlich eine kurze Freiheitsstrafe nicht entbehren zu können glaubte, lange und mit großem Einsatz gerungen worden. In der 10

1. 82.

u 1. 112 mit 359. 12

13 14

1. 107. I. 154.

So schon 1. 107, 144.

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2. Lesung ist J escheck dabei von dem Grundsatz ausgegangen, es solle "ein System der Freiheitsstrafen gefunden werden, das sich vollzugsmäßig durchführen" lasse. Er schlug dann vor, die kurzfristige Strafhaft auf 3 Monate zu begrenzen und die Gefängnisstrafe mit 6 Monaten beginnen zu lassen15 • Man weiß, wie die Dinge später gelaufen sind. Der Alternativ-Entwurf wandte sich mit besonderer Schärfe gegen jede kurze Freiheitsstrafe und setzte deren Mindestmaß konsequent mit 6 Monaten an (§ 36 Abs. 1 S. 1). Der Gesetzgeber kam dann zu der bekannten Kompromißlösung. Er setzte die Mindestdauer der Freiheitsstrafe auf einen Monat fest, schuf aber in § 47 StGB eine besondere Regelung, wonach eine Freiheitsstrafe unter 6 Monaten nur in besonderen Ausnahmefällen als ultima ratio verhängt werden darf. Auch im Ausland wird auf die kurze Freiheitsstrafe im allgemeinen nicht verzichtet und in verschiedenen Ländern sind Bestrebungen im Gange, ihr durch einen sinnvolleren Vollzug eine bessere Grundlage zu geben. Das letzte Wort in dieser Frage scheint also noch immer nicht gesprochen. Im übrigen ist es, gerade im Hinblick auf Jeschecks erste Stellungnahme, bemerkenswert, daß das Wehrstrafrecht die kurze Freiheitsstrafe in Form des Strafarrests auch heute noch kennt, dessen Höchstmaß 6 Monate und dessen Mindestmaß 2 Wochen beträgt (§ 9 Abs.1 WStG), außerdem aber im Disziplinarrecht den Disziplinararrest, der von 3 Tagen bis zu 3 Wochen reicht (§ 22 WDO). Im weiteren Verlauf der Grundsatzdebatte sprach sich Jescheck für das materiellrechtliche Institut des Absehens von Strafe aus 1G , befürwortete hinsichtlich der Geldstrafe unter Hinweis auf die damals günstigen Erfahrungen in den nordischen Staaten die später Tagessatzsystem genannte Lösung, allerdings nicht für den Bereich der Ordnungswidrigkeiten17 , und wandte sich entschieden gegen Ehrenstrafen in Verbindung mit Gefängnis, während er sie neben Zuchthaus unter Vorbehalt seiner grundsätzlichen Ablehnung dieser Strafart widerwillig akzeptierte l8 . Hinsichtlich der Behandlung besonderer Tätergruppen wandte er sich gegen eine Jugendverwahrung, trat aber für eine besondere Behandlung von Neigungstätern ein, denen gegenüber er eine Mindestfreiheitsstrafe von 6 Monaten und unbestimmte Verurteilung befürwortete. Psychopathische Täter wollte er nicht mehr in Heil- und Pflegeanstalten untergebracht wissen. Dem Gedanken, die Behandlung der Asozialen wie Bettler, Dirnen und Landstreicher aus dem Bereich des Strafrechts herauszunehmen, trat er entgegen19 • 15

IS 17

18 18

XII. 307!f. I. 133 f. I. 166, 181. I. 235. I. 264.

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In der 12. Sitzung der Kommission hielt Jescheck sein zweites Referat, und zwar zu dem in der modernen Industriegesellschaft höchst aktuellen Thema, ob Sonderrnaßnahmen gegen juristische Personen vorgesehen werden sollten 20 • Er ging dabei von der außerordentlichen sozialen Bedeutung der Personenverbände in unserer Zeit aus, prüfte die damals vorhandenen Möglichkeiten des Vorgehens gegen juristische Personen im Verwaltungsrecht und im Bereich der Ordnungswidrigkeiten und kam zu dem Ergebnis, daß weitere Sanktionen zweckmäßig seien. Er sah sich in übereinstimmung mit der Kommission, wenn er nicht nur echte Kriminalstrafen im Rahmen eines Schuldstrafrechts für ausgeschlossen hielt, sondern auch unmittelbare Geldbußen, da auch das Ordnungswidrigkeitenrecht mit Schuldgesichtspunkten durchsetzt sei. In den USA habe man sich allerdings, so erklärte J escheck im Rahmen einer rechtsvergleichenden Betrachtung, kurzerhand über solche Gesichtspunkte hinweggesetzt. Der Supreme Court habe dort in einer berühmten Entscheidung pragmatisch erklärt, wenn man Körperschaften aufgrund der überholten Theorie, daß sie keine Straftat begehen könnten, von jeder Strafe freistellen wollte, "so würde man tatsächlich die einzige Möglichkeit aus der Hand geben, um diesen Bereich wirksam unter Kontrolle zu halten und gegen Mißbräuche vorzugehen2!." Demgegenüber empfahl der Referent über Einziehung und Mehrerlösabführung hinaus Maßregeln gegen juristische Personen, Personengesellschaften und Vereine des bürgerlichen Rechts unter der Voraussetzung, daß Bevollmächtigte solcher Vereinigungen Zuwiderhandlungen begingen, die durch eine vorsätzliche oder fahrlässige Aufsichtspflichtverletzung der dafür zuständigen Organe ermöglicht wurden. Bei den Zuwiderhandlungen müsse es sich um Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten handeln, die im Rahmen der Verbandstätigkeit begangen werden. Als Maßregeln, die keinen repressiven Charakter tragen, sondern reine Sicherungsmaßregeln sein sollten22 , schlug Jescheck vor allem die Geldsanktion als wirksamste Reaktion vor, und zwar nicht nur im Sinne der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten, sondern auch und in erster Linie zu Sicherungszwecken, ferner das Verbot, bestimmte Tätigkeiten auszuüben und als schärfste Maßregel die Auflösung des Verbandes. Gerechtfertigt sah Jescheck solche Maßregeln mit einem Hinweis auf Welzel grundsätzlich darin, daß der Verband, dem das Gesetz die innere Freiheit seiner Organisation einräume, zur Rechenschaft gezogen und in seiner äußeren Betätigungsmöglichkeit beschnitten werden dürfe und solle, wenn dem Verband die innere Freiheit fehle, geeignete Persönlichkeiten in die Verantwortung zu stellen. Zur gesetzgeberischen Lö20 2!

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1. 295.

1.297. I. 321.

2 Festschrift für H.-H. Jescheck

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sung schlug Jescheck eine Vorschrift im Allgemeinen Teil des StGB für die Straftaten der Organe und Bevollmächtigten vor sowie für die Ordnungswidrigkeiten eine entsprechende Vorschrift im OWiG. Es ist hier nicht der Ort, im einzelnen zu schildern, wie die überaus sorgfältige und interessante Diskussion zu diesem Thema in der Kommission und in der späteren Gesetzesarbeit verlief. Es genügt, auf die geltenden §§ 14, 73 Abs.3, 75 StGB und die §§ 9, 29, 30, 88 OWiG hinzuweisen. Dem Kenner wird dann deutlich werden, inwieweit Gedankengut lesehecks Eingang in das geltende Recht gefunden hat. Schon dieser Überblick über seine damalige Stellungnahme zu den kriminalpolitischen Grundsatzfragen der Reform zeigt nicht nur, wie schon längst vor dem Alternativ-Entwurf und den beiden Strafrechtsreformgesetzen die später im Mittelpunkt stehende Problematik mit ihrem Pro und Contra durchgreifend diskutiert wurde, sondern auch, wie es gerade der Jubilar war, der sich als Wegbereiter späterer Entscheidungen des Gesetzgebers hervortat. Bevor ich zu weiteren Referaten lesehecks komme, möchte ich noch einige seiner Diskussionsäußerungen zu Problemen des Allgemeinen Teils wiedergeben. Im dogmatischen Bereich ist zunächst bemerkenswert, daß J escheck der vom Bundesjustizministerium vorgeschlagenen Vorschrift zustimmte, wonach als Anstifter auch bestraft werden sollte, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen Tat bestimmt und dabei irrig angenommen habe, der Täter habe bei der Begehung vorsätzlich gehandelt. Er sagte dazu: "Es handelt sich darum, daß jemand, der lediglich glaubt, Anstifter zu sein, in Wirklichkeit einen Tätererfolg erzielt. Dies rechtfertigt es m. E., mit dem argumentum a maiore ad minus die ... Gleichstellung vorzunehmen 23 ." Die Vorschrift wurde in etwas abgeänderter Form als § 32 in den E 1962 aufgenommen, wurde aber als zu perfektionistisch nicht Gesetz. Dennoch hielt Jescheck bis zur 2. Auflage seines Lehrbuchs an dem in der Kommission eingenommenen Standpunkt fest. Doch in der 3. Auflage meinte er, darin eine "Verletzung des Analogieverbots" zu sehen, und schloß sich der inzwischen herrschend gewordenen Gegenmeinung in dieser umstrittenen Frage an2 \ die der Gesetzgeber wegen ihrer geringen praktischen Bedeutung ungeklärt gelassen hat25 • Ich sehe in Jeschecks Haltung keinen Mangel. Gerade der gute Jurist muß elastisch sein und gelegentlich auch den Mut zum Standpunktwechsel haben. 23

11.98.

2' Lehrbuch, 3. Aufl. 1978, S. 534 f.; vorher schon SchwZStr.91 (1975), S.32;

anders aber noch 2. Aufl. 1972, S. 499. 25 BT-Drucks. V!4095, S. 13.

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Bei der Erörterung des Notstandes setzte sich Jescheck dafür ein, auf eine gesetzliche Regelung des Irrtums über den rechtfertigenden Notstand zu verzichten und lediglich den Irrtum über den entschuldigenden Notstand ausdrücklich zu regeln und dabei klarzustellen, daß auch der Irrtum nur entschuldigen könne, wenn er unverschuldet seF6. Der Gesetzgeber ist später dieser Meinung gefolgt. Bei der Diskussion um die Problematik des Versuchs legte Jescheck Wert darauf, daß Versuch und Vorbereitung klar voneinander abzugrenzen seien und der Bereich des Versuchs nicht zu weit ausgedehnt werde. Den irrealen Versuch wollte er nur in den Fällen des abergläubischen von der Strafbarkeit ausnehmen. Für den Rücktritt eines Tatbeteiligten wollte er es genügen lassen, wenn dieser seinen eigenen Tatbeitrag rückgängig mache 27 • Ein weiteres und zwar ausgesprochen eigenwilliges Referat hielt Jescheck zum Thema der Erfolgsdelikte 28 • Er unterschied dabei zwischen den beiden Gruppen der erfolgsqualifizierten und der erfolgsbegründeten Delikte. Entgegen seiner Mitreferentin, der Bundesrichterin Else KofJka, plädierte er unter Hinweis u. a. auf Radbruch für Abschaffung der ersten Gruppe, die ein Fremdkörper in unserem Recht sei. Bei Anwendung der für die Idealkonkurrenz geltenden Regeln würden sich dann die Höchststrafen für die bisherigen erfolgsqualifizierten Delikte nur in einer praktisch durchaus akzeptablen Weise ändern. Der Folge, daß die Mindeststrafen beträchtlich sinken würden, könne man durch Einführung von besonders schweren Fällen bei den Grunddelikten begegnen, wobei man den Eintritt des verschuldeten besonderen Erfolges als Beispielsfall anführen könne. Jescheck räumte ein, daß Volksüberzeugung und Tradition, jedenfalls in den Fällen von schwerer Körperverletzung mit Todesfolge, für die Beibehaltung dieser erfolgsqualifizierten Delikte sprechen könnten. Doch sei das ein Restbestand der alten einfachen Erfolgshaftung und lasse sich auch gesetzgeberisch befriedigend ausgleichen. Auch den Einwand, "daß der Maßstab der individuellen Voraussehbarkeit des Erfolges bei objektiv gefährlichem Verhalten des Täters viel zu milde sei und den Rechtsschutz nicht genügend gewährleiste", hielt Jescheck nicht für durchschlagend, da der Unterschied zwischen Adäquanz- und Fahrlässigkeitsbetrachtung praktisch nicht sehr bedeutsam sei. Allerdings gebe es in ausländischen Rechtsordnungen zahlreiche erfolgsqualifizierte Delikte, die aber wie auch bei uns sämtlich auf die überholte kanonische Versari-Lehre zurückgingen. Für den Fall, daß man sich doch dafür entscheiden sollte, erfolgs qualifizierte Delikte beizubehalten, so solle man nicht die Fahrlässigkeitskonstruk!O 27 28

11.160.

11.194. II. 246.

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tion des geltenden Rechts wählen. Vielmehr stelle "die Adäquanzbetrachtung die kriminalpolitisch richtige und konsequente Lösung" dar. Jescheck untermauerte diese These mit rechtsgeschichtlichen und kriminalpolitischen Erwägungen und schlug vor, im Gesetz darauf abzustellen, ob "die Tat nach der allgemeinen Lebenserfahrung dazu geeignet war, die Folge herbeizuführen". In erster Linie blieb er aber bei seinem Vorschlag, die erfolgsqualifizierten Delikte überhaupt abzuschaffen, und wies auf die erheblichen dogmatischen Schwierigkeiten hin, die sie auf dem Gebiet der Teilnahme und des Versuchs machen und die Praxis damit überforderten. Für die Gruppe der erfolgsbegründeten Delikte machte Jescheck Vorschläge, die auf eine Anpassung an das Schuldstrafrecht hinausliefen, wies aber darauf hin, daß die einzelnen Tatbestände bei der Erörterung des Besonderen Teils überprüft werden müßten. Das gelte vor allem für den kriminalpolitisch unentbehrlichen damaligen § 330 a StGB, wo auch die Adäquanzbetrachtung zu einer Lösung führen könne.

Jeschecks interessanter Vorschlag, der in der Tat heikle Streitfragen vermieden hätte, die heute noch im Bereich des geltenden § 18 StGB nicht abschließend geklärt sind, führte zu einer intensiven Diskussion mit weiteren Lösungsvorschlägen 29 • In der Abstimmung sprachen sich 6 Kommissionsmitglieder für einen Wegfall der erfolgsqualifizierten Delikte aus, darunter auch die Professoren Lange, Mezger, Sieverts und Welzel. 10 Mitglieder stimmten für Beibehaltung, überwiegend Vertreter der Praxis. Bei der Frage, ob man dem von J escheck vorgeschlagenen Adäquanzprinzip folgen oder eine Regelung nach Art des damals geltenden, durch das 3. StÄG eingeführten § 56 StGB wählen sollte, traten nur die Professoren Lange und Welzel dem Vorschlag des Referenten bei 30 • Sein nächstes Referat hielt Jescheck zu dem im Grundsätzlichen wie im Technischen ebenso wichtigen wie kaum befriedigend lösbaren Thema der Konkurrenzen 31 • In seinen umfassend angelegten Ausführungen konzentrierte er sich vor allem auf die auch später im Mittelpunkt der Erörterungen stehende Kernfrage, ob man bei der Realkonkurrenz vom geltenden Prinzip der aus Einzelstrafen gebildeten Gesamtstrafe zum System der uno actu gebildeten Einheitsstrafe übergehen solle. Jescheck setzte sich für diese zweite Lösung ein, für die er sich auf die vorausgegangenen Entwürfe eines neuen deutschen StGB berufen konnte. Auch das Bundesjustizministerium war in seinen damaligen Vorschlägen diesem System gefolgt. Der Referent erklärte das 2g

30 31

II. 255. 11.356. II.283.

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bei der Gesamtstrafenlösung erforderliche "komplizierte Rechenexempel ... für unnötig und wirklichkeitsfremd, denn die Praxis hat sich mit gesundem Sinn für die richtige Lösung weitgehend daran gewöhnt, erst die angemessene Strafe festzusetzen und diese dann in Einzelstrafen aufzulösen, weil das Gesetz es befahl." Die Gleichbehandlung von Ideal- und Realkonkurrenz, für die Jescheck eintrat, werde vielen unfruchtbaren Revisionen den Boden entziehen. Die einheitliche Regelung der Strafzumessung in beiden Konkurrenzfällen entspräche "durchaus dem Prinzip der materiellen Schuldbetrachtung" . Es träte dann "auch bei der Realkonkurrenz von vornherein die Täterpersönlichkeit in das Rampenlicht, das ihr gerade hier gebührt". J escheck schlug für beide Konkurrenzformen eine Verdoppelung der angedrohten Höchststrafe unter Kumulation von Geldstrafe, Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßregeln vor. Er verkannte freilich Schwächen der Einheitsstrafenlösung nicht. "Der Täter und die Allgemeinheit erfahren nun nicht mehr, was die Taten - jede für sich genommen - wert sind." In dieser "Abschwächung des generalpräventiven Effekts" sah Jescheck aber keinen Nachteil, da es entscheidend um die Beurteilung der Täterpersönlichkeit gehe. Auch den prozessualen Nachteil, daß eine Einzelanfechtung stets den gesamten Strafausspruch mit ergreift, hielt er für minimal gegenüber dem durchschlagenden Vorteil, daß ein Rechtsirrtum des Vorderrichters in der Konkurrenzfrage die Revision nur noch dann begründen könne, wenn er die Strafzumessung beeinflußt habe. Interessant ist noch, daß Jescheck dazu neigte, das Institut der fortgesetzten Handlung preiszugeben, jedenfalls entschieden widerriet, es im Gesetz festzuschreiben. Nachdem sich Landgerichtspräsident Voll als zweiter Referent mit zahlreichen, auch eindrucksvollen Argumenten gegen das Einheitsstrafenmodell und für die traditionelle Gesamtstrafenlösung ausgesprochen32 , Lackner hingegen als Sprecher des Ministeriums diese Lösung kritisiert und die Einheitsstrafenlösung verteidigt hatte 33, wandte sich Dahs als Vorsitzender des Strafrechtsausschusses der Deutschen Rechtsanwaltskammern, wo man mit sehr knappem Abstimmungsergebnis die Problematik gründlich diskutiert hatte, mit beeindruckender Entschiedenheit gegen die Einheitsstrafenlösung34 • Es folgte eine Diskussion, die ich hier nicht im einzelnen wiedergeben kann. Sie zog sich durch die gesamte Reformgeschichte hin bis in die Erörterungen des Sonderausschusses des Bundestages für die Strafrechtsreform, wo die gesamte Problematik noch einmal aufgerollt wurde und die Entscheidung auf des Messers Schneide stand. Ich möchte hier nur noch erwäh32 33 34

11. 292. 11. 299. II.307.

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nen, daß sich J escheck in der Diskussion gegen ein gewichtiges Argument zur Wehr setzte, das in der Debatte aufgetaucht war. Es handelte sich darum, daß in Gesetzen außerhalb des Strafrechts an Verurteilungen zu Freiheitsstrafe in bestimmter Höhe wegen vorsätzlicher Taten bestimmte Rechtsfolgen geknüpft werden wie z. B. der Verlust des Amtes nach dem Beamtenrecht. Bei einer Einheitsstrafe wegen einer Mischung aus vorsätzlichen und fahrlässigen Taten wäre nicht erkennbar, welche Strafe für eine oder mehrere Vorsatztaten ausgesprochen worden ist. Jescheck meinte, man solle derartige Vorschriften, die wegen ihrer automatischen Wirkung verfehlt seien, beseitigen35 • Man bezweifelte die Realisierbarkeit dieses Vorschlags. In der Tat gibt es in einer ganzen Reihe von Gesetzen, z. B. in § 48 Nr.2 SoldatenG, Vorschriften der geschilderten Art. Aber schon im StGB selbst in seiner geltenden Fassung gibt es z. B. in § 48 Abs. 1 S. 1 und in § 66 Abs.l Nr.l Vorschriften, welche die Feststellung erforderlich machen, ob einer Strafverbüßung oder ob Vorverurteilungen in bestimmtem Maß vorsätzliche Taten zugrundeliegen. Das wäre beim System der Einheitsstrafe dann nicht möglich, wenn sich die Vorverurteilungen in gewissen Fällen sowohl auf vorsätzliche als auch auf fahrlässige Taten gründeten. Das war auch eine der Schwierigkeiten, die letztlich dazu führten, daß die Einheitsstrafe trotz ihrer grundsätzlichen Vorzüge von der Kommission mit Mehrheit abgelehnt wurde 36 und sowohl der E 1962 als auch das geltende Recht am Gesamtstrafenprinzip festgehalten haben. Der zweite Grund für dessen Beibehaltung war der, daß die prozessualen Schwierigkeiten, die bei der Anfechtung des Schuldspruchs nur hinsichtlich einzelner Taten auftreten, beträchtlich sind, da die Anfechtung den gesamten Strafausspruch mit ergreift, die Zulassung einer teilweisen Vorvollstreckung höchst problematisch erscheint und beim Erfolg einer Teilrevision der gesamte Strafausspruch neu überprüft werden muß, was ohne ein Eingehen auf das Schuldrnaß in den nicht angefochtenen Fällen kaum möglich ist. Ein in der Kommission gemachter Vermittlungsvorschlag, der die genannten Schwierigkeiten durch besondere Regelungen beseitigen wollte und vom Ministerium noch einmal durchformuliert worden war37, fand nach einer eingehenden Diskussion, an der sich auch J escheck mehrmals beteiligte, im Ergebnis keine Mehrheit38 • Eine gewisse Genugtuung mag der Jubilar darin finden, daß sich auch der Alternativ-Entwurf zum System der Einheitsstrafe bekannt hat, ohne allerdings in seiner sehr summarischen Begründung erkennen zu lassen, ob seine Verfasser die geschil35

38 37 38

11.319. H.358. UI. 31!. 111. 24, 133.

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derten Schwierigkeiten gesehen haben und auf welche Weise sie sie ausräumen wollten39 • Bei der Erörterung der Verjährung in der 25. Sitzung der Kommission gab Jescheck eine Erklärung ab, die festgehalten zu werden verdient. Sie lautete: "Die Gefahr, daß Gesetze geschaffen werden, die die Verjährungsfrist rückwirkend verlängern, halte ich nicht für sehr groß. Käme es einmal zu einem solchen Gesetz, so sollte man nicht zögern, ihm die Anwendung zu versagen, weil es auch prozessuale Rechtspositionen gibt, die nicht durch einen Federstrich des Gesetzgebers rückwirkend wieder beseitigt werden dürfen40 ." Das war am 24.6.1954. Nicht nur Juristen wissen, wie es später tatsächlich gekommen ist. Ein weiteres Referat hielt J escheck zu dem politisch gewichtigen wie juristisch komplizierten Thema "Räumliche Geltung, Ort der Tat", ein Thema, das den Fachmann des internationalen Strafrechts besonders reizen mußteu. Mit Recht hob er gleich eingangs hervor, daß die "Regelung des Strafrechtsanwendungsrechts kein bloß juristisch-technisches Problem" sei, sondern "vom Gesetzgeber grundsätzliche Entscheidungen sowohl über die Stellung des einzelnen zum Staat als auch über die Stellung des Staates in der Völkergemeinschaft" fordere. Sachlich gehe es, auch wenn ein enger Zusammenhang bestehe, nicht um die prozessuale Frage des Umfangs der eigenen Strafgerichtsbarkeit, sondern um materielles Rechtsanwendungsrecht. Auszugehen sei vom Grundsatz der Gleichheit der souveränen Staaten, der jedes politische Vorrecht verbiete, weiter vom Grundsatz der Arbeitsteilung. Aus den sich anbietenden Anknüpfungspunkten wie Staatsgebiet, Staatsangehörigkeit, Schutz des eigenen Staates und seiner Angehörigen sowie Schutz überstaatlicher Kulturgüter ergäben sich die bekannten Lösungsprinzipien, nämlich Territorialprinzip, aktives Personalprinzip, Schutzprinzip, passives Personalprinzip und Universalprinzip. Aus der Art, wie diese Prinzipien aufzustellen und zu kombinieren seien, erwüchsen die schwierigen juristischen und politischen Probleme. Entgegen dem seit 1940 geltenden aktiven Personalprinzip schlug J escheck in übereinstimmung mit dem Bundesjustizministerium die Rückkehr zum Territorialprinzip vor. Sehr eindrucksvoll deckte er den Zusammenhang der 1940 eingeführten Regelung mit den nationalsozialistischen Zielen auf, "mit dem trübsten Kapitel unserer Geschichte". Mit dem Täterstrafrecht sei das Personalprinzip nicht zu begründen. Hinter seiner scheinbaren Einfachheit seien schwierige Fragen verborgen. Das AE AT, 2. Auf!. 1969, S. 123 f. 11.348. 41 Die Frage des interlokalen Strafrechts, für die das Ministerium besondere Vorschläge ausgearbeitet hatte, wurde bei der Behandlung des Themas bewußt ausgeklammert. 3D

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Prinzip könne, auch wenn seine völkerrechtliche Zulässigkeit grundsätzlich anerkannt werden könnte, doch zu völkerrechtswidriger Einmischung in fremde Souveränität führen. Die nach dem damals geltenden § 3 Abs.2 StGB vorzunehmende negative Strafwürdigkeitsprüfung halte dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs.2 GG nicht stand. Auch im Ausland gelte zur Zeit mit wenigen Ausnahmen das Territorialprinzip. Freilich könnten die Aufgaben des internationalen Strafrechts nicht allein nach diesem Prinzip gelöst werden. Nach dem Schutzprinzip müsse die Anwendbarkeit des eigenen Strafrechts ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit des Täters und das Tatortrecht auf solche Auslandstaten ausgedehnt werden, die sich gegen eigene Rechtsgüter richten, wie z. B. Hoch- und Landesverrat. J escheck schlug für diese Fallgruppe einen eigenen Paragraphen mit entsprechendem Katalog vor42 , der einer Generalklausel vorzuziehen sei. In einem weiteren Paragraphen sollten dann wiederum enumerativ die Fälle des Universalprinzips zusammengefaßt werden wie z. B. Münz- und Drogendelikte. Die Vorschrift entspreche weitestgehend dem auf internationalen Verträgen beruhenden geltenden Recht, als neue Gruppe sollten aber schwere Zuwiderhandlungen gegen die vier Genfer Rotkreuzabkommen von 1949 eingefügt werden. Auch hier seien Tatortrecht und Staatsangehörigkeit des Täters ohne Bedeutung. Eine weitere Vorschrift müsse schließlich das Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege realisieren. Hier gehe es einmal um im Ausland begangene Taten von Deutschen, die ja nach dem Grundgesetz nicht ausgeliefert werden dürften. Voraussetzungen sollten dabei sein, daß der Täter zur Tatzeit Deutscher war oder es vor der Aburteilung geworden sei und daß es sich um Taten handle, die durch das Tatortrecht als Verbrechen oder Vergehen mit Strafe bedroht seien, es sei denn, daß der Tatort keiner Strafgewalt unterworfen sei. Ausländisches Recht solle in diesen Fällen entgegen der vor 1940 geltenden Regelung auch dann nicht angewandt werden, wenn es milder sei als das entsprechende deutsche Recht, weil die Vergleichbarkeit mit ausländischen Rechten zu schwierig geworden sei. Als zweiter Fall der stellvertretenden Strafrechtspflege solle unter denselben Voraussetzungen derjenige des Ausländers behandelt werden, der im Inland betroffen, aber aus irgendwelchen Gründen, so trotz des erforderlichen Versuchs dazu, nicht ausgeliefert werde, obwohl nach der Art der Tat die Auslieferung an sich zulässig wäre. In derselben Vorschrift sollte auch das Erledigungsprinzip zur Geltung gebracht werden, und zwar dahin, daß in den Fällen stellvertretender Strafrechtspflege die Verfolgung dann ausgeschlossen sein sollte, wenn die ausländische Gerichtsbarkeit die Sache selbst schon 42

IV. 15,410 § b.

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erledigt habe oder wenn die Tat nach dem Tatortrecht verjährt sei oder das notwendige Verfolgungsverlangen oder die Zustimmung zur Verfolgung fehlten. J escheck wandte sich dann noch dem Problem zu, ob ein Schutz der eigenen Staatsangehörigen gegenüber Auslandstaten erforderlich sei, wie das die Sachbearbeiter des Ministeriums mit folgender Formulierung vorgeschlagen hatten: "Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden." Gegenüber dieser weiten Ausdehnung hatte J escheck nicht nur völkerrechtliche Bedenken, sondern auch solche unter dem Gesichtspunkt des Schuldstrafrechts, da es hier um Taten von Ausländern gehen könne, welche deren Strafbarkeit nach deutschem Recht aus ihrem eigenen nicht kennen. Der Referent schlug daher unter Übernahme eines Gedankens aus dem österreichischen Strafgesetzentwurf vor, die gedachte Vorschrift auf Taten zu beschränken, die ein Deutscher mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthaltsort in Deutschland im Ausland gegen einen Deutschen begehe. Am Schluß seines Referats regte J escheck für die Bestimmung des Ortes der Tat folgende Vorschrift an, die sich in ihrem Abs.2 um eine Lösung der äußerst komplizierten Teilnahmeprobleme bemüht: (1) "Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter oder Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln sollen, oder an dem der Erfolg eingetreten ist." (2) "Erfolg der Teilnahme ist auch die Begehung der Tat. Ist die Tat im Ausland begangen, so ist es für die Strafbarkeit der Teilnahme erforderlich, daß die Tat nach deutschem Strafrecht eine als Verbrechen oder Vergehen mit Strafe bedrohte Handlung darstellt."

An J eschecks Referat schloß sich eine ausgiebige Debatte an, bei der nur wenige Kommissionsmitglieder für die Beibehaltung des aktiven Personalprinzips eintraten, die Ausgestaltung des passiven Personalprinzips unter Kombination mit den übrigen Prinzipien hingegen sehr kontrovers diskutiert wurde 43 • Die dazu von der Kommission beschlossene GrundvorschriftU deckt sich im wesentlichen mit der heutigen Fassung des § 7 StGB. Im Endergebnis aber kann gesagt werden, daß das System der heute geltenden §§ 3 bis 7 und 9 in seinem Gerippe auf J es checks Vorschläge zurückgeht. Noch einmal hatte er in der Voll kommission zu referieren, und zwar im Zusammenhang mit seinem zweiten Referat über das Problem der Androhung von Zuchthaus und der wahlweisen Androhung von Zuchthaus und Gefängnis 45 • Da diese Themen inzwischen überholt sind, soll 43

44 45

IV. 21, 30. IV. 417 § e.

V. 43, 60, 65.

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hier nur festgehalten werden, daß J escheck von seiner nach wie vor ablehnenden Grundhaltung gegenüber der Zuchthausstrafe her sehr restriktive Thesen aufstellte, mit denen er sich auch bei der Kommission durchsetzte. III.

Die Beratung des Besonderen Teils des Entwurfs fand, um die Arbeit zu straffen, zunächst in drei Unterkommissionen statt. Jescheck gehörte der dritten an46 • Dort referierte er zunächst über das Thema "Zweikampf" 47. Die Unterkommission folgte seinem Vorschlag, die gesamten bisherigen Vorschriften darüber ersatzlos wegfallen zu lassen und damit die allgemeinen Vorschriften über Körperverletzung und Tötungsdelikte zur Anwendung zu bringen, wobei man davon ausging, daß die Schlägermensur entsprechend BGHSt 4, 24 weiterhin straflos bleiben werde. Auch die Vollkommission und der Gesetzgeber sind später diesen Vorschlägen gefolgt. Das zweite Referat betraf das Thema "Handlungen gegen ausländische Staaten; Störungen der Beziehungen zum Ausland"48. Zu diesem für die auswärtigen Beziehungen nicht unwichtigen Thema machte Jescheck Vorschläge, die zur Grundlage für die Beschlüsse der Unterkommission und der späteren §§ 480 ff. E 1962 wurden. Sie sind leider deshalb ohne Wirkung geblieben, weil die so wichtige Reform aus einem Guß nicht zustande kam und die geltenden §§ 102 ff. StGB nach ihrer Neugestaltung durch das 3. StÄG keiner durchgreifenden Überprüfung durch den Gesetzgeber mehr unterzogen wurden. So ist das bedauerliche Ergebnis, daß z. B. dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, wenn er die Bundesrepublik besucht, entgegen den Vorschlägen Jeschecks der besondere strafrechtliche Schutz fehlt, den der Botschafter auch des unbedeutendsten Landes nach geltendem Recht genießt. Das dritte Thema, zu dem der Jubilar in der Unterkommission referierte, trug den Titel "Verfahrensrechtliche Auswirkungen des Beleidigungsrechts"49. Es ging dabei um zwei Hauptpunkte. Einmal um die Einführung eines selbständigen Feststellungsverfahrens, das es dem, der durch eine ehrenrührige Behauptung betroffen ist, erlaubt, gegen jeden, der die Behauptung aufgestellt oder verbreitet hat, aber strafrechtlich, etwa wegen einer Amnestie, nicht belangt werden kann, bei Vorliegen eines berechtigten Interesses die Feststellung zu beantragen, daß der Inhalt der Behauptung unwahr oder nicht erweislich sei. Ent46 Die Sitzungsniederschriften sind in drei besonderen Bänden zusammengefaßt; zitiert wird in den folgenden Fußnoten der 3. Bd. mit 3. und Seitenzahl. 47

3.34,36.

48 3.41,47,51. 49 3.366,439.

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gegen dem späteren Votum der Kommission hat sich der E 1962 gegen die Aufnahme einer entsprechenden Vorschrift in das StGB entschieden und sich für eine einheitliche Regelung der Materie in der StPO ausgesprochen50 • Das Anliegen ist dann nicht weiter verfolgt worden. Der zweite Punkt betraf die Möglichkeit des Ausschlusses der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung bei gewissen Verfahren, wenn die öffentliche Erörterung von Angelegenheiten des Privat- und Familienlebens, durch die Interessen der Allgemeinheit nicht berührt werden, eine Bloßstellung des Betroffenen besorgen läßt. Das Problem, das nicht unmittelbar zum StGB gehört, hat inzwischen mit der Neufassung des § 172 GVG durch das EGStGB eine allgemeine befriedigende Regelung auch im Sinne J eschecks gefunden. Das letzte Referat, das er in der Unterkommission hielt, hatte das Thema "Strafrechtlicher Schutz völkerrechtlicher Normen"51. Es ging dabei um zwei Gruppen von Fällen, und zwar einmal um Delikte gegen die Menschlichkeit, womit die bereits in den §§ 220 a, 234 a und 241 a StGB enthaltenen Tatbestände des Völkermords, der Verschleppung und politischen Verdächtigung gemeint waren. Die zweite Gruppe zog in zahlreichen neuen Tatbeständen die strafrechtlichen Konsequenzen aus den vier Genfer Rotkreuzabkommen von 1949, denen die Bundesrepublik Deutschland 1954 beigetreten ist. Es ist hier nicht der Ort, diese Tatbestände, die nur im Fall kriegerischer Auseinandersetzungen zu gelten hätten, die einzelnen Vorschläge und Erläuterungen Jeschecks zu diesem überaus komplexen Thema sowie dessen ausführliche Diskussion in der Unterkommission zu erörtern. Man hat im E 1962 davon abgesehen, diese nur für den Verteidigungsfall vorgesehenen Vorschriften in das StGB selbst aufzunehmen. Doch ist es ein Mangel, wenn es der deutsche Gesetzgeber bis heute unterlassen hat, die strafrechtlichen Folgerungen aus den Genfer Abkommen zu ziehen. Sollte das einmal geschehen, so werden Jeschecks Referat und seine Vorschläge von 1957 von großem Nutzen sein. Damit sind sämtliche Referate geschildert, die der Jubilar in der Kommision gehalten hat. Bei den Beratungen des Besonderen Teils des Entwurfs in der Vollkommission und bei dessen gesamter zweiter Lesung wurden die Kommissionsmitglieder davon entlastet, selbst Referate halten zu müssen. Die Diskussionen zu den einzelnen Themen wurden jeweils durch Vorschläge und Ausführungen der Sachbearbeiter des Ministeriums eingeleitet. Die Arbeit der Kommissionsmitglieder, zu denen jetzt auch so hervorragende Juristen wie der Bremer Generalstaatsanwalt Dünnebier und der Leiter der strafrechtlichen Abteilung des Niedersächsischen Justizministeriums Wilkerling gehörten, 50 51

E 1962, 312 f. 3.490,532.

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verlagerte sich auf ihre Diskussionsbeiträge, die allerdings häufig durch schriftliche Stellungnahmen vorbereitet waren und auch größeren Umfang annahmen. Im folgenden möchte ich aus der Fülle der Beiträge, die Jescheck selbst geleistet hat, wenigstens eine Reihe von solchen schildern, die wegen ihrer Thematik oder ihres sachlichen Gehalts heute von besonderem Interesse sind. Bei der Erörterung des noch immer umstrittenen Tatbestands des Mordes, für den es kaum eine voll befriedigende Lösung gibt, trat der Jubilar grundsätzlich für das geltende Recht ein, wollte aber das Merkmal der Heimtücke eliminieren und bezeichnete "eine Korrekturmöglichkeit für die mildere Beurteilung atypischer Fälle als unerläßlich" 52 • Eine für die heutige Situation bemerkenswerte Erklärung. Bei der Behandlung des Abtreibungskomplexes stimmte J escheck wie fast sämtliche Kommissionsmitglieder dafür, nicht nur die medizinische Indikation zuzulassen, sondern auch die ethische, vor allem in den Fällen der Notzucht 53• Daß diese Indikation entgegen der Absicht des Justizministeriums nicht in den E 1962 aufgenommen wurde, geht auf ein persönliches Eingreifen des Bundeskanzlers Adenauer zurück, der hier einen Konflikt mit der Kirche befürchtete. Als die Frage der ärztlichen Heileingriffe diskutiert wurde, setzte sich J escheck in übereinstimmung mit der gesamten Kommission dafür ein, sie grundsätzlich nicht mehr als tatbestandsmäßige Körperverletzung anzusehen, wozu die Rechtsprechung noch gezwungen sei, sondern statt dessen für den Fall der fehlenden Einwilligung des Patienten eine Vorschrift gegen eigenmächtige Heilbehandlung vorzusehen54 • Leider harrt auch diese Materie noch immer der notwendigen gesetzlichen Regelung. Interessant ist J eschecks Stellungnahme zu der immer wieder theoretisch wie praktisch umkämpften Problematik des heutigen § 323 a StGB. Er erklärte dazu: "Die vorsätzliche oder fahrlässige Beseitigung der Zurechnungsfähigkeit bedeutet in der heutigen Zeit, wo jedermann infolge des engen Zusammenlebens und der Gefährlichkeit unzähliger Verrichtungen auf ein vernünftiges Reagieren der Mitmenschen angewiesen ist, strafwürdige Schuld." Doch fügte er hinzu: "Sehr wichtig erscheint mir die Regelung der vom 5. Strafsenat anerkannten Ausnahmefälle 5s • Ich gebe zu erwägen, sie im Gesetz besonders zu nennen. Das wäre vielleicht durch folgende Fassung möglich: ,Der Täter ist straffrei, wenn er nach den ihm bekannten Umständen mit der Gefahr einer rechtswidrigen Tat nicht rechnen konnte'5Gu. 52 53

54 55 M

VII. 31. VII. 146. VII. 194,218. Gemeint ist die Entscheidung BGHSt. 10, 247. VIII. 145 f.

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Bei der Erörterung der Sexualdelikte setzte sich J escheck dafür ein, bei der Vornahme von sexuellen Handlungen in Anstalten an Insassen durch Betreuer lediglich darauf abzustellen, daß diese ihre Stellung in der Anstalt ausnützten57 • Hingegen wandte er sich gegen eine Vorschrift, wonach bestraft werden sollte, wer einen anderen, der infolge eines Arbeits- oder Lehrverhältnisses oder als Bewerber um eine Arbeits- oder Lehrstelle von ihm abhängig ist, durch Drohung mit einem empfindlichen Nachteil für seine Stellung oder Bewerbung dazu nötigt, sich zum außerehelichen Beischlaf mißbrauchen zu lassen. Damit würde "geradezu die ganze Breite und Vielfalt des Lebens in den Bereich" der Strafbarkeit einbezogen. Es handle sich um ein Gebiet, das sich nicht für die kriminalrechtliche Erfassung eigne 58. Die Kommission sprach sich denn auch mit deutlicher Mehrheit gegen eine derartige Vorschrift aus 5D • Bei der Abstimmung über die Frage, ob es bei der Strafbarkeit der Homosexualität auch unter erwachsenen Männern, jedenfalls in der Form beischlafsähnlicher Handlungen, bleiben solle, eine Frage, die bei der Bekanntheit der Problematik und nach den Erörterungen in der Unterkommission nur noch kurz in der Vollkommission diskutiert wurde, gehörte Jescheck zu den 8 Mitgliedern, die für Beibehaltung votierten; 9 stimmten dagegen8o • Jescheck erläuterte das später dahin, daß er nicht für die Einführung einer derartigen Vorschrift wäre, daß er aber gegen die Preisgabe einer seit Jahrzehnten geltenden Norm sei61 • Er hielt auch eine Strafbestimmung zum Schutze gegen homosexuelle Cliquen bildung im öffentlichen Dienst für erforderlich62 • Auch gehörte er zu den 11 Kommissionsmitgliedern, welche die Strafbarkeit des Ehebruchs aufrechterhalten wollten; 9 stimmten für Straflosigkeit63 • Jescheck setzte sich auch für eine Vorschrift ein, nach der unter Strafe gestellt werden sollte, wer ein Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in der Absicht verläßt, sich seiner zu entledigen64 • Hingegen wandte er sich gegen eine Vorschrift im Sinne des später auch durch das 4. StrRG aufgehobenen § 170 c StGB, da es sich hier um eine Durchsetzung rein ethischer Pflichten handle und es nicht Aufgabe des Strafrechts sein könne, auch noch weit über die bürgerliche Rechtsordnung hinauszugehen 65 • Ebenso VIII. 218. VIII. 225. 59 VIII. 226. 00 VIII. 228; bei der Schluß abstimmung in 2. Lesung stimmten 13 Kommissionsmitglieder für Streichung, 10 für Beibehaltung; XIII. 552. u VIII. 539. 62 VIII. 235. 63 VIII. 366. O~ VIII. 375 ff. mit 620 (§ 385). ;7

58

85

VIII. 399.

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lehnte er eine Vorschrift im Sinne des ebenfalls durch das 4. StrRG aufgehobenen § 143 8tGB ab, für die kein kriminalpolitisches Bedürfnis bestehe68 • Bei der sehr interessant und kontrovers geführten Debatte über das Beleidigungsrecht, in der einerseits der Ehrenschutz, anderseits - vor allem von Bockelmann - der Friedensschutz als Rechtsgut betrachtet wurde, jeweils mit verschiedenen Konsequenzen, vertrat Jescheck die Auffassung, daß es um Ehrenschutz gehe und nur der verdiente Geltungsanspruch als Ehre anzusehen sei. Er bekannte sich grundsätzlich zum Prinzip des geltenden § 186 StGB, wobei die Schuld des Täters darin liege, daß er das Risiko der möglichen Unwahrheit seiner Behauptung auf sich nehme. Wo der Täter kein Risiko eingegangen sei, könne ihm daher kein Schuldvorwurf gemacht werden. Jescheck setzte sich daher für eine vor allem von Gallas befürwortete Ergänzungsvorschrift ein, die folgenden Wortlaut haben sollte: "Erweist sich, daß der Täter von der Wahrheit der Behauptung aus triftigen Gründen überzeugt gewesen ist, so kann das Gericht von Strafe absehen87 ." Hingegen lehnte Jescheck es ab, den Tatbestand eines sogenannten Indiskretionsdelikts zu schaffen, wie er später in § 182 E 1962 vorgesehen war, wonach bestraft werden sollte, wer ohne verständigen Grund öffentlich oder in ähnlicher Form eine ehrenrührige Behauptung tatsächlicher Art über das Privat- oder Familienleben eines anderen, an deren Inhalt kein öffentliches Interesse besteht, aufstellt oder an einen Dritten gelangen läßt. Dabei sollte der Wahrheitsbeweis ausgeschlossen sein. Jescheck machte dagegen geltend, daß es nicht angehe, den Menschen zu verbieten, über derartige, möglicherweise offen zutage liegenden Angelegenheiten zu sprechen. Ferner lasse derjenige, der Strafantrag nicht wegen übler Nachrede, sondern nur wegen eines Indiskretionsdelikts stelle, sein schlechtes Gewissen hinsichtlich der Wahrheit der gegen ihn gerichteten Behauptung erkennen. Vor allem aber habe ein derartiger Tatbestand keine Aussicht, vom Gesetzgeber angenommen zu werden. Das habe sich beim Scheitern der sogenannten lex Soraya gezeigt88 , Schließlich setzte sich Jescheck dafür ein, als neues zusätzliches Reaktionsmittel des Strafrechts gegenüber einer Beleidigung eine Geldbuße vorzusehen, die dazu dienen sollte, dem Beleidigten einen billigen Ausgleich für die ihm zugefügte Kränkung zu gewähren8\ konnte sich aber damit bei der Kommission nicht durchsetzen 7o • 66 67 88

69 70

VIII. 409. IX. 33, 451 (§ 390 Abs. 3). IX.33. IX. 137. IX. 145.

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Bei der Erörterung der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes durch Tonbandaufnahme oder Abhörgeräte widersprach Jescheck mit eindringlicher Entschiedenheit einer VOn den Sachbearbeitern des Ministeriums vorgeschlagenen Vorschrift, wonach derartige Taten bei Wahrnehmung eines berechtigten Interesses und in ähnlichen Fällen nicht strafbar sein sollten. Er sah darin eine nicht gerechtfertigte Aushöhlung der Grundvorschrift, die elementare Verstöße gegen die Achtung der menschlichen Persönlichkeit mit strafrechtlichen Mitteln ahnde71 • Mit ihm stimmte die Mehrheit der Kommission gegen eine derartige Vorschrift72 , die auch im geltenden Recht fehlt. In § 201 StGB ist die Problematik durch das Wort "unbefugt" schließlich weitgehend der Rechtsprechung übertragen worden. Bei der tief gehenden Diskussion um die Problematik des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte bejahte Jescheck in den Grundlinien die jetzt geltende Fassung des § 113 StGB, wobei er VOn dem Grundsatz ausging, "daß staatliches Handeln zunächst einmal hinzunehmen ist" und "die Verwaltung die Vermutung der Rechtmäßigkeit für ihre Akte" habe. Von dorther wollte er auch für den Fall, daß der Täter irrig annehme, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und ihm dieser Irrtum nicht vorzuwerfen sei, dem Gericht lediglich die Möglichkeit geben, die Strafe nach seinem Ermessen zu mildern oder von Strafe abzusehen. Andererseits hielt er es für richtig, daß "dem Bürger bei unrechtmäßigem Handeln des Beamten ein Rechtfertigungsgrund zur Verfügung gestellt" werde - eine bekanntlich noch heute umstrittene Konstruktion - und setzte sich auch für eine Vorschrift im Sinne des geltenden § 113 Abs. 3 S. 2 StGB ein 73 • Zum leider immer wieder aktuellen Problem des Landfriedensbruchs erklärte er: "Die Bestrafung der bloßen Beteiligung an der gefährlichen Zusammenrottung läßt sich ... damit rechtfertigen, daß jeder Teilnehmer durch die Erhöhung der Zahl der Zusammengerotteten die Gefährlichkeit der Menge steigerF4." Voraussetzung dabei war freilich, daß mit dem Begriff "Zusammenrottung" die Tendenz der Menge zu Gewalttätigkeiten als Tatbestandsmerkmal anzusehen war und daß es auch tatsächlich zu Gewalttätigkeiten kam, was allerdings nur Bedingung der Strafbarkeit sein sollte75 • Der Gesetzgeber hat sich bekanntlich solcher Einsicht bisher versagt. 71

72 73 74 75

IX.189. IX. 193. XIII. 64 f. XIII. 111. XIII. 631.

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Es ließen sich noch zahlreiche interessante Äußerungen J eschecks referieren, so seine Stellungnahme zu den diffizilen Themen des Unterlassungsdelikts und des bedingten Vorsatzes 76 , sein entschiedenes Eintreten für eine gesetzliche Regelung des rechtfertigenden Notstandes 71 , wenn auch ohne die bereits von ihm abgelehnte Irrtumsregelung, für die Einführung des sogenannten Vollstreckungsgerichts78 und das Vikariieren im Fall der Sicherungsverwahrung7U , nachdem die Kommission die von Jescheck angestrebte unbestimmte Freiheitsstrafe abgelehnt und sich für die Beibehaltung eines zweispurigen Systems entschieden hatte. In den ersten beiden Fällen entspricht das Gesetz heute auch Jeschecks Vorstellungen (§ 34 StGB, § 462 aStPO, § 78 a, b GVG). Nur bei der Sicherungsverwahrung hat sich der Gesetzgeber nach langen Debatten anders entschieden (§ 67 StGB). Ich muß es mir versagen, auf weitere Einzelheiten einzugehen. Von besonderer Wichtigkeit erscheint mir aber noch eine Stellungnahme J eschecks, auf deren Wiedergabe ich nicht verzichten möchte. Es ist der folgende Auszug aus seiner schriftlichen Meinungsäußerung zum Problem der Todesstrafe: "Schon als Student bin ich Anhänger der Richtung des Strafrechts geworden, die damals von Gustav Radbruch repräsentiert wurde. Obwohl ich die Möglichkeiten der Erziehungsstrafe heute viel skeptischer beurteile, halte ich die zutiefst menschliche Grundgesinnung für die unverzichtbare Voraussetzung eines Strafrechts, für das man sich wissenschaftlich einsetzen kann. In ein solches System paßt die Todesstrafe nicht. Sie ist das genaue Gegenteil dessen, was ich kriminalpolitisch für richtig halte. Eine Strafrechtsreform, die mit der Wiedereinführung der glücklicherweise durch Verfassungssatz soeben abgeschafften Todesstrafe beginnen würde, hätte den kriminalpolitischen Ausgangspunkt der Kommission verlassen und würde die bisherige Arbeit, auch im Ausland, diskreditieren. Wir haben um die Abschaffung der Zuchthausstrafe erbittert gerungen und schließlich ihre Beibehaltung für wenige Tatbestände der Hochkriminalität beschlossen. Wie sollte sich demgegenüber die Wiedereinführung der Todesstrafe rechtfertigen lassen? Ich bin zwar der Ansicht, daß die Strafe ihrem Wesen nach Vergeltung ist, aber die Vergeltung ist mir nur dann erträglich, wenn wenigstens die Möglichkeit offen bleibt, daß dabei etwas Positives für den Verurteilten herauskommt. Deswegen darf die Vernichtung des Lebens als Strafmittel nicht zugelassen werden"80. 76

77 78

79

XII. 96, 114, 122. XII. 159. XII. 199. XII. 226.

80 XI. 35.

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IV. Mit diesem sowohl für den Juristen als auch für den Menschen aufschlußreichen Zitat möchte ich meine Schilderung vom Wirken des Jubilars in der Großen Strafrechtskommission schließen. Freilich konnte auch diese Schilderung nicht mehr als einen gedrängten Ausschnitt bieten. Wollte man Jeschecks sämtliche Äußerungen wörtlich zusammenstellen, die er in mehr als fünf Jahren in den 143 Kommissionssitzungen tat, so würden sie allein schon eine stattliche Broschüre füllen. Doch meine ich, mit der Wiedergabe aller von ihm gehaltenen Referate in ihren maßgeblichen Gedankengängen und mit der von mir getroffenen Auswahl seiner Diskussionsbeiträge einen plastischen Eindruck nicht nur von der intensiven Mitarbeit Jeschecks in der Kommission vermittelt, sondern auch ein anschauliches Bild von ihm selbst gegeben zu haben. Es ist das Bild eines Mannes und Juristen, der schon vor dreißig Jahren eine auch später nie verlassene, sehr ausgeprägte Grundhaltung eingenommen hat. Kriminalpolitisch läßt sie sich wohl wie folgt beschreiben: J escheck bekennt sich zum Schuldstrafrecht, aber er fügt ihm einen starken spezialpräventiven Akzent hinzu. Um es weniger technisch zu sagen: Es geht ihm im Strafrecht vor allem um den Menschen. Der Mensch, der Strafe verdient hat, soll damit sinnvoll behandelt, Gefahren, die von ihm auch für ihn selbst ausgehen, sollen abgewendet oder gemildert werden. Dem Vollzug von Strafen und Maßregeln kommt entscheidende Bedeutung zu. Das haben nicht erst die Verfasser des Alternativ-Entwurfs erkannt. Darin liegt auch der Grund, daß J escheck in der Kommission so häufig mit Eberhard Schmidt und Sieverts an einem Strange gezogen hat. Zu diesem kriminalpolitischen Grundkonzept gesellt sich, eng mit ihm verbunden, eine besondere sozialethische Komponente. Es war sehr bezeichnend für den Jubilar, als er bei der Erörterung der unterlassenen Hilfeleistung folgende Äußerung tat: "Es ist doch so, daß der § 330 c StGB eine neue Richtung in unserem Strafrecht eröffnet hat; er war eine Art Schrittmacher für die Begründung und strafrechtliche Anerkennung sozialer Pflichten. Dieser Gedanke sollte unbedingt erhalten bleiben81 ." Diese sozialethische Grundeinstellung war es auch, die Jescheck vor rund dreißig Jahren noch dafür eintreten ließ, die Strafbarkeit von intensiver Homosexualität zwischen Männern und von Ehebruch beizubehalten. Er sah in der Freigabe Gefahren für die allgemeine sozialethische Grundhaltung. Anderseits trat er schon damals für die später auch erfolgte Streichung von Vorschriften wie den §§ 143,170 c StGB ein. 81

IX. 372.

3 FestschrIft für H,-H. Jescheck

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Hier zeigt sich ein drittes Charakteristikum der Persönlichkeit Jeschecks. Er war und ist allen Extremen abhold. Gewiß hätte man ihn in den Zeiten der Großen Kommission einen "Progressiven" nennen können. Die Progressiven von heute werden geneigt sein, ihn als konservativ zu bezeichnen. Schönere Prädikate, so meine ich, kann sich der Jubilar gar nicht wünschen. Denn er ist in Wirklichkeit ein Mann der Mitte. In einem seiner Diskussionsbeiträge wandte er sich sehr entschieden gegen "extrem einseitige Forderungen, die noch nie zu etwas Gutem geführt haben s2 ." Diese Äußerung kann als Devise über Seschecks gesamtem Schaffen stehen. Er war und ist ein Mann des Ausgleichs, des Maßhaltens im Sinne der aurea mediocritas Horazens. Was hier geschildert wurde, betrifft nur einen Abschnitt im reichen Juristenleben des Jubilars, aber gewiß einen wichtigen wie für alle, die damals in und mit der Kommission gearbeitet haben. Jeder wirkte prägend mit und wurde dabei auch selbst geprägt. Die Kommission war das bedeutendste strafrechtliche Seminar des 20. Jahrhunderts. Ein ungeheurer Reichtum an Gedankenmaterial ist in ihren 16 Protokollbänden enthalten. Mehr, als manche heute wahrhaben wollen, ist von ihren Beschlüssen, aber auch von ihren Minderheitsvoten in das geltende Recht eingegangen. Es gibt wohl kaum einen der später Gesetz gewordenen Gedanken, der in der Kommission nicht wenigstens diskutiert worden wäre. Jescheck hat viel dazu beigetragen. Das Gesetz zeigt so manche Spuren seines Wirkens. Es wird ihn, hoffe ich, freuen, wenn ihm noch einmal in gedrängter Form vorgetragen wird, was er vor einem Menschenalter geleistet hat. Aber auch die Juristen von heute und morgen sollten das nicht vergessen und sich immer wieder daran erinnern, daß die Protokolle der Großen Strafrechtskommission einen Schatz darstellen, von dem nachdenkliche Köpfe noch lange werden zehren können.

Grundfragen

THOMAS WüRTENBERGER

Der schuldige Mensch vor dem Forum der Rechtsgemeinschaft Der Gedanke der Verantwortlichkeit des erwachsenen und seelisch durchschnittlich gesunden Täters ist eine unbezweifelbare Realität unseres sozialen und moralischen Bewußtseins. Hans-Heinrich Jescheck I.

In einer Zeit des Schwindens eines allgemeinen Rechtsbewußtseins mehren sich kritische Äußerungen über Wesen und Aufgaben der' Strafrechtsordnung. Immer wieder versteigt sich diese Kritik zu der radikalen Forderung, das Strafrecht im Ganzen abzuschaffen oder es durch ein reines Maßnahmenrecht zu ersetzen. Hauptziel solch kritischer Strömungen ist der als Fundament der Strafrechtsordnung geltende Schuldgedanke. Je mehr sich die Strafrechtslehre dem Ansturm der Psychologie, Psychoanalyse und Soziologie ausliefert, desto mehr erhöht sich die Zahl jener, die der Idee rechtlicher Schuld entweder ganz die Legitimation absprechen oder ihr unter Leugnung ihres Charakters eines unerläßlichen Fundaments staatlichen Strafens lediglich die Funktion einer rechtlich gebotenen Begrenzung der richterlichen Strafzumessung zuerkennen. Ferner wird der Rang des Schuldgedankens für die Rechtfertigung des Strafrechts auch dadurch erheblich eingeschränkt, daß Strafrechtslehrer wie C. Roxin oder G. Jakobs die Schuldidee relativieren, indem sie jene dem Spiel wandelbarer kriminalpolitischer Strafzweckvorstellungen überlassen wollen. Angesichts dieser Situation ist es eine wichtige Aufgabe der Wissenschaft und Rechtspraxis, sich ernsthaft auf die tragenden Fundamente des Schuldgedankens im Aufbau eines Strafrechtssystems zu besinnen. Geht es um die Neubegründung einer strafrechtlichen Schuldlehre, so ist erste Voraussetzung, daß die große geistige Tradition, die zum Aufbau der modernen strafrechtlichen Schuldlehre geführt hat, nicht von vornherein verdammt, sondern sorgsam auf jene Gedankeninhalte überprüft wird, die auch in Zukunft volle Beachtung finden sollten. Vor allem erscheint es als dringend notwendig, daß die strafrechtliche Schuldlehre sich von den allzustarken Einflüssen seitens Psychologie,

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Psychoanalyse und Soziologie frei macht in der Absicht, bei dem Versuch einer Neuformulierung des rechtlichen Schuldbegriffs wieder stärkeres Gewicht auf Wesen und Bedeutung des Normativen zu legen. Daraus folgt, daß die Strafrechtslehre sich künftig in stärkerem Maße auf die Erkenntnisse sowohl der Rechtsanthropologie als auch der Rechtsphilosophie im Ganzen stützen sollte. Nur langsam scheint sich die überzeugung durchzusetzen, daß ein Neuaufbau der Rechtswissenschaft ohne entschiedenen Rekurs auf rechtsphilosophische und ethische Einsichten nicht möglich ist. Was die Rechtsanthropologie anlangt, so ist von ihrer wissenschaftlichen Basis aus schon in früher Zeit im Verantwortlichmachen des Täters für seine Tat eine wichtige anthropologische Vorgegebenheit zur Beurteilung menschlichen Tuns und Lassens in der Welt des Rechts gesehen worden. Wer über die Grundverfassung der menschlichen Natur nachdenkt, findet sich unentrinnbar mit dem Problem der Schuld konfrontiert. Schuld, dem Tier fremd, gehört zur Auszeichnung menschlichen Wesens. Es handelt sich um einen "anthropologischen Grundbefund, der aus dem Ganzen der menschlichen Wirklichkeit nicht wegzudenken ist" (H. RyjJel). Die Schuld ist vielfacher Betrachtung fähig. Denn sie reicht in verschiedene Bereiche menschlicher Existenz herein. Spricht man doch seit langem von religiöser, metaphysischer, sittlicher und rechtlicher Schuld. Hier soll vornehmlich von Schuld in ihrer Beziehung zur Welt des Rechts die Rede sein. Dabei wird nicht verkannt, daß von der Frühzeit bis zur Gegenwart Bildung und Geltung des rechtlichen Schuldgedankens in mehr oder weniger starkem Maße auch von der Vorstellung einer religiösen oder sittlichen Schuld mitbestimmt worden sind. Im Bereich der heutigen Strafrechtsordnung kommt dem rechtlichen Schuldgedanken fundamentale Bedeutung zu. Der durch seine unrechte Tat schuldig gewordene Mensch muß sich vor dem Forum der durch den Richter repräsentierten, im Staate zusammengeschlossenen Rechtsgemeinschaft verantworten. Ohne Nachweis rechtlicher Schuld des Täters ist eine Verurteilung zur Strafe unzulässig. Denn die gerechte Strafe setzt die Schuld des Rechtsbrechers zwingend voraus. Geht man von dem Gedanken aus, daß der Rechtsbrecher als Störer der sozialen, religiösen oder ethischen Ordnung seitens der Gemeinschaft in ihren Formen der Familie, der Sippe, des Dorfes, der Stadt und des Staates zur Rechenschaft gezogen wird, so handelt es sich bei einer solchen "Zurechnung von Ereignissen, Verhalten, Zuständen, Abweichungen" um "ein durch alle Gesellschaften hindurch zu beobachtendes Phänomen" (F. Sack). Unter dem Aspekt der Rechtsanthropologie ist in der als Akt der Zurechnung zur Schuld bezeichneten Verantwortlichmachung des Rechtsbrechers für seine unrechte Tat eine wichtige Konstante im sozialen Zusammenleben der Menschen zu erblicken.

