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German Pages 541 [544] Year 1995
Festschrift für Erich Steffen zum 65. Geburtstag
Festschrift für
ERICH STEFFEN zum 65. Geburtstag am 28. Mai 1995 Der Schadensersatz und seine Deckung
herausgegeben von
Erwin Deutsch
Ernst Klingmüller
Hans Josef Kullmann
w DE
G
1995 Walter de Gruyter · Berlin · N e w York
©
Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die U S - A N S I - N o r m über Haltbarkeit erfüllt.
Die Deutsche Bibliothek -
CIP-Einheitsaufnahme
Festschrift für Erich Steffen zum 65. Geburtstag am 28. Mai 1995 : der Schadensersatz und seine Deckung / hrsg. von Erwin Deutsch ... - Berlin ; New York : de Gruyter, 1995 I S B N 3-11-014537-5 N E : Deutsch, Erwin [Hrsg.]; Steffen, Erich: Festschrift
© Copyright 1995 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz und Druck: Saladruck, D-10997 Berlin Buchbindearbeiten: Lüderitz & Bauer G m b H , D-10963 Berlin
Erich Steffen zum 65. Geburtstag Im Geschäftsverteilungsplan des B G H ist dem VI. Zivilsenat, dessen Vorsitz der Jubilar seit Juni 1984 innehatte, vor allem der Kernbereich des deliktischen Haftungsrechtes und das oft schicksalprägende Arzthaftungsrecht zugewiesen. Juristisch gesehen bedeutet Haftung die Zurechnung einer Verantwortung einzelner oder mehrerer für einen Schaden — dahingehend konkretisiert, daß eine solche Einbuße einem oder mehreren zugerechnet wird und nicht als ein anonymes Schicksal, Ergebnis der Gefahren des täglichen Lebens, empfunden und gewertet wird. Immer wieder findet sich in den Arbeiten des Jubilars das Bemühen um eine humane Begrenzung der Verantwortung für das Ingangsetzen einer schädigenden Kausalkette, deren Ende noch über das konkrete Schadensereignis hinaus weiter wirken kann, für das aber ein menschlich und wirtschaftlich vertretbares Maß der Schadenszurechnung, wie etwa bei den Wrongful-Life-Entscheidungen, gefunden werden muß. Die Frage der in der Verantwortung gründenden Haftung ist wohl primär im ZurechnungsZusammenhang zu sehen, das heißt Zurechnung eines Fehlverhaltens, das in einer äußeren zunehmend standardisierten Sorgfalt und einer subjektiv bestimmten inneren Sorgfaltspflicht ausdifferenziert wird. Der Jubilar zeigt sich in seinen Schriften um eine mögliche Standardisierung, insbesondere bei der zuständigen Berufshaftung im Hinblick auf die Rechtssicherheit, bemüht. Im industriellen Bereich reicht sie über das Organisationsverschulden bis zur nunmehr gesetzlich geregelten Produzentenhaftung, die übrigens mit den herkömmlichen Mitteln der Jurisprudenz vom VI. Senat im Hühnerpestfall und in darauf fußenden weiteren Entscheidungen schon vorweggenommen und differenziert worden ist. Die Grenzen der individuellen Anknüpfung an die innere Sorgfaltspflicht bestimmen sich komplementär durch den Schutzbereich der Norm, der zudem durch die immer wieder erhöhten Anforderungen an den gesamten Sorgfaltsbereich erweitert worden ist. Die Verkehrssicherungspflicht als ein vielfältiger Bereich ist ein weiteres Feld, das dem Jubilar immer wieder Gelegenheit zu einzelnen erhellenden Bemerkungen geboten hat. Das gleiche gilt für die berufliche Sorgfaltspflicht, deren Verletzung er bei der qualitativen Standardisierung schon in die Nähe der Rechtswidrigkeit gerückt sehen will. Die Kenntniszurechnung von Schadensmöglichkeiten der sich immer mehr verfeinernden technischen sowie medizinischen und pharmazeutischen Errungenschaften sieht er zugleich als Herausforderungen einer Grenzenbestimmung an, die durch Ausdehnung einer Beobachtungspflicht
VI
Vorwort
wohl noch nicht endgültig vollzogen ist, - ja vollzogen sein kann. Bei Erörterung der Frage, ob die Vorverlegung der Sicherungspflicht in Form von Kontroll-, Uberwachungs- und Beobachtungspflichten bei einem möglichen Schadenseintritt zurechenbar ist, weist Steffen auf die Schwierigkeit einer einhelligen Anforderung mit guten Gründen hin; denn diese gipfelt in der Entscheidung, ob ein Negativereignis schicksalhaft oder die Folge von Fehlern ist, und wo im Detail der Fehler der Erkenntnis stecken könnte. Manchmal verschleifen gleichsam Organisationspflichten bei Großunternehmen und die verschärfte Haftung für Gehilfen, was er kommentierend und prognostizierend in seiner Kommentierung angesprochen hat und was auch in den Urteilen des Senates wiederholt anklingt. Ein Vergleich seiner Ausführungen zur Beweislast in der letzten Ausgabe des RGR-Kommentars mit der Darstellung in der vorhergehenden Auflage macht deutlich, wie stark die Umkehr der Beweislast dogmatisiert worden ist, meist im Interesse des Geschädigten und unter Ausweitung der Pflichten des Unternehmers und Herstellers, der nicht nur für Konstruktions- und Fabrikationsfehler, sondern auch für Instruktionsfehler und mangelnde Produktbeachtung ebenso haftet wie adäquat der Arzt für mangelhafte Aufklärung. Der differenzierte Pflichtenkreis, in dem Steffen eine Beweislastumkehr für gerechtfertigt hält, wird allerdings bei den Fällen der Multikausalität relativiert. Ihre entindividualisierende Wirkung möchte er in engen Grenzen gehalten sehen, wie er auch bei der Schadensberechnung dem konkreten Ansatz jeweils das Wort redet, zumindest bei Personenschäden, während er bei Sachschäden - vor allem im KFZ-Bereich - eher auch eine pauschale Regelung gegebenenfalls hinzunehmen bereit ist. Sein weiteres Interesse gilt der Berechnung der Vermögensschäden bzw. der mitunter recht problematischen Folgeschäden. Der weiteren Entwicklung des Persönlichkeitsrechtes, die im Herrenreiterfall ihre erste prägnante Ausformung erfahren hat, gilt ferner - angeregt durch seine Beschäftigung mit den Grundrechten als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesverfassungsgericht - das besondere Interesse des Jubilars. Dies spiegelt sich auch in einzelnen Anmerkungen wider, etwa dort, wo er das Leugnen der Judenmorde als Angriffe auf das Persönlichkeitsbild des Menschen qualifiziert und in einer Verbindung des geschichtlichen Vorganges mit den in der Bundesrepublik lebenden Juden eine psychologische Belastung sieht, die geschichtlich nicht relativiert werden dürfe. In diesem Zusammenhang sind auch seine Ausführungen zum Recht auf Verteidigung des in seiner Ehre Angegriffenen zu sehen, dessen Ausübung er grundsätzlich in dem dafür vorgesehenen grundgesetzlichen Rahmen zugesteht, zugleich setzt er aber im Spannungsverhältnis zwischen kritischer freier Meinungsäußerung und dem Ehrenschutz des Betroffenen neue Akzente. Zu denken ist dabei
Vorwort
VII
auch an die Bewertung der ehrverletzenden verdeckten Behauptung im Hinblick auf Art. 5 G G . In einer ganzen Reihe von Aufsätzen und Vorträgen über Entwicklungstendenzen des Haftungsrechtes sowie in Anmerkungen zu einzelnen Urteilen hat er diese zum Anlaß genommen, um darauf aufbauend weiterreichende dogmatische und rechtspolitische Akzente von allgemeiner Bedeutung zu setzen. Zusammengefaßt hat er seine langjährigen Erfahrungen in der ausführlichen Kommentierung der einschlägigen Paragraphen des B G B im RGR-Kommentar. Aus der sublimierten Interdependenz seiner Veröffentlichungen und den unter seiner Mitwirkung bzw. seinem Vorsitz ergangenen Urteilen läßt sich intuitiv ermessen, wie weit er im Laufe seiner Tätigkeit zur zeitgerechten Ausformung unseres Haftungsrechtes aufgrund seiner großen Lebenserfahrung und seiner Lebensklugheit beigetragen hat. In manchem bedeutsamen Urteil des Senates wird das Bemühen um einen Ausgleich des Spannungsverhältnisses zwischen der im Einzelfall gerechten Entscheidung und dem gesellschaftspolitisch erforderlichen System des Schadensausgleiches deutlich, den der Jubilar aus oft gegebenem Anlaß literarisch weiter fundiert. Mit kleineren und größeren Beiträgen und Kommentaren, etwa bei Lindenmaier/Möhring, hat er, nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen in seinem vielgestaltigen Leben, zu einer einheitlichen judiziellen Meinungsbildung und damit zur Rechtssicherheit in dem vielfältigen Haftungsrecht einen beachtenswerten Beitrag geleistet. Am 28. Mai 1930 in Erfurt als Sohn eines Versicherungsdirektors geboren, erhielt er seine humanistische Ausbildung an den Gymnasien in Bochum, Malchin/Mecklenburg, Schwerin und Herne. Nach dem Abitur 1950 wurde er zunächst als Berginspektor-Anwärter bei dem Oberbergamt in Dortmund eingestellt und nach bestandener Prüfung 1953 zum außerplanmäßigen Berginspektor ernannt. Nach diesem erfolgreichen Abschluß entschied er sich im gleichen Jahr, das juristische Studium aufzunehmen. Bereits nach sieben Semestern bestand er das Referendarexamen in Hamm und nach der üblichen Referendarausbildung in den Bezirken der Oberlandesgerichte Hamm und Düsseldorf das Assessorexamen. Der anschließende Dienst in der Justiz führte ihn zunächst als Richter an verschiedene Amts- und Landgerichte. Nachzutragen bleibt die Anfertigung seiner Dissertation im Jahre 1961, in der die Verbindung seiner ersten Berufstätigkeit mit seiner späteren richterlich-wissenschaftlichen Tätigkeit aufscheint. Sie trägt den Titel „Geschichtliche Entwicklung und Rechtsnatur des Staatsvorbehaltes und seine Stellung zum Bergregal". Von 1965 bis 1969 arbeitete er, zum Landgerichtsrat ernannt, als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim B G H und anschließend in gleicher Eigenschaft beim Bundesverfassungsgericht, inzwischen zum Oberlandesgerichtsrat befördert. 1972 wurde er
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Vorwort
zum Richter am BGH gewählt, 1984 zum Vorsitzenden Richter ernannt und mit dem Vorsitz des VI. Zivilsenates betraut, dem er schon seit Jahren angehört hatte. Aus der schon erwähnten sublimierten Interdependenz seiner Veröffentlichungen und Vorträge und den unter seinem Vorsitz ergangenen Urteilen läßt sich der Beitrag ermessen, den der Jubilar im Laufe seiner richterlichen Amtstätigkeit zur Ausformung unseres modernen Haftungsrechtes aufgrund seiner großen Lebenserfahrung über das rein Judizielle hinaus geleistet hat. Das reiche literarische Werk zeugt immer von dem Bemühen, das Haftungsrecht zu systematisieren und trotz der vielfältigen Lebenssachverhalte und Probleme eine dogmatische Grundlage zu schaffen, um die soziale Uberalterung des BGB vorsichtig abzutragen und die neuen technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Entwicklungen unter Beachtung der vom Gesetzgeber vorgesehenen Institutionen zu berücksichtigen und ihnen einen neuen zeitgemäßen Sinn zu geben. Nur selten hat er einer über den legislativen Rahmen herausgehenden Rechtsfortbildung das Wort geredet. Das Haftungsrecht wird sich aus den oben dargestellten Gründen auch in den folgenden Jahrzehnten weiterentwickeln und neue Herausforderungen zu bewältigen haben, ebenso wie auch das Persönlichkeitsrecht sich diesen Tendenzen nicht wird entziehen können. Dabei kann die weitere Entwicklung von einer im ganzen gesicherten Grundlage fortschreiten, deren dogmatische und rechtspolitische Fundierung nicht zuletzt der langjährigen Arbeit des Jubilars und „seinem Senat" zu danken ist. Erwin Deutsch Hans Josef
Ernst Klingmüller Kallmann
Inhalt ERNST ANKERMANN, D r . iur., Richter am Bundesgerichtshof a. D . , Lübeck: Haftung für fehlerhaften oder fehlenden ärztlichen Rat
1
EFSTATHIOS K . BANAKAS, D r . iur., N o r w i c h : Injuria in the new Anglo-American Law of Negligence
19
ERWIN BERNAT, D r . iur., Universitäts-Dozent an der Universität Graz: Recht und Humangenetik - ein österreichischer Diskussionsbeitrag
33
ROLF BISCHOFF, Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe: Zur Haftung des Durchgangsarztes
57
FRANZ BYDLINSKI, D r . iur., Universitätsprofessor an der Universität Wien: Schadensentstehung und Verjährungsbeginn im österreichischen Recht
65
CLAUS-WILHELM CANARIS, D r . iur., D r . h. c. mult., o. Professor an der Universität München: D e r Schutz obligatorischer Forderungen nach § 823 I B G B
....
85
ERWIN DEUTSCH, D r . iur., D r . iur. h. c., D r . med. h. c., o. Professor an der Universität Göttingen: Zivilrechtliche Haftung aus Aufopferung
101
WOLF-DIETER DRESSLER, D r . iur., Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe: D e r Erwerbsschaden des im Betrieb des Partners mitarbeitenden Ehegatten
121
WALTER DUNZ, Richter am Bundesgerichtshof a. D . , Stuttgart: Vereitelung von Gruppen- bzw. fremdnütziger Arbeitsleistung als Deliktsschaden des Verletzten
135
JÜRGEN VON GERLACH, D r . iur., Richter am Bundesgerichtshof, Darmstadt: D i e Haftung des Arztes für Fernwirkungsschäden
147
Inhalt
Χ
DIETER GIESEN, Dr. iur., o. Professor an der Freien Universität Berlin: D a s Arzthaftungsrecht des Bundesgerichtshofs in der Rechtsprechung des Auslands
158
PETER HANAU, D r . iur., Dr. h. c. mult., o. Professor an der Universität Köln: Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur H a f t u n g im Arbeitsverhältnis
177
CHRISTIAN HUBER, Dr. iur., Dozent, Wien/Augsburg: D e r Erwerbsschaden des Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wegen Behinderung in der Haushaltsführung „amerikanische Verhältnisse" durch Zuerkennung eines Ersatzanspruchs?
193
STIG J0RGENSEN, D r . iur., Professor an der Universität Ärhus: „Bürgerliches Mittelmaß"
205
MARTIN KAROLLUS, D r . iur., o. Professor an der Universität Linz: Die Rückkehr z u m individuellen deliktischen Schadensersatz bei der Konkursverschleppung und der aktuelle Streit um die Aktivlegitimation
213
ERNST KLINGMÜLLER, Dr. iur., em. Universitätsprofessor, H o n o rarprofessor an der Universität Karlsruhe, Richter am Oberlandesgericht a. D., Köln: Zur Bewertung der Fertilisation im islamischen Recht
225
OTTO ERNST KRASNEY, Dr. iur., Vizepräsident des Bundessozialgerichts, Kassel, Professor an der Universität Gießen: Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bei Tätigkeiten wie ein Beschäftigter (§ 539 Abs. 2 ί. V. m. Abs. 1 Nr. 1 R V O )
235
HANS JOSEF KULLMANN, Dr. iur., Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe: Bestrebungen zur Änderung der Beweislast bei der H a f t u n g aus § 84 A M G
247
MANFRED LEPA, Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe: D i e Einwirkung der Grundrechte auf die Anwendung des Deliktsrechts in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . .
261
Inhalt
XI
HANS LILIE, D r . iur., o. Professor an der Universität Halle/Saale: Hilfe z u m Sterben
273
PETER MACKE, Dr. iur., Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Brandenburg: Heilbehandlungsfolgenrecht in der ehemaligen D D R
289
BURKHARD MADEA, D r . med., Universitätsprofessor an der Universität Köln; MICHAEL STAAK, D r . med., Universitätsprofessor an der Universität Köln: Haftungsprobleme der Arzneimitteltherapie aus rechtsmedizinischer Sicht
303
PETER MARBURGER, Dr. iur., o. Professor an der Universität Trier: Vereinbarungen über den Ersatz ökologischer Schäden nach § 16 UmweltHG
319
DIETER MEDICUS, Dr. iur., o. Professor an der Universität München: Die Forderung als „sonstiges Recht" nach § 823 Abs. 1 B G B ? . . .
333
HERBERT MESSER, Dr. iur., Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe: D e r Anspruch auf Geldersatz bei Kreditgefährdung, § 824 B G B , und Anschwärzung, § 14 U W G
347
GERDA MÜLLER, Dr. iur., Richterin am Bundesgerichtshof, Karlsruhe: Fortpflanzung und ärztliche Haftung
355
PIA RUMLER-DETZEL, Dr. iur., Vors. Richterin am Oberlandesgericht Köln: Psychosoziale Belange der Parteien in Arzthaftungsprozessen und die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs z u m Arzthaftungsrecht
373
ERIKA SCHEFFEN, Richterin am Bundesgerichtshof a. D., Karlsruhe: Reformvorschläge zur H a f t u n g von Kindern und Jugendlichen . 387 GOTTFRIED SCHIEMANN, D r . iur., o. Professor an der Universität Tübingen: Schadensersatz und Praktikabilität - Zur Dispositionsfreiheit des Geschädigten
399
XII
Inhalt
Mitglied des Vorstandes des Gerling-Konzerns; Leiter der Haftpflicht-Schadensabteilung des Gerling-Konzerns, Köln: Die Verschärfung der Umwelt- und Arzneimittelhaftung Entwicklungen und Gefahren aus der Sicht der Haftpflichtversicherer 413
HERBERT SCHILLING, ALEXANDER
MACK,
Dr. iur., Professor an der Universität Hannover, Rechtsanwalt, Braunschweig: Verschuldensprinzip, Verursachungsprinzip und Beweislastumkehr im Wandel der Zeitströmungen 429
JOACHIM SCHMIDT-SALZER,
Dr. iur., Dr. iur. h. c., Präsident der Universität Göttingen: Wann darf ein Organ entnommen werden? - Recht und Ethik der Transplantation 451
H A N S - L U D W I G SCHREIBER,
Dr. iur., o. Professor an der Universität Freiburg i. Br.: Schadensersatz für verlorene Heilungschance vor englischen Gerichten in rechtsvergleichender Sicht 465
H A N S STOLL,
Dr. iur., Professor an der Universität Saarbrücken, Brüssel: Zur Fortentwicklung des in der Europäischen Union angeglichenen Privatrechts durch die Gerichte der Mitgliedstaaten . . . . 479
H A N S CLAUDIUS TASCHNER,
Dr. iur., o. Professor an der Universität Mannheim: Berufsständische Satzungen als Schutzgesetze i. S. des § 823 II BGB 489
JOCHEN TAUPITZ,
Dr. iur., Vors. Richter am Bundesgerichtshof a. D., Karlsruhe: Verfolgungsfälle: objektive und subjektive Zurechnung 507
REINHOLD WEBER,
Haftung für fehlerhaften oder fehlenden ärztlichen Rat ERNST ANKERMANN
I. 1. Im Vordergrund des haftungsrechtlichen Interesses an Fortschritt und Risiken der modernen Medien stehen die aufsehenerregenden Entwicklungen medizinischer Apparate und damit verbundener Behandlungstechniken. Immer neue Pharmaka kommen auf den Markt, um im Kampf gegen Bakterien und Viren wenigstens zeitweise die Oberhand zu gewinnen und im menschlichen Körper ablaufende Prozesse zu beeinflussen. Weitere spektakuläre Aussichten auf erfolgreiche medizinische Interventionen verspricht die Gentechnologie. Das alles wirft neue haftungsrechtliche Fragen auf, die um so schwerer zu lösen sind, als keinesfalls ein ethischer Konsens über die Grenzen besteht, über die hinaus Interventionen in den lebenden oder nach medizinischer Definition toten menschlichen Körper nicht mehr zulässig sind. Was Krankheit ist, was es mit dem Tod auf sich hat, kann schwerlich nur von rein naturwissenschaftlichen Vorstellungen her beantwortet werden, deren teilweise naiv erscheinender Glaube an das Sicht- und Meßbare (worauf das Machbare folgt) Erkenntnissen der modernen Physik, der Sozialwissenschaften, der Psychologie, nicht zuletzt auch Sichtweisen heutiger Philosophie und Religion nicht gerecht wird. Altmodisch ausgedrückt: Der Mensch, gerade auch in seiner Eigenschaft als Patient und damit als Objekt medizinischer Eingriffe, hat außer seinem stofflichen Körper noch eine Seele; zum mindesten ist das nicht zu widerlegen. Die Medizin stößt also an Grenzen, die zu überschreiten inhuman sein könnte, sie stößt darüber hinaus auch an Grenzen, die durch die vorhandenen materiellen Mittel gezogen werden, ganz davon abgesehen, daß die Segnungen des Fortschritts nur einem sehr kleinen, privilegierten Teil der Menschheit zugute kommen. Wer mit Arzthaftungsrecht umgeht, kann und darf davon nicht absehen. Seine Wertungen können - so hofft er wenigstens - hier und da eine Signalwirkung haben. Deshalb bedarf es mehr als der Beherrschung juristischer Techniken. Kenntnis von der aktuellen gesellschaftlichen und ethischen Diskussion ist erforderlich. 2. Was neben dem äußerlichen Augenschein für den Arzt bis weit in das 19. Jahrhundert hinein im Vordergrund stand, war das Gespräch mit dem Patienten, seine Befragung. So verschaffte er sich die ihm zugäng-
2
Ernst Ankermann
lichen medizinischen Befunde. Er baute dabei in der Regel auch eine menschliche Beziehung zwischen sich und dem Patienten auf, die freilich mehr noch als heute von der Dominanz des Arztes als des Wissenden und über die Heilmittel und -kräfte Verfügenden geprägt war. Das ist nicht mehr das Modell der Arzt-Patient-Beziehung in der modernen westlichen Zivilisation. Der aufgeklärte Patient ist im Idealfall mündiger Partner des Arztes; gemeinsam gehen sie die Krankheit und das Leiden an. Dabei kommt heute, wie allgemein beklagt wird, von besonderen Therapieformen abgesehen, das Gespräch zu kurz. Das wird vielfach als Verlust erlebt. Der Patient fühlt sich einem Medizinapparat ausgeliefert. Eine Neubesinnung darauf, daß jedes Gespräch des Arztes mit seinem Patienten auch Therapie sein könnte, wird von mancher Seite gefordert. Hier ist nicht der Ort, auf diese Fragen weiter einzugehen. Natürlich ist die Kommunikation im Gespräch immer noch eine wesentliche Grundlage dessen, was das Thema dieser Abhandlung sein soll, nämlich die Beratung des Patienten durch den Arzt als Therapie im weitesten Sinne. Das gilt bei der Anamnese, die im besten Fall auch Sozialanamnese ist, bei dem Vorschlag für Diagnosemaßnahmen, dem Anraten bestimmter Therapien, und führt bis zu Ratschlägen für den weiteren Umgang mit der Krankheit und die weitere Lebensführung. 3. Therapeutische Beratung 1 , wie wir diese Gesprächsabläufe bezeichnen wollen, ist inhaltlich einmal in juristischer Terminologie Verlaufsaufklärung, also die Information des Patienten über den Ablauf des vorgeschlagenen medizinischen Programms. Als Teil der sog. Eingiffsaufklärung, der Vermittlung von Informationen über geplante Interventionen in den menschlichen Körper (was auch psychische Interventionen einschließt), ist sie eine der Grundlagen für die Entscheidung des Patienten, ob er den Eingriff dulden will, berührt mithin sein Selbstbestimmungsrecht und ist, wenn fehlerhaft, wegen der Verletzung eben dieses Selbstbestimmungsrechts und der daraus folgenden Rechtswidrigkeit des körperlichen Eingriffs ein Haftungstatbestand. - Ohne andererseits schon Sicherheitsaufklärung im engeren Sinn zu sein, d. h. Information und Beratung über das medizinische Programm und therapierichtiges Verhalten, gibt es nach heutigem Verständnis eine Pflicht des Arztes, den Patienten über die erhobenen Befunde, die Diagnose und die Prognose zu unterrichten. Rechtlich ist das eine Nebenpflicht aus dem Arztvertrag, der die Weitergabe medizinischer Daten an den Patienten 1 Von „therapeutischer Aufklärung" oder „Sicherungsaufklärung" spricht Laufs, Handbuch des Arztrechts, S. 346; dort auch die einzige Kurzdarstellung zum Thema neben den Ausführungen von Steffen in seinen Skripten „Neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht". Die Bezeichnung „Therapeutische Beratung (Sicherheitsaufklärung)" findet sich bei B G H N J W 1989, 2320 = A H R S 3110/34.