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Denn ohne ein solches Verantwortlichmachen des Täters für seine als Störung der Ordnung und des Friedens anzusehende unrechte Tat würde der Bestand der Rechtsgemeinschaft gefährdet. Die anthropologische Bedeutung der langen geschichtlichen Erfahrung, daß sich ein Störer der Rechts- und Friedensordnung vor dem Forum der Rechtsgemeinschaft für sein Tun und Lassen verantworten muß, wird nicht geschmälert, wenn in früheren Zeiten der Menschheitsgeschichte noch nicht von einer "Schuld" des Täters die Rede ist. Bis die Rechtsgemeinschaft Wesen und Voraussetzung einer dem Einzelnen vorzuwerfenden Schuld im Hinblick auf seine unrechte Tat in voller Tragweite erfaßt hat, bedurfte es einer jahrhundertelangen Entwicklung. In der Frühzeit der Strafrechtsgeschichte sah man jede Störung der geltenden religiösen oder rechtlichen Grundordnung als ein durch Sanktionen, vor allem durch Strafen zu ahndendes Unrecht an. In jener frühen Epoche der Sippen, Stämme und Völker war in erster Linie der u. U. auch auf Zufall beruhende äußere Erfolg der Tat, und nicht die innere Einstellung oder der Wille des Täters wesentlicher Anknüpfungspunkt für die Verhängung von Strafen. Neuere rechtshistorische Forschung lehrt jedoch, daß selbst in jenen frühen Zeiten, als noch das Erfolgsstrafrecht vorherrschte, der Gedanke einer persönlichen Verantwortlichkeit des Täters bereits im Keim vorhanden war. Die Idee eines gegenüber dem Täter zu erhebenden sittlich-rechtlichen Schuldvorwurfs gelangte erst unter Einfluß des Christentums zur vollen Entfaltung. Für das Christentum standen menschliche Schuld und Sünde in enger Verbindung. "Die Schuld abzuleugnen ... , das ist christlichem Glauben nicht möglich" (H. Mayer). Ein tieferes Verständnis der hohen Bedeutung der Schuld für Wesen und Handeln des Menschen ist der Naturrechtslehre des 17. und 18. Jahrhunderts zu danken. Sie hat wesentlich zur Humanisierung des Strafrechts beigetragen, indem sie den rechtlichen Schuldvorwurf in engere Beziehung zur Anerkennung des Menschen als sittliche Person setzte. Der deutsche Naturrechtslehrer Samuel Pufendorf knüpfte bei Formulierung seines strafrechtlich bedeutsamen Schuldbegriffs an das soziale Verantwortlichmachen des Rechtsbrechers an. Er ging davon aus, daß jener als ein "freies" Wesen sein Verhalten nach den Normen der Sittlichkeit und des Rechts ausrichten könne. Er nannte jedoch auch einzelne Fälle, in denen, wie etwa beim Lebensnotstand, der gegen den Täter zu erhebende Schuldvorwurf vermindert oder ausgeschlossen ist. Wenden wir uns dem heute von der Strafrechtsdogmatik gebildeten Schuldbegriff zu, so ist seine Entfaltung zu einem wichtigen Fundament des Strafrechtssystems eine bedeutende geistige Leistung, die sowohl seitens der Rechtsphilosophie und Jurisprudenz als auch seitens der Gesetzgebung und Rechtsprechung erbracht worden ist. Die Bemühun-

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gen um eine genauere Bestimmung des Wesens rechtlicher Schuld sind in der Gegenwart noch lebendig und werden auch künftig ihre Aktualität kaum einbüßen. Das Hauptinteresse der Strafrechtsdogmatik sollte sich in erster Linie auf eine Neubegründung der "normativen Schuldlehre" richten. Erst wenn Klarheit darüber besteht, worauf sich der seitens der Rechtsgemeinschaft gegen den Täter im Hinblick auf dessen rechtswidrige Tat erhobene Vorwurf letztlich bezieht, wird die dem strafrechtlichen Schuldbegriff zugeschriebene Funktion begriffen: der an der Gerechtigkeitsidee orientierten Verhängung von Strafen gegen den Rechtsbrecher eine tiefere rechtlich-sittliche Legitimation zu verschaffen. Denn zwischen der Schuld des Täters und der Handhabung staatlicher Strafgewalt besteht eine unlösbare Beziehung. Ihrem Wesen nach ist die vom Richter verhängte Strafe der gerechte Ausgleich für die unrechte Tat des schuldigen Rechtsbrechers. Schon in der Frühzeit der Strafrechtsgeschichte standen die Rechtsverletzung durch den Täter und die von ihm verlangte Rechtswiederherstellung in engstem Zusammenhang. Jeder strafrechtlich zu ahndende Rechtsbruch bedurfte des Ausgleichs im Sinne der Wiederherstellung des durch die unrechte Tat gestörten Gleichgewichts. Auch wenn in der Gegenwart mit Recht die Vergeltungsidee zurückgedrängt wird, ist am Gedanken der Notwendigkeit eines sozialen und rechtlichen Ausgleichs zwischen Verbrechen und Schuld einerseits und staatlichem Strafanspruch andererseits festzuhalten. Die vom Richter verhängte Strafe dient, abgesehen von einer Reihe mit ihr verbundener kriminalpolitischer Zwecksetzungen, der Wiederherstellung der durch das Verbrechen verletzten oder gefährdeten Rechtsordnung. Durch die rechtswidrige schuldhafte Tat ist eine Störung der sozialen Gesamtatmosphäre eingetreten, die Gesellschaft gleichsam unter ihr Niveau geraten. Mit Hilfe der Strafe wird versucht, die Gesellschaft aus der Situation des Subsozialen wieder auf ihren ursprünglichen Status zu heben. Mit Recht wird neuerdings darauf hingewiesen, daß eine die Wiederherstellung der gestörten Rechtsordnung anstrebende Strafe auch die Funktion einer Integration der Rechtsgemeinschaft besitzt, indem "sie dem Interesse ihrer Mitglieder an einem gerechten Ausgleich Genüge tut" (K. Seelmann). Zugleich hat die Strafe hier auch den Zweck, "das durch ein deliktisches Verhalten gestörte Ordnungsvertrauen zu stabilisieren" (G. J acobs). 11. Sieht man die rechtliche Schuld des Rechtsbrechers in so enger Beziehung zum Recht staatlichen Strafens, so hängt von einer zureichenden Begründung des Wesens und der Grenzen des seitens der Rechtsgerneinschaft erhobenen Schuldvorwurfs der Erfolg einer juristischen Legitimierung der geltenden Strafrechtsordnung entscheidend ab.

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Seit langem wird versucht, dem Gedanken rechtlicher Schuld durch Rekurs auf Erkenntnisse der Philosophie einen tieferen Sinn zu geben. In diesem Bereich wurden Erwägungen über die Berechtigung des gegen den Täter gerichteten Schuldvorwurfs auf die philosophische These der menschlichen Willensfreiheit gestützt. Die Postulierung der Willensfreiheit als Grundlage der Schuldlehre gab einst dem "klassischen" Strafrechtsdenken, nicht zuletzt unter dem starken Einfluß des deutschen Idealismus, das Gepräge. Im Mißbrauch menschlicher Willensfreiheit bei der Tatbegehung sah man lange Zeit den wichtigsten Rechtsgrund zur Verhängung der gerechten Strafe. Unter dem mächtigen Einwirken des naturwissenschaftlichen Positivismus seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde jedoch einer solchen philosophischen Begründung des Zusammenhangs von Schuld und Strafe die Berechtigung abgesprochen. Jetzt sah man den Menschen als ein Wesen an, das von biologischen Kräften und sozialen Mächten im Tun und Lassen entscheidend determiniert wird. Wer demgemäß Existenz und Wirksamkeit menschlicher Willensfreiheit leugnete, konnte ein rechtliches Verantwortlichmachen des einzelnen für seine Tat im Sinne der Schuldidee nicht mehr bejahen. Der von seinen Anlagedispositionen und äußeren Umwelteinflüssen völlig determinierte Mensch mußte nach dieser Auffassung zwingend so handeln, wie er faktisch gehandelt hat. Ein Freiheitsspielraum für seine Entscheidung und für sein Sozialverhalten wurde damit verneint. So wurde an der Wende vorn 19. zum 20. Jahrhundert von bedeutenden Strafrechtslehrern wie Franz von Liszt aufgrund einer fast ganz dem naturwissenschaftlichen Positivismus verhafteten Einstellung die Willensfreiheit und damit letztlich auch eine rechtliche Schuld geleugnet. Auch in der Gegenwart gibt es Juristen, Mediziner, Psychoanalytiker und Soziologen, die nicht zuletzt im Sinne der kriminalpolitischen Bewegung der Defense sociale den herkömmlichen, die Strafrechtsordnung beherrschenden Schuldgedanken preisgeben wollen. Wer aber den Gedanken menschlicher Schuld fallen läßt, muß folgerichtig auch dessen Korrelat, die Idee der Strafe, verneinen. An Stelle des heutigen Schuldstrafrechts soll nach dieser Auffassung ein nur an sozialer Zweckmäßigkeit orientiertes Maßnahmenrecht treten. Eine solche, im Negativen verharrende Einstellung zum Problem menschlicher Verantwortung widerspricht jedoch der Entwicklung menschlicher Erkenntnis ebenso wie sie Notwendigkeiten des sozialen Lebens außer acht läßt. Was zunächst die Stellungnahme der heutigen Philosophie und Wissenschaft zum Freiheitsproblem anlangt, so hat trotz des mächtigen Vordringens naturwissenschaftlichen Denkens in unserer Zeit die einstige Position der Deterministen an Gewicht verloren. So lehrt schon die Diskussion um den Rang des Kausalitätsgedankens für die mensch-

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liche Erkenntnis, wie problematisch die strikte Ablehnung des Freiheitsgedankens von seiten des naturwissenschaftlichen Positivismus heute geworden ist. Der Zweifel an der Allgültigkeit des Kausalprinzips für die persönliche Entscheidung und das soziale Verhalten des Menschen bedeutet aber keineswegs, daß die frühere philosophische Gegenposition, der Indeterminismus, jetzt in seine alten Rechte wiedereingesetzt werden dürfte. Alle Versuche in Philosophie und Wissenschaft, die Existenz menschlicher Willensfreiheit beweiskräftig darzutun, müssen als gescheitert gelten. Es handelt sich beim Phänomen menschlicher Freiheit wahrscheinlich um ein metaphysisches Problem, das niemals einer vollen philosophischen Lösung zugänglich sein wird. Dieses Faktum hat auf der Ebene der Strafrechtslehre dazu geführt, daß der Jurist zur Begründung der Schuldidee die Berufung auf die Willensfreiheit meist vermeidet. Jedoch dürfte es ihm nicht ganz gelingen, sich von diesem schwierigen philosophischen Problemkreis völlig fernzuhalten. Denn im praktischen Leben der Strafjustiz ist die "Ausklammerung des Verantwortungsprinzips nicht möglich" (W. Schulz). Dies bedeutet, daß der Strafrechtsdogmatiker, nimmt er seine Aufgabe ernst, nach wie vor auf die Hilfe der Rechtsphilosophie und Ethik angewiesen ist, gilt es, grundlegende Strafrechtsbegriffe wie Schuld und Strafe neu zu formulieren. Sicher ist aber, daß die innere Notwendigkeit des rechtlichen Schuldgedankens heute nicht mehr wie einst mit vornehmlich indeterministischen Argumenten des philosophischen Idealismus zu begründen ist. Eine ausgeprägt am Idealismus orientierte Auffassung der Schuld würde verkennen, daß mit der Postulierung menschlicher Freiheit die menschliche Natur nicht in allen Aspekten erfaßt und demgemäß das philosophische Fundament der strafrechtlichen Schuldlehre zu schwach wäre. Selbst wenn aufgrund vielfacher Erfahrungen angenommen würde, daß der Mensch seinem Wesen nach auf eigene Selbstverwirklichung und freie sittliche Entscheidung angelegt ist, so ist nicht außer acht zu lassen, daß eine solche "Freiheit" im menschlichen Lebensbereich niemals absolut gilt. Es ist wissenschaftlich erwiesen, "daß der Mensch nicht frei ist im Sinne reiner Selbstbestimmung, er ist vielmehr in vielfältiger Weise bedingt" (W. Schulz). Die Akte menschlicher Selbstbestimmung des HandeIns haben ihren Grund und ihre Grenze in mannigfachen Vorgegebenheiten der menschlichen Natur, in der biologischen Konstitution, im Wechsel der Motive, Erlebnisse und Stimmungen, im Gefüge des Charakters oder in den sozialkulturellen Haltungen. So hat die "Freiheit" des Menschen in seiner "Gebundenheit" ihr gleichgewichtiges Gegenstück. Es ist ein wissenschaftliches Verdienst der philosophischen Anthropologie, in ihrem berechtigten Bestreben, den Menschen als Ganzes zu sehen, die Dialektik zwischen Freiheit und Gebundenheit klar

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herausgearbeitet zu haben. Auf diesem Felde steht die philosophische Anthropologie im Einklang mit den empirischen Einzelwissenschschaften vom Menschen, wie der Biologie, Psychologie, Psychiatrie und Soziologie. Vor allem am Denkmodell des Schichtenaufbaus der Persönlichkeit wurde aufgezeigt, wie stark der Mensch im Hinblick auf seine in der "Weltoffenheit" gründende Freiheit sich vom Tier unterscheidet. Seiner Natur gemäß ist der Mensch generell zu einer eigenständigen Wertentscheidung fähig. In der Entscheidungssituation des Rechtsbruchs ist daher das Verhalten des Täters keineswegs immer von deterministischer Zwangsläufigkeit beherrscht. Vielmehr geht es im Ja- oder Neinsagen zur Tat um eine Selbstverfügung der Person, die sich mit der Macht mannigfacher äußerer und innerer Antriebskräfte auseinandersetzt. Es gilt daher für den Richter, nicht vorschnell von einer schwer beweisbaren Willensfreiheit des Täters bei der Tat auszugehen, sondern auch Einblick zu gewinnen in das Gefüge der miteinander eng verbundenen Faktoren und Zusammenhänge, die das Persönlichkeitsgefüge, die Lebensgestaltung und das Sozialverhalten des Rechtsbrechers vor und bei der Tat bestimmt haben. Da die Kriminologie mit Hilfe verfeinerter Methoden die komplexen Zusammenhänge der Verbrechensentstehung und das Wesen der rechtsbrechenden Persönlichkeit untersucht, gewinnt diese mächtig aufstrebende Wissenschaft in wachsendem Maße an Bedeutung für die rechtliche Schuldfeststellung innerhalb der Kriminalrechtspflege. Vor allem vermag die kriminologische Erkenntnis dem Richter eine Reihe von Gesichtspunkten darzubieten, wenn es gilt, die Grenzen des rechtlichen 8chuldvorwurfs im einzelnen festzustellen. Herrschen im Persänlichkeitsbild des Rechtsbrechers abnorme Züge vor, die "Krankheitswert" besitzen, so wird dem Täter die Möglichkeit eines Aktes des Sichentscheidens fehlen. In diesem Falle der Zurechnungsunfähigkeit muß der Schuldvorwurf gegen den Rechtsbrecher verstummen. In der Regel ist der Täter für den von ihm begangenen Rechtsbruch verantwortlich. Die Rechtsgemeinschaft setzt voraus, daß sich der einzelne in seinem 80zialverhalten durch Normen des Rechts und der Sittlichkeit bestimmen lassen kann. Eine nicht zu widerlegende, alltägliche Lebenserfahrung lehrt uns: " Die Bestimmbarkeit des HandeIns beruht auf der Fähigkeit des Menschen, die auf ihn einwirkenden Antriebe zu kontrollieren und seine Entscheidung nach Sinngehalten, Werten und Normen auszurichten" (H.-H. J escheck). III. Ohne zureichende Einsicht in das Wesen der Normen und ihren Rang für die menschliche Existenz ist die Neubegründung der das Strafrechtsdenken bestimmenden normativen Schuldlehre aussichtslos. Die Normen religiöser, sittlicher oder rechtlicher Art stehen in engster Bezie-

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hung zum individuellen und sozialen Dasein des Menschen. Im Gegensatz zum Tier, das zwar zu regelmäßigem Verhalten fähig ist, ist es allein dem Menschen vorbehalten, sein Tun und Lassen nach Normen auszurichten. Das Sich-nach-Normen-Richten "definiert" den Menschen "und macht ihn zu einem kulturellen Wesen" (W. Fikentscher). Somit gehört die Normativität, die Normbetroffenheit menschlichen Verhaltens zu den dem Bereich der Rechtsanthropologie zuzurechnenden "Konstanten" des Menschseins. Denn unter "Normativität" ist "die anthropologische Grundtatsache" zu verstehen, "daß alles gesellschaftliche Verhalten sich nach Normen richtet oder doch von Normen begleitet wird, daß alles Verhalten des Einzelnen und der Gruppen dauernd mit gedachten Verhaltensmustern verglichen wird und daß der Vergleich Urteile und Sanktionen, Vorteile und Nachteile, jedenfalls bestimmte Reaktionen zur Folge hat, die wieder für weiteres Verhalten bestimmend werden" (P. Noll). In allen seinen Lebensphasen steht der Mensch in vielfachen Beziehungen zur Welt der Normen. Als ein instinktarmes Wesen bedarf er zur Entfaltung seiner Persönlichkeit der Vielfalt sozialer, kultureller und religiöser Normen. Werden diese Normen im seelischen Reifeprozeß des einzelnen verinnerlicht, so wird zugleich in seiner Personalität die Instanz des Gewissens gestärkt. "Das Gewissen ist eine apriori im Menschen befindliche Kraft. Es entwickelt sich schon seit dem frühen Kindesalter über mehrere Stufen und führt bei der ausgereiften Persönlichkeit zu jenem natürlichen Rechtsbewußtsein, das den Menschen befähigt, in der Regel ohne tieferes Nachdenken das Unrecht zu vermeiden" (H.-H. Jescheck). Für den gegen den Täter zu erhebenden Schuldvorwurf kommen aus dem weiten Bereich der Normen vornehmlich jene in Betracht, die in wesentlichen Zügen die "kommunikative Ordnung" (M. Riedel) der im Staate zusammengeschlossenen Rechtsgemeinschaft bestimmen. Die Normsetzung erfolgt in diesem Bereich menschlicher Existenz seitens des Gesetzgebers als des Repräsentanten der Rechtsgemeinschaft. Es ist in erster Linie der Strafgesetzgeber, dem die wichtige Funktion einer "Normenautorität" zukommt. Das in einem freiheitlich-demokratischen Gemeinwesen an der Verfassung orientierte Strafgesetz bürgt für die notwendige "Legalität der Normerzeugung" (M. Riedel). Damit verbindet sich der gegenüber den Mitgliedern der Rechtsgemeinschaft zu erhebende Anspruch auf "Gültigkeit" der im Strafgesetz zum Ausdruck kommenden Rechtsnormen. Sind somit Strafrechtsnormen kraft der Normenautorität des staatlichen Gesetzgebers sowohl gültig als auch für menschliches Verhalten verbindlich, so hängt die faktische Wirksamkeit dieser Normen auch von ihrer Anerkennung seitens der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ab. Jedes im strafrechtlichen Schuldvorwurf sich vollziehende Verantwortlichmachen des Täters gewinnt

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an Legitimation, wenn der einzelne das Gesetz der Rechtsgemeinschaft als für sein Tun und Lassen verbindlich kennt und anerkennt. Die in der Rechtsgemeinschaft geltenden Normen sollten dem einzelnen nicht völlig fremd bleiben, sondern von ihm in den Grundzügen ihres Wertgehalts anerkannt werden. Gerade bei dem gegen den Rechtsbrecher zu erhebenden rechtlichen Schuldvorwurf zeigt sich, in welch starkem Maße das Verantwortlichmachen des Täters vor dem Forum der Rechtsgemeinschaft mit dem Vorgang der Anerkennung der in ihr geltenden Rechtsnormen zusammenhängt. "Jeder Akt von rechtlicher Verantwortung setzt Anerkanntheit des Gesetzes voraus" (W. WeischedeI). Je tiefer die Normanerkennung innerhalb der Gemeinschaft verankert ist, desto überzeugender ist die Bestätigung des Norminhalts (W. Schild). Die soziale Wirksamkeit der gesamten Strafrechtspflege hängt daher wesentlich davon ab, daß die in der Rechtsgemeinschaft geltenden Normen weithin anerkannt sind und aufgrund dessen "außer Streit gestellt werden" (W. Schild). Je breiter die "Konsensbasis der Rechtsgemeinschaft" (R. Zippelius) sich darstellt, desto gefestigter ist das Fundament der Strafrechtsordnung und desto mehr erhöht sich die Legitimation des gegenüber dem Rechtsbrecher zu erhebenden rechtlichen Schuldvorwurfs. Diese Einsicht muß insofern besonders betont werden, als in der Gegenwart allzu große Neigung besteht, grundlegende Normgehalte der geltenden Strafrechtsordnung wie vor allem auch die Berechtigung zur Erhebung des Schuldvorwurfs immer wieder in Frage zu stellen. Eine nach den Prinzipien des demokratischen Rechtsstaats gehandhabte Strafjustiz sollte nicht durch eine sich radikal gebärdende, auf Dauer angelegte Kritik in ihren lebenswichtigen Fundamenten gefährdet werden. Die gegenüber der staatlichen Ordnung eingenommene negative Haltung, die von Rechtsgleichgültigkeit über Rechtsverdrossenheit bis zur Rechtsfeindschaft reicht, erschüttert heute ohnehin Anerkennung und Wirkungsmacht der Rechtsnormen innerhalb wie außerhalb des Strafrechtsbereichs. Angesichts dieser bedrohlichen Situation besteht um so mehr Grund, daß im Falle des strafrechtlich zu ahndenden Rechtsbruchs der Richter als Repräsentant der Rechtsgemeinschaft dem Täter unter Berufung auf die Unerschütterlichkeit der geltenden Strafrechtsordnung seine unrechte Tat zum Vorwurf macht. Der Strafrichter ist bei seiner Entscheidung über Unrecht und Schuld des Täters an die Normen des geltenden Rechts, die im Grundgesetz und im Strafgesetzbuch ihren Niederschlag gefunden haben, strikt gebunden. Es ist unzulässig, hinsichtlich des Maßes an rechtlicher Verbindlichkeit zwischen einzelnen Strafrechtsnormen, die Unrecht und Schuld des Täters betreffen, Unterschiede in ihrer inneren Geltungskraft zu machen. Im Gegensatz dazu will jedoch Arthur Kaufmann, wenn er den Schuldspruch des Richters als ein für die Rechtsge-

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meinschaft "stellvertretendes Gewissensurteil" ansieht, ein solches nur dort anerkennen, wo es sich beim Verbrechen um Verletzung "ganz elementarer einfacher Gebote der Sittlichkeit" handelt. Nur in diesem eng gezogenen Rahmen könne der Richter dem Täter "mit innerer Glaubwürdigkeit" gegenübertreten und "ohne pharisäische Überheblichkeit" sein Urteil fällen. Hingegen dürfe bei "ethisch komplizierten und umstrittenen Tatbeständen und überhaupt bei allen Verhaltensweisen, deren Strafwürdigkeit zweifelhaft oder gar zu verneinen" sei, "kein Schuldurteil gefällt werden". Was in diesen Fällen als solches ausgegeben werde, sei nichts anderes als "eine an der Staatsräson", der "amtlichen Sittlichkeit" orientierte "Zweckstrafe". Arthur Kaufmann verkennt hier, daß bei der Beurteilung der rechtlichen Schuldfrage es weder für den Richter noch für den Gesamtbereich der Strafrechtsordnung in erster Linie auf individuelle Maßstäbe einer Gewissensüberzeugung oder -entscheidung ankommt. Vielmehr ist hervorzuheben, daß die innere Geltungskraft des Strafrechts in der engen Verbundenheit mit der Sozialethik, und nicht der Individualethik beruht. Vom Standpunkt einer das Strafrechtsdenken beherrschenden Sozialethik sind alle vom Gesetzgeber erlassenen und mit dem Geist des Grundgesetzes in Übereinstimmung stehenden Strafrechtsnormen in gleicher Weise rechtlich verbindlich. Diese Forderung schließt jedoch nicht aus, daß im Bereich eines sog. Kernstrafrechts im Hinblick auf die enge Verbundenheit zu elementaren sittlich-rechtlichen Geboten und Verboten, wie sie schon im Dekalog sinnhaften Ausdruck gefunden haben, die ethische Überzeugungskraft jener Normen besonders groß ist. Dies bedeutet aber keineswegs, daß den anderen, heute wachsenden Feldern von Strafrechtsnormen, wie z. B. im Straßenverkehrsrecht, im Wirtschafts- und Umweltstrafrecht, ein Bezug zu der die Strafrechtsordnung im Ganzen fundierende Sozialethik fehlen würde. Auch die vom Richter erwartete rechtsethische Haltung kann im Gegensatz zu der von Arthur Kaufmann vertretenen Auffassung in diesen Bereichen keine andere sein als wie die gegenüber den Normen eines sog. Kernstrafrechts. Der verbindliche Maßstab zur Beurteilung, was im Raume strafbaren Verhaltens Recht von Unrecht scheidet, muß für den Richter allein das Gesetz der Rechtsgemeinschaft sein. Der Richter darf sich bei Verhängung von Strafen oder beim Freispruch nicht auf sein, aus dem Bereich der Individualethik stammendes "Gewissensurteil" berufen. Als ein Repräsentant der Rechtsgemeinschaft sollte sich der Richter nach den Worten G. Radbruchs "auch durch sein widerstrebendes Rechtsgefühl in seiner Rechtstreue nicht beeinflussen lassen". Wie berechtigt diese ernste Mahnung des großen Rechtsphilosophen gerade heute ist, zeigen die auch in Juristenkreisen immer wieder aufkommenden Forderungen, bei Anwendung von Strafgesetzen die strikte

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Legalität in bestimmten strafrechtlichen Rechtsgutsbereichen unter Berufung auf eine dem allgemeinen Rechtsbewußsein angeblich übergeordnete "politische Ideologie" aufzuheben. Hier verfolgt man das Ziel, bisher unumstrittene Bereiche der Strafbarkeit ohne eine Gesetzesänderung für künftig straffrei zu erklären. Daß diese für eine am Rechtsstaatsgedanken orientierte Strafrechtspflege bedrohliche Gefahr nicht aus der Luft gegriffen ist, beweist die in der heutigen Rechtsprechung sich offenbarende bedauerliche Unsicherheit bei der Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht hinsichtlich des rechtlichen Schutzes des Eigentums, vor allem anläßlich der sog. Hausbesetzungen. Solch radikale ideologische Strömungen erschüttern in der Rechtsgemeinschaft das Vertrauen auf die Legalität strafrechtlichen Einschreitens gegen kriminelles Unrecht und untergraben zugleich die wesentlich auf Konsens der rechtstreuen Bürger sich stützende Legitimationsbasis unserer freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung. IV. Wer sich des engen Zusammenhangs des Gedankens der rechtlichen Schuld mit der Welt der Normen bewußt ist, findet am Stande der heutigen sog. normativen Schuldlehre kein volles Genügen. R. von Frank sah einst in überwindung des vornehmlich psychologisch ausgerichteten Schuldbegriffs den Maßstab der Beurteilung der unrechten Tat in ihrer "Vorwerfbarkeit". Der BGH (Bd. 2, 200) hat später ebenso dekretiert: "Schuld ist Vorwerfbarkeit". Die im Nachsatz für diese These gegebene Begründung, die auf die "Entscheidung des Täters für das Unrecht" abhebt, bleibt jedoch unergiebig. Inzwischen setzt sich die Auffassung durch, daß mit dem Begriff "Vorwerfbarkeit" nur eine nichtssagende Umschreibung des Wortes "Schuld" ausgedrückt werde (E. Schmidhäuser). Angesichts dessen unternahmen es einige Strafrechtslehrer, etwas Verbindliches über den "materiellen" Gehalt des gegen den Täter zu erhebenden rechtlichen Schuldvorwurfs auszusagen. Nimmt man jedoch drei neuere Lehrbücher des Allgemeinen Teils des Strafrechts zur Hand, so zeigt sich, daß solche Versuche, den Inhalt des strafrechtlichen Schuld vorwurfs adäquat zu erfassen, keineswegs voll geglückt sein dürften. So sieht H.-H. J escheck den Gegenstand des Schuldvorwurfs in der "rechtlich verfehlten Gesinnung" des Täters, aus der der Entschluß zur Tat erwachsen ist. Der Hinweis auf das subjektive Moment einer verwerflichen Tätergesinnung vermag jedoch allein den wahren Inhalt eines rechtlichen Schuldvorwurfs nicht zu erschöpfen. Für E. Schmidhäuser liegt der Kern der Vorwerfbarkeit der Tat in erster Linie darin, daß der Täter das durch sein Delikt verletzte Rechtsgut "nicht ernst genommen" hat. Auch diese These bleibt eine bloße Teilwahrheit, da sie dem hohen Rang der Beziehung des

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Täters zur gesamten Welt der verbindlichen Rechtsnormen nur unvollkommen gerecht wird. Und H. Zipf deutet zwar den richtigen Grundgedanken eines rechtlich begründeten Schuldvorwurfs gegen den Täter an, wenn er, allerdings ohne nähere Begründung, die Tragweite der Schuld im "Abfall des Täters von den allgemeinen, dem Durchschnitt zumutbaren Sollensnormen" sieht. Die künftige Strafrechtsdogmatik sollte jedoch an schon früher unternommene Bemühungen einzelner Strafrechtslehrer anknüpfen, den Inhalt des Schuldvorwurfs durch eine stärkere Verbindung des Tatverhaltens mit den Sollensforderungen der Rechtsordnung sachgerecht zu kennzeichnen. In diesem Sinne erblickt z. B. F. Nowakowski den Gegenstand des Schuldvorwurfs in einem "Versagen des Täters gegenüber den Sollensanforderungen einer Norm, insofern als Werte, die das positive Recht strafrechtlich schützt, und der Verbindlichkeitsanspruch des Rechts im Motivationsprozeß nicht entsprechend zur Geltung gekommen sind". Auch der Rechtsphilosoph K. LaTenz vertritt eine ähnliche Auffassung über den Inhalt rechtlicher Schuld: "Wer sich die Schuld gibt, rechnet sich den Unwert der Tat zu, der sich aus der Verfehlung der Sollensanforderung ergibt, er macht sich Vorwürfe. Der Grund des Vorwurfs ist sein Versagen vor der Sollensanforderung. Das Versagen meint nicht nur die bloße Nichterfüllung, sondern die darin liegende Fehlleistung der Person selbst. Eben darum ist der Vorwurf so drückend, trifft er den Menschen im Kern der Existenz". Mit der Formel des "Versagens vor den Sollensanforderungen des Rechts" wird bekundet, in welch hohem Maße der gegen den Täter zu erhebende Schuldvorwurf in unlöslicher Verbindung steht mit dem Ganzen der objektiven Rechtsordnung und ihren für den einzelnen verbindlichen Normen. Bei Erhebung des Schuldvorwurfs wird der Rechtsbrecher konfrontiert mit seiner Tat als einem Bruch der für alle geltenden Rechtsordnung. Wer strafrechtlich gesehen schuldig ist, wird dem Vorwurf der Rechtsgemeinschaft ausgesetzt, bei seiner Tat aus dem Strafgesetz abzuleitende und zugleich sozial notwendige Gebote und Verbote außer acht gelassen zu haben. Für sein rechtswidriges und zugleicl;1 schuldhaftes Verhalten muß der Täter vor dem Forum der Rechtsgemeinschaft die soziale und rechtliche Verantwortung übernehmen. Wird dem Rechtsbrecher die unrechte Tat zur Schuld zugerechnet, so vollzieht sich vor dem Gericht jenes Rede- und AntwortStehen, das seit jeher sich mit der elementaren Forderung nach Verantwortlichkeit verbindet, der sich der Mensch als sittlich-rechtliches Wesen stellen muß. Vergessen wir nicht, daß die Verantwortung des Menschen für sein Tun und Lassen eine "anthropologische Kategorie" (E. von Schenk) von hohem Rang darstellt. Folgerichtig rechnet K. Engisch das Angesprochensein des Menschen durch Rechtsnormen, sein Leben in einer Welt von Normen, sein Verhalten diesen Normen ge-

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genüber und seine Verantwortung fürNormübertretungen zu den Hauptthemen einer Rechtsanthropologie. Die Bedeutung der sozialen und rechtlichen Verantwortung des Menschen für sein Verhalten in der Welt kann nicht überschätzt werden. Der Mensch ist in seinem individuellen und sozialen Dasein "so strukturiert, daß er sein Leben selbst eigenverantwortlich führen muß" (W. Schulz). Die hier zu Recht hervorgehobene menschliche Eigenverantwortung ist jedoch gerade für den Bereich des Rechts nicht zu trennen von der Mitverantwortung, die dem einzelnen für seine Mitmenschen und gegenüber dem Ganzen der Gemeinschaft auferlegt ist. Diese Idee der sozialen Mitverantwortung des einzelnen darf bei der Bestimmung des strafrechtlichen Schuldvorwurfs gegen den Rechtsbrecher nicht ausgeklammert werden. Mit Recht wurde in der neueren Rechtstheorie die Wesensbestimmung des Unrechts und der Gedanke rechtlicher Schuld immer mehr an "sozialen" Kategorien orientiert. So wird heute im Strafrechtsdenken das Phänomen einer "sozialen Kommunikation" ernst genommen. Die Lehre von der sozialen Kommunikation legt besonderen Nachdruck auf die Feststellung der gegenseitigen Abhängigkeit der Menschen untereinander. Dieser gegenseitigen Abhängigkeit liegt vor allem der Sachverhalt zugrunde, daß im sozialen Miteinandersein der Menschen die "Erwartungen einzelner Gemeinschaftsglieder" "jeweils auf das Verhalten anderer gerichtet sind" (P. Nall). Dies bedeutet, daß ein geregeltes, Freiheit und Sicherheit verbürgendes Gemeinschaftsleben nur möglich ist, wenn ein Mindestmaß von Rücksichtnahme der einzelnen gegenüber dem Nebenmenschen und dem Gesellschaftsganzen vorhanden ist. Es kommt hinzu, daß die soziale Integration des einzelnen in die Welt der Gemeinschaft nur auf der Basis zwischenmenschlicher "Solidarität" gelingen kann. Im Sinne der Gegenseitigkeit menschlicher Beziehungen beruht Solidarität darauf, daß im Leben der Gemeinschaft jeder für den anderen einsteht und der einzelne für das Ganze und das Ganze für den einzelnen verantwortlich ist. Eng verwandt mit dem Solidaritätsprinzip ist der Gedanke, daß das gegenseitige Gewähren von Vertrauen das Zusammenleben der Menschen sicherer und beständiger macht. "Die Möglichkeit des sozialen Miteinander beruht auf der gegenseitigen Achtung der Handlungsspielräume und auf dem Vertrauen, daß jeder den ihm zukommenden Rechtsraum nicht auf Kosten anderer ausdehnt" (H. Gtto). Es ist das Verdienst jüngerer Strafrechtslehrer, wie vor allem H. Gttos, daß nunmehr auch den sozialethischen Kategorien der Solidarität und des Vertrauens wesentliche Bedeutung für die Begründung strafrechtlicher Werturteile beigemessen wird. Demgemäß ist im Verbrechen sowohl ein Mangel an auf Gegenseitigkeit beruhender Solidarität als auch ein Angriff auf die "Vertrauensgrundlage der Rechtsordnung" (H. Gtto) zu sehen. Wird somit der Unrechts4 Festschrift für H.-H. Jescheck

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gehalt strafbaren Verhaltens durch die Verletzung mitmenschlicher Beziehungen im Sinne gegenseitigen Vertrauens und zu verwirklichender Solidarität gekennzeichnet, so muß auf diese lebenswichtigen Elemente menschlicher Gemeinschaft sich auch der gegen den Täter zu erhebende rechtliche Schuldvorwurf in erster Linie beziehen. Letztlich gründet alle Schuld im Rechtssinne in der dem Täter als Mitglied der Rechtsgemeinschaft auferlegten "Verantwortung im Miteinandersein" (W. Weischedel) der Menschen. Aus dem Geist solcher sozialer Verantwortung ist das für das menschliche Verhalten geltende sittliche Gebot herzuleiten: "Handle so, daß du als Person in Kommunikation mit anderen treten und den Anforderungen kommunikativer Ordnung entsprechen kannst" (M. Riedel). Die im kommunikativen Dasein und Verhalten geforderte Solidarität und das dort erwartete gegenseitige Vertrauen repräsentieren somit den wesentlichen Inhalt der dem einzelnen auferlegten sozialen und rechtlichen Pflichten. In früherer Zeit wurde von der Strafrechtswissenschaft mit Recht hervorgehoben, daß zum Begriff der Schuld die "Pflichtwidrigkeit" unrechten Verhaltens zu rechnen ist. Wird daher mit dem Schuldspruch dem Täter seitens des Richters die Verletzung der für menschliches Miteinander geltenden sozialen und rechtlichen Pflichten vorgeworfen, so orientiert sich die vom Täter geforderte Pflichterfüllung am Bild eines "maß ge rechten Menschen" (H.-H. Jescheck). Dies bedeutet, daß Leitvorstellung jeden rechtlichen Schuldvorwurfs jener Mensch ist, der sich in seinem sozialen Gesamtverhalten durch die Eigenschaft der "Rechtstreue" auszeichnet. Somit wird dem Täter "vorgeworfen, daß sich an seiner Stelle ein mit rechtlich geschützten Werten verbundener Mensch rechtstreu motiviert hätte" (R. Moos). Denn im sozialen Leben, soll dieses Bestand haben, erhebt die im Staate verfaßte Rechtsgemeinschaft gegenüber ihren Bürgern "Ansprüche normaler Rechtstreue" (C. Roxin). Blickt man auf die Eigenart der vom einzelnen geforderten, an der Rechtstreue orientierten Gesinnungshaltung, so hat die frühere Rechtstheorie diesen für die Lösung des Schuldproblems wichtigen Topos mit dem Bild vom "rechtschaffenen" Menschen umschrieben. Die Rechtschaffenheit als ethisches Gesinnungsmoment und als Ausdruck vorbildhafter sozialer Haltung hat eine lange Geschichte, die von Plaio bis zu Hegel und Dilthey reicht. Die Führung eines "rechtschaffenen Lebens" ist auch heute noch im deutschen und österreichischen Jugendkriminalrecht eines der wichtigsten rechtlich erstrebten Erziehungsziele. Rechtschaffenheit bezieht sich, sozialethisch gesehen, auf die Forderung nach Beachtung der Normen einer "einfachen Sittlichkeit" (F. O. Bollnow), die für ein gedeihliches Zusammenleben der Menschen selbstverständlich sein sollte. Es handelt sich bei der "einfachen Sittlichkeit", die für den rechtschaffenen Bürger verpflichtend ist, um den Hinweis auf jene

Der schuldige Mensch vor dem Forum der Rechtsgemeinschaft

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unzerstörbare ethische Substanz, die auch im heutigen Massenzeitalter ihre Geltungskraft für menschliches Sozialverhalten nicht ganz verloren hat. Versucht man den Gedanken einer vom einzelnen im Sozialleben zu verwirklichenden Rechtschaffenheit wieder zu beleben, so müßte sich diese menschliche Grundhaltung verbinden mit dem Bemühen um jene mitmenschliche Solidarität, aus der die Bereitschaft zu verantwortungsvollem Handeln erwächst. Dem durch seine unrechte Tat schuldig gewordenen Rechtsbrecher die Notwendigkeit einer solchen GrundeinsteIlung zu den elementaren Forderungen des Rechts und der Sittlichkeit lebendig vor Augen zu führen, ist für den Strafrichter eine unerläßliche pädagogische Aufgabe. Erst wenn der Versuch unternommen wird, im Bereich einer anzustrebenden "Schuldverarbeltung" seitens des Täters in ihm das Bewußtsein sowohl von der ethischrechtlichen Tragweite seiner Tat als auch von dem Maß seiner sozialen Verantwortung zu erwecken, besteht die Chance, daß der Täter die ihm gemäß seiner Schuld auferlegte Strafe als gerecht empfindet und er die mit ihr verbundene soziale Leistung im Sinne seiner Resozialisierung zu erbringen bereit ist. Eine solche "Rechtserziehung" sollte sich heute vor allem im sog. "Schulddialog" zwischen dem Rechtsbrecher und dem Strafrichter vollziehen. Über Sinn, Möglichkeiten und Grenzen eines solchen regelmäßig in der Hauptverhandlung stattfindenden Schulddialogs wird heute im Bereich der Strafrechtswissenschaft unter verschiedenartigen Aspekten nachgedacht. Leider wird gelegentlich die Aufgabe eines Schulddialogs zwischen Täter und Richter insofern mißverstanden, als er primär einer "argumentativen Exkulpation" im Sinne einer anstelle der "Zurechnung zur Schuld" tretenden "Wegrechnung" der Verantwortlichkeit dienen soll (F. Haft). So sehr der Richter im Rahmen des Schuldspruchs auch die den Täter entlastenden Umstände gebührend berücksichtigen muß, so darf er doch nicht die Hauptaufgabe des zwischen ihm und dem Täter zu führenden Dialogs außer acht lassen: den gegen den Täter im Hinblick auf die unrechte Tat von Gesetzes wegen zu erhebenden Schuldvorwurf durch einen berechtigten Hinweis auf die Fehlerhaftigkeit der im Rechtsbruch sich offenbarenden Grundhaltung zu legitimieren. Mit dieser, im Schuldvorwurf liegenden rechtlich-sittlichen Mißbilligung der unrechten Tat muß sich jedoch zugleich der an die Person des Täters gerichtete Appell verbinden, künftig unter Achtung der Rechte anderer ein Leben in sozialer Verantwortung zu führen. Nicht zuletzt dient der Schulddialog auch der Befestigung des für die Geltung der Strafrechtsordnung fundamentalen Gedankens, daß der schuldige Mensch ebenso wie der Richter nicht nur Mitglieder der einen Rechtsgemeinschaft sind, sondern auch unter der Herrschaft der für alle geltenden Gesetze stehen.

RICHARD LANGE

N eue Wege zu einer Gesamten Strafrechtswissenschaft Ausgerechnet zu ihrem hundertsten Geburtstage ist der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, die Hans-Heinrich J escheck seit vielen Jahren herausgibt, der Anspruch ihres Titels aus ihrem innersten Kreis heraus abgesprochen worden. Rückkehr zur gesamten Strafrechtswissenschaft? fragt Lelerenz l • Für ihn gibt es sie zur Zeit nicht und hat es sie auch in Wahrheit nie gegeben. Liszt selbst hat den angestrebten Zusammenhang zwischen Kriminalpolitik und Systematik wieder aufgegeben. Dieser ist undurchführbar und politisch bedenklich. Der normative Überbau über die realen Erscheinungen einerseits und die empirischen Wissenschaften andererseits können nicht in einer übergreifenden Kriminalwissenschaft zugleich vertreten werden. Aus einer solchen Sicht ist Strafrecht nicht begründbar. Der "Überbau" des Schuldstrafrechts geht notwendigerweise von einem Bereich der Freiheit aus, steht also nicht auf dem deterministischen Fundament der empirischen Wissenschaften, im besonderen der Kriminologie. Das Recht gehört in diesem Bilde der Wirklichkeit nicht an. Für die Kriminologie gilt nach wie vor, was David Matza in den sechziger Jahren konstatierte: sie folgt einem "strengen Determinismus"2. Mit einer solchen Antinomie kann in Wahrheit weder die Wissenschaft noch die Praxis leben. Einen total Determinierten strafen ist dasselbe wie einen Geisteskranken strafen. Sind alle derart determiniert, darf man keinen strafen. Das Ausweichen in ein Maßregelsystem hat überall, in der Sowjetunion, in Skandinavien, in Grönland, in nord- und mittel amerikanischen Staaten, in eine Sackgasse geführt. Fast als einziger hat Stephan Schaler das Stehenlassen dieser Widersprüche angeprangert. Er rügt, daß die Kriminologie dem Problem des freien Willens bisher nicht den ihm gebührenden Vorrang eingeräumt hat. Die quantifizierenden Kriminologen folgen stillschweigend 1

ZStW 93 (1981), S. 199 ff., 221.

Delinquency and Drift, 3. print. 1967; dazu der Ver!., Das Rätsel Kriminalität, 1970, S. 159,340. 2

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einem Hang zum Determinismus unter Anknüpfung an das wissenschaftliche Denken des 19. Jahrhunderts. Besessen von Zahlen und Tabellen verlieren sie grundlegende qualitative Fragestellungen aus dem Auge. Nur schwer kann man angesichts dessen Gleichmut bewahren und Zynismus und Verzweiflung vermeiden. Die Wurzeln des Verbrechens liegen viel tiefer, als sie von den quantifizierenden Forschern in ihrer deterministischen Haltung gesehen werden. Oberflächlichkeit der Fragestellungen und Banalität der Ergebnisse sind die Folgen der mangelnden Grundlegungen in der zentralen Frage, die bereits Leibniz, Malebranche, Kant, Edwards, Hartmann, Gomperz, Ayers als solche erkannt hatten. Schafer seinerseits gelangt zu einem gemäßigten Indeterminismus und einem entsprechend gemäßigten Determinismus3 • Von ganz anderer Seite her kommt Sacks Beobachtung, daß die Trennung von Sein und Sollen und von Verhalten und Normen ungerechtfertigt sei 4 • Auf sie kann hier nur verwiesen werden. Wo die Dogmatik auf die Kriminologie Bezug nimmt, stellt sie Normatives und Empirisches ihrerseits gemäß jener Zwei-Reiche-Theorie einander gegenüber. So Jescheck6 und Zipr in ihren Lehrbüchern. Im Leipziger Kommentar stellt Hans Joachim Hirsch 7 dem Abschnitt Körperverletzungen eine kriminologische Übersicht voran. Jähnke 8 läßt sich auf eine umstrittene Selbstmordtheorie ein. Im Kommentar Schönke!Schröder hatte Schröder einige Auflagen lang kurze kriminologische Vorbemerkungen eingeführt, dies aber bald wieder aufgegeben. Heißt es in der Dogmatik: jedem das Seine, so wird von kriminologischen Richtungen dem Strafrecht bekanntlich die Existenz schlechthin abgesprochen. So namentlich aus psychoanalytischer Sicht. "Die Erkenntnis ist ein Feind des Richtens und Strafens" heißt es 1929 in 3 Zum Problem des freien Willens in der Kriminologie, MSchrKrim. 59 (1976), S. 69 ff. 4 Probleme der Kriminalsoziologie, in: Hb. der empirischen Sozialforschung, 2. Auf!. 1967, S. 369. Vgl. dazu die Bespr. von Leferenz, ZStW 91 (1979), S. 1000, 1004 sowie Amelung, ZStW 92 (1980), S. 32 Fn. 59. 5 LB, 3. Aufl. 1978, S.35 u. 327 ff. Jescheck sieht das anthropologische Problem und nennt die Versuche, durch eine verstehende Kriminologie die Brücke zum Schuldprinzip zu schlagen. G In Maurach!Zip!, LB, 6. Aufl. 1983, S. 34 ff. geht Zipf auf die anthropologischen Ansätze von heute ein, ebenso - im Einklang mit J escheck - ders., in: Kriminalpolitik, 2. Aufl., 1980, S.45 f. 7 10. Aufl., Rdn. 21 ff. vor § 223. 8 LK, 10. Aufl., Rdn. 27 f. vor § 211. Daß der Selbstmordforscher Ringel, auf den sich Jähnke in erster Linie beruft, dessen Konsequenzen für ganz verfehlt hält, bezeugt Roxin, Dreher-Festschrift, 1977, S. 353. - Zutr. Jähnkes kriminologische Bemerkungen, Rdn. 50 vor § 211.

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dem kürzlich neu herausgegebenen Buch von Alexander und Staub "Der Verbrecher und sein Richter". Für die ebenfalls jetzt wieder herausgegebene Arbeit von Reiwald "Die Gesellschaft und ihre Verbrecher" (1948) ist der Verbrecher der unschuldige Sündenbock der Gesellschaft. Er fordert Heilen statt Strafen. Allerdings: bei schwerster Gemeinschaftsgefährdung, insbesondere bei vielfachem Mord, bei schweren Sexualdelikten und bei ständiger Verletzung des Gemeinschaftsinteresses z. B. durch schwere white collar crimes ist im ersten Fall schmerzlose Tötung durch den Gerichtsarzt zu prüfen, im zweiten lebenslängliche Verwahrung mit Arbeitszwang 9 • Die Kanonisierung dieser alten, in ihren Grundannahmen längst überholten Arbeiten deutet auf Stagnation hin, wie denn auch die Psychoanalyse ungeachtet ihres hohen Anspruchs sich wenig mit der Struktur der Tat beschäftigt und nur in wenigen Äußerungen ein umfassendes Konzept der Kriminalitätsbedingungen entwickelt hatlo • Nach der Theorie des labeling approach haben Strafrecht und Kriminologie nicht einmal denselben Gegenstand. Wenn man aber endlich die ideologische Verzerrung der hier angesprochenen Problematik abstreift, sieht man, daß sie als Darstellung und Kritik der ermittelnden, urteilenden und vollstreckenden Staatsorgane in die Kriminalistik und nicht in die Kriminologie gehörtl1 • Die allgemeine Soziologie verharrt mit methodologischer Notwendigkeit noch immer auf dem Standpunkt ihres Begründers Comte und namentlich des Kriminalsoziologen Quetelet: "Vor allem müssen wir vom einzelnen Menschen absehen und dürfen ihn nur mehr als einen Bruchteil der ganzen Gattung betrachten." Damit disqualifiziert sie sich von vornherein für das Strafrecht, das versuchen muß, dem je Einzelnen in seiner Einmaligkeit und Einzigartigkeit gerecht zu werden. Dennoch sieht z. B. Lautmann eine Soziologisierung der Jurisprudenz12 • 9

S. 305 f.

Bräutigam in: Hb. der forensischen Psychiatrie I, 1972, S.776, 789 sowie 802, Fn.4; hier über neuere Entwicklungen. Aber gerade die hier als wichtigste genannte Arbeit, die von Maser, kehrt zu den alten Positionen zurück. - Zum Selbstwiderspruch der Psychoanalytiker, die mit Alexander und Staub (1929) "die Erkenntnis" als "Feind des Richtens und Strafens" betrachten und dennoch forensisch als Gutachter, d. h. als Gehilfen des Gerichts auftreten, vgl. Rauch, Leferenz-Festschrift, 1983, S. 390 ff. über ihr Gewicht in der heutigen Strafpraxis Göppinger, ebendort S.420; zum "Passepartoutbegriff Neurose" kritisch dort Bresser, S. 438. 11 Wir können Zipf nicht folgen, wenn er im Lehrbuch (Anm. 6) meint, die Kriminologie habe den labeling approach angenommen. Vgl. dazu u. a. Leferenz, ZStW 84 (1972), S. 954 ff.; ders., ZStW 91 (1979), S. 988 ff., den Verf., ZStW 93 (1981), S. 183 ff. und jetzt Göppinger, Der Täter in seinen sozialen Bezügen, 1983, S. 7 f. (unten Anm. 50). 12 Soziologie vor den Toren der Jurisprudenz, 1971, S. 9 ff. 10

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Die Rechtssoziologie im besonderen sollte berufen sein, zwischen Normativem und Empirischem eine Brücke zu schlagen. Aber nach Ansicht des führenden Soziologen Schelsky 13 hat sie, wie die Soziologie überhaupt, den im Recht und nach Maßgabe des Rechts handelnden Menschen aus den Augen verloren. Er zeigt dies an vier ihrer repräsentativsten Vertreter aus den verschiedensten Lagern. Bei Gehlen geht der Mensch in der Institution auf: "Eine Persönlichkeit ist eine Institution in einem Fall". Dabei gerät die Einwirkung der Person auf die Institution, die durch Rechtssetzung geschieht, außer Sicht. In Dahrendorfs Theorie wird das Recht schon im Ansatz ausgeblendet. Er unterscheidet nicht, wie Max Weber, Macht und die auf rechtlicher - Legitimation beruhende Herrschaft l4 • Habermas äußert sich kaum über das Recht. Er verwirft Herrschaft und Institutionen und damit den Wirkungskreis des Rechts15 • Luhmann vereinseitigt das Recht zum gesellschaftlichen Steuermechanismus. Schon im Ansatz gibt er die Handlungstheorie zugunsten der Systemtheorie auf. So bedeutet Positivierung des Rechts für ihn, daß für beliebige Inhalte legitime Rechtsgeltung gewonnen werden kann. Positives Recht gilt kraft Entscheidung. Für Schelsky verfehlt eine Soziologie des Rechts ihre Aufgabe, wenn sie nicht mehr zu bieten vermag als eine Rechtssoziologie ohne Recht. Gerade seinem Lehrer aber wird Schelsky nicht gerecht. 1953 bereits erklärt Gehlen 16 : "Es sind sehr langsame ... über Jahrhunderte und Jahrtausende herausexperimentierte feste und stets auch einschränkende inhibitorische Formen wie das Recht, das Eigentum, die monogame Familie, die verteilte Arbeit, welche unsere Antriebe ... heraufgezüchtet haben auf die hohen exklusiven und selektiven Ansprüche, welche Kultur heißen dürfen. Diese Institutionen, wie das Recht, die monogame Familie, das Eigentum, sind selbst in keinem Sinne natürlich und sehr schnell zerstört ... wenn man diese Stützen wegschlägt, dann primitivisieren wir sehr schnell." Hier erscheint schon sein späteres Bild vom Menschen als einer "liquiden Masse", die zu allererst Festigung durch das Recht braucht. Schelskys Kritik an Luhmanns Positivismus und Dezisionismus wird man dagegen grundsätzlich zustimmen müssen, ebenso auf der andeDie Soziologen und das Recht, 1980. Zu einem zweiten grundsätzlichen Einwand vgl. Anm. 17. 15 Zu Habermas' Rechtsferne Anm. 110. 18 Das Bild des Menschen im Lichte der modernen Anthropologie, in: Die neue Weltschau (Hrsg. Gebser), 1953, S. 86 f. 13 14

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ren Seite der an Habermas' Ausblendung des Rechts. Seiner Kritik an Dahrendorf ist unter anthropologischem Gesichtspunkt hinzuzufügen, daß dieser selbst bekennt, die Soziologie müsse den "ganzen Menschen" ausblenden. Das Recht und erst recht das Strafrecht muß ihn aber, wie schon gesagt, in seiner Ganzheit und Individualität erfassen 17 .

Schelskys Kritik umfaßt nicht alle Richtungen der Rechtssoziologie. So sieht Ernst E. Hirsch 18 durchaus den Menschen im Recht und in seiner Freiheit, trotz seines biologistischen Ansatzes. Schelsky selbst mißt dem Recht einen zentralen Wert bei. Unter Betonung des freien Willens und der Selbständigkeit der Person im Verständnis des Rechts gelangt er zu "einer unter Soziologen wohl recht seltenen Aufwertung des Rechts als Grundlage unseres Gemeinwesens ,Bundesrepublik' . In der von mir immer wieder thematisierten Spannung zwischen freiheitlicher Selbstbestimmung des Subjekts und den institutionell gesetzten gesellschaftlichen Zwängen ist mir das praktische Ordnungsprinzip des Rechts, wie es bereits Kant und die Aufklärung verstand, zur letzten zu vertretenden geistigen Position geworden. Recht verbindet nicht nur ererbte Stabilität mit dauerndem sozialem Wandel, nicht nur die persönlichen Freiheitsrechte mit den Bindungen an gesellschaftlich auferlegte Pflichten, sondern es ist in dieser institutionellen Spannung zwischen subjektiver Freiheit und sozialem Sachzwang der einzige politische Mechanismus, der zwischen unaufhebbarer Fremdbestimmung und immer erstrebter Selbstbestimmung der einzelnen Person politisch und sozial vermitteln kann"19. War der allgemeinen Soziologie durch ihre deterministische Einstellung 20 und ihre Abstraktionshöhe lange der Weg zur "werdenden Anthropologie" (Portmann) verstellt, so zeichnet sich jetzt in der Kriminalsoziologie eine neue Entwicklung ab. Henner Hess 21 übernimmt die anthropologischen Entwürfe von Gehlen und Portmann, ohne allerdings auf ihre Verschiedenheiten einzugehen 22 , aber mit der entscheidenden Anerkennung eines Freiheitsraums. Sehr schnell mündet er jedoch in altmarxistische Kategorien ein: die Entfremdung - nicht im positiven Sinne Gehlens verstanden - , die "Taktik des Dummhaltens", der "stumme Zwang der ökonomischen Verhältnisse", die "Tatsache, daß man in einer kapitalistischen Gesellschaft ... in der Regel seine Arbeitskraft verkaufen muß, um zu überleben", während die 17

18

Hierzu eingehend der Ver!., JZ 1965, S. 737 und ders., (Anm.2), S. 312 ff. Neuestens JZ 1982, S. 41 ff. Dazu der Ver!., Leferenz-Festschrift, 1983,

S.41. 19 Rückblicke eines "Anti-Soziologen", 1981, S. 98 f. '0 Schelsky (Anm. 19), S. 99. 21 Probleme der sozialen Kontrolle, Leferenz-Festschrift, 1983, S. 5 f., 10 f. 22 Zu diesen Portmann, Anthropologie, in: Propyläen-Weltgeschichte IX!2 (1960/1972), S. 591, 593 f.