Haftung für fehlerhaften oder fehlenden ärztlichen Rat
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natürlich in auch dem Laien verständlichem Umfang und Form - fordert, aus Respekt vor dessen Persönlichkeit und seinen Erwartungen an Offenheit und Partnerschaft. Es sollte aber auch ein Postulat des Persönlichkeitsschutzes sein mit der Folge, daß unterlassene oder fehlerhafte Unterrichtung über diese Daten zum Schadenersatz aus unerlaubter Handlung führt. Der Jurist spaltet freilich, wie auch sonst oft, wegen der verschiedenen haftungsrechtlichen Folgen den einheitlichen Lebensvorgang des Gesprächs, das Verlaufsaufklärung und Information über medizinische Daten (in der Regel noch mehr) enthält, künstlich auf. Abgrenzungsschwierigkeiten sollten aber nicht auftauchen und wenn doch, nicht unüberwindlich sein. Entstehen dem Patienten aus der Verletzung der genannten Unterrichtungspflichten Schäden, hat das haftungsrechtliche Relevanz. Beispiele, die die Rechtsprechung beschäftigt haben, sollen das verdeutlichen. Unter dem Aspekt der gebotenen Offenheit ist dem Patienten auch die Krebsdiagnose 2 mitzuteilen. Dabei versteht es sich von selbst, daß der Arzt das schonend und rücksichtsvoll tut. Der Verfasser hat miterlebt, wie das geschehen kann, ohne daß dem Patienten aller Mut genommen wird. Auf das Problem der medizinischen Kontraindikation im Einzelfall kann hier nicht eingegangen werden. Daß es nicht genügt, nur Angehörige zu informieren 3 , sollte auf der Hand liegen. Dem in Ungewißheit gehaltenen Patienten kann etwa ein Schaden entstehen, weil er daran gehindert wird, auf weitere, ihn belastende Therapiemaßnahmen zu verzichten oder es mit alternativen, von der Schulmedizin nicht angebotenen Behandlungsmöglichkeiten zu versuchen. Unter dem Aspekt der Schonung des Patienten darf diesem nicht eine objektiv falsche Diagnose einer schweren Erkrankung eröffnet werden mit der Folge eines psychischen Schocks 4 . Dasselbe gilt für ungesicherte Verdachtsdiagnosen 5 . Was der Arzt anrichten kann, wenn er solche Fehler macht, zeigt sich etwa bei der Mitteilung eines positiven HIV-Befundes 6 . Ansprüche des Patienten können weiter entstehen, wenn ihm die, u. U. auch infauste, Prognose verschwiegen wird. Das kann zu wirtschaftlichem Schaden führen, etwa wenn nicht mehr Zeit bleibt, ein
2 BGHZ 29, 176 = AHRS 4730/1; s. a. BGHZ 107, 222 = NJW 1989, 2318 = AHRS 3110/37 u. O L G Hamburg AHRS 3110/38. 3 BGHZ 107,222 = NJW 1989,2318 = AHRS 3110/37. 4 OLG Braunschweig AHRS 3130/3. 5 O L G Köln NJW 1987,2936 = AHRS 2305/8. ' OLG Köln NJW 1988, 2306 = AHRS 3130/2.
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Ernst Ankermann
Testament zu errichten7. Aber auch sonst können wirtschaftliche Dispositionen verhindert werden. Der Patient hat ein Recht darauf, sein verbleibendes Leben zu ordnen. Falsche Angaben über die voraussichtliche Verweildauer in der Klinik können ebenfalls schwerwiegende Folgen haben. Haftungsrechtliche Folgen werden allerdings aus naheliegenden Gründen die Ausnahme sein8. Es bleibt die schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechtes, die darin liegen kann, daß dem Patienten eine Gelegenheit versagt wird, sich innerlich mit dem bevorstehenden Ende seines Lebens auseinanderzusetzen; manch einer will das vielleicht. Wie ein Patient mit seiner Krankheit und mit dem Tod umgehen will, ist seine ureigene, vom Arzt zu respektierende Entscheidung. Ein eindrückliches Beispiel sind die „Diktate über Sterben und
Tod" von Peter Noll.
II. Die weithin so bezeichnete Sicherheitsaufklärung im engeren Sinn meint die dem Patienten geschuldete Beratung über therapierichtiges Verhalten. Ein Sondergebiet, das auch gesondert abgehandelt werden wird, ist dabei die Beratung über die Sterilisation und die genetische Beratung. Fehler und Unterlassungen bei der Sicherheitsaufklärung sind Behandlungsfehler im weiteren Sinn. Arztliches Handeln ist, wie gezeigt, eben nicht nur der diagnostische oder therapeutische Eingriff in den Körper, sondern auch das der Heilung, der Prophylaxe und der Nachsorge dienende Gespräch. 1. Ein Uberblick über verschiedene Fallgruppen soll im Folgenden aufzeigen, was Beratung über therapierichtiges Verhalten sein kann, welche Rechtspflichten sich daraus für den Arzt ergeben können und wo die Grenzen liegen. a) Der Patient muß, soll die vorgeschlagene Diagnosemaßnahme oder die vorgeschlagene Therapie durchgeführt werden können, dabei in der einen oder anderen Form mitwirken. Deshalb muß ihm gesagt werden, wie und in welcher Form der Arzt vorgehen will. Man denke etwa an eine Herzkatheteruntersuchung. Der Arzt muß das medizinische Programm dem Patienten so erklären, daß er es als medizinischer Laie versteht und das, was von ihm erwartet wird, richtig macht. Zur Verordnung von Medikamenten gehören Informationen, wann, wie und in
BGH NJW 1989,2945 = AHRS 0380/20. ' O L G Braunschweig NJW 1991, 2969, wo es allerdings um die Einwilligung in die Behandlung geht. 7
Haftung für fehlerhaften oder fehlenden ärztlichen Rat
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welchen Mengen sie einzunehmen sind9. An mangelnder Compliance kann auch der Arzt schuld sein. Der Diabetiker braucht Anweisungen für die tägliche Selbstbehandlung mit Insulin, für die Selbstbeobachtung der Werte und die einzuhaltende Diät. Körperliche Übungen zur Verbesserung der Beweglichkeit und der Muskulatur sind nach erfolgreicher Operation anzuraten, aber auch notwendige vorübergehende Schonung, weil etwa das Bein noch nicht belastet werden soll10. Bäder sind zu nehmen, Bandagen zu tragen. Die Beispiele ließen sich beliebig vermehren. Das alles macht deutliche und verständliche Wortwahl nötig. Hat der Patient Bedenken gegen die angeratenen Maßnahmen oder lehnt diese sogar ab, obwohl er dadurch nach ärztlicher Erfahrung seine Gesundheit gefährdet, ist er auf die Dringlichkeit und die Gefahren, die ihm aus der Ablehnung entstehen können, mit Nachdruck hinzuweisen11. Danach ist es sein gutes Recht, mit sich zu verfahren, wie er es für richtig hält; er muß aber wissen, was er tut. b) Hinzuweisen ist weiter auf Unverträglichkeits- und Zwischenfalls risiken. Das beste Beispiel ist die Verordnung von Medikamenten. Nicht jeder Patient kann den Beipackzettel lesen, geschweige denn verstehen. Er kann nur hoffen, daß der Arzt ihn gelesen und verstanden hat. Hier wie auch sonst: Der Patient muß die möglichen typischen Komplikationen kennen und in der Lage sein, sie richtig einzuordnen, um die ihm möglichen Gegenmaßnahmen zu ergreifen und zu wissen, ob er ärztliche Hilfe braucht und wo er sie findet12. In diesen Zusammenhang gehört schließlich die Beratung vor Schutzimpfungen, an die die Rechtsprechung hohe Ansprüche stellt13. c) Nach Abschluß einer ambulanten Behandlung und nach Entlassung aus der Klinik muß der Patient wissen, ob und in welcher Form er weiterer ärztlicher Überwachung bedarf und ob eine Weiterbehandlung erforderlich ist. Der Arztbrief14 an den Kollegen reicht nicht aus, weil nicht in jedem Fall gesichert ist, daß der sog. Hausarzt den Patienten einbestellt, und damit gerechnet werden muß, daß ein Patient, der sich subjektiv wohlfühlt, weitere Arztbesuche nicht mehr für erforderlich
' BGH NJW 1970, 511 = AHRS 5100/3. OLG Hamm AHRS 3110/9. 11 BGHZ 2 9 , 1 7 6 = NJW 1959, 814 = AHRS 4730/1. 12 BGH NJW 1972, 335 = AHRS 3110/5; OLG Celle VersR 1986, 554 = AHRS 3110/16. 13 BGH VersR 1959, 355 = AHRS 0465/6; O L G Hamm AHRS 3110/10; BGH NJW 1994,3012. 14 Zum notwendigen Inhalt des Arztbriefes BGH VersR 1994, 102. 10
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Ernst Ankermann
hält. Zu warnen ist ferner vor Ansteckungsgefahren 15 , spätere Kontrollen müssen angeraten werden 16 .
erforderliche
d) Wenn der Fall vor einen Spezialisten gehört, ist der Patient an diesen zu verweisen 17 . Anderenfalls liegt auch ein Ubernahmeverschulden des Arztes nahe. Allerdings gibt es Grenzen: Ohne besondere Nachfrage des Patienten muß dieser sicher nicht über noch in der Erprobung befindliche neue medizinische Methoden an Spezialkliniken informiert werden 18 . Die Grenzziehung - das Problem stellt sich in erster Linie bei der Eingriffsaufklärung über alternative Behandlungsmethoden - ist sicher schwierig. Sie hängt auch damit zusammen, welche Ansprüche an die Qualität der Behandlung ein Patient von Rechts wegen stellen darf und angesichts der Kosten kann. Das kann an dieser Stelle nicht vertieft werden. e) Endlich hat der Arzt, wenn medizinisch anzuraten, Operationsempfehlungen abzugeben, so wenn Nachoperationen und Korrekturoperationen in Betracht kommen 1 9 , oder wenn der Arzt anläßlich eines Eingriffs weitere behandlungsbedürftige Befunde sieht. f) Ein weiterer Komplex soll bezeichnet werden als Ratschläge zur Lebensführung. Es ist sicher vergebliche Liebesmühe, alles aufzuzählen, was dazu gehören kann. Einiges mag zur Illustration erwähnt werden: Vielfach muß der Patient krankheitsbedingte Einschränkungen auf sich nehmen. Man denke an Diabetes, HIV-Infektion, Schwangerschaft (auch wenn das schwerlich eine Krankheit ist). D e m Patienten muß eine Diät empfohlen werden; vielleicht muß er abspecken. Er muß den Genuß von Alkohol einschränken oder aufgeben, er soll nicht mehr (so viel) rauchen, vor Drogen ist zu warnen. Ihm muß gesagt werden, ob und welche körperlichen Anstrengungen er meiden soll, welchen Sport er treiben sollte und welchen nicht, ob er sich nicht so viel der Sonne aussetzen soll, wie es mit dem Saunabesuch steht, ob er ein bestimmtes Körperglied nicht belasten soll. Last not least: Welche Gefahren das Führen eines Kraftfahrzeuges für den Patienten und andere Verkehrsteilnehmer mit sich bringt, wenn psychische oder körperliche Beein15 B G H VersR 1959, 448 = AHRS 3110/3; B G H VersR 1960, 416 = AHRS 3110/4; L G Ravensburg NJW 1978,1692 = AHRS 3110/7. " O L G Braunschweig VersR 1980, 853 = A H R S 3110/8; O L G Hamm VersR 1984, 91 = AHRS 3110/11; B G H AHRS 3110/27; O L G Frankfurt VersR 1990, 659 (L) = AHRS 3110/35. 17 O L G Braunschweig VersR 1980, 853 = AHRS 3110/8; O L G Saarbrücken AHRS 3110/15. '« O L G Celle VersR 1987, 591 = AHRS 3110/20. " B G H N J W 1987, 705 = AHRS 3110/21; B G H VersR 1989, 189 = AHRS 3110/31;
nr r, PronUf,,^ a h r s -um/"**;
Haftung für fehlerhaften oder fehlenden ärztlichen Rat
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trächtigungen bestehen, ist allgemein bekannt. Das wird der Patient allein schwer einschätzen können20. Jemand hat eine Reise vor, die für ihn in seinem derzeitigen Gesundheitszustand zu gefährlich ist21. - Unterlassene oder falsche Beratung ist auch auf diesem Gebiet haftungsrechtlich relevant. Man wird befürchten müssen, daß hier ein besonders großes Dunkelfeld von Verstößen gegen die ärztliche Sorgfalts- und Fürsorgepflicht besteht. Das ändert nichts an der grundsätzlichen Verpflichtung, angerichtete Schäden auszugleichen. 2. Verbunden mit der Beratung über therapierichtiges Verhalten sind Benachrichtigungspflichten des Arztes. a) Sie bestehen einmal da, wo neue Erkenntnisse und Befunde vorliegen, die dringend weitere Untersuchungen und Therapiemaßnahmen erforderlich machen. Erhält der Arzt etwa histologische oder Laborbefunde, die in diese Richtung weisen, hat er sofort alles zu unternehmen, um den Patienten zu verständigen und ihn auf die Notwendigkeit und Dringlichkeit weiterer ärztlicher Behandlung hinzuweisen 22 . Wenn der Fall ernst ist, genügt es nicht, nach einigen vergeblichen telefonischen Versuchen, den Patienten zu erreichen, die Sache auf sich beruhen zu lassen: Soweit möglich, sind alle anderen erfolgversprechenden Schritte einzuleiten, um den Patienten ausfindig zu machen und zu verständigen23. b) Ob der Patient, der aufgefordert worden ist, sich zu einem bestimmten Termin in der Praxis oder der Klinik wiedervorzustellen, erinnert werden muß, wenn er nicht gekommen ist, hängt davon ab, ob Gefahr im Verzuge ist24. In anderen Fällen hat die Rechtsprechung eine solche Verpflichtung schon verneint25. Die Grenzziehung ist sicher nicht einfach. Dem überlegenen Fachwissen des Arztes, der die Aussichten einer Weiterbehandlung und die Gefahren einer Nichtbehandlung kennt, steht die eigene Verantwortung des Patienten gegenüber, der sich ja jederzeit gegen eine Weiterbehandlung, vielleicht auch nur von diesem Arzt, entscheiden kann. Wenn es sich nicht um Bagatellen handelt, sollte es nicht zu viel verlangt sein, ein Erinnerungsschreiben an den Patienten hinausgehen zu lassen, der möglicherweise zu seinem Schaden nachläs-
LG Konstanz NJW 1972,2233 = AHRS 3110/6. LG Frankfurt VersR 1981, 1040 = AHRS 0380/3; K G Berlin VersR 1988, 1184 = AHRS 3110/28. 22 BGH NJW 1985, 2749 = AHRS 3110/19; Β GHZ 107, 222 = N J W 1989, 2318 = AHRS 3110/37. 23 OLG Düsseldorf AHRS 3110/41. 24 OLG München VersR 1988, 1158 = AHRS 3110/30; O L G Frankfurt VersR 1990, 659 (L) = AHRS 3110/35; BGHZ 107, 222 = NJW 1989, 2318 = AHRS 3110/37. 25 O L G Celle VersR 1984, 393 = AHRS 3110/12; O L G Köln AHRS 3110/26. 20 21
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sig ist, sich subjektiv gut fühlt oder den T e r m i n einfach vergessen haben mag 2 6 . 3. In einem E x k u r s soll n o c h auf die Pflichten des Arztes in einem Fall der Behandlungsverweigerung des Patienten eingegangen werden. a ) D e r Patient darf jeden diagnostischen oder therapeutischen ärztlichen Eingriff verweigern. D a s ist Teil seines Selbstbestimmungsrechtes, und es gilt auch dann, w e n n er sich dadurch schwer gefährdet und sogar sein L e b e n riskiert. D i e Zwangsbehandlung eines Menschen, der bei klarem Verstand ist, ist unzulässig. D a s ist, so scheint es, zuweilen selbst für Strafgerichte schwer zu verstehen. Andererseits aber m u ß der Patient auf die K o n s e q u e n z e n seiner Weigerung deutlich hingewiesen werden und ist notfalls schonungslos aufzuklären 2 7 . E r kann sich nämlich, ähnlich wie bei der Risikoaufklärung, nur dann selbstbestimmt entscheiden, w e n n er alle relevanten U m s t ä n d e kennt. D e r A r z t , der seine B e h a n d lung ü b e r n o m m e n hat, ist G a r a n t dafür, daß er diese Kenntnis erhält. b) I m m e r wieder erlebt es der A r z t , daß der Patient die nach ärztlicher Beurteilung notwendige Einweisung in eine Klinik ablehnt. A u c h da genügt der H i n w e i s auf die Folgen einer Weigerung, etwa Kollapsgefahr oder G e f a h r zu verbluten 2 8 . D e r A r z t m u ß nicht Angehörige verständigen, sofern kein Zweifel daran besteht, daß der Patient bei klarem V e r stand ist. - N i c h t anders ist die Situation, wenn der Patient entgegen ärztlichem R a t die Klinik verläßt. E r darf dort nicht festgehalten werden, m u ß andererseits selbstverständlich über die Folgen seiner H a n d lungsweise informiert werden, gegebenenfalls Ratschläge m i t b e k o m men, wie er sich im N o t f a l l verhalten sollte. K o n n t e vorher mit dem Patienten nicht gesprochen werden, weil er u n b e m e r k t weggegangen ist oder ein Gespräch mit einem A r z t nicht abgewartet hat, m u ß versucht werden, ihn zu H a u s e und oder über den bekannten Hausarzt zu erreichen, u m i h m die möglichen F o l g e n seines Verhaltens klarzumachen 2 9 . H a t der A r z t nämlich einmal die Behandlung des Patienten ü b e r n o m men, darf er ihn nicht seinem Schicksal überlassen, ohne alles versucht zu haben, ihn zu überzeugen.
26 Zurückhaltender R G R K - N ü ß g e n s 12. Aufl. § 823 Anh II Rdn. 288 u. MünchKommMertens 2. Aufl. § 823 Anm. 385. 27 B G H Z 2 9 , 1 7 6 = AHRS 4730/1. 28 O L G Düsseldorf AHRS 3110/14; O L G Celle VersR 1985, 346 = AHRS 6565/7; O L G Karlsruhe VersR 1987, 1247 = AHRS 6335/4. 29 B G H N J W 1991, 748 = AHRS 3110/40.
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III. In der modernen Medizin hat sich ein Spezialgebiet entwickelt, in dem Beratungspflichten des Arztes eine hervorragende Rolle spielen. Es geht um die Beratung über Empfängnisverhütung und Sterilisation und um die genetische Beratung. 1. a) Einigermaßen unumstritten, jedenfalls aus rechtlicher Sicht, ist die Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit einer Sterilisation der Frau oder des Mannes30. Empfängnisverhütung, früher nach überlieferten Methoden je nach Kenntnis und Geschicklichkeit privat praktiziert, wird heute weithin unter ärztlicher Kontrolle betrieben, wie andererseits auch die Bekämpfung der Unfruchtbarkeit mit neuen, spektakulären Techniken Aufgabe des Arztes ist (ein schönes Beispiel übrigens dafür, daß „Krankheit" vielfach soziale Zuschreibung ist). Es liegt nahe, den Arzt dann auch haftungsrechtlich in die Pflicht zu nehmen, wenn er bei seinem ärztlichen Handeln einen vermeidbaren Fehler gemacht hat. Daß solche Fehler im Blick darauf, daß durch sie neues menschliches Leben entstehen kann, einmal im wesentlichen nicht zu Körper- und Gesundheitsschäden führen, sondern zu wirtschaftlichen Einbußen der Eltern, die diese gerade vermeiden wollten (andere gewiß schwerwiegende soziale Folgen sind rechtlich nicht faßbar), sollte einer Inanspruchnahme des Arztes für den von ihm angerichteten Schaden nicht entgegenstehen. Die teilweise unsägliche Diskussion darüber, ob das ungewollte Kind ein „Schaden" sein könne und dürfe, geht von Wertungen aus, die keine Allgemeinverbindlichkeit beanspruchen können und dem Geschädigten, der das in der Regel anders sehen wird, nicht aufgezwungen werden dürfen. b) Im Vordergrund der vom Arzt bei der Sterilisation erwarteten und zu fordernden Beratung des Patienten steht nicht die Darstellung verschiedener Sterilisationsmethoden, ihrer jeweiligen Vor- und Nachteile und ihrer medizinischen Risiken31. Das ist eine Frage der Verlaufs- und Eingriffsaufklärung, die das Selbstbestimmungsrecht des Patienten in bezug auf den Eingriff selbst angeht. Therapeutische Beratung im allgemeinen Sinn wird selbstverständlich geschuldet, soweit es um medizinische Kontrollen, Benachrichtigungspflichten und Wiedereinbestellung geht. Im Mittelpunkt steht hier die Beratung über ein nach der Sterilisation verbleibendes Versagerrisiko, also die Gefahr einer spontanen Refertilisierung. Dieses Risiko scheint nur nach einer Totaloperation ganz
B G H Z 6 7 , 4 8 = N J W 1977,1790 = A H R S 1010/5. O L G Düsseldorf VersR 1987,142 = A H R S 3120/8; O L G H a m m VersR 1987, 1146 = A H R S 3120/12. 30 31
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auszuschließen sein. Ansonsten gibt es körperliche Zustände und Befindlichkeiten, in denen orale Verhütungsmittel versagen können, gibt es totale Sicherheit weder bei Benutzung von Pessar und Spirale, und erstaunlicherweise verschafft sich der menschliche Körper nach Durchtrennung der Eileiter oder einer Vasektomie im Einzelfall neue Wege, die eine Empfängnis ermöglichen. Das müssen Frau oder Mann nach einer Sterilisation wissen32. Es ist dann ihre Entscheidung, ob sie zu ihrer Sicherheit beim Geschlechtsverkehr zusätzliche Verhütungsmittel anwenden oder das Restrisiko einer Empfängnis eingehen. Die danach erforderliche Beratung über das Versagerrisiko ist mit allen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten eines zwischenmenschlichen Gesprächs behaftet. Deshalb muß der Arzt sichergehen, daß seine Information verstanden wird, und muß seine Worte dem Niveau des Gesprächspartners anpassen33. Angemerkt mag werden, daß die Rechtsprechung bei Eheleuten nur die Beratung desjenigen fordert, der sich sterilisieren lassen will 34 . Dem wird jeder zustimmen können, der die Entscheidung darüber, ob jemand ein Kind haben will oder nicht, zur Selbstbestimmung des Menschen, in den meisten Fällen der vor allem betroffenen Frau, rechnet, in die niemand hereinzureden hat. Das schließt ja wie sonst auch nicht aus, daß ich mich vor solchen Entscheidungen mit anderen Menschen, die das nach meinem Verständnis angeht, über das Für und Wider ausspreche. - Zum Mindestinhalt der Sterilisationsberatung gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung. Sie läuft darauf hinaus, daß das Versagerrisiko in seiner realen Bedeutung zutreffend beschrieben werden muß, ohne daß statistische Zahlen genannt werden müssen35. Sofern der Arzt solche Zahlen nennt, müssen sie freilich einigermaßen richtig sein36. Mehr muß der Arzt aber nicht tun. Er darf weiteres den Fragen der Patienten überlassen. Ungefragt braucht er keine Verhütungsempfehlungen abzugeben37. 2. Die genetische Beratung ist einstweilen haftungsrechtlich nur als Beratung der schwangeren Frau über Mißbildungsrisiken des werdenden Kindes und allgemein als Beratung über Erbkrankheiten von Bedeutung. Mit rasant zunehmendem Wissen in der Humangenetik werden
BGH NJW 1981, 630 = AHRS 3120/1. OLG Düsseldorf AHRS 3120/5. 34 BGH NJW 1981, 630 = AHRS 3120/1; OLG Frankfurt VersR 1983, 879 = AHRS 3120/3. 35 BGH NJW 1981, 630 = AHRS 3120/1; O L G Frankfurt VersR 1983, 879 = AHRS 3120/3; OLG Frankfurt AHRS 3120/11; O L G München AHRS 3120/13; O L G Nürnberg VersR 1988, 1137 (L) = AHRS 3120/19. 36 OLG Köln VersR 19787, 187 = AHRS 3120/7. 37 O L G Nürnberg VersR 1988, 1137 (L) = AHRS 3120/19; BGH AHRS 3120/21. 32
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sich allerdings ganz neue Fragen stellen, die einer rechtlichen Regelung bedürfen. Es wäre zu hoffen, daß der Gesetzgeber, soweit irgendmöglich, die nötigen Vorgaben zur Verfügung stellt. Für den Richter wird genug an schwierigen Wertungen bleiben. Die Darstellung solcher Zukunftsprobleme, die sich auch bei der Beratung stellen werden, würde den Rahmen dieser Abhandlung sprengen und könnte derzeit vom Verfasser gar nicht geleistet werden. a) Die Erkenntnisse und die technischen Möglichkeiten der modernen Medizin ermöglichen es immer mehr, Informationen über die körperliche Befindlichkeit des Fötus schon in sehr frühen Stadien der Schwangerschaft zu erhalten. Diese „Früherkennung" hat zur Folge, daß Fehlentwicklungen und Krankheiten des Kindes im Mutterleib rechtzeitig medizinisch behandelt werden können. Das erscheint, sofern die Risiken kalkulierbar und vertretbar sind, ethisch unbedenklich und gehört aus haftungsrechtlicher Sicht zum üblichen Programm: Beratung über diagnostische und therapeutische Möglichkeiten, Aufklärung über Erfolgschancen und Risiken, Haftung für vermeidbare Behandlungsfehler und unzureichende Eingriffsaufklärung. Sehr viel heikler ist die Beratung über die Möglichkeit von Mißbildungen des Fötus, die zur Geburt eines unter Umständen schwer behinderten Kindes führen können. In der Gerichtspraxis geht es derzeit noch hauptsächlich um die bekannten Gefahren einer Mißbildung des Kindes nach einer Rötelninfektion der Mutter in einer bestimmten Frühphase der Schwangerschaft und die Früherkennung einer Trisomie, auch Down-Syndrom oder volkstümlich Mongolismus. Dieser genetische Defekt führt mit Sicherheit zur Geburt eines behinderten Kindes; die Gefahr einer solchen Entwicklung steigt mit dem Alter der Mutter in der Schwangerschaft. Mit Hilfe der sog. Amniozentese, der Fruchtwasseruntersuchung, kann ein entsprechender Defekt des Fötus frühzeitig aufgedeckt werden. Die Information der Schwangeren, sie werde aller Voraussicht nach ein mißgebildetes, behindertes Kind zur Welt bringen, führt natürlich bei ihr sofort zu der Überlegung, ob sie deswegen die Schwangerschaft abbrechen soll (in diesem Fall handelt es sich ja um eine kaum umstrittene Abbruchsindikation). Es liegt nahe, daß die Entscheidung der Mutter eher gegen das Kind fällt. Man kann nun darauf verweisen, daß die Gesellschaft auf diesem Umwege dem Behinderten kein Lebensrecht mehr einräumt. Auf der anderen Seite steht die Belastung der Eltern, vor allem der Frau, die für ein behindertes Kind zu sorgen haben wird, was ihre Lebensplanung über den Haufen werfen wird (Belastungen der Gesellschaft durch behinderte Kinder sollten allerdings keine Rolle spielen dürfen). O b es für das Kind besser ist, gar nicht erst geboren zu werden („wrongful birth"), ist eine letztlich aus unserem Wissen nicht zu beantwortende Frage.
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Nach der gegenwärtigen Rechtslage steht die Entscheidung letztlich nur der Frau zu, die den Konflikt für sich lösen muß, ob nach einer Beratung oder nicht. Der Schutz des ungeborenen Lebens durch den Staat tritt hier zurück. Ist das so, dann darf nach richtigem Verständnis der Rolle des Arztes dessen Wissen nicht zurückgehalten werden. Der Arzt hat die Schwangere vielmehr über die Mißbildungsrisiken, die medizinischen Möglichkeiten einer Früherkennung und deren Risiken und auf die Alternative eines Schwangerschaftsabbruchs als rechtlich zulässigen Ausweg zu informieren. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist diesen Weg gegangen. Sie fordert, und zwar ohne auf Fragen der betroffenen Frau zu warten, die vollständige und deutliche Information 38 . Das gebietet die Achtung vor dem Selbstbestimmungsrecht der Frau und vor ihrer Würde. Der Arzt darf nicht seine Gewissensentscheidung an die Stelle derjenigen der Frau setzen, und er darf auch hier sein Wissen nicht verheimlichen. Das bedeutet nicht, daß er, vom Medizinischen abgesehen, die zur Verfügung stehenden Diagnosemaßnahmen auch anraten und einen etwaigen Abbruch der Schwangerschaft empfehlen muß39. Er kann im vertrauensvollen Gespräch seine Sicht der Dinge einbringen, wenn er gefragt wird, und darf dann auch aus menschlichen (nicht ärztlichen) Gründen abraten, wozu freilich nicht gehören kann, der Frau für den Fall der Fälle die Hölle heiß zu machen. Kann der Arzt seine eigenen moralischen Bedenken nicht überwinden und glaubt deshalb, der Patientin die medizinischen Tatsachen nicht offenbaren zu dürfen, muß er die Patientin an einen Kollegen weiterverweisen, der mit ihr über die Dinge sprechen kann und will. Die schuldhafte Verletzung der angeführten Beratungspflichten verpflichtet den Arzt zum Ersatz des wirtschaftlichen Schadens, der durch die Geburt des behinderten Kindes entsteht, in Grenzen auch zum Ersatz des immateriellen Schadens der Mutter infolge der Schwangerschaft. Was sonst an seelischen Belastungen entsteht, wird von Rechts wegen nicht ausgeglichen. Neuerdings hat das Bundesverfassungsgericht, hier nach Ansicht des Verfassers unter Überschreitung seiner Befugnisse bei der Entscheidung der ihm unterbreiteten Rechtsfrage, die Ersatzfähigkeit von Schäden nach einem mißlungenen oder durch Verschulden des Arztes unterbliebenen Schwangerschafsabbruches mindestens teilweise in Frage gestellt40. Ob und welche Folgen das für die Rechtsprechung haben wird, ist für den Verfasser
,8 O L G München VersR 1988, 194 = AHRS 3120/14; OLG München VersR 1988, 523 = AHRS 3120/16; BGH NJW 1987, 2923 = AHRS 3120/20; O L G Düsseldorf NJW 1989, 1548 = AHRS 3120/22; BGH NJW 1989, 1536 = AHRS 3120/23. 39 O L G München VersR 1988, 916 = AHRS 3120/17. « BVerfGE 88, 203 = NJW 1993, 1751, Leitsatz 14.
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derzeit nicht absehbar. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Problemen ist an dieser Stelle nicht möglich. b) Die Beratung von Patienten über die Risiken der Vererbung von Krankheiten wirft keine zusätzlichen rechtlichen Probleme auf. Wird etwa nach fehlerhafter Beratung von der arglosen Mutter ein hämophiles Kind geboren, haftet der verantwortliche Arzt für den Schaden. Ärztliches Neuland wird aber betreten, wenn es gelingt, Gene zu verändern oder in den menschlichen Körper einzuschleusen, um damit zu Erbkrankheiten führende Dispositionen zu verändern oder auszuschalten. Solche neuen medizinischen Methoden können und werden zu neuen Beratungspflichten führen, deren Verletzung haftungsrechtlich relevant sein kann. Auch da ist zu hoffen, daß der Gesetzgeber rechtzeitig ausreichende Vorgaben machen wird. Eine Diskussion möglicher rechtlicher und ethischer Positionen auf diesem Gebiet kann hier nicht geleistet werden. c) Schließlich hat der Arzt unter Umständen die Aufgabe, schwangere Frauen über Indikationen des Schwangerschaftsabbruchs zu beraten. Damit wären wir mitten in der Diskussion über § 218 StGB und alle damit zusammenhängenden Streitfragen ethischer und rechtlicher Art. Sie würde natürlich den Rahmen dieser Abhandlung sprengen. Hier sollte nur festgehalten werden: Obwohl nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes der Schwangerschaftsabbruch über die medizinische Indiktion hinaus in der Regel rechtswidrig sein soll41, hat der Arzt Beratungspflichten, die ihm das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich zuweist. Nimmt er sie entsprechend den rechtlichen Vorgaben wahr, darf er dabei keine Fehler machen und müßte bei fehlerhafter Beratung entstandene Schäden ersetzen - in welchem Umfang auch immer.
IV. Die Darstellung der Haftung des Arztes für fehlerhaften therapeutischen Rat, der hier in einer Art tour d'horizon versucht worden ist, wäre nicht vollständig, wenn nicht noch auf die Beweisfragen eingegangen würde, die sich auf diesem Gebiet stellen. 1. Das grundsätzliche Dilemma, dem sich der Patient gegenübersieht, wenn er im Prozeß einen ärztlichen Behandlungsfehler zu beweisen hat, um vor Gericht seine Schadensersatzansprüche auch wirklich durchsetzen zu können, zeigt sich noch weit deutlicher, wenn es darum geht, im nachhinein festzustellen, was zwischen Arzt und Patienten gesprochen
41
BVerfGE 88, 203 = NJW 1993, 1751.
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worden ist. D a hilft keine Spurensuche weiter. Vielfach war beim Gespräch kein Zeuge zugegen, häufig ist darüber nichts dokumentiert. Selbst wenn das Letztere der Fall ist: Protokolle können, so gut sie sind, die Atmosphäre und den durch nonverbale Elemente begleiteten Inhalt immer nur unzulänglich wiedergeben. Worte, die gefallen sind, können so gesprochen worden sein, daß sie den Partner nicht erreicht haben, sie können suggestiv gewesen sein oder einschüchternd, - wer will das alles rekonstruieren? Das Gespräch kann auch deswegen am Partner vorbeigelaufen sein, weil dieser das ausgeblendet hat, was er unbewußt abwehren und nicht hören wollte, umgekehrt kann er das hineininterpretiert haben, was ihm Hoffnung machen konnte, und ihm kann es einfach nur darauf angekommen sein, daß der Arzt überhaupt mit ihm gesprochen und sich ihm zugewandt hat. Das alles hat zu bedenken, wer sich mit Tatsachenvortrag im Arztprozeß auseinanderzusetzen hat. Auf der Seite des anderen Gesprächspartners, des Arztes, gibt es ähnliche interessengeleitete Reproduktionen dessen, was sich in Wahrheit abgespielt hat. Hinzu kommen die längst bekannten Defizite bei Aussagen von Parteien und Zeugen von Erinnerungslücken bis zur bewußt falschen Darstellung. D e r Patient ist daher wie sonst im Arzthaftungsprozeß, hier eher vermehrt, auf Beweiserleichterungen und Beweislastverschiebungen angewiesen, will er eine faire Chance haben. Dies darf nun andererseits nicht dazu führen, den Arzt schutzlos den Tatsachenbehauptungen des Patienten auszuliefern, deren Tragfähigkeit ja, wie gesehen, sehr zweifelhaft sein kann. 2. Unser Haftungsrecht bürdet dem Patienten, der eine fehlerhafte therapeutische Beratung geltend macht, dafür die Beweislast auf, gerade so, wie er auch andere von ihm behauptete Behandlungsfehler beweisen muß 42 . Das ist in der Rechtsprechung unumstritten. Auch die Ursächlichkeit des Fehlers für den behaupteten Gesundheitsschaden hat grundsätzlich der Patient zu beweisen, und zwar auch dann, wenn er sich in Beweisnot befindet 43 . 3. D e m Patienten kommen aber dieselben Beweiserleichterungen zugute, die ihm auch sonst bei ärztlichen Behandlungsfehlern zugebilligt werden. a) Immer dann, wenn ärztliches Handeln zu dokumentieren ist, ist der Dokumentationsmangel ein Indiz dafür, daß die dokumentationspflichtige ärztliche Maßnahme unterlassen worden ist44. Die Rechtsprechung 42 B G H NJW 1981, 2002 = AHRS 6335/1; O L G Düsseldorf AHRS 6335/2; O L G Celle VersR 1985, 346 = AHRS 6335/3; O L G Karlsruhe VersR 1987, 1247 = AHRS 6335/4. 43 B G H NJW 1987, 705 = AHRS 6370/16. 44 B G H NJW 1972, 1520 = AHRS 6450/5; st. Rspr.
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hat die Verpflichtung des Arztes statuiert, auch wichtige therapeutische Ratschläge zu dokumentieren. Das ist nur folgerichtig, weil sie Teil der ärztlichen Behandlung sind, die nach guter ärztlicher Übung in ihren wesentlichen Verläufen in den Krankenunterlagen aufzuzeichnen ist. Die dogmatischen Grundlagen dieser im wesentlichen nicht umstrittenen Rechtsprechung sollen hier nicht nachvollzogen werden. Eine nähere Durchsicht der bekannt gewordenen Gerichtsentscheidungen läßt nun einige Unsicherheiten in der Beurteilung erkennen. O b der Rat, einen Spezialisten aufzusuchen, ober ob die Uberweisung an einen solchen aufzuzeichnen sind, wird nicht einfach positiv entschieden 45 . Die Unterrichtung des Patienten über einen Operationszwischenfall hält das Oberlandesgericht für dokumentationspflichtig, der Bundesgerichtshof scheint zum gegenteiligen Ergebnis zu neigen 46 . Wohl mit Recht wird geurteilt, daß der Rat zur Wiedervorstellung in der Praxis in das Krankenblatt gehört 47 . Er gehört nach hier vertretener Ansicht auch in den Terminkalender, falls es sich nicht nur um eine Bagatelle handelt, um der Pflicht nachkommen zu können, den Patienten notfalls zu erinnern. Zweifelhaft mag es sein, ob Ratschläge im Hinblick auf eine geplante Auslandsreise schriftlich niederzulegen sind 48 . Dringend zu empfehlen wäre das sicherlich. Einigkeit besteht hingegen darüber, daß die Ablehnung des Patienten, sich behandeln oder in eine Klinik einweisen zu lassen, sowie die Tatsache, daß der Patient eigenmächtig gegen ärztlichen Rat die Klinik verlassen hat, in die Krankenunterlagen gehören 49 . Das liegt so sehr im Interesse des Arztes, daß es darüber bei ihm keinen Zweifel geben dürfte. Bedenklich erscheint in diesem Zusammenhang, daß die Ablehnung einer angeratenen Amniozentese durch die schwangere Frau nicht aufzeichnungspflichtig sein soll 50 . - Der Uberblick zeigt: Eine einheitliche Linie ist noch nicht gefunden. Nach hier vertretener Auffassung gehört es zu den ärztlichen Obliegenheiten, jeden nicht ganz banalen ärztlichen Ratschlag in den Krankenunterlagen zu vermerken. Er ist nämlich unverzichtbarer Bestandteil einer vollständigen Krankengeschichte. Die unterlassene Dokumentation sollte also stets zu Beweiserleichterungen für den Patienten führen. Ein anerkennenswertes gegenteiliges Interesse des Arztes ist nicht zu erkennen.
45 O L G Braunschweig VersR 1980, 853 = AHRS 6450/11 einerseits, LG Dortmund MedR 1986, 205 = AHRS 6450/25 andererseits. 46 O L G Saarbrücken AHRS 6450/22. 47 O L G Köln VersR 1989, 631 (L) = AHRS 6335/6. 4« KG Berlin AHRS 6450/58. 49 O L G Düsseldorf VersR 1985, 169 = AHRS 6450/21; O L G Saarbrücken AHRS 6450/22; B G H Z 99, 391 = NJW 1987, 1482 = AHRS 6590/11. 50 O L G Köln VersR 1989, 631 (L) = AHRS 6335/6.
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b) Handelt es sich um einen groben Behandlungsfehler, verschiebt die Rechtsprechung die Beweislast dafür, daß der Fehler nicht für den bei der Behandlung entstandenen Gesundheitsschaden ursächlich geworden ist, auf den Arzt. Die dogmatische Begründung für diese Beweislastverteilung kann und soll hier nicht noch einmal nachvollzogen werden. Sie ist nicht unumstritten. Sie hat aber im Ergebnis gute Gründe für sich und ist ständige, bewährte Gerichtspraxis. Nichts spricht dagegen, dieselbe Beweislastverteilung vorzunehmen, wenn grobe Fehler im Sinne dieser Rechtsprechung bei der therapeutischen Beratung unterlaufen sind51. c) Unter dem Aspekt der Beratung des Patienten taucht aber noch ein besonderes Problem auf: wer nämlich das aufklärungsrichtige Verhalten zu beweisen hat. Das eine ist ja, dem Patienten ein bestimmtes Verhalten anzuraten, sicherlich nach Lage des Falles mit der erforderlichen Bestimmtheit und Dringlichkeit. Das andere ist, ob der Patient, der den geschuldeten Rat nicht erhalten hat, im Beratungsfalle diesem Rat auch gefolgt wäre. Da es sich dabei um eine fiktive Tatsache handelt, ist sie einem strikten Beweis nicht zugänglich. Sollen Schadenersatzansprüche wegen Beratungsfehlern in der Praxis nicht leerlaufen, bleibt nur der aus der Lebenserfahrung abgeleitete Indizienbeweis. Diesen Weg ist die Rechtsprechung gegangen. Allgemein gesagt läuft sie auf Folgendes hinaus: Wenn ein aufklärungsrichtiges Verhalten des beratenen Patienten in der Regel zu erwarten gewesen wäre, steht es zur Beweislast des Arztes, daß sein Patient sich anders entschieden hätte. So spricht alles dafür, daß der darüber informierte Patient ein Krankenhaus mit unzureichenden hygienischen Bedingungen gemieden hätte52, daß er einem Rat zur indizierten und erfolgversprechenden Operation gefolgt wäre53, daß die schwangere Frau, informiert über das Risiko, ein mißgebildetes Kind zur Welt zu bringen, eine Früherkennungsuntersuchung gewünscht hätte und, in Kenntnis gesetzt von deren schlechtem Ergebnis, einen Schwangerschaftsabbruch hätte vornehmen lassen54. Anders ist dann zu urteilen, wenn auch eine andere Entscheidung als die vom Arzt anzuratende vernünftig und nachvollziehbar erscheint, weil es für sie gute Gründe geben kann. So liegt es nach der Information über eine Rhesus-Unverträglichkeit, die einen weiteren Kinderwunsch nicht ausschließt55, so vielleicht auch bei der Frage, ob nach dem Steri-
BGH BGH " OLG 54 BGH 55 BGH 51
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NJW 1987, NJW 1971, Düsseldorf NJW 1987, NJW 1989,
2300 = AHRS 6450/37. 241 = AHRS 5260/1. VersR 1985, 169 = AHRS 6370/14. 2923 = AHRS 6370/18. 2320 = AHRS 6370/20.