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"Besitzer der Produktionsmitel ... den Mehrwert einfach einbehalten können", dazu "Konsumzwang" usw. Auf diese Weise begründet Hess seine Theorie der aktiven Sozialkontrolle, worunter "präventives Ausschließen ungewünschten Verhaltens" verstanden wird, und vor allem die Theorie ihrer Lücken. "Wo die Instanzen der formellen Kontrolle ... ein Kontrollvakuum entstehen lassen, können ihre Aufgaben informell von anderen, primär nicht der Kontrolle dienenden Institutionen, ... übernommen werden - wie es Max Weber an den Sekten in den USA gezeigt hat und wie ich es für die sizilianische Mafia zu demonstrieren versucht habe 23 ." Hier zeigt sich, was bei dem Begriff "soziale Kontrolle" herauskommt, der die Rechtsidee ignoriert: Recht und Unrecht stehen auf gleicher Stufe24 • Mit geköpften Begriffen arbeitet die Soziologie auch bei ihren Bezeichnungen für rechtmäßiges und unrechtmäßiges Verhalten: Anpassung und abweichendes Verhalten. Im Totalitarismus ist der aktive Mitmacher bis hinauf zum Denunzianten der Angepaßte, in der Kannibalengesellschaft ist, wie Mergen treffend bemerkt hat, der Nicht-Menschenfresser der mit dem abweichenden Verhalten. Welche konkreten Kontrollreaktionen zum Zuge kommen, hängt nach Hess weitgehend von den Diagnosefiguren ab, mit denen die jeweilige Abweichung definiert wird, etwa als Kriminalität, Krankheit, Sonderbarkeit usw. Ganz unabhängig vom tatsächlichen Verhalten des Abweichenden, das gibt er immerhin zu, sei diese Diagnose nicht, doch verfehle man einen entscheidenden Punkt, wenn man die Definitionsmacht der Kontrolleure nicht genügend beachte. Diese Definitionsmacht bestimme, was als Abweichung gelte und ihre Form, ob Kriminalisierung, Pathologisierung oder Neutralisierung. Bei der "Kriminalisierung" im Fahrwasser des labeling approach spricht Hess von der "Pathologisierung" von Amts-, Militär- und Betriebsärzten, nicht aber von dem sowjetischen System, politisch Abweichende in psychiatrischen Anstalten beliebig langen "Behandlungen" zu unterwerfen. "Neutralisierung" ist der Versuch, abweichendes Verhalten auf bestimmte Personengruppen oder einen bestimmten sozialen Kontext zu beschränken. Als Beispiele nennt er Boheme, Prostitution und Karneval. Auch sie gehören also für ihn zur sozialen Kontrolle bzw. deren Handhabung. So wird in diesem gespensterhaften Bild der Freie in der freien Gesellschaft zu einem von einem anonymen Leviathan beliebig manipulierten Objekt in extremer Unfreiheit. (Anm. 21), S. 13 f. Vgl. Friedrich Hacker, Versagt der Mensch oder die Gesellschaft?, 1964; dazu der Ver/. (Anm.2), S. 42 f. Nach Hacker wird in Reno und Las Vegas die Ordnung in den Spielbanken durch Polizeibeamte im Dienst und Sold verbrecherischer Organisationen aufrecht erhalten. 23

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Für Hess ist allerdings die staatliche Gesellschaft überhaupt unfrei. Seine nostalgisch anmutenden Sympathien gehören einer anderen. "Wir wissen, ... , daß die Menschen - evolutionär gesehen - viel länger als in staatlichen Gesellschaften in der "regulierten Anarchie" (Weber) der Stammesgesellschaften gelebt haben, die friedlicher und geordneter waren als spätere staatliche, durch Klassenspaltung und Herrschaft charakterisierte, und daß deshalb auch die ... anarchistische politische Theorie kein utopisches Ideengebäude sein muß"25. Daß der letzte Versuch, den guten Wilden als Realität darzustellen, die Berichte von Margaret Mead über die Samoaner, nicht auf authentischen Beobachtunge~ beruht, war Hess wohl nicht bekannt. Bleibt hier im soziologischen Bereich die Erkenntnis des menschlichen Freiheitsspielraums ohne Konsequenzen, so stoßen wir neuerdings im dogmatischen Bereich, in dem nach allgemeiner Meinung das Schuldprinzip Verantwortungsfähigkeit und damit Freiheit voraussetzt, auf deterministische Ansätze. Von ursprünglich psychoanalytischem Ausgangspunkt her26 stellt

Streng die Legitimität der Strafzwecke und darüber hinaus das Schuld-

strafrecht insgesamt in Frage. Bezugspunkt seiner kriminal politischen Forderungen ist "das Strafbedürfnis der Allgemeinheit", also das Bedürfnis, andere zu bestrafen27 • Demgegenüber haben Freud und ihm folgend Reik unter "Strafbedürfnis" das Verlangen des Täters selbst, bestraft zu werden, verstanden28 • Nunmehr stellt Streng unter Berufung auf die Sozialwissenschaften sein Sanktionssystem auf ein angenommenes sozialpsychisches Faktum. Ein solches kann man allenfalls demoskopisch zu ermitteln versuchen29 • Man erinnert sich, daß nach Abschaffung der Todesstrafe noch Jahrzehnte lang bis zu 75 % der Bürger ihre Wiedereinführung forderten. Strengs Bezugspunkt ist die Gesellschaft, nicht Staat und Recht. Er greift auf die alte Sündenbocktheorie der Psychoanalyse zurück30 , was mit seinem neuen Arbeitsansatz nicht zusammengeht. Dabei setzt er Vergeltung mit Rache gleich31 • Aber historisch gesehen drängte das Talionsprinzip die endlose Kette emotionaler Blutrache zurück, schaltete sie schließlich aus, ein erstes Eingreifen des Rechtsgedankens der Verhältnismäßigkeit32 • (Anm. 21), S. 3 f. Psychoanalyse und Strafrecht, MSchrKrim. 59 (1976), S. 77 ff. 27 Streng, Schuld, Vergeltung, Generalprävention, ZStW 92 (1980), S.643. 28 Dazu Streng (Anm. 27), S. 643 Fn. 25. 29 Zur Problematik eines "sozialpsychologischen Bewußtseins" vgl. unten (Anm. 58), S. 12. 30 (Anm. 27), S. 644 ff. 31 (Anm. 27), S. 649. 2:;

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Von Strengs sozialpsychologischem Ansatz aus kommt weder die Rationalisierung des Strafrechts noch die deliktsspezifische Akzentuierung der Strafzwecke ins Blickfeld, ebensowenig aber auch die Rationalisierung des Verbrechens. Die schwere und schwerste Kriminalität zeigt gegenüber dem Bild noch der ersten Nachkriegszeit völlig veränderte Züge. Im Vordringen sind bandenmäßiges, berufsmäßiges und organisiertes Verbrechen unter zunehmender Brutalisierung. Bei den Hintermännern der Rauschgiftkriminalität mit ihren Implikationen von Waffenhandel, Prostitution und Zuhälterei, bei Erpressung von "Schutz geldern" , bei Bankraub und Entführungen haben wir es regelmäßig mit sozialisationsunempfänglichen und strafunempfindlichen Tätern zu tun. Die Notkriminalität ist durch Wohlstandsund Begehrungskriminalität abgelöst. Die Zahl der Verbrechen hat sich seit 1965 mehr als verdoppelt. Die Kriminologie hat die Wurzeln dieser Wendungen bisher nicht erkannt und verarbeitet, sie kann daher der Dogmatik keine neuen Fundamente geben33 . In einer neuen Arbeit 34 erkennt Streng an, daß auf das Strafrecht auch und gerade dann nicht verzichtet werden könnte, wenn sich alles menschliche Verhalten als determiniert herausstellen sollte35 . "Je stärker Menschen determinierbar sind, desto rationaler ist demnach die Androhung bzw. Verhängung von Strafen. Für die strafrechtliche Schuld relevant sein kann somit nicht der Freiheitsgrad, sondern allenfalls die Dimension Freiheitsbewußtsein"36. Ein - wenn auch allgemein verbreiteter - Irrtum, nämlich ein solches Bewußtsein unter diesen Voraussetzungen, kann aber nicht gut Grundlage von Schuld und Strafe sein, die an eine Rechtsidee gebunden sind. Da die Freiheitsfrage nach Strengs Meinung wegen unüberbrückbarer Gegensätze zwischen Norm- und empirischer Wissenschaft aus der Beurteilung der Schuldfähigkeit herausgenommen werden muß 37 , schlägt er anstelle des bisherigen § 20 folgende Fassung vor: "Strafrechtliche Schuld liegt nicht vor, wenn der Täter bei Begehung der Zutr. Jescheck (Anm. 5), S. 51: Vergeltung als Maßprinzip. 33 Ob die - aus der Tagespresse zugängliche - Entscheidung BGHSt.

32

GrSen. 32, 115 ff., vom 17. 10. 83, betr. V-Männer u. a. der durch das Vordringen des organisierten Verbrechens, insbes. der Mafia, gekennzeichneten neuen Dimension der Kriminalität adäquat ist, muß man bezweifeln. Willms, F AZ v. 19. 1. 84, stellt eine "auffällige Abweichung" von dem Beschluß des BVerfG Bd. 57 S. 250 v. 26. 5. 81 fest, die den Gesetzgeber auf den Plan rufe. 34 Richter und Sachverständiger, Leferenz-Festschrift, 1983, S. 397 ff. 35

(Anm. 34), S. 408.

37

(Anm. 34), S. 405.

36 (Anm. 34), S. 408, Fn. 38.

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Tat mit einer krankhaften seelischen Störung, einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder mit Schwachsinn oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit behaftet war und deswegen eine Verdeutlichung der sozialen Verantwortlichkeit des Täters durch Strafe untunlich ist"3B. Auf die Frage, ob die neuen Begriffe genügend bestimmt und praktikabel sind, ist hier nicht einzugehen. Zu Strengs psychoanalytischem Ansatz, den er jetzt allerdings zugunsten sozialwissenschaftlicher Aspekte zu verlassen scheint, ist allgemein zu bemerken, daß bei Würdigung der kriminologischen Bedeutung Freuds differenziert werden muß. Die Annahme eines historischen Urverbrechens39 , auf der er seine These vom Ödipus-Komplex aufbaute, "das Kardinalproblem jeder Kultur und jedes einzelnen Menschen" (Balint), übernahm er von einer 1903 erschienenen Arbeit von I. Atkinson, Primal Law, einer abstammungsgeschichtlichen Hypothese; Freud selbst fühlte sich als Darwinist 40 • Dieser in psychoanalytischer Sicht für die Kriminologie entscheidenden Grundlage, auf der noch Reiks "Geständniszwang und Strafbedürfnis" (1925) beruht, ist durch die ethnologische Forschung längst und endgültig der Boden entzogen, vor allem durch die Untersuchungen Malinowskis 41 • Obwohl sich aber Freud als Naturwissenschaftler fühlte und in den Begriffen dieser Wissenschaft sprach42 , ist seine Methode die des ganzheitlichen Verstehens. Nicht zufällig hat man seiner Lehre im angelsächsischen Bereich den Charakter einer Wissenschaft deswegen abgesprochen 43 • Mit dieser Methode rückt Freud an die mit Dilthey beginnende geisteswissenschaftliche Tradition heran"; und biologisch erkennt er: "Die intrauterine Existenz des Menschen erscheint gegen die der meisten Tiere relativ verkürzt; er wird unfertiger als diese in die Welt geschickt" 4,. Das geht bereits in die Richtung der späteren bahnbrechenden Entdeckungen Portmanns über das extrauterine Frühjahr des Menschen und seine darauf aufbauende Anthropologie 46 • (Anm. 34), S. 409. Freud sah es als Faktum an (Totem und Tabu S. 193); vgl. Ernst Spengler, Das Gewissen bei Freud und Jung, 1964, S. 14. 40 Hierzu Guntram Knapp, Der antimetaphysische Mensch: Darwin, Marx, Freud, 1973, S. 217. 41 Dazu der Verf. (Anm. 2), S. 251. 42 Vgl. Knapp (Anm. 40), S. 156, 196 ff. 43 Knapp (Anm. 40), S. 200 ff. 44 Hierzu Ricoeur, Die Interpretation. Ein Versuch über Freud, 1969, S.383 (zit. nach Knapp S. 199): "Man muß Freud die gleichen Fragen stellen wie man sie Dilthey, Max Weber, Portmann stellt, nicht solche, wie man sie einem Physiker stellt." 45 Zitiert bei Knapp (Anm. 40), S. 179. 46 Portmann (Anm. 22), S. 570, 572, 578 ff., 589 f. a8

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Einen weiteren Ansatz zu einer gesamten Strafrechtswissenschaft auf sozialpsychologischer Grundlage unter Ausklammerung des Freiheitsproblems muß man in Jakobs' kriminalpolitisch-dogmatisch begründeter Konzeption des Schuldbegriffs sehen47 . Dieser ist funktional auf den Strafzweck der positiven Generalprävention - der Erhaltung allgemeiner Normanerkennung - zu beziehen. "Der Täter ... hat Schuld, ... wenn (er) für den Mangel (an dominanter rechtlicher Motivation) zuständig ist. Diese Zuständigkeit ist gegeben, wenn es an der Bereitschaft fehlt, sich nach der betroffenen Norm zu motivieren und dieses Manko nicht so verständlich gemacht werden kann, daß es das allgemeine Normvertrauen nicht tangiert." Im folgenden wird Schuld auch "Rechtsuntreue" genannt und Rechtstreue als normativer Begriff bezeichnet48 • Jedoch: Zur Beschuldigung gehört eine sozialpsychologische Plausibilität derart, daß eine allgemeine Bereitschaft besteht, in einer Situation, in der sich der Täter befindet, Verantwortung zu akzeptieren (oder auf sie zu verzichten). Solche Bereitschaft besteht unabhängig von der Annahme der Willensfreiheit. Dieser Begriff hat keine soziale Dimension. Er ist nur nötig, wenn mit dem Schuldurteil nicht nur ein sozialer Effekt erreicht werden soll, sondern auch eine Abwertung des Individuums ("Vorwerfbarkeit")49. Aber das Bewußtsein der - relativen - Freiheit des Willens ist der allgemeinste und zentralste psychische Sachverhalt, den es überhaupt gibt, auch wenn er gerade wegen seiner Selbstverständlichkeit nicht ständig aktualisiert und reflektiert wird. Die heutige Anthropologie bejaht diese Freiheit und damit die Verantwortlichkeit, wie noch zu zeigen ist. Sozial psychologische Plausibilität und sozialer Effekt hingegen sind maßstablose, schwimmende und in der heutigen Mediengesellschaft (Schelsky) beliebig manipulierbare Größen, opportunistischen Einflüssen ausgesetzt. Ihnen entspräche ein Opportunitätsprinzip im Prozeßrecht, das aber nur im Recht der Ordnungswidrigkeiten erträglich ist. Jakobs fordert (Re-)Normativierung der Begriffe. Das ist vorbehaltlos zu begrüßen. Aber gerade der zentrale Schuldbegriff wird durch das Element sozial psychologischer Plausibilität entnormativiert. Damit sieht sich Jakobs den gleichen Einwänden ausgesetzt, die zuvor gegen Streng zu erheben waren. Auch dem Schrifttum, das grundsätzlich das Schuldstrafrecht in seiner gegenwärtigen Konzeption bejaht, können hier nur einzelne aktuelle und möglichst repräsentative Arbeiten entnommen werden. 47 48

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Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1983, S. 397 ff. (Anm. 47), S. 385. (Anm. 47), S. 397.

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In seinem neuesten Buch: "Der Täter in seinen sozialen Bezügen" zieht Göppinger zunächst die Quintessenz der schon seinem Lehrbuch zugrunde liegenden Untersuchung von je 200 straffälligen zwanzig- bis dreißigjährigen Häftlingen (H-Gruppe), im Vergleich mit 200 dem Querschnitt der allgemeinen Bevölkerung entnommenen jungen Männern derselben Altersgruppe (V-Probanden). Für das Verhalten der H-Gruppe ergeben sich geradezu stereotyp folgende Verhaltensweisen: aktives Sich-der-elterlichen-Kontrolle-Entziehen oder Ausnützen fehlender Kontrolle; keine Ptlichtenübernahme; häufiger Wechsel des Aufenthalts, frühzeitige Heimunterbringung mit wiederholtem Ausreißen, Milieuprovokation, schlechte Schulleistungen, Sonderschule, Schulabbruch, Schwänzen; kein Interesse an Lehre und Ausbildung, häufiger Wechsel des Arbeitsplatzes unter großen Intervallen, große Schwierigkeiten mit Lehrherren und Arbeitskollegen; zunehmende Ausweitung der Freizeit mit offenen ungeplanten Abläufen außer dem Hause, durch Abenteuersuche, Alkohol, unkontrolliertes Geldausgeben und gewalttätige Auseinandersetzungen gekennzeichnet; Ablehnung der elterlichen Familie, Vielzahl oberflächlicher Kontakte zu "Kumpeln" ohne wirkliche Bindung; häufiger Wechsel der Geschlechtspartnerinnen; geringe Bereitschaft zur Ehe mit ihren Bindungen und Gemeinsamkeiten. Die V -Gruppe, deren Angehörige keineswegs alle gänzlich unbestraft waren, wies in allen diesen Bereichen das gegenteilige Verhalten auf. Zur H-Gruppe decken sich Göppingers Ergebnisse bis zur völligen Kongruenz mit dem Bilde, das sich in etwa dreißigjähriger Zusammenarbeit des Verfassers mit Psychiatern, Gerichtsmedizinern und Psychologen immer wieder ergab. Die umfassenden Feststellungen Göppingers veranschaulichen, wie fragwürdig jene "heute (noch) vorherrschenden Theorien" sind, "die für Kriminalität gesellschaftliche Umstände verantwortlich machen, sei es, daß Kriminalität als Auswirkung von bestimmten Gesellschaftsstrukturen oder daß sie als Folge von sozialer Reaktion angesehen wird"50. Dahingestellt bleiben muß an dieser Stelle, wie weit die stereotype Einstellung in der H-Gruppe, anderen, insbesondere der Familie oder der Gesellschaft, die Schuld am eigenen Versagen anzulasten, durch die Massenmedien hervorgerufen oder verstärkt worden ist. Ein wesentliches erstes Ergebnis von Göppingers Untersuchung ist der Nachweis der "offensichtlichen Unrichtigkeit" des labeling approach-Ansatzes. DO

Göppinger, Der Täter in seinen sozialen Bezügen, 1983, S. 3.

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Schon in der Prämisse der Gleichverteilung der Kriminalität zeigte sich, weil Häftlinge auch hinsichtlich Schwere und Häufigkeit der erfragten Delinquenz durchweg schwerer belastet sind als die Durchschnittspopulation, das Fehlerhafte dieses Ansatzes. Das wies auch die Göppingers Forschungen ergänzende Studie von Schöch 51 nach. Ausgangspunkt von Göppingers Untersuchung war ein gravierendes Mißverhältnis von kriminalistischen Programmen und erfahrungswissenschaftlieh gesicherter Kenntnis, ein Urteil, das weitgehend für die Kriminologie zutrifft, ebenso wie das vom "Übergewicht rechtsund kriminal soziologischer Theorien". Der Zugang zum Täter in seiner Persönlichkeit scheint oftmals durch die Methoden der "empirischen Sozialforschung" geradezu verstellt. Göppingers Untersuchungen ergeben eine spezifische Relevanz der Befunde über die Person, denen gegenüber die üblichen Fragestellungen nach Schicht und Sozialisation relativ unspezifisch waren, ebenso wie die gängigen testpsychologisch und psychopathologisch erfaßbaren Kriterien52 • In den hieraus gezogenen Folgerungen trennt sich Göppingers Untersuchung von denen der multifaktorellen Studien, die, wie die der Gluecks, ein Mosaikbild der Persönlichkeit zu bilden versuchen. Aber die Aussage, ein Merkmal sei überzufällig kriminogen, kann irreführend sein, wenn es sich je nach sonstiger individueller Lage grundverschieden auswirkt53 • Für diese ganz entscheidende Erkenntnis erbringt Göppinger über sein Lehrbuch weit hinausgehende Belege; nicht in den für Kriminelle stereotypen Verhaltensweisen, sondern bei besonders liegenden Fällen. So fanden sich zwar psychopathische und neurotische Persönlichkeiten nur vereinzelt, die letzteren jedoch ausschließlich in der Vergleichsgruppe, während bei keinem der Häftlinge ein erlebnisbedingtes Delikt mit nachfolgender Delinquenz vorlag. Ein besonders schwerwiegendes Erlebnis (Tod des Vaters u. a.) führte bei Häftlingen dazu, daß sie nicht mehr arbeiteten, sich herumtrieben, tranken, schließlich in die Straffälligkeit abglitten, während bei der Vergleichsgruppe Depressionen und Zurückgezogenheit, jedoch kein Einbruch im Leistungsbereich die Folge war.

Göppinger erteilt daher dem deterministischen Ursachenbegriff eine Absage: "Der kausale Regreß muß dort enden, wo die spezifisch kriminologische Bedeutung einzelner Fakten sich nicht mehr fassen 51

(Anm.50), S. 7 f. -

58

(Anm. 50), S. 179.

Eingehende Kritik des labeling approach bereits bei

Kaiser, Lange-Festschrift, 1976, S. 521 ff. 52 Göppinger (Anm. 50), S. 251 ff.

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läßt"54. An die Stelle der Addition von Faktoren tritt die kriminovalente Konstellation 55 als "sinnvoller Zusammenhang mit Straffälligkeit ". Wesentlich dafür sind vor allem die "schwer zu fassenden, mit der spezifischen Lebensweise verbundenen ,Haltungen' ".

Die Querschnittanalyse muß durch die Frage nach der Tat im Lebenslängsschnitt ergänzt werden. Besonders anschaulich und eindrucksvoll waren hier "Zwillings"paare von H- und V-Probanden. In zahlreichen Fällen waren beide durch gleichschweres Flüchtlings- und Vertriebenenschicksal, durch Schwierigkeiten im Elternhaus, durch körperliche Benachteiligungen im Leistungsbereich oder durch Gefährdung im Freizeitbereich in gleicher Weise belastet. Bei Angehörigen der H-Gruppe führte dies zur Kriminalität, während die der Vergleichsgruppe sozial festen Fuß faßten oder behielten. Überall "drängte sich die Überlegung auf, ob die kausale Bedeutung äußerer Fakten ... nicht letztlich relativiert werden muß zugunsten ,innerer Fakten', wie z. B. grundlegender Haltungen im Zusammenhang mit bestimmten Relevanzbezügen und einer entsprechenden Wertorientierung"56. Hiermit erschließen sich "Grundintentionen einer Persönlichkeit" und ihr "Wertgefüge"; beides ist überaus schwer zu erforschen, durch keine allgemeinen Erfahrungsregeln zu erfassen, aber von hervorragender Bedeutung für Prophylaxe, Prognose und eventuelle Maßnahmen 57 • So kommt Göppinger der Sache nach, ohne es beim Namen zu nennen, zu einer anthropologischen Ganzheitsbetrachtung, das heißt vor allem, daß letztlich jeder aus seiner eigenen und einmaligen Persönlichkeit heraus beurteilt werden muß. Zugleich wird die unüberschreitbare Grenze sichtbar, vor der hier die Wissenschaft steht: individuum est ineffabile. Wie die Naturwissenschaft ist auch die Wissenschaft vom Menschen an der Grenze ihrer Objektivierbarkeit angekommen. Eine bewußte Auseinandersetzung mit dem Strafrecht ("Form und Inhalt im Strafrecht") unternimmt der Psychiater Luthe 58 zur Klärung der Stellung des psychiatrischen Sachverständigen: ihn interessiert der psychopathologische Zusammenhang zwischen dem Verlust der inneren Freiheit und ganz bestimmten Abnormitäten59 . Dabei geht es um die Frage der menschlichen Selbstbestimmbarkeit. Erkennbar ist jedoch nur das naturgesetzlich Determinierte. Freiheit ist das Nicht54

(Anm. 50), S. 183 f.

55 (Anm. 50), S. 199 ff. 56 (Anm. 50), S. 136 f., 224, 242 ff. 57 (Anm. 50), S. 242 ff. 58 Verantwortlichkeit, Persönlichkeit und Erleben, 1981; zustimmend und weiterführend Witter, Leferenz-Festschrift, S. 445 ff. 59 (Anm. 58), S. 5 f. 5 Festschrift für H.-H. Jescheck

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Erkennbare (Sachsse). Die soeben bei Göppinger sichtbar gewordene Grenze der Erkenntnismöglichkeiten wird hier offen angesprochen. Daß Freiheit im Bewußtsein vorhanden ist, genügt jedoch nach Luthe: mehr kann man auch von den Erfahrungsgegenständen der Naturwissensenschaft nicht sagen. Freiheit und Kausalgesetzlichkeit stehen sich in der Subjekt-Objekt-Spaltung, in der Bipolarität des Bewußtseins nicht wirkungslos gegenüber, sondern sie artikulieren miteinander. Rätselhafterweise wird im menschlichen Handeln eine sehr enge Verbindung zwischen beiden Polen offenbar. Die Evidenz der alltäglichen Erfahrung spricht so sehr für die naive Deutung, nach der jeder in seinem privaten Bewußtsein die davon völlig unabhängige Welt spiegelt, daß das Argument ihrer logischen Inkonsequenz verblaßt60 • Doch ist die einzige uns zugängliche Wirklichkeit, wie man seit Kant weiß, nicht an einen "Außenraum" , sondern an das Bewußtsein gebunden. Bei diesem muß es sich um eine die Individuen übergreifende Gemeinsamkeit handeln. Daß "Freiheit" innerhalb des Bewußtseins nicht zur Gegenstandswelt in ihrer kausalen Geschlossenheit gehört und folglich auch nicht zu "objektivieren", nachzuweisen ist, bedeutet keinesfalls, daß es keine gültige Begründung für die rechtliche Annahme von Verantwortungsfähigkeit gäbe. Die Begründung für diese Annahme liegt im Begriff der Freiheit als dem in der Wesensverschiedenheit von Subjekt und Objekt gegebenen konstituierenden Moment des Bewußtseins61 • Der Sachverständige, der wie der orthodoxe Psychoanalytiker auf grund einer vorwissenschaftlichen Entscheidung davon ausgeht, daß es eine Fähigkeit zur Selbstbestimmung nicht gibt, hat sich so festgelegt, daß befürchtet werden muß, er sei kein unbefangener Sachverständiger. Wer die Verantwortlichkeitsbeurteilung von Gesichtspunkten abhängig macht, die - wie die Therapie - überhaupt nichts mit dem Schuldvorwurf zu tun haben, ist kein geeigneter Sachverständiger für das GerichtS2 • Aussagen über Wirklichkeit lassen sich nicht verifizieren. Absolute Gewißheit bleibt uns versagt 63 • Der Begriff der Freiheit ist indessen insofern empirisch-rational, als er falsifizierbar ist. Diese Methode ist ein völlig ausreichendes Erkenntnismittel, mit dem der indeterministische Sachverständige seiner Funktion gerecht werden kann. Aus deterministischer Sicht ist es konsequent zu fordern, das Schuldstrafrecht mit seinem Sühnecharakter durch ein Maßregelrecht zu ersetzen. 60 61 62

6S

(Anm. 58), S. 6 ff. (Anm. 58), S. 8 f. (Anm. 58), S. 10. (Anm. 58), S. 10 f.

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Dadurch würde jedoch die Repression noch erheblich verschärft werden (Behandlungszwang, auch aus prophylaktischen Gründen), aber die Gesellschaft ist so wenig Selbstzweck wie es ein subjektloses gesellschaftliches Bewußtsein gibt 64 •

Luthes Hinweis auf die Fragwürdigkeit sozialpsychologischer Begründungen des Strafrechts ist angesichts der Versuche von Jakobs, Streng und anderen höchst aktuell. Der Grundgedanke dieser Schulrichtungen führt im Grunde zu einer Rückkehr zu Liszt unter Einbettung psychoanalytischer und sozialwissenschaftlicher Richtungen, bei Jakobs z. B. der rechtssoziologischen Theorie Luhmanns65 • Kohlrausch hat, als Liszt-Schüler, die Gründung der Dogmatik auf die deterministisch gedeuteten Strafzwecke erwogen, was dann ein sozialpsychologisches Faktum als Fundament erfordert hätte. Da er jedoch zugleich Kantianer war, trug er zwei Seelen in seiner Brust66 • Deshalb hat er seine überlegungen nicht zu einem System verdichtet. Seine Äußerung von der Schuld als "staatsnotwendiger Fiktion", auf die sich Jakobs bezieht67 , beruht auf seinem wie bei Liszt naturwissenschaftlich begründeten Determinismus. Sie ist heute schon durch die Entwicklung der geisteswissenschaftlichen Methode überholt. Soll die Psychiatrie auf seins wissenschaftlich objektiver Grundlage Aussagen über die Verantwortungsfähigkeit machen, dann ist dies nach Luthe nur mit Hilfe der Falsifikationsmethode denkbar ... Damit zeichnet sich die Lösung eines Grundproblems des Schuldstrafrechts ab, ohne daß die fundamentale Trennung zwischen der seinswissenschaftlichen Zuständigkeit des Sachverständigen und der wertwissenschaftlichen des Gerichts in Frage gestellt würde. Die Psychiatrie folgt dem Legalitätsprinzip des Strafrechts, wenn sie von den Bewußtseinsinhalten absieht und sich statt dessen an der überindividuell gültigen Bewußtseinsstruktur orientiert. Die Methode des Verstehens (z. B. in der Psychoanalyse angewandt) läßt sich nicht nachprüfen, während die Methode des Erklärens überprüfbar ist 68 • Diese methodologische Konfrontation wirkt jedoch einseitig und überzogen, weshalb Luthe sie gleich danach auch selbst modifiziert. Sie ist sicher nicht im Sinne seines Lehrers Witter, der umgekehrt selbst bei den endogenen Psychosen, in denen die "klassische" Psychiatrie noch immer nach somatischen Begründungen sucht, die psychologische Methode der Nachvollziehbarkeit, also Verstehbarkeit, des Sinn64 65 66 67 68

s'

(Anm. 58), S. 11 f. (Anm. 47), S. 7.

Dazu der Verf., ZStW 86 (1974), S. 1. (Anm. 47), S. 398.

(Anm. 58), S. 17,26.

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zusammenhanges und seines Verlustes als Kriterium der endogenen Psychose ansieht69 • Luthes Kriterium gilt zweifelsfrei nur für die Fälle feststellbarer hirnorganischer Schädigung. Für die übrigen Fälle wird es bei der Anerkennung einer "fließenden Grenze", die er methodologisch ablehnt, bis zu gewissem Grade bleiben müssen. Den Begriff der Zumutbarkeit, innerhalb dessen er inhaltliche Gesichtspunkte zuläßt, beschränkt er auf "besondere Inhalte eines formal ungestörten Erlebens bei einem in einer Ausnahmesituation befindlichen Menschen"70, wie den Notstand des § 35 StGB und den Notwehrexzeß, schließt also weitere seelische Tatbestände des § 20 StGB aus. Seine schneidende Entgegensetzung von Zurechenbarkeit und Zumutbarkeit kann jedoch dazu beitragen, daß diese, insbesondere die Fälle neurotischer oder psychopathischer Persönlichkeiten, hier wirklich nur als seltene Ausnahmefälle behandelt werden, was praktisch auf die inhaltliche Differenzierung zwischen § 20 und § 21 hinausläuft, die die Große Strafrechtskommission beschlossen hatte und für die sich auch de lege lata Witter ausspricht71 • Damit wäre der Weg offen, diese Fälle in § 21 unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit zu erfassen. Auch Conrads Entwurf, dem sich Luthe weitgehend anschließt, ist nicht ohne die geisteswissenschaftliche Methode des Verstehens zu erfassen. Er ist, wie Luthe selbst ausführt, der Gestalt- und Ganzheitspsychologie verpflichtet, die ihrerseits die kausalmechanistische Assoziations- und Elementen-Psychologie zu überwinden versuchte, weil das Ganze mehr als die Summe seiner Teile ist. So ist die Melodie als Bewußtseinsstruktur mehr als die Summe ihrer Töne. Die Geisteskrankheit ist eine Gestaltabweichung, sie stellt die Form des Erlebens dar, die nach krankheitsbedingtem Verlust der Ganzheit mit deren stabilisierendem Erlebnisprinzip noch möglich ist. Es gilt, die überindividuellen und formalen Gesetzlichkeiten der Erlebnisveränderung zu erkennen. Strukturverlust ist Wirklichkeitsverlust und Freiheitsverlust72 . In diesem Sinne machte Ey die "Pathologie der Freiheit" zum eigentlichen Gegenstand der Psychiatrie. Die Krankheit äußert sich nur "negativ" im Verlust des Subjekts und/oder seiner Objektwelt im Bewußtsein und in den Ausfällen von psychischen Leistungen, die Einheitlichkeit und Stabilität des Erlebens und seinen Wirklichkeitsstatus gewährleisten. Bash und - weitergehend - WitteT führten zusätzlich die formalen Kategorien "Entdifferenzierung" = Abbau und "Desintegration" = Zerfall ein. Entscheidend sind dabei nicht körperliche Ursachen, sondern die psychopathologische QuaLange-Festschrift, 1976, S. 726 f. 70 (Anm. 58), S. 21. 71 (Anm. 69), S. 734 f. 72 (Anm. 58), S. 34 f. 69

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lität der Störung73 . Die Idee einer strukturierenden Aktivität des Individuums tritt der tabula-rasa-Theorie entgegen, die heute im Zeitalter der Soziologie noch vorherrscht und von der aus die Gesellschaft für alles "verantwortlich", das Individuum gerade noch Träger von Engrammen ist74 . Diese Gegenüberstellung beleuchtet die außerordentliche Bedeutung der von Luthe vorgeführten Wissenschaftsrichtungen und seiner eigenen Theorie für die Kriminologie, der alle diese Gedankengänge bisher fremd sind. Aber auch psychiatrische Grundbegriffe werden umgekehrf 5 • Nicht mehr: die psychische Krankheit hebt die Schuldfähigkeit auf, sondern: was die Schuldfähigkeit aufhebt, ist psychische Krankheit. Das wird an Fallbeispielen dargetan76 . In seinem Nachwort 77 weist Witter eindrucksvoll darauf hin, daß Rechtsgleichheit und Rechtssicherheit durch die Ausbreitung einer neuen Mythologie - der Psychoanalyse - gefährdet werden und wie sehr durch die unsachgemäße Begleitdiskussion von Prozessen in den Massenmedien die im Recht um sich greifende Verunsicherung noch gesteigert wird. Die Kompetenz des Sachverständigen muß daher auf wirklich wissenschaftlich begründbare Aussagen beschränkt werden. An entscheidender Stelle, wir sahen es, beruft sich Luthe auf Poppers Falsifikationsmethode. Für die Bahnung neuer Wege in der Kriminologie ist jedoch noch weit bedeutsamer Poppers Entwurf des Menschen und seiner Welt. Bereits der Titel seines mit dem Gehirnforscher Eccles gemeinsam erarbeiteten Buches "Das Ich und sein Gehirn"7s verrät alles: Das Gehirn gehört dem Ich und nicht umgekehrt. Das aktive psychophysische Ich ist für Popper der Programmierer des Gehirns, das sein Instrument ist. Die Seele ist der Steuermann (Plato). Sie ist nicht, wie Hume und William J ames behaupten, die Gesamtsumme oder das Bündel oder der Strom ihrer Erlebnisse: das hieße Passivität7u . Das Ich spielt irgendwie auf dem Gehirn wie ein Pianist auf dem Klavier oder der Fahrer auf den Kontrollinstrumenten des Autos 80 . Ecc1es stimmt damit überein81 . Doch betonen beide die Interaktion oder Wechselwir73

74 75 76 77 78 79 80 81

(Anm. 58), S. 35 ff.

(Anm. 58), S. 41. (Anm. 58), S. 57. (Anm. 58), S. 57 ff. (Anm. 58), S. 71 ff. The Self and Its Brain, 1977, deutsch 1982. (Anm. 78), S. 156 f. (Anm. 78), S. 585. (Anm. 78), S. 585, 644.

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kung des Ich mit der "Maschinerie des Gehirns" 82. Mit Kant sagt Popper: Das "moralische Gesetz" betrifft unser Ich und damit die menschliche Freiheit. Menschen sind keine Maschinen83 • Das mußte gesagt werden, weil der Behaviorismus den Menschen durch ein Rattenund Maschinenmodell darzustellen versucht84 und weil eine biologistische Auffassung unsere Aktivitäten als vom Gehirn selbst ausgelöst sieht85 • Auch und gerade moderne Forschungsrichtungen sind also über de La Mettrie nicht hinausgekommen, ganz zu schweigen davon, daß Freud bis in seine letzte Zeit hinein der Seele eine chemische Existenz zuzuschreiben versuchte8!. Besonders eindrucksvoll faßt der Gehirnforscher Eccles die Konsequenzen der dualistischen Leib-Seele-Hypothese87 zusammen. Ihre Hauptkomponente ist, daß dem selbstbewußten Geist Vorrang zugesprochen wird. Er ist aktiv damit beschäftigt, nach Hirnereignissen zu suchen, die gegenwärtig in seinem Interesse liegen: die Operationen der Aufmerksamkeit. Doch er verkörpert auch das integrierende Agens, indem er die Einheit der bewußten Erfahrung aus der Vielfalt der Hirnereignisse aufbaut. Sogar noch wichtiger ist, daß ihm die Rolle zugeteilt ist, Gehirnereignisse gemäß seinem Interesse oder Wunsch aktiv zu modifizieren, und die Abtastaktion, mittels derer er sucht, kann als eine aktive Rolle bei der Selektion spielend betrachtet werden88 • Im abschließenden Dialog XII der beiden Forscher ist es Eccles, der die Vorrangigkeit des Selbst über das Gehirn betont, während Popper hier an die Grenze der Erklärung erinnert: Wir können niemals Erklärungen beibringen, die im Sinne einer Letzt-Erklärung ganz befriedigend sind89 • Insbesondere der Evolutionstheorie und ihrer These von der natürlichen Auslese steht er ziemlich kritisch gegenüber 9o • In gewissem Sinne könne man sagen, daß sich der Mensch durch die Schaffung der darstellenden Sprache selbst geschaffen habe 91 • Damit schließt Popper den Kreis seines eigenen Entwurfs der menschlichen WeltV2 • (Anm. 78), S. 31 ff., 571, 574 ff. (Anm. 78), S. 21 ff. 84 Dazu der Verf. (Anm. 2), S. 227, 319, 341. 85 Vgl. Ernst E. Hirsch, JZ 1982, S. 41 ff. 88 Dazu der Verf., ZStW 93 (1981), S. 177. 87 (Anm. 78), S. 193. 88 S. 437 ff., 449 ff. übereinstimmend Seitelberger, Das Menschenbild der heutigen Hirnforschung, Universitas, 1983, S. 259 ff. 89 (Anm. 78), S. 661, vgl. auch S. 652 ff. 90 (Anm. 78), S. 664 f. 91 (Anm. 78), S. 665, vgl. S. 85 ff. 92 (Anm. 78), S. 61 ff. 82

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Unsere Wirklichkeit besteht nicht nur in Materie. Diese nennt Popper die Welt 1. Lebende Wesen sind materielle Körper und damit Prozesse oder offene Systeme von Molekülen. Daneben gibt es als Welt 2 psychische Zustände einschließlich der Bewußtseinszustände; ihr Verhältnis zur Welt 1 ist als das Leib-Seele-Problem bekannt. Doch es gibt noch eine dritte Welt, die Welt der Inhalte des Denkens und der Erzeugnisse des menschlichen Geistes. Diese haben einen abstrakten Charakter und stehen in logischen Beziehungen93 • Eine von Poppers Hauptthesen ist, daß Gegenstände der Welt 3 wirklich werden können. Sie können die Menschen dazu veranlassen, andere Dinge der Welt 3 zu schaffen und dadurch auf Welt 1 ein zuwirken94 • Die Wechselwirkung mit Welt 1 ist für ihn entscheidend dafür, etwas wirklich zu nennen. Daß es sich bei den Erzeugnissen des menschlichen Geistes nicht um einen unwirklichen "überbau", sondern um "Zonen des Wirklichen" (Theodor Litt) handelt, ist schon früher von den verschiedensten Ausgangspunkten her erkannt worden95 • Neu ist bei Popper und Eccles der Gesamtentwurf der menschlichen Wirklichkeit in drei Welten und ihrem Verhältnis zueinander, seine ontologische Evidenz und seine Bestätigung durch die Hirnforschung, in der Ecc1es, wie gezeigt wird, keineswegs als Außenseiter dasteht. Am Beispiel des Zahlensystems, das sich nicht als Konstruktion oder Erfindung des Menschen, sondern als Gegenstand einer Entdeckung erweist, demonstriert Popper seinen Entwurf98 • Er konfrontiert ihn mit der behavioristischen für diese Richtung zwingenden - Meinung, die Wahrheit 2 x 2 = 4 müsse durch Konvention, eben durch Lehren, erklärt werden. Andere Gegenstände der Welt 3 sind die der Kunst, ob materiell niedergelegt oder immaterie1l97 • In eingehender Auseinandersetzung mit Materialismus, Empirismus, Pragmatismus und Behaviorismus98 begründen beide Forscher ihren Entwurf. Entschieden spricht sich gerade Eccles gegen den Determinismus aus, der das Ende aller Diskussion und Philosophie ist 99 • Indeterminismus ist notwendig, doch nicht ausreichend, menschliche Freiheit und speziell Kreativität zu berücksichtigen10o • Popper seinerseits 93

94 95 96 97

98 99 100

(Anm. 78), S. 63 ff. (Anm. 78), S. 64. Darüber der Verj. (Anm. 2), S. 46 f. (Anm. 78), S. 66 ff., 645 f. (Anm. 78), S. 64 f. (Anm. 78), S. 78 ff., 643 f., 649 f., 655. (Anm. 78), S. 644. (Anm. 78), S. 633, 642.

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sieht einen fundamentalen Indeterminismus des physischen Universums lOI . Gegen den Determinismus im Bereich der Geisteswissenschaften wendet er sich im Zusammenhang mit einer Kritik des Materialismus 102 • Das Ich ist der einzige aktiv Handelnde im Universum. Ein Automat kann nicht aktiv sein103 • Im Gegensatz zu dem Anspruch der Wissenschaftsrichtungen, denen ihre Kritik gilt, gelangen Popper und Eccles, wie wir sahen, zu der These, daß es Letzterklärungen nicht gibt. "Evolution kann man bestimmt nicht in irgendeinem Sinne als Letzterklärung nehmen. Wir müssen uns mit der Tatsache abfinden, daß wir in einer Welt leben, in der fast alles, was wirklich bedeutend ist, im wesentlichen unerklärt bleibt" 104. Die heute einflußreichsten Wissenschaften, von denen hier kritisch die Rede war, treiben einen beispiellosen Autoritätenkult. Mit Recht nennt Guntram Knappl05 als die drei Leitfiguren unseres Zeitalters Darwin, Marx und Freud, also drei dem 19. Jahrhundert verhaftete Forschergestalten. Aber hinter Marx wird nicht nur Hegel, sondern auch Rousseau sichtbar. Daß der Mensch von Natur gut und der Kapitalist böse sei, dieser doppelte revolutionäre Antrieb führt auf Rousseau zurücklOG. Eine weiter fortwirkende Autorität ist de La Mettne l07 • Kritik an Darwin wird in jüngster Zeit laut, wie wir sehen werden. Freuds Selbstverständnis steht und fällt mit Darwin: er selbst nannte sich einen Darwinisten, sein Freund und Biograph Jones ehrte ihn als den "Darwin des Geistes" . Die Naturwissenschaften haben sich von den überkommenen Anschauungen befreit und sind zu dem radikal neuen Weltbild des 20. Jahrhunderts gelangt. In den Grundlagenwissenschaften vom Menschen in seiner Gesellschaft und seiner Welt, die noch lange in den Bindungen des 18. und 19. Jahrhunderts befangen waren, ist erst ein zögernder Aufbruch zur anthropologischen Ganzheitsbetrachtung und zu einer dem Menschen angemesenen Methode zu spüren. Die Kriminologie hat davon noch kaum Notiz genommen. Doch zeigen in jüngster Zeit grundlegende Entwürfe den Weg, die unerträglichen Widersprüche zwischen Strafrecht und Kriminologie zu überwinden. Nur die wichtigsten konnten hier dargestellt werden.

108

(Anm. 78), S. 56 f., 60. (Anm. 78), S. 105 f. (Anm. 78), S. 36, 65, 635. (Anm. 78), S. 652, vgl. Anm. 87. (Anm. 40), S. 14 ff. Vgl. Heinrich Weinstock, Die Tragödie des Humanismus, 4. Auf!. 1960,

107

Dazu PopperlEccles (Anm.78), S.22, 27, 79, 254 f., 267.

101 102 103

104 105

S.283.

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Allerdings ist zu unterscheiden: in den Lehrbüchern von Göppinger, Bresser, Kaiser, Schneider u. a. besitzen wir eine vorzügliche phänomenologische Kriminologie. In der Ätiologie dagegen dominiert bei uns unter amerikanischem Einfluß die Milieutheorie und damit die Illusion, daß der Mensch gut, und die Fiktion, daß alle Menschen gleich seien. Die Alchimisten der Natur, die aus Blei Gold machen wollten, fanden das Porzellan. Die Alchimisten des Menschen, die aus jedem beliebig alles machen wollen - nur ein de Gaulle dauert etwas länger108 - , stehen der Erkenntnis dessen, was am Menschen erkennbar ist, und damit der Bekämpfung des Verbrechens im Wege. Ignoriert wird nicht nur Kants Wort von der Einwohnung des bösen Prinzips neben dem guten, sondern, jenseits aller Moralität, die anthropologische Einsicht unserer Tage in das Gebrochene, Konfliktträchtige, Exzentrische, Liquide des menschlichen Wesens109 • "Die Erziehungswissenschaftler haben herausgefunden, daß ein Kind nicht begabt ist, sondern durch ein entsprechendes Lernangebot begabt wird", schrieb Anfang der siebziger Jahre eine ehemalige Staatssekretärin des Wissenschaftsministeriums. In der ernstzunehmenden Pädagogik ist solch offensichtlicher Unsinn längst überwunden, in der Kriminologie wirkt er in der Vorstellung sozialer Chancenlosigkeit als alleiniger Ursache des Verbrechens und in Resozialisierungsutopien noch immer nach, bis eklatante Mißerfolge zum plötzlichen, dann allzu scharfen Umschwung des Pendels führen, wie jetzt in USA. Gegenüber solchen dem 18. und 19. Jahrhundert verhafteten Vorstellungen vom Menschen als einem total determinierten und beliebig determinierbaren Objekt bedeutet das Werk von Popper/Eccles den Durchbruch zum 20. Jahrhundert. Methodologisch war er bereits durch Dilthey angebahnt, inhaltlich durch die Sprachforschung, die das Schöpferische des menschlichen Geistes an den Tag brachte; auf diese stützte auch Popper als Schüler von KarZ BühZer seinen ontologischen Entwurf. Allerdings fehlt bei ihnen jede ausdrückliche Aussage über das Recht. Indessen erinnert Peter Ho/stätter, ein anderer Schüler BühZers, daran, daß dieser neben der Sprache das Recht - und die Wirtschaft als die Gebilde des objektiven Geistes nannte, in die sich das menschliche Erleben und Verhalten einfügt llo • Der Ethnologe Malinowski, 108 Dazu Ludwig Freund, Herbert-Kraus-Festschrift, 1964, S. 489 ff., vgl. der Ver!. (Anm. 2), S. 227, 319. 109 Hierzu der Ver!. (Anm.2), S.290. Weiteres bei Michael Landmann, Der Mensch als Schöpfer und Geschöpf der Kultur, 1961, S. 27. 110 Individuum und Gesellschaft, 1973, S.27. Daß Sprache und Recht eng zusammengehören, zeigt Groß!eld, JZ 1984, S. 1 ff. Wie eng, zeigt sich in den Versuchen, durch semantische Manipulationen das Recht zu unterlaufen. Rechtlich gebotenes Verhalten wird für FU-Lehrer zu "autoritärem Legalis-

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auf den sich Popper vielfach bezieht, hat bei den Melanesiern das Recht als eigenes, vom Religiösen streng geschiedenes Gebilde erlebt. Für die Historikerin Ricarda Huch ist das Recht ein Urphänomen des Menschen. Die heutige Situation der "gesamten Strafrechtswissenschaft" ist paradox: Die Rechtsdogmatik anerkennt in maßgeblichen Vertretern die Anthropologie. Als einer der ersten spricht J escheck 1957 vom Bilde des Menschen in der Strafrechtsreformlll . Die Kriminologie, die Wissenschaft vom Menschen im Konflikt mit seiner im Staat verfaßten Gesellschaft, nimmt von der Anthropologie so gut wie keine Notiz. Das wird naturgemäß in der Anthropologie beklagt; so von Würtenberger mit Blick auf die Kulturanthropologie l12• Auch er sieht einen Schwerpunkt für die anthropologische Forschung in der Sprachphilosophie. Bei seinem überblick über die kriminologische Forschung bei uns, der sich durch Reserve gegenüber der unkritischen übernahme amerikanischer Forschungsrichtungen auszeichnet, stellt Kaiser m ein inzwischen verstärktes - Eindringen der Soziologie fest, dessen Problematik hier zu behandeln warI". Auch der Umbruch in der Psychologie, den Kaiser registriert, dauert offenbar an. Wenn man der Einführung von Erwin Roth ll5 folgt, so herrscht hier Neopositivismus 1l8 , die naturwissenschaftliche Methode des Messens ll7 , und ihr Gegenstand beschränkt sich auf das Verhalten" 8 • Sie ist also eine Psychologie mus" (FAZ v. 31.1.1984). Aus Nötigung wird "gewaltfreier Widerstand". "Ziviler Ungehorsam" ruft "das Volk in Gestalt seiner Bürger, auch einzelner Bürger" auf, gegen "böse, tödliche Entscheidungen" auch der Parlamente, "die Rolle des Souveräns zu übernehmen" (Habermas, in: Ziviler Ungehorsam im Rechtsstaat. Hrsg. von Peter Glotz, 1983, S. 29 ff. und nach F AZ vom 24. 11. 1983). Verletzungen des Rechts, auch des Strafrechts, heißen "Regel-, Spielregelverletzungen" . Der Leiter des Schleswig-Holsteinischen Verfassungsschutzamts berichtet: "Die Kampagnen ... haben dazu geführt, daß ein wesentlicher Teil der Bevölkerung Mittel des zivilen Ungehorsams gegen rechtsstaatliche ... Entscheidungen der Parlamente für legitim hält (FAZ v. 10.12.1983). Gegen jene Manipulationen mit Entschiedenheit Wassennann (F AZ v. 24. 1. 1984). 111 Recht und Staat in Geschichte und Gegenwart, 198/199. 112 über Rechtsanthropologie, Festschrift für Erik Wolf, 1972, S. 10. 113 ZStW 83 (1971), S. 1096 f., 1104 f. IU Ernst E. Hirsch, Das Recht im sozialen Ordungsgefüge, 1966, distanziert sich vom Determinismus der Soziologie (S. 81). Mit der Abwendung vom "Formalbegriff" der Gerechtigkeit (S.48, 60) verfehlt er jedoch seinerseits das Wesen des Rechts. 115 Persönlichkeitspsychologie, 3. Aufl. 1969. 118 (Anm. 115), S. 120. Scharf gegen das "Messen des Unmeßbaren" Pfohl, zit. nach Rauch (Anm.lO), S. 387. 117 (Anm. 115), S. 14 ff., 24 ff. 118 (Anm. 115), S. 7.

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ohne Seele119 , und das gerade als Persönlichkeitspsychologie, von der man am ehesten eine ganzheitliche Betrachtung erwarten sollte. Eben hier werden die Gestalttheorie l20 und Diltheys verstehende Methode l21 über Bord geworfen. Handelt es sich hier, soweit die neuen Aspekte der Anthropologie ignoriert werden, um bloße Unergiebigkeit für die Kriminologie, so erleben wir bei den Versuchen amerikanischer Milieutheoretiker, die Alleinherrschaft ihrer Lehre zu behaupten, eine Fortsetzung des wissenschaftlichen Streits mit anderen Mitteln. Hervorragende Vertreter der Anlagetheorie sehen sich Diskriminierungen und Diffamierungen durch ihre Kollegen und Mißhandlungen durch Studenten ausgesetzt122 , neuerdings zu Morddrohungen gesteigert gegenüber dem Psychologen Bouchard. Dieser hat gemeinsam mit dem Psychologen und Neurologen Lykken bisher 31 Paare eineiiger Zwillinge untersucht, die von Geburt oder frühester Kindheit an getrennt aufgewachsen waren. Dennoch zeigte sich eine frappante Gleichheit ihrer Charaktere und Lebensläufe bis hin zu ihren Vorlieben und den Vornamen, die sie ihren Kindern gaben, obwohl sie in keinerlei Verbindung miteinander standen123 • Bei Zwillingen, die infolge Adoption in grundverschiedenen Milieus aufgewachsen waren, bestätigten sich die Ergebnisse Eysencks, wonach Adoptierte ihren leiblichen, nicht ihren Erziehungseltern nachgeraten, unter neuem GesichtspunktlZ4 • über der neuen Bestätigung der für die unvoreingenommene Lebensanschauung ohnehin selbstverständlichen Bedeutung von Erbe und Anlage darf man jedoch nicht wieder in den Irrtum von Johannes Lange verfallen, der 1929 aus seinen Untersuchungen krimineller Zwillinge "Verbrechen als Schicksal" ableitete. Aus einem einzigen Ei entwickelt, sind eineiige Zwillinge ein Mensch in doppelter Gestalt. Das zeigt sich in der geistigen und seelischen Identität der Bouchardschen Zwillinge. Ob dieser doppelte Mensch total determiniert ist oder nicht, bleibt im Rahmen des allgemeinen Determinismusstreits, in dem sich eine Wende abzeichnetl!5. (Anm. 115), S. 8, 31. Anders z. B. Ho/stätter (Anm. 110), S. 27. (Anm. 115), S. 14 fl'. Das ergibt sich aus der Methodik. Popper (Anm. 78) greift S. 122, 133, 142, 628 f. auf sie zurück; ebenso die kybernetische Betrachtungsweise in Psychologie und Psychiatrie, vgl. Watzlawick, Reproduktion des Menschen, 1981, S. 174 fl'., 186 f. 119

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(Anm. 115), S. 70.

Eingehend dazu der Ver/., Bockelmann-Festschrift, 1979, S. 269. 123 Bericht von Hoimar von Dit/urth, Geo 1983, Heft 5, S. 38 fl'., mit zahlreichen eindrucksvollen Abbildungen. tU überholt sind damit die auf ähnliche Umwelt von eineiigen Zwillingen bezogenen Folgerungen von Füllgrabe, Kriminalpsychologie, 1983, S. 79. 125 Vgl. die Beiträge in: Der neue Streit ums Milieu, 1978. 122

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Bouchard fand seine Ergebnisse wider Willen. Als "eingeschworener" Milieutheoretiker wollte er an getrennt aufgewachsenen Zwillingen diese Theorie beweisen. Es ging ihm wie Malinowski, der als Freud-Anhänger zur Widerlegung des "Urverbrechens" und damit des Ödipuskomplexes gelangte 126 , und dem Darwinisten Gordon Rattray Taylor, der kürzlich in seinem Buch "The Great Evolution Mystery" entscheidende darwinistische Grundannahmen wie die der Passivität der Individuen bei den Mutationen und der Entwicklung in kleinsten Schritten falsifizierte. Das Letztere haben Michel Tyler und andere127 durch die Entdeckung der Magenbrüterfrösche bestätigt: Diese Art der Fortpflanzung kann nur in einem einzigen großen Sprung zustande gekommen sein128 • Solche Ergebnisse haben beispielsweise den Weg für die erneute Würdigung Gregor Mendels freigemacht. Weder Darwins bloß passiv Angepaßte noch Rousseaus/Marx' guter Wilder noch Freuds Urverbrecher halten heutiger Prüfung stand. Bei der nach alledem notwendigen Neufundierung der kriminologischen Grundlagenwissenschaften wirkt es wie eine Ironie, daß ausgerechnet Freuds Erkenntnis des menschlichen Aggressionstriebes, die Entscheidendes zu einer realistischen Ursachenforschung in der Kriminologie beitragen könnte, in seiner eigenen Schule verpönt l29 und auch in der Kriminalpsychologie ignoriert wird13o , weil sie mit der Alleinherrschaft der Milieutheorie nicht vereinbar ist. Einer Auseinandersetzung mit dieser zentralen Lehre des späten Freud haben sich die Milieutheoretiker ebensowenig gestellt wie dem vernichtenden Mißerfolg des Cambridge-Somerville-ExperimentsI31 , den problematischen Grundzügen des Menschen, die die neuere Anthropologie von den verschiedensten Seiten her sieht132, und seiner wesensmäßig vorgegebenen Aktivität133 • Zu den großen Verdiensten Jeschecks gehört die Aufnahme der Kriminologie in das Freiburger Institut. Strafrecht und Kriminologie sind aufeinander angewiesen. Aber der heutige Zustand, daß sie in der Dazu der Verj. (Anm. 2), S. 251, 342. The Gastric Brooding Frog, 1983. 128 Zu den Skeptikern des (Neo-)Darwinismus gehört namentlich auch Portmann (Anm. 22), S. 569 passim. An Bergsons Widerspruch gegen Darwins Prinzip des blinden Zufalls (L'evolution creatrice) erinnert Salcia Landmann (Die WELT vom 2. 1. 1984). 129 Kritisch dazu Beiträge in: Das Unbehagen in der Psychoanalyse, 1983, namentlich Lohmann, S. 50 ff., 58 f. Andere unterdrückte Problembereiche in: Taboos in Criminology, London 1980. 130 z. B. von Füllgrabe (Anm. 124), S. 11, 144. 131 Dazu der Verj. (Anm. 2), S. 240. 132 Vgl. zu Anm. 109. 133 Vgl. die Beiträge (Anm. 125), insbes. den von Eibl-Eibesjeldt. 125

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Auffassung ihres Gegenstandes unvereinbar gegeneinanderstehen, ist unhaltbar und unerträglich. Der Täter als passives Reiz-Reaktions-System, das unter Kontrolle gehalten werden muß - eine solche Vorstellung verkennt den Menschen wie das Recht, das ihn seit Jahrtausenden als - relativ - frei und verantwortlich sieht. Für die Griechen war das Recht ein immanentes Prinzip der Welt, der Kosmos eine Rechtsgemeinschaft der Dinge (Werner Jaeger). In unseren Tagen haben Popper und Eccles das Ganze der menschlichen Wirklichkeit, zu der das Recht gehört 13\ von zwei weit voneinander liegenden Ausgangspunkten her erneut sichtbar gemacht. Aus sozial- und kuIturanthropologischer Sicht zeigt Michael Landmann135 , daß man den Menschen vollständig erst erfaßt, wenn man zu seinen körperlichen und psychischen Eigenschaften seine Verwurzelung im objektiven Geist hinzunimmt. Wiederum von ganz anderer Seite her sagt Portmann 136 über unser "rätselhaftes autonomes Wesen"; ,,(Die) Versuche einer allgemeinen Lehre vom Menschen zeigen auf der einen Seite die Macht der natürlichen Bindungen ... , auf der anderen Seite bezeugen sie aber auch die Freiheit des Menschen durch die Tatsache, daß die Schranken dieser erblich vorgegebenen Weltbeziehung ... von unserer geistigen Aktivität durchbrachen werden können, ja, daß wir von vornherein dazu gemacht sind, diese Schranken zu durchbrechen" und abschließend: "Wir sind Wesen, die in ihrem gesamten Aufbau durch ihre Erbanlage einer besonderen Art offenen Welterlebens und Handlungsfreiheit, einer besonderen ,Disponibilität' zugeordnet sind". Dem "mechanisch-materialistischen Seelenbegriff" Freuds 137 stellt Viktor Frankp38 in seiner Existenzanalyse die "Trotzmacht des Geistes" gegenüber, die ihn selbst das Konzentrationslager überleben ließ. Die Psychoanalyse setzt sich mit ihm ebensowenig auseinander wie mit Al/red Adlers Individualpsychologie, obwohl es im menschlichen Zusammenleben mehr noch um die Geltung als um den Sexus geht139 • Soweit die Kriminologie an allen diesen anthropologischen Forschungsergebnissen und -entwicklungen vorübergeht, weiß sie nicht, 134 Und zwar als "mächtiger Hebel der Entwicklung", seit Stalin auch für den Kommunismus; dort allerdings denaturiert und als Machtinstrument mißbraucht. 135 Anm. 109. 136 (Anm. 22), S. 589 f., 594. 137 Marcuse in: Freud in der Gegenwart, 1957, S. 420. 138 Zu Frankls Lehre der Verf., in: SchwZStr.70 (1955), S. 386 ff.; Juristentags-Festschrift, 1960, Bd. I, S. 378; (Anm.2) passim. 139 In sämtlichen Beiträgen (Anm. 137) wird Adler nur ein einziges Mal erwähnt, S. 169 f.