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lisationseingriff und der Information über das verbleibende Versagerrisiko zusätzliche Verhütungsmittel beim Verkehr angewendet worden wären oder nicht56.
V. Wie komplex die Lebenssachverhalte sind, die dem mit Haftungsfragen befaßten Richter zur Beurteilung unterbreitet werden, ist wohl am Beispiel eines Teilgebiets des Arzthaftungsrechtes, das einmal versuchsweise im Zusammenhang dargestellt werden sollte, deutlich geworden. Immer wieder sind Wertungen vorzunehmen, die das geschriebene Recht nicht ohne weiteres vorgibt, und immer wieder bedarf es der Abwägung von in der pluralistischen Gesellschaft kontroversen ethischen Standpunkten, bedarf es weiter Einsichten in Arbeitsweisen des modernen Medizinbetriebes und einer einfühlsamen Würdigung ärztlichen Handelns in den verschiedensten Situationen. Ohne einen Dialog zwischen Arzt und Jurist wird es nicht gehen, nicht ohne einen Dialog zwischen den Anwälten des Patienten und dem Gericht, nicht ohne den medizinischen Sachverständigen und last not least den Dialog im Richterkollegium bei der Beratung. Dafür, daß immer ein fruchtbarer, verantwortungsvoll geführter, fairer und weiterführender Dialog möglich gewesen ist, hat der Verfasser dem Adressaten dieser Festschrift, der für die Fortentwicklung des Arzthaftungsrechts viel geleistet hat, zu danken. Diese Abhandlung ist in diesem Sinn dann ein letztes, weiteres Dialogangebot. Zum guten Schluß soll der Jurist, der mit seinem Handwerkszeug die Schadenslasten zu verteilen hat, wenn bei Ausübung des ärztlichen Berufs Schaden angerichtet worden ist, aus dem Bilde gehen. Der Blick soll auf den Arzt gerichtet sein, dem der Jurist zwar sagen kann, was er von Rechts wegen mit seinem Patienten bereden muß. Was der Arzt im Gespräch mit dem Patienten aber in Wahrheit leistet, geht fast immer viel weiter. Das Gespräch ist im besten Fall selbst Therapie, weil es über die Weitergabe notwendiger Informationen hinaus Anteilnahme, Hilfe und Trost sein wird. Das ist wichtig, ja unentbehrlich in einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Arzt und Patient. Es ereignet sich hoffentlich immer wieder in einer von Apparaten und Entfremdungen aller Art beherrschten medizinischen Umwelt.
S6
B G H N J W 1981, 630 = A H R S 6370/8; B G H N J W 1981,2002 = A H R S 6370/10.
Injuria in the new Anglo-American Law of Negligence EFSTATHIOS K . BANAKAS1
Tortious (delictual) liability is compensatory, and, exceptionally only, punitive. Continental European legal systems are still rooted in a 'relational' view of delict, conceived by the great Roman jurists and laid down in the Digest (lex Aquilia). This view of delict envisages liability ex lege to repair or compensate damage caused by one person to another and is, essentially, moral. The great modern Continental European legal families are, however, split with regard to the issue of whether all morally wrong damage (i.e. caused by the defendant's fault) is a delict, or only damage that is specified as 'unlawful' by the legal order. The modern Pandectist science has proposed a doctrine of 'unlawful injury' (idamnum injuria datum) as inherent in the design of the lex Aquilia, and excludes from delictual liability damage or loss not prescribed as unlawful (damnum sine injuria). This doctrine brings delict in line with a fundamental principle of criminal law {nullum crimen nulla poena sine lege), and it is not surprising that it can be traced in ancient law at a time when crime and delict were almost inseparable in legal thought. What is, perhaps, more remarkable is that this view of delict as an unlawful act, like crime, has survived in the great majority of modern European Codifications, with the notable exception of the French Civil Code; the latter opting, simply, for general clauses of delictual liability based on the principle of individual responsibility. Very little real innovation in fundamental delictual theory has occurred in Europe since the lex Aquilia. I
One exception to this has been the development of a normative concept of damage (normativer Schadensbegriff) following a rather remarkable transplantation of a common law idea into Continental European soil.
1 L L . B. (Athina), Ph. D. (Cantab.), Lecturer in Law and Director, Centre of European Law and Practice, University of East Anglia, England; Adjunct Professor of Comparative Law, University of Notre Dame London Law Centre; Professor, Faculte Internationale de Droit Compare, Strasbourg; Professeur invite, Universite de Bordeaux 1.
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A first condition of civil liability, which in every jurisdiction the plaintiff must be able to establish, in order that his claim can get off to a start, is that the defendant's conduct resulted in a type of injury recognised by the law as capable of giving rise to a legal claim, i.e. legally significant "damage". In the judicial mind, the question of what is legally significant damage is often related to the issue of whether an injury has been wrongfully inflicted, under the individual circumstances of each particular case. Despite the fact that the latter issue is, conceptually, quite separate from the former, referring to the defendant's conduct rather than the plaintiff's injury. N o t every actual injury is necessarily a "damage" in the eyes of the law, although there are systems that profess to have adopted an " o p e n " legal concept of damage, able to accomodate most kinds of actual harm. Legal systems seem to vacillate between a concept of damage of a "factual" or a "normative" complexion. A "factual" concept of legal damage implies that a) all kinds of actual harm can qualify as "damage", and that b) there can never be legally significant "damage" in the absence of actual harm of some sort. A "normative" concept of legal damage means that only selected types of actual harm qualify as a "damage" in the eyes of the law, and that it is also possible for the law to accept the presence of legally significant "damage" even when no actual harm is outwardly evident. The Anglo-American law of Negligence is based on the principle that there can be no actionable wrong of Negligence and no legal claim without actual harm. But 'actual harm' is defined very broadly. According to the prevailing theory in America, known as 'conduct theory of Negligence', negligence is 'conduct which falls below the standard established by law for the protection of others against unreasonable risk of harm.' 2
The principle of actual harm means very little more in practice than that there can be no start of an action without actual, and objectively dangerous, conduct of the defendant having occurred; i.e. that a state of mind of indifference or inadvertence, unaccompanied by conduct, can never be actionable under the tort of Negligence. The English and American Law of Torts also knows, traditionally, so-called "torts actionable per se". In some cases an action in tort lies
2 Restatement (Second) of Torts § 282 (1965); see also Harper & James, The L a w of Torts, Second Edition by Oscar S. Gray, Boston/Toronto 1986, Vol. 3, p. 382 f, with further references.
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without any proof of actual damage. The reason is historical3. Trespass to land, trespass to the person or goods 4 , and libel5 are notable examples of torts actionable per se. In Anglo-American law, the action for damages also serves the purpose of testing out the existence of a legal right; special remedies, such as the vindicatio of Roman law in cases of infringement of property rights, were never directly adopted by AngloAmerican law to enforce rights. If rights of personal safety or property are infringed, it is, therefore, important that the law does not require the presence of actual harm for the plaintiff to be able to sue. In English law, the tort of Negligence is "traditionally described as damage, which is not too remote, caused by a breach of a duty of care owed by the defendant to the plaintiff." 6
But with their practice of "general damages" awards, English courts have allowed themselves considerable space for normative manoeuvring, even in an action in Negligence. It is often the case that awards for general damages go far beyond the mometary value of the actual harm suffered. The usefulness of this practice becomes only too evident with novel types of injury: if the courts feel that they are fit for compensation, the mechanism is there to accomodate them. English courts have had the opportunity of accomodating several novel claims for losses far from clear in their nature, i.e. a claim for the loss of the enjoyment of a holiday7. The practice of awarding general damages has spared AngloAmerican courts the dogmatic controversy that similar claims have caused elsewhere8. That it has created an entirely different, practical, problem, known as the 'liability crisis', especially in America9, is, of course, another matter. 3 See Clerk & Lindsell, Torts, § 302, with a list of cases of actionable claims where proof of actual damage is unnecessary. 4 Unintentional trespass to person may need proof of actual damage: Letang v. Cooper (1965) 1 Q . B . 232, 245 per Diplock, L. J.. But see also the recent decision of the H o u s e of L o r d s in Stubbings ν Webb (1993) A. C . 498: it is now clear that if an intentional battery is committed, there is a cause of action in trespass which, as far as the all too important issue of Limitation is concerned, is separate from Negligence.
Hayward ν Hayward (1887) 34 Ch. D. 198. Clerk & Lindsell, Torts, 14th ed 1975, § 859; Locbgelly Iron & Coal Co. ν M'Mullan (1934) A. C . 1, 25 per Lord Wright. 7 See, e. g., I chard v. Frangoulis (1977) 1 W. L. R. 556. 8 See Heldrich, 'Compensating N o n - E c o n o m i c Losses in the Affluent Society', (1979) 18 Am. J. C o m p . L. 22; for problems arising out of claims of 'holiday losses' in German Law see Grunsky N J W 1975, 609; Hansell J u S 1976, 222. ' Pain and Suffering (e. g. 'disfigurement') awards, as general damages, have reached legendary amounts in America: an eminent French tort lawyer gives a graphic account: A. Tunc, La Responsabilite Civile, Paris 1981, p. 1 f; for a recent penetrating critical account by an American lawyer see Richard L. Abel, Ά Critique of Torts', (1990) 37 U . C . L. A. L. Rev. 785. 5
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In Germany, it is has been often argued that the Civil Code (BGB), apparently under the strong influence of Mommsen10, endorsed a factual, "materialistic" concept of damage. His is considered to be the philosophy behind the principle of non-compensation of so-called "nonmaterial" losses (§ 253 BGB). In the 1930s, however, a comparative study by a German scholar, Neuner, opened the way for normative considerations to infiltrate into the law of damages of the BGB 1 1 . Neuner's "normative" theory of Damage was directly inspired by the old Common Law tradition of using the tortious action as a test-ground for the existence of a right; Neuner called this the "rechtsverfolgende Funktion" of the action for damages. Neuner's work, and its effect on the evolution of German Doctrine and Jurisprudence, provide a rare and striking example of the transplantation not merely of a principle or a doctrine, but of a legal culture, from a legal system with a highly individual experimental style, into a legal system of the highest dogmatic sophistication. From the "rechtsverfolgende Funktion" of the tortious action Neuner concluded that the concept of "damage" itself has to be a "normative" concept. The law should be left free to work out its own concept of damage for its own purposes. Assessment of damages should, furthermore, be made on the objective basis of the "common value" of the perished interest ("gemeine Wert"), rather than on the basis of its subjective value. The latter was another postulate of the traditional Mommsenian concept of damage. Neuner's ideas were further developed by several other authors; among others, by leading scholars such as Bydlinski (who called the award of damages "a sanction for the injured interest or good")12 and Larenz (who introduced the idea of a "Rechtsfortsetzungsfunktion" of the action for damages)13.
Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, 1855. " Neuner, 'Interesse und Vermögensschaden', AcP 133, 277 f (1931); see also, a year later, Wilburg, 'Zur Lehre von der Vorteilsausgleichung', in JherJb 82, 51 f. For a critical account of the literature following these two articles see Grunsky, Aktuelle Probleme zum Begriff des Vermögensschadens, 1968; Hagen, 'Fort- oder Fehlentwicklung des Schadensbegriffs', JuS 1969, 61 f; Hauss, in ZVersWiss 1967, 15 1; Zeuner, 'Schadensbegriff und Ersatz von Vermögensschaden', AcP 163, 380 (1963); idem in Gedächtnisschrift für Dietz 1972, 99 f; Baur in FS Raiser, 1974, at p. 120 f. 12 Probleme der Schadensverursachung nach deutschem und österreichischem Recht, 1964, p. 29 f. 13 Schuldrecht, Vol. 1, l l t h ed 1976, p. 346, repeated in subsequent editions; see, generally, Hermann Lange Schadensersatz, 1979, passim; Ε. Wolf in FS Schiedermaier 1976, 545 f. Köndgen, in AcP 177, 1 f (1977), attempts an economic analysis of the issue. An excellent comparative study of the meaning of legal damage can be found in the monograph by Magnus, Schaden und Ersatz, 1987. 10
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U n d e r French L a w , it appears that the presence of actual harm is a sine qua non condition of compensation: "sans d o m m a g e , pas de droit ä reparation" 1 4 . This principle is not, however, easy to reconcile with certain cases where compensation is given f o r losses that have, in truth, already been made g o o d to the plaintiff in s o m e other way 1 5 . A n d the rise of the sovereign power of the trial courts in the assessment of damages, coupled with their well-known refusal to disclose details about the method that they use, has not allowed a study of the exact role of normative considerations in such assessments 1 6 . II
F o r real innovation in legal thinking on delictual liability one must turn to the c o m m o n law world. American tort law has led the w a y towards a new conception of delictual liability, often described as 'instrumental' 1 7 , and the contextual study of legal problems, on the basis of an economic analysis of the effect of legal rules in the market place. But whereas the original instrumental theories emphasized the compensatory aspects of tort law, as a 'public law in disguise' 1 8 , having a regulatory and distributional character, aiming at spreading the cost of injuries across the community 1 9 , the new economic analysis of tort law,
14 See Weill/Terre Droit Civil, Les Obligations, 2d ed 1975, p. 657 f, repeated in subsequent editions. 15 See the discussion ibid.; and Civ. 2e, D S 1976 J. 137 note Le Tourneau, as well as Civ. 2e Juin 1976, R G A T 1977, 369. " Furthermore, there are also certain defined areas of the French Law of Damages, where a normative concept of damage with a specifically determined scope and function is openly used. The so-called "prejudice collectif", i.e. injury to the legitimate collective interests of a professional or a trades union, is a most notable example in this connection. See Weill/Terre, no 769; for "syndicats professionnels" see art. L. 411-11 C . Tr. " First propagated by Fleming James Jr in his article 'Contribution A m o n g Joint Tortfeasors: A Pragmatic Criticism, 54 Harvard L. Rev. 1156 (1941). See, further, George L. Priest, 'The Invention of Enterprise Liability: A Critical History of the Intellectual Foundations of Modern Tort Law, 14 J . Legal Studies 461 (1985). For a critique of 'instrumentalist' tort thinking, see Charles O. Gregory, 'Contribution A m o n g Joint Tortfeasors: A Defense' 54 Harvard L. Rev. 1170 (1941), answered by Fleming James Jr. in 'Replication', 54 Harvard L. Rev. 1184 (1941). A good summary of the debate between relational and instrumentalist tort theories can be found in Ernest J. Weinrib, 'Thinking About Tort Law', 26 Valparaiso Univ. L. Rev. 717 (1992). 18 This point is addressed, in the light of the experience of the 1990s and the new 'individualistic' turn of social consciousness, by Daniel A. Färber & Philip P. Frickley 'In the Shadow of the Legislature: The C o m m o n Law in the Age of the N e w Public Law', 89 Michigan L. Rev. 875 (1991). " See, e. g., Keeton & O'Connel, Basic Protection for Accident Victims, 1965; T. Ison, The Forensic Lottery, 1967.
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as shown in the work of, among others, Calabresi and Posner, aims at deterrence, and at reducing injuries by devising rules that produce economic incentives for safer behaviour 20 . The instrumental conception of tort law places the social function of tort remedies centre-stage, emancipating tort law f r o m its historical connection with criminal law and the principle of individual responsibility based on moral wrong. The obligation to repair or compensate damage, or, exceptionally, to pay aggravated damages, is determined by social and economic considerations of allocation of the risk of specific losses. The instrumental theory of tortious liability replaces in the common law systems the concept of 'unlawfulness' with a concept of 'legal policy' based on such considerations. It has been made possible by the historical development of tort law by the judges, as a system of caselaw largely unregulated by the legislator, and totally independent from Criminal law. In the common law world the civil action, even if the tort is also a crime, will be litigated separately and in a different legal culture (no juries in England), with a very restrained input f r o m any parallel criminal proceedings allowed through into the tort case. Contrary to European Continental systems, which make extensive use of the civil action in the criminal jurisdiction. It is not surprising that in such systems the emancipation of tort law from the influence of criminal law philosophy and style is a long way coming. Criminal courts operate in a moral atmosphere, in which instrumentalist views of harmful conduct cannot make any way whatsoever. So French tort law, that bravely departed from notions of unlawfulness in articles 1382 et seq. Code Civil, suffered a serious setback in the hands of criminal judges heavily involved in tort litigation of claims by 'civil' parties to criminal proceedings: for a long time, French criminal courts imposed a notion of injuria on delictual liability (the so-called theory of an 'interet legitime juridiquement protege'). To return to Anglo-American tort law, purposeful dangerous activity, or intentional harmful activity, will, more often than not, be socially disfunctional and, therefore, in principle, tortious (in the case of harmful intention with important exceptions where economic harm is con-
20 See W. M. Landes & R. A. Posner, 'The Positive Economic Theory of Tort Law' 15 Georgia L. Rev. 851 (1981); the literature on the economic analysis of tort law is enormous: see, e. g., Posner, Economic Analysis of Law, 3d ed., Boston 1986, ch. 6. In Germany, the movement attracted a great deal of interest, and generated original works such as Schäfer/Ott, Lehrbuch der Ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 1986. The great English monograph has been Atiyah (5th ed. P. Cane), Accidents, Compensation and the Law, 1993; see also Burrows & Veljanowski, The Economic Approach to Law, 1981.
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cerned). But the picture is much more unclear with regard to negligent or accidental harm. An instrumental view of liability for negligent harm will give priority not to the moral wrongdoing of the defendant but to considerations of economic efficiency and social utility determining where the loss should ultimately fall. For deterrence and retribution, the job is left to criminal law. As far as civil liability is concerned, negligent harm ceases to be personal, it becomes social. Large areas of contemporary Anglo-American negligence law are imbued with such instrumentalist thinking: for example, causation and evidence rules in personal injury cases (most notably the so-called egg-thin-skull rule and the rule res ipsa loquitur), product liability, occupiers' liability, and, recently, in the United States, the so-called 'Enterprise (or market-share) liability' (liability without causation)21. The most common application of this new concept has been the trend in recent American tort law to impose collective liability on manufacturers even though plaintiffs were unable to identify which company sold the (common) defective product, in some cases holding a manufacturer liable and assessing damages even after he proved that he could not have possibly caused the harm22. Courts apply the so-called 'market-share test', and assess damages against the manufacturer in proportion to his share of sales in the market, not in proportion to his share of blame for the injury caused23. Ill
Liability without causation takes Tort law far away from the Roman model of the lex Aquilia, and traditional ideas of rectificatory justice. 'Social objectives supersede legitimate accountability or fault'24. Some writers have sought to explain market-share liability on the basis of alternative causation theories, reflecting the shifting perspective of modern Tort law: from a formerly 'theistic' foundation, and a natural law approach to human nature, to a secular one, based on materialism and social and psychological determinism25. An American author challenged
21 Jude P. Dougherty, 'Accountability Without Causality: Tort Litigation Reaches Fairy Tale Levels' 41 Catholic Univ. L. Rev. 1 (1991). 22 E.g. Hymovitz ν Eli Lilly & Co. 539 Ν. E. 2d 1069, 1078-79 (N.Y.), cert, denied, 493 U.S. 944 (1989). 25 E.g. Sindell ν Abbott Labs. 607 P. 2d 924, 027 (Cal.), cert, denied, 449 U.S. 912 (1980). 24 Dogherty, 'Accountability Without Causality' supra, note 17, p. 11. 25 G. Edward White, Tort Law in America, 1980, p. 214.
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traditional theories of objective legal causation and 'causal chain' as early as 1870: ' T o every event there are certain antecedents ... The true cause is the whole set of antecedents taken together.' 26
Furthermore, in the Anglo-American (in contrast with the German) legal culture tort claims are, in principle, for damages, i.e. monetary compensation, restitutio in naturam being a very rare exception; therefore, financial arguments prevail in determining legal policy. Harm of any kind must be given a price-tag, before tort law can deal with it. This turns a personal injury, a psychiatric condition, a property damage or a deprivation of personal freedom and privacy into a sum of money, seriously undermining traditional relational tort theory. Clearly, what the defendant is ordered to give to the plaintiff is almost never what he has taken away. When money is involved, the whole community is involved, as money is the purest form of social interaction. It is hardly surprising, therefore, that new tort theories are emerging, of collective culpability, aiming at an allocation of certain losses not to individuals but to the community as a whole. N o t only is the stage immensely bigger than the two (individual or corporate) protagonists (i.e. the parties named in the tort action) and their relative position as between each other (for example, collateral benefits for the plaintiff and collateral profits for the defendant); loss- and liability insurance are also lurking behind the (apparent) judicial allocation of losses. In a sophisticated market economy tort can, furthermore, be used not to restore unfair or socially disfunctional loss, but, simply, to produce wealth for certain professions 27 , or to increase the assets of a business, as a useful variety of so called 'paper-entrepreneurism' 28 . This seriously aggravates the already dramatic crisis of the mounting social cost of tort litigation in America, adding urgency to the task of developing an economically sound tort theory for the future 29 . Any interest in injuria as a personal affront pales into insignificance before the political and
26 Nicholas St. John Green, 'Proximate and Remote Cause', 4 American L. Rev. 201 (1870). 27 Writers in the so-called 'Critical Legal Studies' movement have savagely attacked the capitalist exploitation of tort liability by lawyers, insurers and entrepreneurs: see Richard L. Abel, Ά Critique of Torts', 37 U. C. L. A. L. Rev. 785 (1990). See, further, my article 'The Method of Comparative Law and the Question of Legal Culture Today', 3 Tilburg Foreign Law Rev. 113, 134 f (1994). 28 See R. Reich, The Next American Frontier, 1983, ch. 7. 29 'Tort crisis' and 'Tort Reform' have been hotly debated in America in recent years, and figured as political issues in the last Presidential election. See Robert L. Rabin 'The Politics of T o r t Reform', 26 Valparaiso Univ. L. Rev. 709 (1992).