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wovon sie spricht. Es geht um das Ganze, die Wirklichkeit des Menschen l40 • Haeckels Satz muß umgekehrt werden: Die Anthropologie ist nicht ein Teil der Biologie, sondern die Biologie ist ein Teil der Anthropologie.

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So schon Juristentags-Festschrift, 1960, Bd. I, S. 364 und (Anm. 18), S. 41.

JORGE DE FIGUEIREDO DIAS

Vom Verwaltungsstrafrecht zum Nebenstrafrecht Eine Betrachtung im Lichte der neuen portugiesischen Rechtsordnung* I.

Die Gelegenheit, an dieser Festschrift mitzuwirken, ist für mich eine große Ehre und ein Grund besonderer Freude. Seit zwei Jahrzehnten ist Hans-Heinrich Jescheck auf vielfältige Weise um eine stärkere Verbindung zwischen der deutschen und portugiesischen Strafrechtswissenschaft bemüht1 • Es kann behauptet werden, daß diesen Anstrengungen ein voller Erfolg zuteil geworden ist und die portugiesische Strafrechtswissenschaft dem Jubilar viel von dem Interesse und der Aufmerksamkeit schuldet, die sie heute in internationalen Kreisen findet. Die Themen des Verwaltungs- und Nebenstrafrechts sind dem Forschungsinteresse und der wissenschaftlichen Arbeit von J escheck nicht

* Deutsche übersetzung von

Yolanda Busse und Peter Hünerteld. Der von Eduardo Correia verfaßte Entwurf eines Strafgesetzbuches Allgemeiner Teil (Projecto de C6digo Penal, Parte Geral, 1963), der zur Grundlage des portugiesischen Strafgesetzbuches von 1982 wurde, ist alsbald von Jescheck in einem an der Rechtsfakultät in Coimbra gehaltenen Vortrag, der später veröffentlicht wurde, eingehend erörtert worden; vgl. Jescheck, Principes et solutions de la politique criminelle dans la reforme penale allemande et portugaise, Estudos in memoriam do Prof. Beleza dos Santos, 1966, S.433. Zur gleichen Zeit orientierte Jescheck mit der ihm eigenen Tatkraft und Zuwendung die Forschungsarbeiten seines Schülers Peter Hünerfeld auf dem Gebiet der Vergleichung des deutschen und portugiesischen Strafrechts; vgl. dazu die in diesem Bereich zu den gründlichsten und wertvollsten Untersuchungen zählenden Arbeiten: Hünerteld, Die Entwicklung der Kriminalpolitik in Portugal, 1971; ders., Strafrechtsdogmatik in Deutschland und Portugal, 1981. 1977 gehörte Jescheck zum Prüfungsausschuß bei meiner Habilitation zum ordentlichen Professor des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts an der Rechtsfakultät in Coimbra; und nicht selten empfing er am Freiburger Max-Planck-Institut für Strafrecht portugiesische Professoren, die eingeladen wurden, um dort Vorträge zu halten, sowie zahlreiche portugiesische Universitätsassistenten, die ihre wissenschaftlichen Kenntnisse im Bereich des Strafrechts vertiefen wollten - Gelegenheiten, die den deutsch-portugiesischen Dialog im strafrechtlichen Bereich verstärkt haben. Schließlich unterstützt Jescheck die übersetzung des neuen portugiesischen Strafgesetzbuches von 1982, die Hünerfeld zur Zeit am genannten Max-Planck-Institut vorbereitet. 1

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fremd geblieben2 • Es handelt sich - wie bei so vielen anderen dogmatischen und kriminalpolitischen Themen - um Materien, die unverkennbar den Einfluß zeigen, den die deutsche Strafrechtswissenschaft - insbesondere seit dem Ende des vergangenen Jahrhunderts - auf die portugiesische Strafrechtswissenschaft ausgeübt hat 3 • Deshalb habe ich mich für diese Materien als Gegenstand meiner nachfolgenden Betrachtungen entschieden. Dabei ist zu bemerken, daß ich mir keine eigentliche Rechtsvergleichung vorgenommen habe, sondern meine Auffassung darlegen möchte, wie uns die Bereiche des Verwaltungs- und Nebenstrafrechts in der Ausgestaltung durch die neue portugiesische Strafrechtsordnung entgegengetreten und welche Entwicklungen für sie zu erwarten sind. Immerhin dürfen wir davon ausgehen, daß eine derartige Betrachtung vor dem Hintergrund einer in Deutschland und Portugal - wie mir scheint - weitgehend übereinstimmenden dogmatischen Tradition, legislativen Umrahmung und kriminalpolitischen Zielsetzung vorgenommen werden kann. Mein doppeltes Anliegen geht dahin, zum einen und allgemein die deutsche Strafrechtswissenschaft zu ehren, die auch künftig ein sicherer Wegweiser der portugiesischen Strafrechtswissenschaft bleiben wird, und zum anderen und insbesondere meine dankbare Bewunderung für Hans-Heinrich Jescheck zu bezeugen, mit dem mich eine starke und unverlierbare Freundschaft verbindet.

Ir. Die genaue Bestimmung in bezug auf das Wesen und die Natur des Verwaltungsstrafrechts sowie seine Eingliederung in das strafrechtliche System bilden ein immer wieder behandeltes Lieblingsthema der portugiesischen Strafrechtswissenschaft4 • Der Schwerpunkt dieser Fragen und ihrer theoretischen Behandlung ist während des 19. Jahrhunderts zu2 Jescheck, Das deutsche Wirtschaftsstrafrecht, JZ 1959, S.457; ders., Lehrbuch des Strafrechts, AT, 3. Aufl. 1978, S. 40 f., 43 ff. - Angesichts der umfangreichen, kaum mehr zu erfassenden deutschen und portugiesischen strafrechtlichen Literatur zu den zu erörternden Themen muß ich mich auf die wichtigsten Hinweise beschränken. Ich habe einige der von mir im Text vertretenen Standpunkte in anderen Veröffentlichungen ausführlicher begründet; aus diesem Grunde gestatte ich mir, auf derartige Veröffentlichungen zu verweisen. 3 Dieser Einfluß wurde speziell untersucht von Costa Andrade, Contributo para 0 conceito de contra-ordena (D. Sesiones, 622). Replic6 Pardo G6mez que «eI requisito subjetivo deI dol0 0 de la culpa ... es una cosa y otra distinta es conceptualizar y dar la definici6n de 10 que se entiende por accidente 0 de 10 que se entiende por caso fortuito», agregando: «Y lcuando se produce un mero accidente 0 estamos ante un caso? Precisamente cuando la acci6n u omisi6n concreta estan carentes de esos dos tintes esenciales que llevarian consigo la existencia deI delito 0 la falta; es decir, que no exista dol0 y que no exista culpa. En cualquiera de esos casos estamos ante un mero accidente 0 un caso fortuito». La enm.2 rezaba asi: «Si el hecho se causare por mero accidente deI sujeto, se reputara fortuito y no sera punible». Guimera Gil adujo, en su defensa, que la menci6n «sin dolo ni culpa», no es «en modo alguno clarificadora; todo 10 contrario, porque ... es un grave error introducir en una definici6n elementos negativos ... pues ... no se sabe bien cual es su funci6n y maxime existiendo con caracter generico el art. 1 ° deI C. p.»; aiiadi6 que podia llevar «a pensar en responsabilidades objetivas», que habia una «confusa repetitividad y afirm6 que «modernamente se sostiene que la culpa inconsciente (que es el caso fortuito) (sic) sale fuera de la esfera deI Derecho pena1»20. Ambas fueron rechazadas21 por el que debi6 parecer potisimo argumento esgrimido por Rodriguez Pardo de que «quiza 10 que abunda no daiia» (D. Sesiones, 624), con el extraiio resultado de aprobar el art. 6° bis b) por unanimidad (D. Sesiones, 625). VI. Tras el periplo por las Cortes Generales, los tres articulos han quedado redactados asi: 19 Las enms. 98 y 286 fueron rechazadas por 166 votos en contra, 39 a favor y 71 abstenciones; la enm.3 por 173 votos en contra, 89 a favor y 15 absten-

ciones. 20 D. Sesiones, 624. En contra Jescheck, Aufbau und Behandlung der Fahrlässigkeit im modernen Strafrecht, 1965, 29: «Die unbewußte Fahrlässigkeit besitzt eigenen Schuldgehalt und kann nicht aus dem Strafrecht ausgeschieden werden», posici6n que mantiene en el Lehrbuch, 450 s. 21 La enm.45 se rechaz6 por 126 votos en contra, 11 a favor y una abstencion; la enm. 2 por 100 votos en contra, 42 a favor y 9 abstenciones.

Nullum crimen sine culpa en la reforma deI C6digo penal

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Art. 1°: «Son delitos 0 faItas las acciones y omisiones dolosas 0 culposas penadas por la Ley. -No hay pena sin dolo 0 culpa. euando la pena venga determinada por la produccion de un uIterior resultado mas grave solo se respondera de este si se hubiere causado, al menos, por culpa». Art.6° bis a): «EI error invencible sobre un elemento, esencial integrante de la infraccion penal 0 que agrave la pena, excluye la responsabilidad criminal 0 la agravaci6n en su caso. - Si el error a que se refiere el parrafo anterior fuere vencible atendidas las circunstancias deI hecho y las personales deI autor, la infraccion sera castigada, en su caso, corno culposa. La creencia erronea e invencible de estar obrando licitamente excluye la responsabilidad criminal. Si el error fuere vencible se observara 10 dispuesto en el art. 66». Art. 6° bis b): «Si el hecho se causare por mero accidente, sin dolo ni culpa 22 deI sujeto, se reputara fortuito y no sera punible».

La Exposici6n de Motivos diee: «Entrando con mayor precisi6n en las materias abordadas por el presente proyecto (recte, ley), destaca en primer lugar. la modificaci6n deI texte deI art. 1 deI actual C.p. Con elle se pretende, de un lado, resolver la equivocidad de la referencia a 1a voluntariedad en el modo en que 10 hace el texte actua1; de otra parte se desea sentar el principio basieo para desterrar de nuestro si sterna punitivo 1a responsabilidad objetiva y todas sus manifestaciones. La exigencia deI dolo 0 culpa corno unicos fundamentos de la responsabilidad criminal se juzga, por consiguiente, corno inaplazable. Evidentemente las consecuencias de la modificaci6n deI art. 1 deI actual C6digo inciden, por las mismas razones, en los arts. 8°, num. 8, 64 Y 50, parrafo primero deI mism0 23 , asi corno en la interpretaci6n que habra de (sie) dar a los diferentes supuestos de responsabilidad criminal se entiende preciso, ademas, regular los efectos deI error, seglin sus clases, sobre el tipo 0 sobre la prohibici6n, si bien las reglas punitivas que se ofrecen se acomodan a las que en el texto actual existen en materia de determinaci6n de pena 0 de titulo de imputaci6n». 0

0

La Propuesta de Anteproyecto deZ nuevo C6digo PenaZ, publicado sin fecha a primeros de octubre de 1983, fresca alm la tinta de la reforma de 25 de junio, no mantuvo los mismos criterios ni la terminologia. Propuesta 1983, art. 3: «No hay pena sin dolo 0 imprudencia»; art. 14: «Son deli tos 0 faltas las acciones u omisiones dolosas 0 imprudentes penadas por la Ley»; art. 17: «1. EI error invencible sobre el hecho constitutivo de la infracci6n penal 0 elemento que agrave la pena, excluye Ia responsabilidad 22 En el Proyecto 1983 habia una coma entre «culpa» y «deI sujeto». Ninguna enmienda pidi6 la supresi6n de la coma. Desapareci6 en el texto que la Ponencia someti6 al Senado. Por fortuna, porque en eI proyecto el accidente, gramatiealmente, se referia al sujeto. 23 Todos eIl os dejados sin contenido en 1983. EI art. 50 contenia Ia regla para el caso deI parrafo tercero deI art. 1 es decir, cuando el mal causado fuera distinto deI que se proponia ejecutar el sujeto. 0

,

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Jose Maria Rodriguez Devesa

criminal 0 la agravacion en su caso. - 2. Si el error fuere vencible, la infraccion sera castigada, en su caso, corno imprudente. - 3. EI error invencible sobre la ilicitud deI hecho constitutivo de la infraccion penal excluye la responsabilidad criminal. Si el error fuere vencible, se aplicara la pena inferior en uno 0 dos grados».

VII. Creo, a la vista de la hipertrofia de la problernätica de la Parte general que padece el Derecho penal, que no es ocioso recordar que la rnedula, la colurnna vertebral, la espina dorsal deI derecho punitivo, es la Parte especial. Los pornposos principos resultan rneras declaraciones verbales si no hallan eco en la estructura de las diversas figuras de delito. EI nullum crimen sine culpa, la exclusion de todo vestigio de responsabilidad objetiva, no tropieza solo con los deli tos cualificados por el resultado, unicos que parece haber tenido a la vista el legislador espaiiol 24 • La reforrna de 1983 no ha advertido que persisten los llarnados delitos de sospecha25 cuya estructura ha ce inutiles las previsiones deI art. 1 0 • Ejemplos: Arts. 408, parrafo primero: «Cuando rifiendo varios y acometi€mdose entre si confusa y tumultuariamente hubiere resultado muerte y no constare su autor, pero si los que hubieren causado lesiones graves, seran estos castigados con la pena de prision mayor» (la pena de las lesiones graves oscila, seg11n el art.420, entre arresto mayor con multa de 30.000 a 150.000 pesetas hasta prision mayor, seg11n la gravedad deI resultado). Otros ejemplos: arts. 408, parrafo segundo, 424 (lesiones graves en rifia tumultuaria), 583, 70 (lesiones menos graves en riiia tumultuaria), 483 (detenciones ilegales) 485 (encargado de la guarda de un menor que no diere satisfactoria explicacion sobre su desaparicion). Lo rnisrno puede decirse cuando la pena de los delitos dolosos de lesiones se establece en funcion de la gravedad deI resultado 0 se rnantiene en los deli tos contra la propiedad corno criterio para separar los deli tos y las faltas la cuantia deI valor de la cosa 0 deI dafio causado. Ejemplos: arts.420 (lesiones graves), 422 (lesiones menos graves), 583, 1 (lesiones leves), 505 parrafo primero (robo con fuerza en las cosas inferior a 30.000 pesetas), 515, 10 (hurto por mas de 30.000 pesetas), 587, 10 (hurto que no excediere de 30.000 pesetas), 528 (estafa por mas de 30.000 pesetas), 587 3 estafa 0 apropiacion indebida no superior a 30.000 pesetas), art. 597 (daiios que no excedan de 30.000 pesetas), etc.28 • 0

0

24 Antiguos deli tos cualificados por el resultado que subsisten: art. 348 (delitos contra la salud publica con resultado muerte), 411, parrafo ultimo (aborto con resultado muerte oiesiones graves deI art. 420, 1 488, parrafo ultimo (abandono de nifios en circunstancias que pongan en peligro su vida, si sobreviniere la muerte). 25 Sobre los problemas que plantean los deli tos de sospecha, cfr. mi Derecho penal espafiol. Parte general, 1981, 425. 26 La Propuesta 1983 no soluciona el probierna. En ella la frontera entre la falta y el delito de lesiones se fija en ocho dias para la sanidad 0 asistencia 0

).

Nullum crimen sine culpa en la reforma deI C6digo penal

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La divisi6n de las aeciones en dolosas y eulposas, eon pretensiones exhaustivas, tropieza en el C6digo penal espanol, eon la atenuante 4" deI art. 9: «La de no haber tenido el eulpable intenci6n de eausar un mal de tanta gravedad corno el que produjo». En tales hip6tesis es difieil aeogerse a 10 dispuesto en el art. 1 0, parrafo segundo, ineiso segundo, porque no existe una figura espeeifiea de homicidio preterintencional, ni la produeci6n deI resultado mas grave da lugar a una asperatio de la pena, sino a una atenuaei6n 27 • La Propuesta 1983 hace desaparecer deI catälogo de las atenuantes (art. 23) la preterintencionalidad, siguiendo la linea deI Proyecto 1980, art. 27.

VIII. La reforma de 1983 ha dejado intactos los argurnentos a favor de la teoria de que euando se eontraponen dolo y eulpa, el dolo ha de interpretarse corno dolus malus 28 • La imprudencia temeraria se eastiga euando se «ejeeutare un heeho que si mediare malicia, eonstituiria delito» (art. 565, parrafo primero). Entre las faltas se inseribe el heeho eometido por «los que, por simple imprudeneia 0 negligencia, sin eometer infraeci6n de los re gl amen tos, causaren un mal a las personas que, si media re malicia, eonstituiria delito, y los que por eualquier clase de imprudencia causaren un mal a las personas que, si mediare malicia, eonstituiria falta (art. 586, 3°), f6rmula que se repite en el art. 600 para los que «eausen dano en las eosas». Esta teeniea eonduee a dos eonseeuencias inexorables. La primera es la de que, mientras no se desprenda otra eosa de la propia ley, las eonduetas tipifieadas en ella son siempre dolosas. La segunda es que la malicia es eompatible desde luego, eon las eategorias deI dolo de prop6sito y dolo de impetu, y eon las formas deI dolo ineondieionado, sea inmediato 0 direeto de primer grade 0 directo de segundo grade (resultados neeesariamente uni dos) , pero no eon 10 que se denomina dolo eondicionado 0 eventual, que en el derecho espanol ha de identifiearse eon la imprudencia temeraria. mediea (art. 149.1), y considera graves las que dejen al ofendido estern, impotente, deforme, eon enfermedad fisiea 0 psiquica ineurable 0 le causen perdida de miembro, 6rgano 0 sentido 0 le dejen , in un ordinamento siffatto, non poträ. esservi censura giuridica delle scelte dellegislatore; la censura verrä. dai fatti. In un sistema, invece, in cui le istituzioni e i rapporti tra le istituzioni e il cittadino siano regolate da una Costituzione, il margine di liberta neUe scelte dellegislatore e molto minore. 11 potere politico potra sempre scegliere beni e interessi da tutel are con la sanzione penale; ma solo fino al punto in cui non entri in conflitto con i principi costituzionali. E in genere - come in Italia - vi e un organa il cui compito e appunto di stabilire se il legislatore abbia attuato opzioni legittime 0 illegittime. Tutte le volte in cui l'incriminazione di un fatto sia incompatibile con un principio costituzionale, la norma punitiva cadra sotto la sanzione di illegittimitä. costituzionale. Questo si verifiehera, soprattutto, quando un divieto previsto dalla legge ordinaria entrera in conflitto con una norma deUa Costituzione ehe riconosce neUo stesso comportamento l'esercizio di un diritto'. Ci si domanda, a questo punto, se la sanzione deU'incostituzionalitä possa colpire anehe la legge ordinaria ehe prevede come reato (0 anche, genericamente, come illeeito punibile) la lesione di un bene ehe non sia garantito daUa Costituzione. La risposta affermativa muove da! presupposto ehe solo i beni tutelati dalla Costituzione possano esser 4 Sui rapporti tra incostituzionalita ed esercizio deI diritto, cfr. NuvoZone, 11 sistema deI diritto penale, n a Ed., Padova 1982, p. 50 ss. V. da ultimo anche Lanzi, La scriminante dell'art .. 51 C. p. e le liberta costituzionali, Milano 1983.

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Pietro Nuvolone

protetti attraverso la sanzione penale, in quanto questa, ineidendo direttamente 0 indirettamente sul massimo dei beni, la liberta personale, non potrebbe esser eomminata per l'offesa di interessi non aventi dignita eostituzionale5 • Questo presupposto, perö, non ci sembra ehe possa esser eonfigurato. La Costituzione traecia indubbiamente dei limiti per il diritto punitivo; ma nel sense eui abbiamo sopra aeeennato dell'ineompatibilita della legge ordinaria eon i principi eostituzionali; non e dato, inveee, rinvenire la fonte di un limite diverso, ehe ineida sulle seelte diserezionali dellegislatore.

Questa diserezionalita, 0 liberta, dellegislatore e, in fondo, uno dei eardini della stessa Costituzione, ehe segna per essa il solo limite dell'illegittimita eostituzionale determinata dall'ineompatibilita tra legge ordinaria e prineipi eontenuti, appunto, nella Costituzione. La leg ge ordinaria non puö andare contro la Costituzione, ma puö andare oltre la Costituzione: e ciö a preseindere dal fatto ehe il raggio di estensione degli interessi eostituzionalmente garantiti e tale da poter eomprendere qualsiasi situazione 0 rapporto ehe non sia antitetieo a un preeetto costituzionaleft • E poste ehe il legislatore, entro i limiti di eui sopra, puo tutel are e regolamentare qualsiasi interesse, la seelta delle sanzioni dev'essere interamente rimessa, in quest'ambito, al legislatore stesso, senza possibilita di sindacato da parte della Corte Costituzionale. Ci sembra, quindi, di poter affermare ehe la legge punitiva (e quella penale, in particolare) puo incriminare eomportamenti lesivi anehe di benr non espressamente menzionati nella Costituzione, purehe non si determini una situazione di ineompatibilita con la Costituzione. D'altra parte, e indubbio ehe non vi e un obbligo per il legislatore di tutelare penalmente tutti i beni garantiti dalla Costituzione7 , anehe se, indubbiamente, la caratterizzazione costituzionale di un bene fornisce allegislatore un'indicazione di opportunita per l'opzione penale.

Su questa impostazione, con originalita di cadenze argomentative, BrideI reato, in «Noviss. Dig. It.», Vol. XIX, 1973. V. anche funzioni deI bene giuridico, Sassari 1980. ft Tendenzialmente in questo senso, ma con una graduazione paracostituzionalistica degli interessi, Mantovani, Diritto penale, Padova 1979, p. 186. 7 In sense parzialmente divergente, Pulitano, Obblighi costituzionali di tutela penale?, in «Riv. it. dir. e proc. pen.» 1983, p. 484, 5

cola, Teoria generale Angioni, Contenuto e

L'opzione penale

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IV. La scala-base di valori e i processi razionali ed emotivi: l'istanza di stigmatizzazione e gli scopi di retribuzione

Chiariti, cosi, i rapporti tra opzione penale e Costituzione, vediamo ora le altre prospettive in cui si puö inquadrare la scelta deI legislatore. Alla base della scelta della tutela giuridica, e quindi della costruzione delle fattispecie penali, e anehe, piu genericamente, delle fattispecie punitive, sta il collocamento dei beni su una determinata scala di valori8 • E' certo, infatti, ehe il legislatore tende all'opzione punitiva, e, nell'ambito di questa, all'opzione penale, in funzione di esigenze di prevenzione generale; ma e ehiaro ehe il presupposto e l'identificazione dei beni, la cui lesione si vuole prevenire attraverso l'intimidazione. Questa identificazione nale e in parte emotivo.

e il

risultato di un processo in parte razio-

Da un punto di vista razionale, vengono in considerazione, anzitutto, quei beni ehe, indipendentemente dal momento storico in cui ci si trova, rappresentano valori costanti di ogni convivenza umana (senza ehe, con ciö, si voglia propendere per una concezione giusnaturalistica): la vita, l'incolumita individuale, l'incolumita pubblica, la genuinita documentale eccD. E vengono, altresi, in considerazione quei beni ehe, pur non assumendo un valore costante, ma variabile, appaiono come necessari alla sopravvivenza di una determinata comunita: tali la difesa delle istituzioni in cui si articola 10 Stato, e dello Stato stesso10 •

Ad un punto di vista emotivo, invece, e legato il se e il quanta della tutela di certi interessi, a cui, in un dato momento, si attribuisce, sotto l'influsso di emozioni anehe transeunti, un'importanza rilevante: di qui, per esempio, nascono le incriminazioni di certe opinioni (contrarie ai regimi costituiti) 0 di certi comportamenti nella sfera politica ed economica (per es. in materia tributaria 0 valutaria).

In questa prospettiva si inserisce anehe l'istanza di stigmatizzazione ehe, per ragioni varie, e spesso sotto l'influsso di un'opinione pubblica demagogicamente orientata, aceompagna le scelte dellegislatore. Di 8 Scala di valori ehe, evidentemente, pub anehe prescindere da! parametro costituzionaIe, purehe non eontrasti eon esso. 9 Cfr. le aeute notazioni sulle costanti in Radzinowicz, La spirale deI crimine (Trad. Piera Smuts Santi), Milano 1981, p. 111. 10 Su questi argomenti di fondo, cfr. per tutti: BricoZa, Teoria generale, cit. passim; Jescheck, Das Menschenbild unserer Zeit und die Strafrechtsreform, 1957; id., Lehrbuch des Strafrechts, Allg. Teil, 3" Ed., Berlino 1978, p. 40 ss.; Nuvolone, Natura e storia nella scienza deI diritto penaIe, in «Trent'anni di diritto e procedura penale», Padova 1969, p. 190 ss.

53 Festschrift für H.-H. Jescheck

Pietro Nuvolone

834

fronte a eerti fatti, eioe, il legislatore e portato all'ineriminazione, anzitutto, e poi aHa eomminatoria di sanzioni piu gravi, in quanto ritiene i fatti stessi meritevoli di un particolare eastigo: qui, in sostanza, aHa prevenzione generale si aeeompagnano 10 seopo di repressione e di retribuzione. Si tratta di due momenti di politiea eriminale ehe, pur venendo solitamente assimilati aHa prevenzione generale, eon essa non si identifieano ne quanta aHa genesi, ne quanto al teleologismo. Invero, la prevenzione generale e legata a una proiezione nel futuro, preseindendo daH'applieazione della pena ed essenzialmente in funzione della minaeeia della stessa, mentre la repressione e la retribuzione attengono al momento in eui, verifieatosi il reato, si tratta di punirne l'autore l l • Inoltre, il eoneetto di prevenzione generale e, nella sua essenza, razionale, in quanta basato su di un ealeolo di probabilitil dell'efficaeia deterrente della norma; inveee, i eoneetti di repressione e di retribuzione sono legati a valutazioni etieo-politiehe12, in gran parte emotive, perehe i parametri sono estremamente soggettivi ed astratti. Chi potril mai stabilire, eon razionale eertezza, quanta di sanzione eorrisponde al male eommesso?

v.

Il problema della condotta da incriminare e il principio di tassativitä

Alla seelta dei beni da tutelare segue neeessariamente l'identifieazione della eondotta da ineriminare. Tavolta, e suffieiente ineriminare la sempliee produzione dell'evento, in quanta l'evento si identifiea nella soppressione 0 nella menomazione deI bene: queste avviene, per esempio, nei delitti di omieidio e di lesione ehe vanno classifieati, appunto, tra i delitti a eondotta libera, 0 a eausalitil aperta. Ma i1 piu delle volte si rende neeessaria la tipieizzazione della eondotta, in quanto la realizzazione di determinati interessi (personali e patrimoniali) non pUD eonsiderarsi in se e per se illeeita, ma diventa tale solo in quanto si usino determinati mezzi ehe, a grandi linee" possono identifiearsi nella violenza e nella frode l '. Talehe, non si e lontani dal vero earatterizzando i1 delinquente come eolui ehe tende a soddisfare i suoi interessi attraverso mezzi ehe rientrano nelle eategorie della violenza edella frode. E' un'indieazione ehe trova eonferma anehe in aleune norme della Costituzione (si vedano, per esempio, gli artt. 17, 18 e 49). Su questo concetto, si vedano le osservazioni di Andenaes, op. cit., p. 9. Per quest'aspetto deUa tematica penale, cfr. Bettiol, 11 problema penale, in: «Scritti giuridici», vol. 11, Padova 1966, p. 620. 13 Cfr. Nuvolone, 11 sistema, cit., p. 81 ss. 11

11

L'opzione penale

835

A questo punto, puö intervenire indubbiamente il eontroUo eostituzionale. 11 principio di tassativita, ehe e un'implieazione neeessaria deI prineipio di legalita, esige ehe la pena rieada solo sull'autore di un «fatto»: e il fatto non puö essere ehe un eomportamento percepibile esteriormente e «l'evento-lesione deU'interesse» ehe ne deriva. Fino a ehe un reato rimane nel campo dell'ideazione, della programmazione, senza incidere nel mondo fenomenico esteriore (sia pure eome atto preparatorio), non ci troviamo di fronte a un fatto della vita di relazione, il solo ehe puö interessare la sfera deI diritto14 • Questo non significa, naturalmente, ehe l'interesse tutelato sia effettivamente leso; ma significa ehe la eondotta incriminata sia identifieabile in atti univocamente diretti verso quell'obbiettivo. In virtu di tale prineipio, non e ehiuso automaticamente il diseorso circa i «reati di sospetto», nei quali si deve distinguere il easo delI' ineriminazione deI mero sospetto, indubbiamente illecita, daU'ineriminazione di una eondotta, esteriormente rilevabile, ehe viene punita perehe puö rappresentare il sintomo di un illecito piu grave di earatte re sostanziale 0 il pericolo di futuri illeciti sostanziali. Una eosa e l'oggetto deI reato e un'altra eosa il motivo per eui il legislatore fa scattare la sanzione punitiva. Il principio di tassativita esige, inoltre, ehe la norma punitiva sia formulata nel modo piu preeiso possibile, in guisa da non legittimare interpretazioni diverse e eontrastanti, eome tali lesive deUa eertezza deI diritto15 • In un regime, eome quelle italiano, retto da una Costituzione in sense formale sovraordinata aUe altre fonti deI diritto, il legislatore dovra anehe porre attenzione ad un perieolo: e, eioe, di incriminare, per la salvaguardia di beni meritevoli di tutela, eomportamenti eui si debba rieonoseere la natura di liberta eostituzionalmente garantita. Per esempio, non si potra ineriminare una eondotta di «sciopero» solo perehe 10 sciopero lede indubbiamente beni patrimoniali (e talvolta anehe personali) meritevoli di tutela. Qui si presentera, a seconda dei easi, per il giudiee ehe si trovasse di fronte a norme di questo tipo, l'alternativa tra ineostituzionalita deUa norma ordinaria e limite seriminante dell'esercizio deI diritto (v. anehe Tetra III).

14 Il ehe non 5ignifiea, evidentemente, ehe si aeeolga il principio di offensivita. Su quest'argomento, efr. G. Vassalli, Considerazioni sul prineipio di offensivita, in «Studi in onore di U. Pioletti», Milano 1983, p. 671 ss. IG Cfr. in argomento: Pagliaro, Prineipio di legalita e indeterminatezza deUa legge penale, in «Riv. it. dir. e proe. pen.» 1969, p. 694 55.; Roxin, Offene Tatbestände und Rechtspflichtmerkrnale, Hamburg 1969.

53'

836

Pietro Nuvolone VI. 11 principio di tassativitä e Ia sua vioIazione in Ieggi recenti

Questi momenti logici e psicologici che presiedono, 0 dovrebbero presiedere, alla scelta dei legislatore non sono, a nostro avviso, esclusivi dell'opzione penale in sense stretto, ma anehe dell'opzione punitiva in sense lato e generico. E questo, non solo perehe il secondo comma dell'art.25 Cost. dice «Nessuno pud essere punito ecc.»; non solo perehe la legge 24 novembre 1981, n.689, all'art.1 dispone ehe esser fatto allorehe si tratta di sanzioni da applicarsi apersone giuridiehe; anehe se, in fondo, alla base vi sarä sempre una condotta colpevole da parte dei soggetti ehe le rappresentano.

L'opzione penale

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In base a quali eriteri, sia in sede penale sia in sede piu generieamente punitiva, si optera per la punibilita a titolo alternativo (dolo 0 eolpa) 0 si seegliera la punibilita a solo titolo di dolo? Qui, a nostro avviso, i eriteri saranno due. Vi sono eerti fatti, il eui evento eonsumativo, nel eontesto di una eerta azione, ove non sia voluto, deve eonsiderarsi irrilevante, perche in eontrasto eon la logiea deUa fattispecie (p. es. il furto 0 la truffa); vi sono, inveee, eerti fatti in eui, pur essendo eonfigurabile una responsabilita eolposa, il legislatore ritiene inopportuna l'estensione deUa punibilita aUa fattispeeie eolposa, in quanta pub essere sufficiente l'obbligo deI risareimento deI danno ex art. 2043 e. e. (per es. il danneggiamento), mentre la eonfigurabilita di un reato eolposo moltiplicherebbe, oltre i limiti deI ragionevole, i proeedimenti penali, estendendoli a easi che sono di ordinaria amministrazione neUa vita di relazione. Sia pure eeeezionalmente, l'evento illecito potra esse re imputato a titolo di responsabilita oggettiva, sempre ehe la legge preveda espressamente questo easo: e tale previsione sara frutto di una seelta deI legislatore, ispirato da finalita di partieoIare rigore, e quindi di piu intensa tutela deI bene giuridieo. Per una singolare anomalia, l'eventualitä e eontemplata dal eodiee penale (art. 42), ma non trova rispondenza per il diritto amministrativo parapenale neUa legge 24 novembre 1981, n. 689. X. Sanzione punitiva e liberta personale La seelta delIa sanzione penale 0 delIa mera sanzione amministrativa punitiva appare partieolarmente rilevante, perche solo la sanzione penale si traduee direttamente 0 indirettamente in una restrizione deUa libertä personale. E, anzi, propria di qui, si trae la eonseguenza che non e possibile parifieare in aleun modo la sanzione punitiva amministrativa aUa sanzione penale20 • Senonche, a preseindere daI fatto che l'art.25 Cast. parIa di punizione e non di sanzione penale, eosieche non vi e aIeuna neeessita di un'applieazione analogiea deI principio eostituzionale di legalita, eerto e anche che la legge n.689 deI 1981 espressamente richiama il principio di legalita. Einaltre deve eonsiderarsi il fatto che anche la sanzione punitiva di earattere amministrativo incide in qualche modo nei diritti di liberta deI cittadino, 0 imponendogli prestazioni patrimoniali, 0 interdieendogli determinati eomportamenti e determinate seelte; e pertanto, anche se non si pub parlare di una diminuzione deUa liberta personale in senso stretto, si deve eertamente parIare di restrizioni di 20

In questo senso, Bricola, Teoria generale, cit. passim.

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Pietro Nuvolone

liberta eostituzionalmente garantite in sense lato. Comunque, in un easo particolare (art. 388-ter C. p.) anehe la maneata eseeuzione dolosa di una sanzione peeuniaria amministrativa puö avere per eonseguenza la pena della reclusione. Se a ciö si aggiunga - eome gia da noi rilevato - ehe talune sanzioni amministrative possono esse re piu afflittive in eonereto di lievi sanzioni penali, si ha la eonferma della diffieoltci. della seelta tra le due, e quindi delI'opzione penale. Comunque, tradizionalmente, e proprio in virtu delIa sua ineidenza, diretta 0 indiretta, eerta 0 eventuale, nella liberta personale in sense stretto, la sanzione penale deve eonsiderarsi l'ultima ratio; e 10 stesso deve dirsi, nell'ambito delle sanzioni penali, per quanto eoneeme la pena detentiva. La tendenza asostituire le brevi pene detentive eon sanzioni alternative non detentive e una eonferma di quest'assunto.

XL Le seelte di parte generale. Rifiessioni conclusive Quello sottostante all'opzione penale e essenzialmente. un problema di parte speeiale: seelta dei valori da tutelare penalmente, delle forme delIa tutela (e, quindi, dell'ineriminazione) e dei mezzi della tutela (e, quindi, della sanzione). La parte generale di un eodiee penale deve, sotto queste aspetto, eonsiderarsi strumentale rispetto alle seelte di parte speeiale: i presupposti soggettivi dell'ineriminazione, i Umiti seriminanti, i vari tipi di sanzione,le cireostanze integrano neeessariamente i preeetti di parte speeiale e, in un sistema armonieo, si adeguano alle scelte di parte speeiale. L'ordinamento giuridieo penale, sempre ehe sia eonsequenziale ad un'opzione unitaria nell'ambito della prevenzione e delIa repressione, dovra apparire un tutto unico e eoerente dal punto di vista della politiea eriminale e delIa sua logiea intrinseea. Ciö non avviene sempre; e non avviene, in partieolare, in !taUa, da qualehe deeennio a questa parte: tensioni di segno opposto, volonta di venire ineontro a non sempre eoneiliabili esigenze, tendenze alla clemenza e neeessitci. di durezza, hanno fatto della nostra legislazione penale, molto spesso, eome aeeennavamo in prineipio, il eonfuso risultato di opzioni diverse e eontrarie: ivi eompresa l'opzione premiale, ehe sempre piu si inserisee nel diritto penale, nell'intento, 0 nelI'illusione, di rafforzarlo!l. 21 Cfr. sull'argomento AA. VV., Diritto premiale e sistema penaIe, «Atti deI vn° Simposio di Studi promosso dalla Fondazione A. Luzzanb, Milano

1983.

L'opzione penale

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E' giunto il momento in cui il legislatore dovrebbe ripiegarsi su se stesso per rendersi conto, razionalmente e non emotivamente, delle ragioni deI suo operare e delle finalita ehe vuole raggiungere con i mezzi a sua disposizione. Ma non sara facile se la societa non esce prima dalla crisi in cui e coinvolta.

ALFONSO M. STILE

Concetto e trattamento della «criminalita minore » in Italia I. I problemi attuali deI trattamento della «criminalitä minore» residuata alla depenalizzazione Le modifiche apportate al sistema penale italiano dalla legge 24 novembre 1981 n.689 costituiscono la piu vasta e incisiva riforma penale dalla nascita dei codici vigenti, risalente a mezzo secolo fa. Con essa il legislatore ha cercato di ovviare ai ritardiaccumulati nei confronti deI «movimento internazionale di riforma», produttivo negli ultimi anni di influssi considerevoli sulle legislazioni penali di numerosi Paesi anche di tradizioni culturali analoghe a quella italiana1 • La portata della legge risulta chiara non appena si considerino i soli settori di intervento piil significativi: la depenalizzazione e la formulazione di una disciplina generale dell'mecito amministrativo; l'introduzione di sanzioni sostitutive delle pene detentive brevi; gli interventi, di natura diversa, volti a favorire la deJlazione penale2 • In questa sede vogliamo affrontare nelle linee di fondo le peculiari modalita attraverso le quali risulta oggi trattata in Italia - appunto 1 Una notevolissima incidenza nella penetrazione e nella diffusione delle linee generali deI movimento intemazionale di riforma in !talia, prima nella dottrina e poi nella legislazione, e certamente da attribuire ad Hans-Heinrich Jescheck, deI quale ci limitiamo a segnalare, tra le opere apparse sulla tematica in lingua italiana: Gli indirizzi di politica criminale nelle riforme penali tedesca ed austriaca, Jus 1974, 359 ss.; La riforma deI diritto penale in Germania, Indice penale 1976,393; La pena pecuniaria, modeme mezzo di politica criminale ed i problemi ad essa connessi, Indice penale 1977, 365 sS.; Il significato deI diritto comparato per la riforma penale, Riv. it. Dir. e Proc. pen. 1978, 803 S5.; Linee direttive deI movimento internazionale di riforma penale, Indice penale 1979, 197 55.; Metodi della preparazione edella attuazione della riforma penale tede5ca, Indice penale 1980, 217 S5.; Il nuovo diritto penale tedesco me550 a prova, Indice penale 1981, 5; La crisi della politica criminale, in: AA. VV. Metodologia e problemi della riforma deI codice penale, a cura di A. Stile, 1981, 107 S5. Per una raccolta dei piit importanti lavori sui temi della politica criminale edella riforma penale, v. Strafrecht im Dienst der Gemeinschaft, 1980. 2 Tra le opere a carattere generale relative aUa legge di riforma, v. DolcinilGiarda/MucciarellilPalierolRiva Crugnola, Commentario delle «Modifiche al sistema penale», 1982; BertonilLattanzi/LupolViolante, Modifiche al sistema penale, 1982; Vinciguerra, La riforma deI sistema punitivo nella L. 24 novembre 1981, n. 689, 1983.

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Alfonso M. Stile

in seguito alla riforma deI 1981 - la «eriminalita minore» residuata aHa depenalizzazione (0 deeriminalizzazione) operata eon la stessa legge'.

Con un eolpo di spugna il legislatore italiano deI 1981 ha eaneellato il earattere penale alla maggior parte dei reati (delitti e eontravvenzioni'), preeedentemente puniti eon la sola pena pecuniaria eriminale (multa e ammenda), previsti dalle leggi speeiali (art. 325), ad aleune eontravvenzioni eontemplate dal eodiee penale e ad aleuni reati puniti eon pena detentiva (art. 33). AHa sanzione penale e stata sostituita una eorrispondente sanzione peeuniaria amministrativa. Dalla depenalizzazione dei reati puniti eon la sola pena peeuniaria sono stati esclusi la maggior parte di quelli previsti dal eodiee penale e una serie di violazioni relative a settori di notevole rilevanza (art. 34)8. Sui eriteri utilizzati nella depenalizzazione in dottrina si e molto diseusso e molto si diseute, e poehi sono eoloro ehe si son ritenuti soddisfatti. E' il punto di partenza ehe si e attirato le eritiehe maggiori: la depenalizzazione e stata operata muovendo dalla eonsiderazione deHa sanzione prevista senza una attenta revisione dei singoli reati bagatellarF. Ne derivano perplessita cirea una rieonquistata «dignita» deI sistema penale, sia per la permanenza di «minima», sia per le sfasature dovute ai rapporti di valore tra fattispeeie depenalizzate e non8 • Anehe i risultati in termini di economicitd deI sistema penale8 non sono eonsiderati suffieienti, speeie per quanta riguarda il earieo 3

11 problema deI trattamento -

penale e non - della criminalita minore

e oramai da anni un «classico» della discussione politico criminale e crimino-

loglca a livello lnternazionale. Ne riepiloga efficacemente gli sviluppi salienti Zipf, Kriminalpolitik, Ein Lehrbuch, 2. Auti. 1980, 115 ss. , Gli illeciti penali (reati) si distinguono in delitti e contravvenzioni. Le pene per i delitti sono l'ergastolo, Ia reclusione e la multa, per Ie contravvenzioni l'arresto e l'ammenda. & Gli articoli di Iegge citati senza indicazione deI teste normativo cui appartengono si intendono relativi alla Iegge 24 novembre 1981 n.689. e Tra questi settori si possono segnaIare quelli relativi alla tutela dell'ambiente, alla sicurezza sul lavoro, agli alimenti, ecc. Un preciso riepilogo di tutta la probIematica in Paliero, Probleme der Entkriminalisierung in Italien, ZStW 94 (1982), 404 ss. 7 Cfr. Larizza, Profili critici della politica di depenalizzazione, Riv. it. Dir. e Proc. pen. 1981, 95 ss.; Veneziano, Depenalizzazione e illecito amministrativo, in: Modifiche al sistema penale, cit. n.2, vol. 1,56 ss.; Siniscalco, Depenalizzazione e garanzie, 1982, 119 ss. Sulla problematica in rapporto all'ordinamento tedesco, v. Vogler, Möglichkeiten und Wege einer Entkriminalisierung, ZStW 90 (1978), 132 ss. 8 Sulla problematica generale Zipf, cit. n.3; Paliero, Note sulla discipIina dei reati «bagatellari», Riv. it. Dir. e Proc. pen. 1979, 920 ss., con ampi riferimenti bibliografici. • V. Kaiser, Möglichkeiten der Bekämpfung von Bagatellkriminalität in der Bundesrepublik Deutschland, ZStW 90 (1978), 879 ss.

Concetto e trattamento della "crlminalita minore" in !talia

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degli uffici giudiziari e degli organi di polizia, con tutti i conseguenti indiscriminati criteri prasseologici di selezione10 , forse ancora phI pericolosi in mancanza dell'Opportunitätsprinzip 11 e in un momente in cui la criminalita «grave» raggiunge livelli-limite, anche per via di una fenomenologia associativa sempre piil marcata ehe riehiede da sola un impiego massimo di risorse. A prescindere dal grade di validita di questi rilievi, appare certo ehe il processo di decriminalizzazione non e stato esaustivo. Proprio il criterio generale basato sulla preesistente previsione della sola pena pecuniaria e sulla estraneita al codice dei reati da depenalizzare, sebbene temperato da una piu attenta considerazione per taluni settori, contiene in se stesso un implicito limite di validita per difetto e per eccesso. Ci sembra tuttavia di poter anticipare ehe e stata propria la consapevolezza derivante dai limiti dell'iter di depenalizzazione e delle sue concrete (e limitate) conseguenze sull'amministrazione della giustizia a costringere il legislatore italiano a porsi finalmente una serie di problemi relativi a1 trattamento della residua criminalita minore. In un quadro costituzionale ehe, imponendo a1 pubblico ministero l'esercizio dell'azione pena1e12, esc1ude inesorabilmente il ricorso a1l'Opportunitätsprinzip, certamente non e stata facile 1a ricerca di soluzioni per tre categorie di reati minori: 1) quelli sfuggiti alla depenalizzazione e ehe sarebbero stati depenalizzati attraverso una revisione piu approfondita, basata su criteri diversi dalla considerazione della pena originariamente prevista; 2) quelli nella cui fattispecie sono compresi fatti di diverse significato 0 contenuto di disvalore: basti pensare alle contravvenzioni ehe 10 Al di la dei non pochi rilievi critici che e necessario muovere alle premesse teoriche e metodologiche cui si orienta la criminologia che si autodefinisce «critica» (v. sopratutto Kaiser, Was ist eigentlich kritisch an der «kritischen» Kriminologie?, Festschrift für Lange, 1976, 521 55.), e tuttavia ad essa che va riconosciuto il merito di aver posto al centro della ricerca criminologica il problema dei criteri «informali» di selezione della criminalita: v. nella letteratura ormai sterminata su questa tematica, i contributi apparsi nel volume Kritische Kriminologie, Arbeitskreis Junger Krlminologen, 1974, con particolare riferimento al lavoro di Kern, Straftaten, Straftäter und Strafverfolgung, 190 ss. Una ponderata valutazione dei problemi che la c. d. «cifra oscura» pone ai sistemi penali odiemi, e fatta da Lüderssen, Strafrecht und Dunkelziffer, 1972, passim. 11 L'imprenscindibilita per i sistemi penali moderni di meccanismi che consentono di giuridicizzare l'inevitabile selezione, e ribadita chiaramente da Zipf, Kriminalpolitische überlegungen zum Legalitätsprinzip, Festschrift für Peters, 1974, 487 ss.; per la dottrina italiana v. specialmente Paliero, cit. n. 8, 928 ss. ll! L'art. 112 Cost. e infatti tassativo: «11 pubblico ministero ha l'obbligo di esercitare l'azione penale».

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sono punite indifferentemente, nell'ambito di un unico Strafrahmen, a titolo di dolo 0 di colpa. Nell'ambito di tali fattispecie alcuni fatti si sarebbero potuti tranquillamente depenalizzare, altri no; 3) quelli, infine, ehe pur fuori dalla attuale logica di depenalizzazione, evidenziano in concreto una Geringfügigkeit, una esiguita tale da porre seriamente un problema di costi-benefici. Nel bilancio relativa al trattamenta di quest'ultima categoria di reati vanno appostate da un lato le esigenze di prevenzione generale collegate alla tutela di beni 0 interessi sufficientemente rilevanti, dall'altro la stigmatizzazione connessa alla condanna penale per fatti non gravi e l'appesantimenta dell'apparato della giustizia, ehe le limitate risorse non sembrano in grado di fronteggiare lS • In questo ambito puo essere infatti riportata gran parte della «criminalita di massa», la cui incidenza quantitativa non riehiede particolari ehiarimentp4. Ad affrontare la piu complessa problematica posta da questa terza categoria di fatti il legislatore e stato spinto ed insieme agevolato dalla contemporanea introduzione delle sanzioni sostitutive delle pene detentive brevp5: la possibilitä. (discrezionale) di applicare le pene sostitutive non si riporta infatti esclusivamente alla pena concretamente irragata, ma e circoscritta ai soli reati di competenza deI pretore (ehe non prevedono pene superiori nel massimo a tre anni) tra i quali si registrano numerose esclusioni oggettive, a dimostrazione di una, sia pur opinabile, valutazione legislativa circa la attuale gerarehia dei valori tutelati e le attuali esigenze generalpreventive. L'individuazione dei reati ai quali possono esse re applicate le pene sostitutive e la ricerca dei criteri ehe informano il pate re discrezionale di sostituzione ha contribuito a circoscrivere un notevole ambito di reati ehe possono definirsi «minori». La sforzo legislativo volta a risolvere in maniera «economica» i diversi ma connessi problemi relativi aHa «criminalita minore» si e estrinsecato con la strutturazione di due nuovi istitutP6: l'oblazione Cfr. Kaiser, cit. n. 9. La piccola criminalita di massa costituisce, come e noto, un grosso problema dappertutto: sugli aspetti qualitativi - in relazione sia ai fatti che agli autori - e quantitativi deI fenomeno, v. Kaiser, Kriminologie, Ein Lehrbuch, 1980, 450 ss. 15 La legge 24 novembre 1981 n.689 prevede nel Capo III (artt. 53 - 85) il potere deI giudice di sostituire le pene detentive fino a un mese con la pena pecuniaria, quelle fino a tre mesi con la «liberta controllata» e quelle fino a sei mesi con la «semidetenzione». Per una sommaria informazione in lingua tedesca sui contenuti della legge di riforma deI 1981, con particolare riguardo alle sanzioni sostitutive, v. StiZe, Neue italienische Kriminalpolitik nach dem Strafrechtsreformgesetz von 1981, ZStW 96 (1984), 172 ss. 18 Occorre segnalare, quale ulteriore possibilitil sfruttata dal Iegislatore in vista di un alleggerimento deI carico giudiziario, l'estensione a numerosi 11

l'

Concetto e trattamento deUa "criminalita minore" in Italia

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nelle contravvenzioni punite con la pena alternativa dell'arresto 0 dell'ammenda (art.126 ed ara art.162 bis c. p.) detto obZazione speciaZe17 ; Z'appZicazione di sanzioni sostitutive su richiesta dell'imputato (art. 77), ridefinito non deI tutto propriamente patteggiamento, per una vaga analogia con il pZea bargaining18• Aparte le notevolissime diversita di portata e di effetti, entrambi gli istituti mirano al duplice scopo di riportare la sanzione penale stigmatizzante ad un criterio di extrema ratio, realizzando contemporaneamente un sostanziale alleggerimento deI carico processuale, che e probabilmente la finalita primaria deI legislatore1e • Parimenti e comune 10 schema generale che li informa: 1) la legge circoscrive l'ambito di applicazione dell'uno e dell'altro istituto in relazione a caratteristiche tassative dei reati e degli autori; 2) in questo ambita tassativo e concesso al giudice il pate re discrezionale, sorretto da criteri diversi, di individuare i casi concreti nei quali si rinunzia all'applicazione della sanzione penale;

3) iniziativa dell'imputato, che richiede una sanzione non penale e comunque priva deI carattere stigmatizzante tipico di quella penale, la quale viene applicata mediante procedimenti agili, che si concludono con la estinzione deZ reato dichiarata dal giudice con sentenza.

Questo schema uni ta rio permette immediatamente di rilevare che i fatti di «criminalita minore» possono restare privi di sanzione penale (stricto sensu) alla luce di una doppia valutazione: la prima, generale e astratta, operata dal legislatore; la seconda, concreta, operata dal giudice. Le modalita di definizione, ed in particolare l'esito consistente nella immediata declaratoria di estinzione deI reato, costituiscono invece il sistema per aggirare l'ostacolo dell'obbligatorio esercizio dell'azione penale. reati della perseguibilita a querela di parte (Capo IV, artt. 86 - 99). Questo tema non viene trattato, anche perehe i reati procedibili a querela non rientrono necessariamente neU'ambito deUa criminalita minore. 17 Si parIa di oblazione speciale (0 discrezionale) per distinguerla dal preesistente istituto dell'oblazione (non discrezionale), su cui infra nel testo. 18 L'istituto deI «plea bargaining» e senza dubbio un efficace strumento per i1 rapido smaltimento deI carico processuale, ma desta vive perplessita la sua compatibilita con i principi di giustizia. Nella sua struttura tradizionale appare incompatibile con l'obbligatorieta dell'esercizio dell'azione penale. Sul punto v. Vigoriti, Pubblico ministero e discrezionalita dell'azione penale negli Stati Uniti d'America, in: Pubblico ministero e accusa penale. Problemi e prospettive di riforma, Bologna, 1979, 268; Corbi, Obbligatorieta dell'azione penale ed esigenze di razionalizzazione deI processo, Riv. it. Dir. e Proc. pen. 1980, 1048 ss. U Cfr. Dalia, La deprocessualizzazione come obiettivo primario delle recenti «modifiche al sistema penale», Riv. it. Dir. e Proc. pen. 1982, 475 s. 54 Festschrift für H.-H. Jescheck

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Dall'analisi dei criteri tassativi e discrezionali ehe consentono di pervenire aHa estinzione dei reati minori in seguito aH'applicazione di una sanzione non stigmatizzante - criteri ai quali e dedicato il presente studio - sara possibile tentare di delineare il concetto di «reato bagatellare» nell'ordinamento positiva italiano.

11. L'ambito dei reati potenzialmente «minori» Occorre in prima luogo precisare a quali reati e circoscritta l'applicabilita delI' «oblazione speciale» edel «patteggiamento»; cib costituisce la premessa necessaria alla individuazione dei criteri politicocriminali cui si e ispirato il legislatore nell'ammettere la possibilita di una forma di decriminalizzazione in concreto (ope iudicis) di fatti ehe restano previsti come reato. 1. L'oblazione speciale e ammessa, senza eccezioni, per tutte le contravvenzioni per le quali la legge stabilisee in alternativa la pena

detentiva (arresto)

0

pecuniaria (ammenda).

L'oblazione e un istituto presente nel vigente codice penale (art. 162 c. p.) fin dalla sua introduzione limitatamente alle contravvenzionl punite con la sola pena pecuniaria: il pagamento della terza parte deI massimo della pena prevista dalla legge determina, senza discrezionalita alcuna da parte deI giudice, l'estinzione deI reato, «trasformando l'illecito penale in illecito amministrativo»20. L'art.126 della legge di riforma non si e limitato a estendere la portata dell'istituto alle contravvenzioni punite con pene alternative: in tal caso infatti il depositu con l'istanza di oblazione della meta deI massimo dell'ammenda prevista non determina automaticamente l'estinzione deI reato. ma attiva soltanto il potere discrezionale deI giudice, il quale dovra poi motivare circa l'ammissione 0 la non ammissione all'oblazione. Le contravvenzioni punite con sola pena pecuniaria sfuggite alla depenalizzazione vera e propria!l restano soggette alla oblazione primitiva (non discrezionale), salvo alcune di esse ehe, in virtu dell'art.127, sono state assoggettate al regime dell'oblazione speciale (discrezionale)" . 20 Relazione deI Guardasigilli al Progetto definitivo deI Codice penale, parte I, 114. Sull'istituto della oblazione «tradizionale» v. Mazza, Oblazione volontaria, in: Enciclopedia deI Diritto, vol. XXIX, 1979, 562 ss. tl v. supra, sub I. " La deroga conceme talune contravvenzioni relative alla disciplina degli alimenti per Ia prima infanzia e dei prodotti dietetici, all'inquinamento atmosferico, all'impiego pacifico dell'energia nucleare, alla sicurezza e igiene sul Iavoro. Pertanto, degli illeciti penali contravvenzionali puniti con Ia sola ammenda prima delIa riforma deI 1981, alcuni sono stati depenalizzati; altri

Concetto e trattamento della "criminalitA minore" in Italia

851

Restano quindi escluse dall'oblazione le contravvenzioni punite con la sola pena detentiva 0 con la pena detentiva congiunta all'ammenda.

2. L'applicazione di sanzioni sostitutive su richiesta dell'imputato (il cd. patteggiamento) si applica a tutti i reati (delitti e contravvenzioni) per i quali il giudice ha la possibilita di sostituire la pena detentiva con la pena pecuniaria 0 con la liberta controllata. Bisogna quindi ricorrere aHa disciplina delle pene sostitutive (artt. 53 ss.) per precisare i limiti generali di portata deH'istituto. Le pene detentive brevi possono essere sostituite in relazione a reati di competenza deI pretore, anehe se giudicati, per effetto della connessione, da un giudice superiore 0 dal tribunale per i minorenni. La competenza deI pretore abbraccia reati puniti con pena detentiva fino a tre anni, con esclusione di alcuni di essi ehe, ratione materiae, ricadono nella competenza deI tribunale. Tra i reati di competenza deI pretore ve ne sono perb alcuni (elencati nell'art.60) per i quali e esclusa l'applicazione delle pene sostitutive: si tratta sia di delitti ehe di contravvenzioni.