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economic implications of the social cost of tort litigation. We are a long way away from the idyllic world of the lex Aquilia. In Anglo-American tort law, injuria has been mutated to a vehicle of social and economic policy. Continental European law has not yet experienced this; traditional natural law views of responsibility and causation are preserved, and tort liability remains a rectificatory mechanism of loss distribution 30 . Yet, despite this transformation of tort law in the Anglo-American legal family, the language of judicial decisions continues today to reflect the old morality, based on a traditional relational approach to the issue of allocating accidental losses. There is little difference between this moral terminology, and that to be found in judicial decisions in Continental legal systems, for example, in German law, where, however, the link between law and morality in the field of Torts (Unerlaubte Handlungen) has been explicitly legislated in § 826 B G B . This provision has found extensive and remarkable application in German case-law, covering a number of diverse areas, which in English law fall under the scope of different torts, such as deceit, defamation, intimidation, conspiracy, interference with contractual relations and others. But what is even more remarkable for a common law lawyer is the manner in which the German Federal Constitutional Court has combined this provision with the articles of the German Constitution (Grundgesetz), guaranteeing Basic Rights of citizens, to create a moral high ground on which delictual behaviour is judged: "... die Generalklauseln ... [sind mit Recht] ... als die 'Einbruchsteilen' der Grundrechte in das bürgerliche Recht bezeichnet worden"".
The Bundesverfassungsgericht has held, further, that general clauses such as § 826 B G B 'refer to the judging of human conduct by criteria which are outside civil law, in fact chiefly outside the law altogether ... in deciding what these social precepts require at any given time in the individual case, one must primarily proceed from the totality of value concepts which the people have reached at a certain point in time of their intellectual and cultural development and established in their Constitution'. 32
The modern English Law of Negligence has been shaped in a number of important judicial decisions as well as statutes, of the 20th century, the first of which was the decision of the House of Lords in Donoghue ν StevensonBefore this case was decided in 1932, the English law of 30 See the conclusions of Ulrich Magnus in Reformüberlegungen für das österreichische Haftpflichtrecht, Verhandlungen des XII. Osterreichischen Juristentages, Wien 1994, p. 82 f. 31 BVerfGE 7, 198. 32 ibid. 33 (1932) A. C. 562.
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Tort did not know of any comprehensive principles of liability for negligent conduct, and, in the absence of liability based on Contract or some other "nominate" tort, claims for negligently inflicted injury were unlikely to succeed. Donoghue inaugurated the modern law of Negligence by introducing the general rule of the duty of care as the basis of liability. What is interesting for this study is, however, the manner in which this was done, in the leading speech of Lord Atkin, that has been ever since regarded as the cornerstone of Negligence liability in English law: " I content myself with pointing out that in English law there must be, and is, some general conception of relations giving rise to a duty of care, of which the particular cases found in the books are but instances." 34
Commenting on this passage, Professor Tony Jolowicz observes that 'in a case-law system such as the English, even more obviously than in a codified system, the distinction between what the law is and what the law ought to be is often blurred." 3 5 V
The moral language of tort decisions contrasts sharply with the professed commitment of the judges to developing the law according to the requirements of a broader economic and social policy. Yet, the moral language of English Tort law has been revived in the latest major cases dealing with what is, at the present time, the most urgent and serious issue of tort liability in England, the problem of liability for negligent financial harm. This issue has been traditionally regarded as par excellence an issue of "legal policy", i.e. to be solved, in each case, in the light of broader economic, social, or, even, political considerations. In the most authoritative decision of the House of Lords, taken by a panel of seven, rather than five, as usually is the case, judges, the case of Murphy ν Brentwood D. C.36, the House of Lords departed from precedent to secure the financial position of local authorities against claims of negligence of building inspectors employed by them, raised by owners of badly built homes that had, nevertheless, been licensed as built safely. The basis of this decision was the legal policy against such claims; but the language of the judges was a old, moral language of personal responsibility. Rather that talking sociological or economic jargon, judges continue to use a text loaded with moral, and sometimes, emotional, vocabulary. The technological progress, accelerating the
(1932) A. C . at p. 580 (emphasis added). "Compensation for Personal Injury and Fault" in Accident Compensation After Pearson, Edited by Allen/Bourn/Holyoak, London 1979, at p. 75. 36 (1991) 1 A . C . 398. 34 35
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speedy spread and interdependence of financial relations and the interaction between different sectors of the industry and the professions 37 , is taking place at a time when, at both sides of the Atlantic, tort law is undergoing a fundamental re-thinking38. It has again become fashionable to emphasise its 'relational', i.e. moral, nature; the instrumental approach to the operation of tort principles, i.e. as a means of accomplishing collective goals, is under attack from a variety of different theoretical perspectives39. In the age of the information technology revolution, the protection of individuals and their distinct identity and potential is becoming, again, fashionable, gaining importance over the pursuit of collective goals and interests. It may be that the relational approach to tort law leads to a socially inefficient allocation of losses40. But it is hard to argue against tort law being the original, and, still, the only available, mechanism of a morally acceptable allocation of personal blame for wrongful action and its consequences. If an issue has nothing to do with morality, it should not be a tort issue (for example, accidents through unavoidable error are, arguably, better left to collective compensation schemes); conversely, if an issue is a tort issue, the moral dimension cannot be ignored. It cannot be denied, furthermore, that in Negligence cases there is a clear moral dimension, a question as to the fairness of the personal behaviour of this particular party towards that one. By contrast, legal policy does not necessarily have to be linked to the common sense of morality in the community, and often judges let this become apparent in their reasoning. Nevertheless, in explaining the policy of the law, judges only seem comfortable when using the moral language of the traditional law of Negligence. A common expression is that it would be 'unfair, unjust and unreasonable' to impose a duty on the defendant to compensate the plaintiff except in those cases where the claim is allowed, again, precisely because it said to be 'fair, just and reasonable' for the defendant to pay41. This is, of course, in a more general sense, 37 See Ε. K. Banakas, 'Modern Techniques of Payment and Electronic Transfer of Funds in English Law', in Bridge/Banakas! Gardner!Carey Miller (eds), United K i n g d o m Law in the Mid-1990s, Vol. 1, L o n d o n 1994, p. 371 f. 3» See, e. g. the articles in (1992) 26 Valparaiso Univ. L. Rev. 701 f. 39 Weinrib, 'Thinking About T o r t Law', (1992) 26 Valparaiso Univ. L. Rev. 717 is an excellent analysis of the relational and instrumental conceptions of tort law. 40 See the masterful comparative study of A. Tunc, La Responsabilite Civile, Paris 1981,
P - 1 f· 41 Courts consistently apply these words to the existence of a D u t y of Care in recent economic loss cases: see, e. g., Caparo Industries Pic ν Dickman (1990) 2 A. C. 605 at 617-618 per Lord Bridge and at 632-633 per Lord Oliver, most recently, Spring ν Guardian Assurance Pic (1994) 3 All Ε R 129 at 161 per Lord Slynn and at 176 per Lord Woolf.
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hardly surprising: economic, or any other pragmatic or technical arguments, disrobed of moral language, are simply not enough to explain to the parties, and to the wider community, the judgment of a court of law. As it has been rightly observed recently 'the legal text constitutes a visible material surface, a "terranean screen", a body of law whose figurative function is that of representing an invisible order, a spiritual coherence, a dogma or unity which will both identify and direct the thought or the vision of the subject of law to its licit mythic image or source.' 42
The importance of traditional moral language for the authority of the judicial text is well illustrated in the recent decision of the House of Lords in England, in the interesting case of Spring ν Guardian Assurance Plc.4i In accepting the claim of the plaintiff that his former employer owed him a duty of care not to negligently write an inaccurate reference that could have costed him his new job, the House of Lords are showing in this case emotions unprecedented in records of judgments of the highest jurisdiction in this country. The judgment of Lord Lowry, for example, is full of such emotions: the issue is surely moral, and at least he has no doubt that it can be wrong for the law of tort not to recognise an economic loss claim on grounds of wider legal policy, as, for example, policy dictated by predictions of adverse market repercussions of doubtful foundation 44 . Legal policy expressed in moral terms needs to be explained in moral terms. However, the plaintiffs in earlier 'tough' English cases of econ-
Taupitz (Fn. 6), S. 845 ff. 74 Taupitz (Fn. 6), S. 1156 f. 75 Knöpfte, N J W 1967, 697, 701 f; Deutsch, JZ 1963, 385, 389; Bistritzki (Fn. 12), S. 38 f.
Berufsordnende Kammersatzungen als Schutzgesetze
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Schutznorm gemäß § 823 II zu schaffen76. Gleichwohl spricht doch umgekehrt nichts dagegen, die erkennbare Absicht, mit der fraglichen Norm gerade keine Haftungserweiterung zu bewirken, als für die Auslegung bedeutsames Moment zuzulassen. Denn wenn für einen Normgeber absehbar ist, daß die Statuierung von Individualschutz Folgen hat, die er nicht wünscht, dann kann kaum unterstellt werden, daß er diesen Individualschutz (gewissermaßen „als solchen" und isoliert) gleichwohl gewollt und bezweckt habe.
Im übrigen hat der Jubilar zu Recht darauf hingewiesen, daß der öffentlich-rechtliche Charakter einer Norm um so eher die Anerkennung als Schutzgesetz hindere, je mittelbarer oder verdeckter das Individualinteresse in der Schutznorm angemeldet ist und je stärker nach dem Standort der Norm die Gewährung von Befugnissen zum privatrechtlichen Vorgehen als Fremdkörper erscheint77; auch diese Aspekte sprechen als Auslegungsgesichtspunkte gegen die Eigenschaft einer öffentlich-rechtlichen Kammernorm als Schutzgesetz im Sinne des § 823 II zugunsten der Auftraggeber eines Mitglieds. Insgesamt läßt sich deshalb sagen, daß eine starke Vermutung gegen die Eigenschaft einer berufsordnenden Kammersatzung als Schutzgesetz zugunsten der Auftraggeber eines Kammermitglieds spricht. 2. Schutzgesetze
zugunsten der
Berufskollegen
Standesordnungen entfalten zweifellos bedeutsame Schutzwirkung im Inneren des Berufsstandes. Die primäre Zielrichtung ist dabei regelmäßig auf kollektiven Interessenschutz, auf einen Schutz der Ehre und Würde des Standes, auf dessen Ansehen und Funktionsfähigkeit gerichtet. Gleichwohl dürfte in einigen Berufsordnungsbestimmungen (auch) ein individueller Schutz der Kollegen zu erkennen sein. In verschiedensten Zusammenhängen ist das gesetzlich auferlegte Werbeverbot und das damit eng verbundene Gebot, (nur) eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen, als unmittelbar auf den Schutz der Berufsangehörigen gerichtet und damit als Schutzgesetz im Sinne des § 823 II zu deren Gunsten angesehen worden78. Eine gleichartige Beurteilung dürfte entsprechende Satzungsvorschriften erfassen (wobei allerdings der Nachweis eines konkreten Schadens selten gelingen wird). Individualschutz wird man ferner im Grundsatz der Kollegialität mit seinen verschiedenen Ausprägungen und insbesondere im Verbot des Hinausdrängens eines Kollegen aus der Behandlung zu sehen haben79. Zwar liegt der Zweck derartiger Bestimmungen auch oder gar in erster Linie im Schutz Schmiedel (Fn. 12), S. 108; Bistritzki (Fn. 12), S. 39. RGRK-Steffen' 2 , § 823 Rdn. 546 m. w. N.; in dieser Richtung auch Deutsch, laubte Handlungen, Schadensersatz und Schmerzensgeld2(1993), Rdn. 213. 78 Nachweise bei Taupitz (Fn. 6), S. 1282. 79 § 19 I Musterberufsordnung (Fn. 60). 76 77
Uner-
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der öffentlichen Gesundheitspflege, im Schutz des Vertrauens in den behandelnden Arzt, (bezogen auf das Werbeverbot:) im Schutz des Publikums vor Irreführungen und ähnlichen „Gemeinwohlgütern"; dies schließt entgegen der gängigen monistischen Gemeinwohlthese jedoch nicht aus, derartigen Vorschriften gleichzeitig und subsidiär die Eigenschaft als „behördlich sanktionierte Konkurrenzklausel" zuzusprechen, wie der Bayerische Verfassungsgerichtshof abwertend formuliert hat 80 . Wenn auch damit einzelnen Berufsordnungsvorschriften prinzipiell drittschützender Charakter (zugunsten der Kollegen) zuzusprechen ist, bleibt doch zu fragen, welche Rechtsgüter als schutzwürdige Positionen anerkannt werden können. Auch von der Art des Rechtsgutes her muß die Zuerkennung eines Schadensersatzanspruchs nach § 823 II in das haftpflichtrechtliche Gesamtsystem hineinpassen. Unter diesem Gesichtspunkt, der insbesondere von Canaris81 herausgestellt und auch in der Rechtsprechung verschiedentlich angeklungen ist 82 , muß neben der gesetzgeberischen Grundentscheidung gegen eine deliktsrechtliche Generalklausel und gegen einen umfassenden Vermögensschutz auch die Ergänzungsfunktion des § 823 II gegenüber § 823 I einerseits und § 826 andererseits beachtet werden. Deshalb ist eine doppelte Differenzierung notwendig, und zwar eine rechtsgutsspezifische und eine am Unrechtsgehalt der fraglichen N o r m anknüpfende: Die Ermittlung der Schutzgesetzeigenschaft darf nicht darüber hinwegsehen, ob das verletzte Recht(sgut) unter § 823 I fällt oder nicht. Läßt sich die fragliche N o r m als Konkretisierung oder Ergänzung des Schutzes von § 823 I verstehen, sind gegen ihre Anerkennung als Schutzgesetz grundsätzlich keine Bedenken gegeben. Bezogen auf den von § 823 I nicht gewährten Schutz des Vermögens muß dagegen vom Unrechtsgehalt her entweder eine Nähe zu § 826 B G B bestehen, wie sie ζ. B. bei Verletzung der in den Materialien zum B G B ausdrücklich genannten Strafgesetze gegeben ist 83 . Oder aber es ist zu verlangen, daß ein unmittelbarer Vermögensschutz bestimmter Einzelpersonen von der fraglichen N o r m gerade intendiert 80 BayVerfGHE 5, 161, 165 f (zur fraglichen Norm allerdings verneint); dahingestellt von BGH NJW 1965, 2007; zur möglichen mehrdimensionalen Schutzrichtung von Berufsordnungen Taupitz (Fn. 6), S. 861 ff, 1282. " Canaris, Festschrift für Larenz (1983), S. 27, 47 ff; Larenz! Canaris, Schuldrecht II 2" (1994), § 77 II 4; zust.: MünchKomm/Mertens 1 , § 823 Rdn. 138; vgl. auch F. Peters, JZ 1983, 913 (Fn. 15), 924; krit. hinsichtlich der von Canaris gezogenen Schlußfolgerungen Soergel/Zeuner", § 823 Rdn. 252; Staudinger/Schäfer' 2 , § 823 Rdn. 593; ablehnend Karollus, Funktion und Dogmatik der Haftung aus Schutzgesetzverletzung (1992), S. 128 ff. 82 BGHZ 66, 388, 390 f; O L G Düsseldorf, NJW 1979, 2618; vgl. auch KGKK-Steffen'2, § 823 Rdn. 536. 83 Prot. II, S. 572; näher Canaris (Fn. 81), S. 48, der allerdings eine zu starke Kontrastierung von Straf- und Bußgeldvorschriften postuliert; kritisch insofern zu Recht Staudinger/Schäfer' 2 , § 823 Rdn. 593; K. Schmidt (Fn. 30), S. 265.
Berufsordnende Kammersatzungen als Schutzgesetze
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ist, wofür eindeutige Anhaltspunkte gegeben sein müssen 84 . In diesem Sinne können die §§ 823 I und 826 als „Leitbilder" für die Auslegung des § 823 II herangezogen werden. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist festzustellen, daß der U n rechtsgehalt vieler Verstöße gegen eine Berufsordnung keineswegs dem einer Verletzung des § 826 B G B oder gar eines Strafgesetzes nahekommt. Dies gilt - aus dem hier relevanten Bereich interkollegialer Pflichten - beispielsweise für das Werbeverbot oder für die allgemeine Kollegialitätspflicht. Da durch derartige Ge- und Verbote allenfalls Vermögensinteressen geschützt werden und auch dies in relativ allgemeiner und unbestimmter Form, und da den genannten Normen nicht mit ausreichender Sicherheit zu entnehmen ist, daß sie einen besonderen Vermögensschutz (über den sonst von der Rechtsordnung gewährten Schutz hinaus) gerade intendieren, hat ein Verstoß gegen entsprechende Vorschriften grundsätzlich keinen Schadensersatzanspruch nach § 823 II zur Folge. Etwas anderes gilt jedoch ζ. B. für das Verbot, einen Kollegen „durch unlautere Handlungsweise" aus der Behandlungstätigkeit zu verdrängen 85 . Hier besteht eine unmittelbare Verwandtschaft zu einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 B G B , so daß eine Verletzung dieser Berufsordnungsbestimmung einen schadensersatzpflichtigen Verstoß gegen ein Schutzgesetz zugunsten des Vermögens des geschädigten Kollegen beinhaltet. 3. Schutzgesetze
zugunsten der
Mitarbeiter
Die Frage nach einem Schutz der Mitarbeiter ist gewissermaßen auf der Grenze zwischen Außenbereich und berufsgruppeninternem Schutzbereich angesiedelt; u. U . betrifft sie gar unmittelbar die Frage nach dem Schutz eines Kollegen, ζ. B. soweit es um die Pflichten gegenüber einem angestellten Freiberufler (etwa einem „ärztlichen Mitarbeiter" 8 6 ) geht. Berufsordnungen enthalten eine ganze Reihe von Normen, welche als mitarbeiterschützend angesehen werden könnten: Genannt seien nur das Gebot, die Haftpflicht des Mitarbeiters in der eigenen Haftpflichtversicherung mit einschließen zu lassen, sowie die Pflicht zu ordnungsgemäßer Aus- und/oder Weiterbildung 87 . Auch hier steht einem Ersatzanspruch aus § 823 II in Verbindung mit den entsprechenden Normen in der Regel entgegen, daß die Zielrichtung einer individual ausgerichte84 In diesem Sinne MünchKomm/Λί ertens2, § 823 Rdn. 138; s. auch Hans Stoll, Kausalzusammenhang und Normzweck im Deliktsrecht (1968), S. 15 Fn. 40. 85 Oben bei Fn. 79. 86 Vgl. deren besondere Erwähnung in § 21 VI der ärztlichen Musterberufsordnung (Fn. 60). 87 Siehe Taupitz (Fn. 6), S. 1284.
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ten Erweiterung des von der übrigen Rechtsordnung sonst gewährten Vermögensschutzes nicht hinreichend deutlich bezweckt ist und einem Verstoß zumeist kein besonders großer Unrechtsgehalt beigemessen werden kann. VI. Zusammenfassende Thesen 1. Berufsregelnde Satzungen öffentlich-rechtlicher Kammern sind „Rechtsnormen" im Sinne des Art. 2 E G B G B ; sie kommen auch als Schutzgesetze im Sinne des § 823 II B G B in Betracht. 2. Mangels anderweitiger Ermächtigungsgrundlage können Kammern nur ihren eigenen Mitgliedern Pflichten auferlegen. Damit können die Berufskammern Außenstehenden grundsätzlich auch keine Schutzpflichten auferlegen, die im Rahmen des § 823 II relevant sein könnten. Insofern kommt eine Kammerordnung nicht als Grundlage eines Schadensersatzanspruchs gegen eine nicht der Satzungsgewalt unterworfene Person in Betracht. Umgekehrt können aber sowohl Kammermitglieder als auch Außenstehende durchaus vom Schutzzweck einer an die Kammermitglieder gerichteten satzungsförmigen Norm umfaßt sein und kann demgemäß die Verletzung der Schutzpflicht zu einem Schadensersatzanspruch nach § 823 II gegen ein Kammermitglied führen. 3. Es spricht allerdings eine Vermutung dagegen, daß die Vorschriften einer Kammerordnung Individualschutz zugunsten Außenstehender entfalten sollen. 4. Ein intendierter Individualschutz zugunsten der Berufskollegen liegt zwar näher. Für einen Schadensersatzanspruch über § 823 II wegen der Verletzung bloßer Vermögensinteressen ist jedoch erforderlich, daß entweder der Unrechtsgehalt eines Verstoßes gegen die fragliche Vorschrift dem einer Verletzung des § 826 B G B oder gar eines Strafgesetzes nahekommt, oder aber daß ein unmittelbarer Vermögensschutz bestimmter Einzelpersonen von der fraglichen Norm gerade beabsichtigt ist, wofür eindeutige Anhaltspunkte gegeben sein müssen. Dies trifft beispielsweise für die allgemeine Kollegialitätspflicht oder das Werbeverbot nicht zu, wohl aber etwa für das Verbot, einen ärztlichen Kollegen durch unlautere Handlungsweise aus der Behandlungstätigkeit zu verdrängen.