Un altro limite oggettivo implicito e costituito dal minimo edittaIe: le pene sostitutive introdotte dalle Iegge di riforma deI 1981 sono infatti tre: la pena pecuniaria, ehe sostituisce la pena detentiva fino a un mese; la liberta controllata, ehe sostituisce le pene detentive fino a tre mesi; la semidetenzione, ehe sostituisce pene detentive fino a sei mesi23 • Solo nel caso di applicabilita delle prime due sanzioni e possibile il patteggiamento, per cui pub verificarsi (peraItro raramente) ehe il minimo edittale sia tale ehe, nonostante l'eventuale presenza di circostanze attenuanti, non sia possibile neppure astrattamenteU contenere la pena nellimite di tre mesi. Una visione comparativa dell'ambito di applicabilita di entrambi gli istituti, per quanto concerne i reati ehe vi sono compresi, evidenzia restano ammessi a11a tradizionale oblazione (art. 162 c. p.), per cui in mancanza di un potere discrezionale deI giudice si pub parlare di depenalizzazione di fatto (Pedrazzi, Considerazioni generali su11e sanzioni pecuniarie nel progetto di riforma de11e societa commerciali, Riv. it. Dir. e Proc. pen. 1966, 783 ss.); altri, infine, sono stati sottoposti al piu rigoroso regime dell'art.162 bisc.p. 28 De11'ampia bibliografia su11e pene sostitutive introdotte dalla riforma deI 1981 ci si limita a segnalare: FebbrarolDemarco, Sanzioni sostitutive e «Patteggiamento», 1982, passim, 18 ss.; Paliero, cit. n. 2, 277 ss.; Dolcini, Le sanzioni sostitutive applicate in sede di condanna, Riv. it. Dir. e Proc. pen. 1982, 1390; Vinciguerra, cit. n. 2, 257 ss. U Tale problema e quindi assolutamente autonome da quelle deI concreto contenimento de11a pena nell'ambito di tre mesi, che riguarda non i limiti generali di applicabilita de11' istituto ma i limiti discrezionali, di cui ci occuperemo nel prosieguo deI Iavoro. 54'

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Alfonso M. Stile

numerosi problemi. In prima luogo non si riseontra una precisa sovrapposizione deI «patteggiamento», ehe eontempla sanzioni piu severe, all'oblazione, le eui eonseguenze sono eertamente piu lievi. Infatti vi sono alcune eontravvenzioni alle quali e riferibile l'oblazione ma ehe sono escluse dal patteggiamento, in quanto ad esse non sono applieabili 1e pene sostitutive: ad esempio, 1e eontravvenzioni in materia tributaria, perehe sono di eompetenza deI tribunale e non deI pretore; a1eune eontravvenzioni in materia di inquinamento, perehe rientrano tra quelle per le quali e espressamente esclusa la pena sostitutiva. 11 problema piu grave eoneerne tuttavia i delitti puniti con pena peeuniaria (multa) sfuggiti alla depenalizzazione: per questi non pub farsi luogo all'oblazione, ehe riguarda le sole eontravvenzioni, ne, stando alla lettera dell'art.77, all'applieazione di sanzioni sostitutive, le quali presuppongono una pena detentiva da sostituire. Lo stesso problema si estenderebbe, seeondo alcuni, anehe ai delitti puniti eon pena alternativa, qualora il giudiee ritenesse di applieare la pena peeuniaria (non sostituibile), e ai delitti puniti eon pena eongiunta. Ne seguirebbe ehe proprio i delitti meno gravi, per i quali e prevista la pena peeuniaria, sarebbero sottratti alle proeedure ehe consentono di evitare la stigmatizzazione di una eondanna pena1e a tutti gli effetti25 • Questa maeroseopica sfasatura deve riportarsi, eosi eome la prima, a un difetto di teeniea Iegislativa dovuto alla frettolosa introduzione dell'istituto deI «patteggiamento», deI tutto estraneo alla tradizione giuridica italiana, ed in particolare alle diffieoltä. deI suo coordinamenta eon il sistema della eommisurazione della pena in sense Iato: Ideato eon Ia finalita piu ridotta di rendere faeilmente applieabili Ie pene sostitutive, ci si rese eonto durante i Iavori preparatori ehe il rieorso al nuovo istituto sarebbe stato quanta mai limitato per 1a ben piu ampia portata della sospensione eondizionale della pena, ehe sarebbe risultata deI reste piu vantaggiosa per il reo. Pertanto si volle potenziarlo eon l'aggiunta dell'effetto estintivo immediato deI reato diehiarato eon sentenza, in modo da renderlo piu riehiesto. Ma, una volta previsti effetti su un piano ben diverso da quelle della me ra applieazione delle pene sostitutive, non si eonsiderb il fatto ehe il !5 In quest'ultimo sense Cass., VI Sez., 5 ottobre 1982, Giust. pen. 1983, III, 68; Cass., VI Sez., 13 maggio 1983, Giust. pen. 1983, III, 547. Vieeversa, ragguagliano la pena pecuniaria originaria in pena pecuniaria sostitutiva, Cass., IV Sez., 17 novembre 1982, Cass. pen. Mass. anno 1983, 468; Cass., IV Sez., 22 febbraio 1983, imp. Pulloni, inedita; numerose sentenze di merito estendono la portata dell'istituto. In dottrina, tra Ie diverse soluzioni proposte, cfr. Giarda, cit. n.2, 366 ss.; Vinciguerra, cit. n. 2, 328 ss.; Demarco, Atti deI Convegno di studio sulla legge 24 novembre 1981. n.689 (Pesaro, 7/8 maggio 1982),1984,173 SR

Coneetto e trattamento deUa "eriminalita minore" in Italir

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«patteggiamento» diventava appetibile anehe per gli autori di delitti puniti eon pena peeuniaria, desiderosi di eonservare una sostanziale «ineensuratezza», di evitare pene aeeessorie eee. A tale imperdonabile negligenza legislativa la dottrina e la giurisprudenza hanno eereato di ovviare attraverso una estensione dell'istituto deI patteggiamento ai delitti puniti eon pena peeuniaria eon argomentazioni a tortiori", ovvero rimettendo la questione alla Corte Costituzionale per la illogiea disparita di trattamento venutasi a determinare 27 •

°

Se si aeeantonano i easi di maneato eoordinamento e le ipotesi di esclusione, ehe si riportano eertamente a difetti di teeniea legislativa, dato ehe altre spiegazioni non si rieseono a prospettare, risultano abbastanza ehiari i eriteri eui si e ispirato il legislatore deI 1981 per cireoserivere in via generale i reati per i quali e possibile, in seguito alla sueeessiva valutazione diserezionale, pervenire alla declaratoria di estinzione deI reato, per i quali, eioe, si pub parlare di «depenalizzazione striseiante», «depenalizzazione di fatto» 0 di «depenalizzazione di fatti» in eontrapposizione alla depenalizzazione, in sense teenico, dei reati: sia ehe si tratti di eontravvenzioni, sia ehe si tratti di delitti di eompetenza deI pretore, nessun reato pub esse re ammesso alla proeedura di estinzione rapida se il massimo edittale supera i tre anni di pena detentiva. E' queste il limite entro il quale e stata eonsiderata ammissibile l'inerinazione deI principio di indetettibiZitd della sanzione penale, tradizionale eorollario della prevenzione generale28 • Si deve ora esaminare eome, in queste ambito eosi cireoseritto di reati2D , si distinguono i fatti per i quali si giunge ad una sostanziale depenalizzazione ope iudicis, da quelli per i quali non pub addivenirsi a tale risultato. 28 Cordero, Procedura penale, VII Ed. 1983, 984 s. L'argumentum a fortiori afferisee, sotto l'aspetto qualitativo, aU'area deUa Reehtsfortbildung: «al voluto deI legisiatore viene attribuita rilevanza in eontrapposizione a quanta da lui stesso dettol!> (Koch/Rüssmann, Juristische Begrundungslehre, 1982, 257 s.). Cfr. Giarda, cit. n. 2, 367. 27 Con sentenza deI 24 maggio 1984, Foro It. 1., 1984, 1444, la Corte Costituzionaie ha ritenuto inammissibile Ia questione sottopostale. 28 Come sottolinea Jescheck, Lehrbuch, 3. Auti. 1978, 56 s., e ehiarissimo gia nel pensiero di Feuerbach ehe l'inflizione deUa pena e indispensabile a garantire la «serieta» deUa minaecia, e dunque l'effetto generaipreventivo ehe ad essa deve eoUegarsi. Si deve osservare a questo riguardo ehe la prudenza usata dal Iegislatore italiano neU'intaeeare i1 principio di indefettibilita si verifiea innanzitutto nei eriteri di selezione dei reati ammessi aU'oblazione e al patteggiamento. 2D A titolo di curiosita, da eonteggi riferiti al solo eodiee penale, risulta ehe 58 su 74 eontravvenzioni sono ammissibili aU'oblazione, mentre 183 tra delitti e eontravvenzioni sono ammissibili al epatteggiamento».

Alfonso M. Stile

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La precisazione era ovviamente necessaria per pass are al nucleo deI tema: quali sono i criteri normativi (e le relative premesse politicocriminali) ehe permettono al giudice mediante i due istituti di diehiarare estinti come reati dei fatti ai quali il legislatore non ha inteso cancellare in via generale il carattere di illecito penale. eib riehiede naturalmente una phI approfondita indagine (specifica) delI' «oblazione speciale» edel «patteggiamento».

m.

L'oblazione speciale: discrezionalitä orientata all'accertamento dell'irrilevanza penale

Le numerose condizioni per l'ammissione alla oblazione speciale (art. 162 bis c. p.), di tutte le contravvenzioni punite con pena alternativa e di alcune punite con la sola pena pecuniaria (art. 127), sono eterogenee sia per quanta riguarda il rapporto tassativita-discrezionalita, sia per quanta concerne il rilievo deI fatto 0 della persona. Limiti apparentemente tassativi sono quelli posti dal terzo eomma dell'art. 162 bis c. p.: L'oblazione non e ammessa quando ricorrono i casi previsti dal terze capoverso dell'articolo 99, dall'articolo 104 0 dall'articolo 105 deI codice penale (si tratta rispettivamente delle ipotesi di recidiva reiterata, di abitualita nelle contravvenzioni, di professionalita nel reato), ne quando permangono conseguenze dannose 0 pericolose deI reato eliminabili da parte deI contravventore. Un ulteriore limite, ehiaramente discrezionale questo, e previsto dal quartD-comma dell'art. 162 bis c. p.: «in ogni altro caso il giudice pub respingere con ordinanza la domanda di oblazione, avuto riguardo alla gravita deI fatto.» 1. Le prime tre ipotesi ostative riguardano condizioni personali deI reo, relative ai suoi precedenti penali, quando questi provoeano la diehiarazione di recidiva reiterata e di contravventore abituale 0 professionale. Pertanto si deve subito osservare ehe il limite ehe preclude l'ammissione all'oblazione, pur essende tassativo, si fonda su valutazioni sostanzialmente discrezionali. La prima ipotesi (recidiva reiterata) e fondata sulla valutazione dei precedenti penali per stabilire se essi impliehino, in relazione al fatto contestato, allo specifico episodio criminoso, una maggiore eolpevolezza, tale da giustificare in concreto la confertna e la attuazione della minaccia di una pena piu grave. Le rimanenti due ipotesi concernono invece l'accertamento della pericolosita connessa alla valutazione completa degli elementi ehe convalidano 0 contraddicono rispettivamente l'ipotesi ehe l'imputato sia «dedito al reato» (contravventore abituale) 0 ehe «viva abi tu al-

Concetto e trattamento delIa "criminaUta minore" in !taUa

855

mente, anehe in parte soltanto, dei proventi deI reato» (contravventore professionale)so. Di fronte all'accertamento di un tale qualificato grade di colpevolezza 0 di pericolosita, l'ordinamento non pub tollerare ehe contravvenzioni, ancorehe di entita concretamente modesta, possano sfuggire ad ogni conseguenza di ordine· penale attraverso l'oblazione. Questa soluzione appare coerente con la seelta di non depenalizzare ope legis le contravvenzioni cui si applica l'istituto in esame.

Dal momento ehe in definitiva e sulla base di una valutazione discrezionale ehe si individua l'esistenza di un presupposto pre~lusivo, sembra da precisare ehe la contestazione 0 il solo accertamento dei precedenti penali astrattamente idonei alla declaratoria di recidiva reiterata o di pericolosita, impedisca solo l'ammissione tout court alla oblazione. Tuttavia, se il giudice accerta nel corso dell'istruttoria 0 deI dibattimento ehe i precedenti penali non sono tali da dar luogo alla recidiva reiterata 0 alla abitualita 0 professionalitä, ben pub ammettere l'imputato all'oblazione. Infatti la legge consente di riprodurre la domanda (respinta) prima della discussione finale deI dibattimento di prima grado (art. 162 bis, c. 5). In altre parole solo la concreta a:pplicazione della recidiva reiterata 0 della misura di sicurezza dipendente dalla diehiarazione di abitualita 0 di professionalita determina la preclusione tassativa31 • 2. L'ulteriore condizione tassativamente ostativa all'oblazione e costituita dalla «permanenza di conseguenze dannose 0 pericolose deI reato eliminabili da parte deI contravventore».

La permanenza delle conseguenz.e deI reato e ovviamente un concetto diverso della permanenza della contravvenzione: in questo ultimo 30 E' opportuno tuttavia ricordare come, secondo i risultati di accreditate ricerche criminologiche, anche alla base delle tipologie legali di reeidiva sarebbe in sostanza la differenziazione tra diversi gradi di perico10sita soeiale: v. Kaiser, Rückfalltäter und Resozialisierung, in: KaiserlSchöch, Kriminologie, Jugendstrafrecht, Strafvollzug, 2. Aufl. 1982, 70. 31 La discrezionalita nelI'applicazione della reeidiva (anche se reiterata) non riguarda il solo effetto de11'aumento di pena, bensi la valutazione dei presupposti che giustificano 1a declaratoria della stessa esistenza della reeidiva qua1e eircostanza aggravante: con la trasformazione della reeidiva da automatica a discrezionale, grazie alla riforma deI 1974 (D. L. 11.4. 1974, n.99), e il concetto stesso della reeidiva che e mutato; esattamente, tra gli altri, Mantovani, Diritto penale, 1980, 595 s.: «Una volta che non si applica 1a reeidiva, se ne elidono tutti gli effetti penalb. Occorre quindi distinguere la contestazione della reeidiva reiterata, che preclude solo provvisoriamente l'oblazione, da1 suo accertamento, che la preclude definitivamente. Non appare invece rilevante per consentire l'oblazione la eliminazione della reeidiva reiterata in seguito a giudizio di preva1enza 0 equivalenza con eircostanze attenuanti (art. 69 c. p.). Lo stesso discorso, mutatis mutandis, pul> essere svolto per l'abitualita e 1a professionalita nel reato.

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caso sembra a fortiori non potersi discutere l'impossibilita di consentire l'oblazione, dal momento ehe il reato non e esaurito, oltretutto considerando ehe, per definizione, per esserci permanenza deI reato deve esserci Ia capacita deI reD di farla cessare31 • Il concetto della eliminazione delle conseguenze deI reato va tenuto distinto da quelle deI risarcimento deI danno. Si deve considerare ehe nell'art. 128 della Legge n. 689 (che integra l'attuale art. 165, 1c. c. p.) l'eliminazione delle conseguenze dannose 0 pericolose costituisce una condizione ehe il giudice pub apportare alla sospensione condizionale della pena. Inoltre l'art. 62 n. 6 c. p. contempla come circostanza attenuante comune ehe il reD si sia «... adoperato spontaneamente ed efficacemente per elidere 0 attenuare le conseguenze dannose 0 pericolose deI reato». Ebbene, sia l'art.165, 1c. c. p., sia l'art.62 n.6 c. p. tengono nettamente distinti la eliminazione delle conseguenze dannose dal risarcimento deI danno. Cib induce decisamente ad esc1udere ehe il mancato risarcimento deI danno sia di per se ostativo all'oblazione. Inoltre le conseguenze in esame devono essere eliminabili da parte

deZ contravventore. Cib significa ehe non e la mera permanenza delle

conseguenze ne di quelle eliminabili in sense assoluto, ehe impedisce l'oblazione, ma solo la permanenza di quelle eliminabili, secondo un criterio relativo, da parte dell'imputato: occorre dunque tener conto delle concrete possibilita deI reo 33 •

Sempre a queste riguardo ci si pub ancora ehiedere ehe cosa accade se permangono conseguenze non deI tutto eliminabili ma solo riducibili 0 attenuabili da parte deI contravventore; il mancato contenimento di tali conseguenze pub considerarsi prec1usivo? La risposta deve-essere affermativa sia perehe nel concetto di conseguenze eliminabili da parte deI contravventore va certamente ricompresa la eliminazion€ parziale nei limiti delle possibilita concrete, sia specialmente per la comune ratio delle ipotesi. Anehe riguardo a queste limite, normativo e tassativo, deve precisarsi ehe il permanere delle conseguenze dannose 0 pericolose eliminabili, ehe preclude l'ammissione alla oblazione nel momento in cui l'imputato presenta l'istanza, puo venir meno, sia sotto il profilo della permanenza ehe sotto quelle della eliminabilita, prima dell'inizio della discussione finale deI dibattimento di prima grado: in tal caso la riproposizione della istanza consente l'ammissione all'oblazione della quale sono intanto maturati i presupposti34 • 32 Questa considerazione pub ritenersi valida anche riguardo alle contravvenzioni punite con la sola ammenda per le quali e applicabile l'oblazione non discrezionale di cui all'art.162 c. p. Cfr. Bellone/Rolleri, in AA. VV. Modifiche al sistema penale, a cura di Magistratura Democratica, 1982, 106 ss. 83 Cosi Mucciarelli, cit. n. 2, 537.

Concetto e trattamento della "criminalita minore" in !talia

857

3. 11 quarto comma dell'art.162 bis, in aggiunta alle limitazioni fin qui segnalate, stabilisce ehe «in ogni altro caso il giudice pu der Sowjetunion übernommener Grad, der dem deutschen Assistenten entspricht) Joachim Renneberg und John Lekschas angehörten. Ihre Ergebnisse wurden von John Lekschas in seiner Arbeit "Zum Aufbau der Verbrechenslehre unserer demokratischen Strafrechtswissenschaft"40 publik gemacht. Trotz der oktroyierten Rezeption kam es dabei zu beachtlichen Modifizierungen der sowjetischen Auffassung. Wie in der Sowjetunion, jedoch mit einer bemerkenswerten terminologischen Abweichung gegenüber den dortigen "Merkmalen", wurden zunächst die "Eigenschaften des Verbrechens" herausgestellt. Auch die durchgängige Verwendung des Begriffs "Verbrechen" dürfte von dem sowjetischen Vorbild bestärkt sein'!, ist allerdings - wie eingangs dargelegt - auch in der Literatur 38 Feuerbach war korrespondierendes Mitglied der russischen Gesetzgebungskommission; mehrere seiner Werke wurden ins Russische übersetzt. 3D S. z. B. Redaktion der vom Ministerium der Justiz, dem Obersten Gericht und dem Generalstaatsanwalt der DDR herausgegebenen Zeitschrift "Neue Justiz", 1951, S. 342. 40 Kleine Schriftenreihe des Deutschen Instituts für Rechtswissenschaft, Heft I, o. J. (in Druck gegeben Anfang Juli 1952). u S. o. Anm. 2.

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Friedrich-Christian Schroeder

der Bundesrepublik noch gelegentlich anzutreffen. Im Gegensatz zu der damaligen sowjetischen Auffassung (s.o.) entsprach die Berücksichtigung der Rechtswidrigkeit als Eigenschaft des Verbrechens neben der Gesellschaftsgefährlichkeit angesichts des Grundsatzes "nullum crimen sine lege" im Recht der DDR dem positiven Recht. Außerdem sah die DDR als "Eigenschaften des Verbrechens" noch die Strafbarkeit und die "strafrechtliche Verantwortlichkeit" an. In der Integrierung dieses Begriffs, der in der sowjetischen Strafrechtsdogmatik wie erinnerlich - unverbunden neben den "Merkmalen der Straftat" und den "Elementen des Straftatbestandes" steht, in die "Eigenschaften" lag eine bemerkenswerte Begradigung des komplizierten sowjetischen Systems. Bei der Strafrechtswidrigkeit als Verbrechenseigenschaft knüpfte die DDR an den überkommenen Begriff der "Tatbestandsmäßigkeit" an. Mit der Begründung, daß die Strafrechtswidrigkeit in den Tatbestand aufgenommen sei, lehnte Lekschas jedoch eine Trennung von Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit ab. Darin lag nicht etwa eine Übereinstimmung mit dem in der Bundesrepublik teilweise vertretenen zweigliedrigen Straftatbegriff, sondern vielmehr eine Verkürzung der "Strafrechtswidrigkeit" auf die Erfüllung des Straftatbestandes i. e. S.41. Daneben übernahm die DDR die Gliederung in vier "Elemente". Sie bezog sie allerdings nicht wie in der Sowjetunion - ganz oder partiell (s.o.) - auf den "Straftatbestand" , sondern sie sprach auch hier von "Elementen des Verbrechens" und begradigte damit wiederum eine Unstimmigkeit in der sowjetischen Dogmatik. Dies dürfte die Entwicklung in der Sowjetunion beeinflußt haben (s.o.). Als "Verbrechenstatbestand" wurden dagegen die "Eigenschaften des Verbrechens" bezeichnet4l • Im übrigen bemühte sich Lekschas, das sowjetische System der vier "Elemente" der Straftat (s.o.), das in der sowjetischen Strafrechtswissenschaft ohne jede Begründung bleibt, näher zu begründen. Ausgangspunkt sei die Aufspaltung des Verbrechens nach dem historischen Ablauf, wobei - entsprechend der Perspektive des Richters - die Folge vom Ende zum Anfang gewählt werdeu . Damit befolgte Lekschas den in der Sowjetunion bis dahin kaum vertretenen45 "verschränkten Reim": (Anm. 40), S. 17. (Anm. 40), S. 20, 23 f. u (Anm. 40), S. 24, 27. 45 S. o. Anm. 3. 42

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Die Gliederung der Straftat in der Sowjetunion und in der DDR

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Objekt des Verbrechens objektive Seite des Verbrechens subjektive Seite des Verbrechens Subjekt des Verbrechens. Kurz darauf versuchte er, das Schema aus einem dialektischen Handlungsbegriff heraus zu entwickeln4G, und ging damit - wie die finale Handlungslehre - von der Maßgeblichkeit ontologischer Strukturen für das Recht und die Rechtsdogmatik aus47 • Um alle "Elemente der Straftat" erfassen zu können, mußte er allerdings die Handlung zu einem "Handlungsprozeß" erweitern48 • Die Änderung in der Reihenfolge der Elemente der Straftat gab der Gliederung zwar eine gewisse theoretische Grundlage, führte aber zu praktischen Schwierigkeiten, da sich die "subjektive Seite" auf die persönlichen Merkmale beziehen muß, die aber unter der Stufe "Subjekt" in der Gliederung erst nachfolgenu. Nicht unerwähnt bleiben kann an dieser Stelle, daß die Verbrechenselemente des Objekts und des Subjekts des Verbrechens die Einbruchstelle für außerhalb der Tat liegende Erwägungen, insbesondere eine brutale Terrorbestrafung angeblicher Klassenfeinde, warenso. Diese Mißbrauchsmöglichkeit ist indessen keine zwangsläufige Eigenschaft dieser Gliederung der Straftat, die an sich nur eine Ordnung der gesetzlichen Voraussetzungen der Bestrafung enthä1t51, wie umgekehrt auch andere Straftatsysteme den politisch intendierten Mißbrauch vermutlich nicht hätten verhindern können. Im Gegensatz zu seinen sowjetischen Vordenkern stellt sich Lekschas auch dem Problem des Verhältnisses zwischen den "Eigenschaften" und den "Elementen" des Verbrechens. Die "Eigenschaften" bedürften keiner eigenen Prüfung, sondern würden mit den "Elementen" inzidenter festgestellt. Dabei charakterisiere jedes "Verbrechenselement" jede "Verbrechenseigenschaft"; z. B. habe das Objekt nicht nur Bedeutung für die Gefährlichkeit der Handlung, sondern auch für die Strafbarkeit, die Strafrechtswidrigkeit und die VerantwortlichkeitS!. 46 Die Lehre von der Handlung unter besonderer Berücksichtigung strafrechtlicher Probleme (Kleine Schriftenreihe des Deutschen Instituts für Rechtswissenschaft, Heft 11), 1953. 47 Vgl. Lyon, Der Verbrechensbegriff in der Strafrechtswissenschaft der DDR, Rechtsvergleichende Untersuchungen zur gesamten Strafrechtswissenschaft, n. F., Heft 23, 1960, S. 78. 48 (Anm. 46), S. 38 f.; vgl. auch (Anm. 40), S. 25 f. 4U S. Deutsches Institut für Rechtswissenschaft, Lehrbuch des Strafrechts der Deutschen Demokratischen Republik. Allg. Teil, 1957, S. 407. 50 S. schon Lekschas (Anm. 40), S. 26. 61 A. A. Lyon (Anm. 47), S. 93. G! (Anm. 40), S. 27 ff.

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Friedrich-Christian Schroeder

1955 wurde die neue Systematik in der erwähnten - offiziösen Zeitschrift "Neue Justiz" einer scharfen Kritik unterzogen, und zwar nicht von einem RechtswissenschaftIer, sondern von dem Vorsitzenden des Rechtsanwaltskollegiums von Groß-Berlin53 • Allerdings bezog sich diese Kritik nur darauf, daß die neue Systematik die Problematik der Teilnahme, von Versuch und Vorbereitung, die Konkurrenzen und die Verjährung nicht erfasse, im übrigen auf die erwähnte Tendenz zur Einbeziehung außertatbestandsmäßiger Gesichtspunkte54 • Diese Kritik blieb aber ohne Wirkung. Im Lehrbuch des Strafrechts von 1957, dem ersten und für fast zwanzig Jahre einzigen und damit offiziösen Strafrechtslehrbuch, wurde die von Lekschas vorgetragene Gliederung völlig übernommen. Eine Abweichung bestand nur darin, daß die "Verantwortlichkeit" als "Eigenschaft" des Verbrechens, deren Wesen schon Lekschas vor allem in der "moralisch-politischen Seite der verbrecherischen Handlung" gesehen hatte55 , in die "moralischpolitische Verwerflichkeit" der Handlung umbenannt wurde56 • Im Lehrbuch von 1976 hat sich die Strafrechtswissenschaft der DDR weiter von dem sowjetischen Vorbild emanzipiert. Die Lehre von den vier "Elementen" des Verbrechens ist nun zur "strafrechtlichen Verantwortlichkeit" geworden, bei der "objektive Voraussetzungen" und "subjektive Grundlagen" unterschieden werden. Innerhalb der ersteren kehren das Objekt und die objektive Seite der Straftat wieder. Die "subjektiven Grundlagen" umfassen Vorsatz und Fahrlässigkeit und haben aus der Lehre vom Subjekt des Verbrechens die Zurechnungsfähigkeit in sich aufgenommen. Der "strafrechtlichen Verantwortlichkeit" vorgeschaltet ist "Die Lehre von der-Straftat und vom Straftäter"; in ihr finden sich neben den "Eigenschaften" der Straftat die Strafmündigkeit, besondere persönliche Merkmale sowie - noch einmal(!) - die Zurechnungsfähigkeit57 • ' Die Schwierigkeiten bei der Vereinbarung der Aburteilung durch die gesellschaftlichen Gerichte mit dem Rechtsprechungsmonopol der 53 F. WolJj, Die objektive Seite des Verbrechens, NJ 1955, 552 f. WolJj hat auch 1979 mit einer Aufwertung der Funktion des Strafverteidigers in der DDR Aufsehen erregt (Aufgaben und Verantwortung des Verteidigers im Strafverfahren, NJ 1979, 400 ff. - Hierzu Schroeder, Aufwertung des Strafverteidigers in der DDR?, Deutschland Archiv, 1980, 130 ff.). U Hierzu ist zu bemerken, daß nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 in der Justiz der DDR eine gewisse Liberalisierung erfolgte, die allerdings seit Mitte 1954 wieder abbröckelte. Eingehend Schroeder, Das Strafrecht des realen Sozialismus. Eine Einführung am Beispiel der DDR, 1983, S. 30. 55 (Anm. 40), S. 18. 5G (Anm. 49), S. 272 ff. 57 Strafrecht. Allgemeiner Teil. Lehrbuch, 1976, S. 165 ff. Ebenso 2. Aufl.. 1978, S. 164 ff.

Die Gliederung der Straftat in der Sowjetunion und in der DDR

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staatlichen Gerichte hat die DDR durch einen verblüffenden und gut durchdachten Kunstgriff aufgefangen. Sie hat nämlich die Verhandlung vor einem Gesellschaftsgericht nicht - wie in der Sowjetunion - mit einer "Befreiung von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit" verbunden, sondern sie als strafrechtliche Sanktion selbst ausgestaltet. Diese kluge Konstruktion hat den weiteren Vorteil, daß sie die in der sowjetischen Konstruktion angelegte Sprengkraft der Konkurrenz zwischen "Staat" und "Gesellschaft" entschärft und die Gesellschaftsgerichte in das staatliche Rechtsprechungssystem integriert, sie sozusagen verstaatlicht. Schließlich entspricht die Konzeption der DDR noch der Realität, da von den Betroffenen nicht so sehr die von den Gesellschaftsgerichten verhängten Sanktionen als vielmehr die Verhandlung durch das Gesellschaftsgericht selbst als das eigentliche übel empfunden wird. Ganz geht allerdings auch die Konstruktion der DDR nicht auf, da die übergabe an ein Gesellschaftsgericht durch die Volkspolizei oder den Staatsanwalt erfolgt (§§ 142, 149 StPO) und damit eine strafrechtliche Sanktion durch Organe ohne Gerichtsqualität verhängt wird. Im übrigen ist die DDR mit der "Verstaatlichung" der gesellschaftlichen Gerichte über das Ziel hinausgeschossen, indem sie die gesellschaftlichen Gerichte in der Verfassung als mit den staatlichen Gerichten gleichwertige Organe der Rechtsprechung aufgeführt hat (Art. 92). Damit verträgt es sich wiederum nicht, daß die Verhandlung vor dem Gesellschaftsgericht als strafrechtliche Sanktion gilt: Die gesellschaftlichen Gerichte können nicht zugleich Sanktion und deren Urheber sein. V. Allgemeine Ergebnisse Die vorliegende Untersuchung hat neben einer Information über die Strafrechtsdogmatik in der Sowjetunion und in der DDR und damit einem großen Bereich des realen Sozialismus sowie der Herausarbeitung zahlreicher Zusammenhänge folgende grundsätzlichere Ergebnisse gebracht: -

Die Strafrechtsdogmatik in der Sowjetunion weist eine angesichts der russischen Begabung für systematische Zusammenhänge überraschende Unausgereiftheit und Widersprüchlichkeit auf. Versuche zu einer Modernisierung werden von einem mit moralischen Kriterien argumentierenden Konservatismus zurückgewiesen.

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Die Strafrechtsdogmatik der DDR zeigt demgegenüber bei aller nach außen zur Schau getragenen Rezeptionsbereitschaft und bei aller Rezeption im Grundsätzlichen eine bisher übersehene Kreativität, die zahlreiche Spielräume, die das sowjetische System offenläßt, ausnutzt und zu weitgehenden Modifikationen geführt hat.

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Friedrich-Christian Schroeder

Wie sich auch schon in der Bundesrepublik Deutschland gezeigt hat, schlagen die neuartigen Formen der Bewältigung der Bagatellkriminalität, auch wenn sie im Prozeßrecht oder im Gerichtsverfassungsrecht angesiedelt werden, auf die Dogmatik des materiellen Strafrechts durch.

PETER HüNERFELD

Aspekte des Verkehrsstrafrechts im Vergleich der Bundesrepuhlik Deutschland und Usterreichs Die folgende Betrachtung bezieht sich auf den Bereich des Straßenverkehrs, dessen effiziente Kontrolle als ein zentrales Anliegen moderner Rechtsbewährung hervortritt. Zu dieser Aufgabe gehört auch der sachgemäße Einsatz der strafrechtlichen Mittel, der als solcher nicht fraglich ist, jedoch im Hinblick auf Reichweite, Gestaltung und Anwendung der dafür in Betracht kommenden Bestimmungen schwierige Fragen zur Klärung und Entscheidung stellt. Die Auseinandersetzung der strafrechtlichen Probleme im Sachzusammenhang des Straßenverkehrs hat auch schon seit längerer Zeit einen gesicherten Platz in der Strafrechtsvergleichung1 und in der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit, für die hier auf die bisherigen Bemühungen im Rahmen des Europarates hingewiesen wird!. Der verehrte Jubilar, dem dieser Beitrag in großer Dankbarkeit gewidmet ist, hat in seinem Werk in vielfältiger Weise dem österreichischen Strafrecht Beachtung geschenkt und hierdurch das besondere Interesse derartiger Begegnung der beiden Nachbarländer bezeugt. 1 Da sich der im Text angeführte Sachzusammenhang nicht auf die Ausgestaltung spezifisch straßenverkehrsstrafrechtlicher Vorschriften beschränkt, sondern auf die Reichweite der in Betracht kommenden allgemeineren strafrechtlichen Bestimmungen - wie etwa fahrlässige Körperverletzung oder fahrlässige Tötung - erstreckt, sind auch die Erträge der Strafrechtsvergleichung in einem teilweise. weiterreichenden Rahmen von Bedeutung. Erkenntnisse dieser Art sind auch als Tagungsergebnisse der weltweit organisierten Strafrechtsvergleichung zu verzeichnen; wir verweisen etwa auf die Erörterung der Fahrlässigkeitsdelikte, die zu den Themen des VIII. und XII. Kongresses der AIDP gehörten (Lissabon 1961, Hamburg 1979). Im übrigen wollen wir uns auf folgende speziellere Hinweise beschränken: vgl. zum Stand der Verkehrsdelikte in den fünfziger Jahren GoZlek, in: Materialien zur Strafrechtsreform, 2. Band, 1955, S.459 (462 ff.); spätere Entwicklungen berücksichtigt BockeZmann, Wesentliche Unterschiede des Verkehrsstrafrechts in Europa und Vorschläge zu seiner Vereinheitlichung, 1971; vgl. im weiteren: Les infractions routieres, Sondernummer der Revue de science criminelle et de droit penal compare, 1978; International Penal and Penitentiary Foundation, Penal and penitentiary aspects of road traffic, 1977. ! Dazu Janiszewski, Verkehrsstrafrecht, 2. Aufl., S. 239 ff. sowie Conseil de l'Europe, Lignes directrices concernant les infractions dans un code penal europeen de la route, 1979.

80 Festschrift für H.-H . .Jescheck

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Peter Hünerfeld

Dabei handelt es sich sowohl um im Ansatz auf die Vergleichung des deutschen und österreichischen Rechts ausgerichtete Untersuchungen' als auch um Berücksichtigungen österreichischer Autoren im unmittelbaren Sachzusammenhang der strafrechtlichen Lehre, deren Gestaltung bei Jescheck seinem Verständnis des Strafrechts als Teil eines internationalen Kulturzusammenhangs verpflichtet ist4 • Im Hinblick auf den engen und bewährten Austausch mit der österreichischen Strafrechtswissenschaft5 erscheint es möglich und gewinnbringend, den Vergleich auf das Gebiet des Verkehrsstrafrechts zu erstrecken, auch wenn es sich hier nur um Aspekte und einige ausgewählte Fragen handeln kann. In dem diesem Beitrag gesteckten Rahmen geht es zunächst um eine vergleichende Kennzeichnung der unterschiedlichen Bereiche des Verkehrsstrafrechts und seiner Repräsentation im Kriminal- beziehungsweise Justizstrafrecht. Im weiteren sollen einige wesentliche Aspekte des kriminalstrafrechtlich erfaßten Bereichs beleuchtet werden. Die vergleichende Behandlung der berücksichtigten Fragen bezieht sich zunächst auf die Erfassung von Gefährdungen und Verletzungen im Straßenverkehr und beleuchtet abschließend strafrechtliche Gesichtspunkte in bezug auf das Verhalten nach einem Verkehrsunfall. 1.

Im deutschen wie im österreichischen Verkehrsstrafrecht sind zwei voneinander geschiedene Verantwortungsbereiche vorhanden, die auf deutscher Seite der Trennung von Kriminalstrafrecht und Ordnungs-widrigkeitenrecht sowie auf österreichischer- Seite der Trennung von Justizstrafrecht und Verwaltungsstrafrecht entsprechen. UnterschiedS Wir verweisen auf Jescheck, Die Entwicklung des Verbrechensbegriffs in Deutschland seit Beling im Vergleich mit der österreichischen Lehre, ZStW 73 (1961), S. 179; ders., Neue Entwicklungstendenzen des deutschen Strafverfahrensrechts im Vergleich mit dem österreichischen Recht, in: Hundert Jahre österreichische Strafprozeßordnung, 1873 - 1973, S.39; ders., Deutsche und österreichische Strafrechts reform, Festschrift für Richard Lange, S. 365. 4 Vg!. dazu Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 3. Aufl., 1978, S. XI (Vorwort zur 1. Aufl. 1969). Der Austausch mit österreichischen Autoren erlangt im Lehrbuch von Jescheck vielfältigen Ausdruck. S Die vielfältige Repräsentanz österreichischer Autoren in deutschen Publikationen und der lebendige Austausch auch auf vielen Fachtagungen, zum Beispiel im Rahmen der Strafrechtslehrertagungen und der Veranstaltungen der deutschen Gesellschaft für Rechtsvergleichung, bedürfen keines weiteren Belegs. Vielfache Aufmerksamkeit für die deutsche Lehre hat auch im österreichischen Schrifttum Niederschlag gefunden. Aus gegebenem Anlaß wollen wir uns für diese Lage, die ebenfalls keiner weiteren Dokumentation bedarf, darauf beschränken, die wichtigen Besprechungen des Lehrbuchs von Jescheck durch Nowakowski, JB!. 1972, 19 und Liebseher, ZfVR 11 (1970), S. 181 anzuführen.

Aspekte des Verkehrsstrafrechts im Vergleich

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lichkeit besteht nicht nur in bezug auf die Wege dieser Aufgliederung, sondern auch in bezug auf die Reichweite der dem Kriminal- beziehungsweise Justizstrafrecht vorbehaltenen Materien. Das deutsche Verkehrsstrafrecht ist gekennzeichnet durch die Abstufung kriminalstrafrechtlicher Bestimmungen gegenüber dem davon abgesetzten Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten. Die 19688 zum 1.1.1969 durchgeführte Umwandlung der vormaligen Verkehrsübertretungen in Ordnungswidrigkeiten war eine zu ihrer Zeit nicht unbestrittene? Maßnahme der Entkriminalisierung des Verkehrsstrafrechts. Auf der anderen Seite ist der verbliebene kriminalstrafrechtliche Bereich nicht auf allgemeinere Tatbestände und den überkommenen Rechtsgüterbestand beschränkt, da er auch bestimmte schwere Verstöße spezifisch straßenverkehrsrechtlicher Art und die Sicherheit des Straßenverkehrs als eigenes Rechtsgut einbezieht. Dem österreichischen Recht ist die Kategorie der Ordnungswidrigkeit als solche fremd geblieben, so daß ein gleichartiges Entkriminalisierungsprogramm nicht zu verzeichnen ist. Allerdings wird in Österreich der Begriff des Kriminalstrafrechts auf den Bereich des Justizstrafrechts beschränkt8 und daher auch nicht auf die verwaltungsstrafrechtlich erledigten Fälle des Straßenverkehrs bezogen. Diesem Verständnis folgt auch eine im Jahre 1971 als Entlastung des Justizstrafrechts durchgeführte Entkriminalisierung des Verkehrsstrafrechts'. Die Verteilung des Verkehrsstrafrechts auf die beiden Bereiche ist im übrigen dadurch gekennzeichnet, daß dem verwaltungsstrafrechtlichen Anteil die Ahndung spezifischer straßenverkehrsrechtlicher (Verwal• Vgl. Art.3 des Einführungsgesetzes zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (EGOWiG) vom 24. Mai 1968 (BGBL I S. 503). 7 Vgl. die grundsätzliche Kritik am Konzept der Ordnungswidrigkeiten von Mattes, ZStW 82 (1970), S. 25 ff. S Vgl. Nowakowski, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 1 Rdn.4; Kienapfel, Einführung in das österreichische Strafrecht, S.33 u. 38; ForeggerlSerini, StGB, 3. Aufl., Einführung Ziff. B I. 9 Es handelt sich um einen wichtigen Teilaspekt des Strafrechtsänderungsgesetzes 1971 (Bundesgesetz vom 8. Juli 1971, BGBL Nr.273). Das österreichische Strafrecht kannte zwar auch in dem damals noch geltenden alten Strafgesetzbuch (von 1852 mit den seither ergangenen Reformen) kein ausschließlich auf den Straßenverkehr bezogenes Strafrecht,jedoch weitreichende allgemeine Bestimmungen. Die fahrlässige Gefährdung der körperlichen Sicherheit war auch als solche (und ohne eine daraus entstandene Beeinträchtigung) unter Strafe gestellt; vgl. zur Ausgangslage im ganzen Nowakowski, in: MezgerlSchönkelJescheck, Das ausländische Strafrecht der Gegenwart, Band 111. S.476 (Textstelle aus dem Beitrag "Das österreichische Strafrecht", ebendort S. 415 ff.) sowie Moos, JR 1977,314. Die 1971 durchgeführte Entkriminalisierung brachte eine wesentliche Einschränkung der Erfassung bloßer Gefährdungen sowie bedeutsame Fälle des Strafausschlusses bei der einfachen fahrlässigen Körperverletzung. Vgl. zur Lage nach der Reform auch die diesem Stand entsprechende Darstellung von Okresek, Die Ahndung der Verkehrs straftaten in Österreich, VOR 2 (1972), 114. SO·

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Peter Hünerfeld

tungs-)übertretungen entspricht10 , während der Verantwortungs fall des Justiz- beziehungsweise Kriminalstrafrechts in allgemeinere strafrechtliche Bestimmungen einbezogen ist, die jedoch in ihrer praktischen Bedeutung vorwiegend den Straßenverkehr betreffen. Vor einer weiteren Kennzeichnung des nach dem jeweiligen Verständnis der beiden Länder im Kriminalstrafrecht repräsentierten Verkehrsstrafrechts besteht Anlaß, die im Vergleich des deutschen Ordnungswidrigkeitenrechts mit dem öster:reichischen Verwaltungsstrafrecht vorhandene Unterschiedlichkeit der Wege zu bedenken, auch wenn es sich hier um kaum mehr als den Aufweis der entsprechenden Probleme handeln kann. Der verehrte Jubilar hat in einer vergleichenden Untersuchung des deutschen und österreichischen Rechts die dort fehlende übereinstimmung mit dem Entkriminalisierungskonzept der deutschen Ordnungswidrigkeiten mit dem Hinweis auf den Verbleib einer kriminalstrafrechtlichen Prägung des österreichischen Verwaltungsstrafrechts verbundenl l • Angesichts der in Österreich vorgenommenen Beschränkung des Kriminalstrafrechts auf den Bereich des Justizstrafrechts und seiner strengen Trennung vom VerwaltungsstrafrechtlZ stellt sich die schwierige Frage, ob es sich dabei nur um eine formale oder auch materiell begründete Unterscheidung handelt. Für das deutsche Ordnungswidrigkeitenrecht wird zunehmend erkannt, daß eine spezifische Eigenart dieses Rechtsgebiets nicht von einer Eigenart der hier erfaßten Verfehlungen ausgehen kann, weil zumindest eine Unterschiedlichkeit der betroffenen Unrechtsmaterien einer derartigen Beurteilung entgegenstehti'. Angesichts dieser Erkenntnis ist die Möglichkeit eines arteigenen nichtkriminellen Strafrechts allerdings noch nicht vertan, nur muß, wie Tiedemann u bemerkt hat, die Beantwortung dieser Frage bei der gesetzgeberischen Ent10 VgI. dazu die entsprechenden Bestimmungen in der österreichischen Straßenverkehrsordnung (öStVO) von 1960 und im österreichischen Kraftfahrgesetz (öKFG) von 1967 i. V. m. dem Verwaltungsstrafgesetz von 1950 (jeweils mit späteren Abänderungen). II VgI. dazu Jescheck, Deutsche und österreichische Strafrechtsreform (Anm. 3), S. 382. 12 Auch das Verfahren bei Verwaltungsübertretungen ist ein reines Verwaltungsverfahren. Nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges gibt es wie gegen sonstige Verwaltungsentscheidungen die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof. VgI. Mattes, Untersuchungen zur Lehre von den Ordnungswidrigkeiten, 1. Halbband, 1977, S.237 u. 239. 13 Zum Meinungsstand in der Frage des Wesens der Ordnungswidrigkeiten vgI. Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 7. Auf!. Rdn. 2 ff. vor § 1 mit weiteren Nachweisen. 14 ÖJZ 1972, 290.

Aspekte des Verkehrsstrafrechts im Vergleich

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scheidung über die Art der rechtlichen Behandlung ansetzen, ist von der Artung der Rechtsfolgen auf die entsprechende Beurteilung des betroffenen Regelungsgebietes zurückzuschließen. Auf dieser Linie hat für das deutsche Ordnungswidrigkeitenrecht die bei dem befolgten Entkriminalisierungsprogramm auf einen sozialethischen Tadel verzichtende Geldbuße entscheidende Bedeutung. In Österreich ist die Lage des Verwaltungsstrafrechts15 in letzter Zeit vor allem auf zwei Juristentagen behandelt worden, wobei es sich einmal um den Zusammenhang mit dem Thema der Gewaltentrennung18 und später um die Reform des noch aus dem Jahre 1925 stammenden Allgemeinen Teils des Verwaltungsstrafrechts handelte17 • Im Hinblick auf die äußerst große Bandbreite des Unrechtsgehalts und der Schwere der Sanktionen der vom Verwaltungsstrafrecht erfaßten Delikte wird von Schäffer 18 in der Streitfrage eines Wesensunterschiedes zwischen Justiz- und Verwaltungsstrafrecht die Mittelmeinung zum Ausdruck gebracht, daß dem Verwaltungsstrafrecht teils der Charakter eines "Strafrechts minoris gradus", teils der Charakter eines bloßen Ordnungswidrigkeitenrechts eigene. Verschiedene Versuche, den fraglichen "Wesensunterschied" festzustellen, werden von Walter/Mayer18 als dogmatisch ergebnislos beurteilt. Auf der anderen Seite ist - zum Beispiel bei BurgstalZerO - das Bemühen vorhanden, eine Konzeption der Eigenart zu vertreten, die unabhängig von der Frage der Wesensverschiedenheit von Justiz- und Verwaltungsstrafrecht Bestand haben kann!l. Wollte man in Parallele zu der oben angeführten Beurteilung in bezug auf die Ordnungswidrigkeiten bei der Rechtsfolgenseite ansetzen und damit den Gesichtspunkt der Abwesenheit eines sozialethischen Schuldvorwurfs verbinden22 , so stünde andererseits doch auch 15 Zur Entwicklung und Lage des österreichischen Verwaltungsstrafrechts vgl. Mattes (Anm. 12), S.183 - 240. Vgl. ferner Köhler, Verwaltungsstrafgesetz, 1983 (Textausgabe nach dem Stand vom 1. April 1983 mit Kurzkommentar). 18 "Von der Gewaltentrennung im formellen und materiellen Sinn unter Berücksichtigung der Abgrenzung von Gerichtsbarkeit und Verwaltung, insbesondere auf dem Gebiet des Strafrechts", eines der auf dem Vierten Österreichischen Juristentag 1970 in Wien behandelten Themen. 17 "Wie soll der Allgemeine Teil des Verwaltungsstrafrechts gestaltet werden?", eines der auf dem Siebten Österreichischen Juristentag 1979 in Salzburg behandelten Themen. 18 Verhandlungen des Siebten Österreichischen Juristentags Salzburg 1979, Band H, S. 10l. 19 Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 3. Aufl., 1984, S. 232. 20 (Anm. 18), S. 155. 21 Berufung darauf, "daß es eine Fülle von kleineren Akzentverschiebungen gibt, die in ihrer Summe ein ganz erhebliches Gewicht haben" (ebendort, S.155). 22 Vgl. Stohanzl, in: Verhandlungen des Vierten österreichischen Juristentags Wien 1970, Band H, S.58. Nowakowski, ZStW 92 (1980), S.292, spricht

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zu beachten, daß im österreichischen Verwaltungsstrafrecht auch die Möglichkeit des Ausspruchs einer Freiheitsstrafe einbezogen bleibt23 , so daß eine entsprechende Deutung dann wohl eher auf eine weiterreichende Reform im Sinne des deutschen Ordnungswidrigkeitenrechts hinausläuft24 • Eine Ausbreitung und Gewichtung verschiedener Reformanliegen in bezug auf das österreichische Verwaltungsstrafrecht ist hier freilich nicht möglich. Wir müssen uns mit dem Aufweis einer von der Lage in Deutschland unterschiedlichen Situation begnügen, zu der auch gehört, daß das österreichische Verwaltungsstrafrecht unbeschadet seiner großen praktischen Bedeutungll5 noch Züge aufweist, die seiner Eignung für ein modernes Entkriminalisierungsprogramm im Interesse der Entlastung des Justizstrafrechts im Wege stehen28 • Im übrigen ist für das deutsche Recht an dieser Stelle nur noch auf die Problematik des Verständnisses der identischen Norm in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 7 dStGB hinzuweisen. Da der BGH27 bei einer Auslandstat, die aus der Sicht des deutschen Rechts einen kriminalstrafrechtlichen Tatbestand erfüllt, nach dortigem Recht aber nur als Ordnungswidrigkeit anzusehen ist, die von § 7 dStGB für den Tatort verlangte identische Norm verneint, stellt sich die Frage der Beurteilung in einem entsprechenden Fall, der am österreichischen Tatort lediglich von einem verwaltungsstrafrechtlichen vom (im Verhältnis zum Kriminalstrafrecht) unterschiedlichen sozialen Stellenwert des Verwaltungsstrafrechts; Verwaltungsstrafen "belasten die soziale Position des Bestraften wesentlich weniger als gerichtliche Strafen, in der Regel wohl überhaupt nicht". 23 Vgl. dazu § 11 des Verwaltungsstrafgesetzes. Für die Lage bei Verkehrsverstößen ist zu bemerken, daß dIe FreIheitsstrafe im Zusammenhang der Strafbestimmungen des § 99 öStVO für den Ersttäter nur als Ersatzfreiheitsstrafe (Maximum 6 Wochen Arrest bei der schwersten Strafandrohung des Abs. 1 der Vorschrift) in Betracht kommt. Dem Gedanken, daß übertretungen der Straßenverkehrsvorschriften zunächst grundsätzlich nur mit Geldstrafen bestraft werden sollen, stehen in § 100 StVO geregelte Möglichkeiten des Ausspruchs einer Arreststrafe (im Ausmaß der für die betreffende Tat angedrohten Ersatzfreiheitsstrafe) im Wiederholungsfall gegenüber. 24 In diesem Sinn teilweise Stohanzl (Anm.22), S. 58 ff. (Beibehaltung der Freiheitsstrafe aber noch für Ausnahmefälle, über die dann aber immer die Gerichte zu entscheiden hätten). 25 Vgl. dazu Zahlenangaben bei Szymanski, in: Verhandlungen des Siebten Osterreichischen Juristentags Salzburg 1979, Band H, S. 123. 28 Im Hinblick: auf eine z. T. materiellrechtlich ungünstigere Lage (auch mit dem Hinweis, daß die Strafen oft härter ausfallen als vor Gericht) und eine im Vergleich mit dem gerichtlichen Verfahren z. T. geringere Rechtsstellung des Beschuldigten daher entsprechende Vorbehalte bei Nowakowski (Anm. 22), S. 292 f. Vgl. auch Driendl, ZStW 90 (1978), S. 1058. !7 Zu entnehmen aus BGHSt.27, 5 [8 - 10] (Ausführungen im Zusammenhang mit einer entsprechenden Anwendung des § 7 Abs.2 Nr. 1 StGB). Die Entscheidung ist u. a. von Vogler, DAR 1982, 73 zustimmend gewürdigt worden, während Tröndle, JR 1977, 1 ff., sowie in LK, 10. Aufl., § 7 Rdn.4 a grundsätzliche Kritik an der Wende der BGH-Rechtsprechung geübt hat.

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übertretungstatbestand erfaßt wird. Hier läßt sich auch ein Beispiel aus dem Bereich des Verkehrsstrafrechts bilden28 , und man muß sich im Ergebnis fragen, ob angesichts uneinheitlicher moderner Entwicklungen und schwieriger Abgrenzungsfragen nicht doch die frühere Rechtsprechung des BGH vorzugswürdig erscheint29 • Wir wollen jedoch nunmehr das nach jeweiligem deutschen und österreichischen Verständnis nicht dem Kriminalstrafrecht angehörige Recht beiseitelassen, um die im Sachzusammenhang des Straßenverkehrs und für diesen Beitrag bedeutsame Kennzeichnung der kriminalstrafrechtlichen Bereiche vorzunehmen. Das deutsche Verkehrsstrafrecht kennt auf dem kriminalstrafrechtlichen Sektor spezifisch straßenverkehrsrechtliche Bestimmungen, die neben die im Verkehrsstrafrecht bedeutsamen allgemeinen Vorschriften treten. Im Hinblick auf die besonderen Bestimmungen, zu denen im Rechtsfolgenbereich das Fahrverbot (§ 44 dStGB) und die Entziehung der Fahrerlaubnis (§§ 69 ff. dStGB) gehören, sind im Strafgesetzbuch, abgesehen von dem hier nicht weiter zu berücksichtigenden Bereich des § 315 b dStGB, zunächst die Trunkenheit im Verkehr (§ 316 dStGB) und die Straßenverkehrsgefährdung (§ 315 c dStGB) zu benennen, ferner ist in bezug auf das Verhalten nach einem Unfall auf das unerlaubte Entfernen vom Unfallort (§ 142 dStGB) zu verweisen. Regelungen außerhalb des Strafgesetzbuchs können auf den Hinweis auf § 21 dStVG (Fahren ohne Führerschein) beschränkt bleiben. Von den allgemeinen Straftatbeständen haben die fahrlässige Tötung (§ 222 dStGB) und die fahrlässige Körperverletzung (§ 230 dStGB) die größte Bedeutung. Bei Untätigkeit nach einem Verkehrsunfall kommt unterlassene Hilfeleistung (§ 323 c dStGB) beziehungsweise bei gegebener GarantensteIlung eine Verantwortlichkeit für abwendbare Beeinträchtigungen von Leibes- und Lebensinteressen des Unfallopfers in Betracht, wobei die entsprechenden Begehungstatbestände oder auch der entsprechende Garantenfall des § 221 dStGB maßgeblich sind. 28 Zu denken ist etwa an eine von einem deutschen Staatsbürger in Österreich begangene Straßenverkehrsgefährdung, die im deutschen Recht von § 315 c dStGB. erfaßt wird, aus der Sicht des österreichischen Tatortrechts jedoch lediglich eine Verwaltungsübertretung darstellt, weil die Anwendung der beiden Gefährdungstatbestände des Justiz- beziehungsweise Kriminalstrafrechts nicht in Betracht kommt. 2tI Diese Frage muß hier offen bleiben. Im übrigen müßte die Ahndung im Ausland begangener Verkehrszuwiderhandlungen im Sinne der sog. übernahmelösung beziehungsweise der Vollstreckungsübernahme in sachgemäßer Weise sichergestellt sein. Dazu Vogler (Anm. 27), S. 76 sowie - im Zusammenhang des am 1. Juli 1983 in Kraft getretenen deutschen Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen und das entsprechende österreichische Gesetz. das am 1. Juli 1980 in Kraft getreten ist - die in Heft 2 des 96. Bandes (1984) der ZStW veröffentlichten Referate von Oehler, Linke und Vogler (Rechtsvergleichende übersicht).

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Die Lage im österreichischen Recht ist zunächst insofern eine grundsätzlich andere, als das Justizstrafrecht keine ausschließlich auf den Straßenverkehr bezogenen Bestimmungen kennt. Im Rechtsfolgenbereich fehlt sowohl das Fahrverbot als auch die Entziehung der Fahrerlaubnis, die als Entziehung der Lenkerberechtigung eine ausschließlich der Verwaltung vorbehaltene Maßnahme ist80 • Auf tatbestandlicher Seite fehlen Parallelen zu den §§ 316, 142 dStGB, so daß es insoweit wiederum bei den Vorschriften des Verwaltungsstrafrechts sein Bewenden hat. Auch ein spezifischer Straftatbestand der Straßenverkehrsgefährdung ist im Justizstrafrecht nicht vorhanden, doch kommen in bestimmten Fällen von Gefährdungen zwei allgemeinere Straftatbestände in Betracht, nämlich einmal der aufgrund hoher Anforderungen nur in außergewöhnlichen Fällen zur Anwendung gelangende Straftatbestand der fahrlässigen Herbeiführung einer Gemeingefahr (§ 177 öStGB) sowie der häufiger angewendete und auf bestimmte Fälle konkreter Individualgefahr abstellende § 89 öStGB. Hier folgen als Verletzungsdelikte die fahrlässige Körperverletzung (§ 88 öStGB) und die fahrlässige Tötung (§§ 80, 81 öStGB), bei denen einfache Grundtatbestände sowie bestimmte Qualifikationsfälle und bei der fahrlässigen Körperverletzung auch noch bedeutsame Strafausschließungsgrunde (§ 88 Abs.2 öStGB) zu unterscheiden sind. Im Hinblick auf das Verhalten nach einem Verkehrsunfall sind als Unterschiede das schon erwähnte Fehlen einer § 142 dStGB entsprechenden Vorschrift und das Vorhandensein einer besonderen Strafvorschrift des Imstichlassens eines Verletzten (§ 94 öStGB) hervorzuheben, die dem Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung (§ 95 öStGB) vorangestellt ist.

H. Die vergleichende Analyse der kriminalstrafrechtlichen Erfassung von Gefährdungen und Verletzungen im Straßenverkehr muß sich zunächst einigen Grundfragen der Zuordnung und Gewichtung der in Betracht kommenden Vorschriften zuwenden, um dadurch zugleich den weiteren Weg zu klären, der vom tatbestandlichen Vergleich im Vorfeld von Verletzungen zur vergleichenden Betrachtung wesentlicher Gesichtspunkte des fahrlässigen Verletzungsdelikts führt.

1. Während im deutschen Verkehrsstrafrecht das Vorfeld von Verletzungen bereits durch den abstrakten Gefährdungstatbestand der Trunkenheit im Verkehr (§ 316 dStGB) mit einer praktisch bedeutsamen kriminalstrafrechtlichen Regelung besetzt ist, wird der Verant30 Vgl. dazu § 73 des österreichischen Kraftfahrgesetzes (Bundesgesetz vom 23. Juni 1967, BGBl. 267, über das Kraftfahrwesen).

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wortungsfall des österreichischen Justizstrafrechts erst in bestimmten Fällen konkreter Gefährdungen erreicht, wobei jedoch der in erster Linie in Betracht kommende § 89 öStGB nicht nur in seiner Beschränkung auf Personengefahr, sondern auch in Struktur und Gewichtung erhebliche Unterschiede zum deutschen Straftatbestand der Straßenverkehrsgefährdung (§ 315 c StGB) aufweist. Die bei § 89 öStGB als alternative Voraussetzungen in Bezug genommenen Merkmale gesteigerten Handlungsunwerts in den Qualifikationsfällen fahrlässiger Tötung - es handelt sich um die in § 81 öStGB berücksichtigten Konstellationen des Minderrausches31 beziehungsweise der "besonders gefährlichen Verhältnisse", die auch als entsprechende Steigerungen des Handlungsunwerts bei der fahrlässigen Körperverletzung berücksichtigt sind 32 - erweisen in Fahrlässigkeitsfällen bei Verwirklichung der entsprechenden Gefahr den im Verhältnis zu den Verletzungstatbeständen unselbständigen Charakter des in § 89 öStGB erfaßten GefährdungsdeliktsSI. Demgegenüber berücksichtigt §315 c dStGB in abgestufter Regelung verschiedene Formen des Fehlverhaltens im Straßenverkehr und wahrt in Verbindung mit seiner Schutzrichtung eine auch in Fahrlässigkeitsfällen durchgängige Eigenständigkeit gegenüber den fahrlässigen Verletzungstatbeständen. Die in den Strafandrohungen zum Ausdruck gelangende Unterschiedlichkeit zeigt folgendes Bild: Während § 89 öStGB für Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsfälle maximal drei Monate Freiheitsstrafe vorsieht, ist bei § 315 c dStGB in Vorsatzfällen der Strafrahmen bis auf maximal fünf Jahre Freiheitsstrafe erstreckt, während in den übrigen Fällen der Strafrahmen durch Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren begrenzt ist. Im Hinblick auf die Struktur und Gewichtung des § 89 öStGB wird in der österreichischen Literatur zum Teil entschiedene Kritik an der Vorschrift geübt34 , doch zeigt die praktische Anwendung eine durchaus wachsende Bedeutung dieses Straftatbestandes35 • 31 Von Kienapfel, Grundriß des österreichischen Strafrechts, Besonderer Teil, Band 1, Rdn.219, vorgeschlagene Kurzformel für den entsprechenden Alkoholisierungsfall, die sich eingebürgert hat (das Gesetz spricht von einem "die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand"). 32 Vgl. § 88 Abs. 3 u. Abs. 4 (2. Alternative) öStGB. 33 Da bei der Berücksichtigung der "besonders gefährlichen Verhältnisse" in den Qualifikationsfällen der fahrlässigen Tötung (§ 81 Ziff. 1 öStGB) gefordert ist, daß sich die besondere Gefährlichkeit auch im eingetretenen Erfolg spezifisch auswirkt (dazu Burgstaller, in: Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 81 Rdn.35 und zuvor insbesondere Nowakowski, ZVR 1970, 172), ist auch - nämlich in Fällen der Abwesenheit eines derartigen Zusammenhangs - Idealkonkurrenz zwischen fahrlässiger Tötung (§ 80 öStGB) und Gefährdung der körperlichen Sicherheit (§ 89 öStGB) denkbar. 34 Zur Kritik vgl. Kienapfel, ÖRZ 1981, 120 (mit Empfehlung, der übergreifenden Gefährlichkeit im Bereich des Straßenverkehrs durch Aktivierung des Verwaltungsstrafrechts zu begegnen) sowie ders., Grundriß des österreichischen Strafrechts, Besonderer Teil, Band 1, 2. Aufl., 1984, S. 131 f.

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Strukturunterschiede und unterschiedliche Gewichtungen zeigen sich auch im Vergleich der fahrlässigen Verletzungstatbestände. Das deutsche Strafrecht läßt es bei der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung bei einfachen Fahrlässigkeitstatbeständen bewenden, denen aber auf der Rechtsfolgenseite relativ weite, nämlich bis zu Freiheitsstrafen von fünf beziehungsweise drei Jahren reichende Strafrahmen gegenüberstehen. Für das österreichische Recht ist demgegenüber kennzeichnend, daß mit verhältnismäßig geringerer Strafe nämlich bei fahrlässiger Tötung maximal Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr und bei fahrlässiger Körperverletzung maximal Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten - bedrohten einfachen Verletzungstatbeständen, qualifizierte Formen der fahrlässigen Tötung (§ 81 öStGB) und Körperverletzung (§ 88 Abs.3 und 4 öStGB) gegenüberstehen, die aber in ihren Strafmaxima immer noch deutlich hinter den deutschen Strafandrohungen zurückbleiben36 • Im österreichischen Schrifttum wird zum Teil der Vorzug derartiger tatbestandlicher Aufgliederungen bestritten und empfohlen, es bei einfachen Verletzungstatbeständen mit maßvoll erweiterten Strafrahmen bewenden zu lassen37 • Auf einem anderen Blatt stehen allerdings die im Zuge der Entkriminalisierung des Verkehrsstrafrechts (1971) festgelegten Strafausschließungsgründe bei bestimmten Körperverletzungen ohne schweres Verschulden (§ 88 Abs.2 öStGB), auf die wir später zurückzukommen haben. Unter Beachtung der verdeutlichten Ausgangslage und Zusammenhänge können nunmehr die im weiteren hier anstehenden Vergleiche vorgenommen werden. ___8~_Die Kriminalstatistik weist für 1977 402, für 1978 578, für 1979 565 und für 1980 621 Verurteilungen auf. Vgl. dazu Kienapfel,-Grundriß (Anm. 34), S.132. 38 Die Fälle qualifizierter fahrlässiger Tötung bedroht §81 öStGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. Die auf den entsprechenden gesteigerten Handlungsunwert Bezug nehmenden Fälle qualifizierter fahrlässiger Körperverletzung (§ 88 Abs. 3 öStGB) sind mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Derselbe Strafrahmen gilt für die lediglich erfolgsqualifizierte fahrlässige Körperverletzung entsprechend § 88 Abs.4 1. Alt. öStGB, während bei gleichzeitiger Verwirklichung des § 81 entsprechenden Handlungsunwerts Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren angedroht ist (§ 88 Abs.4 2. Alt. öStGB). Im Rahmen der vorliegenden übersicht muß es bei einem Strafrahmenvergleich sein Bewenden haben. 37 Zur Forderung eines Einheitsdelikts der fahrlässigen Tötung bei Anhebung der Strafobergrenze des § 80 öStGB auf drei Jahre Kienapfel, Grundriß (Anm..34), S.33 u. 63. Zipf, Würtenberger-Festschrift, S. 162 f. stellt dem Qualifikationsfall des § 81 Ziff.2 öStGB (Minderrausch) den Vorzug einer etwa entsprechend dem deutschen Recht gewährleisteten Erfassung trunkenheitsbedingter (abstrakter beziehungsweise konkreter) Gefährdung gegenüber und empfiehlt bei Verzicht auf die Qualifikation des § 81 Ziff.1 öStGB (Fall der besonders gefährlichen Verhältnisse) eine Anhebung der Strafobergrenze bei dem Grundtatbestand der fahrlässigen Tötung auf zwei Jahre Freiheitsstrafe. Zur Empfehlung der Schaffung eines einheitlichen Delikts der fahrlässigen Körperverletzung mit einer Strafobergrenze von 2 Jahren Kienapfel, Grundriß (Anm. 34), S. 121.

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2. Im Vorfeld der Verletzungen ist § 316 dStGB, der im österreichischen Justizstrafrecht keine Parallele hat, mit der in Betracht kommenden verwaltungsstrafrechtlichen Beurteilung zu vergleichen, während im Hinblick auf den Bereich konkreter Gefährdungen der auf das Kriminalstrafrecht beschränkte Vergleich des § 315 c dStGB mit den §§ 177, 89 öStGB aufgegeben ist. a) Während das deutsche Recht in § 316 StGB die folgenlose Trunkenheitsfahrt bei Berücksichtigung des der absoluten Fahrunsicherheit entsprechenden Alkoholgrenzwerts von 1,3 %0 38 beziehungsweise in entsprechenden Fällen relativer Fahrunsicherheit mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedroht, bleibt die folgenlose Trunkenheitsfahrt im österreichischen Recht eine Verwaltungsübertretung. Die dafür maßgebliche Vorschrift ist § 99 Abs. 1 a i. V. m. § 5 Abs.l öStV0 30 • In übereinstimmung mit der entsprechenden europäischen Empfehlung40 , der in der Bundesrepublik Deutschland die Verkehrsordnungswidrigkeit des § 24 a dStVG Rechnung trägt, wird der Bereich sanktionierten Fehlverhaltens bei einem Blutalkoholgehalt von 0,8 %0 erreicht (Fall des im Sinne von § 5 Abs. 1 öStVO durch Alkohol beeinträchtigten Zustandes). Die Schwelle zu einer kriminalstrafrechtlichen Verantwortlichkeit wird aber erst mit einer konkreten Gefährdung i. S. des § 89 öStGB überschritten. Die Unterschiedlichkeit der rechtlichen Lage in bezug auf die Erfassung der Alkoholisierung im Straßenverkehr wird im übrigen auch wesentlich durch abweichende prozeßrechtliche Gesichtspunkte bestimmt. Während auf deutscher Seite das Recht zu einer unter Zwang entnommenen Blutprobe (§ 81 a dStPO) nicht nur im Rahmen der kriminalstrafrechtlich zu ahndenden Fälle besteht, sondern auch in den vorgelagerten Bereich der Ordnungswidrigkeitsfälle des § 24 a dStVG erstreckt ist41 , wird in Österreich eine Anordnung der Duldung einer Blutprobenentnahme überhaupt erst bei Unfällen, bei denen eine Person getötet oder erheblich verletzt worden ist, als zulässig angesehen42 , und selbst in der38 Auch nur als Alkoholkonzentration im Körper, die zu dem entsprechenden Blutalkoholgehalt führt, vgl. BGH 25, 246, 251. Die 1,3%o-Grenze wird als strikte Untergrenze der absoluten Fahrunsicherheit verstanden, so daß auch schon bei geringfügigen Abstrichen die der relativen Fahrunsicherheit entsprechende Beweisführung erforderlich ist; vgl. dazu BGHSt. 31; 42. 3D Die Verwaltungsübertretung ist für den Ersttäter mit Geldstrafe von 5000 bis 30 000 ÖS, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest VOn einer bis sechs Wochen zu bestrafen. Vgl. allgemein zu den rechtlichen Folgen alkoholbeeinträchtigten Fahrzeuglenkens in Osterreich O. Schmied, Blutalkohol 19 (1982), S. 103. 40 Vgl. dazu die am 22. März 1973 vom Ministerkomitee des Europaratsverabschiedete Resolution (3) 7, abgedruckt in Conseil de l'Europe (Anm. 2), S. 52. 41 § 81 a dStPO ist gemäß § 46 OWiG auch im Bußgeldverfahren anwend-

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artigen Fällen kommt eine Anwendung von körperlichem Zwang aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in Betracht43 • Auf der anderen Seite sind Verweigerungen in bezug auf rechtlich zulässige Anordnungen - überprüfung der Atemluft und ärztliche Vorführung schon in Fällen des Verdachts einer bloßen Trunkenheitsfahrt, Duldung der Blutprobenentnahme nur in den schon angeführten Fällen eines schwereren Unfalls - mit entsprechenden Verwaltungsstrafen bedrohtu. Nur ist dann der entsprechende Ungehorsam und nIcht ein im Ungewissen bleibender Alkoholisierungsgrad strafrechtlicher Anknüpfungspunkt. Kann also auf zulässige andere Weise der erforderliche Beweis eines bestimmten Grades der Alkoholbeeinträchtigung nicht geführt werden, muß dieser Gesichtspunkt als Grundlage einer entsprechenden Verantwortlichkeit entfallen. Bei der gegebenen Lage des österreichischen Rechts würde aber auch die Frage der Schaffung einer § 316 dStGB entsprechenden kriminalstrafrechtlichen Vorschrift mit besonderen Problemen konfrontiert sein411 • b} Der Vorschrift des § 315 c dStGB sind auf österreichischer Seite die §§ 177, 89 öStGB gegenüberzustellen, die auch in dieser Reihenfolge betrachtet werden sollen. Während das deutsche Verkehrsstrafrecht in seiner Fortentwicklung den Gesichtspunkt einer erforderlichen Gemeingefahr aufgegeben hat und in § 315 c StGB näher umschriebene Formen des Fehlverhaltens im Straßenverkehr mit einer dadurch herbeigeführten Individualgefahr verknüpft, handelt es sich bei § 177 öStGB um einen auf die fahrlässige Herbeiführung einer Gemeingefahr bezogenen Tatbestand, der zum--anderen nicht an spezifische Formen des Fehlverhaltens gebunden ist. Der mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedrohte Grundtatbestand bezieht sich auf Gefährdungen von Leib oder Leben einer größeren Zahl von Menschen oder für fremdes Eigentum im großen Ausmaß. Die entsprechende Schwelle wird hoch angesetzt, nämlich in bezug auf Leib und Leben bei Gefährdungen von wenigstens zehn Per4! Vgl. die Regelung in § 5 Abs.6 öStVO. Die Verpflichtung zur Blutabnahme, wenn der Betroffene - auch in Fällen einer bloßen Trunkenheitsfahrt - eine solche verlangt oder der Blutabnahme zustimmt, ist in § 5 Abs. 7 öStVO geregelt. 43 Vgl. dazu Kammerhofer/Benes, Straßenverkehrsordnung, 7. Aufl., Ziff. 25 bei § 5 (Abdruck: eines Auszugs aus dem Bericht des Handelsausschusses über die Regierungsvorlage betreffend die StVO 1960,240 BlbNR IX. GP). Vgl. im übrigen näher O. Schmied (Anm.39), S. 107 f. " Die der Trunkenheitsfahrt entsprechende Bestrafung ergibt sich aus § 99 Abs. 1 b) und c) i. V. m. den entsprechenden Vorschriften in § 5 öStVO. 45 Reformpläne, über die O. Schmied (Anm. 39), S. 118 ff. z. T. mit kritischen Anmerkungen referiert, beschränken sich auf den verwaltungsstrafrechtlichen Rahmen.

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sonen46 • In Fällen eingetretener Verletzungen kommen bestimmte Qualifikationstatbestände in Betracht, doch sind auch Fälle der Idealkonkurrenz mit selbständigen Verletzungstatbeständen möglich47 • Die erörterte Vörschrift hat auch im Straßenverkehr Bedeutung, doch kann sie im ßinblick auf die hohen Anforderungen der konkreten Auswirkungen des Verhaltens nur einen sehr geringen Ausschnitt von Gefährdungen im Straßenverkehr abdecken~8. Der im österreichischen Verkehrsstrafrecht häufiger zur Anwendung gelangende Gefährdungstatbestand ist § 89 öStGB. Die Vorschrift, die sich im Unterschied zu § 315 c dStGB nicht auch auf Fälle bloßer Sachgefahr (Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert) erstreckt, verlangt eine "wenn auch nur fahrlässig"49 herbeigeführte konkrete Gefährdung einer anderen Person unter der alternativen Voraussetzung des Minderrausches beziehungsweise der "besonders gefährlichen Verhältnisse". Da es sich insoweit - wie schon oben bemerkt - um entsprechende Qualifikationsmerkmale fahrlässiger Verletzungstatbestände handelt, muß man sich bei den folgenden Bemerkungen darüber im klaren sein, daß dort auch der Schwerpunkt der Auseinandersetzung und die weiterreichende Bedeutung der fraglichen Merkmale liegt. Der Fall der Gefährdung unter der Voraussetzung des Minderrausches wird in den Alternativen relativer und absoluter Fahruntüchtigkeit angenommen, wobei die Bestimmung der absoluten Fahruntüchtigkeit der 0,8 %o-Grenze der verwaltungs rechtlichen Festlegung folgt und nicht wie im deutschen Recht auf einen eigenen Ansatz verwiesen wird 50 • Im übrigen ist wiederum auf die schon angeführten Unter48 Vgl.Foregger!Senni (Anm.8), Ziff. I bei § 177 und Ziff.III bei § 176 öStGB. 47 Vgl. den Nachweis bei Foregger!Serini (Anm. 8), Ziff.II bei § 177 öStGB, der sich auf die nicht nach § 177 Abs. 2 zu qualifizierenden Körperverletzungen bezieht. Idealkonkurrenz besteht auch bei entsprechendem Zusammentreffen mit den Qualifikationsfällen des § 81, vgl. Burgstaller (Anm.33), Rdn. 46 und 111; demgegenüber nimmt Kienapfel, Grundriß (Anm.34), S.70 den Standpunkt ein, daß beim Zusammentreffen mit § 81 Ziff. 1 öStGB grundsätzlich nur § 177 Abs. 2 öStGB Anwendung findet. 48 In Betracht kommen Fälle wie etwa der vom OHG.in ZVR 1980,313 entschiedene Fall eines Busfahrers. 4' Das Delikt kann vorsätzlich oder fahrlässig begangen werden, doch arbeitet die Praxis aus Beweisgründen nahezu ausschließlich mit der Fahrlässigkeitsvariante; vgl. Kienapfel, Grundriß (Anm. 34), S. 135. 50 Die der ständigen österreichischen Rechtsprechung und der ganz überwiegenden Auffassung im österreichischen Schrifttum entsprechende übernahme der verwaltungsstrafrechtlichen 0,8%o-Grenze als entsprechende absolute Untergrenze im kriminalstrafrechtlichen Zusammenhang wird von Burgstaller (Anm.33) Rdnr.65 zwar als keineswegs zwingende, jedoch die praktische Rechtsanwendung wesentlich erleichternde und methodisch jedenfalls vertretbare Position beurteilt. Die Problemstellung, die sich daraus ergibt, daß im österreichischen Alkoholgrenzwert die im Tatzeitpunkt erreichte

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schiede in bezug auf prozeßrechtliche Gesichtspunkte zu verweisen, so daß in entsprechenden Fällen, wenn der Beweis nicht auf andere Weise geführt werden kann, der Gesichtspunkt einer Alkoholisierung entfällt. Im Hinblick auf die Fahrlässigkeit ist für § 81 Ziff.2 öStGB ein spezifischer Bezug auf den Rausch bei Vorhersehbarkeit einer gefährlichen Tätigkeit hervorzuheben51 • Diese sachgemäße Regelung kann im deutschen Recht nur bei entsprechender Mitberücksichtigung der Grundsätze der actio libera in causa ausgeglichen werden. Für den Fall des Vollrausches ist auf § 287 öStGB zu verweisen, der in seiner Konzeption eine wesentliche, wenn auch nicht vollständige übereinstimmung mit § 323 a dStGB zeigt 52 • Die zweite Alternative des § 89 öStGB betrifft den Gefährdungsfall unter der Voraussetzung der "besonders gefährlichen Verhältnisse". Es handelt sich insoweit um das in § 81 Ziff.l öStGB berücksichtigte Qualifikationsmerkmal, dessen Verständnis nicht unerhebliche Schwierigkeiten bereitet und in der neueren österreichischen Rechtsprechung einen bedeutsamen Wandel erfahren hat. Für das korrekte Verständnis ist zunächst die von Burgstaller53 mit großer Klarheit dargelegte Einsicht entscheidend, daß es sich um Anforderungen der Gefährlichkeit (und nicht der Gefährdung) handelt. Allerdings ist dann doch noch die Frage der Reichweite des entsprechenden Erfolgssachverhalts offen. Während die ältere Rechtsprechung Gemeingefährlichkeit in dem Sinne verlangte, daß mit hoher Wahrscheinlichkeit eine schwere Schädigung für zumindest eine Person aus einer im voraus nicht näher bestimmten Vielzahl oder für eine größere Zahl bestimmter Personen zu erwarten Blutalkoholkonzentration (und nicht schon eine entsprechende Alkoholmenge im Körper) maßgeblich ist, hat BurgstaZler ebendort Rdn. 73 näher auseinandergesetzt (Befürwortung entsprechender Berücksichtigung der Alkoholmenge im Körper unter der Sicherheitsvoraussetzung, daß der Blutalkoholgehalt im Unfallzeitpunkt bereits 0,5 %0 betrug). Erkenntnisse i. S. relativer Fahruntüchtigkeit werden in der österreichischen Praxis offenbar vornehmlich auf Fälle beschränkt, die knapp unter der 0,8%o-Grenze liegen; kritisch dazu BurgstaZler (Anm. 33), ebendort. 51 Zum Erfordernis des notwendigen Zusammentreffens der beiden Unwertfaktoren des Sich-Berauschens trotz vorhersehbarer gefährlicher Tätigkeit einerseits und der Vornahme der eben infolge der Berauschung gesteigert gefährlichen Tätigkeit selbst sowie zur Vorhersehbarkeit einer gefährlichen Tätigkeit Burgstaller (Anm.33). Rdn; 55 und 80 ff. fi2 Abgesehen von der im Vergleich mit § 323 a dStGB geringeren Strafdrohung des § 287 öStGB hält die österreichische Vorschrift am strikten Erfordernis eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausches fest, während § 323 a dStGB auch Fälle der nicht auszuschließenden Schuldfähigkeit erfaßt (zur erheblichen Reichweite der Öffnung der Vorschrift, deren Anwendung beim Stand der Rechtsprechung das Verlassen des sicheren Bereichs des § 21 dStGB nicht zur Voraussetzung hat, BGHSt. 32, 48). Der Fall der Unzurechnungsfähigkeit wird in Österreich in der Regel ab einem Blutalkoholgehalt von 3%0 angenommen; vgl. OLG Wien ZVR 1977, 14. 53 (Anm. 33), Rdn. 13.

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war54 und Burgstaller auf das Erfordernis einer Gefährdung von mindestens zwei Personen abstellt55 , steht die neue re Rechtsprechung auf dem Standpunkt, daß unter der Voraussetzung einer qualitativ verschärften Gefahrenlage i. S. einer außergewöhnlich hohen Unfallwahrscheinlichkeit auch die sogeartete Gefährdung einer einzigen Person genügt 51• Die Anforderungen in bezug auf eine außergewöhnlich hohe Unfallwahrscheinlichkeit werden häufig im Sinne einer Mosaiktheorie verstanden, die auf die Häufung mehrerer unfallträchtiger Faktoren abstelUS7, doch wird unter bestimmten Voraussetzungen auch ein einziger gefahrenerhöhender Umstand als ausreichend angesehen158• In einer den Bereich der Personengefahr betreffenden Bilanz des Vergleichs mit dem deutschen Recht steht der mit dem übergang zur Individualgefahr bei § 89 öStGB vollzogenen Annäherung der Vorschriften die erhebliche Unterschiedlichkeit der Typisierung der dem Tatbestand entsprechenden Verhaltensformen einschließlich der nur in § 315 c dStGB als Schuldmerkmal geforderten Rücksichtslosigkeit gegenüber·. Die nähere Bestimmung der praktischen Auswirkungen dieser Unterscheidungen wäre eine im Hinblick auf die Entwicklung der neueren österreichischen Rechtsprechung besonders interessante AufgabeftO • 3. Die vergleichende Kennzeichnung der Lage auf dem Gebiet der fahrlässigen Verletzungsdelikte muß im Rahmen dieses Beitrags notgedrungen auf einige charakteristische Aspekte beschränkt werden. Unter Bezugnahme auf die schon bei den Grundfragen in Betracht gezogene gesetzliche Ausgangslage soll zunächst die in letzter Zeit zustandegekommene grundsätzliche übereinstimmung der modernen Fahrlässigkeitslehre vermerkt werden. Der spezifische Gedanke der Erfolgsrelevanz ist fernerhin Ausgangspunkt für einige weitere vergleichende Anmerkungen. Die enge wissenschaftliche Zusammenarbeit der beiden Länder hat in der letzten Zeit zu wesentlicher übereinstimmung der in der BunVgl. Burgstaller (Arun. 33), Rdn. 9. Vgl. Burgstaller (Anm. 33), Rdn. 17. 51 Die entscheidende Wende brachte die Entscheidung des OHG vom 30.3. 1977, veröffentlicht in SSt 48/24. 57 Vgl. dazu Kienapfel, Grundriß (Anm.34), S.66. Vgl. als eines der möglichen Beispiel aus der Rechtsprechung die Entscheidung des OLG Wien ZVR 1982,26. 58 Vgl. dazu OLG Wien ZVR 1981, 18. 59 Im Hinblick auf ein durch die Wende der neueren Rechtsprechung bewirktes Bestimmheitsdefizit fordert Kienapfel, Grundriß (Anm. 34), S. 65 erhöhte Anforderungen sowohl an die objektive als auch an die subjektive Tatseite 1. S. einer auffallenden Sorgfaltswidrigkeit. 80 Im Hinblick auf die schon angeführte (Anm. 35) wachsende praktische Bedeutung der Vorschrift würde es dafür auch auf österreichischer Seite nicht an Material fehlen. 54 55

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desrepublik Deutschland und in Österreich vertretenen modernen Fahrlässigkeitslehre geführt. Während Nowakowski - zum Beispiel in seinem bekannten Aufsatz aus dem Jahre 1953 B1 - in dezidierter Weise den der herkömmlichen Lehre entsprechenden Standpunkt der Fahrlässigkeit als bloßer Schuldform vertrat und Graßberger in seinem Vortrag aus Anlaß der 1964 in Wien in Verbindung mit der deutschen Gesellschaft für Rechtsvergleichung abgehaltenen Tagung schon das Bemühen um einen der Sondernatur der Fahrlässigkeitsdelikte entsprechenden Verbrechens aufbau verfolgtB!, kommt es in den siebziger Jahren zu der entscheidenden Wende, deren weitgehend mit der modernen deutschen Lehre übereinstimmender Stand in der im Jahre 1974 erschienenen monographischen Untersuchung von BurgstallerB3 Ausdruck erlangt. Die dogmatische Erneuerung, deren Auseinandersetzung speziell auch im Austausch mit der Lehre des verehrten Jubilars vorangetrieben worden ist, wird u. a. auch durch die Arbeiten von Kienapfel und das von ihm reichhaltig ausgebreitete Anschauungsmaterial aus der österreichischen Praxis belegtll4 • Die erreichte gemeinsame Plattform mag das wissenschaftliche Gespräch in den vielen Einzelfragen weiter beleben. Im Rahmen dieses Vergleichs wollen wir nur noch wenige Anmerkungen beifügen. Die gesicherte Erkenntnis des der Fahrlässigkeit entsprechenden Handlungsunwerts wird im Erfordernis eines dafür notwendigen objektiven Maßstabs durch die Bestimmung der Fahrlässigkeit im österreichischen Strafgesetzbuch bestärkt, so daß man sich in Österreich für die Ablehnung des von einigen deutschen Autoren geforderten Ansatzes bei der dem Täter individuell obliegenden Sorgfalt" auch auf das positive Recht stützen kann". Der für die Begrenzung der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung wichtige Vertrauensgrundsatz läßt für beide Länder im wesentlichen übereinstimmende Maßstäbe erkennenB7 . Die Verbindung zwischen Handlung und Erfolg wird BI JBl. 1953, 506. S! Vgl. Graßberger, Aufbau, Schuldgehalt und Grenzen der Fahrlässigkeit, unter besonderer Berücksichtigung des Verkehrsstrafrechts in Österreich, ZfVR 5 (1964), 18, 19. G3 Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht, 1974. Vgl. ferner ders., Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bearbeitung des § 6 (Fahrlässigkeit) und - im gegebenen Zusammenhang - der §§ 80,81; sowie ders., Straßenverkehr und Strafrecht, ZVR-Sonderheft 1978, 20. 114 Kienapfel, Die Fahrlässigkeit unter besonderer Berücksichtigung des Straßenverkehrs, ZVR 1977, 129 u. 162; ders., (Anm.34), S. 80 tf. (im Zusammenhang mit § 80 öStGB) und passim. 85 Vgl. dazu Stratenwerth, Strafrecht AT, 3. Aufi. 1981, Rdn. 1099 fi. IS Dazu Burgstaller, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 6 Rdn. 25. 87 Vgl. dazu für die Lage der in der Bundesrepublik Deutschland von Wissenschaft und Praxis entwickelten Beurteilung Janiszewski (Anm.2), S.37

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wie in der deutschen Lehre als eine normative Zurechnungsfrage verstanden, der in der österreichischen Lehre vor allem der Begriff des erforderlichen Risikozusammenhangs Rechnung trägt68 • Bei der Problemstellung des rechtmäßigen Alternativverhaltens hat sich in der österreichischen Rechtsprechung im Unterschied zur Rechtsprechung in Deutschland68 allerdings der Standpunkt der Risikoerhöhungslehre durchgesetzt. Die engen Beziehungen zwischen den beiden Ländern kommen zum Ausdruck, wenn sich das OLG Wien70 dafür ausdrücklich auf die Lehre des verehrten Jubilars beruft. Sie hat auch bei österreichischen Autoren eine feste Stütze71 • Im Hinblick auf die Anforderungen der Fahrlässigkeit auf der Ebene der Schuld wollen wir uns mit dem Hinweis begnügen, daß der hier von KienapfeF2 zur Geltung gebrachte objektiviert-subjektive Maßstab der Sorgfaltswidrigkeit wiederum in einem entsprechenden Standpunkt der Lehre von J escheck73 eine Parallele findet. Wenn im folgenden die Frage der Relevanz des Erfolgsunwerts in einigen weiteren vergleichenden Bemerkungen bedacht werden soll, so geschieht dies im Interesse einer Beleuchtung drei spezifischer Problemkreise. In bezug auf das erfolgsgebundene fahrlässige Verletzungsdelikt handelt es sich zunächst um die dogmatische Frage der Integration des Erfolgsunwerts im Unrechtsbegriff. Eine weitere moderne Problemstellung, die gerade auch im verkehrsstrafrechtIichen Zusammenhang aktuelle Bedeutung hat, betrifft Fragen des Rückzugs des Strafrechts in bestimmten Fällen fahrlässiger Erfolgsverwirklichung. Schließlich stellt sich die Frage der Erfolgsrelevanz als Gesichtspunkt gesetzgeberischer Gestaltung der verkehrsstrafrechtIich bedeutsamen Tatbestände. sowie auf österreichischer Seite die gesetzliche Formulierung in § 3 öStVO und die weiterreichende Klärung bei BurgstalZer, Fahrlässigkeitsdelikt (Anm. 63), S. 58 ff. 88 Dazu BurgstalZer (Anm.66), Rdn. 64 ff. Dem Erfordernis ist der Gesichtspunkt des Adäquanzzusammenhanges vorgestellt (ebendort Rdn. 62 f.), dem BurgstalZer bei theoretischer Einbeziehung in den Risikozusammenhang allerdings eine nur praktisch selbständige Funktion zuerkennt, während für den Standpunkt der durchgängigen Trennung der beiden Gesichtspunkte auf die Lehre von Kienapfel, ZVR 1977, 166 zu verweisen ist. 88 Rechtsprechungsnachweise bei BGHSt.30, 228. 230, wo allerdings eine andere Fallkonstellation zur Entscheidung stand, so daß sich der BGH nicht veranlaßt sah, sich mit seiner vermerkten Judikatur abgelehnter Erfolgszurechnung und der Kritik an dieser Rechtsprechung weiter auseinanderzusetzen. 70 ZVR 1980, 52. 71 Vgl. BurgstalZer, Fahrlässigkeitsdelikt (Anm.63), S. 135 ff. und ders., (Anm.66), Rdn. 74 f. sowie Kienapfel, Grundriß (Anm.34), S.53 m. w. N. 72 Grundriß (Anm. 34), S. 56. 73 (Anm. 4), S. 481. 81 Festschrift für H.-H. Jescheck

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Im Zusammenhang einer Weiterentwicklung der personalen Unrechtslehre wird von einzelnen deutschen Autoren74 der Standpunkt vertreten, daß sich der strafrechtliche Unrechtsbegriff im jeweiligen Handlungsunwert erschöpft und dem Erfolg nur die Bedeutung einer objektiven Strafbarkeitsbedingung entsprechen kann. Diese Auffassung sieht sich allerdings - gerade auch aus der Sicht eines wohlverstandenen personalen Unrechtsbegriffs - wachsender Kritik gegenüber75 • Auch der Lage in Österreich vermag sie nicht zu entsprechen, denn für das österreichische Recht ist es - wie Zipf' bemerkt - am sachgerechtesten, von einer Gleichwertigkeit von Handlungs- und Erfolgsunrecht im Deliktsaufbau auszugehen77. Die Lage in Österreich ist gerade auch im Hinblick auf ihre neue re Entwicklung bemerkenswert. Im Unterschied zum deutschen Recht kannte das österreichische Recht vor Inkrafttreten seines neuen Strafgesetzbuchs am 1. Januar 1975 keine generellen Straftatbestände der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung78 , so daß die Wende zum neuen Recht auch als sachgerechte Integration der fraglichen Erfolgsmomente Bedeutung hatte7'. Auf einem anderen Blatt steht die Frage, ob jeder fahrlässig herbeigeführte Verletzungserfolg auch zu einer entsprechenden strafrechtlichen Ahndung führen muß oder gebotene Zurückhaltung in bestimmten Fällen strafrechtlichen Rückzug nahelegt. Empfehlungen des Europarates auf dem Gebiet des Verkehrsstrafrechts befürworten eine entsprechende Reduktion des Anwendungsbereichs der Strafe in Fällen leichter Fahrlässigkeit sowie in Fällen erheblicher eigener oder einen Angehörigen betreffender Verletzungen vorbehaltlich des Vorhandenseins eines "unentschuldbaren Fehlverhaltens"8o. Reformvorstel74 Vgl. die Nachweise im Ausgangspunkt der Kritik dieser Lehren bei

Hirsch, ZStW 94 (1982), S. 252.

76 Vgl. nur die eingehende Kritik von Hirsch (Arun.74), S. 252 ff. (im Unterschied zu dem von Hirsch anfangs - vgl. ders., Die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen, 1960, S.308 Fn. 122 - vertretenen Verständnis des Erfolgs als Bedingung für die Strafwürdigkeit der Normverletzung). 71 JBl. 1980, 192. 77 Als Befürworter der Konzeption eines erfolgsunabhängigen Handlungsunrechts ist demgegenüber Seiler, Maurach-Festschrift, S. 75, 83, zu benennen. 78 Dazu - für die Entwicklung und die positive Beurteilung der mit dem Inkrafttreten des neuen StGB erst am 1. 1.1975 vollzogenen Wende besonders aufschlußreich - Moos (Arun.9), S.314 (mit weiteren entsprechenden Hinweisen auf die groBe dogmengeschichtliche Untersuchung des Autors: Moos, Der Verbrechensbegriff in Österreich im 18. und 19. Jahrhundert, 1968). 7' Bei schon vorheriger Einbeziehung der vor der Wende als objektive Strafbarkeitsbedingungen fungierenden Verletzungsfolge in das tatbestandlich typisierte Fahrlässigkeitsunrecht - dafür Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt (Anm. 63), S. 81 - handelt es sich vor allem um die entsprechende Integration im Schuldzusammenhang.

Aspekte des Verkehrsstrafrechts im Vergleich

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lungen in der Bundesrepublik laufen im Extremfall auf eine Infragestellung der fahr lässigen Erfolgsdelikte als solche hinaus81 , zum Teil wird eine Beschränkung auf Fälle der Leichtfertigkeit empfohlen82 , von nicht wenigen wird Straffreiheit in Fällen geringfügig fahrlässigen Verhaltens vorgeschlagen83 • Demgegenüber läßt es das geltende Recht neben der Berücksichtigung des Absehens von Strafe nach § 60 dStGB Fall des Getroffenseins durch so schwere Tatfolgen, daß die Verhängung einer Strafe, soweit es sich um nicht mehr als ein Jahr Freiheitsstrafe handelt, offensichtlich verfehlt wäre - im wesentlichen bei der Reichweite der Nichtverfolgung von Bagatellsachen (§ 153 dStPO) und möglicher Einstellung der Verfolgung bei geringfügigen Vergehen nach Erfüllung von Auflagen und Weisungen (§ 153 a dStPO) bewenden8'. Für das geltende österreichische Recht ist eine bedeutsame materielle Entkriminalisierung von Fällen einfacher fahrlässiger Körperverletzung festzustellen. Es handelt sich bei Abwesenheit eines schweren Verschuldens85 sowie qualifizierender Merkmale88 um die in § 88 Abs. 2 öStGB geregelten Strafausschließungsgründe. Für den Bereich des Verkehrsstrafrechts ist einmal die Regelung in § 88 Abs.2 Ziff.4 anzuführen, die sich auf Körperverletzungen bezieht, bei denen keine Gesundheitsbeschädigung oder Berufsunfähigkeit einer Person von mehr als dreitägiger Dauer erfolgt ist. Weiter reichen die Fälle des § 88 Abs.2 Ziff.1, die sich auf Verletzungen von Angehörigen beziehen, weil hier erst bei einer länger als vierundzwanzig Tage dauernden Gesundheitsbeschädigung oder Berufsunfähigkeit eine Strafausschließung nicht mehr möglich ist87 • Burgstaller hat auf die große Bedeutung und die praktische Bewäh80 Vgl. dazu näher die am 18. September 1975 vom Ministerkomitee des Europarates verabschiedete Resolution (75) 24, abgedruckt in Conseil de l'Europe (Anm.2), S. 63 f. 81 In diesem Sinne Nickel, 14. Deutscher Verkehrsgerichtstag 1976, S. 59 ff. (im übrigen auf die kriminalstrafrechtliche Erfassung der Straßenverkehrsgefährdungen abstellend). 82 Vgl. Bockelmann, Verkehrsstrafrechtliche Aufsätze und Vorträge, 1967, S. 194, 216 ff. 83 In diesem Sinn etwa § 16 Abs.2 des deutschen Alternativ-Entwurfs eines Strafgesetzbuchs Allgemeiner Teil. lUo Zur "Bedeutung und Anwendung des § 153 a Strafprozeßordnung in Verkehrsstrafsachen" Bär, DAR 1984, 129. In der Praxis rangiert die prozessuale Erledigung vor dem nur wenig angewendeten § 59 StGB (Verwarnung mit Strafvorbehalt). Vgl. dazu Ruß, LK, 10. Aufl.., vor § 59 Rdn. 1. 85 Nach h. M. wird der Fall des schweren Verschuldens angenommen, wenn - vgl. Kienapfel, Grundriß (Anm. 34), S. 125 - "dem Täter eine ungewöhnliche und auffallende Sorglosigkeit zur Last fällt und ihm der Eintritt eines Schadens als wahrscheinlich, und nicht nur als entfernt möglich, voraussehbar war". Näher und zum Stand der Rechtsprechung Kienapfel ebendort. 85 Vgl. die in § 88 Abs. 3 und 4 öStGB geregelten Fälle. 87 Vgl. zu diesem Fall § 88 Abs. 4 1. Alt. i. V. m. § 84 Abs. 1 öStGB.

81·

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rung dieser Entkriminalisierungsmaßnahmen hingewiesen88 • Die bedeutsamen Maßnahmen werden zwar noch durch die mögliche Anwendung des § 42 öStGB etwas erweitert8., doch bleibt der Rückzug des Strafrechts auf dieses materiellrechtliche Konzept und seine Tatfolgenabhängigkeit wiederum auch beschränkt. Im Hinblick auf die Lage bei der fahrlässigen Tötung ist allerdings anzumerken, daß die Bestrafung von Fällen minimaler Sorgfaltspflichtverletzungen unter Schuldgesichtspunkten entfallen kann90 • Eine prinzipielle Anhebung der Fahrlässigkeitsschwelle wird jedoch - insoweit übereinstimmend mit Trändle u - abgelehnt92 • Im ganzen steht eine in Österreich partiell bedeutsam weiterreichende und materiellrechtlich fixierte Betrachtungsweise einer im deutschen Recht vornehmlich prozeßrechtlich geformten, jedoch flexibleren Sicht gegenüberN. Im Hinblick auf die Frage der Erfolgsrelevanz als gesetzgeberischer Gesichtspunkt der tatbestandlichen Gestaltung der Verkehrsdelikte zeigt das österreichische Recht eine eindeutige Linie, indem es das verkehrsstrafrechtlich bedeutsame Justizstrafrecht auf Verletzungstatbestände und konkrete Gefährdungstatbestände beschränkt. Demgegenüber lassen sich auch im österreichischen Schrifttum Autoren benennen, die das Anliegen verfolgen, den vom Zufall abhängigen Erfolgseintritt als primäres Kriminalisierungskriterium aufzugeben und gravierendes Fehlverhalten im Straßenverkehr als solches kriminalstrafrechtlich zu erfassen84 • Abgesehen davon, daß bei der schon erörterten Integration des Erfolgsunwerts im Unrechtsbegriff der Erfolg nicht als ein bloßes Ereignis des Zufalls verstanden werden kann8' , 88 Vgl. BurgstalZer, ZStW 94 (1982), S. 743 f. Diese Beurteilung gilt auch für die quantitativ sehr bedeutsame StraffreisteIlung der einfachen fahrlässigen Gefährdung der körperlichen Sicherheit (vgl. zu diesen Maßnahmen der Entkriminalisierung im Strafrechtsänderungsgesetz von 1971 bereits oben Anm.9). 88 Zu Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung des § 42 öStGB im Bereich fahrlässiger Körperverletzung Froske, ZVR 1981, 289. Abgesehen von Fällen, in denen Alkohol eine Rolle spielt, verfährt die Praxis nicht kleinlich in der Anwendung des § 42 öStGB in bezug auf § 89 öStGB, vgl. Kienapfel, Grundriß (Anm. 34), S. 136. 80 Dazu Kienapfel, Grundriß (Anm. 34), S. 57 und im Ergebnis ebenso BurgstaZZer (Anm. 66), Rdn. 102. 81 DRiZ 1976, 129. 82 Vgl. Burgstaller, Straßenverkehr (Anm. 63), S. 30. 08 Eine Fortbildung des österreichischen Rechts im Sinne der Einführung eines dreistufigen Systems bei Bagatellfällen, das auf der ersten Stufe bei Vergehen bis zu sechs Monaten einen übergang zum Opportunitätsprinzip einbezieht, wird neuerdings von Moos, ZStW 95 (1983), S. 153 ff., in einer eingehenden Analyse der mit § 42 öStGB verbundenen Probleme befürwortet. 84 Vgl. Seiler (Anm.77), S. 83 sowie Schick, ÖJZ 1971,623 ff. und ders., ZVR 1974, 353 ff.

Aspekte des Verkehrsstrafrechts im Vergleich

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ist insbesondere BurgstaZler98 den angeführten Vorschlägen mit wichtigen sozial psychologischen und die Praxis möglicher Strafverfolgung betreffenden Argumenten entgegengetreten. Im Ergebnis des Vergleichs läßt sich eine Bestärkung im prinzipiellen Festhalten an einem verletzungs- beziehungsweise gefährdungsgebundenen (insoweit an den Eintritt einer konkreten Gefahr gebundenen) Verkehrsstrafrecht feststellen. Im Hinblick auf den Fall der folgenlosen Trunkenheitsfahrt (§ 316 dStGB) erscheint die Lage angesichts der spezifischen Gefährlichkeit des Alkohols am Steuer freilich eine andere, doch hat auch der Vergleich der prozeßrechtlichen Lage in beiden Ländern erhebliche Unterschiede gezeigt, so daß es sich hier nicht nur um das Problem der Schaffung eines entsprechenden kriminalstrafrechtlichen Tatbestandes handelt. III.

Die Frage strafrechtlicher Verantwortlichkeit des Urhebers eines Verkehrsunfalls reduziert sich nicht auf die in Betracht kommenden Gesichtspunkte in bezug auf das Unfallgeschehen, sondern erstreckt sich im weiteren auf Aspekte des von der Rechtsordnung geforderten Verhaltens nach einem Verkehrsunfall. Im Interessenkreis des Unfallopfers, auf den wir uns beschränken, ist die Wahrung von Vermögensinteressen vom wichtigeren Schutz der Leibes- und Lebensinteressen zu unterscheiden. Der Wahrung der Vermögensinteressen dient im deutschen Verkehrsstrafrecht die das unerlaubte Entfernen Vom Unfallort betreffende Strafvorschrift des § 142 dStGB. Mit diesem komplizierten Straftatbestand, der als solcher im österreichischen Justizstrafrecht keine Parallele hat81, wollen wir uns hier allerdings nicht weiter befassen. Das Interesse unseres Vergleichs bezieht sich vielmehr auf die strafrechtliche Beurteilung des Fehlverhaltens in bezug auf die Hilfsbedürftigkeit des Opfers und die Abwendung ihm drohender Leibes- und Lebensgefahren. Das deutsche Verkehrsstrafrecht zeigt in diesem Bezugsrahmen eine Befolgung rechtlicher Grundsätze, die ohne Zwischenstufe einen weiten Bogen spannen zwischen der Jedermannspflicht gebotener Hilfe85 Auch die Rückstrahlung der Tatsache, daß sich eine Sorgfaltswidrigkeit in einem entsprechenden Erfolg niedergeschlagen hat, auf die Beurteilung der Handlung - dazu Hirsch (Anm. 74), S.254 - entspricht der Erkenntnis, daß Fälle folgenloser und folgenreicher Fahrlässigkeit unter Unrechtsgesichtspunkten nicht gleichgestellt werden können. 98 Straßenverkehr (Anm.63), S. 29. Vgl. ferner ders., in: Association Internationale de Droit Penal, XIIieme Congres International de Droit Penal 1979, Actes du Congres, S. 122 ff. 91 Unter verwaltungsstrafrechtlichen Gesichtspunkten sind die einschlägigen Regelungen in § 99 i. V. m. § 4 öStVO zu beachten.

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leistung in Unglücksfällen (unter Strafe gestellt nach § 323 c dStGB als echtes Unterlassungsdelikt) und einer den Unfallverursacher bei entsprechender Garantenstellung treffenden Erfolgsabwendungspflicht, die bis zur Anwendung der Leib und Leben schützenden vorsätzlichen Begehungsdelikte führen kann. Das dafür maßgebliche und als solches lange zuvor schon anerkannte Ingerenzprinzip ist im verkehrsrechtlichen Zusammenhang mit diesen Konsequenzen vom BGH erstmals Mitte der fünfziger Jahre berücksichtigt wordenls. Die zunächst insbesondere von Welzel llt entschieden bekämpfte Ansicht des BGH hat in der Folge zu einer weitreichenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung geführtlOo . Die Rechtsprechung hat ihrerseits grundsätzlich an ihrer Linie festgehalten, diese Sicht später allerdings dahingehend bedeutsam eingeschränkt, daß im straßenverkehrsrechtlichen Zusammenhang die in Frage stehende Verantwortlichkeit aus dem Ingerenzprinzip ein wenigstens objektiv pflichtwidriges Vorverhalten voraussetzt'Ol. Diese Prämisse entspricht auch der Lehre des verehrten Jubilars,02, während verschiedene Autoren, abgesehen von der grundsätzlichen Bekämpfung des IngerenzprinzipslOs, an einem teilweise weiterreichenden Haftungsmaßstab festhalten. Für Stratenwerth verdient der Fall des erlaubten Risikos gesonderte Beachtung, so daß die dieser Lage entsprechenden Fälle des Straßenverkehrs an das Erfordernis eines objektiv pflichtwidrigen Vorverhaltens nicht gebunden sind, jedoch unter Gesichtspunkten der Selbstschädigung des Opfers begrenzt werdenlO '. Gössel stützt seinen vom Erfordernis der rechtswidrigen Vorhandlung freigestellten Ansatz u. a. mit dem Argument "der bisher in der Praxis äußerst unsicheren Abgrenzung zwischen sorgfaltswidl'igem und sorgfaltsgemäßem Verhalten"105. 18 Vgl. BGHSt.7, 287 (versuchter Totschlag) sowie ferner die in BGH JZ 1958, S. 506, 507 angeführten Entscheidungen. Hierzu als Neuerung der Rspr. Welzel, JZ 1958, 494. " JZ 1958, 494. 100 Kienapfel, JBl. 1975, 80 verweist - dies sei hier bereits bemerkt - bei Festellung der "im Nachbarland schier endlosen Diskussion über Brauchbarkeit, Grenzen und Tragweite" des Ingerenzprinzips auf die Abwesenheit einer entsprechenden Auseinandersetzung in Österreich (bisherige Abwesenheit einer grundsätzlichen Infragestellung des Ingerenzprinzips bei zugleich weniger Angriffsflächen im Vergleich der Judikatur des österreichischen OHG und des deutschen RG). 101 Vgl. die Entscheidung BGH 25, 218. lot Dazu Jescheck, LK, 10. Aufl., § 13 Rdn.33. lOS Vgl. die bei Schünemann, ZStW 96 (1984), S.309 Fn.70 gegebenen Nachweise. 1M Vgl. Stratenwerth (Anm. 65), Rdn. 1008 ff. 105 Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Teilband 2, 6. Aufl., S. 171 f. (Die auf die Sorgfaltswidrigkeit abstellende Gegenmeinung erscheint insoweit auch kriminalpolitisch bedenklich).

Aspekte des Verkehrsstrafrechts im Vergleich

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Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für pflichtwidrige Nichtabwendung eines Erfolgs auf der Grundlage des Ingerenzprinzips ist auch in Österreich ein seit langer Zeit anerkannter Grundsatz lO8 , dessen neuere Auseinandersetzung eine Wende zur Beschränkung auf Fälle des rechtswidrigen Vorverhaltens zeigtl07 • Ob und inwieweit auch Fälle des Straßenverkehrs eine der angeführten Lage in Deutschland entsprechende Beurteilung erfahren, ist allerdings eine eigene Frage. Man muß sich bei einem internationalen Vergleich darüber im klaren sein, daß der Anerkennung des Ingerenzprinzips Grenzen gesetzt sind und daß speziell besondere Regelungen für den Bereich des Straßenverkehrs in eine andere Richtung weisen können. Wir begnügen uns mit einem Hinweis auf das italienische Recht, für das eine Untersuchung von Grasso l08 erst kürzlich eine besondere gesetzliche Regelung auf dem Gebiet der Fälle des Straßenverkehrs für die Nichtanknüpfbarkeit strafrechtlicher Verantwortung an das Ingerenzprinzip herangezogen hat. Allerdings wird in Österreich - zum Beispiel in der Lehre von KienapfePOD - durchaus angenommen, daß in bestimmten Konstellationen auch des Verhaltens nach einem Verkehrsunfall eine der deutschen Beurteilung entsprechende Verantwortlichkeit aus dem Ingerenzprinzip in Betracht kommen kannuo • Abgesehen von Extremfällen, die auch unter Vorsatzgesichtspunkten problematisch bleiben können1U , ist jedoch für das österreichische Recht eine besondere Regelung für "Normalfälle" charakteristisch, die dem "Imstichlassen eines Verletzten" entsprechen. In der Tat steht im österreichischen Recht einer Frage möglicher strafrechtlicher Verantwortung für einen abwendbaren, aber nicht abgewendeten Erfolg nicht allein das Jedermannsdelikt der unterlassenen Hilfeleistung gegenüber. Diesem - tatbestandlich im übrigen etwas enger als § 323 c dStGB - in § 95 öStGB geregelten Fall ist vielVgl. Kienapfel (Anm. 100), S. 80. In diesem Sinn Nowakowski, in: Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Rdn. 27 (Ziff. ce am Ende) zu § 2. So auch schon im Anschluß an Jescheck der Standpunkt von Kienapfel (Anm. 8), S.494. 108 11 reato omissivo improprio, 1983, S. 284 ff. (systematischer Gesichtspunkt unter Verwertung der gesetzgeberischen Entscheidung in Art. 133 Abs. 3 des italienischen Codice della strada). 10D Vgl. OJZ 1977, 427 in bezug auf § 82 Abs.2 öStGB (Lebensgefährdung durch Imstichlassen in einer hilflosen Lage im Verantwortungszusammenhang einer entsprechenden Garantenstellung). Vgl. auch ders., ORZ 1978,4,5. uo Inwieweit Fälle des Straßenverkehrs in der österreichischen Praxis einer entsprechenden Beurteilung unterzogen worden sind, ist eine hier nicht beantwortbare Frage. 111 Abgesehen vom prozessualen Nachweis kann es in dogmatischer Hinsicht auf schwierige Grenzfragen des bedingten Vorsatzes beziehungsweise der Klarstellung des Vorsatzinhalts als Tötungs- oder Lebensgefährdungsvorsatz ankommen. 108

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mehr in § 94 öStGB eine spezifisch gesteigerte Verantwortlichkeit des Verursachers einer zu Hilfsbedürftigkeit führenden Körperverletzung vorangestellt. Nach dieser Vorschrift ist in ihrem Grundtatbestand derjenige mit Strafe bedroht112 , der es "unterläßt, einem anderen, dessen Verletzung am Körper (§ 83) er, wenn auch nicht widerrechtlich verursacht hat, die erforderliche Hilfe zu leisten". In § 94 Abs.2 öStGB sind strafschärfend im Fahrlässigkeitszusammenhang stehende besondere Tatfolgen erfaßt113 • Eine in § 94 Abs.3 öStGB getroffene besondere Unzumutbarkeitsregelung bringt einen gegenüber § 95 öStGB strengeren Maßstab zur Geltung. Schließlich ist die Subsidiarität der Vorschrift in bezug auf die Fälle festgelegt, in denen der Täter schon wegen der Verletzung mit der gleichen oder einer strengeren Strafe bedroht ist (§ 94 Abs. 4 öStGB). Die sondergesetzliche Erfassung einer gesteigerten Hilfspflicht des Verursachers einer Körperverletzung beschränkt sich nicht auf entsprechende Fälle des Straßenverkehrs, doch bildet die Konstellation des Anfahrens eines Verkehrsteilnehmers mit anschließender Verkehrsunfallflucht den Hauptanwendungsfall der VorschriftlU. Dabei besteht im Ansatz eine Verbindung mit dem Ingerenzprinzip 115, das hier jedoch nicht auf den Fall des pflichtwidrigen Vorverhaltens beschränkt ist t16 , im übrigen aber auch nicht weiter durchschlägt, weil sIch die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines solchermaßen Sonderpflichtigen auf die Nichtvornahme einer gebotenen Handlung reduziert117 • Es ist leicht einzusehen, daß die angeführte Vorschrift in vielen Einzelheiten d_QKD:latisch nicht ei~fach zu bewältigen ist. Ein~. weiterreichende Ana111 Es handelt sich im Grundtatbestand um Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen; demgegenüber ist der Grundtatbestand des Jedermannsdelikts der unterlassenen Hilfeleistung nur mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedroht. 113 Im Fall schwerer Körperverletzung ist Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, im Fall der Todesfolge Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren angedroht. tU Kienapfel, Grundriß (Anm. 34), S. 149. 115 Zu diesem Zusammenhang und zugleich das Hinausgreifen der Vorschrift über diesen Ansatz berücksichtigend Nowakowski, Perspektiven zur Strafrechtsdogmatik, S. 299, 304 ff. 118 Allerdings erheblich einschränkend Kienapfel, OJZ 1977, 428, der das Verständnis der die Sonderpfticht begründenden Verursachung einer Körperverletzung auf die Fälle der Schaffung einer rechtlich mißbilligten und im Eintritt des Verletzungserfolgs realisierten Gefahr beschränkt. Anders aber Nowakowski (Anm. 115) und etwa Foregger/Serini (Anm.8), Ziff. II bei § 94, die in der Frage der notwendigen Begrenzung des der Vorschrift entsprechenden Verursachungsbegriffs den Standpunkt der "auslösenden" Ursache vertreten. 117 Es handelt sich daher um ein echtes Unterlassungsdelikt.

Aspekte des Verkehrsstrafrechts im Vergleich

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lyse118 ist allerdings weder möglich noch notwendig, da wir den Ertrag des hier möglichen Vergleichs auf den Hinweis beschränken können, daß eine Vorschrift nach der Art des § 94 öStGB auf der sachgerechten Linie einer spezifischen Verantwortlichkeit des Unfallverursachers liegt, die sich einerseits vom Bezugsrahmen des Jedermannsdelikts der unterlassenen Hilfeleistung löst und zum anderen zumindest zu einer erheblichen Entlastung der weiterreichenden Perspektive des unechten Unterlassungsdelikts führt, während die dabei zugleich ermöglichte Preisgabe des rechtswidrigen Vorverhaltens in einem anderen Lichte erscheint.

118 Dazu Kienapfel, Grundriß (Anm.34), S. 148 ff. m. w. N. nach dem derzeitigen Erkenntnisstand bei einer Vorschrift, deren wissenschaftliche Klärung noch in vollem Gange ist.

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Aufgaben und Grenzen der Beweisverwertungsverbote Rechtsvergleichende Vberlegungen zum deutschen und amerikanischen Recht

I. Einleitung Zum 46. Deutschen Juristentag, der im Jahre 1966 stattfand, hatte Jescheck ein großes rechtsvergleichendes Gutachten über die "Beweisverbote im Strafprozeß" vorgelegt, in dem er sich u. a. mit der schon damals heftig umstrittenen Frage befaßte, unter welchen Voraussetzungen Beweisverbote nicht nur als Beweiserhebungsverbote, sondern auch als Verwertungsverbote anzusehen sind1• Für die Erörterung dieser Frage war damals der Vergleich mit dem amerikanischen Recht besonders fruchtbar, da die Verwertungsverbote dort bekanntlich seit Beginn der sechziger Jahre große Bedeutung erlangt hatten!. In den Jahren, die seitdem vergangen sind, ist es weder in der Bundesrepublik Deutschland noch in den Vereinigten Staaten um die Verwertungsverbote still geworden. Die Auseinandersetzungen im wissenschaftlichen Bereich bewegten sich allerdings auf unterschiedlichen Ebenen. Von seiten der deutschen Strafprozeßwissenschaft wurde, der kontinental-europäischen Tradition folgend, versucht, die Verwertungsverbote theoretisch aufzuarbeiten und in einem dogmatischen Gebäude zu vereinigen'. In den Vereinigten Staaten dominierte dagegen, wie es für das Common Law typisch ist, die Erörterung praktischer Probleme. Man behandelte dort vor allem die kriminalpolitische Seite der Verwertungsverbote, deren Einfluß auf die Praxis der Strafverfolgungsorgane und die Frage, inwieweit Verwertungsverbote die wirksame VerbreVerhandlungen des 46. Deutschen Juristentages 1966, Bd. I, Teil 3 B, S.l. Siehe MueZZer, ebd., Teil 3 A, S. 35; Honig, Beweisverbote und Grundrechte im amerikanischen Strafprozeß, 1967; ders., Wiederaufnahme und dissenting opinions im amerikanischen Strafverfahren, 1969; Erdmann, Die Ausdehnung der strafprozessualen Garantien der US-Bundesverfassung auf den Strafprozeß der Einzelstaaten, 1969; Herrmann, Verfassungsrecht und Strafjustiz in den Vereinigten Staaten, in: 200 Jahre USA, Augsburger Universitätsvorträge, 1977, S. 85. , Siehe Dencker, Verwertungsverbote im Strafprozeß, 1977; Rogall, ZStW 91 (1979). 1: Gössel, NJW 1981,649 u. 2217, jeweils m. w. N. 1

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chensbekämpfung behindern4 • Wegen dieser verschiedenartigen Schwerpunkte wäre es wenig ergiebig, die in der Bundesrepublik Deutschland und in den Vereinigten Staaten geführten wissenschaftlichen Diskussionen zum Gegenstand einer vergleichenden Betrachtung zu machen. Anders verhält es sich jedoch, wenn man den Blick auf die Bedeutung der Verwertungsverbote in der Praxis der deutschen und der amerikanischen Strafrechtspflege richtet. Schon J escheck hatte in seinem Gutachten gezeigt, daß die in den beiden Ländern anerkannten Verwertungsverbote keineswegs identisch sind5 • Inzwischen ist die Entwicklung bei uns und in den Vereinigten Staaten weitergegangen. Während im Hinblick auf die deutsche Praxis eine gewisse Konsolidierung festgestellt werden kann, ist die Auseinandersetzung um die Verwertungsverbote im amerikanischen Recht nicht abgerissen, ja die Idee der Verwertungsverbote ist dort seit einiger Zeit in eine tiefgreifende Krise geraten. Die Verwertungsverbote erscheinen deshalb heute im deutschen und vor allem im amerikanischen Strafverfahren nicht mehr im gleichen Licht wie vor nahezu zwanzig Jahren, als J escheck sein Gutachten erstattete. Angesichts dessen erscheint es angebracht, wieder einmal Bilanz zu ziehen, nach Aufgaben und Grenzen der Verwertungsverbote im deutschen und im amerikanischen Strafverfahren zu fragen und damit fortzusetzen, was Jescheck 1966 begonnen hat.

11. Die Aufgabe der im deutschen Strafverfahren anerkannten Verwertungsverbote -I~ Als gemeinsame Aufgabe der im deutschen Recht gesetzlich anerkannten und von der Rechtsprechung entwickelten Verwertungsverbote kann man im wesentlichen den Schutz des Persönlichkeitsrechts und der Privatsphäre ansehen. Zur Begründung der einzelnen Verwertungsverbote werden zwar bisweilen auch andere Gesichtspunkte herangezogen, bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, daß dem Schutz des Persönlichkeitsrechts und der Privatsphäre regelmäßig die entscheidende Bedeutung zukommt. Die Verwertungsverbote sind insofern nichts anderes als prozessuale Mittel zur Durchsetzung des Schutzes materiellen Rechts.