Verfolgungsfälle: objektive und subjektive Zurechnung REINHOLD W E B E R
Im Jahre 1971 hat der VI. Zivilsenat des BGH, dessen Vorsitzender Steffen seit 1984 war, mit dem Urteil B G H Z 57, 25 vom 13. Juli 1971 eine Rechtsfigur geschaffen, mit der sich bis dahin die Gerichte kaum befaßt hatten, das Schrifttum nur vereinzelt: der „Verfolgungsfall"1. Dabei geht es um folgendes Problem des Schadensersatzrechts: haftet derjenige, der sich irgend etwas hat zuschulden kommen lassen2, dem, der ihn stellen will, vor dem er jedoch flieht, auf Ersatz, wenn dieser bei der Verfolgung verunglückt und zu Schaden kommt. Dazu hat der B G H mehrere Urteile erlassen: dem grundlegenden Urteil, dem „Leiturteil" in B G H Z 57, 25 sind mehrere Urteile - ergänzend, einschränkend, auch erweiternd - gefolgt, zuletzt das Urteil vom 3 . 7. 19903. Kaum eine juristische Koryphäe, ein Professor, ein Kommentator, hat versäumt, sich zu der Problematik dieser „Verfolgungsfälle" zu äußern4. Mehrfach wurde in dem alljährlich stattfindenden „Karlsruher Forum" von den Professoren den ebenfalls eingeladenen Richtern des B G H vorgehalten, wie wenig überzeugend, gar widersprüchlich der B G H in den von ihm entschiedenen Verfolgungsfällen judiziert habe:5 das Mädchen, das bei dem Aussteigen aus der „Grünen Minna" über den feuchten Rasen flüchtet, haftet dem Polizeibeamten, der ihr nacheilt, aber ausrutscht und sich verletzt, nicht6, jedoch haftet der Jugendliche, der sich seiner Uberführung in die Arrestanstalt dadurch zu entziehen sucht, daß er aus dem Fenster springt, dem ihm nachspringenden Beamten, der sich am Fuß
1 NJW 1971, 1980 = VersR 1971, 964 = LM BGB § 823 (C) Nr. 38 m. Anm. Nüßgens (dem Berichterstatter, der das Urteil verfaßt hat). 2 Verkehrsunfall, Schwarzfahrer, Nichtantritt der Strafe. 5 NJW 1990,2885 = VersR 1991,111. 4 Lange J Z 1976, 198 und in Schadensersatz, 2. Aufl. 1990 § 3 X 2 b; Deutsch Haftungsrecht 1976 und in JZ 1967, 641; 1975, 375; Medicus in Staudinger 12. Aufl. 1981, § 249 Rdn. 64; Larenz, Schuldrecht I, 14. Aufl. 1987, § 27 III b 5. 5 Stürner, VersR 1984, 287, 300; Diederichsen, Karlsruher Forum 1985, 25; s. auch Medicus in Bürgerliches Recht, 16. Aufl. 1993 Rdn. 653 und in Gesetzliche Schuldverhältnisse, 2. Auflage § 16 II 1986 S. 80. 6 Urteil vom 13. 7. 1971 in NJW 1971, 1982 = VersR 1971, 962 = LM B G B § 823 (C) Nr. 39.
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verletzt 7 , anders aber der Jugendliche, der den Wochenendarrest nicht antrat und sich seiner Festnahme ebenfalls durch einen Sprung aus dem Fenster entziehen wollte: er haftet dem ihm nachspringenden Beamten nicht, denn dieses Fenster war 4 m über dem Boden 8 . Auch Steffen ist in seiner Kommentierung im B G B - R G R K mit der Begründung der B G H Urteile nicht in allem einverstanden, teils auch nicht mit deren Ergebnissen im jeweiligen Fall, wie er das in dogmatisch differenzierenden Darlegungen ausgeführt hat9. Das gibt Anlaß, durch einen Rückblick auf die Entwicklung und den von Urteil zu Urteil fortschreitenden Ausbau der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats deren entscheidenden Kern herauszuarbeiten und zusammenfassend zu beurteilen. 1. Kausalität der Flucht (Adäquanz?) I. Die Haftung des Schädigers läßt sich nicht schon mit dem schlichten Satz begründen, daß derjenige, der eine Ursache für die Verletzung des Geschädigten gesetzt hat und, falls die Haftungsnorm des Gesetzes das verlangt, auch die subjektive Voraussetzung des Verschuldens erfüllt hat, ersatzpflichtig ist10. Ein solcher Haftungsgrundsatz, der sich im objektiven Tatbestand mit dem Nachweis der Verursachung begnügte, entspräche nicht dem deutschen Haftungsrecht. Doch schon hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs ist dieses nicht dabei stehengeblieben, daß der Ursachenzusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinne zu beweisen sei: eine gar zu weit in die Zukunft und alle möglichen Geschehensverläufe gehende Verantwortlichkeit begrenzen wir durch die Prüfung, ob die Verknüpfung des jeweiligen Schadens mit der jeweiligen Ursache auch „adäquat" ist11. Schon seit Jahrzehnten haben wir aber erkannt, daß mit diesem Merkmal der eigentliche Grund dafür, warum wir gewisse Kausalverläufe von vorneherein rechtlich ausgrenzen müssen, nicht erfaßt ist. In zunehmendem Maße stellen wir darauf ab, ob der Schaden dem auf Ersatz in Anspruch Genommenen „zugerechnet" werden kann - das ist mehr als ein Korrektiv der Kausalität durch das Merkmal der Adäquanz: „Zurechnung" tritt an die Stelle von Kausalität, sie ist ein umfassender Oberbegriff. Vor allem hat der VI. Zivilsenat des
Urteil vom 29. 10. 1974 in B G H Z 63, 189 = NJW 1975, 168 = VersR 1975, 154. Urteil vom 13. 1. 1976 in NJW 1976, 568 = VersR 1976, 540 = LM BGB § 823 (C) Nr. 47. ' AaO 12. Aufl. 1989 § 823 Rdn. 93 ff; dazu Diederichsen, Karlsruher Forum 1985, 25 Fn. 326: „eine hervorragende Darstellung". 10 Vgl. Lange, Schadensersatz (Fn. 4), § 3 I; Deutsch, Haftungsrecht 1976 § 3 V 1. 11 So seit B G H Z 3, 261 vom 23. 10. 1957. 7 8
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B G H seit Jahren das Merkmal der Adäquanz nur noch zurückhaltend verwandt; statt dessen fragt er bevorzugt, ob der Schaden dem Schädiger, der ihn (zweifellos) verursacht hat, denn auch „haftungsrechtlich zugerechnet" werden kann12. Die Praxis hat gezeigt, daß der Gesichtspunkt der Adäquanz nicht immer geeignet ist, die Haftung des Schädigers für sein ursächlich gewordenes Tun in einer dem Sinn der Haftungsnorm gerecht werdenden Weise zu begrenzen. Daher muß danach gefragt werden, ob die Tatfolge, für die der Geschädigte Ersatz verlangt, innerhalb des Schutzbereichs der in Anspruch genommenen Haftungsnorm liegt. Sinn und Zweck der Norm müssen es im konkreten Fall rechtfertigen, dem Geschädigten seinen Schaden abzunehmen und auf den Verursacher zu überwälzen. Das ist herrschende Meinung im Schrifttum13. Dieser Ansicht hat sich der B G H seit dem Urteil vom 22. 4.1958 in B G H Z 27, 137 angeschlossen14 und hat in zahlreichen Urteilen nicht mehr nach der Adäquanz gefragt, sondern danach, ob im zu entscheidenden Fall der Schaden des Klägers dem Beklagten „zuzurechnen" ist15. II. Nach diesen Grundsätzen war der B G H im wesentlichen in seinen ersten Verfolgungsurteilen verfahren. 1. Im Urteil vom 3. 2.1967 1 6 hat er zunächst bejaht, daß die Verletzungen der Polizeibeamten, die sie bei der Verfolgung des trotz Haltegebots fliehenden Beklagten bei ihrem Unfall erlitten hatten, durch dessen Verhalten verursacht worden war (condicio sine qua non), und anschließend geprüft, ob der Unfall etwa eine inadäquate Folge der Flucht des Beklagten war17, hat das dann aber verneint; das genügte dem B G H zur Bejahung der „objektiven Zurechnung".
12 So Dunz, VersR 1984, 600; s. dazu beispielsweise B G H Z 85, 110, 112 = N J W 1983, 232 = VersR 1983, 79, 80 und B G H Z 93, 351, 355 = N J W 1985, 1390, 1391 = VersR 1985, 499, 501. 13 S. u. a. Lange in J Z 1976, 198 ff und in Schadensersatz (oben Fn. 4); von Caemmerer D A R 1970, 2 8 3 , 2 8 7 ; s. dazu vor allem das BGH-Urteil vom 7. 6. 1968 in N J W 1 9 6 8 , 2 2 8 7 , 2288 = VersR 1968, 800, 801 („Bahnwärter-Urteil"; dazu Huber, J Z 1969, 677: die Adäquanzformel ist „unbrauchbar"). 14
N J W 1958, 1041 = VersR 1958, 414 = L M B G B § 823 (F) Nr. 11 m. Anm.
Hauß.
B G H Z 57, 137, 142 = N J W 1972, 36, 37 = VersR 1972, 64, 65; B G H Z 103, 197, 201 = N J W 1988, 1383, 1384 = VersR 1988, 736, 737; B G H Z 107, 359, 364 = N J W 1989, 2616, 2617 = VersR 1 9 8 9 , 9 2 3 , 9 2 4 . 15
16 M D R 1967, 663 = VersR 1967, 580 = J Z 1967, 639 (m. krit. Anm. Deutsch) = LM B G B § 823 ( C ) Nr. 36; Deutsch in Haftungsrecht 1976 § 12 II 1 S. 159; zust. von Caemmerer D A R 1970, 283, 291 Fn. 71 und Medicus, Bürgerliches Recht (Fn. 5) Nr. 653. 17 Kritik dieser Begründung von Deutsch in J Z 1967, 639, 641 und in Haftungsrecht 1976 § 11 III 1. S. 141; s. auch Martens, N J W 1972, 740, 741.
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2. Ebenso war der B G H in dem von ihm zuerst entschiedenen Verfolgungsfall im Urteil vom 24. 3. 196418 vorgegangen. Auch hier stellte er zuerst den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Flucht des beklagten Verkehrssünders und dem Unfall des Verfolgers (ein Privatmann, kein Beamter) fest und wandte sich anschließend der Frage der „Zurechenbarkeit" zu. 3. G a n z ebenso ging der B G H in seinem „Leiturteil" B G H Z 57, 25 (s. oben Fn. 1) vor: mit wenigen Worten bejaht er den Bedingungszusammenhang zwischen der Flucht des „Schwarzfahrers" und dem Sturz des Bahnkontrolleurs und prüfte dann - obschon es darauf nicht ankam, wie das Urteil schließlich selbst sagt - die „Adäquität" in eingehenden Ausführungen, als ob in dieser Frage der Kern der Problematik liege19, bejaht die Adäquanz, bleibt aber dabei mit Recht nicht, wie in den vorangegangenen Urteilen, stehen, sondern k o m m t anschließend in gründlicher Argumentation z u m Kernproblem der Verfolgungsfälle: die Frage der „objektiven Zurechnung", die er jetzt in dogmatisch exakter Analyse aufblättert und dabei die einzelnen konstitutiven Merkmale f ü r die Verfolgungsfälle definiert.
2. Die objektive Zurechnung I. Die Frage, ob der Ursachenzusammenhang (dies auch im Sinne der adäquaten Kausalität) schon f ü r sich allein ausreicht, den objektiven Tatbestand des § 823 Abs. 1 B G B zu erfüllen und Überlegungen dazu, ob die danach zu bejahende H a f t u n g dem Schädiger „zuzurechnen" ist, zu beantworten, bereitet dann kaum Schwierigkeiten, wenn der Schaden des Geschädigten unmittelbare Folge des v o m Schädiger zu verantwortenden Eingriffs gewesen ist, wenn also der Grundfall der H a f t u n g eines Schädigers aus § 823 Abs. 1 B G B gegeben ist20. Indes wird nach dieser H a f t u n g s n o r m f ü r die Verletzung eines der hier geschützten Rechtsgüter unabhängig davon gehaftet, ob der vom Schädiger verursachte Schaden unmittelbar (direkt) entsteht oder erst durch Fortpflanzung der Wirkungen des Eingriffs mittels einer Ursachenkette (mittelbar, indi-
N J W 1964, 1363 = VersR 1964, 684 = LM BGB § 823 (C) Nr. 32 (kritisch Deutsch, Haftungsrecht 1976 § 12 II 8 S. 166); zust. Larenz (oben Fn. 4) § 27 III b Fn. 105 und Stoll, Kausalzusammenhang und Normzweck im Deliktsrecht, 1968 S. 32 sowie von Caemmerer D A R 1970, 283,291. " Offenbar Antwort auf die (harte) Kritik von Deutsch in JZ 1967, 640, 641 an dem Urteil vom 3. 2. 1967 (oben Fn. 16). 20 Nach Mertens (Karlsruher Forum 1980 in VersR 1980, 397, 398) die „legislatorische Konzeption" des § 823 Abs. 1 BGB; dazu kritisch Steffen VersR 1980, 409 ff.
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rekt) 21 . Aber auch damit ist die Frage, ob dem die Erstursache setzenden Schädiger der daraus später (mittelbar) entstandene Schaden „zuzurechnen" ist, noch nicht beantwortet. Das galt vor allem für die vom B G H für die Verfolgungsfälle zunächst für richtig gehaltene Begründung der Haftung des Verfolgten, diese hinge davon ab, ob im zu entscheidenden Fall der Unfall des Verfolgers als eine adäquate Folge der Flucht des Verfolgten angesehen werden könne. Damit aber verfehlte der B G H die Problematik der Verfolgungsfälle schon im Ansatz 22 . In diesen Fällen hat der Schädiger den Verfolger nicht „eigenhändig" verletzt, er hat auch keine Kausalkette mit Zwischenursachen in Gang gesetzt, die schließlich die Verletzung des Verfolgers bewirkt. Dieser hat sich vielmehr aufgrund seines freiwilligen Entschlusses durch sein eigenes Handeln gefährdet und verletzt. Wohl hat der Verfolgte diesen Entschluß bewirkt genügt das aber, ihm und nicht dem Verfolgten den Schaden, den er sich selbst zugefügt hat, zuzurechnen? D e m Delinquenten ist es nicht verboten, vom „Tatort" zu fliehen (abgesehen von der Vorschrift des § 142 S t G B , die ohnehin umstritten ist), sich der Festnahme zu entziehen, ist nicht rechtswidrig - wer ihn auf riskante Weise verfolgt, wird oft L o b verdienen, aber die Folgen seines Wagnisses muß er selbst tragen? II. Indes besteht insofern in Schrifttum und Rechtsprechung Einigkeit, daß die Frage, ob der Verfolgte haftet oder nicht, nicht mit der Beantwortung der Frage gelöst werden kann, ob den Verfolgten ein Verschulden an dem Schaden trifft, den sein Verfolger erlitten hat. Es geht vielmehr um die dieser Frage, der „subjektiven Zurechnung", vorausgehende Prüfung des objektiven Tatbestandes - um die „objektive Zurechnung", ein Begriff des jüngeren Haftungsrechts 23 , den der B G H bereits in seinem „Verfolgungsurteil" vom 3. 2. 1967 24 verwendet hat. 1. Erste Voraussetzung der Haftung eines Schädigers ist, daß er den Schaden des Schädigers verursacht hat; das ist so selbstverständlich, daß die Väter des B G B es nicht im Gesetz verankert haben (vgl. Motive II 18). Verursachung allein genügt aber, wie schon ausgeführt, in den Verfolgungsfällen nicht, um den auf Ersatz in Anspruch genommenen Flüchtenden haftbar zu machen. Soll der Schaden des Verfolgers diesem 21 So schon Β GHZ 41, 123, 125 in NJW 1964, 720, 721 = VersR 1964, 533, vom BGH zitiert in dem Verfolgungsfall vom 3. 2. 1967 (oben Fn. 16); BGH-Urteil vom 1. 2. 1966 in VersR 1966, 368 (Wurfpfeil); vgl. Zimmermann, JZ 1980, 10, 12. 22 Insofern mit Recht die Kritik von Martens, NJW 1972, 740, 741. 23 Vgl. Latenz in NJW 1955, 1009, 1011 und in NJW 1958, 627, 628 (Anm. zu BGHZ 25, 86), vor allem in Festschrift für Honig 1970 S. 79, 87; Deutsch, Haftungsrecht 1976, § 3 12. 24 Oben Fn. 16; auch schon in BGHZ 25, 86, 90 = NJW 1957, 1475 = VersR 1957, 535, 536.
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„haftungsrechtlich zugerechnet" werden - die vom BGH jetzt ständig verwendete Formulierung 25 - , so muß geprüft werden, ob nicht im zu entscheidenden Fall solcher Umsetzung der Kausalität in eine rechtlich normierte Haftung Grenzen gesetzt sind, und zwar auch über die Adäquanzschranke hinaus26. So kann es trotz adäquater Verursachung an einem für die Haftung des Schädigers wesentlichen inneren Zusammenhang zwischen dessen Handeln und dem Schaden des Geschädigten fehlen; dann aber fehlt es, weil die Geschehnisse nicht ohne wertende Betrachtung richtig beurteilt werden können, an der Berechtigung, dem Schädiger diesen Schaden zuzurechnen. Das hat der BGH schon in seinem Urteil vom 2. 7.1957 („Divertikel") in BGHZ 25, 86 (s. oben Fn. 24) entschieden und in zahlreichen Urteilen wiederholt 27 ; so steht es auch jüngst im Urteil vom 11. 11. 1993 in BGHZ 124, 86, 96:28 „Eine lediglich äußerliche Verbindung des entstandenen Nachteils zu dem Verhalten des Schuldners genügt nicht; vielmehr muß der Schaden bei wertender Betrachtung in einem inneren Zusammenhang zu der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen." 2. Von diesen Rechtssätzen ist der BGH in seinem grundlegenden Verfolgungsurteil vom 13. 7. 1971, dem Leiturteil BGHZ 57, 25 (oben Fn. 1) ausgegangen. Er hat das Zurechnungsproblem nicht mehr durch Anwendung der Adäquanzformel gelöst, sondern danach gefragt, ob der Schaden, den der Verfolger bei seiner riskanten Verfolgung erlitten hatte, dem Schwarzfahrer, der die Verfolgung zweifellos verursacht hatte, auch „haftungsrechtlich zuzurechnen" ist. In jenem Fall hatte der Kontrolleur der Bundesbahn festgestellt, daß der Beklagte ohne Fahrtausweis gefahren war, und wollte dessen Personalien aufschreiben. Als dieser zum Ausgang des Bahnhofs flüchtete und die Treppe hinunterlief, folgte der Beamte ihm, stürzte jedoch, als er ihn zu ergreifen versuchte, und brach sich ein Bein. Der BGH hat die Haftung des Beklagten bejaht, wenn auch in Anwendung des § 254 BGB nur zu 2/J. Er sieht, daß die Problematik der Verfolgungsfälle nicht mittels Wahrscheinlichkeitsprognose und Voraussehbarkeit durch einen S. die in Fn. 12 angeführten BGH-Urteile. So B G H Z 70, 374, 376 = N J W 1978, 1005, 1006 = VersR 1978, 540, 541 = LM BGB § 249 (Bb) Nr. 25; B G H Z 79, 259, 261/262 = N J W 1981, 983 = VersR 1981, 676 = LM BGB § 836 Nr. 18 m. Anm. Dunz, BGH-Urteil vom 4. 5. 1993 im N J W 1993, 2234 = VersR 1993, 843. 27 So B G H Z 57, 137, 142 = N J W 1972, 36, 37 = VersR 1972, 64, 65 und die Urteile in Fn. 12 und 15; BGH-Urteile vom 23. 10. 1984 in N J W 1985, 791, 792 = VersR 1985, 62, 63 (s. dazu Steffen in D A R 1984, 1, 4 Fn. 20) und vom 17. 9. 1991 in N J W 1991, 3275, 3276 = VersR 1991, 1293; vgl. Gottwald in Karlsruher Forum 1986 „Kausalität und Zurechnung" S. 10 ff. 28 N J W 1994, 453, 455. 25 26
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„optimalen Beobachter" erfaßt werden kann, sondern nur aufgrund einer wertenden Betrachtung des Geschehens. Dazu hat er in diesem Urteil herausgearbeitet, was als Voraussetzung der Zurechnung des vom Verfolger erlittenen Schadens an den von ihm Verfolgten, der sich zum „Herrn des Geschehens" gemacht hat29, festgestellt werden muß, aber auch, welche Grenzen dieser „Vertauschung der Täterschaft" zu ziehen sind. a) Der B G H findet den „eigentlichen Grund", den Schaden des Verfolgers dem Verfolgten zu überbürden, in der Schaffung des von diesem durch seine Flucht hervorgerufenen Gefahrenzustandes und zwar eines „gesteigerten Gefahrenzustandes"30. N u r dann wird der Fliehende für den Schaden des Verfolgers verantwortlich gemacht, wenn er ihn als eine Folge dieses gesteigerten Gefahrenzustandes, das der Verfolgte geschaffen hat, erlitten hat31. Daher rechtfertigt das „normale Risiko", das Verfolgungen durchweg anhaftet, noch nicht, den Schaden des Verfolgers dem Fliehenden zuzurechnen 32 . Infolgedessen können Schäden, die Polizeibeamte bei der Verfolgung erlitten haben, oft nicht dem Fliehenden angelastet werden; sie gehören zu den allgemeinen Polizeikosten, mit denen der Staat belastet ist33. In Anwendung dieser Grundsätze hat der B G H im Urteil vom 13. 7. 1971 (oben Fn. 6) die Regreßklage des Landes gegen das Mädchen abgewiesen, das über den naheliegenden Rasen davonzulaufen suchte, der aber dem ihr nacheilenden Beamten zum Verhängnis wurde, weil er, frisch geschnitten, gefährlich feucht war, so daß er ausrutschte und sich einen Muskelriß zuzog. b) Mit diesem Merkmal „gesteigertes Risiko" verbindet das Urteil B G H Z 57, 25 eine weitere Einschränkung von besonderem Gewicht: der Entschluß des Verfolgers, den Flüchtigen trotz des erhöhten Risikos 29
So Steffen in R G R K - B G B aaO (Fn. 9), eine Bezeichnung, die auch das „Grünstreifen-Urteil" des VI. Zivilsenats des B G H in B G H Z 58, 162, 167 = N J W 1972, 904, 906 = VersR 1972, 560, 562 = LM BGB § 823 (C) N r . 42 m. A n m . Weber verwendet; Grunsky, M ü n c h K o m m 3. Aufl. 1994 Vor § 249 Rdn. 58. 30 So schon Deutsch JZ 1967, 641, 642 in seiner Kritik des vorangegangenen Urteils des B G H vom 3. 2. 1967 (oben Fn. 16), ähnlich das „Organspende-Urteil" B G H Z 101, 215, 221 = N J W 1987, 2925, 2926 = VersR 1987, 1040, 1041; kritisiert von Esser/Schmidt, Schuldrecht I, 7. Aufl. 1993, § 33 II 2 a S. 219 („das Risiko höchst unzureichend umschreibend") und von Comes, N J W 1972, 2022. 31 So der Leitsatz des am selben Tage wie B G H Z 57, 25 verkündeten Urteils vom 13. 7. 1971 (oben Fn. 6); daher H a f t u n g verneint im Urteil vom 4. 5. 1993 in N J W 1993, 2234 = VersR 1993, 843, 844. 32 So wieder B G H Z 63, 189 (oben Fn. 7); schon mit Recht so die A n m . von Deutsch in J Z 1967, 641, 642. 33 So mit Recht Steffen, a a O (Fn. 9) in Rdn. 94.