, InbaulReid, Criminal Interrogation and Confessions, 2. Auf!. 1967; Kaplan, The Limits of the Exclusionary Rule, 26 Stan. L. Rev. 1027 (1974); Allen, The Judical Quest for Penal Justice: The Warren Court and the Criminal Cases, 1975 U. In. L. F. 518; Israel, Criminal Procedure, the Burger Court and the Legacy of the Warren Court, 75 Mich. L. Rev. 1319 (1977); Kamisar, Police Interrogation and Confessions, 1980; Saltzburg, Foreword: The Flow and Ebb of Constitutional Criminal Procedure in the Warren and Burger Courts, 69 Geo. L. J. 151 (1980), jeweils m. w. N. 5 Jescheck (Anm. 1), S. 31 ff.

Aufgaben und Grenzen der Beweisverwertungsverbote

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Da das Persönlichkeitsrecht und die Privatsphäre durch das Grundgesetz geschützt sind, dienen die Verwertungsverbote dem Grundrechtsschutz. Das "Recht zur freien Selbstbestimmung der Persönlichkeit" ist durch Art. 1 Abs.1 S. 1, Art. 2 Abs.1 GG anerkannt8• Die Privatsphäre stellt einen Ausschnitt aus dem durch das Persönlichkeitsrecht geschützten Bereich dar7 • Sie wird deshalb ebenfalls durch Art. 1 und 2 GG abgesichert, wenn nicht spezielle Grundrechte in Betracht kommen. So wird z. B. die Privatsphäre des Ehe- und Familienlebens unmittelbar VOn Art. 6 GG, die des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs von Art. 10 GG erfaßt. Bei der Begründung der Verwertungsverbote wird von den Gerichten nicht streng zwischen Persönlichkeitsrecht und Privatsphäre unterschieden. Sie stellen vielmehr, wie der folgende überblick zeigen mag, bald den einen, bald den anderen Aspekt in den Vordergrund. 2. Die Aufgabe der Verwertungsverbote, materielle Grundrechte zu schützen, tritt in der Tonband-Entscheidung und der Tagebuch-Entscheidung des BGH deutlich hervor, denn die Unverwertbarkeit der Beweismittel wird hier unmittelbar auf die Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie auf das in Art. 8 Abs. 1 MRK enthaltene Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gestützt8• Ein Hinweis auf den Grundsatz des rechtsstaatlichen Verfahrens, der sich in der Tonband-Entscheidung findet, kann nicht als zusätzliche, prozessuale Grundlage für das Verwertungsverbot gewertet werden, denn der BGH kennzeichnet die Rechtsstaatlichkeit dadurch, daß die Menschenwürde geachtet wird9 • Der BGH läßt den Grundrechtsschutz jedoch zurücktreten, wenn eine Abwägung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ergibt, daß wichtigere Güter und Interessen entgegenstehen. Er hält deshalb ein heimlich aufgenommenes Tonband und ein intimes Tagebuch für verwertbar, wenn dies z. B. zur Aufklärung schwerer Straftaten erforderlich ist, oder wenn das Tonband in einer notwehrähnlichen Lage aufgenommen wurde10 • Das BVerfG hat die Rechtsprechung des BGH, insbesondere die verfassungs rechtliche Begründung der Verwertungsverbote, in zwei Entscheidungen, einem weiteren Tonbandfall und einem Fall, in dem es die in einer Drogenberatungsstelle beschlagnahmten Klientenakten für unBGHSt. 14, 358, 359. BVerfGE 54, 148, 153 f.; Leibholz/Rinck/Hesselberger, Grundgesetz, 6. Aufl. ab 1979, Art. 2 Rdn. 3. a BGHSt. 14, 358, 359; 19, 325, 326 fI. s BGHSt. 14, 364. 10 BGHSt. 19, 331 fI. 8

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verwertbar erklärte, bestätigt und inhaltlich weitergeführt11 • Es unterscheidet, der von ihm in anderem Zusammenhang entwickelten Grundrechtsdogmatik folgendlI, einen unantastbaren Kembereich privater Lebensgestaltung, die Intimsphäre, einen relativ geschützten Bereich des Privatlebens und einen durch das Persönlichkeitsrecht nicht geschützten Geschäftsbereich. Beweismittel, die den Geschäftsbereich betreffen, sind grundsätzlich verwertbarl3 • Beweismittel, die zur allgemeinen Privatsphäre gehören, dürfen dagegen nur verwertet werden, wenn dies "im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes" liegti'. Beweismittel, die Einblick in die Intimsphäre gewähren, sind stets unverwertbar16• Ein seltener Fall, in dem der BGH dies angenommen hat, betraf die Unterhaltung von Eheleuten in der ehelichen Wohnungi'. Das Gericht hat die Verwertung eines von einem "Raumgespräch" aufgenommenen Tonbandes untersagt. Das Raumgespräch konnte im Rahmen einer an sich zulässigen Telefonüberwachung nur deshalb auf dem Band festgehalten werden, weil nach Abschluß eines Telefongesprächs der Hörer nicht ordnungsgemäß aufgelegt worden war. Auch ein intimes, sexuelle Dinge betreffendes Tagebuch, das der BGH im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für verwertbar hält, wird man dem ausnahmslos geschützten Kernbereich zurechnen müssen. Die vom BGH geschaffene Rechtskreistheorie dient, wenn man auf den Fall abstellt, in dem sie in der Praxis tatsächlich eine Rolle gespielt hat, dem Schutz der in Art. 6 Abs. 1 GG garantierten Privatsphäre der Familie17, Das Verwertungsverbot entspringt somit im Ergebnis der Rücksicht auf die Familie des Beschuldigten. Den Gewissenskonflikt, Oenider Zeuge durch die Kollision von Wahrheitspflicht und persönli11 BVerfGE 34, 238; 44, 353. RogaZl (Anm.3), S.23 u. 29 ff. meint angesichts des Rückgriffs der Rechtsprechung auf die Güter- und Interessenabwägung sowie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, die Verwertungsverbote seien nicht mit der Verletzung materieller Rechte, sondern mit einer "Abwägungslehre" zu begründen. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß eine Abwägung erst in Frage kommt, nachdem eine Rechtsverletzung festgestellt ist. 12 BVerfGE 6, 32, 41; 27, 1, 6 f. Siehe LeibhoZzlRincklHesseZberger (Anm.7), Art. 2 Rdn. 3. 18 Ein Beispiel hierfür ist der vom OLG Schleswig, NJW 1980, 352, entschiedene Spielbankfall, in dem die heimliche Bildaufnahme von einem Revisor, der beim Geldzählen im Nebenraum des Casinos Geldscheine verschwinden ließ, für verwertbar gehalten wurde. 14 BVerfGE 34, 238, 246. 16 Abweichend offenbar BGHSt.29, 23, 25, für den Strafverfolgungsinteressen ein so großes Gewicht haben können, daß sie Eingriffe in den ..Kernbereich" der privaten Lebensgestaltung rechtfertigen. 11 BGHSt. 31, 296. 17 BGHSt. 11, 213.

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chen Interessen ausgesetzt sein kann, läßt der BGH, wie der Vergleich mit § 55 StPO zeigt, nicht als Grundlage für ein Verwertungsverbot gelten. In einer früheren Entscheidung hatte das Gericht allerdings das in § 252 StPO wurzelnde Verwertungsverbot damit begründet, daß eine "seelische Belastung" des Zeugen vermieden werden müsse18• § 136 aStPO, der im Jahr 1950 als Antwort auf die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verübten Greuel in die Strafprozeßordnung aufgenommen wurde, zielt nicht nur darauf ab, die unzulässigen Vernehmungsmethoden zu umschreiben; - er tut dies auf unvollständige und z. T. ungenaue Weiseu. Die Bestimmung geht vielmehr einen entscheidenden Schritt weiter, denn sie schützt ausdrücklich die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung und sie knüpft das Verwertungsverbot an deren Verletzung. Sie dient also dem Schutz wichtiger Bestandteile des Persönlichkeitsrechts und ist vom BGH zu Recht als prozessuale Ausformung des Art. 1 Abs. 1 GG bezeichnet worden20 • Zur Begründung des Verwertungsverbots, das sich aus einer Nichtbeachtung der in § 243 Abs. 4 S. 1 StPO vorgesehenen Hinweispflicht ergibt, verweist der BGH auf die Grundsätze des fairen und rechtsstaatlichen Verfahrens!l. Damit wird jedoch im Ergebnis keine prozessuale Rechtsgrundlage für das Verwertungsverbot geschaffen, denn die Grundsätze werden vom BGH inhaltlich sogleich in der Weise bestimmt, daß der Angeklagte nicht gegen sich selbst auszusagen braucht!!. Die Aussagefreiheit aber ist als Ausfluß des Persönlichkeitsrechts anzusehen. Sie wurde vom BVerfG auf die Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit zurückgeführtZ3 • Etwas anders verhält es sich mit dem Verwertungsverbot, zu dem ein Verstoß gegen die in § 168 c Abs. 5 StPO aufgestellte Benachrichtigungspflicht führtu. Der BGH sieht den Grund für die Unverwertbarkeit der Ergebnisse der in Abwesenheit des Beschuldigten durchgeführten Zeugenvernehmung in der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör25 • Für das BVerfG hat dieser Anspruch zwei tieferreichende verfassungsrechtliche Wurzeln. Er folgt einerseits aus dem RechtsstaatsgedanBGHSt. 2, 99, 105. Meyer, in: Löwe/Rosenberg, Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, 23. Auf!. 1976, § 136 a Rdn. 12 ff.; Roxin, Strafverfahrensrecht, 18. Aufl. 1983, S. 141 f. 20 BGHSt. 5, 332, 333; 14, 358, 364. 21 BGHSt. 25, 325, 330 f. !2 Ebd. S. 331. 23 BVerfGE 55, 144, 150 f.; 56,37,49 f. Siehe auch Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, 1977, S.129 ff. m. w. N. 24 BGHSt. 26, 332; 31, 140. 25 BGHSt. 26, 335. 18 19

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ken, soweit durch das Gehör die Richtigkeit einer Entscheidung gesichert werden soll2&. Andererseits ergibt er sich aus der Würde der Person, die gebietet, daß der Beschuldigte vor einer ihn betreffenden Entscheidung Gelegenheit hat, zu Wort zu kommen!? Damit dient das Verwertungsverbot hier zwar nicht ausschließlich, aber immerhin auch dem Schutz materiellen Verfassungsrechts. Der im Recht des Beschuldigten, sich nicht selbst belasten zu müssen, zum Ausdruck kommende Persönlichkeitsschutz bildet auch die Grundlage für das in § 393 Abs.2 AO normierte Verwertungsverbot. Der Steuerpflichtige wird durch diese Bestimmung davor bewahrt, daß Tatsachen oder Beweismittel, die er in Erfüllung seiner steuerrechtlichen Pflichten offenbart, in einem Strafverfahren, das weder eine Steuerstraftat noch bestimmte schwere Delikte zum Gegenstand hat, gegen ihn verwertet werden. Dem von der Abgabenordnung vorgezeichneten Weg ist das BVerfG im Gemeinschuldner-Beschluß gefolgtZ8 • Es hat mit Hilfe eines Verwertungsverbots ausgeschlossen, daß dem Gemeinschuldner Angaben, die er im Konkursverfahren aufgrund seiner gegenüber den Konkursgläubigern bestehenden, uneingeschränkten Auskunftspflicht machen muß, in einem Strafverfahren zur Last gelegt werden. Daß die in §§ 3 Abs.2; 7 Abs. 3 G 10 enthaltenen sowie die von der Rechtsprechung auf der Grundlage von § 100 a StPO entwickelten Verwertungsverbote die in Art. 10 Abs. 1 GG verbrieften Grundrechte und damit zugleich das Persönlichkeitsrecht und die Privatsphäre schützen, liegt auf der Hand und wurde auch vom BGH hervorgehobenz9 • . §49 Abs.l BZRG, der den Vorhalt und jede andere Art der Verwertung getilgter oder tilgungsreifer Verurteilungen zum Nachteil des Betroffenen ausschließt, beruht auf der Resozialisierungsidee. Der Resozialisierungsanspruch des Verurteilten aber ergibt sich, wie das BVerfG ausgeführt hat, aus der Menschenwürde30 • 3. Bekanntlich führt nicht jede Verletzung des Persönlichkeitsrechts und der Privatsphäre zur Unverwertbarkeit der dabei gewonnenen Beweismittel. Oben wurde schon erwähnt, daß die Güter- und Interessen28 BVerfGE 9, 89, 95; 39, 156, 168; 57, 250, 288. Siehe auch Rüping, Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs und seine Bedeutung im Strafverfahren, 1976, S. 123 f. 27 BVerfGE 9,89,95; 39, 156, 168. Siehe auch Rüping (Anm. 26), S. 124 ff. 28 BVerfGE 56, 37, 50 f. 28 BGHSt.27, 355, 357; 29, 244, 249; BGHSt.31, 304, 308 f. stützt das Verwertungsverbot auf den Rechtsstaatgrundsatz, umschreibt diesen dann aber mit dem heimlichen Eindringen in die Privatsphäre des Angeklagten. 80 BVerfGE 36, 174, 188.

Aufgaben und Grenzen der Beweisverwertungsverbote

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abwägung die Ablehnung eines Verwertungsverbots zur Folge haben kann. Als Beispiel hierfür kann der Medizinalassistenten-Fall dienen, in dem der BGH das Interesse des Beschuldigten, daß seine körperliche Unversehrtheit nicht durch eine von einem Medizinalassistenten durchgeführte, gewaltsame Entnahme einer Blutprobe beeinträchtigt wird, hinter dem Interesse der Allgemeinheit an der Verfolgung von Verkehrsstraftätern hat zurücktreten lassenu. Es gibt aber auch Entscheidungen, in denen ein Verwertungsverbot aus anderen Gründen abgelehnt wurde. Der BGH hat bei einem Verstoß gegen die in §§ 136 Abs. 1 S. 2, 163 a Abs. 4 S. 2 StPO aufgestellte Belehrungspflicht ein Verwertungsverbot mit dem formalen Argument verneint, daß es sich bei der Bestimmung nur um eine Ordnungsvorschrift handele32 • Auf den Schutz der Aussagefreiheit des Beschuldigten sowie auf die Güter- und Interessenabwägung ist er nicht eingegangen. Das ist nicht zuletzt deshalb bemerkenswert, weil der Boden hierfür durch den vom BGH einige Jahre zuvor entschiedenen Tagebuchfall methodisch vorbereitet war. In einer neue ren Entscheidung hat der BGH die Ablehnung des Verwertungsverbots bestätigt38 • Mit der maßgeblichen Frage, inwieweit das Recht des Beschuldigten, sich nicht selbst belasten zu müssen, des Schutzes bedarf, hat er sich wiederum nicht befaßt, obwohl die Ausführungen im Vorlagebeschluß des Oberlandesgerichts genügend Anlaß dazu gegeben hätten. Die beiden Entscheidungen fallen in methodischer Hinsicht offensichtlich aus dem Argumentationsrahmen, innerhalb dessen sich die Rechtsprechung zu den Verwertungsverboten sonst bewegt.

m.

Die Aufgabe der Verwertungsverbote

im amerikanischen Strafverfahren

1. Im amerikanischen Strafverfahren sind die Verwertungsverbote durch die Rechtsprechung, vor allem durch den Supreme Court geschaffen worden. Fälle, in denen der Supreme Court Geständnisse, die durch Drohung oder Versprechungen beeinflußt waren und die deshalb als unglaubwürdig angesehen wurden, für unverwertbar erklärt hat, können bis ins letzte Jahrhundert zurückverfolgt werden34 • Grundlage für das Verwertungsverbot war zunächst das traditionelle Beweisrecht35 ,

BGHSt.24, 125, 130 f. BGHSt.22, 170, 173 f. 33 BGHSt. 31, 395. 34 Hopt v. Utah, 110 U.S. 574 (1884); Bram v. U.S., 168 U.S. 532 (1897); Brown v. Mississippi, 297 U.S. 278 (1936). 35 Siehe Wigmore, Evidence in Trials at Common Law, Bd.3, Revised Edition von Chadbourn, 1970, §§ 820 d ff. 31

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82 Festschrift für H.-H. Jescheck

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später jedoch der im 5. Amendment zur amerikanischen Bundesverfassung verankerte Grundsatz, daß niemand zu einer Aussage gegen sich selbst gezwungen werden darf, sowie die im 14. Amendment enthaltene due process-Klausel, die mit dem Rechtsstaatsgedanken des deutschen Rechts vergleichbar ist38 • Im Jahre 1914 begann der Supreme Court, auch Beweismittel, die von der Polizei bei nicht ordnungsgemäßen Durchsuchungen und Beschlagnahmen erlangt worden waren, von der Verwertung auszuschließen17 • Das verfassungs rechtliche Fundament für dieses Verwertungsverbot bildete das im 4. Amendment enthaltene Verbot willkürlicher Durchsuchungen und Beschlagnahmen. Schon diese knappen Bemerkungen lassen erkennen, daß die Verwertungsverbote im amerikanischen Recht nicht wie im deutschen eine materiell-rechtliche, sondern eine prozeßrechtliche Grundlage haben. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß die Amendments zur amerikanischen Bundesverfassung eine ganze Reihe von Bestimmungen enthalten, die speziell auf den Schutz des Bürgers im Strafverfahren zugeschnitten sind. Es gibt zwar mehrere Entscheidungen des Supreme Court, in denen er das an unzulässige Durchsuchungen und Beschlagnahmen anknüpfende Verwertungsverbot mit der Schutzbedürftigkeit des right to privacy, d. h. eines materiellen Rechts begründet hat38• Dieses mit dem Persönlichkeitsrecht und der Privatsphäre des deutschen Rechts vergleichbare right to privacy wird jedoch weitgehend nur als eine formelhafte Bezeichnung verwendet. Der Supreme Court hat in keiner seiner El}!scheidungen versucht, Inhalt und Reichweite dieses Rechts näher zu umschreiben. Es ging ihm vielmehr stets darum, mit Hilfe der Verwertungsverbote die Grenzen zulässiger polizeilicher Ermittlungstätigkeit möglichst genau abzusteckens8 • Dieser prozessuale Ansatz trat noch deutlicher hervor, als der Supreme Court seit Ende der vierziger Jahre dazu überging, neue Erwägungen zur Begründung der Verwertungsverbote heranzuziehen. Einerseits stützte er sich auf den Grundsatz der Integrität des Strafverfahrens40 • Dieser verbiete, zum Zweck der Verurteilung eines RechtsSiehe ebd. Weeks v. U.S., 232 U.S. 383 (1914); Wolf v. Colorado, 338 U.S. 25 (1949); Mapp v. Ohio, 367 U.S. 643 (1961). 38 Wolf v. Colorado, 338 U.S., 25, 27 ff. (1949); Elkins v. U.S., 364 U.S. 206, 213 (1960); Mapp v. Ohio, 367 U.S. 643, 655 (1961). Siehe auch schon Boyd v. U.S., 116 U.S. 616, 630 (1886). Zur Bedeutung des right to privacy im amerikanischen Recht siehe Brugger, AöR 108 (1983), 25. 38 Siehe die übersicht über die zahlreichen Entscheidungen bei Israeli LaFave, Criminal Procedure - Constitutional Limitations, 3. Aufl. 1980, 38 37

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brechers auf Beweismittel zurückzugreifen, die mit Hilfe von Rechtsbrüchen der Polizei erlangt worden seien; denn nichts "can destroy a government more quickly than its failure to observe its own laws"u. Auf der anderen Seite sah der Supreme Court im Verwertungsverbot ein Mittel zur Disziplinierung der Polizei42 • Da andere Maßnahmen, etwa die Einleitung eines Strafverfahrens oder die Erhebung einer Schadensersatzklage sich als offensichtlich ungeeignet erwiesen hätten, Polizeibeamte von rechtswidrigen Ermittlungshandlungen abzuschrekken, hielt das Gericht das Verwertungsverbot für "the only effectively available way" zur Beschränkung polizeilicher Grundrechtseingriffe'3. Auf der Grundlage der Amendments zur amerikanischen Verfassung sowie mit Hilfe des Disziplinierungsgedankens, der Integritätsidee und des right to privacy entwickelte der Supreme Court während einer liberalen Phase in den sechziger Jahren unter Chief Justice WaTTen zahlreiche neue Verwertungsverbote, die er als Mittel zu einer durchgreifenden Reformierung des Strafverfahrens auf Bundesebene und in den Einzelstaaten benutzteu. Er schloß, um nur einige wichtige Entscheidungen zu nennen, Geständnisse von der Verwertung aus, die in unmittelbarem Zusammenhang mit einer nicht ordnungsgemäßen Haussuchung oder Festnahme abgelegt worden warenu. Auch ein nach Anklageerhebung abgelegtes Geständnis gegenüber einem V-Mann, der heimlich ein Tonbandaufnahmegerät bei sich hatte, hielt das Gericht für unverwertbar4e • Es schied ferner die Ergebnisse von Gegenüberstellungen als Beweismittel aus, bei denen der Beschuldigte keine Gelegenheit hatte, einen Verteidiger hinzuzuziehen47 • In der berühmten Miranda-Entscheidung entwickelte der Supreme Court umfassende Belehrungspflichten, die von der Polizei vor der Vernehmung des Beschuldigten zu erfüllen sind und die weit über die Belehrungspflichten des deutschen Rechts hinausgehen48 • 40 Elkins v. U.S., 364 U.S. 206, 222 (1960); Mapp v. Ohio, 367 U.S. 643, 659 (1961). Siehe schon Justice Brandeis in einem abweichenden Votum in Olmstead v. U.S., 277 U.S. 438, 481 (1928). 41 Mapp v. Ohio, 367 U.S. 643, 659 (1961). 42 Wolf v. Colorado, 338 U.S. 25, 31 (1949); Elkins v. U.S., 364 U.S. 206, 217 (1960); Mapp v. Ohio, 367 U.S. 643, 656 (1961). Sorgfältig abwägend hinsichtlich der Disziplinierungswirkung Terry v. Ohio, 392 U.S. 1 (1968). 43 Elkins v. U.S., 364 U.S. 206, 217 (1960). " Siehe Israel/LaFave (Anm.39), S. 1 ff., die von einer "criminal law revolution" sprechen. Einen überblick über die Entwicklung gibt Erdmann (Anm. 2), S. 78 ff. 45 Wong Sun v. U.S., 371 U.S. 471 (1963). 4G Massiah v. U.S., 377 U.S. 201 (1964). 47 U.S. v. Wade, 388 U.S. 218 (1967); Gilbert v. California, 388 U.S. 263 (1973). 48 384 U.S. 436 (1966).

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2. In der Mitte der sechziger Jahre setzte jedoch eine neue Strömung ein. Anlaß hierfür war zunächst nur eine rechtstechnische Frage, bald entwickelte sich daraus jedoch ein Grundsatzproblem. Der Supreme Court entschied 1965, daß das an unzulässige Durchsuchungen anknüpfende Verwertungsverbot in Verfahren vor einzelstaatlichen Gerichten keine Fälle erfaßt, die vor Schaffung dieses Verbots im Jahr 1961 rechtskräftig abgeschlossen waren". In Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung anerkannte der Supreme Court das right to privacy in dieser Entscheidung nicht mehr als Grundlage für ein Verwertungsverbot, da dessen Verletzung abgeschlossen sei und durch den Ausschluß von Beweismitteln nicht mehr beseitigt werden könne. Auch die Integrität der Strafjustiz lehnte das Gericht zur Begründung des Verwertungsverbots ab, da dieser nicht gedient sei, wenn in einer unübersehbaren Zahl von Verfahren über die Zulässigkeit weit zurückliegender Durchsuchungen entschieden werden müsse. Damit blieb nur der Disziplinierungsgedanke als Basis für das Verwertungsverbot bestehen. Aber auch diesen verwarf der Supreme Court im konkreten Fall, da die Polizei nicht für etwas zur Rechenschaft gezogen werden könne, was sie vor Schaffung des Verwertungsverbots getan habe. Mit denselben Erwägungen lehnte der Supreme Court die Rückwirkung von Verwertungsverboten auch in anderen Fällen ab 50 • Schon 1966 bezeichnete er die Disziplinierung der Polizei als "single and distinct purpose" der Verwertungsverbote 51 •

Diese auf eine Beschränkung der Verwertungsverbote hinauslaufende Strömung verstärkte sich, als die liberale Ära des Supreme Court mit den sechziger Jahren zu Ende ging und das Gericht unter seinem neuen Chief Justice Burger sowie den in den folgenden Jahren von Präsident Nixon neu ernannten Richtern eine konservauvere Linie verfolgte. Die neue Linie zeigt sich einerseits in mehreren Entscheidungen, die die Verwertungsverbote zwar grundsätzlich unangetastet ließen, aber deren Reichweite einschränkten. Der Supreme Court hielt z. B. das Protokoll einer ohne die erforderlichen Miranda-Belehrungen durchgeführten polizeilichen Vernehmung sowie die bei einer unzulässigen Durchsuchung gefundenen Beweismittel in der Hauptverhandlung für verwertbar, wenn sie nur herangezogen werden, um eine offensichtlich unrichtige Aussage des Angeklagten durch Vorhalte zu erschüttern52 • Der Disziplinierungsgedanke dürfe, so führte das Gericht aus, nicht so weit Linkletter v. Walker, 381 U.S. 618 (1965). Johnson v. New Jersey, 384 U.S. 719 (1966); Stovall v. Denno, 388 U.S. 293 (1967). 61 Tehan v. U.S. ex rel. Shott, 382 U.S. 406, 413 (1966). 51 Harris v. New York, 401 U.S. 222 (1971); U.S. v. Havens, 466 U.S. 620 (1980). Siehe ferner U.S. v. Calandra, 414 U.S. 338 (1974); Stone v. Powell, 428 U.S. 465 (1976). 4.

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getrieben werden, daß dem Angeklagten ein Freibrief für Lügen ausgestellt werde&3. Die neue Linie ergab sich andererseits aus der grundsätzlichen Kritik, die verschiedene Richter des Supreme Court, allen voran Chief Justice Burger, an den Verwertungsverboten äußerten. Ausgehend von empirischen Untersuchungen, die zu dem Ergebnis gekommen waren, daß sich eine disziplinierende Wirkung der Verwertungsverbote in der Praxis nicht nachweisen läß~" wandten sich die Richter in ihren Urteilsvoten mehrfach gegen die nach ihrer Ansicht zu weite Ausdehnung der Verwertungsverbote65 • Sie wiesen darauf hin, daß die Gesellschaft einen zu hohen Preis bezahle, wenn offensichtlich Schuldige der Bestrafung entgingen, weil man versuche, die Polizei mit Hilfe von Verwertungsverboten zur Ordnung zu rufen. Als Abhilfe schlugen die Richter vor, Verwertungsverbote nur dann eingreifen zu lassen, wenn sich die Polizei eine schwere Rechtsverletzung habe zuschulden kommen lassen oder wenn sie nicht in "good faith" tätig geworden seis6 • Diese Vorschläge, die auch von anderer Seite unterstützt wurden57 , sind nicht ohne Wirkung auf die Praxis geblieben. Colorado und Arizona haben Gesetze erlassen, die Beweismittel trotz rechtswidrigen Vorgehens des Polizeibeamten für verwertbar erklären, wenn diesem lediglich eine "technical violation" rechtlicher Bestimmungen unterlaufen ist oder wenn er in "good faith" gehandelt hat58 • Ein unterhalb des Supreme Court tätiges Rechtsmittelgericht der amerikanischen BundesHarris v. New York, 401 U.S. 222, 226 (1971). Oaks, Studying the Exc1usionary Rule in Search and Seizure, 37 U. Chi. L. Rev. 665 (1970); Canon, Is the Exc1usionary Rule in Failing Health? 62 Ky. L. J. 681 (1973/74); SchZesinger, Exclusionary Injustice: The Problem of 11legally Obtained Evidence, 1977. 55 Chief Justice Burger in: Bivens v. Six Unknown Named Agents, 403 U.S. 388, 411 (1971); Justice PoweZZ und Justice Rehnquist in: Brown v. Illinois, 422 U.S. 590, 606 (1975); Justice Rehnquist in: U.S. v. Peltier, 422 U.S. 531, 532 (1975); Chief Justice Burger und Justice White in: Stone v. Powell, 428 U.S. 465, 496 und 536 (1975); Chief Justice Burger in: Brewer v. Williams, 430 U.S. 387, 415 (1977); Justice White in: Illinois v. Gates, 33 Criminal Law Reporter 3109, 3118 (1983). 51 Siehe ebd. &7 The Attorney General's Task Force on Violent Crime, Final Report, 1981, S. 55; Wright, Must the Criminal Go Free if the Constable Blunders? 50 Texas L. Rev. 736 (1972); BalZ, Good Faith and the Fourth Amendment: The "Reasonable" Exception to the Exclusionary Rule, 69 J. Crim. L. & Criminology 635 (1978); WiZkey, The Exc1usionary Rule: Why Suppress Valid Evidence? 62 Judicature 214 (1978/79). - Kritisch dagegen Kamisar, Does (Did) (Should) the Exc1usionary Rule Rest on a "Principled Basis" Rather Than an "Empirical Proposition"?, 16 Creighton L. Rev. 565 (1982/83); LaFave, The Fourth Amendment in an Imperfect World: On Drawing "Bright Lines" and "Good Faith", 43 U. Pitt. L. Rev. 307 (1982), jeweils m. w. N. 58 Colorado Revised Statutes 16-3-308 (1973); Arizona Revised Statutes 58

SI

§ 13-3925 (1982).

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justiz hat sich sogar von den bindenden Präjudizien des höchsten Gerichts gelöst und im Hinblick auf nicht ordnungsgemäße Durchsuchungen die good faith-Ausnahme eingeführt59 • Im Juli 1984 ist auch der Supreme Court selbst auf die neue Linie eingeschwenkt, denn er hat eine good faith-Ausnahme für die Fälle anerkannt, in denen sich Polizeibeamte darauf verlassen hatten, daß eine richterliche Durchsuchungsanordnung ordnungsgemäß ergangen war80 • Dies ist vermutlich nur ein erster Schritt, dem weitere folgen werden. Wird der gute Glaube der Polizei bei richterlichen Durchsuchungsanordnungen berücksichtigt, dann spricht einiges dafür, ebenso zu verfahren, wenn es um andere polizeiliche Zwangsmaßnahmen und Grundrechtseingriffe geht. Damit aber steht die grundsätzliche Bedeutung der Verwertungsverbote auf dem Spiel. IV. Das unterschiedliche Rechtsschutzverständnis in den beiden Rechtsordnungen und dessen Konsequenzen 1. Der überblick hat gezeigt, daß die Verwertungsverbote im amerikanischen und deutschen Recht unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen haben. Dienen sie hier dem Schutz materiellen Rechts, so werden sie dort als Mittel zur Abwehr von Verfahrensrechtsverletzungen durch die Polizei eingesetzt. Natürlich werden durch die Verwertungsverbote auch in den Vereinigten Staaten materielle Rechte geschützt - dies ergibt sich nicht zuletzt aus den Hinweisen auf das right to privacy - aber dieser Schutz ist nicht als Grund, sondern lediglich als eine Folge der y~_r~ertungsverbote anzusehen. Umgekehrt kann im deutschen Recht die Beschränkung der polizeilichen Ermittlungstätigkeit nicht als Aufgabe, sondern nur als eine Konsequenz der Verwertungsverbote bezeichnet werden81 •

Die unterschiedliche Verankerung der Verwertungsverbote im deutschen und amerikanischen Recht kann als typischer Ausdruck des in den beiden Rechtsordnungen vorherrschenden Rechtsschutzverständnisses angesehen werden. Wird der Rechtsschutz bei uns weitgehend auf eine materiell-rechtliche Basis gestellt, so herrscht in den Vereinigten Staaten eine prozessuale Betrachtungsweise vor. Grundlage für den Rechtsfit U.8. v. Williams, 622 F. 2d 830 (5th Cir. 1980); U.8. v. Mahoney, 712 F. 2d 956 (5th Cir. 1983). 80 U.8. v. Leon, 35 Criminal Law Reporter 3273 (1984); Massachusetts v. 8heppard, ebd. 8. 3296 (1984). - Die good faith-Ausnahme ist im übrigen auch im deutschen Recht nicht ganz unbekannt. Im Medizinalassistenten-Fall, BGH8t.24, 125, 131, hat der BGH angedeutet, daß ein Verwertungsverbot in Frage kommen könne, wenn die Polizei "bewußt durch Mißachtung staatlicher Zwangsbefugnisse" gehandelt habe. 81 .Ähnlich Dencker (Anm. 3),8.55, und Rogall (Anm. 3),8.16.

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schutz ist dort die Tatsache, daß staatliches Handeln genau festgelegten Formerfordernissen folgen muß. Von diesem unterschiedlichen Rechtsschutzverständnis wird das gesamte Recht der Verwertungsverbote in den beiden Ländern durchdrungen. Wie sich das auswirkt, soll anhand einiger Fragenkreise gezeigt werden.

2. Das unterschiedliche Rechtsschutzverständnis führt dazu, daß die Fälle, in denen ein Verwertungsverbot eingreift, im deutschen und amerikanischen Recht keineswegs identisch sind. Das hat schon der überblick über die in den beiden Rechtsordnungen anerkannten Verwertungsverbote gezeigt. Es tritt in den folgenden Fallgruppen noch deutlicher hervor. a) Die erste Fallgruppe betrifft Geständnisse. Amerikanische Gerichte haben Geständnisse, die die Polizei dem Beschuldigten mit Hilfe von vorsätzlicher Täuschung und Lügen entlockt hat, allgemein für verwertbar erklärt. Beispiele hierfür sind Geständnisse, die der Beschuldigte abgelegt hat, nachdem die ,Polizei der Wahrheit zuwider behauptet hatte, daß seine Fingerabdrücke am Tatort gefunden worden seien oder daß das Opfer den Mordanschlag überlebt habe und den Täter identifizieren könne8!. Unverwertbar sind dagegen Geständnisse, wenn der Beschuldigte nicht belehrt wurde, wie es in der Miranda-Entscheidung vorgesehen ist. Sind diese Belehrungen jedoch erteilt worden, dann hat die Polizei sozusagen freie Hand, mit Täuschung und Lüge auf ein Geständnis hinzuwirken. Aus deutscher Sicht erscheint die amerikanische Lösung widersprüchlich. Wenn die Miranda-Belehrungen zum Schutz des Beschuldigten notwendig sind, dann sollte man meinen, daß vorsätzliche Täuschungen erst recht unzulässig sein müssen. Das amerikanische Rechtsschutzgebäude ist jedoch anders aufgebaut. Die Belehrungspflichten werden lediglich als Schranke für die Tätigkeit der Polizei angesehen. Wegen dieser prozessualen Betrachtungsweise kommt es nicht dazu, daß eine Brücke zur Täuschungsproblematik geschlagen wird. Eine ganz andere Frage ist es, warum amerikanische Gerichte nicht auch für die Täuschungsfälle ein Verwertungsverbot geschaffen haben. Die Antwort kann sich hier nur auf Vermutungen stützen63 • Man kann I: Oregon v. Mathiason, 429 U.S. 492 (1977); People v. Groleau, 358 N. E. 2d 1192 (1976). Weitere Fälle bei White, Police Trickery in Inducing Confessions, 127 U. Pa. L. Rev. 581 (1979). Ratschläge für Täuschung und auch Lüge geben Inbau/Reid (Anm.4), S. 24 fi. 83 Kritisch gegenüber der amerikanischen Praxis White (Anm.62), S. 628 f.i Kamisar (Anm. 4), S. 87 und 96.

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etwa darauf hinweisen, daß der Beschuldigte in dem von liberalen und individualistischen Ideen geprägten amerikanischen Strafprozeß eine freiere und selbständigere, zugleich aber weniger stark geschützte Stellung einnimmt als im deutschen84 • b) In der zweiten Fallgruppe geht es um Beweismittel, die Privatpersonen auf rechtswidrige Weise erlangt haben. Nach amerikanischem Recht sind diese Beweismittel grundsätzlich verwertbar, da die Verwertungsverbote, wie der Supreme Court schon im Jahr 1921 ausgeführt hat, nicht als "a limitation upon other than governmental agencies" anzusehen sind85 • Deshalb wurden z. B. Beweismittel, die Privatpersonen bei rechtswidrigen Durchsuchungen gefunden hatten, und belastende Angaben, die Ladendiebe ohne vorausgegangene Miranda-Belehrungen gegenüber Hausdetektiven gemacht hatten, von amerikanischen Gerichten für verwertbar gehaltenes. Ganz auf der Linie des prozessualen Rechtsschutzverständnisses liegt es auch, wenn Privatpersonen, die im Auftrag oder in Zusammenarbeit mit der Polizei tätig werden, denselben Beschränkungen unterworfen werden wie diese 87• Im Zivilprozeß folgen die amerikanischen Gerichte denselben Grundsätzen. In Scheidungsverfahren wurden sogar Beweismittel zugelassen, die sich der verlassene Ehepartner beim anderen Ehepartner mit rigorosen Methoden, z. B. durch nächtlichen Einbruch in dessen neue Wohnung und Fotografieren der Räumlichkeiten, beschafft hatte, um einen Ehebruch nachzuweisen68 • Das right to privacy wurde von den Gerichten in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt6t • Deutsche Gerichte haben dagegen, nach deutschem Rechtsschutzvetständnis konsequent, Verwertungsverbote zur Verteidigung von Persänlichkeitsrecht und Privatsphäre auch gegenüber Angriffen von Siehe Herrmann, Rev. Int. Dr. Pen 1982, 841, 846 ff. Burdeau v. McDowell, 256 U.S. 465, 475 (1921). 66 Barnes v. U.S., 373 F. 2d 517 (5th Cir. 1967); U.S. V. Miller, 32 Criminal Law Reporter 2067 (9th Cir. 1982); City of Grand Rapids V. Impens, 32 Criminal Law Reporter 2308 (Mich. 1982). Weitere Fälle bei Israel/LaFave (Anm. 39), S. 243, und McCormick's Handbook on the Law of Evidence, 2. Auf!. hrsg. V. Cleary, 1972, S. 371 ff. 87 U.S. V. Henry, 447 U.S. 264 (1980); Stapleton V. Superior Court, 447 P. 2d 967 (1968). 68 Sackler V. Sackler, 203 N. E. 2d 481 (N. Y. 1964); DeI Presto v. DeI Presto, 235 A.2d 240 (N. J. 1967). Weitere Fälle bei Baade, Illegally Obtained Evidence in Criminal and Civil Cases: A Comparative Study of a Classic Mismatch 11, 52 Texas L. Rev. 621, 686 ff. (1974). 8D Um die Privatsphäre besser gegen die modernen Methoden des Abhörens von Telefongesprächen zu schützen, sind in den Vereinigten Staaten Gesetze ergangen, die insoweit auch die von Privatpersonen beschafften Beweismittel von der Verwertung ausschließen. Siehe Israel/LaFave (Anm.39), S. 187 ff.; Baade (Anm. 68), S. 653 ff. U

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Privatpersonen eingesetzt. In den Tonbandfällen und im Tagebuchfall ging es bekanntlich jeweils um Beweismittel, die Privatpersonen beschafft hatten. Der Ausschluß des Beweismittels wurde z. T. zwar damit begründet, daß dessen Verwertung innerhalb des Strafverfahrens die Rechte des Beschuldigten erneut verletzen würde70 , diese Akzentverschiebung ändert jedoch nichts daran, daß das Verwertungsverbot hier auch die von privater Seite beschafften Beweismittel erfaßt. In anderen Fällen haben die deutschen Strafgerichte, soweit ersichtlich, bislang keine durch Privatpersonen erlangten Beweismittel für unverwertbar erklärt. Das OLG Oldenburg hat es in einer frühen Entscheidung aus dem Jahr 1952 abgelehnt, die nach massiven Bedrohungen durch Privatpersonen zustandegekommene Aussage eines sechseinhalbjährigen Zeugen von der Verwertung auszuschließen71 • Einen Verstoß gegen §§ 136 a, 69 Abs. 3 StPO schied das Gericht, der herrschenden Meinung folgend, aus, da diese Bestimmungen sich nur an die Rechtspflegeorgane wenden. Ob die Zeugenaussage aus einem anderen Grund unverwertbar war, hat das Gericht nicht geprüft. Das mag damals nicht nahegelegen haben, erscheint aber aus heutiger Sicht wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts kaum noch gerechtfertigt. Das Vorgehen des OLG Oldenburg führt zu einer Beschränkung der Verwertungsverbote, die gewisse Ähnlichkeiten mit der amerikanischen Betrachtungsweise aufweist. Das deutsche Schrifttum steht jedoch im Einklang mit dem herrschenden Rechtsschutzverständnis, wenn es fordert, bei extremen Menschenrechtsverletzungen durch Privatpersonen ein Verwertungsverbot eingreifen zu lassen7!. Die deutschen Zivil- und Arbeitsgerichte folgen der im Strafverfahren vorgezeichneten Linie. Sie haben in mehreren Entscheidungen den Inhalt heimlich aufgenommener oder mitgehörter Telefongespräche für unverwertbar erklärt, wenn der Gesprächsteilnehmer von der Vertraulichkeit der Unterredung ausgehen konnte 73 • In einem an amerikanische Verhältnisse erinnernden Fall, in dem ein vom Ehemann zur Vorbereitung der Scheidungsklage heimlich in die Ehewohnung eingeschleuster Spitzel die Ehefrau durch zwei in eine Wand gebohrte Löcher beobachtet hatte, hat der BGH ebenfalls unter Hinweis auf den Grundrechtsschutz ein Verwertungsverbot bejaht74 • BGHSt. 14, 358, 363. NJW 1953, 1237. 72 Kleinknecht, NJW 1966, 1537, 1543; Pelchen in Karlsruher Kommental, 1982, vor § 48 Rdn. 52 m. w. N. 71 BGH NJW 1982, 277 und 1397; BAG NJW 1983, 1691. Siehe ferner Baumgärtel, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, in: Festschrift für Klug, 1983, S. 477 m. w. N. 74 NJW 1970, 1848. 70 71

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3. Verwertungsverbote werden VOn amerikanischen Gerichten im allgemeinen nur anerkannt, wenn durch die polizeilichen Ermittlungshandlungen Rechte und Interessen des Beschuldigten selbst verletzt worden sind. Eingriffe in Rechte und Interessen Dritter genügen gewöhnlich nicht für die Begründung eines Verwertungsverbots75 • Dieses Abstellen auf die Sphäre des Beschuldigten, das in der Praxis zu einer ganz erheblichen Einschränkung der Verwertungsverbote führt 76 , scheint für deren materiell-rechtliche Fundierung, gewissermaßen für eine amerikanische Parallele zur deutschen Rechtskreistheorie, zu sprechen. Das prozessuale Rechtsschutzverständnis tritt jedoch hervor, sobald man nach dem Grund für die Beschränkung der Verwertungsverbote fragt. Der Supreme Court hat nämlich ausgeführt, daß es für die Disziplinierung der Polizei genüge, wenn die vom Beschuldigten selbst erlittenen Rechtsverletzungen durch den Ausschluß der dabei erlangten Beweismittel sanktioniert werden. Eine Ausdehnung der Verwertungsverbote auf weitere Fälle würde die Strafverfolgung zu stark behindern. Dritte könnten sich abgesehen davon selbst gegen unzulässige Eingriffe in ihre Rechte verteidigen77 • Die für das amerikanische Recht typische prozessuale Betrachtungsweise zeigt sich im übrigen nicht nur im Rechtsschutzverständnis, sondern auch in der prozeßrechtlichen Ausgestaltung der Verwertungsverbote. Diese werden VOn den Gerichten nicht wie bei uns VOn Amts wegen, sondern nur auf Antrag berücksichtigt78 • Die Rechtsverletzung, die der Beschuldigte erlitten hat, wird schon im Rahmen seiner prozessualen Antragsberechtigung geprüft. Der Beschuldigte muß "standing" _~a_~en, d. h. ein Rechtsschutzinteresse geltend machen können, wenn er sich auf ein Verwertungsverbot berufen will79 • Im Hinblick darauf kann man sagen, daß die amerikanischen Gerichte einer prozessualen Rechtskreistheorie folgen. 75 Jones v. U.S., 362 U.S. 257, 261 (1960); Aldermann v. U.S., 394 U.S. 165, 171 ff. (1969). Siehe ferner Kuhns, The Concept of Personal Aggrievement in Fourth Amendment Standing Cases, 65 lewa L. Rev. 493 (1980); McCormick (Anm. 66), S. 418 ff. 78 Beispiele hierfür sind die Entscheidungen Rakas v. Illinois, 439 U.S. 128 (1978); U.S. v. Salvucci, 448 U.S. 83 (1980); Rawlings v. Kentucky, 448 U.S. 98 (1980). 77 Alderman v. U.S., 394 U.S. 165, 174 f. (1969); U.S. v. Payner, 447 U.S. 727, 734 (1980). - Auf derselben Argumentationsebene bewegt sich die Entscheidung People v. Martin, 290 P.2d 855, 857 (1955), die abweichend vom Supreme Court Eingriffe in die Rechte Dritter für den Ausschluß von Beweismitteln genügen läßt, da Polizeibeamte sonst zur Umgehung der durch die Verwertungsverbote aufgerichteten Schranken veranIaßt würden. 78 Der Antrag muß zur Entlastung der Hauptverhandlung im allgemeinen schon während des Vorverfahrens gestellt werden. Siehe z. B. Federal Rules of Criminal Procedure, Rule 12 Abs. (b) und (f). 79 Siehe Israel/LaFave (Anm. 39), S. 310 ff.

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Für das deutsche Recht reicht dagegen wegen der materiell-rechtlichen Betrachtungsweise die Rechtsverletzung selbst zur Begründung des Verwertungsverbots aus. In aller Regel werden auch bei uns Beweismittel nur dann ausgeschlossen, wenn ein Recht des Beschuldigten beeinträchtigt wurde. Aus §§ 136 a, 69 Abs. 3 StPO ergibt sich jedoch, daß auch die Verletzung von Rechten Dritter Anlaß für ein Verwertungsverbot sein kann. Das ist nur folgerichtig, wenn der Schutz materieller Rechte als Aufgabe der Verwertungsverbote angesehen wird. 4. Das unterschiedliche Rechtsschutzverständnis wird schließlich auch bestätigt, wenn man nach der Fernwirkung der Verwertungsverbote fragt. Amerikanische Gerichte haben in zahlreichen Entscheidungen Verwertungsverbote, die sich aus unzulässigen Festnahmen, Durchsuchungen, Abhörmaßnahmen, Gegenüberstellungen und Vernehmungen ergeben, auf die "fruits of the poisonous tree" erstreckt80 • Die Fernwirkung wird - aus amerikanischer Sicht konsequent - als Mittel zur Disziplinierung der Polizei angesehen, denn eine Beschränkung der Verwertungsverbote auf unmittelbar erlangte Beweismittel würde die Polizei zu Umgehungshandlungen einladen, die "inconsistent with ethical standards and destructive of personalliberty" wären81 • Eine Fernwirkung wurde von den amerikanischen Gerichten jedoch im allgemeinen ausgeschlossen, wenn die Polizei auf unzulässige Weise gewonnene "Früchte" später bei ordnungsgemäßem Vorgehen erneut erlangt hatte, wenn sie diese im Rahmen der üblichen Ermittlungen mit Sicherheit auf rechtmäßige Weise hätte beschaffen können oder wenn die "Früchte" so lose mit der rechtswidrigen ErmittIungshandlung verknüpft waren, daß deren Makel nicht auf sie abfärbte 82 • Die Gerichte haben den Ausschluß der Fernwirkung in diesen drei Fallgruppen wiederum auf prozessuale Erwägungen gestützt. Sie haben hervorgehoben, daß es einer Disziplinierung der Polizei nicht bedürfe, weil diese keinen oder keinen nennenswerten Vorteil aus dem Rechtsbruch gezogen habe, daß die durch eine unbegrenzte Fernwirkung entstehenden Einbußen für die Strafverfolgung zu groß wären und daß die Integrität der Gerichte durch die Benutzung der mit dem rechtswidrigen Akt nur entfernt zusammenhängenden Beweismittel nicht beeinträchtigt werde 83• 80 Der Ausdruck rührt von der Entscheidung Nardone v. U.S., 308 U.S. 338, 341 (1939) her. Einen Überblick über die Rechtsprechung geben Israeli LaFave (Anm.39), S. 284 ff., und McCormick (Anm.66), S. 344 ff. und 411 ff. 81 Nardone v. U.S., 308 U.S. 338, 340 (1939). 82 Siehe Israel!LaFave (Anm.39), S. 286 ff.; McCormick (Anm.66), S. 413 ff. - Die Beschränkung des Verwertungsverbots auf "Früchte", die bei rechtmäßigem Vorgehen nicht hätten beschafft werden können, erinnert an einen ähnlichen Vorschlag von GTÜnwald, JZ 1966, 489, 495 f., der sich allerdings auf die unmittelbar erlangten Beweismittel bezieht.

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Im deutschen Recht ist die Frage der Fernwirkung umstritten. Von der Lehre wird sie weitgehend abgelehnt 84 , die Rechtsprechung hat sich lange Zeit kaum damit befaßt85 • Erst seit Ende der siebziger Jahre haben das OLG Köln und der BGH im Zusammenhang mit der Überwachung des Fernmeldeverkehrs Fernwirkungen von Verwertungsverboten anerkannt 86 • Die Begründung, die der BGH im Fall Traube für die Fernwirkung gegeben hat, liegt ganz auf der Linie des deutschen Rechtsschutzverständnisses, denn das Gericht stellte darauf ab, daß es für den Grundrechtsschutz des von einer Telefonüberwachung Betroffenen keinen wesentlichen Unterschied mache, ob er aufgrund der unmittelbar oder nur der mittelbar erlangten Beweismittel verfolgt werde87 • Der BGH hat auch schon erste Schritte zur Einschränkung der Fernwirkung unternommen. Im Hinblick auf § 100 a StPO hat er festgestellt, daß sich das Verwertungsverbot nicht auf solche "Früchte" erstrecke, die "nicht unmittelbar" aufgrund der unverwertbaren Telefongespräche erlangt worden seien oder die die Polizei im Laufe der weiteren Ermittlungen wahrscheinlich ohnehin gefunden hätte68 • Damit hat der BGH interessanterweise ähnliche Kriterien zu entwickeln begonnen, wie sie von den amerikanischen Gerichten zur Beschränkung der Fernwirkung verwendet werden. Sieht man jedoch von diesen Anfängen ab, so harrt das Problem der Fernwirkung und ihrer Begrenzung im deutschen Recht noch der Klärung.

V. Schlußbemerkung ___ !Jie im deutschen und amerikanischen Recht festgestellte unterschiedliche Ausrichtung des Rechtsschutzes ist nicht auf die Verwertungsverbote beschränkt. Sie kann vielmehr als Ausdruck des allgemeinen Rechtsverständnisses in den beiden Ländern angesehen werden. Im Common Law wird dem Schutz des Bürgers durch die Gerichte und durch ein bestimmten Mindestanforderungen genügendes Verfahren seit langem entscheidende Bedeutung beigemessen. Schon die Magna Charta von 1215 sicherte in ihrer wichtigsten Bestimmung einen 83 Harrison v. U.S., 392 U.S. 219, 224 (1968); U.S. v. Ceccolini, 435 U.S. 268, 279 f. (1978); Justice Powell in einem Sondervotum zu Brown v. Illinois, 422 U.S. 590, 609 (1975); People v. Fitzpatrick, 300 N. E. 2 d 139, 142 (N. Y. 1973). 84 Siehe Rogall (Anm.3), S. 38 ff. m. w. N. Für eine Fernwirkung jedoch Roxin (Anm. 19), S. 136 m. w. N. 85 Als Ausnahme siehe OLG Stuttgart, NJW 1973, 1941. 86 OLG Köln, NJW 1979, 1216; BGHSt. 29, 244; 32, 68. 87 BGHSt. 29, 244, 251. 88 BGHSt.32, 68, 71. Ähnlich schon OLG Köln, NJW 1979, 1216, 1217, das aber allein von der Kausalität ausgegangen ist.

Aufgaben und Grenzen der Beweisverwertungsverbote

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Anspruch auf ein ordnungsgemäßes Verfahren89, der noch heute in den Vereinigten Staaten in der due process-Klausel der Verfassung fortbesteht90 • Die englische Bill of Rights von 1688 und die 1791 in Kraft getretenen Amendments zur amerikanischen Verfassung enthalten aus deutscher Sicht auffallend viele verfahrensrechtliche Bestimmungen. Unmittelbarer Anlaß hierfür waren Mißbräuche, die die englische Krone sich im Mutterland und in den Kolonien hatte zuschulden kommen lassen. In der prozessualen Ausgestaltung des Rechtsschutzes kommt jedoch die für das Common Law typische Auffassung zum Ausdruck, daß die Freiheit des Bürgers durch die Justiz und durch ein ordnungsgemäßes Verfahren garantiert wirdDl • In den Vereinigten Staaten üben die Gerichte heute eine umfassende Kontrolle über die Exekutive und die Legislative ausD2 • Die überwachung der Polizei mit Hilfe von Verwertungsverboten, so kann man sagen, stellt deshalb nichts anderes als eine besondere Ausformung des richterlichen Prüfungsrechts darD3 • Im deutschen Recht wird dagegen der Schutz des Bürgers in erster Linie auf das materielle Recht gestützt. Das entspricht, wie hier nicht weiter ausgeführt werden kann, überliefertem kontinental-europäischem Rechtsdenken, es trat im Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts hervor und es zeigt sich nicht zuletzt in der Ausgestaltung der Grundrechte des Grundgesetzes. Die materiell-rechtliche Betrachtungsweise hat sogar dazu geführt, daß das Bundesverfassungsgericht aus materiellen Grundrechten einen Anspruch auf effektiven prozessualen Rechtsschutz abgeleitet hatD4 • Auf der Basis materieller Grundrechte wurden zahlreiche verfahrensrechtliche Sicherungen entwickelt. In den Vereinigten Staaten ist die Entwicklung interessanterweise in umgekehrter Richtung verlaufen. Der Supreme Court hat die due process-Klausel, die, wie gesagt, zur prozessualen Sicherung des Bürgers 89 HoZdsworth, A History of English Law, Bd.2, 1971, S. 211 ff.; Loewenstein, Staatsrecht und Staatspraxis von Großbritannien, Bd. 1,1967, S. 5 f. 90 Berger, Government by Judiciary, 1977, S. 195 ff.; FraenkeZ, Das Ameri-

kanische Regierungssystem, 1962, S. 173. Dl Ganz in diesem SiIme hat Justice Frankfurter im Fall McNabb v. U.S., 318 U.S. 332, 347 (1943), festgestellt: "The history of liberty has largely been the history of observance of procedural safeguards." 92 Siehe Choper, Judicial Review and the National Political Process, 1980; Berger (Anm.90); Loewenstein, Verfassungsrecht und Verfassungspraxis der Vereinigten Staaten, 1959, S. 418 ff. 93 SchrocklWeZsh, Up from Calandra: The Exclusionary Rule as a Constitutional Requirement, 59 Minn. L. Rev. 251, 325 (1974); Kamisar (Anm.57), S. 590 ff. 9'\ Siehe z. B. BVerfGE 53, 30 m. w. N. Siehe ferner Bethge, NJW 1982, 1 sowie die übersicht über die Entscheidungen des BVerfG bei Schumann, Bundesverfassungsgericht, Grundgesetz und Zivilprozeß, 1983, S. 116 ff.

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J oachim Herrmann

geschaffen worden war, seit Beginn dieses Jahrhunderts so interpretiert, daß sie auch "substantive due process" erfaßt. Damit hat das Gericht die due process-Klausel zu einem materiellen Beurteilungsmaßstab gemacht, mit Hilfe dessen es Gesetze inhaltlich überprüfen kannvs. In diesen entgegengesetzten Marschrichtungen des Bundesverfassungsgerichts und des Supreme Court spiegelt sich erneut das im Zusammenhang mit den Verwertungsverboten festgestellte unterschiedliche Rechtsschutzverständnis des deutschen und amerikanischen Rechts.

86

Siehe Berger (Anm. 90), S. 249 ff.; Loewenstein (Anm. 92), S. 512 ff.

JüRGEN MEYER

Zur V-Mann-Problematik aus rechtsvergleichender Sicht I.

In seinem rechtsv,ergleichenden Generalgutachten für den 46. Deutschen Juristentag über "Beweisverbote im Strafprozeß" hat sich Jescheck mit einigen bereits damals hochaktuellen und umstrittenen Fragen der Verwertung des Wissens von V-Leuten im Strafverfahren befaßt1• Die Ausführungen bezogen sich vor allem auf die Rechtslage in FTankTeich und den USA2 und mündeten in die den Referenten des Juristentages vorgelegte Frage, "ob bei allen wichtigeren Strafsachen die Alternative der Preisgabe des V-Mannes oder der Nichtverwertung der Aussage des Polizeibeamten angenommen werden solls." Aufgrund des Generalgutachtens von J escheck und eines Gutachtens von PeteTs' sowie des Referats von Klug S kam der Juristentag zu seiner bekannten Empfehlung, die Ergebnisse der Ermittlungen eines V-Mannes sollten nur durch dessen eigene, mündliche Zeugenaussage vor dem erkennenden Gericht in das Hauptverfahren eingeführt werden könnens. Inwieweit die rechtsvergleichenden Hinweise von Jescheck das Abstimmungsergebnis beeinflußt haben, läßt sich nachträglich schwer beurteilen, weil über die betreffende Empfehlung ohne vorherige Diskussion abgestimmt worden ist7. Es ist gleichwohl auch aus deutscher Sicht von großem Reiz, einmal 1 Jescheck, Rechtsvergleichendes Generalgutachten für den 46. Deutschen Juristentag, in: Verhandlungen des 46. Deutschen Juristentages, Essen 1966, Band 1, Teil 3 B, S. 1 ff., 44 f. (zit.: Jescheck, Gutachten). ! Für die USA konnte sich Jescheck auf das von MuelZer vorgelegte Gutachten über "Beweisverbote im amerikanischen Strafprozeß" stützen, vgl. (Anm. 1), Teil 3 A, S. 33 ff. 3 Jescheck, Gutachten, S.45; vgl. auch S.54, Frage 9 (mit der ergänzenden Frage, ob im Falle der Weigerung, die Gewährsleute preiszugeben, eine Prozeßstrafe oder Verzicht auf die Aussage des Ermittlungsbeamten zu empfehlen ist). 4 Peters, Bewelsverbote im deutschen Strafverfahren (Anm. 1), Teil 3 A, S. 91 ff., 108 f., 138 f. 5 Klug, Verhandlungen des 46. Deutschen Juristentages, Essen 1966, Band 2 (Sitzungsberichte), Teil F, S. 30 ff., 57. f. 8 Vgl. (Anm. 5), S. 182 f. 7 Vgl. (Anm.5), S. 183; die Entscheidung, überhaupt abzustimmen, obwohl keine Diskussion stattgefunden hatte, fiel mit der knappen Mehrheit von 32

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der Frage nachzugehen, wie die Entwicklung im Ausland in den nahezu 20 Jahren seit dem 46. Deutschen Juristentag weitergegangen ist. Möglicherweise lassen sich so Lösungsideen oder -modelle für ähnliche oder identische Probleme des deutschen Strafverfahrens finden. Ein Bedarf in dieser Hinsicht besteht auch nach dem bekannten Beschluß des Großen Senats für Strafsachen beim BGH vom 17.10.19838 • Denn es kann nicht zweifelhaft sein, daß die Neuorientierung der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch keinen Abschluß gefunden und sich bisher nur einem kleinen Ausschnitt der komplexen V-Mann-Materie zugewandt hat9 • Dadurch, daß die folgende Untersuchung neben den USA und Frankreich auch auf England, Italien, Österreich und die Schweiz erstreckt wird, soll nicht zuletzt auch die internationale Bedeutung der V-MannProblematik deutlich werden10 • Es gibt wohl keine nationale Strafrechtsordnung, die auf den mehr oder weniger großen Einsatz von V-Leuten bei strafrechtlichen Ermittlungen verzichtet. Im Folgenden wird von einem weiten V-Mann-Begriff ausgegangen, der alle Zeugen umfaßt, die mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten und denen für ihre Informationen ausdrücklich oder stillschweigend Vertraulichkeit zugesichert istl l • Das V steht also für Vertraulichkeit aufgrund der Vertraulichkeitszusage der Ermittlungsbehörde. V-Mann kann sowohl ein privater Informant oder Vigilant als auch ein verdeckt eingesetzter Polizeibeamter (Untergrundfahnder der Polizei, "und er cover agent") sein.