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zu verfolgen, muß von diesem „herausgefordert" sein - ein von Larenz eingeführtes neuartiges Kriterium 34 . Dieses Merkmal tauchte schon in dem BGH-Urteil vom 24. 3. 1964 (oben Fn. 18) auf; jetzt erhebt es der B G H zum die Zurechnung entscheidenden Merkmal der Verfolgungsfälle 35 . Dieses Kriterium ist strenger als das bisher verwandte Merkmal des „inneren Zusammenhangs", nach dem es nicht genügt hätte, daß die Flucht des Verfolgten dem Verfolger nur den (äußeren) Anlaß gegeben hatte, sich zur Verfolgung zu entschließen: 36 das Merkmal „herausgefordert" geht darüber hinaus. U m den Schaden des Verfolgers dem Fliehenden zu überbürden, genügt nicht, daß dieser dem Verfolger dazu „Anlaß" gegeben hatte, auch „innerer Zusammenhang" soll bei den Verfolgungsfällen nicht genügen; schließlich hat sich der Verfolger aus seinem eigenen freien Willen zur Verfolgung des Fliehenden entschlossen, ohne daß dieser ihn dazu gedrängt, gar genötigt hätte, noch viel weniger hat er ihn dazu aufgefordert. Mit „Herausforderung" meint der B G H eine derartige Verknüpfung zwischen Flucht und Verfolgung nicht; er meint damit die vom Flüchtenden geschaffene Gefahrensituation, eine Lage erhöhter Verletzungsgefahr f ü r den Verfolger, der sich dennoch zum Handeln entschlossen hat, weil er sich „herausgefordert" fühlte 37 . Diese Voraussetzung der Haftung des Flüchtenden, die „Herausforderung", ist freilich nicht schon dadurch erfüllt, daß der Entschluß des Verunglückten, wie nicht zu bezweifeln ist, durch das Verhalten des Fliehenden verursacht ist, wenn auch nur durch psychische Vermittlung - ein Kausalzusammenhang, der zur Begründung einer Haftung durchaus ausreichen kann 38 . Darin liegt noch nicht das, was der B G H unter 34 Zuerst auf dem Karlsruher Forum 1959 S. 12 (ohne Bezug auf die Verfolgungsfälle), dann aber in Schuldrecht I, 6. Aufl. 1960 bei § 14 III b S. 129 Fn. 3, näher ausgeführt, jetzt in der 14. Aufl. 1987 bei § 27 III b 5 S. 454 (zitiert in B G H Z 58,162, 167, oben Fn. 29). 35 Medicus in Staudinger, aaO (oben Fn. 4) Rdn. 63 und in Schuldrecht I, 8. Aufl. 1995, § 54 II 4 S. 276; Soergel/Mertens, 12. Aufl. 1992, Vor § 249 Rdn. 138; Grunsky in MünchKomm 3. Aufl. 1994 Vor § 249 Rdn. 62; Lange, JZ 1976, 198, 206 und in Schadensersatz, (Fn. 4) § 3 X 2 b; Diederichsen in Karlsruher Forum 1985, 25; Strauch 1992, 932, 935: „Dreh- und Angelpunkt des Tatbestandes"; kritisch Martens NJW 1972, 740, 743: bloß eine Spekulation? 36 So schon im Anschluß an B G H Z 25, 86 („Divertikel" - oben Fn. 24) das Urteil vom 12. 3. 1963 („Tetanusinjektion") in N J W 1963, 1671 = VersR 1963, 486; vgl. Gottwald in Karlsruher Forum 1986 S. 5 Fn. 25. 37 So im Anschluß an von Caemmerer D A R 1970, 283, 291 das Leiturteil B G H Z 57, 25, 28, 29 in N J W 1971, 1980 = VersR 1971, 964, 965; ähnlich B G H Z 101, 215, 218 (oben Fn. 30: „Nierenspende der Mutter"): „Der Entschluß der Mutter beruhte auf dem Aufforderungscharakter der vom Arzt geschaffenen Gefahrenlage". 38 Vgl. B G H Z 93, 351, 353, 354 = N J W 1985, 1390 = VersR 1985, 499; B G H Z 107, 359, 363 = N J W 1989, 2616, 2617 = VersR 1989, 923, 924; Stürner VersR 1984, 297, 300; s. auch Comes N J W 1972, 2022, 2025.
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„Herausforderung" versteht. Da es bei den Verfolgungsfällen nicht selbstverständlich ist, daß dem Fliehenden der Schaden des Verfolgers zugerechnet wird, muß die Verknüpfung des Handelns des Fliehenden und dem Entschluß des Verfolgers, diesen zu stellen, deutlich enger sein. Wenn auch „Herausforderung" nicht im Sinne einer Provokation des zur Verfolgung bereiten Dritten zu verstehen ist39, muß doch die vom Fliehenden geschaffene gefährliche Lage ihrem Charakter nach drängend sein40, sozusagen ein Appell an sein Gefühl für Gemeinsinn, bei der Verfolgung nach einem Verkehrsunfall sozusagen die „Kameradschaftlichkeit der Straße"41. Zur Haftungsüberwälzung soll eben nicht ausreichen, daß das Verhalten des Flüchtenden dem Verfolger bloß Anlaß zum Eingreifen gegeben hatte: er muß ihn „herausgefordert" haben. Das vom Verfolger übernommene Risiko muß ihm, so fordert Steffen, vom Verfolgten als dem Herrn des Geschehensablaufs „aufgezwungen" sein42. Zwischen ihm und dem Fliehenden muß quasi ein unsichtbares Band entstanden sein, das beide miteinander verknüpft. Der B G H fordert in B G H Z 57, 25, 29 (oben Fn. 1) eine genaue Bestimmung dessen, was im zu entscheidenden Fall die Umstände sind, die es rechtfertigen, das Merkmal „Herausforderung" zu bejahen43. Der Richter muß feststellen können, daß sich der Verfolger zum Eingreifen „herausgefordert fühlen durfte und zwar überhaupt und gegebenenfalls in der von ihm gewählten Weise" 44 . Das wird bei Polizeibeamten, die zum Eingreifen verpflichtet sind, in aller Regel zu bejahen sein (vorbehaltlich einer Unverhältnismäßigkeit - dazu sogleich), ebenso bei einem Kontrolleur der Bahn. Sollte sogar Gefahr für Leib oder Leben bei dem Entschluß, den Fliehenden zu verfolgen, im Spiel sein, so wird dieser nahezu „zwangsläufig herausgefordert" sein45. c) Ob sich der Verfolger herausgefordert „fühlen durfte", hängt von einer Abwägung ab:46 vom Verhältnis des vom Flüchtigen schon angerichteten Schadens und etwa noch drohender weiterer Schäden zu den So mit Recht Grunsky in MünchKomm aaO (Fn. 35). So Zimmermann JZ 1980, 10, 12 („ein gewisses Maß impulsvermittelnder Dringlichkeit"). 41 So das BGH-Urteil vom 24. 3. 1964 (oben Fn. 18); s. auch das Urteil vom 18. 11. 1980 in NJW 1981, 750, 752 = VersR 1981,161,162. 42 AaO im B G B - R G R K oben Fn. 9. 43 Eine wertende Entscheidung, sagt BGHZ 63, 189, 192 (oben Fn. 7); sie näher zu definieren, bereitet Schwierigkeiten (so mit Recht Deutsch in seiner krit. Besprechung des Urteils in JZ 1975,375,376). 44 So BGHZ 57, 25, 31 (oben Fn. 1), wiederholt in BGHZ 63, 189, 192 (oben Fn. 7); s. dazu auch BGH-Urteil vom 29. 11. 1977 in NJW 1978, 421, 422 = VersR 1978, 183, 184. 45 So BGHZ 57, 25, 31, 32 = NJW 1971, 1980, 1982 = VersR 1971, 964, 965 (übernommen aus dem Urteil vom 24. 3. 1964 - oben Fn. 18). 4' Deutsch hat dazu in JZ 1967, 643 einleuchtende Beispiele gebildet. 39
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Wagnissen der Verfolgung; erscheint dies unverhältnismäßig, so kann dem Fliehenden der Schaden, den der Verfolger erlitten hat, nicht zugerechnet werden 47 . In dieser Hinsicht hat der B G H im Urteil B G H Z 57, 25 keine Bedenken gehabt, daß das von dem Bahnkontrolleur bei seiner Verfolgung des Schwarzfahrers über die steile Treppe zum Bahnhofsausgang eingegangene Risiko nicht außer Verhältnis zu seinem Anliegen stand, den Fliehenden zur Feststellung seiner Personalien zu stellen; das Risiko sei nicht so groß gewesen, daß er sich nicht hätte herausgefordert hätte fühlen „dürfen" 48 . 3. Von diesen Grundsätzen ist der B G H dann bei seinen Urteilen vom 26. 10. 1974 und vom 13. 1. 1976, in denen es um den „Fenstersprung" des den flüchtigen Jugendlichen verfolgenden Polizeibeamten ging, ausgegangen. a) In dem ersten dieser beiden Urteile in B G H 63, 189 49 hat er die Haftung des Jugendlichen bejaht, der sich seiner Festnahme zur Verbüßung des gegen ihn verhängten Arrestes durch Sprung aus dem Fenster (2 m über dem Erdboden) zu entziehen versuchte und dem der Polizeibeamte nachgesprungen war, wobei er sich verletzte. Das Risiko, das damit der Beamte einging, war größer als bei einer „normalen Verfolgung", es war, wie der B G H zur Bejahung der Haftung fordert, „gesteigert", um den Beamten abzuschütteln 50 . Insofern unterscheidet sich offensichtlich dieser Fall von dem im BGH-Urteil vom 13.7. 1971 entschiedenen Fall des Mädchens, das über den feuchten Rasen hatte fliehen wollen: hier hatte der B G H die Regreßklage der Polizei abgewiesen 51 . Hier war das Berufungsgericht der Auffassung, das von dem Beamten eingegangene Risiko sei dermaßen „gesteigert" gewesen, daß er sich wegen der ersichtlichen Gefährlichkeit seines Sprunges nicht habe herausgefordert „fühlen dürfen", und hatte deshalb den Regreßanspruch des Landes abgewiesen 52 . Dem hat sich der B G H nicht angeschlossen: 47 Vgl. Grunsky aaO oben Fn. 35; Lange aaO (oben Fn. 35) und in seiner Anmerkung in NZV 1990, 426 zum BGH-Urteil vom 3. 7. 1990 in NJW 1990, 2885 = VersR 1991, 111; kritisch Hübner JuS 1974, 496, 499: diese Abwägung komme erst bei der Prüfung des §254 BGB. " Kritisch Steffen aaO oben Fn. 9, Rdn. 96: das scheine überzogen. 49 S. oben Fn. 7; abgelehnt von Deutsch in JZ 1975, 375 und in Haftungsrecht I § 12 II 6 Fn. 39 sowie von Medicus in Staudinger aaO Fn. 4 und in Bürgerliches Recht (oben Fn. 5) Nr. 653 a. 50 Wie dies BGHZ 57, 25, 29 (oben Fn. 1) gefordert hat; hier auch Steffen, aaO (oben Fn. 9) zustimmend. 51 S. oben Fn. 6; anders aber Medicus in Bürgerliches Recht, oben Fn. 5 und in Staudinger aaO (Fn. 4) Rdn. 64: dieser Fall und der „Fenstersprung" lägen doch ähnlich? 52 So OLG Düsseldorf NJW 1973, 1929 (dazu eingehend Hühner in JuS 1974, 496); vgl. auch OLG Düsseldorf NJW 1974, 1093: in diesem Fall hat das OLG den Flüchtenden, der durch das Fenster hatte entkommen wollen, verurteilt.
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nicht schon jede gefährliche Verfolgung lasse die Haftung des Flüchtenden von vornherein ausscheiden, wohl könne im einzelnen Fall der Ersatzanspruch des Verfolgens wegen seines Mitverschuldens gemindert werden (§ 254 BGB). Der B G H hat dann noch geprüft, ob etwa das vom Beamten in Kauf genommene Risiko seines Sprunges außer Verhältnis zu dem Zweck, den sich der Strafvollstreckung entziehenden Jugendlichen festzunehmen, gestanden habe, hat das aber verneint: der Beamte sei nicht nur berechtigt gewesen, den Jugendlichen festzunehmen, sondern dazu sogar dienstlich, trotz der Selbstgefährdung, verpflichtet gewesen53. In diesem Urteil ist der B G H offenbar davon ausgegangen, daß der Jugendliche sich nicht habe darauf berufen können, jeder Delinquent dürfe sich dem Strafanspruch des Staates durch Flucht (von der Fahrerflucht des § 142 StGB abgesehen) entziehen 54 . Das ist zwar richtig, besagt aber nur, daß der Fliehende nicht schon wegen seiner Flucht rechtswidrig, gar strafbar handelt55, besagt aber nicht, daß er bei seiner Flucht nicht gegen andere Gebote oder Verbote der Rechtsordnung - hier: eingriffsbereite Dritte durch die Art seiner Flucht („gesteigertes Risiko") zu gefährden - verstoßen dürfe; ihnen gegenüber kann er also ersatzpflichtig werden. Das hatte der B G H schon in seinem Urteil vom 24. 3. 1964 ausgesprochen 56 . b) Anders, nämlich die Klage des Dienstherrn des Polizeibeamten abgewiesen, hat der B G H in einem ähnlichen Fluchtfall im Urteil vom 13. 1. 1976 entschieden 57 . Auch hier sollte der Polizeibeamte einen Jugendlichen, der den gegen ihn verhängten Wochenendarrest nicht angetreten hatte, festnehmen. Dem entzog sich dieser dadurch, daß er aus einem Fenster sprang, das 4 m hoch über dem Erdboden im 1. Stockwerk des Hauses lag. Als der Beamte es dennoch wagte, hinter ihm her zu springen, verletzte er sich. In diesem Fall hatte der B G H bereits Bedenken gegen die Annahme, daß der Sprung des Beamten aus 4 m Höhe noch im rechten Verhältnis zu der Festnahme stehe, jedenfalls fehle es am Verschulden des Jugendlichen: dieser habe nicht damit zu rechnen brauchen, daß sein Verfolger ihm aus dieser Höhe nachspringen werde.
" Kritisch (nicht zu Unrecht?) Deutsch in Haftungsrecht § 12 II 8 S. 166. 54 Anders Esser/Schmidt (oben Fn. 30), S. 219; kritisch auch Deutsch JZ 1975, 375, 377. 55 Medicus in Staudinger aaO (oben Fn. 4). " Oben Fn. 18; so wieder B G H Z 57, 25, 28/29 in N J W 1971, 1980 = VersR 1971, 962, 963; Lange, Schadensersatz (oben Fn. 4) § 3 X 2 b S. 137; Diederichsen, Karlsruher Forum 1985, 25; Strauch VersR 1992, 932, 936; nicht ohne Zweifel Steffen in BGB-RGRK (Fn. 9) Rdn. 94. 57 Oben Fn. 8; kritisiert von Esser/Schmidt, aaO (Fn. 30).
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3. Subjektive Zurechnung Ist die objektive Zurechnung nach diesen Rechtsgrundsätzen des B G H - drei hintereinander zu prüfende Haftungsvoraussetzungen, alles unbestimmte Rechtsbegriffe - bejaht, so ist zu prüfen, ob das von § 823 Abs. 1 B G B geforderte Verschulden des Verfolgten ebenfalls zu bejahen ist: mußte er voraussehen, daß er durch seine Flucht und die Art und Weise der Flucht den Verfolger in die Gefahr brachte zu verunglücken (§ 276 B G B ) ? 1. Das ist fraglos dann der Fall, wenn er erkannt hatte, daß er verfolgt wurde, und deshalb seine Flucht mit erhöhter Verletzungsgefahr für den Verfolger steigerte. Von einem derartigen Sachverhalt geht bereits das Urteil vom 24. 3. 1964 (oben Fn. 18) aus, dessen Leitsatz mit den Worten beginnt: „Wer sich der erkannten Verfolgung zu entziehen versucht . . . " Dann liegt das Verschulden des Verfolgten auf der Hand: er hat gewollt, jedenfalls billigend in Kauf genommen, daß der Verfolger, wenn er sein Vorhaben nicht aufgibt, verunglückt. Hat dieser dabei Schaden erlitten, so muß ihm diesen der Verfolgte ersetzen. Wurzel dieser Ersatzpflicht ist, daß er durch seine Flucht die Gefahrenlage geschaffen hat, die den Verfolger zum Eingreifen bestimmt hatte; er haftet ihm nicht etwa deshalb, weil dessen Schaden ein ihm zu ersetzender Folgeschaden des Delikts wäre, das ihm wegen des am Anfang der Kausalkette stehenden von ihm begangenen Unrechts (ζ. B. Verkehrsunfall) zur Last fällt58. Daher hatte der B G H in jenem ersten VerfolgungsUrteil vom 24. 3 . 1 9 6 4 zum Verschulden des Beklagten kein Wort verloren; das lag auf der Hand; zumindest hatte er fahrlässig gehandelt. 2. Auch im Fall des „Leiturteils" vom 13. 7. 1971 in B G H Z 57, 25 (oben Fn. 1) stand außer Frage, daß der Schwarzfahrer erkannt hatte, von dem Bahnbeamten verfolgt zu werden; der Leitsatz auch dieses Urteils lautet: „Wer sich der Feststellung seiner Personalien durch Flucht zu entziehen sucht, hat bei erkannter Verfolgung für Schäden des Verfolgers einzustehen."
Das dürfte dafür sprechen, daß der B G H , soll die Haftung des Fliehenden bejaht werden, voraussetzt, daß dieser erkannt hat, er werde verfolgt. Allerdings begründet das Urteil in den Entscheidungsgründen die Fahrlässigkeit des Beklagten „zunächst" damit, dieser habe damit rechnen müssen, daß der Kontrolleur ihn verfolgen werde, weil es dessen Aufgabe gewesen sei, Schwarzfahrer zu stellen59. Indes stützt sich das
58 Vgl. von Caemmerer DAR 1970, 283, 291 (im Anschluß an Stoll, Kausalzusammenhang und Normzweck, 1968, S. 32/33). 59 So BGHZ 57, 25, 32/33 = NJW 1971, 1980, 1981 = VersR 1971, 964, 965 = LM BGB § 823 (C) Nr. 38.
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Urteil auf die Feststellung des Tatrichters, daß der Beklagte die Verfolgung durch den Kontrolleur „sogar" erkannt habe, er habe gewußt, daß dieser auf der Bahnhofstreppe unmittelbar hinter ihm war, um ihn zu ergreifen. Dann aber, so fährt das Urteil fort, habe er voraussehen können, daß der Beamte bei der schnellen Verfolgung die steile Treppe hinab zu Schaden kommen könnte. Das aber scheint mit der Ansicht, die von Caemmerer, auf den sich das B G H - U r t e i l B G H Z 57, 25, 28 (ebenso B G H Z 63, 189, 191) beruft, zur Haftung des Verfolgers in D A R 1970, 283,291 vertreten hat, nicht recht vereinbar zu sein. Hier vertritt er60 den Standpunkt, daß das Verschulden des Flüchtenden die Verletzung des eingreifenden Dritten nicht zu umfassen brauche. Die Verpflichtung des Fliehenden, diesem den Schaden zu ersetzen, den er bei der Verfolgung erlitten hat, beruhe (schon) darauf, daß er die Gefahrenlage, die das Eingreifen des Verfolgers herausgefordert habe, pflichtwidrig geschaffen habe. Ersichtlich geht der B G H bei der Prüfung der subjektiven Seite der Haftung des Verfolgten in zwei Schritten vor: er schickt der Prüfung, ob dem Verfolgten deshalb Fahrlässigkeit zur Last fällt, weil er voraussehen konnte und mußte, daß sein Verfolger zu Schaden kommen konnte, die Frage voraus - und dies schon bei der Prüfung des objektiven Tatbestandes, der Zurechnung - , ob der Fliehende erkannt hatte, verfolgt zu werden. Offenbar will der B G H dann, wenn der Fliehende dies nicht erkannt hatte, ihm keine Fahrlässigkeit bezüglich des Unfalls des Verfolgers vorwerfen. Oder würde er ihm diese auf den Unfall bezogene Fahrlässigkeit dann doch zur Last legen, wenn er infolge mangelnder Sorgfalt nicht erkannt hatte, daß er verfolgt wurde, er deshalb auch nicht daran gedacht hat, daß seine Flucht ihrer Art nach einen Verfolger gefährden könnte? Dafür könnte sprechen, daß der B G H im Urteil B G H Z 57, 25, 28 sagt, der Beklagte habe, „für ihn erkennbardurch sein Weglaufen eine Lage erhöhter Verletzungsgefahr für den ihn verfolgenden Kläger geschaffen61 - so steht es in Abschnitt 3 a) der Gründe, die sich mit den Voraussetzungen der „objektiven Zurechnung" befassen, während anschließend im Abschnitt 4) geprüft wird, ob der Beklagte die Körperverletzung des verunglückten Klägers fahrlässig verursacht hat. Aber auch in diesem Abschnitt der subjektiven Zurechnung macht der B G H zwei Schritte nacheinander: „zunächst" mußte der Beklagte damit rechnen, daß der Kläger ihn weiterhin verfolgen werde - so beginnt das
Im Anschluß an Stoll (oben Fn. 59) S. 32. " Ebenso in B G H Z 63, 189, 191 (oben Fn. 7); so auch Nüßgens in seiner Anm. in LM BGB § 823 (C) Nr. 38: Die Verfolgung war ihm „erkennbar" und jetzt auch Larenz aaO (Fn. 34) bei § 37 III b 5 Fn. 102: Der Entschluß des Kontrolleurs, den Fliehenden zu verfolgen, war diesem ebenso wie das damit verbundene Risiko „erkennbar".