11. Im Unterschied zu der auf die Beweisverbotsproblematik zugeschnitFragestellung des 46. Deutschen Juristentages soll die folgende Untersuchung stärker ausgefächert werden und entsprechend den Schwerpunkten der aktuellen deutschen Diskussion die folgenden Fragen behandeln: t~!!en

1. Gibt es (spezielle) gesetzliche Regelungen für den verdeckten Einsatz von Polizeibeamten (Untergrundfahndern)?

2. Wie wird das Wissen von V-Leuten im Strafverfahren verwertet? 3. Wie wird die agent provocateur-Problematik gelöst? gegen 30 Stimmen; die Empfehlung selbst wurde anschließend mit einer Mehrheit von 50 Stimmen bei 10 Gegenstimmen und 15 Enthaltungen verabschiedet. 8 Vgl. BGHSt. 32, 115 = NJW 1984,247 ff. t Dazu näher unten III. 10 Für wertvolle Hinweise danke ich auch an dieser Stelle den zuständigen Länderreferenten des Freiburger Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht: Frau Bosch (Italien), Herrn Dr. Dearing (Österreich), Herrn Heine (Schweiz), Frau Dr. Huber (England), Frau Spaniol (Frankreich) und Herrn Dr. Weigend (USA). 11 Vgl. näher zum V-Mann-Begriff J. Meyer, ZStW 95 (1983), S. 835 f. m. w.N.

Zur V-Mann-Problematik aus rechtsvergleichender Sicht

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In einem Schluß abschnitt (lU.) wird aus rechtsvergleichender Sicht der aktuelle Stand der deutschen V -Mann-Diskussion und -Judikatur nach der erwähnten Entscheidung des Großen Senats analysiert. 1. Die Frage einer gesetzlichen Regelung für den verdeckten Einsatz von Polizeibeamten hat in der deutschen Diskussion nicht zuletzt dadurch besondere Aktualität erlangt, daß die Verweisung auf § 34 StGB als "Generalermächtigung" für V-Leute wachsenden Bedenken ausgesetzt ist12 • Ein von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe des Justiz- und des Innenministeriums des Landes Baden-Württemberg erstelltes Arbeitspapier, das Ende 1981 einem Ausschuß des Arbeitskreises II (Öffentliche Sicherheit und Ordnung) der Innenministerkonferenz zugeleitet wurde, enthält einen umfangreichen Katalog für erforderlich gehaltener spezialgesetzlicher Regelungen und Ermächtigungen für Untergrundfahnder13 • Diese sollen sich u. a. auf das technische Belauschen von Gesprächen und das Fotografieren von Personen, auf das Betreten und Durchsuchen von Wohnungen und die überwachung des Fernmeldeverkehrs im präventiven Bereichl 4, auf Ausnahmen von der bislang bestehenden Verpflichtung zur mindestens nachträglichen Unterrichtung des Betroffenen15 und auf Einschränkungen des Legalitätsprinzips für den verdeckt ermittelnden Polizeibeamten16 erstrecken, der vielfach Zeuge kleiner und mittlerer Straftaten wie Drogenkonsum, Trunkenheit im Verkehr u. ä. wird und durch die Einleitung von' Ermittlungen möglicherweise frühzeitig enttarnt und persönlich gefährdet würde.

Aus rechtsvergleichender Sicht kann sich das Problem einer Einschränkung des Legalitätsprinzips von vornherein nicht in denjenigen Ländern stellen, in denen das Opportunitätsprinzip gilt. Zu nennen sind hier von den untersuchten Ländern England, FrankTeich, die USA und - allerdings nur in einzelnen Kantonen - die Schweiz 17 • Aber auch in ÖsteTTeich wird das an sich geltende Legalitätsprinzip durch eine Vielzahl von Ausnahmen durchbrachen, so daß der Unterschied zur Geltung des Opportunitätsprinzips in der Praxis gering zu sein scheint 18 • Auf 12

13

Vgl. Seelmann, ZStW 95 (1983), S. 809 ff.; J. MeyeT, ZStW 95 (1983), S.859. Vgl. die "Dokumentation" in CILIP (civil liberties and police) 1982, S.

360 ff. 14 Vgl. "Dokumentation" (Anm. 13), These 5, S. 67 f. 15 Vgl. "Dokumentation" (Anm. 13), These 6, S. 68 f. 18 Vgl. "Dokumentation" (Anm. 13), These 8, S. 70 ff. 17 Vgl. näher dazu Leibinger, in: Jescheck/LeibingeT, Funktion und Tätigkeit der Anklagebehörde im ausländischen Recht, Rechtsvergleichende Untersuchungen zur gesamten Strafrechtswissenschaft, hrsg. vom Max-PlanckInstitut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg 1. Br:, 3. Folge, Band 6, 1979, S. 699 f. m. w. N. (zur Schweiz vgl. auch DriendZ!Marly, a. a. 0" S. 385 ff.). 83 Festschrift für H.-H. Jescheck

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der anderen Seite sind aus Italien, wo die strenge. Geltung des Legalitätsgrundsatzes sogar in der Verfassung (Art. 112) verankert ist, keinerlei Bestrebungen bekannt, der Staatsanwaltschaft für ihre Entscheidung, wann ein Verfahren einzuleiten ist, einen Ermessensspielraum zu geben. In keinem der untersuchten Länder gibt es spezielle gesetzliche Regeln für den verdeckten Einsatz von Polizeibeamten. Allerdings ist die allgemeingesetzliche Ausgangslage in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. Auf der einen Seite sind die USA und Frankreich zu nennen, wo gesetzliche Regelungen für den Einsatz technischer überwachungsmittel weitgehend fehlen, so daß auch der Bedarf an speziellen Regelungen für Untergrundfahnder von vornherein gering ist. Auf der anderen Seite muß in Italien, Österreich und der Schweiz eine ganze Reihe gesetzlicher Voraussetzungen erfüllt sein, um technische überwachungsmittel legal einsetzen zu können. Hingegen scheint in England eine Entwicklung in Richtung auf eine Verstärkung des Schutzes der Privatsphäre gegen technische überwachung stattzufinden. In den USA gibt es weder auf der Ebene des Bundes noch auf der Ebene der 50 Einzelstaaten spezielle gesetzliche Regelungen über die Voraussetzungen, unter denen eine Untergrundfahndung zulässig ist. Allerdings gibt es für den Bund seit 1970 ein "Federal Witness Protection Program", das insbesondere sichere Unterkünfte für V-Leute und eventuell ebenfalls gefährdete Angehörige vorsieht. Daß dieses Programm nicht immer eine reine Wohltat für potentielle Zeugen sein muß, zeigt ein vom zuständigen U.S. District Court of Appeals entschie~~!!~r Fall1D : Dort hatte die Polizei einen Restaurantbesitzer, bei dem anläßlich einer überprüfung seines Betriebes eine geringe Menge Kokain gefunden worden war, unter Hinweis auf das erwähnte Programm und unter Androhung von Strafverfolgung wegen des Kokains zur Kooperation als V-Mann zu drängen versucht20 • Abgesehen von der Telefonüberwachung, die eines gerichtlichen Beschlusses bedarP1, gibt es in den USA keine gesetzliche Regelung für 18 Vgl. Driendl (Anm. 17), S. 248 - 316; Moos, Zur Reform des Strafprozeßrechts und des Sanktionenrechts für Bagatelldelikte, 1981, S. 196 ff. 18 Vgl. U.S. v. Ross, CA 2,10/13/83. 20 Das nach der Weigerung des Restaurantbesitzers gegen ihn eingeleitete Strafverfahren wurde von der Mehrheit des Gerichts gleichwohl für zulässig erklärt, vgl. U.S. v. Ross (Anm. 19). 21 Vgl. Titel III des Omnibus Crime Control and Safe Streets Act 1968, erläutert bei Carr, The Law of Electronic Surveyance, 1977, S. 64 ff. (unter den als Bezugspunkt für den gesetzlichen Schutz maßgeblichen Begriff "Wire Communication" sollen aber nicht fallen Gespräche zwischen zwei Autotelefonen oder zwischen zwei Telefonapparaten in derselben Wohnung oder in einem Warenhaus).

Zur V-Mann-Problematik aus rechtsvergleichender Sicht

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den Einsatz technischer überwachungsmittel wie Videogeräte, Richtmikrophone, Wanzen u. ä. Die Möglichkeit, im Einzelfall gerichtlichen Schutz zu erwirken, hängt vor allem davon ab, ob die Anbringung oder der Einsatz des überwachungsgerätes als Durchsuchung (Search) i. S. des Fourth Amendment der Bundesverfassung anzusehen ist!2. Eine neuere Entscheidung des U.S. Supreme Court aus dem Jahre 198323 , bei der es um die Anbringung eines Signalgebers (Peeper) in einem Behälter mit Chloroform zwecks überwachung des Transports über öffentliche Straßen und Feststellung des Bestimmungsortes ging, scheint die Tendenz zu einer großzügigen Zulassung technischer überwachungsmethoden auch ohne Gerichtsbeschluß zu belegen. Das Gericht stellt u. a. fest, daß eine Person, die sich mit einem Kraftfahrzeug auf öffentlichen Straßen bewegt, vernünftigerweise keinen Schutz der privaten Sphäre hinsichtlich der gewählten Fahrtroute erwarten könne und daß auch nach dem Verlassen der Straße der Transport von Chemikalien, die für die Herstellung verbotener Drogen verwandt würden, überwacht werden könne. Auch in Frankreich gibt es keine spezialgesetzlichen Regelungen für verdeckte Ermittlungen durch Polizeibeamte oder für den Einsatz technischer Überwachungsmittel. Ausgehend von der Feststellung, daß im polizeilichen Ermittlungsverfahren und der Voruntersuchung das Inquisitionsprinzip und im Hauptverfahren der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung gelten, wird der den Richtern auferlegten Loyalitätspflicht (obligation de loyaute) besondere Bedeutung beigemessen. Danach sind die Richter bei der Beweisermittlung verpflichtet, die Menschenrechte und die Würde des Gerichts zu wahrenu. Die Beweiserhebung darf nicht gegen geltende Gesetze oder anerkannte moralische Grundvorstellungen verstoßen25 . In der Praxis ergeben siCh daraus jedoch keine Einschränkungen für den polizeilichen Einsatz technischer überwachungsmittel wie Abhörgeräte, Tonbänder, Telefonabhöranlagen, Radaranlagen, Fotoapparate u. ä. 2&. Allerdings folgt aus dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung, daß die so 22 Vgl. LaFave, Search and Seizure, A Treatise on the Fourth Amendment, Band 1, St. Paul/Minn. 1983 (mit Rechtsprechung und zahlreichen Fallbeispielen); zur Technik der Untergrundfahndung vgl. auch Marx, in: Kadish (Hrsg.), Encyclopedia of Crime and Justice, Band 3, New York 1983, S. 1154 - 1159 (Undercover Tactics). 23 U.S. v. Knotts, 103 S. Ct. 1801 (1983). 24 Vgl. Nuvolone, Beweisverbote im Strafverfahren der Länder des romanischen Rechtskreises (Anm. 1), Teil 3 A, S. 54 ff., 63, 69, 78 f. m. N. zur älteren Literatur. 25 Vgl. MerlelVitu, Traite de Droit Criminel, Procedure penale, 3. Auf!.. 1979, S. 167 ff. (Nr. 952). 24 Vgl. Stejani/Levasseur/Bouloc, Procedure penale, 12. Auf!.. 1984, Anm. 36; MerlelVitu (Anm. 25); jeweils m. w. N.

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gewonnenen Erkenntnisse nicht etwa als voller Beweis, sondern lediglich als Indiz für die richterliche überzeugungsbiIdung dienen27 • Wesentlich enger sind aufgrund einer Vielzahl spezialgesetzlicher Regelungen die Voraussetzungen, unter denen in Österreich, der Schweiz und Italien technische überwachungsmittel eingesetzt werden können, ohne daß hier auf sämtliche Einzelheiten eingegangen werden könnte. Allerdings gibt es auch in diesen Ländern keine gesetzliche Regelung für die polizeiliche Untergrundfahndung. Für Österreich ist besonders auf die seit 1974 geltende Regelung der "überwachung eines Fermeldeverkehrs" gem. §§ 149 a, 149 b öStPO zu verweisen28 • Die überwachung ist nur zulässig, wenn zu erwarten ist, daß dadurch die Aufklärung einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung gefördert werden kann. Der Inhaber der Fernmeldeanlage muß entweder selbst dringend tatverdächtig sein, oder es müssen Gründe für die Annahme vorliegen, daß sich eine dringend tatverdächtige Person bei ihm aufhält oder sich mit ihm unter Benutzung der Anlage in Verbindung setzen wird. Für die Anordnung ist grundsätzlich die Ratskammer und nur bei Gefahr im Verzuge der Untersuchungsrichter zuständig, der anschließend aber unverzüglich die Genehmigung der Ratskammer einzuholen hat. Nach Beendigung der überwachung ist sowohl der Inhaber der Anlage als auch der eventuell mit ihm nicht identische Verdächtige vom Untersuchungsrichter über die Tatsache der überwachung zu informieren. Beide erhalten Gelegenheit zur Einsichtnahme in die Aufzeichnungen, der Verdächtige allerdings nur in_soweit, als diese für das Strafverfahren gegen ihn von Bedeutung sein können. Der Inhaber der Anlage hat das an eine Frist von 14 Tagen gebundene Recht zur Beschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanz29 • Noch wesentlich umfassender ist die gesetzliche Regelung der tec..lJ.nischen überwachung in der Schweiz. Das am 1. 10. 1979 in Kraft getretene einschlägige Bundesgesetz 30 regelt für den Bereich der Bundes27 Vgl. z. B. Cour de Cassation (Chambre criminelle), J.C.P. (La Semaine Juridique) 1961 11, 12, 157: "L'enregistrement par magnetophone peut constituer un indice de preuve, susceptible de s'ajouter a d'autres indices sur lesquelles les tribunaux repressifs peuvent fonder leur intime conviction." 28 Vgl. ÖBGBl. Nr. 423/1974, Art. I, Z. 43. 29 Vgl. wegen weiterer Einzelheiten Foregger/Senni, Die österreichische Strafprozeßordnung, Kurzkommentar, 3. Aufl. 1982, Erläuterungen zu § 149 a und § 149 b StPO m. w. N.; vgl. ferner Foregger/Litzka, Suchtgiftgesetz, Wien 1980, S. 21: Die längere "Observation" konkret (der Suchtgiftkriminalität) Verdächtiger, um einen günstigen Augenblick des Zugriffs abzuwarten, wird für legal gehalten. 80 Bundesgesetz über den Schutz der persönlichen Geheimsphäre, AS 1979, 1170 ff.; vgl. dazu Feter, SJZ 75 (1979), 305 ff. m. w. N.

Zur V-Mann-Problematik aus rechtsvergleichender Sicht

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strafrechtspflege nämlich nicht nur die überwachung des Fernmeldeverkehrs, sondern auch die überwachung des Postverkehrs und den Einsatz technischer Hilfsmittel wie Minispione zum Abhören und Aufnehmen nichtöffentlicher Gespräche, ferner den Einsatz optischer Beobachtungs- und Aufnahmegeräte, die allerdings in der Praxis eine geringere Rolle zu spielen scheinen31 • Wichtigste Voraussetzungen der verschiedenen Arten der technischen überwachung sind, daß sie sich nur gegen einen Angeschuldigten oder Verdächtigen richten dürfen (bei Telefonanschlüssen kann es sich auch um Anschlüsse Dritter handeln, die vom Verdächtigen benutzt werden), der aufgrund bestimmter Tatsachen eines Verbrechens oder Vergehens verdächtig ist, dessen Schwere oder Eigenart den Eingriff rechtfertigt, daß andere Untersuchungshandlungen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos sind (Subsidiarität) und daß für Anordnungen, soweit sie (in Bundesstrafsachen) vom Bundesanwalt oder (in kantonalen Strafsachen) vom Polizeidirektor getroffen wurden, binnen 24 Stunden die richterliche Genehmigung nachzusuchen ist. Eine nachträgliche Bekanntgabe der überwachungsmaßnahme an den Betroffenen ist nicht vorgesehen32 • Für Italien ist insbesondere 33 auf das 1974 erlassene Gesetz zum Schutz der Privatgeheimnisse gegen Ausspähung mit unerlaubten technischen Mitteln hinzuweisen34 , das neue Strafbestimmungen und Strafschärfungen zum Schutz des Privatlebens enthält. Ein neuer Art. 615 bis C.p. bedroht mit Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 4 Jahren das unbefugte Sichverschaffen (ferner das Zugänglichmachen oder öffentliche Verbreiten) von Nachrichten oder Bildern mit Bild- oder Tonaufnahmegeräten, wenn davon das Privatleben eines anderen in einer fremden Wohnung oder an einem anderen privaten Aufenthaltsort betroffen ist. Eine erhöhte Strafe wurde für Amtsträger, ferner auch für Privatdetektive angedroht. Der bereits in der Vergangenheit geltende Schutz von telegrafischen Mitteilungen und Telefongesprächen 31 Vgl. Strasser, Polizeiliche Zwangsmaßnahmen, Zürich 1981, S. 198 ff.; vgl. als Beispiel für eine kantonale Ausführungsregelung das für St. Gallen erlassene ,,111. Nachtragsgesetz zum Gesetz über die Strafrechtspflege" vom 17.6.1982, GS 962.1; vgl. zum früheren Rechtszustand Hauser, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozeßrechts, 1978, S. 182 ff. 32 Vgl. dazu und zu weiteren Einzelheiten Strasser (Anm. 31), S. 198 ff., 211 ff. (vgl. aber auch § 1 der Ausführungsbestimmungen zu den §§ 71 a - 71 c der StPO des Kantons Basel-Stadt vom 3. 1. 1984, wonach die Mitteilung an den Betroffenen binnen 30 Tagen nach Abschluß der überwachung vorgesehen ist); vgl. auch Neue Zürcher Zeitung vom 29. 1. 1983 (S.32) zur Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage zur Post- und Fernmeldeüberwachung im Kanton Zürich (86 Fälle in 21/4 Jahren); zur neueren Rechtsprechung vgl. Clerc, ZStvR 101 (1984), S. 92. 33 Vgl. Bosch, ZStW 88 (1976), S. 488 ff., 510 f. m. w. N. u. Literaturangaben. 34 Gesetz vom 8.4.1974 Nr.93, "Tutela della riservatezza e deUa liberta e segretezza delle communicazioni".

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wurde durch eine wesentlich höhere Strafdrohung verstärkt. Außerdem wurden Vorbereitungshandlungen durch den Einbau von technischen Geräten oder Apparaturen gesondert mit Strafe bedroht. Die Voraussetzungen für eine überwachung von Telefongesprächen oder telegrafischen Mitteilungen sind gesetzlich geregelt. Die überwachung ist nur zur Aufklärung schwerer Straftaten oder von Beleidigungsdelikten und nur auf Anordnung des Richters oder Staatsanwalts zulässig35 . In England findet gegenwärtig eine lebhafte Diskussion darüber statt, daß die Gesetzgebung mit der Entwicklung immer raffinierterer technischer überwachungsmittel nicht Schritt halten konnte, so daß es keinen wirksamen Schutz gegen das Eindringen von Videokameras, Nachtkameras, Richtmikrofonen u. ä. in den Privatbereich des Bürgers gibt38 • Die allgemeine Tendenz scheint in Richtung klarer gesetzlicher Regelungen zur Einschränkung des polizeilichen Ermessensspielraums zu gehen87• Besonders heftige Kritik richtet sich gegen die gegenwärtige Praxis des überwachens von Telefongesprächen auf Anordnung des Innenministers (Home Secretary)38. Der überblick über die Rechtslage in den untersuchten Ländern zeigt, daß die eingangs referierten deutschen Reformüberlegungen, spezialgesetzliche Regelungen und Ermächtigungen für die Untergrundfahndung einzuführen, aus rechtsvergleichender Sicht keine Stütze finden. Es scheint gemeinsamer Rechtsüberzeugung zu entsprechen, daß die allgemeinen Gesetze auch für Untergrundfahnder gelten und deren Arbeit nicht durch Sondergesetze oder -ermächtigungen erleichtert oder "legalisiert" werden sollte. Das gilt auch für den besonders sensiblen Bereich der technischen überwachung des Bürgers. Hier sind in mehreren Ländern Entwicklungen zur Verstärkung des Schutzes der privaten Sphäre festzustellen. Eine Erweiterung der gesetzlich zugelassenen überwachungsmöglichkeiten zur Verbesserung der Effektivität der polizeilichen Untergrundfahndung würde einem in mehreren Ländern festgestellten Entwicklungstrend zuwiderlaufen. Allerdings darf die as Vgl. im einzelnen Art. 226 bis ff. C.p.p. 38 Vgl. Manwaring-White, The Policing Revolution, 1983, S. 84 - 115 (vgl. aus der "conclusion" auf S.115: "It's not that the police break law rather that there just isn't sufficient legislation to protect the ordinary citizen from this new technological invasion of his privacy"). 37 Vgl. Thomas, Police Discretion, in: The Political Quarterly 1982, S. 144 ff. 38 Vgl. den Bericht der TIMES v. 22.2.1984 (Webster) über eine Debatte des House of Lords vom Vortage aus Anlaß einer beim EGH in Straßburg eingereichten Klage wegen Verletzung der Art. 8 (Achtung des Privatlebens) und 13 MRK (Rechtsschutz) gegen die englische Regierung; die Lords verlangten entgegen dem Votum der Regierung die gesetzliche Regelung und Kontrolle des Abhörens von Telefonen (vgl. auch TIMES v. 16.2. 1984, Stanley: "Phone tapping: plug this gap").

Zur V-Mann-Problematik aus rechtsvergleichender Sicht

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unterschiedliche gesetzliche Ausgangslage in den untersuchten Ländern nicht übersehen werden. 2. Die Frage, wie das Wissen von V-Leuten im Strafverfahren verwertet wird, war unter anderem Gegenstand des Generalgutachtens von Jescheck für den 46. Deutschen Juristentag im Jahre 196638 • Sie ist durch den Beschluß des Großen Senats für Strafsachen aus dem Jahre 198340 von großer Aktualität. Durch die höchstrichterlichen Festlegungen, daß eine kommissarische Vernehmung des V-Mannes nicht gegen den Willen des Verteidigers in dessen Abwesenheit durchgeführt werden darf und daß es unzulässig ist, dem Zeugen bei dieser Vernehmung (oder der Vernehmung in der Hauptverhandlung) die Nichtangabe seiner Personalien zu gestatten (oder ihn optisch oder akustisch abzuschirmen), könnte es in der Praxis verstärkt zur administrativen Sperrung des V-Mannes für das gerichtliche Erkenntnisverfahren und zum Zurückgreifen auf die bekannten Surrogate in Gestalt des Zeugen vom Hörensagen oder von polizeilichen Protokollen oder schriftlichen Erklärungen des V-Mannes kommen41 • Es ist deshalb von Interesse, wie ausländische Rechtsordnungen das Spannungsverhältnis zwischen dem Anspruch des V-Mannes und der Strafverfolgungsbehörden auf Wahrung von Vertraulichkeit einerseits und dem Anspruch des Gerichts und des Angeklagten andererseits auf eine offene Aussage des Zeugen, auf dessen Glaubwürdigkeit und ihre überprüfbarkeit es oft entscheidend ankommt, zu lösen versuchen. Die Möglichkeit zur Ersetzung der Zeugenaussage des V-Mannes durch Surrogate könnte in den USA und England aufgrund der bekannten Regel "hearsay is no evidence" besonders eingeschränkt sein, während die Figur des Zeugen vom Hörensagen in den übrigen untersuchten Ländern durchaus anerkannt ist42 • Bei näherem Hinsehen erweist sich die Rechtslage in den einzelnen Ländern aber als wesentlich komplexer. Der vom Großen Senat festgestellten Verpflichtung zur Bekanntgabe der Personalien des V-Mannes scheint in den USA der vom Supreme Court bestätigte Anspruch des Angeklagten zu entsprechen, daß der V-Mann seinen wirklichen Namen und seine Adresse vor Gericht bekannt gibt, weil andernfalls das in der Bundesverfassung (Sixth Amendment) verbriefte Recht des Angeklagten, seinen Anklägern (Belastungszeugen) gegenüberzutreten und sie ins Kreuzverhör zu nehVgl. oben I. Vgl. BGHSt. 32, 115 = NJW 1984, 247 H. 41 Vgl. näher dazu unten IH. 42 Vgl. Seebade, JZ 1980, 506, 508 ("Rechtsvergleichende Hinweise" m. N. bes. zur älteren Literatur); vgl. auch Tiedemann, JuS 1965, 14. 39

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men, verkürzt würde 43 • Im Anschluß an eine concurring opinion der erwähnten Entscheidung44 haben jedoch die unteren Bundesgerichte in der Folgezeit Ausnahmen für den Fall zugelassen, daß glaubwürdige Anhaltspunkte (reasonable fear) dafür bestehen, daß Leben oder Gesundheit des V-Mannes oder seiner Familie bei Preisgabe seiner Identität gefährdet wären'5. Eine weitere Einschränkung wird aus dem Zweck der Angabe der Personalien abgeleitet, der darin gesehen wird, die Glaubwürdigkeit des Zeugen unter Einbeziehung seines persönlichen Hintergrundes überprüfen zu können (to pI ace the witness in his proper setting). Wenn dieser durch sonstige Informationen (z. B. Berufstätigkeit, Arbeitgeber, ungefähre Wohngegend, frühere persönliche Begegnungen mit dem Angeklagten) bereits ausreichend aufgehellt erscheint, kann das Gericht Fragen nach den Personalien des V-Mannes zurückweisen. Es handelt sich dabei um eine Ermessensentscheidung (a matter within the trial court's sound discretion)48. In der Gerichtspraxis tritt der V-Mann häufig nicht selbst als Zeuge auf, sondern ein Polizeibeamter, der die Ermittlungen geführt hat. Dieser darf jedoch wegen des Verbots des Zeugnisses vom Hörensagen grundsätzlich keine Informationen Dritter (z. B. des V -Mannes) in seiner Aussage wiedergeben47 • Er kann den Namen des V-Mannes geheimhalten, wenn dieser der Polizei lediglich einen Tip gegeben hatte, ohne selbst in die Tat verstrickt zu sein. Die Wahrung der Vertraulichkeit wird mit dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Strafrechtspflege begründet. Sie soll den Bürger durch Wahrung seiner Anonymität zur Anzeige von Straftaten ermutigen. Das Recht des aussagenden Beamten bzw. des Dienstherrn, Angaben über die Identität des Informanten (V-Mannes) zu verweigern, ist jedoch ausgeschlossen, wenn Name und Adresse des V-Mannes für die Verteidigung von Bedeutung sind, etwa weil der V -Mann einziger Tatzeuge oder an der Ausführung der Tat wesentlich beteiligt warfS. Die erforderliche Abwägung (3 Vgl. Smith v. Illinois, 390 U.S. 129, 88 S. Ct. 748 (in der Entscheidung vom 29. 1. 1968 ging es um den Hauptbelastungszeugen in einem Rauschgiftfall; der Zeuge behauptete, mit polizeilich markierten Geldscheinen Drogen vom Angeklagten gekauft zu haben). 44 Vgl. 88 S. Ct. 748, 751 (Justice White, dem sich Justice MarshaZl angeschlossen hat). 45 Vgl. U.S. v. Contreras, 602 F. 2 d 1237 (1979); U.S. v. Mesa, 660 F. 2 d

1070 (1981).

'8 Vgl. U.S. v. Mesa, 660 F. 2 d 1075 f. (1981); U.S. v. Hughes, 658 F. 2 d 317 (1981) (es handelte sich um einen vorbestraften und zur Bewährung entlas-

senen V-Mann, der mit dem Angeklagten auf Veranlassung der Polizei als Interessent für den Ankauf von Kokain Kontakt aufgenommen hatte). 47 Zur Unzulässigkeit von Hearsay Evidence und den von der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmen vgl. Wharton's Criminal Evidence, Band 2, 13. Aufl., Stand 1983, S. 1 - 191, nebst Supplement, S. 9 - 35. 's Vgl. Roviaro v. U.S., 353 U.S. 57, 77 S. Ct. 623 (1957).

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zwischen den Strafverfolgungs- und Verteidigungsinteressen wird vom Richter anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalles vorgenommen, und zwar meist aufgrund einer Anhörung der Parteien unter Ausschluß der Öffentlichkeit (in camera). Wenn die Staatsanwaltschaft einer Aufforderung des Gerichts, die Personalien des V -Mannes mitzuteilen, nicht entspricht, kann das Gericht die mit Informationen des V-Mannes in Zusammenhang stehende Zeugenaussage streichen, die Anklage zurückweisen und den die verlangte Aufklärung verweigernden Zeugen wegen "contempt of court" belangen49 • Auch in England wird das Interesse der Strafverfolgung (und der V-Leute) an der Geheimhaltung der Personalien des V-Mannes grundsätzlich anerkannt. Das Gericht braucht deshalb nicht über die Einschaltung eines V-Mannes in das Ermittlungsverfahren informiert zu werden, sofern es sich um einen bloßen Beobachter oder Tipgeber handelte. Jedoch wird betont, daß die Strafverfolgungsbehörden das Gericht nicht irreführen dürfen und deshalb den V -Mann enttarnen müssen, wenn dadurch der Fall in einem anderen Licht erscheinen oder gar die Unschuld des Angeklagten sich herausstellen könnte50 • Für die Vernehmung eines Zeugen vom Hörensagen statt des V-Mannes ist auch in England die "Rule against Hearsay" trotz zahlreicher Ausnahmen und vielfacher Kritik an dieser Beweisregel nach wie vor zu beachten51 • Große Ähnlichkeit mit der anglo-amerikanischen Rechtslage hat die ausdrückliche gesetzliche Regelung der hier interessierenden Problematik in Italien. Nach Art. 349 Abs.6 c.p.p. darf der Richter die als Zeugen auftretenden Beamten nicht zwingen, die Namen ihrer Auskunftspersonen anzugeben. Er darf sogar bei Folge der Nichtigkeit eines daraufhin ergehenden Urteils von den Beamten keine Auskünfte entgegennehmen, die sie von Personen erhalten haben, deren Namen sie nicht angeben zu dürfen glauben52 • Der Ausweg, statt des anonym bleibenden V -Mannes einen Zeugen vom Hörensagen zu vernehmen, ist durch Art. 450 Abs.l c.p.p. verbaut, wonach die Vernehmung eines 49 Vgl. Wharton's Criminal Evidence, Band 3, 13. Aufl., Stand 1982, S. 114122, nebst Supplement, S. 30 - 43. 50 Vgl. Oscapella, A study of Informers in England, in: The Criminal Law Review, 1980, S. 136 - 146 m. w. N.; vgl. auch Section 10 des Contempt of Court Act von 1981: "No Court may require a person to disclose, nor is any

person guilty of contempt of court for refusing to disclose, the source of information contained in a publication for which he is responsible, unless it be established to the satisfaction of the court that disclosure is necessary in the interests of justice or national security or for the prevention of disorder or crime." 51 Vgl. Phipson, The Law of Evidence, 13. Aufl. 1982, S. 329 ff. 52 Vgl. Manzini, Trattato di diritto processuale penale italiano, 6. Aufl. 1970, Band 3, S. 295.

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mittelbaren Zeugen über Wahrnehmungen einer unbekannten Person ausgeschlossen istS3 • Für Österreich ist auf die bekannte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur V-Mann-Problematik aus dem Jahre 197054 hinzuweisen, in der u. a. festgestellt wird, daß die "Nichtpreisgabe" des unmittelbar beobachtenden Zeugen aus "innerstaatlichen Geheimhaltungsinteressen" einer "Unerreichbarkeit" i. S. v. § 252 Abs.1 Ziff. 1 öStPO "im allgemeinen nicht gleichgestellt werden (kann)". Das würde an sich bedeuten, daß die Verlesung eines Protokolls über die (frühere) Vernehmung des gesperrten V-Mannes in der Regel ausgeschlossen ist. Auch die Vernehmung eines Zeugen vom Hörensagen anstelle der Benutzung des (nach rechtlicher Bewertung) erreichbaren Originalbeweismittels, also die Vernehmung von "Gewährsmännern" statt des unmittelbaren Zeugen wäre unzulässig55. Allerdings ist die Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit kein Nichtigkeitsgrund58 , und seitens der österreichischen Strafrechtswissenschaft wird davor gewarnt, die Tragweite der erwähnten höchstrichterlichen Entscheidung zu überschätzen57• In der Schweiz hat sich trotz einzelner Gegenstimmen die Auffassung durchgesetzt, daß weder ein Gericht noch ein Untersuchungsrichter einen Polizeibeamten als Zeugen zwingen können, eine anonyme Gewährsperson preiszugeben58 . Die ablehnende Entscheidung oder Weisung der vorgesetzten Behörde ist gerichtlich nicht anfechtbar. Das gilt auch für die Vorlage amtlicher Akten, aus denen sich die Personalien des V-Mannes ergeben könnten. Die Begründung ,ist in erster Linie pragmatisch: "Die Nachrichtenquellen würden versiegen, wenn die Vertrmrensleute der Polizei mit ihrer Bloßstellung im gerichtlichen Verfahren rechnen müßten; sie könnten ferner für den weiteren Nachrichteneinsatz nicht mehr eingesetzt werden5V ." Eine Ausnahme gilt für den Fall, daß sich der V-Mann durch eigene Tatbeteiligung oder fal6a Zur übertragbarkeit der italienischen Regelung auf das deutsche Recht vgl. J. Meyer, ZStW 95 (1983), S. 857 f.; vgl. auch Seebode, JZ 1980,508 m. w. N. 54 Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 11. 2. 1970, 12 Os 177/79, S StXLI 7. 66 Vgl. Foregger/Serini (Anm.29), Erl. I zu § 252; a. A. Bertel, Grundriß des österreichischen Strafprozeßrechts, 1975, S. 118. n Vgl. Foregger/Serini (Anm. 55). 17 Neben der erwähnten Gegenauffassung von Bertel (Anm.55) sei insbesondere auf den Diskussionsbeitrag von Burgstaller auf der Strafrechtslehrertagung 1983 hingewiesen, vgl. ZStW 95 (1983), S. 993 ff. (Tagungsbericht von Gropp), 998 (mit Erwiderung von J. Meyer auf S. 1007). 58 Vgl. Hauser, Kriminalistik 1964,261 ff. (mit Hinweisen auf abweichende Meinungen in den Kantonen Zürich, Basel-Stadt und Graubünden), 263; ders., SchwZStR 82 (1966), S. 306 ff.; ders., SchwZStR 90 (1974), S. 249 f.; vgl. auch J. Meyer, ZStW 95 (1983), S. 835, 840 f. 58 Hauser, SchwZStR 90 (1974), S. 250.

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sche Verdächtigung selbst strafbar gemacht hat. Die Angaben des V-Mannes können durch die Vernehmung eines Polizeibeamten als Zeuge vom Hörensagen in das Strafverfahren eingeführt werden. Allerdings wird mit Nachdruck vor einer überbewertung dieses Beweismittels, das ein~ gerichtliche Nachprüfung der Glaubwürdigkeit des V-Mannes praktisch nicht zuläßt, gewarntSo. In Frankreich wird den Polizeibeamten wegen Art.378 C.p., der die Verletzung des Berufsgeheimnisses unter Strafe stellt, das Recht zuerkannt, die Namen ihrer Gewährsleute zu verschweigen, wenn sich die Beamten dazu ausdrücklich verpflichtet hatten oder der Gewährsmann nur im Vertrauen auf Verschwiegenheit zu seinen Angaben bereit warst. Ebenso wie in der Schweiz bleibt die Vernehmung des Polizeibeamten als Zeuge vom Hörensagen aber gleichwohl zulässig. Ihre Bewertung ist der freien Beweiswürdigung überlassensz• Der rechtsvergleichende überblick zeigt, daß der Anspruch des V-Mannes auf Wahrung seiner Anonymität in den ausländischen Rechtsordnungen weitgehend anerkannt wird. Die vertrauliche Behandlung der gelieferten Informationen scheint geradezu eine Voraussetzung der Untergrundfahndung zu sein. Ein "V"-Mann, der jederzeit mit seiner Enttarnung zu rechnen hätte, wäre danach ein Widerspruch in sich. Der Beschluß des Großen Senats für Strafsachen, wonach der V-Mann bei seiner kommissarischen Vernehmung bzw. seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung seine Personalien anzugeben hat, findet also aus rechtsvergleichender Sicht keine Stütze. Es konnte auch keine ausländische Regelung nachgewiesen werden, wonach die Ermittlungsorgane vor die harte Alternative der "Preisgabe des V-Mannes oder der Nichtverwertung der Aussage des Polizeibeamten"ea und evtl. sogar aller sonstigen Surrogate gestellt würden. Ob der Beschluß des Großen Senats überhaupt so verstanden werden kann, bedarf allerdings noch näherer PrüfungS4 . 3. Die agent-provocateur-Problematik wird in allen untersuchten Ländern diskutiert. Der V-Mann, der als angeblicher Interessent für den Ankauf oder Verkauf von Rauschgift im Auftrag der Polizei auftritt, ist offenbar eine überall bekannte Figur. Daß mit derartigen 80 Vgl. Hauser, SchwZStR 82 (1966), S. 311; Studer, Die anonyme Gewährsperson im Strafprozeß, 1975, S. 125 ff., 135 ff. S1 Vgl. Cass. crim. 6.7.1894, D.P. (Dalloz periodique) 1899, Teil 1, S.I71; Haute Cour de Justice 6.12.1899, D.P. 1903, Teil 2, S. 345; vgl. ebenso Jescheck, Gutachten, S. 44 (ständige Rechtsprechung seit 1894). 82 Vgl. auch Seebade, JZ 1980, 508, Fn.39 (mit Literaturangaben, auch zu vereinzelter Kritik im französischen Schrifttum). n Vgl. oben I. zu dieser Fragestellung von Jescheck, Gutachten, S.45. U Vgl. unten III.

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Ermittlungsmethoden nicht nur Händlerringe aufgedeckt und zerschlagen, sondern auch bislang unbelastete und zu Unrecht verdächtigte Bürger, verführt durch die Aussicht auf ein "gutes Geschäft", in Schuld und Strafe verstrickt werden können, ist eine gängige Erfahrung. In diesen Fällen stellt sich nicht nur die Frage nach der Strafbarkeit des Provozierten, sondern auch des Provokateurs. Eine auf den ersten Blick eindeutige und konsequente Regelung dieser Problematik gilt in Österreich, wo es den Sicherheitsorganen gern. § 25 öStPO "bei strengster Ahndung" untersagt ist, "auf die Gewinnung von Verdachtsgründen oder auf die Überführung eines Verdächtigen dadurch hinzuwirken, daß er zur Unternehmung, Fortsetzung oder Vollendung einer strafbaren Handlung verleitet" wird. Die Regelung wird aber als rein instruktionelle Vorschrift ohne materiellrechtliche Auswirkungen angesehen6s • In der Kommentarliteratur wird festgestellt, § 25 öStPO hindere nicht die sog. verdeckte Fahndung, die darin bestehe, daß sich ein Sicherheitsorgan oder Vertrauensmann der Polizei an einen mutmaßlichen Delinquenten wende und vorgebe, am Erwerb einer vom Delinquenten strafbarerweise innegehabten Sache (z. B. Suchtgift oder Diebesgut) interessiert zu sein, um den Täter bei der Übergabe überführen zu können88 • Die verdeckte Fahndung wird besonders zur Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität für erforderlich gehalten. Bei der parlamentarischen Beratung der Suchtgiftnovelle 1980 wurde vom Ausschuß für Gesundheit und Umweltschutz und von der Bundesregierung übereinstimmend die Auffassung vertreten, es sei mit der österreichischen Rechtsordnung durchaus vereinbar, wenn sich ein Organ der Sicherheitsbehörden oder ein sog. Vertrauensmann -der-Polizei an einen "mutmaßlichen Suchtgifthändler" wende, sich als Kaufinteressent ausgebe und "womöglich die Überlassung von Suchtgift sowie die Überführung des Täters" erwirke61 • Die Strafbarkeit des V-Mannes als Bestimmungstäter eines Suchtgiftdelikts wird mit dem Argument verneint, daß ihm der auf die materielle Deliktsvollendung gerichtete Vorsatz fehle und er infolge seines Auftrages nicht "unberechtigt" handele". Die an sich bestehende Möglichkeit, daß der Provo6S Vgl. den Diskussionsbeitrag von Burgstaller auf der Strafrechtslehrertagung 1983, ZStW 95 (1983), S. 993 ff. (Tagungsbericht von Gropp), 996 f.; vgl. auch Foregger/Serini (Anm.29), Erl. 111 zu § 25 ("nicht unter Nichtigkeitssanktion stehende Verfahrensbestimmung ohne materiellrechtliche Wirkung"). 88 Vgl. Foregger/Senni (Anm. 29), Erl. 11 zu § 25. 61 Vgl. "Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates" (XV. Gesetzgebungsperiode) der Republik Österreich, Wien 1980, Bd.5, Beilage 420, S. 5 f. 88 Vgl. Foregger/Litzka (Anm.29), Erl. XI zu § 12 Suchtgiftgesetz; kritisch dazu Steininger, ÖJZ 1981, 308 (mit dem Argument, daß das Verbot des § 25 öStPO auch dann gelte, wenn der Verdächtige schon strafbar geworden sei,

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zierte wegen absoluter Untauglichkeit seines Versuchs einer Straftat straflos bleibt, scheint zumindest im Bereich der Suchtgiftkriminalität praktisch bedeutungslos zu sein, weil die Strafbarkeit hier weit vorverlegt ist und z. B. schon die Einfuhr oder das Bereithalten von Suchtmitteln Vollendungstaten sindG9 • In den USA ist die Frage der Anstiftungsstrafbarkeit des Lockspitzels kein Diskussionsgegenstand, was sich wohl dadurch erklären läßt, daß derartige Praktiken von den Staatsanwaltschaften nach dem Opportunitätsprinzip nicht verfolgt werden70 • Die Methoden der Untergrundfahndung des FBI sind aber wachsender Kritik ausgesetzt, die sich u. a. dagegen richtet, daß Absatzmärkte für Diebesgut geschaffen und Straftaten überhaupt erst angeregt werden. Ein Untersuchungsausschuß des Repräsentantenhauses hat sich 1982 in 10 Sitzungen intensiv und kritisch mit diesen Fahndungsmethoden befaßt71 • Die bekannte "defense of entrapment" als Einwand gegen die Bestrafung des Provozierten kann sich in den USA inzwischen auf eine langjährige Rechtsprechungstradition stützen72 • Das Modellstrafgesetzbuch von 196273 und die Strafgesetzbücher der meisten Einzelstaaten74 etwa wegen Versuchs, und zur Fortsetzung oder Vollendung der strafbaren Handlung verleitet werde; deshalb empfehle es sich, derartige Fahndungsmethoden zur wirksamen Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität durch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zuzulassen). 69 Vgl. §§ 12, 16 SGG; zur Problematik der Strafbarkeit des Provozierten vgl. auch die Diskussionsbeiträge von Foregger und Burgstaller auf der Strafrechtslehrertagung 1983, ZStW 95 (1983), S. 993 H. (Tagungsbericht von Gropp), 994 f. und 998. 70 Vgl. eingehend zur Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft in den USA Th. Weigend, in: JeschecklLeibinger (Anm. 17), S. 587 H., 610 - 638. 71 Vgl. FBI Undercover Operations, Hearings before the Subcommittee on Civil and Constitutional Rights of the Committee on the Judiciary, House of Representatives, 97. Congress, Serial No. 76, Washington 1983, 1029 S. (vgl. insbes. S.1 H. zu den sog. pro-active- bzw. before-the-fact-undercovertactics); zum Einsatz von V-Leuten zur Aufklärung von Korruption innerhalb der Strafjustiz vgl. den Bericht vom 5.2. 1984 in 35 Cr L 2091 f. 72 Vgl. die mit Sorrels v. U.S., 53 S. Ct. 210 (1932), einsetzenden Rechtsprechungsnachweise bei Lüderssen, in: Festschrift für Peters, 1974, S. 354 H.; zustimmend zu der von Lüderssen aus rechtsvergleichender Sicht für das deutsche Recht entwickelten Annahme der "Prozeßrechtswidrigkeit" des Einsatzes des agent provocateur bei der Verbrechensbekämpfung Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 3. Auft. 1978, S. 560, Fn. 16. 73 Vgl. Model Penal Code, Art. 2, Section 2.13: "(1) A· public law enforcement professional or a person acting in co operation with such an official perpetrates an entrapment if for the purpose of obtaining evidence of the commission of an oHense, he induces or encourages another person to engage in conduct constituting such oHense ..."; gern. Abs. (2) führt der Nachweis von "entrapment" grundsätzlich zum Freispruch des Verleiteten. 74 Vgl. z. B. für New York McKinneys Consolidated Laws of New York, Book 39, 1975, Penal Law, § 40.05 (mit Erläuterungen und Rechtsprechungsnachweisen); für Illinois Criminal Law and Procedure of Illinois, 1981, Chapter 38, §§ 7 - 12.

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sehen für den Angeklagten die Einrede des "entrapment" (Verleitung) vor, wenn er durch einen V-Mann zur Straftat verleitet wurde. Die Einrede hat Verfassungsrang, da sie als Bestandteil der due process clause des Fifth und Fourteenth Amendment der Bundesverfassung angesehen wird. Umstritten ist, ob sich auch ein Täter auf "entrapment" berufen kann, der schon vor der Einwirkung des V -Mannes allgemein bereit war, Straftaten der fraglichen Art zu begehen75 • Während eine Mindermeinung allein auf die Unangemessenheit des Verhaltens der Polizei abstellt, gewährt der U.S. Supreme Court den Schutz der Einrede nur solchen Tätern, die erst durch die Einwirkung des V -Mannes auf den Gedanken gebracht wurden, die betreffenden Straftaten zu begehen78 • Für England hat das Innenministerium im Jahre 1969 Richtlinien erlassen, wonach die Verbrechensprovokation durch agents provocateurs mit Disziplinarstrafen geahndet werden kann, die allerdings nur Polizeibeamte und nicht die mit ihnen zusammenarbeitenden Informanten treffen können77 • Weiterreichende Empfehlungen der Law Commission aus dem Jahre 1977, die sogar eine strafrechtliche Verfolgung für Verbrechensprovokation vorsahen (offence of entrapment for agents provocateurs)1s, wurden bislang vom Gesetzgeber nicht verwirklicht. Ob derartige Neuerungen praktische Bedeutung haben würden, erscheint wegen des in England geltenden Opportunitätsprinzips zweifelhaft79 • Der Provozierte kann nach englischem Recht keine Einrede des "entrapment" geltend machen. Für ihn gibt es nur die Möglichkeiten der Strafmilderung oder des Ausschlusses von Beweismitteln, die durch einen agent provocateur gewonnen worden sind, nach ~Rchterlichem Ermessen. Bei der Ermessensentscheidung spielen die erwähnten Richtlinien des Innenministeriums eine bedeutende Rolle. Danach ist insbesondere festzustellen, ob der Angeklagte eine Straftat von einer Art begangen hat, wie er sie ohne die Einwirkung des 75 Vgl. im einzelnen Park, in: Kadish (Hrsg.), Encyclopedia of Crime and Justice, Bd. 2, 1983, S. 704 ff.; vgl. die ausdrückliche Regelung für Illinois (Anm. 74): "However, this Section is inapplicable if a public officer or employee, or agent of either, merely affords to such person the opportunity or facility for committing an offense in furtherance of a criminal purpose which such person has originated." 78 Vgl. U.S. v. Russell, 93 S. Ct. 1637 (1973); Hampton v. U.S., 96 S. Ct. 1646 (1976). In der letztgenannten Entscheidung ging es um einen Angeklagten; der Heroin von V-Leuten erworben und es wiederum an andere V-Leute verkauft hatte; gleichwohl wurde eine Verletzung der due process rights verneint und die Verurteilung bestätigt, weil es sich um einen Angeklagten gehandelt habe, "who was predisposed to commit the crime" (dissenting opinion von Justice Brennan). 77 Vgl. Horne Office Consolidated Circular to the Police on Crime and Kindred Matters, 1969; Oscapella (Anm.50), S. 142 f. 78 Vgl. Report on Defences of General Applicatiön, Law Com. No. 83 (1977). 79 Vgl. Huber, in: Jescheck{Leibinger (Anm. 17), S. 556 ff.

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V-Mannes (police agent) nicht begangen hätte, ob der V -Mann selbst eine wichtige Rolle bei der Tatverwirklichung gespielt hat, ob er für seine Beteiligung die Zustimmung von höherer polizeilicher Ebene hatte und ob die Straftat so schwerwiegend ist, daß öffentliche Interessen die Tatprovokation rechtfertigen können8o . Auch in Frankreich gibt es keine gesetzliche Regelung der Problematik der Tatprovokation. Nach der Rechtsprechung dürfen die durch einen agent provocateur gewonnenen Beweise nur unter zwei Voraussetzungen in den Prozeß eingeführt werden. Erstens muß die Schwere der aufzuklärenden Straftaten oder die besondere Gefährlichkeit des Täters derartige Ermittlungsmethoden erforderlich machen; das an sich unerlaubte Vorgehen der Polizei soll dann durch eine Art Notstand (etat de necessite) gerechtfertigt werden. Zweitens darf der agent provocateur nicht die Straftat verursacht, sondern lediglich ihre Aufdeckung bewirkt haben (un moyen de deceler l'infraction et non la cause de celle-ci)81. Die Tatprovokation wird vielfach bei Bestrafung des Provozierten als mildernder Umstand berücksichtigt; in einzelnen Entscheidungen wurden aufgrund des Verhaltens des agent provocateur Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit oder sogar die Voraussetzungen des entschuldigenden Notstandes (contrainte) gern. Art. 64 C.p. zugunsten des Provozierten angenommen8!. Daß Verurteilungen von agents provocateurs nicht feststellbar sind, mag auch in Frankreich auf die Geltung des Opportunitätsprinzips bei der Einleitung der Strafverfolgung zurückzuführen sein83 • In der Schweiz gibt es keinen Streit über die Strafbarkeit des Provozierten 84 • Um so stärker gehen die Meinungen über die Strafbarkeit des agent provocateur auseinander. Das Spektrum reicht von der Annahme der Straflosigkeit85 über den Vorschlag der Strafbarkeit de lege ferenda 86 bis zur Annahme der Strafbarkeit de lege lata87 . Im Kanton 80 Vgl. R. v. Ameer and Lucas (1976), Central Criminal Court, in: Criminal Law Review 1977, 104; R. v. Mealey and Sheridan (1974), Court of Appeal (Criminal Division), in: Criminal Law Review 1974, 710; Oscapella (Anm.50), S. 142 ff.; je m. w. N. 81 Vgl. Cass. crim. 2.3.1973, Gazette du Palais 1971, Jurisprudence, 324 f. (mit Anmerkung und weiteren Rechtsprechungsnachweisen). 82 Vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Blondet, J.C.P. (La Semaine Juridique) 1958, I, 1419 (unter 111). 83 Vgl. dazu Grebing, in: Jescheck!Leibinger (Anm. 17), S.43 ff. 84 Zur prozeßrechtlichen Lösung der Anwendung des Opportunitätsprinzips ist der Vorschlag von Krauß auf der Strafrechtslehrertagung 1983 hervorzuheben, ein "Junktim zwischen der Verfolgbarkeit des Provozierenden und der des Provozierten" herzustellen, vgl. ZStW 95 (1983), S. 993 ff. (Tagungsbericht von Gropp), 1004 f. 85 Vgl. insbes. Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 1982, S. 342 f., m. w. N. 81 Vgl. Trechsel, Der Strafgrund der Teilnahme, 1967, S. 93 H., 101 f.

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Zürich ist der Polizei das "Anreizen zu verbotenen Handlungen" ausdrücklich durch Dienstreglement untersagt88 • In der Praxis scheint diese Regelung aber, ähnlich wie in Österreich, nur eine stark relativierte Bedeutung zu haben89 • Eine zunehmend kritische Einstellung zur polizeilichen Tatprovokation ist schließlich in Italien festzustellen. Während man dort früher den Polizeiorganen ausdrücklich das Recht einräumte, sich zur Aufdeckung von Verbrechen eines Lockspitzels zu bedienenDo , wird heute in der Literatur mit großem Nachdruck die Auffassung vertreten, daß sich sowohl der polizeiliche als auch (und erst recht) der private agent provocateur strafbar machen könnenD1 • Ob daraus allerdings die Forderung abgeleitet werden kann, von der Durchführung des Strafverfahrens gegen den Provozierten abzusehen, erscheint wegen der strengen Geltung des Legalitätsprinzips in Italien zumindest zweifelhaft. Der überblick über die Rechtslage in den untersuchten Ländern zeigt, daß der Einsatz von agents provocateurs bei aller Kritik ganz überwiegend als wichtiges Mittel der Verbrechensaufklärung angesehen wird. Das gilt insbesondere für den Bereich der Betäubungsmittelkriminalität. Hinsichtlich der Grenzen der noch zulässigen Tatprovokation wird vor allem einerseits nach dem Grad der Einwirkung auf den Täter, andererseits danach unterschieden, ob der Tatentschluß des Provozierten hervorgerufen oder lediglich aufgedeckt wird. Die vereinzelt erhobenen Forderungen nach einer Bestrafung des agent provocateur haben sich bislang nirgends durchgesetzt. Das ist ein wichtiges Argument gegen die in der deutschen Diskussion vereinzelt erhQ!?~!1e Forderung nach Gleichbehandlung von Provokateur und ProvoziertemD2 • Die dabei in erster Linie geforderte Straflosigkeit für beide ließe offensichtlich unberücksichtigt, daß der Provozierte von der Vor87 Vgl. SChllltZ, Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafrechts, Bd. 1, 3. Auf!. 1977, S. 272 f.; dabei ist allerdings zu beachten, daß SChllltz klar unterscheidet zwischen dem Handeln des agent provocateur, der in einem anderen Menschen den Willen weckt, ein strafbares Verhalten auszuführen, und der "verdeckten Fahndung", bei der jemandem, der strafbaren Verhaltens verdächtigt ist, Gelegenheit geboten wird, die Tat auszuführen, ohne daß auf seine Willensbildung eingewirkt wird. 88 Vgl. § 6 des Dienstreglements vom 8.3.1951 für das Polizeikorps des Kantons Zürich. 89 Nach Seelmann auf der Strafrechtslehrertagung 1983, vgl. ZStW 95 (1983), S. 993 ff. (Tagungsbericht von Gropp), 1006 . • 0 Vgl. Maggiore, Diritto penale, 1951, S.569; Manzini, Trattato di diritto penale italiano, Bd. 2, 1961, S. 529, 530. n Vgl. Mantovani, Diritto penale, 1979, S.473; Bettiol, Diritto penale, Parte generale, 11. Auf!. 1982, S. 590 ff.; jeweils m. w. N. D2 Vgl. zur Diskussion auf der Strafrechtslehrertagung 1983 den Tagungsbericht von Gropp, ZStW 95 (1983), S. 993 ff., 995 f. (Lüderssen), 1002 (Rieß), 1003 (Lackner), 1005 (Seelmann) und 1006 (J. Meyer).

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stellung ausgeht, er habe es mit seinesgleichen bzw. einem Komplizen zu tun. Daß der agent provocateur in Wirklichkeit ein V-Mann ist, ändert nichts an der Schuld des Provozierten. III.

Der rechtsvergleichende überblick über drei ausgewählte Schwerpunkte der komplexen V-Mann-Problematik bestätigt die Annahme, daß die gegenwärtige Neuorientierung der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland noch vor einer ganzen Reihe von - eventuell nur mit Hilfe des Gesetzgebers durchzuführenden - Weichenstellungen steht, für die der Blick über die nationalen Grenzen durchaus hilfreich sein kann93 • Die aktuelle Forderung nach spezialgesetzlichen Regelungen für die polizeiliche UntergrundfahndungU begegnet aus rechtsvergleichender Sicht schwerwiegenden Bedenken. Bei der Tatprovokation legt der Rechtsvergleich eine differenzierende Behandlung der Strafbarkeit des agent provocateur und des Provozierten nahe 95 • Zu der Frage, wie das Wissen von V-Leuten im Strafverfahren verwertet wird, hat die rechtsvergleichende Untersuchung ergeben, daß der Anspruch des V-Mannes auf Wahrung seiner Anonymität in den ausländischen Rechtsordnungen weitgehend anerkannt wird9u • In einer Schlußbetrachtung soll geprüft werden, ob die bereits mehrfach erwähnte Entscheidung des Großen Senats von 198387 dem in ausreichendem Maße Rechnung trägt. Die klare Absage an die Praxis, kommissarische Vernehmungen des V-Mannes auch gegen den Willen des Verteidigers in dessen Abwesenheit durchzuführen, weil die oberste Dienstbehörde den V-Mann aus Sorge vor dessen Enttarnung nur unter dieser Voraussetzung freigibt, und die Feststellung, daß es unzulässig ist, dem V-Mann bei seiner Vernehmung die Nichtangabe seiner Personalien zu gestatten, erscheinen auf den ersten Blick als konsequente Fortführung der kritischen Halva Allerdings sollte sich der Rechtsvergleich nicht auf Detailprobleme beschränken, wie sie Herdegen, NStZ 1984, 203, im Zusammenhang mit § 224 Abs. 1 S.2 StPO formuliert (Verlesung von Protokollen über richterliche Vernehmungen außerhalb der Hauptverhandlung, von denen der Verteidiger ausgeschlossen war). 9' So zuletzt der baden-württembergische Innen- und Justizminister EyTich in einem "SPIEGEL-Gespräch", vgl. DER SPIEGEL v. 9.1.1984 (38. Jahrgang, Nr. 2), S. 62 ff.; rechtsvergleichend dazu oben 11 1. 95 Vgl. oben 11 3; die grundsätzliche Bejahung der Strafbarkeit des Provozierten läßt es zweckmäßig erscheinen, die Problematik staatlicher Tatprovokation prozeßrechtlich über ein Verfahrenshindernis zu lösen, vgl. näher J. Meyer, ZStW 95 (1983), S. 853. 86 Vgl. oben 11 2. 87 Vgl. die Wiedergabe des wesentlichen Inhalts des Beschlusses in BGHSt. 32, 115, oben 11 2 (am Anfang). 84 Festschrift für H.-H. Je3check.

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Jürgen Meyer

tung des BGH zum Einsatz von V-Leuten im Strafprozeß 88. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß der Beschluß des Großen Senats auf scharfe Ablehnung bei den Anhängern der bisherigen Praxis gestoßen ist". Eine andere Gruppe von Autoren, die den Beschluß des Großen Senats als Wende der Rechtsprechung grundsätzlich begrüßt, versucht dagegen, ihm aufgrund einer extensiven Interpretation "die Wertentscheidung zu entnehmen, daß der anonyme Gewährsmann künftig für das gerichtliche Verfahren ein Nullum sein sol1'