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Urteil die Bejahung der Fahrlässigkeit; anschließend heißt es, der Beklagte habe „ebenfalls voraussehen können, daß der Kläger bei der Verfolgung (über die Treppe) körperliche Schäden davontragen könne, die Verfolgung habe zu einer erhöhten für den Beklagten erkennbaren Gefahr für den Kläger geführt. Dieses „erkennbar" rechtfertigt den Vorwurf, daß der Beklagte den Sturz des Klägers fahrlässig verschuldet habe, hat aber mit dem Vorwurf, dem Beklagten sei „erkennbar" gewesen, daß er durch sein Fliehen „eine Lage erhöhter Verletzungsgefahr für den Kläger" geschaffen hatte, nichts zu tun: das ist nach dem Urteil B G H Z 57, 25, 28 ein Baustein im objektiven Tatbestand. Soll die Zurechnung des Schadens etwa nicht voraussetzen, daß der Fliehende erkannt hatte, verfolgt zu werden - soll es genügen, daß dies für ihn „erkennbar" war? Eine solche Auslegung des BGH-Urteils stünde in Widerspruch zu dem Leitsatz, der von der Haftung des Verfolgten „bei erkannter Verfolgung" spricht. Das ist, wie dargelegt, schon bei dem vorangegangenen Urteil vom 2 4 . 3 . 1964 der Fall und ebenso bei dem Urteil vom 3 . 2 . 1967: die Leitsätze beider Urteile sprechen von der „erkannten" Verfolgung durch die Polizei (oben Fn. 18 und 16). Wenn das Urteil vom 24. 3. 1964 vom Verfolgten verlangt, das Risiko seiner Flucht nicht derart zu steigern, daß sein Verfolger Gefahr läuft zu verunglücken, andernfalls er seine Flucht abbrechen müsse62, so setzt das voraus, daß er (positiv) erkannt hat, verfolgt zu werden. Wäre nicht zu erwarten gewesen, daß der B G H , wenn er in dem Urteil vom 13. 7. 1971 in B G H Z 57, 25, 28 hätte von dem Merkmal „bei erkannter Verfolgung" abgehen und sich mit „erkennbar" begnügen wollen, dies in den Gründen ausdrücklich gesagt hätte? 3. Dieser letzteren Meinung scheint aber das neuere Urteil des B G H vom 3. 7. 1990 63 zu sein. a) In dem hier entschiedenen Fall war Polizeibeamten ein Kraftwagen aufgefallen, bei dem Auspuff und Rücklicht nicht in Ordnung waren, und waren deshalb dem Fahrer des Wagens, dem Beklagten, gefolgt. Als dieser von der Straße in einen unbefestigten schneeglatten Waldweg abbog, glaubten sie, daß er sie als seine Verfolger erkannt habe und sie abzuschütteln suchte. Das Polizeifahrzeug, das dem Beklagten gefolgt war, geriet alsbald ins Rutschen und fuhr gegen einen Baum. Der Tatrichter vermochte nicht festzustellen, daß der Beklagte gewußt habe, verfolgt zu werden; denn die Beamten fuhren mit einem Zivilfahrzeug, " So in NJW 1964, 1363, 1364 = VersR 1964, 684, 685. " NJW 1990, 2885 = VersR 1991, 111 = LM BGB § 823 (C) Nr. 64; Anm. von Lange in NVZ 1990,426.
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daher ohne Blaulicht und Martinshorn hinter ihm her. Es ergab sich, daß der Beklagte nur deshalb in den Waldweg eingebogen war, weil dieser von der Straße zu seinem Wohnort führte. Angesichts dieser Umstände hatte das Berufungsgericht die Schadensersatzklage des Landes abgewiesen; der BGH hat diese Entscheidung bestätigt. Das BGH-Urteil sagt dazu, ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem Verhalten des Beklagten und dem Unfall wäre nur gegeben, wenn dieser hätte erkennen müssen, daß er durch seine Fahrweise die Insassen des nachfolgenden Polizeifahrzeugs gefährdete. Da das Berufungsgericht dies verneint habe, mußte es, weil die subjektiven Voraussetzungen der Haftung des Beklagten nicht erfüllt waren, die Klage abweisen. Das war, so erklärt der BGH, fehlerfrei; denn dem Beklagten sei weder bewußt gewesen, daß er verfolgt wurde, noch habe er dies unter den gegebenen Umständen (Zivilfahrzeug, kein Signalhorn, kein Blaulicht) „infolge von Fahrlässigkeit nicht erkannt". Dementsprechend spricht der Leitsatz (Leitsatz Nr. 2 zu § 7 StVG) von einem von der Polizei verfolgten Kraftwagen, „ohne daß dem Kraftfahrer nachzuweisen ist, die Verfolgung erkannt oder fahrlässig nicht erkannt zu haben"64. h) Dieser Satz des BGH-Urteils stößt auf Bedenken. Dem Fliehenden kann der Vorwurf, seinen Verfolger deshalb schuldhaft gefährdet zu haben, weil er dessen Unfall angesichts seiner risikogesteigerten Fahrweise hätte voraussehen können und müssen, nur gemacht werden, wenn ihm nachgewiesen ist, daß er das hinter ihm her fahrende Fahrzeug als seinen Verfolger (positiv) erkannt hat, wie das auch die Leitsätze der vorgehenden BGH-Urteile gesagt haben. Nur dann läßt sich sagen, daß er das Risiko, das seine Flucht kennzeichnet, als „Herr des Geschehens" dem Verfolger aufgezwungen hat65. Erst die Kenntnis vom Verfolgtwerden löst die Pflicht des Verfolgten aus, das Risiko zu mindern, notfalls seine Flucht abzubrechen. Tut er das nicht, wird in aller Regel der Vorwurf, den Unfall des Verfolgers fahrlässig verschuldet zu haben, berechtigt sein. Das würde dann allerdings nicht der Fall sein, wenn er zwar erkannt hatte, verfolgt zu werden, aber nicht auch erkannt hatte, daß seine Flucht für den Verfolger eine „erhöhte Verletzungsgefahr" geschaffen hatte. Das muß für ihn jedenfalls „erkennbar" gewesen sein, wie dies das BGH-Urteil BGHZ 57, 25, 28 gefordert hat, wenn die Zurechnung des Schadens des Verfolgers bejaht werden soll; dafür genügt es in der Tat, daß er das hätte erkennen kön-
M So zwar anscheinend schon B G H Z 63, 189, 193 = N J W 1975, 168, 169 = VersR 1975, 154, 155: „Mit der Verfolgung nicht rechnete und nicht zu rechnen brauchte." 65 So treffend Steffen in B G B - R G R K § 823 Rdn. 94 a. E. und 96 (s. zu diesem Begriff auch das „Grünstreifen-Urteil" in B G H Z 58, 162, 167 - oben Fn. 29).
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nen und müssen 66 . Soweit es aber um die Tatsache der Verfolgung geht, muß ihm (positive) Kenntnis nachgewiesen werden; hat er sie nicht, so „flieht" er nicht vor einem Verfolger und sieht sich nicht als Verfolgten. Wohl kann, wie dies in dem letzten Verfolgungsurteil des B G H der Fall war, das Bild, das seine Verfolger vor Augen haben, der Verfolgung eines „Fliehenden" entsprechen. Das aber genügt nicht, ihn als einen Verfolgten ersatzpflichtig zu machen. Zwar hatte die Situation die Verfolger zum Eingreifen „herausgefordert", aber das geschah nicht mit dem Willen des „Fliehenden". Damit fehlte es an den subjektiven Voraussetzungen der Haftung jenes Kraftfahrers, dazu reicht der Vorwurf nicht, er habe bei Einsatz der erforderlichen Sorgfalt erkennen müssen und können, daß sein „Hintermann" verunglücken könne. Einem Kraftfahrer kann nicht angesonnen werden, immer dann, wenn er bei seiner Fahrt „ein schlechtes Gewissen" hat (er hat keinen Führerschein, er hat den Wagen gestohlen, fährt ohne Erlaubnis des Halters, er hat soeben einen Vorfahrtberechtigten gefährdet und dergleichen), seine Aufmerksamkeit im Verkehr auch einem hinter ihm fahrenden Fahrzeug zu widmen, um zu erkennen, ob er etwa verfolgt werde. 4. Ausblick Uberblickt man die Entwicklung der Rechtsprechung des B G H zu den „Verfolgungsfällen", so wird deutlich, daß er von der Sicht, mit welcher er zunächst glaubte, die Problematik angehen und die Haftung eines Verfolgten bejahen zu können, im Urteil vom 13. 7. 1971 ( B G H Z 57, 25) abgegangen ist. An diesem Tag hatte der VI. Zivilsenat des B G H zwei Urteile verkündet: das eine verneinte die Haftung des über den Rasen flüchtenden Mädchens (oben Fn. 6), das andere in B G H Z 57, 25 (oben Fn. 1) bejahte die Haftbarkeit des Schwarzfahrers, gab aber den Gedanken, die Problematik mittels der „Adäquanz" zu lösen, auf und arbeitete mehrere die Haftung einschränkende Kriterien heraus67: das „normale Risiko" einer Verfolgung bleibt bei dem Verfolger, nur ein „gesteigertes Risiko" wird dem Fliehenden zugerechnet - es genügt
" So wieder B G H Z 57, 25, 33 am Schluß der Gründe: Die Verfolgung führte zu einer erhöhten für den Beklagten „erkennbaren" Gefahr für den Kläger, als der Beklagte „in Kenntnis der Verfolgung" die Flucht fortsetzte ..." 67 Das läßt erkennen, daß die Frage der Haftung im Senat umstritten war: Die einen wollten die bisher für richtig gehaltene Rechtsprechung zur Haftbarkeit fortsetzen (freilich unter Aufgabe der „ A d ä q u a n z " als tragenden Grund), daher die H a f t u n g bejahen, die anderen wollten sie verneinen, Ergebnis war der Kompromiß: Haftung zwar bejaht, aber erst nach Prüfung dieser neuen Haftungskriterien.
Verfolgungsfälle: objektive und subjektive Zurechnung
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dazu nicht, daß dessen Flucht den Verfolger veranlaßt hat, sich den Gefahren der Verfolgung auszusetzen, vielmehr muß ihn der Fliehende dazu „herausgefordert" haben - aber auch dann darf das Risiko, das der Verfolger in Kauf genommen hat, nicht, wird es an dem mit der Verfolgung erstrebten Zweck gemessen, „unverhältnismäßig" sein. N u r noch im Urteil B G H Z 63, 189 vom 24. 1 0 . 1 9 7 4 („Fenstersprung" - oben Fn. 7) hat der B G H die Haftung des Fliehenden bejaht, in dem anderen Fall eines „Fenstersprungs" (Urteil vom 13. 1 . 1 9 7 6 - oben Fn. 8) hat er die Haftung verneint und im letzten Urteil vom 3. 7. 1990 (oben Fn. 63) die vom Berufungsgericht ausgesprochene Klageabweisung bestätigt. Diese Entwicklung möchte wohl als Rückzug von der anfangs allzu entschlossen vertretenen Haftbarkeit eines verfolgten Übeltäters gedeutet werden. Es fällt auch auf, daß, soweit ersichtlich, in den letzten Jahren kaum noch ein „Verfolgungsfall" vor Gericht gebracht worden ist. Hat etwa Steffen68 mit seiner Ansicht recht, daß ein Flüchtender nur dann seinem Verfolger haften sollte, wenn er sich, um den Verfolger abzuschütteln, zum „Herrn" der Verfolgung gemacht hat, oder wenn er ihn bewußt in eine gefährliche Situation lotst, die zwar er beherrscht, nicht aber sein Verfolger?
" A a O (Fn. 9) im B G B - R G R K § 823 Rdn. 96.
Verzeichnis der Schriften von Erich Steffen 1961 Geschichtliche Entwicklung und Rechtsnatur des Staatsvorbehalts und seine Stellung zum Bergregal, Diss. Universität Bonn 1967 Der Aufopferungsanspruch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, DRiZ 1967,110-115 1968 Die Enteignungsentschädigung, Grundsätze für ihre Bemessung, DRiZ 1968,126-130 Das Haftungsprivileg des Spruchrichters und seine Geltung im außerdeliktischen Bereich, DRiZ 1968, 237-239 1971 Die hessische Richterbesoldung vor dem Bundesverfassungsgericht, DRiZ 1971, 266-267 1972 Präsidenten- ynd Richterwechsel am Bundesverfassungsgericht, D O V 1972, 46-47 1974 Kommentierung zu §§ 21-89; 158-185 in BGB-RGRK, 12. Aufl., Bd. I; §§ 779-811 in BGB-RGRK, 12. Aufl., Bd. II 4 „Unternehmerprivileg" i. S. d. RVO § 636 für die Deutsche Bundesbahn? LM Nr. 8 zu § 636 RVO 1975 Aufklärungspflicht des Notars bei einer Grundstücksveräußerung über die Möglichkeit der Einschränkung der Verfügungsmacht nach BGB § 1365, LM Nr. 6 zu § 1365 Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder", LM N r . 36 zu Art. 14 G G
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Notwehr gegen Verkauf pornographischer Schriften? LM Nr. 4 zu § 227 BGB Sorgfaltspflicht des Architekten gegenüber Grundpfandgläubigern, LM Nr. 8 zu § 823 B G B 1976 Zur Frage der Rechtswidrigkeit einer Sterilisation durch einen Arzt, LM Nr. 15 zu § 823 BGB Zum Rechtsweg, zu den Voraussetzungen und dem Umfang einer Inanspruchnahme der Fernsehanstalt bei Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch eine ehrenkränkende Sendung, LM Nr. 55 zu § 823 B G B 1977 Zivilrechtlicher Ehrenschutz bei ehrenrührigen Behauptungen im Familienkreis, LM Nr. 144 zu § 1004 BGB Werbung als erstattungsfähige Aufwendung über Gegendarstellung hinaus? LM Nr. 21 zu § 824 B G B Zu den Voraussetzungen einer gerechtfertigten Presseberichterstattung über ehrenrührige Vorgänge sowie zum Umfang des Widerrufs, LM Nr. 58 zu § 823 BGB Beiträge zur Freiwilligen Rentenversicherung als Schaden bei Verletzung des Körpers und der Gesundheit, LM Nr. 16 zu § 842 B G B Kein Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers bei fehlender Mehrbelastung, LM Nr. 108a zu § 1542 RVO 1978 Empfiehlt es sich, im Interesse der Patienten und Ärzte ergänzende Regelungen für das ärztliche Vertrags-(Standes-) und Haftungsrecht einzuführen? Deutscher Juristentag 52, 18-25 Die Grenzen der Verwertbarkeit illegal erlangter Informationen durch die Presse im Verhältnis zur persönlichen Geheimhaltungssphäre, LM Nr. 47 zu Art. 5 G G Fortsetzung einer bei Konkurseröffnung anhängigen Klage gegen den Gemeinschuldner bei Verzicht des Gläubigers auf die Teilnahme am Konkurs, LM Nr. 1 zu § 60 ZVG Koalitionsfreiheit nach G G Art. 9 und Haftung des Teilnehmers nach BGB § 830, LM Nr. 7 zu Art. 9 G G 1979 Wahrheit und Wertung in der Pressekritik II, AfP 1979, 284-285
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Kein Fluggast-Unfallversicherungszwang für zwischenstaatliche Flüge ausländischer Luftfahrtunternehmer - Kein Regreß des Sozialversicherungsträgers bei freiwilliger Versicherung, LM Nr. 108b zu § 1542 RVO Kollektivbeleidigung von Menschen jüdischer Abstammung durch Leugnung ihres Verfolgungsschicksals im Nationalsozialismus, LM Nr. 49 zu Art. 5 GG Die steuerlichen Buchführungspflichten des Konkursverwalters, LM Nr. 10 zu § 82 KO Zum Umfang der Schadensersatzpflicht des Warendiebes, LM Nr. 20 zu § 249 BGB Die Reichweite der Parlamentsprivilegien im zivilrechtlichen Ehrenschutz, LM Nr. 10 zu § 823 1980 Verkehrspflichten im Spannungsfeld von Bestandsschutz und Haftungsfreiheit, VersR 1980,409^12 Zum Ehrenschutz von Personengesellschaften, LM Nr. 53 zu Art. 5 GG Grundsätze für die Behandlung von verdeckten Behauptungen im Ehrenschutzprozeß, LM Nr. 52 zu Art. 5 GG 1981 Kommentierung der §§ 823, 824-831 im BGB-RGRK, 12. Aufl., Bd. II 5 Keine Haftungsfreistellung von Krankenhausträger, Arzt und Pflegepersonal für Unfälle des Patienten im Krankenhausbereich nach RVO § 539 Abs. 1 Nr. 17a, LM Nr. 6 zu § 539 RVO 1982 Die Amtspflichten des Konkursverwalters aus KO § 82 bei Vertragsverhandlungen, LM Nr. 12 zu § 82 KO Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist nach Ablauf der Frist, LM Nr. 77 zu §519 ZPO Erschöpfungseinwand des Kfz-Haftpflichtversicherers, LM Nr. 41 zu PflVG 1965 Konkurrenz von Kinderzulage mit dem Kindergeld im Rahmen des RVO § 1542, LM Nr. 120 zu § 1542 RVO Zum Konflikt des Persönlichkeitsrechts mit satirischen Kunstformen, LM Nr. 80 zu § 823 1983 Der „verständige Patient" aus der Sicht des Juristen, MedR 1983, 88-92
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Schätzungsmaßstäbe des Unterhaltsbedarfs der Hinterbliebenen einer getöteten Hausfrau, LM N r . 63 zu § 844 Abs. 2 BGB Zum Verhältnis der konkreten Nutzungsausfallentschädigung und der abstrakten Verzinsung gem. BGB § 849, LM Nr. 4 zu § 849 Direktanspruch gegen den Kraftfahrzeug-Versicherer bei gestörtem Versicherungsverhältnis, LM N r . 44 zu PflVG 1965 Zum Zeitpunkt des Schadensausgleichs für den unfallbedingten Rentenverkürzungsschaden, LM N r . 32 zu § 843 BGB Die Kinderzulage beim Regreßanspruch des Sozialversicherungsträgers, LM N r . 19 zu § 640 RVO Zum Regreßanspruch des Rehabilitationsträgers für Beiträge zu Sozialund Arbeitslosenversicherung, LM Nr. 128 zu § 1542 R V O Tatortrecht bei einem Verkehrsunfall im Ausland? LM Nr. 18a zu Art. 12 EGBGB Voraussetzungen einer Luftbeförderung, LM Nr. 21 zu LuftVG Sperrabrede unter Arbeitgebern, LM N r . 3 zu § 75 f H G B Zur Widerrufsklage gegen unwahre Behauptungen im „kleinen Kreis" bzw. Beschlüsse einer Gesellschafterversammlung, LM Nr. 84 zu § 823 BGB 1984 Ersatz von Fortkommensnachteilen und Erwerbsschäden aus Unfällen vor Eintritt in das Erwerbsleben, DAR 1984, 1-6 Zum deutschen Kollisionsrecht für die Deliktshaftung aus einem Verkehrsunfall im Ausland, LM Nr. 19 zu Art. 12 EGBGB 1985 Abkehr von der konkreten Berechnung des Personenschadens und kein Ende? VersR 1985, 605-611 1986 Probleme der Rechtsprechung mit dem Verweisungsprivileg des KfzHaftpflichtversicherers bei „krankem" Deckungsverhältnis aus § 158c Abs. 4 W G , VersR 1986,101-105 1987 Der SVT-Regreß bei „kranker" KH-Versicherung, VersR 1987, 529-533
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1988 Die Bedeutung der „Stoffgleichheit" mit dem „Mangelunwert" für die Herstellerhaftung aus Weiterfresserschäden, VersR 1988, 977-980 Schranken des Persönlichkeitsschutzes für den „investigativen" Journalismus, A f P 1988, 117-120 1990 Die Verteilung des Schadens bei Beteiligung mehrerer Schädiger am Verkehrsunfall, D A R 1990, 41-46 Verschuldenshaftung und Gefährdungshaftung für Umweltschäden, N J W 1990,1817-1822 Grundlagen und Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Arzthaftpflicht, ZVersWiss 1990, 31-42 1991 Die Rechtsprechung des B G H zur fiktiven Berechnung des Fahrzeugschadens, N Z V 1 9 9 1 , 1 - 5 1992 Uberjustizialisierung - Defizite in der Gesetzgebung, D R i Z 176-183
1992,
„Das Bedürfnis nach einem Tempolimit hat sich nicht erledigt" - Die Richtgeschwindigkeit als Appell an die Vernunft der Kraftfahrer, Z R P 1992, 229-230 1993 Haftung im Wandel, ZVersWiss 1993,13-37 Kostendämpfung und ärztlicher Standard, Anforderungen des Haftungsrechts - Referat beim V. Einbecker Workshop, Januar 1993, MedR 1993, 338 1994 Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit sind keine Gegensätze - „Ein Schmerzensgeld sollte den Medien weh tun", Z R P 1994,196-198